Sonntag, 23.7.22 Bad Harzburg – Hadersleben/ Dänemark Wir sind wieder unterwegs. Dieses Mal bringt uns unser liebgewonnenes, altes Womi wieder von Ort zu Ort. Nachdem wir mit Zwischenübernachtung in Augustdorf am 20.7. nach Bielefeld gefahren sind, wo ich am Freitag, den 21.7. ein Klassentreffen meiner Grundschule von vor 51 Jahren besucht habe, ging es am 22.7. zu Freunden nach Neumünster, wo wir dann auch die Nacht verbrachten. Nach einem ausgedehnten Frühstück am Morgen verabschiedeten wir uns dort und starteten bei Dauerregen unsere Reise in den Norden. Unseren ersten Halt machten wir in Apenrade/ Aabenraa in Dänemark. Gut eingepackt in Regenkleidung wagten wir einen Spaziergang durch die Fußgängerzone und konnten uns inmitten bunter Häuschen auf Skandinavien einstimmen. Danach ging die Fahrt weiter bis Hadersleben/ Haderslev, wo wir auf einem ruhigen Plätzchen eines privaten Stellplatzes einer Familie, etwas am Ortsrand, die kommende Nacht verbrachten Wir hatten Strom und konnten so unsere nassen Sachen trocknen. Wir hatten nicht nur nasse Regenkleidung, sondern durften morgens bei unseren Freunden auch noch Wäsche waschen, weil Stefan völlig durchweicht vom Joggen kam.
Montag,24.7.23 Hadersleben- Fünen Unsere letzte Nacht verbrachten wir ruhig und angenehm auf dem kleinen Hofstellplatz bei Hadersleben. Wir statteten auch der netten Altstadt mit ihren bunten Häusern einen Besuch ab, bevor wir weiterfuhren nach Kolding. Wir fanden einen guten und kostenlosen Parkplatz und waren gleich begeistert von dem daneben liegenden Spielpark. Man konnte das wirklich nicht mehr Spielplatz nennen, sondern es war ein großer Park mit See und Tretbooten, diversen Spielanlagen für unterschiedliche Altersgruppen und zahlreichen Picknicktischen. Das Angebot wurde auch gut angenommen. Der erste Blick auf die Stadt selbst fiel auf das Schloss Koldinghus. Es wirkte eher wie eine alte Backsteinburg, und als Burg wurde es auch 1268 erbaut, um über die Grenze zwischen dem Königreich Dänemark und dem Herzogtum Schleswig zu wachen. Nachdem es 1808 ausbrannte, war es lange eine Ruine, bis es zum heutigen modernen Museum zur Schlossgeschichte mit künstlerischen Ausstellungen, Angeboten und Aktivitäten umgebaut wurde. Gefallen hat mir die Ausstellung über die Königsyacht Dannebrog. Man hatte die Inneneinrichtung des Schlosses so gebaut, dass man sich wie auf dem Schiff fühlte und die Kombüse, die Mannschaftskojen und die königlichen Räumlichkeiten durchwandern konnte. Im Schloss gab es immer auch wieder Spielmöglichkeiten für Kinder wie ein Holzkugelspiel, ein Flaggenpuzzle etc., und diverse Angebote zu bestimmten Zeiten für Groß und Klein verliehen dem Museum eine lebendige Atmosphäre. Die Innenstadt von Kolding hat uns ebenfalls gut gefallen. Auch hier wurde deutlich, welchen Stellenwert Kinder hier haben, denn es gab ein 6000m² großes Kinderkulturzentrum mit Angeboten wie Kinderzirkus, handwerklichen und musikalischen Angeboten. Die Lage am Fjord und die hübschen bunten Häuser rundeten den positiven Eindruck dieser Stadt ab. Danach ging es auf unsere erste Insel, nach Fünen/ Fyn. Leider war der angepeilte Stellplatz am Wasser mit Blick auf die kleine Insel Fænø bereits belegt. Wir fuhren ein paar Kilometer weiter und hielten auf einem Wanderparkplatz am See mit Vogelbeobachtungsturm. Laut unserer Camping-APP sprach einer Übernachtung hier nichts entgegen und wir genossen die Stille und Idylle hier.
Dienstag, 25.7.23 Fünen/ Fyn Das Wetter hatte sich zum Besseren gewendet, daher war nun Wandertag. Wir fuhren von unserem schönen und entspannten Wanderparkplatz, von dem uns letzte Nacht niemand vertrieben hatte, in Richtung Norden, genauer gesagt nach Fyns Hoved, was soviel heißt wie Fünens Kopf. Dieser liegt auf der Halbinsel Hindsholm. Laut dänischer Werbung handelt es sich um eine der schönsten Gegenden Dänemarks. Wir umwanderten nahezu das ganze Gebiet, das ein Naturschutzgebiet ist. Der Start war am Naturhafen Korshavn, wo wir zahlreiche Kitesurfer und Windsurfer über das seichtere Wasser einer Lagune flitzen sahen. Der Wind gab ihnen richtig Schwung und einer führte meterhohe Sprünge durch. Wir hatten einen wunderschönen Blick über zwei Lagunen und die Naturlandschaft mit Hagebuttensträuchern, Brombeerbüschen, Steppengras und vielen anderen Pflanzen und Blumen. Schmetterlinge tummelten sich munter in den Blüten und ließen sich sogar recht gut fotografieren. Wir liefen bis zur südlichen und nördlichen Spitze. Auf dem Hinweg blies ein ordentlicher Wind vom Westen, auf dem Rückweg waren wir geschützt durch die hügelige Mitte der Halbinsel. Wir kamen an einen Naturstrand, wo Menschen haufenweise kleine und große Steinfiguren gebaut hatten. Hier ergab sich ein Ausblick auf das offene Meer. Nach gut 6 km kamen wir wieder bei unserem Auto an. Auf der Hinfahrt fuhren wir am Ort Kerteminde vorbei. Da ich gelesen hatte, dass der Ort nett sein soll, statteten wir ihm auf der Rückfahrt einen Besuch ab. Das erste was uns auffiel, war ein völlig überlaufener Minigolfplatz. Wir waren bisher der Meinung gewesen, dass Minigolf in den letzten Jahren kaum noch Interessenten fand, hier traf das definitiv nicht zu. Die Familien standen Schlange, um den Schläger zu schwingen. Der Yachthafen war sehr gut ausgebaut und bot den Anlegern viele Annehmlichkeiten wie Grillplätze, Picknickplätze, ein Servisgebäude mit allem drum und dran von Waschmaschine, Sanitärräumen und, wenn ich richtig gesehen habe, sogar Aufenthaltsräume. Alles aber nur für diejenigen, die mit ihren Booten im Hafen lagen. Wohnmobillisten, auf dem mit 25€/Nacht ziemlich teuren Stellplatz, konnten gegen Extragebühr Dusche/WC nutzen. Auf dem Platz standen die Wohnmobile dicht gedrängt und wer nicht in der ersten Reihe stand, hatte auch keine Chance auf einen Ausblick auf den Hafen, geschweige denn die Ostsee. Das sagte uns nicht zu. Wir schlenderten noch durch die Einkaufsstraße, die sicher hätte netter sein können, wäre sie für Autos gesperrt gewesen. Sie war recht belebt, wohl vornehmlich durch Touristen, gefiel uns aber nicht so richtig gut. Nett war eine kleinere Straße, die wieder zu unserem Auto am Ortseingang führte. Hier standen eine ganze Reihe netter, kleiner, bunter Häuser, aufgereiht wie auf einer Perlenkette. Wir entschlossen uns, uns für die Nacht wieder einen etwas kleineren, mehr in der Natur liegenden Übernachtungsplatz zu suchen und wählten wieder ein Plätzchen bei Privatpersonen in Norderhuse und waren sehr glücklich damit. Der Besitzer war ein netter Typ, der hier auch Folkfestivals durchführte. Es gab einen Rasen für bis zu 5 Wohnmobilen und man konnte im angrenzenden Haus eine Küche zum Spülen von Geschirr, sowie eine Toilette nutzen. WLAN war ebenfalls im Preis von 15€ enthalten. Zum Strand waren es 50 m und es war ein ruhiger und relaxter Ort. Es kamen nach uns zwar noch zwei Campingbusse aus HH und Österreich, aber es war dennoch nicht mit einer Heringsbüchse, wie viele öffentliche Stellplätze, zu vergleichen. Wir hatten wirklich Glück, denn es war deutlich Saison und Plätze füllten sich schnell.
Mittwoch, 26.7.23 Fünen/Fyn Wir genossen es am Morgen, uns im Bad unseres Stellplatzes am Waschbecken ausgiebig mit heißem Wasser, inkl. Haare, waschen zu können. Auch war es nett, Wasser im Wasserkocher kochen zu können und in der Küchenspüle zu spülen. Es war ein sehr angenehmer Platz und die zwei Camper aus HH und Österreich störten überhaupt nicht. Wir fuhren nach dem Frühstück zu einem Naturschutzgebiet mit dem Namen Svanninge Bakker. Hier wanderten wir gut 10 km durch ein hügeliges Waldgebiet mit Mischwald, unendlich vielen Brombeeren, die leider noch nicht reif waren, Lichtungen mit Farn, Wiesen mit schwarzen grasenden Kühen, die laut Infotafel zur ältesten und widerstandsfähigsten Rasse in Europa zählten, einem Seerosenteich und Tümpeln mit Fröschen. Von einem unbewaldeten Hügel hatte man einen guten Ausblick über die herrliche Landschaft. Am Spätnachmittag fuhren wir nach Faaborg, einer hübschen Stadt an der Südwestküste von Fünen. Hier verbrachten wir die Nacht auf einem ausgewiesenen Stellplatz des großen Parkplatzes am Hafen. Die Stadt war sehr hübsch. Hier konnte man wieder merken, wie viel schöner die Atmosphäre ist, wenn man durch eine Fußgängerzone geht, als wenn man ständig auf Autos achten muss. Besonders schön waren hier die kleinen Gassen, die von der Fußgängerzone abgingen. Die kleinen, bunten Häuser waren alle wunderschön mit Blumen geschmückt. Die Farben der Häuser, wobei ein orange- ocker Ton dominierte, gaben dem Stadtkern ein sehr warmes Ambiente, besonders, wenn sie auch noch von der Abendsonne beschienen wurden. Der Stellplatz lag am Hafen und Busbahnhof, direkt gegenüber der Altstadt. Die Lage war super zentral und noch dazu kostenfrei, aber es war natürlich viel lebhafter hier als unsere letzten Plätze. Vom Kai nebenan schallte Livemusik hinüber und es waren natürlich immer wieder auch Leute auf dem Parkplatz. Wir wurden bei unserer Ankunft auch gleich von Jugendlichen angequatscht, dennoch wurde es ein ruhige Nacht.
Donnerstag, 27.7.23 Fünen/Fyn Heute war ein wunderschöner Tag! Wir waren im Schloss Egeskov trotz des happigen Preises von 35€ pro Person, hatten allerdings das Glück, dass ich mit Behindertenausweis kostenlos reinkam. Das Schloss an sich war von außen fast schöner als von innen, denn es lag wunderbar idyllisch von Wasser und Gärten umgeben und hatte mit seinen roten Backsteingiebeln den typisch nordischen Stil. Im Schloss war das Eindrücklichste ein riesiges Puppenhaus, der „Titania’s Palast„, an dem der Erbauer Neville Wilkinson 15Jahre gebaut hatte. Dieser Miniaturpalast, nach der Elfenkönigin Titania benannt, war so edel und detailgetreu bestückt in seinen vielen Zimmern und Sälen, dass er sogar über eine kleine Kapelle mit bespielbarer Orgel verfügte. Bis zum kleinsten Teller war alles aufs Feinste eingerichtet. Die Titaniastiftung sammelte in einer Spendenbox Geld für Kinder der ärmsten Länder. Darüber hinaus war das Schloss wie viele andere, mit Schlafräumen, Saal mit Geweihen u.ä. ausgestattet und ein paar Räume wurden auch noch privat genutzt. Es wurde 1534-36 mitten in einen See gebaut, um sich vor den Unruhen der Reformation und des Bürgerkriegs zu schützen. Laut Überlieferung wurde dafür ein ganzer Eichenwald gefällt, um ein stabiles Fundament zu schaffen, daher heißt das Schloss auch Egeskov (Eichenwald). Uns gefiel aber die Anlage rundherum am meisten. Außer wundervollen thematischen Gärten, die einer Bundesgartenschau Konkurrenz machen konnten, gab es zahlreiche kleine Museen. Von Oldtimerautos, – motorrädern, -fluggeräten, Camping – und Outdooraustellung vom Beginn der dänischen Camping-Kultur Mitte des letzten Jahrhunderts, bis zu modernsten Dachzeltfahrzeugen und edelsten Glampingzelten war alles vertreten. Auch Haushaltsgegenstände, alte Werkzeuge, eine historische Schmiede, eine Spielzeugausstellung inkl. einer großen Spielzeugeisenbahn, wie auch eines alten Tante Emma Ladens, fehlte es an nichts. Überall in der Parkanlage gab es Spielangebote für Kinder, und zum Teil auch für Erwachsene, wie beispielsweise einem Baumwipfelpfad, der aber nicht mit festen Stegen, sondern mit Hängebrücken in, ich glaube 15m Höhe, von Baum zu Baum führten, eine ganz schön wackelige Geschichte. Uns gefiel sehr, dass der historischen Anlage Leben eingehaucht wurde und es kein steifes Museum war, mit Garten, in dem man auf keinen Fall auf den Rasen treten darf, wie häufig bei derartigen Gebäuden. Hier picknickten die Besucher auf Rasen und Bänken überall auf dem Gelände verteilt und es herrschte eine tolle Atmosphäre. Das Einzige, was uns nicht gefiel, waren die absolut überteuerten Preise der vielen gastronomischen Angebote. Wir konnten uns gut vorstellen, was es für Familien bedeuten musste, hier mit Kindern zu sein, wenn eine Eiskugel 4,80€, Softeis 5,60€, ein Kaffee zwischen 3,50€-5,10€ und z.B. ein Kindermenü 10,60€ kostet und das dann noch zum Eintritt von 134€ für zwei Erwachsene und zwei Kinder von 4-12J. hinzukommt. Aber das nur am Rande, für uns war es ein rundherum gelungener Besuch. Wir genossen fast 6 Stunden lang bei schönstem Wetter die Schlossanlage und haben es sicher nicht bereut, den Eintritt gezahlt zu haben. Am Abend waren wir noch kurz in Svendborg fürs Abendessen einkaufen und sind dann zu unserem traumhaften Übernachtungsplatz ca. 7 km vom Ort entfernt, auf einer privaten Pflaumenfarm gefahren. Neben einem schmucken, dänischen Häuschen, waren zwei Stellplätze auf einem Rasen für Wohnmobile reserviert und man bezahlte nur für Strom und Wasser, was wir uns hier natürlich leisteten. Der Besitzer war super nett, bot uns an, von seinen Kräutern im Garten etwas fürs Essen zu ernten und seine Pflaumenfarm anzusehen. Leider erwartete er in diesem Jahr kaum etwas ernten zu können, da es eine lange Dürreperiode im Frühjahr gab. Obwohl wir direkt an der Straße standen, war es absolut ruhig. Wenn wir wollten, konnten wir in einem kleinen Häuschen nebenan selbstgemachte Marmelade erwerben, alles auf Vertrauensbasis mit Kasse daneben. Welch eine Idylle!
Freitag, 28.7.23 Fünen- Thurø- Thâsinge- Langeland Nach dem Frühstück und Auffüllen des Wassers, verließen wir unseren Stellplatz und drehten als erstes eine Runde über die kleine Insel Thurø. Wir fanden viele gutsituierte Häuser mit gepflegten Gärten vor, und in mehreren wurden „Loppes“ , Flöhe, verkauft. Ja, auch hier hieß Trödelmarkt Flohmarkt und die Dänen liebten ihn. Überall fand man zu unserer Freude “ Genbruksbutiken“, wo man alle möglichen Sachen finden konnte. Nach Thurø fuhren wir zurück auf die Insel Fünen, die hier Fyn heißt und besuchten die Hafenstadt Svendborg. Uns schallte beim Parkplatz bereits Musik entgegen und auf dem Weg in die Fußgängerzone kamen wir am Festgelände eines Festivals vorbei. In der Fußgängerzone begrüsste uns ein kleiner Flohmarkt und es herrschte reges Treiben. Bei dem schönen, sonnigen Wetter war es kein Wunder, dass überall Leute bei Restaurants und Cafés draußen saßen und den Tag genossen. Dieses Mal suchten auch wir ein kleines Bäckerei-Café auf und ließen uns Kaffee und Kuchen gut schmecken. Ich hatte ein Stück „Brunsvigerkage“, ein mit Zuckerguss bestrichener, fester Teig, Stefan aß Mohnkuchen. Die Besitzerin war eine sehr selbstbewusste Dame, die uns gleich auf ein Handyverbotsschild in ihrem Café hinwies, als wir unsere gerade zückten. Ob sie Angst vor Strahlung hatte, oder nur vermeiden wollte, dass die Kunden zu lange verweilten? Keine Ahnung. Ein französisches Pärchen draußen hat sie entweder nicht erwischt, oder bei der Außenbestuhlung war es ok. Dieses Pärchen stoppte sie jedoch mit bestimmter Stimme, nicht zu nah an ihre Kuchenauslage auf ihrem Tresen zu treten. Wir setzten unsere Erkundung fort und kamen an den Hafen. Hier war Feststimmung aller Orten. Es fand ein Seglerfest statt und große, wirklich prächtige Zwei- und Dreimaster luden zur Besichtigung ein. Stefan war kurz davor, als Koch anzuheuern:). Überall waren Ess- und Getränkestände, die gut besucht waren. Es herrschte sommerlich entspannte Atmosphäre. Unser Besuch im Touristenbüro ernüchterte uns allerdings bezüglich der Fährpreise. Ein Ausflug mit Womi nach Ärø hätte uns fast 220€ hin- und zurück gekostet. In Anbetracht dessen, dass wir noch mehrere Fährfahrten und Brückenmauts auf unserer Wunschstrecke vor uns hatten, entschieden wir uns mit einem weinenden Auge gegen die Fahrt. Wir setzten unsere Fahrt fort und besuchten die nächste Insel Tåsinge. Wir hielten an der Bregninge Kirke. Wir hatten von dem tollen Ausblick vom Turm aus über die Insel gelesen und den genossen auch wir nun. Davon, auf dem Parkplatz zu übernachten, wie es laut Park4Night möglich war, nahmen wir Abstand, da ein dänisches Paar bereits mit großem Wohnmobil dort stand und trotz vorhandenem Picknicktisch sich mit Campingstühlen und Tisch ausgebreitet hatte. Dieses Verhalten fanden wir so unangemessen, weil es dazu führt, dass immer mehr Plätze für Wohnmobile verboten werden, dass wir uns entschieden, weiterzufahren auf die Insel Langeland. Wir hatten außer der Kirche im Internet und Reiseführer keine weiteren interessanten Stellen auf der Insel Tåsinge gefunden. Auf Langeland fuhren wir an die westlichste Stelle, zum Wanderparkplatz Ristinge Klingt und fanden ein wunderschönes Stückchen Natur zum Übernachten für uns. Zum Sonnenuntergang kamen zwar einige Autos, aber über Nacht standen wir allein in unserer Idylle. Wir machten noch eine schöne Abendwanderung an der Steilküste und genossen die friedliche Stimmung hier.
Samstag, 29.7.23 Langeland Nach einer ruhigen Nacht auf dem genialen Parkplatz am Meer, begannen wir diesen Tag mit einer Wanderung zu Vogelbeobachtungstürmen, wobei Türme der falsche Ausdruck ist, denn das eine Gebäude war ins Wasser gebaut, sodass man durch die Fenster gerade so ca. 20 cm über der Wasserfläche einen Ausblick hatte. Die Vögel waren leider für unsere Handykameras zu weit weg, aber wir konnten große Libellen beobachten. Der Beobachtungsraum war wirklich purer Luxus gegenüber dem, was man sonst an solchen Stellen findet. Für die Sitzbänke gab es sogar Kissen! Unterwegs fanden wir die ersten reifen Brombeeren und sammelten gleich ein Schälchen für unser nächstes Frühstück. Unterwegs kamen wir noch an einem historischen Steingrab vorbei. Unser nächster Halt war an einer Stelle, wo man wilde Pferde beobachten können sollte, die hatten wir jedoch schon zuvor gesehen. Eine ganze Herde, die sich eng aneinander kuschelte. Hier fanden wir keine vor, dafür kamen wir an ein kleines Feriendorf mit Hafen. Wir nutzten die Gelegenheit und duschten uns bei der Hafenmeisterei. Frisch wie aus dem Ei gepellt fuhren wir ganz in den Süden der Insel Langeland. Auf unserer dortigen Wanderung erwischte uns dieses Mal ein Regenguss. Zum Glück stand ein kleines Wäldchen oberhalb der Steilküste, wodurch wir etwas Schutz hatten, ganz trocken blieben wir aber nicht. Da das Wetter trotz wieder hervorkommender Sonne nicht beständig erschien und es bereits Spätnachmittag war, begaben wir uns auf den Weg nach Rudkøbing, dem größten Ort der Insel, um für das Wochenende noch ein paar Lebensmittel zu kaufen. Wir schlenderten noch kurz durch die Fußgängerzone, die sehr nett aussah, aber die meisten Geschäfte hatten bereits geschlossen, daher machten wir uns auf, um einen Nacht-Platz zu finden. Unsere gute Erfahrung vom Vortag mit abgelegenen Plätzen am Wasser statt ausgestatteten Stellplätzen in Orten, führte uns auf einen Strandparkplatz nördlich von Rudkøbing, aber dieses Mal hatten wir Glück, überhaupt noch einen Platz zu finden. Die Stelle war auch wieder sehr schön, und das fanden wohl auch andere Wohnmobil- und Camperfahrer aus Tschechien, Frankreich, Italien, Holland und Deutschland. Es war also nicht so wildromantisch wie letzte Nacht, aber alle verhielten sich ruhig und angemessen, so konnten wir auch hier eine schöne, ruhige Nacht verbringen. Einen schönen Sonnenuntergang genossen wir ebenfalls.
Sonntag, 30.7.23 Langeland – Lolland Wir besuchten unser zweites dänisches Schloss, bzw. dessen Park und zwar den Schlosspark vom Tranekær Schloss. Er war völlig anders als der von Egeskov, aber nicht desto trotz wunderbar. Er bestand größtenteils aus natürlichem Wald mit unglaublich alten, dicken Eichen, Buchen und Kastanien, teils so dick, dass man zwei Menschen brauchte, um ihre Stämme zu umarmen. Teilweise hatten sie schon alte, morsche Äste abgeworfen, bzw waren diese bei Sturm abgeknickt, dennoch wuchsen die Bäume weiter in den Himmel und büßten nichts an ihrer grünen und gewaltigen Krone ein. Zwischen den Bäumen und auf Lichtungen waren Kunstexponate ausgestellt. Viele bestanden einfach aus Ästen, die z.B. wie ein Mensch, oder eine Art Fluss aus Baumstämmen einen Hang hinab angeordnet waren, andere bestanden aus Gebilden aus Stein. Was uns aber besonders begeisterte, waren alte Wohnwagen, die von außen mit einem Werkstoff, der festgewordenem Sand ähnelte, verkleidet waren und von innen zumeist mit alten Fotos von Menschen auf Reisen. Eins sah aus wie auf einer Hochzeitsreise, bei einem anderen, wie ein glücklicher Familienausflug. Ein Wohnwagen war aber auch von Frauen und Kindern, die geflüchtet waren gestaltet, mit Kacheln, die darstellten, was Geflüchtete mitnehmen sollten, was sie mitgenommen haben und was sie vermissten. Das Schloss selber konnte man nicht besichtigen, aber es sah auch von außen schon sehr schön aus und im Garten fand ein Flohmarkt statt. Nebenan genossen Besucher den Tag auf der Caféterrasse und im Hintergrund hörte man ein Jazzkonzert. Es war eine schöne, sommerliche Stimmung. Danach fuhren wir an den Hafen von Lohals und schlenderten etwas durch den gemütlichen, kleinen Yachthafen, beobachteten, mit welchen Schwierigkeiten eine Familie kämpfte, um ihren Motorsegler im recht vollen Hafen einzuparken. Wir gingen bis zum Strand, aber dann zeichnete sich Regen ab, also brachen wir wieder auf und besuchten noch die nördlichste Stelle Langelands. Als es wirklich zu regnen begann, entschieden wir uns, dass es Sinn machte, noch am selben Tag die Fähre nach Lolland zu nehmen. Wir fuhren zum Anleger nach Spodsberg, mussten nur 30 Minuten warten und konnten dann für knapp 40 € zur nächsten Insel hinüberfahren. Nach ca. 45 Minuten begrüßte uns Lolland genauso regnerisch, wie wir Langeland verlassen hatten. Wir entschieden uns, dass Schietwetter für eine große Wäsche zu nutzen und begaben uns zum Waschsalon in Naskov. Wir konnten fast davor parken, aber inzwischen hatte es auch schon aufgehört zu regnen. Wir packten unsere Wäsche von einer Woche Reise in ein 12 kg Maschine und taten zum dem automatisch im Preis enthaltenen Waschmittel noch etwas eigenes hinzu. Mit dem Ergebnis waren wir allerdings nicht besonders zufrieden, noch weniger mit dem des Trockners. Die Wäsche roch weder frisch gewaschen, noch war sie nach ca. 25Min so trocken, dass wir sie in den Schrank packen konnten, nicht mal die dünnen Kunststoff-Sportsachen. Dafür ca. 14€ zu verlangen, war schon unverschämt. Soviel hatten wir noch auf keiner unserer Wohnmobil Reisen fürs Wäschewaschen ausgegeben. Dafür standen wir in der kommenden Nacht kostenfrei direkt am Hafen. Es war ein normaler Parkplatz, aber von Park4Night als legal eingestuft, natürlich ohne irgendwelches Campingverhalten.
Montag, 31.7.23 Lolland Wir stellten am Vorabend noch fest, dass wir für das Parken im Hafengebiet, anders als bei Park4Night beschrieben, 170kr/22,80€ hätten zahlen müssen. Wir entschieden uns, auf einen Parkplatz gegenüber, ohne Beschränkungen zu wechseln. Wir versuchten möglichst unauffällig zu bleiben und standen am Morgen früh auf und verließen den Nacht-Platz und stellten uns ein Stück weiter auf einen anderen Platz. Wir frühstückten und besuchten ein paar Second Hand Läden, derer es zahlreiche in Naskov gab. Sowohl die Kirche, als auch die Salvation Army und andere boten hier in gut sortierten Charity Shops Kleidung und Krims-Krams an. Im Salvation Army Laden wurden wir fündig und erstanden einen Teller von dem dänischen Künstler Poul Pava, der uns beiden gefiel. Im Laden gab es ein gemütliches Café mit sozialen Preisen, sodass wir noch gemütlich einen Kaffee tranken. Danach ging unsere Reise in ströhmenden Regen weiter nach Kragenæs zu den Dodekalitten, was aus dem Griechischen abgeleitet „12 Steine“ bedeutet. Zwölf 7-9 m hohe Steinfiguren mit sehr ausdrucksstarken Gesichtern bildeten einen Steinkreis und schauten von einer Anhöhe über das „Smålandhavet“. Ich würde die Ausstrahlung der Figuren zwar nicht wie ein Rezensent mit der Chinesischen Mauer vergleichen, aber die Figuren haben mich schon beeindruckt. Die Wirkung wurde verstärkt durch etwas mystische Musik, die tagsüber hier erklang. Die Figuren waren noch nicht alle fertig, sollen aber bis 2025 vom dänischen Künstler Thomas Kaziola fertiggestellt werden. Die Musik wurde vom kalifornischen Musiker Wayne Siegel komponiert, der seit 1984 in Dänemark tätig ist und für sein Lebenswerk geehrt wurde. Wir hatten ein riesiges Glück, dass unsere Regenkleidung von Kopf bis Fuss nicht nötig wurde, denn der Regen hielt eine Weile inne. Da es aber auch weiterhin sehr wechselhaft war, fuhren wir nach Maribo und besuchten einen dauerhaften Loppes Market in einer großen Halle. Hier konnten Einzelpersonen oder Familien Regale mieten und ihre Flohmarktartikel auf Kommission zum Verkauf anbieten. Das Angebot war erschlagend! Alleine Nippesfiguren füllten schon einige Regale, darüber hinaus Haushaltsartikel, Klamotten, Drogerieartikel, Schuhe, Deko etc. Stefan fand eine sich ausruhende Läuferfigur, die nun mit uns nach Deutschland zurückfahren wird. Wir schlenderten durch Maribo und besuchten weitere Charity Shops, aber weder die Läden, noch die Stadt selbst gefiel uns so wie Naskov, die eine wirklich gemütliche und mit Blumen geschmückte Innenstadt zu bieten hatte. Für die Nacht entschieden wir uns wieder für die Einsamkeit und fuhren in den Süden von Lolland in den winzigen Høvænge Havn. Hier gab es nur ein paar kleine, rote Fischerhütten, dahinter Wald und in dem Hafen dümpelten ein paar Boote im Wasser. Bei der Anfahrt hüpfte ein Reh vor uns über die Straße. Es war die totale Idylle. Einmal kam kurz ein Auto und die Insassen guckten eine Weile aufs Wasser, dann waren wir wieder allein. Da es bewölkt war und wohl kaum jemand mit einem tollen Sonnenuntergang rechnete, blieben wir hier auch alleine.
Dienstag,1.8.23 Lolland – Falster Heute Morgen weckte mich ein Fischer, der mit seinem Auto genau neben unserem Womi parkte und seine Hütte aufschloss. Da wir die Fischer auf keinen Fall stören wollten, denn es war ja nur ein geduldeter Übernachtungsort, fuhren wir zum Frühstücken an einen anderen Platz, als Stefan vom Joggen zurück kam. Es regnete in Strömen. Nach dem Frühstück schafften wir es gerade so, im Trockenen zum kleinen Steg an unserem Rastplatz zu gehen, denn wir waren wieder an einem Vogelbeobachtungspunkt. Danach fuhren wir nach Sakskøbing, das einen lustig mit einem Gesicht bemalten Wasserturm hatte. Um dem schlechten Wetter einen Streich zu spielen, besuchten wir in der Stadt wieder Second Hand Läden und leisteten uns eine Bürste für unsere Womi Eingangsmatte und waren somit im Trockenen. Im Ort hatten die Leute anscheinend noch nicht genug vom Regen, denn es gab eine Bronzestatue mit einem Regenschirm, der lustiger Weise selber wie ein Springbrunnen regnete. Wir beschlossen, dass wir genug von der Insel Lolland gesehen hatten und fuhren weiter über den Guldborgsund. Es führte eine Brücke zur Insel Falster. Wir erreichten direkt den Hauptort Nykøbing Falster, der mir mit seinen rund 17000 Einwohnern schon fast zu groß erschien. Wahrscheinlich lag es aber auch an seiner Geschäftigkeit, denn hier kamen auch viele Touristen an, die Dänemark von Rostock aus per Fähre erreichten. Die Insel war somit Durchgangsinsel Richtung Kopenhagen, sowohl für Fährpassagiere von Rostock, als auch für diejenigen, die über Rødby Havn von Lolland über die Brücke kamen. Wir gingen einmal durch die Fußgängerzone, aber sie begeisterte mich nicht . Zum Shoppen interessierten uns nur die tollen Second Hand Läden, und davon waren hier nur zwei, ansonsten HM, Intersport und ein paar andere, uns unbekanntere Boutiquen und Geschäfte. Wir machten uns mit dem Womi auf den Weg zum südlichsten Punkt der Insel, nach Gedser-Odde. Um den Regen abzuwarten und meine Müdigkeit zu bekämpfen, kochten wir uns einen Kaffee und starteten den kleinen Fußmarsch vom Parkplatz aus als die ersten Sonnenstrahlen ins Womi schienen. Am südlichsten Punkt war ebenfalls wieder ein Vogelschutzgebiet und man hatte von oben einen schönen Blick auf die Steilküste. Es führte eine Treppe an den Strand unterhalb, den wir ein Stück entlang wanderten, bis es wieder von oben nass wurde. Wir entschlossen uns daraufhin, für diesen Tag Schluss zu machen mit den Besichtigungen und einen privaten Stellplatz anzusteuern, der alles Drum und Dran wie Entsorgung, Wasser, Strom etc. anbot, um mal wieder alles Nötige zu erledigen. Als wir ankamen, fanden wir sogar eine Vorrichtung vor, um unser Womi mal von außen zu reinigen,. Das hatten wir schon seit Italien vor zwei Jahren nicht mehr gemacht. Stefan kletterte oben aufs Womi und reinigte das Dach und rundherum mit einer Bürste mit Schlauch. Wir entsorgten Wasser und WC und reinigten Bad und Böden mit Reinigungstüchern. Nun blitzte wieder alles und wir genossen es, mit Strom versorgt zu werden und nicht auf unsere Batterie Rücksicht nehmen zu müssen, sowie den Ausblick auf eine Pferdeweide hinter uns.
Mittwoch, 2.8.23 Falster – Bogø – Møn An diesem Morgen wachten wir bei Sonne auf. Da wir über Nacht alleine auf dem privaten Stellplatz geblieben waren und er von der Straße uneinsichtig war, machte ich zum ersten Mal auf dieser Reise etwas Sport neben dem Womi. Nach dem Frühstück verabschiedete sich unsere Stellplatzbesitzerin von uns mit ein paar Tomaten aus ihrem Garten, die super lecker schmeckten. Das war wirklich eine tolle Geste und was uns hier für 15€ geboten wurde, war wirklich gut. Wir fuhren weiter zur Gartenanlage Corselitze. Es handelte sich um einen Gutshof mit bewegter Geschichte, der heute einer gemeinnützigen Stiftung gehörte. Den schön angelegten Garten mit Teich und prächtigen Bäumen konnte man besuchen. Danach sahen wir uns auch noch das historische „Lysthus“, ein 1786 im neoklassizistischen Stil errichtetes Ferienhäuschen des General Classen an, der auch das Gutshaus Coselitz einst errichten ließ. Viel zu sehen gab es nicht, aber es war ein ganz nettes, kleines Haus in idyllischer Lage am Meer. In Stubbekøbing machten wir im Anschluss einen kleinen Spaziergang und aßen ein paar Kekse auf einer Bank. Der Ort war eigentlich ganz niedlich und viele Radfahrer machten hier halt, aber leider hatte fast alles geschlossen. Das kleine Café, das überall ausgeschildert war, hätte sicher heute ein gutes Geschäft machen können, wären die Türen nicht versperrt gewesen. Wir verabschiedeten uns von der Insel Falster und fuhren über die Brücke auf die Insel Bogø, wo wir bei der Kirche von Fanefjord Halt machten. Das Herausragende dieser Kirche waren ihre in Sandfarben gehaltenen Kalkmalereien unter der Decke und an den Bögen im Innern, die unterschiedliche Szenen aus dem Neuen Testament darstellten. Von der kleinen Insel Bogø fuhren wir weiter auf die Insel Møn. Hier besuchten wir zuerst das Städtchen Stege, was mit ca. 3800 Einwohnern der Hauptort der Insel ist. Es gab ein paar schöne Gebäude und Ecken, aber man hatte leider versäumt, den Verkehr aus der Einkaufsstraße zu verbannen, so fanden wir es eher ungemütlich und verschwanden bald wieder. Nun wurde es Zeit für einen Nacht-Platz und wir wählten Klintholm Havn, einen kleinen, touristischen Ort mit Ferienhäuschen und Hafen, der einen Vogelbeobachtungsplatz hatte und eine Art Streetfoodmarkt, der aber dauerhaft dort war. Die Atmosphäre auf dem Markt war nett, aber die Preise verschlungen uns mal wieder den Hunger. Eigentlich wollte ich bei dieser Reise nicht ständig über Preise schreiben, denn wir wussten zuvor, dass Skandinavien teuer ist, aber so zur Einordnung hier doch ein paar Preise: Fish n Chips ca. 20 €, Veggie Burger ca. 20 €, Pommes ab 5€…Wir machen uns unser Essen doch wieder selbst im Womi. Unser Stellplatz war ein Parkplatz auf einem Rasenstreifen am Ortseingang zwischen Straße und dem Vogelschutzgebiet. Als wir kamen, erwischten wir gerade noch den letzten Platz. Ich habe nicht gezählt, aber es standen hier rund 12 Wohnmobile dicht nebeneinander. Wir hatten schon schönere Plätze, aber wir wollen nicht meckern, denn er war kostenlos.
Donnerstag, 3.8.23 Møn – Nyord Unser Wunsch erfüllte sich, wir durften bei super Wetter die Kreidefelsen Møn Klints sehen. Wir wanderten knapp 8 km oberhalb der Steilküste, Stefan lief 3x die jeweils fast 500 Stufen hinunter bis zum Wasser und wieder hoch, ich beließ es bei einem Mal und traf leider die schlechteste Wahl. Der Blick auf die Felsen war bei den anderen Abgängen wohl noch beeindruckender, wie Stefan mir aus seiner Erfahrung sagte. Für mich kostete aber dieser eine Ab- und vor allem Aufstieg schon genug Überwindung und Kraft, dass an weitere Treppenabgänge nicht zu denken war. Mein Herz und meine Knie verlangten da doch etwas Rücksicht. Die vorgeschlagene Route, an einer Treppe hinunter zu gehen und an einer anderen wieder hoch, war leider nicht möglich, da unterhalb des Geo Centers die Stufen im Algenwasser standen. Ich fand den Blick von oben aber sowieso viel schöner und den bekamen wir an mehreren Ausblickstellen oberhalb der Küste. Ich hatte dafür das Privileg, in der Zeit von Stefans Abstieg ins Geo Center zu gehen und das aufgrund meines Behindertenausweises sogar kostenlos. Wir trafen uns wieder und wanderten auf und ab durch wunderbaren Buchenwald. Wer meint, Dänemark ist nur plattes Land, der irrt sich. Es war sehr hügelig und das merkte auch unser Womi als es bei der Weiterfahrt eine 15%ige Steigung bewältigen musste. Hut ab vor den vielen Familien mit kleinen Kindern, die wir hatten Wandern und besonders Radfahren sehen. Nach den Kreidefelsen besuchten wir den Schlosspark vom Schloss Lieselund. Der Amtmann und Gutsbesitzer Antoine de la Calmette kaufte mit seiner Frau Lisa 1783 dieses Moor und Waldgebiet und ließ einen Garten mit unterschiedlichen Gebäuden im Stil der Romantik errichten. Das Gebiet war riesig inkl. Seen und ging bis zu den Kreidefelsen an der Küste. Man konnte dort jederzeit spazieren gehen. Als Übernachtungsplatz wählten wir dieses Mal die kleine Insel Nyord, die direkt vor Møn lag. Es gab hier einen Shelterplatz bei einem ehemaligen Bauernhof, der jetzt als Naturschutzzentrum diente. Shelterplätze gab es an mehreren Stellen Dänemarks. Es waren kleine, nach vorne hin offene Hütten, die man als Nachtplatz mit Schlafsack und Isomatte nutzen konnte. Meist gab es noch eine Feuerstelle zum Kochen bzw. Grillen. Man musste sich in der Regel vorher online anmelden, ob es was kostete, ist mir unbekannt. Hier war sogar noch ein Spielplatz dabei und beim ehemaligen Bauernhaus gab es Brombeeren zu pflücken. Wen wundert es, dass es bei uns an dem Abend Brombeerpfannkuchen gab? Wir hofften auf eine klare Nacht, denn dieser Ort gehörte zu den Orten Europas mit der wenigsten Lichtverschmutzung, sodass bei klarem Himmel viele Sterne zu sehen sein sollten.
Schweden
https://youtu.be/LEq8OIoSM-4
Freitag, 4.8.23 Møn – Sjælland – SCHWEDEN Nach einer ruhigen Nacht, allerdings ohne Sternegucken, weil es zu dieser Jahreszeit nachts viel zu hell war, fuhren wir am späten Vormittag weiter zu unserer letzten dänischen Insel, nach Seeland/Sjælland. Wir besuchten Stevns Klint, wieder Kreidefelsen und dort einen alten Kalksteinbruch, der inzwischen Museum war. Die Felsen waren Weltnaturerbe, weil man anhand der gefundenen Fossilien ein Massensterben von rund der Hälfte aller Tiere vor 66 Millionen Jahren nachvollziehen konnte. Wir fuhren entlang der Küste, besuchten den Leuchtturm oberhalb der Felsen und fuhren dann weiter zum Schloss Vallø bei Køge. Das Schloss war nicht zu besuchen, aber wieder fanden wir einen großen Park mit faszinierenden alten Bäumen vor. Das war unser letzter Stopp in Dänemark, danach ging es über die Ōresundbrücke nach Schweden. Wir hatten am Vorabend beschlossen, etwas mehr Gas zu geben und nicht jede Region so kleinteilig mehr anzusehen, da uns die Zeit sowieso schon weglief. Es erschien bereits unwahrscheinlich, dass wir die ganze Tour so machen würden, wie Stefan sie geplant hatte. Wir waren gespannt, wie weit wir kommen würden. Wir wollten nicht überall dran vorbeifahren, aber es musste vielleicht auch nicht jeder Vogelturm besucht werden. Wir übernachteten in unserer ersten Nacht in Schweden auf einem kostenlosen Parkplatz in Vellinge rund 20 km südöstlich von Malmö. Dieses Ziel war unserem Gasmangel geschuldet. Wir hatten wieder das Problem, dass es in Europa leider keine einheitlichen Gasflaschen gab und wir zwei deutsche, graus Propangasflaschen hatten, wovon eine bereits leer war. Stefan hatte sie bei Abreise zwar hochgehoben und war der Meinung, sie wäre noch fast voll, aber das täuschte wohl. Vor zwei Tagen war sie, nach nur zwei Wochen sparsamem Verbrauch, bereits leer. Eigentlich hatten wir ohne heizen mit mindestens 3 Wochen gerechnet. In Dänemark konnte man keine Flaschen befüllen lassen und es gab wohl auch nur sehr vereinzelt Campingplätze, die deutsche Flaschen tauschten. Hier in Schweden durften Flaschen von autorisierten Händlern laut Internet befüllt werden und zu so einem Händler hier in der Nähe machten wir uns auf den Weg. Dummerweise gab es aber nur einen Flaschenautomaten. Da eine der angebotenen Flaschen so aussah wie unsere, stellten wir unsere leere Flasche rein, zahlten und bekamen eine volle. Leider war es aber eine falsche. Sie passte nicht zu unserem Anschluss und wir hätten sie auch bei uns in Deutschland später nicht wieder gegen eine volle tauschen können. Was nun? Wir schickten eine SMS an die Notrufnummer und eine Weile später kam der Sohn des Gashändlers und teilte uns mit, dass sein Vater Flaschen befüllt, aber nur samstags und mittwochs für zwei Stunden. Wie gut, dass der nächste Tag ein Samstag war! Der Sohn holte uns unsere leere Flasche wieder raus und stellte die volle zurück in den Automaten. Das Geld konnte er uns nicht rausgeben, aber er meinte, sein Vater könnte das morgen mit der Befüllung verrechnen. So übernachteten wir im nächsten Ort und hofften, dass das am kommenden Tag problemlos klappen würde. Wäre schon blöd gewesen, wenn wir die letzten ca. zwei Wochen kein Gas mehr gehabt hätten. Kochen ging notfalls auf dem Campingkocher, aber ohne Kühlschrank sah es schlecht aus.
Samstag, 5.8.23 Vellinge – Ystad Wir konnten wieder beruhigt schlafen, oder besser gesagt kochen. Wir bekamen ohne Probleme unsere Flasche gefüllt und noch dazu hat der Gasverkäufer uns kostenlos noch 1kg in unsere derzeit im Gebrauch befindliche Flasche nachgefüllt. Jetzt konnte uns nichts mehr in der Richtung passieren, solange uns kein Wintereinbruch überraschte und wir hätten heizen müssen, oder Stefan 5-gängige Menüs kochte:). Der Tag begann aber nicht mit Gastanken, sondern mit einem unkonventionellen Frühstück auf dem Ortsplatz von Vellinge. Hier hatten wir endlich mal wieder WLAN, das erste Mal auf unserer Reise! Wir hatten echt Probleme mit unserem Datenvolumen. Stefan war schon seit zwei Tagen ohne Internet bzw. extrem gedrosselt und ich hatte eigentlich für diesen Monat ebenfalls schon viel zu viel verbraucht und erwartete am Ende des Monats ein dickes Problem. Das Suchen von interessanten Zielen und Übernachtungsplätzen, die Navigation, WhatsApp, E-Mail und die Nutzung von Duolingo forderten ihren Preis. Ich hoffte daher sehr, dass wir in Schweden jeden Tag mindestens einmal an freies WLAN kommen würden. Am ersten Morgen hatte es also bereits geklappt und wir genossen jeder ein Blaubeerküchlein und einen Kaffee aus dem Kühlregal des Supermarkts nebenan während wir nebenbei unseren Datenhunger stillten. Danach fuhren wir zum Gas holen und dann an die Spitze der Halbinsel Falsterbo. Hier wurde es deutlich, dass wir nun in Schweden waren. Eine ganze Reihe bunter, kleiner Strandhäuschen zogen sich wie an einer Kette entlang der Küste. Dahinter Hagebuttensträucher mit leuchtenden Früchten, davor weißer Sandstrand, dann das blaue Meer. Wir hatten tolles Wetter, Sonne, ein paar Wolken und richtig schönes Licht. Wir wanderten eine Runde durch diese bezaubernde Landschaft, bevor wir weiterfuhren zu einem Park bei Albäckskogen. Der Park war nicht sehr spannend, aber wir konnten hier Trinkwasser bekommen und es gab eine brauchbare öffentliche Toilette. Unser nächstes Ziel war Trelleborg. Hier spielte im nett angelegten Stadtpark eine junge Band. Ihre Fans, schätzungsweise ein paar Freundinnen und Klassenkameradinnen und ein paar alte Leute, vielleicht die Großeltern, oder auch Senioren, die sich in ihre rockige Jugend zurückversetzen ließen, lauschten der zwar nicht guten, aber lauten Musik. Wir fanden es trotzdem gut, dass einer Nachwuchsband die Möglichkeit geboten wurde, hier mal auf großer, öffentlicher Bühne zu spielen. Nicht weit von hier leisteten wir es uns zum ersten Mal auf dieser Reise, wieder mal essen zu gehen. Wir fanden eine Pizzeria, die verschiedene vegetarische Pizzen anbot, unter anderem eine mit Banane, Ananas, Currysoße und Erdnüssen. Wir wählten eine „normale“ vegetarische Pizza und eine von dieser Sorte und teilten. Beide waren sehr lecker und gegen 17,50€ inkl einer Cola konnte man wirklich nichts sagen. In Dänemark hätten wir dafür sicher über 40€ bezahlt. Auch im Supermarkt erschienen uns die Preise wieder angemessener. Wir hatten nicht erwartet, dass Dänemark so im Preisniveau angezogen hat, dass Schweden jetzt günstiger war. Da wir in Dänemark aber häufig kostenfreie Übernachtungsplätze, oder nie welche über 15€ hatten, hielten sich die Ausgaben dennoch in Grenzen. In Schweden, zumindest hier im Süden, schien es mit den Stellplätzen nicht gerade einfacher zu werden. Das „Jedermannsrecht“ wurde häufig durch Verbotsschilder aufgehoben und in Wohngebieten gab es die Abstandsregeln von Häusern. Es ging uns eigentlich gar nicht so sehr darum, dass wir kein Geld für die Übernachtung zahlen wollten als darum, dass auf Stellplätzen und häufig noch schlimmer auf Campingplätzen die Wohnmobile wie in der Sardinenbüchse standen, die meisten in den Häfen lagen, wo von früh bis spät Hafenlärm herrschte und häufig für das Geld noch nicht mal mehr als der Parkplatz geboten wurde. Wir standen gerade auf so einem öffentlichen Stellplatz, direkt an der Straße, nur mit zwei Dixi Toiletten und Platz für 50 Camper in der Reihe. Bis nach Ystad waren es noch knapp 3 km zu Fuß, also nicht mal gerade ein Abendspaziergang. Der Platz war zwar direkt am Meer, aber nur die erste Reihe, vielleicht 10 Wohnmobile, hatten Blick auf das Wasser, bei uns war dazwischen noch ein Firmengebäude und ein Haus des hiesigen Segelclubs. Die zwei schöneren Wanderparkplätze zuvor waren nur für Autos erlaubt, wirklich schade!
Sonntag, 6.8.23 Ystad Für diesen Tag gab es nur einen kurzen Bericht: REGEN! Es goss in Strömen und es war Sonntag, d.h. das Filmmuseum, das Schwimmbad, die Einkaufsmall und natürlich auch alle anderen Geschäfte hatten geschlossen, bis auf Supermärkte, einen Elektronikmarkt und ähnliches. Meinen Datenmangel irgendwo nett auf einem Plätzchen in der Innenstadt mit City-WLAN auszugleichen, fiel genauso ins Wasser, wie gleiches bei MC Donald zu erledigen, denn auch der hatte geschlossen! Wir verbrachten also eine Weile im Eingang des ICA Supermarktes, der WLAN hatte, bis ich ein paar wichtige Daten runtergeladen und das nette Stimmchen von Stefans Mutter abgehört hatte. Danach statteten wir dem Elektronikladen nebenan einen Besuch ab, weil unsere Handyhalterung immer abfiel, aber die hatten nicht das richtig Passende für uns, also durchforsteten wir unser Womi nach alternativen Rettungsstrategien. Die alte Halterung wurde ab sofort noch extra mit Gummis an den Lüftungsschlitzen befestigt. Dann stellte sich endgültig die Frage, was wir mit dem weiteren Tag anfangen sollten. Waschsalons schien es in weitem Umkreis auch nicht zu geben. Wir entschieden uns, ausstaffiert mit Regenkleidung, doch noch die Innenstadt von Ystad zu erkunden. Wir verbrachten etwa eine Stunde in mehr oder weniger strömendem Regen in den Gassen der Fußgängerzone, freuten uns über einen Kunsthandwerksladen, der geöffnet und auch noch nette Sachen zum Anschauen hatte und stellten ansonsten fest, dass Ystad an einem sonnigen Wochentag sicher ein sehr hübsches Städtchen war. Außerdem, dass weder Stefans Jacke, noch seine Gummiregenhose wirklich dicht waren. Ich hatte zusätzlich noch einen Schirm mitgenommen und kam mit einem feuchten Gefühl, dass wohl ehr vom Schwitzen als vom Regen kam, sowie feuchten Zehen davon. Wir entschlossen uns, weiterzufahren und evtl. noch einem Steingebilde in der Landschaft einen Besuch abzustatten, aber als der Regen immer schlimmer wurde und wir sahen, dass der erste meiner in Betracht gezogen Übernachtungsplätze bereits bis auf einen Platz voll war, nutzten wir die Chance. Wir befürchteten, dass die staatlichen Stellplätze, die näher bei der nächsten Stadt waren, erst recht voll sein würden. Viele zogen die teuren Plätze mit Strom und drum und dran und Stadtnähe vor. Nun standen wir auf einem kostenlosen Parkplatz an einer Landstraße mit Weideland und einem kleinen Hügel zwischen ein paar anderen Wohnmobilen und hofften, dass die Schlechtwetterfront bald weiterzog.
Montag, 7.8.23 Ystad – Norgersund Die letzte Nacht war sehr stürmisch und es goss fast durchgehend. Wir waren ausnahmsweise froh, dass alle Camper eng beieinander standen und wir uns gegenseitig Schutz bieten konnten. Obwohl wir grottenschief standen und ich mit dem Kopf am Fußende schlief, habe ich schon lange nicht mehr so fest geschlafen. Vielleicht brauchte ich ja das Ruckeln seit unserer Interrailtouren? Am Morgen brachen wir vor dem Frühstück auf, weil es einigermaßen trocken war und wir das ausnutzen wollten und fuhren zu „Ales Stenar“ (die Steine von Ale). Auf einem Hügel oberhalb der Ostseeküste bei Kåseberga befand sich eine Schiffsetzung (Urnengräber, die in Form eines Schiffes errichtet wurden) aus 59 Steinen mit bis zu 1,8t Gewicht. Man vermutete, dass sie ca. 1400 Jahre alt waren. Die Schiffsform maß 67 x19m und galt damit als eine der größten Skandinaviens. Auf dem Weg zu den Steinen befanden sich nette Häuschen mit kleinen Cafés, unter anderem auch eines mit Outdoorprodukten von einem „Vanlife“ Paar. Sie boten viele nette Dinge an, die man bei einer Reise mit einem Camper so brauchte, von Tassen bis zum großen Profifilter für Leute, die fernab aller Zivilisation sauberes Trinkwasser haben wollten. Café und Geschäft waren wirklich cool gemacht, die Preise aber auch sehr gesalzen, aber das kannten wir ja bei Outdooranbietern auch sonst. Wir schafften es gerade noch einigermaßen trocken zum Womi zu kommen, als es wieder richtig loslegte zu regnen. Wir frühstückten und fuhren dann weiter in den Ort Simrishamn. Es handelte sich um ein nettes, wenn auch nicht herausragendes Städtchen, wo wir einmal die Fußgängerzone bis runter zum Hafen und zurück liefen. Wir fanden ein süßes Café und entflohen dem Schietwetter zu Kuchen, Kaffee und WLAN. Ich musste jede Möglichkeit nutzen, um meine mobilen Daten zu sparen. Nach der netten Kaffeepause ging die Fahrt weiter zum Nationalpark Stenshuvud. Ich hatte nicht viel Hoffnung, dass uns eine längere Wanderung vergönnt sein würde, aber wir hatten Glück. Wir konnten beide Wanderwege, die zugegebenermaßen nur knapp 6 km insgesamt lang waren, einigermaßen trocken hinter uns bringen. Wir liefen durch sehr schönen, fast magisch wirkenden Wald, wo es mich nicht erstaunt hätte, wenn hinter einem Baum ein Troll hervorgeschaut hätte, über Steine einer frühzeitlichen Burg und hatten einen leider etwas verhangenen Ausblick über die Küste. Etwas klamm kamen wir schon zurück, aber im Großen und Ganzen war es nur feucht, goss aber nicht. Danach begaben wir uns auf die Suche nach einem Stellplatz mit Waschmaschine, was sich als nicht so einfach erwies. Meine erste Wahl erwies sich unterwegs als zu weit, wenn auch nach einem 1/4 des Weges noch der Forsaker Wasserfall auf der Strecke war. Bis zu diesem fuhren wir, aber nur Stefan lief schnell zum Ausguck, weil uns die Zeit weglief. Ich guckte in der Zeit erneut bei Park4Night und fand einen anderen Stellplatz an der Küste, der über Waschmaschine verfügen sollte. Der passte uns von Zeit und Richtung besser. Als wir nach 40 Minuten dort ankamen, war er nur dummerweise gesperrt, weil auf dem Gelände für ein Jazzfestival aufgebaut wurde. Unsere Suche nach der Waschmaschine war auch erfolglos, hätte aber auch nichts gebracht, da wir dafür einen Code gebraucht hätten und den gab es nur bei Bezahlung für eine Stellplatzübernachtung. Stefan fand zum Glück noch einen weiteren Hafenstellplatz mit Waschmaschine ein paar Kilometer weiter in Nogersund, wo wir uns hinstellten. Eine Waschmaschine voll Wäsche wurde schnell gewaschen und musste nun mit Heizer über Nacht in unserem Bad trocknen. Leider gab es hier nämlich keinen Trockner. Gut, dass Stromanschluss inklusive war, eine warme Dusche auch, so lohnten sich die 18€ wenigstens. Nun hofften wir nur noch, dass sich das Wetter bald wieder besserte.
Dienstag, 8.8.23 Norgersund – Karlskrona In der Nacht hatte der Wind den Regen so gegen mein Alkovenfenster gedrückt, dass es an einer Stelle reingetropft hatte. Ich bemerkte es erst am Morgen, klebte die Lüftungsschlitze zu und trocknete mit Zeitung und Handtuch die Stelle. Es hatte zum Glück aufgehört zu regnen, aber es stürmte nahe der Küste noch immer heftig und war richtig kalt draußen. Wir kamen erst gegen 12:00 vom Stellplatz weg, weil wir soviel Haushaltskram zu erledigen hatten. Wäsche, Spülen, Entsorgung, Wasser etc. Wir fuhren zum Naturreservat Stärnö – Boön auf der durch Straße zu erreichenden Insel Stärnö und machten eine schöne Wanderung von einem idyllischen Naturstrand mit kleinem Eiskiosk aus. Für Behinderte hatten sie eine extra Rampe ins Wasser gebaut. Mir war zwar nicht klar, wie das funktionieren sollte, aber vielleicht gab es ja spezielle Rollis fürs Wasser. Wir hatten eine solche Wasserrampe schon an einem anderen Strandbad zuvor gesehen. Das Wetter war trocken, aber leider noch nicht sonnig. Der Rundwanderweg verlief durch knorrigen Mischwald mit Farnen, Moosen, Flechten, Heidegewächsen, Blaubeersträuchern, die leider nichts trugen, dafür konnten wir uns aber Himbeeren und Brombeeren auf der Zunge zergehen lassen. Immer wieder kamen wir an großen Findlingen vorbei, und liefen über Felsen, die wohl bei der letzten Eiszeit hier gestrandet waren. Unterwegs gab es etliche Picknickplätze, zum Teil sogar mit kleinen Grillunterständen. Ein Weg war extra für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen angelegt, unserer ging über Stock und Stein und Wurzeln. Er war bis auf das Ende, wo er auf einer Straße zwischen Naturreservat und militärischem Sicherheitsgebiet verlief, sehr schön und Bäume und Büsche hielten den Wind von uns ab. Das nächste Ziel war Karlshamn, wo wir ein paar Second Hand Läden unsicher machten. Auch in Schweden standen die Leute auf „Löpes“ und man sah häufig Krimskrams vor dem Haus zum Verkauf stehen. Der letzte Laden, er schien Behinderten oder sozial Benachteiligten Arbeit zu verschaffen und hatte auch ein Café mit sozialen Preisen. Weiter ging die Fahrt nach Haslö, wiederum einer durch Straße erreichbaren Insel. Wir fuhren einmal bis zur Spitze und liefen ein paar Schritte in einem Naturschutzgebiet, denn die Sonne war inzwischen rausgekommen und verwandelte die Landschaft mit schönstem Licht. Leider war der Wind aber so kalt, das wir uns schnell wieder zum Womi begaben und entschieden, dass wir besser über Nacht nicht auf einer windgepeitschten Insel unseren Schlafplatz suchen sollten, sondern etwas geschützter auf dem Festland. Wir verbrachten diese Nacht auf einem großen, geschotterten und kostenlosen Stellplatz im Außenbezirk von Karlskrona. Nicht hübsch, aber etwas geschützt durch einige andere Womis.
Mittwoch, 9.8.23 Karlskrona – Bröms Unser Nachtplatz war zwar nicht schön, aber sehr praktisch, denn er war direkt neben einer Tankstelle. Hier durfte man die Toilette kostenlos benutzen und hätte gegen Geld sogar duschen können, was wir aber noch nicht wieder benötigten. Was hingegen super war, war dass es dort freies WLAN gab. Ich ging daher am Morgen direkt dort hin und erledigte alle möglichen Dinge, für die ich sonst viele Daten verbraucht hätte. Ich googelte nach sehenswerten Zielen und schrieb Servasgastgeber an. Ich hatte noch Hoffnung, dass nicht alle entweder im Urlaub oder krank waren, wie es uns in Dänemark ergangen war, wobei wir sogar eine Einladung bekamen, allerdings waren wir da schon über die Öresundbrücke nach Schweden gefahren. Schade! Zu meinem Surfen im Internet trank ich gemütlich Kaffee und lud mein Handy in der Steckdose am Tisch. Hier war an alles gedacht, einfach perfekt. Als Stefan vom Laufen kam, setzte er sich zu mir. Nach dem Frühstück besuchten wir Karlskrona. Wir schlenderten durch die Fußgängerzone, fanden etliche nette, alte Häuser und besuchten den Staksholmen, einen Steinhügel auf einer vorgelagerten Insel, den man über einen Holzsteg zu Fuß erreichen konnte. Nach der Stadt ging es raus in die Natur über mehrere kleine Inselchen zur Insel Tjurkö im Schärhafen von Karlskrona. Hier entstand Ende des 19. Jahrhunderts das Zentrum der Steinhauerindustrie, begonnen von einem deutschen Ingenieur namens Herrman Wolff. Er hatte damit die Bevölkerung und die Insel, die zuvor von Landwirtschaft und Fischerei lebte, komplett verändert in eine Industriegesellschaft mit Lohnarbeit, die auch Arbeiter aus anderen Orten anzog. Der Steinbruch war hauptsächlich zum Export von Pflastersteinen vorgesehen. Es wurden Arbeiterkasernen gebaut, und als die Wirtschaft und damit die Lebensbedingungen immer mehr aufblühten, entstanden auch Geschäfte, Gaststätten und Bierhallen. Der Staat brachte 5000 kleinkriminelle Gefangene als Zwangsarbeiter auf die Insel. Im Laufe der Zeit wurde aber immer mehr Arbeit in andere Bezirke verlegt und Steinhauer suchten sich Arbeit nahe Karlshamn, sodass die Steinbrüche der Insel Tjurkö in den 30iger Jahren des letzten Jahrhunderts immer mehr verwaisten und die Leute verarmten. In den 50iger Jahren war dann ganz Schluss mit der Steinhauerei und jetzt war das ganze Gebiet Zeuge der Geschichte, die museal dokumentiert wurde. Es waren noch Gebäude wie die Arbeiterkasernen, das Restaurationshaus mit Bäckerei, Lokal, Arztwohnung, ein Pulverhaus, Schienen etc. zu sehen und überall Steinhaufen, Löchern und Mauern aus den Steinen. Es war sehr interessant und ebenso die Kunsthandwerke, die heute in dem Restaurationshaus angeboten wurden. Nach diesem geschichtlichen Exkurs besuchten wir noch unterschiedliche Naturreservate auf den anderen Inseln, über die wir zurück ans Festland fuhren, sowie ein Vogelschutzgebiet bei Torhamn. Wie auch bei uns noch bis Ende des letzten Jahrhunderts, waren hier Naturschutzgebiet und Militär auf dem gleichen Gelände und wir gingen auf erlaubten Wegen bis zum Aussichtsturm. Es erinnerte mich sehr an die Lüneburger Heide, wo bis in die 90iger Jahre militärische Übungsgebiete im Naturschutzgebiet waren und z.T. heute noch sind. Interessanterweise erinnerte auch die Vegetation sehr an die Lüneburger Heide, bis darauf, dass hier die Heide direkt am Meer wuchs. Nachts standen wir mit drei anderen Wohnmobilen auf einem Wanderparkplatz bei Bröms.
Donnerstag, 10.8.23 Bröms – Kalmar Ein richtig gelungener Tag! Während Stefan joggte, bin ich auf dem Wanderweg vor unserem Übernachtungsplatz ein Stück gelaufen. Nach dem gemeinsamen Frühstück fuhren wir weiter nördlich und kamen bei Bergkvara an einem Campingplatz mit Café vorbei. Da ich dringend WLAN brauchte, tranken wir dort einen Kaffee und genossen die super süße und gemütliche Ausstattung des Cafés mit Sofa und Sesselchen. Von dort ging’s weiter zum Naturreservat Örarevet. Der Beginn des Weges war sehr schön. Ein kleiner, einsamer Badestrand mit weißem Sand, einem langen Steg, einer Sitzgarnitur und einem kleinen Spielplatz. Leider ging der Weg dann aber nicht wie erhofft am Wasser entlang mit Blick auf die Schären, sondern durch ein Waldgebiet. Ein Stück des Weges wäre am Wasser gewesen, der Weg stand aber unter Wasser. Wir drehten dennoch eine Runde und fanden auch ein paar Blaubeeren. Das nächste Ziel hieß Kalmar Dämme Sittplats und ich erwartete nicht besonders viel, aber es war ein wunderschönes Gebiet, etwas im Inland mit Seenlandschaft, Vogelbeobachtungstungstellen und wunderbar angelegt mit Pfaden übers Wasser, kleinen, geschützten Sitzecken, z.T. überdacht und viele gleich mit einem Grill dabei. Das Gebiet war direkt vom Rastplatz der Autobahn zu Fuß erreichbar, nicht wie bei uns, wo man meist vor Zäune läuft, wenn man sich die Beine vertreten will. Zum Schluss begann es wieder etwas zu regnen, hörte aber bald wieder auf. Es war zwar noch Nachmittag, aber wir fuhren von dort, nach einem kurzen Lebensmitteleinkauf, nach Kalmar auf unseren Übernachtungsplatz. Es war ein kostenloser Platz hinter einer Fabrik, von daher nicht wildromantisch, aber er hatte viele Vorteile. Er lag auf einer vorgelagerten Landzunge, von der aus man übers Wasser direkt auf das Kalmarer Schloss blicken konnte. Bis zum Kunstmuseum waren es 1,3 km, genauso weit bis in die Innenstadt, er lag also super zentral. In ca.100 m hatte man noch dazu eine Plattform mit Ausblick auf die kleine Insel Grimskär, die man leider nicht besuchen konnte. Wir schlenderten entlang des Wassers Richtung Stadt, hatten immer das Schloss im Blick und kamen durch einen netten Park, wo wir in Hängematten schaukeln konnten. Danach wurde uns erst richtig klar, wie viel Glück wir mit unserem Stellplatz hatten. Es war ab diesem Tag Stadtfest! Der Park führte uns zu einer Street Food Meile rund um das Kunstmuseum, das an diesem Tag sogar seine Tore kostenlos öffnete. Es gab drei Ausstellungen: eine einer Künstlerin, die auch Bilderbücher illustrierte, die ganz süß war, eine mit Installationen, die uns nichts sagten und eine dritte mit Bildern zum Thema Erotik. Es war ganz nett, sie anzuschauen, aber hätten wir dafür bezahlt, hätte es uns wahrscheinlich leid getan. Wir nutzten dort noch einmal das kostenlose WLAN, um unseren Lieben Bilder und Filme zu schicken und Neuigkeiten auszutauschen. Danach stürzten wir uns in das Getümmel in der Innenstadt, wo zwei Bands spielten. Zum Abschluss des schönen Tages durften wir auch noch einen tollen Sonnenuntergangshimmel mit Schlosssilhouette genießen. Wir dachten schon, die Schweden hätten die Sonne abgeschafft, aber es schien sie doch noch zu geben. Das ließ auf einen weiteren schönen Tag in dieser netten Stadt hoffen.
Freitag, 11.8.23 Kalmar – Rockneby Wir schauten uns heute Kalmar bei Tage an. Dem Schloss statteten wir nur von außen einen Besuch ab, aber im Park dahinter waren Sand-Kunstwerke ausgestellt, die wir besuchten. Einige waren vom schlechten Wetter etwas lädiert, aber man konnte die künstlerische Arbeit noch gut erkennen. Von hier gingen wir in die Fußgängerzone, die ein nettes, altes Tor und Kopfsteinpflaster aufwies. Sie war schön groß und hatte auch ein paar nette Häuser zu bieten, wenn auch nicht durchgängig. Gefallen an der Stadt hat uns besonders ihre Lage auf mehreren Inseln im Kalmarsund, der Anblick der Burg im Wasser und die vielen Grünanlagen. Es machte Spaß, sie zu Fuß zu erkunden. Auf der Weiterfahrt machten wir einen Stopp in einem Naturschutzgebiet unter der Brücke nach Öland. Es gab einen netten, kleinen Strand und man hatte einen guten Blick auf die beeindruckende Brückenkonstruktion. Die Wanderung durch das Waldgebiet brachen wir jedoch ab, weil ein ekliger Geruch, vermutlich von einer Fabrik, über dem Gebiet hing und wir außerdem von irgendwelchen Insekten umflogen wurden. Wir entschlossen uns, unseren Nachtplatz mal früher anzusteuern, um die Annehmlichkeiten ausnutzen zu können. Wir nutzten seit längerem mal wieder einen Privatgrund. Er gehörte einem Verein und der evangelischen Kirche, bestand aus einer Rasenfläche mit Gewächshäusern, wobei das eine mit alten Sitzmöbeln als Aufenthaltsraum mit Toilette/Dusche kleinem Kinder Second Hand Laden und Miniküche ausgestattet war, das andere über zwei Duschen verfügte. Strom und WLAN hatten wir auch, aber wo wir Wasser auffüllen und entsorgen konnten, war uns noch ein Rätsel. Das Gebäude, in dem die Rezeption sein sollte, hatte geschlossen, also legten wir die Stellplatzgebühr wie beschrieben in dem Lädchen in eine Box. Wir hatten keine Ahnung, ob noch jemand auftauchte bis zu unserer Abreise, erstmal waren wir hier ganz alleine und genossen eine Weile die Wärme in dem Aufenthaltsraum. Alles war sehr einfach und mit Sperrmüllmöbeln ausgestattet, aber es war dennoch mehr Komfort, als im engen Womi. Es schien hier auch als Treffpunkt der Gemeinde genutzt zu werden.
Samstag, 12.8.23 Rockneby- Pãskallavik – Oscarshamn- Vånevik Unser Vormittag war mit Duschen, Frühstück zubereiten und Ver- und Entsorgung gefüllt. So nett es war, das Aufenthalts-Gewächshaus mit Miniküche zu haben, machte es die Abläufe nicht einfacher. Mein Versuch, die Kaffeemaschine zu nutzen, schlug fehl, da unsere Filtertüten zu klein waren und es zu einer großen Sauerei kam. Ich putzte und nahm stattdessen den Wasserkocher, was aber hieß, ich musste unseren Filter, neue Tüte und unsere Becher in die Küche holen. Jeder Weg zum Womi war mindestens 30m und es war eine Auf- und Abschließerei sondergleichen. Stefan war noch joggen und ich hatte vom Gebäude aus das Wohnmobil nicht im Blick. Um nicht noch mehr hin- und herschleppen zu müssen, bereitete ich das Frühstück in unseren eigenen 4 Wänden zu. Es kam zum größeren Aufwand hinzu, dass sich das Treibhaus sehr schnell aufheizte, als die Sonne drauf schien. Am Abend zuvor wurde es sehr schnell ungemütlich kühl, als die Sonne untergegangen war, also doch nicht so ideal zur Nutzung als Aufenthaltsraum, aber natürlich eine große Hilfe, wenn es draußen regnet. Als Stefan wieder da war und wir gefrühstückt hatten, stellte sich die Frage der Ver- und Entsorgung. Obwohl bei Park4Night angekündigt, gab es beides nicht und bei der Telefonnummer des Platzbesitzers meldetet sich nur ein Anrufbeantworter. Wir erledigten also die mühevolle Aufgabe des Grauwasser Entleerens mit 5l Eimer, den wir mehrmals im Ausguss der Sanitäranlagen entsorgten. Da wir immer unser Geschirr mit Papiertüchern vorreinigten, war es fast klar und stank auch nicht. Unser Frischwasser war ebenfalls Laufarbeit mit mehreren 10 Liter Kannen aus der Dusche. Gegen 12:00 hatten wir es endlich geschafft und konnten losfahren. Wir besuchten das wunderschöne Lövö Naturschutzgebiet. Über zwei mit Brücken verbundene Inseln erreichten wir die Insel Lövö. Dort gab es einen Rund- und ein paar Seitenwege zu erwandern. Die Vegetation war sehr abwechslungsreich. Vom Blätterwald mit Steinen, Moosen und Blaubeersträuchern wechselte sie zur Küste hin zu Heidelandschaft, bis die Bäume uns den Blick auf die wunderschöne Inselwelt freigaben. Ein paar Boote ließen sich zwischen den Inselchen, die manchmal nur ein paar Meter Durchmesser hatten, treiben. Wir mussten teils über Steine und Zweige hüpfen, um unseren Weg übers Wasser fortzusetzen und kamen durch Feuchtgrasgebiete, wo auch gelegentlich Graureiher aufflogen. Plötzlich änderte sich die Vegetation und der Untergrund wieder vollständig und wir kamen auf Sandboden und liefen durch ein Kiefernwäldchen zurück zum Wohnmobil. Das Wetter spielte an diesem Tag glänzend mit: Sonne, blauer Himmel und so um die 23⁰. Das war ein gelungener Ausflug in die Natur. Der nächste Halt war der kleine Hafen Påskallavik. Leider kamen wir zu spät zum Markt, die Stände wurden gerade abgebaut, aber der wunderschöne Hafen und das Hafencafé, auf dessen Außenterrasse wir Sverige Kaka, also schwedischen Kuchen, eine Art gefüllter Sandkuchen, aßen, reichte vollkommen, um uns glücklich zu machen. Danach ging es nach Oscarshamn. Wir hatten schon am Morgen nach Internetrecherche entschieden, dass wir nicht, oder auf jeden Fall nicht von Oscarshamn nach Gotland fahren. Wenn überhaupt, dann ab Nynäshamn, obwohl auch dort die Preise horrende und die Nachfrage hoch war. Derzeit fuhr in etwa jede dritte Fähre aus technischen Gründen nicht – sehr Vertauen erweckend! Wir fuhren auch nicht zur Insel Blaue Jungfrau, da wir auf dem Schiff bereits eine Horde angetrunkener Typen sehen konnten. Oscarshamn hat uns als Stadt eher nicht so begeistert. Der Hafen war nett und es gab ein paar vereinzelte, schöne alte Häuser in der Innenstadt, aber ansonsten war die Fußgängerzone nichtssagend und wie leergefegt. Da es keine Cafés oder Restaurants dort gab, sondern nur Geschäfte, die am Samstag um 17:00 als wir dort waren, geschlossen hatten, war alles wie ausgestorben. Was uns gut gefiel, war eine Sportanlage direkt am Hafen mit allem, was man sich wünschen konnte. Basketball, Tischtennis, Rampen, Hockeyfeld, was im Winter zum Eishockey umfunktioniert werden konnte, eine Halle für Softball o.ä., Trampolin etc. Die Angebote wurden gut genutzt. Gegen 19:00 verließen wir die Stadt und fuhren ein Stück zurück zu einem Parkplatz am Wasser bei Vånevik. Es war eine traumhafte Landschaft. Leider sahen das die meisten Womifahrer auch so, sodass hier eigentlich zu viele standen. Es lag aber auch an den Schweden selbst. Es wurden anscheinend immer mehr, zuvor freie Parkplätze, für Wohnmobile ganz oder über Nacht gesperrt, daher drängten sich woanders dann zu viele und es dauert sicher nicht lange, bis den Einheimischen auch hier die nächtlichen Gäste auf den Nerv gehen. Wir hatten aber noch nirgendwo Exzesse oder Verschmutzungen von unserer Spezies beobachtet. Manche konnten es nicht lassen, ihre Campingstühle rauszustellen, was blöd war, weil auf Parkplätzen nicht erlaubt, aber ansonsten hielten sich eigentlich alle dezent zurück. Wir machten am Abend noch eine kleine Wanderung in der Umgebung und trafen mehr durch Zufall auf ein Museumsgebiet, was zuvor Steinbruch war und wo sich heute die Natur ihr Gebiet wiedereroberte. Große Steinbrocken, die von Moosen und Flechten überzogen waren und die nachwachsende Bäume ebenso vereinnahmten, darüber hinaus Reste der Steinhauerwerkstätten, Schienen etc. und Infotafeln. Ein ganz interessantes Gebiet, was auch mit den Deutschen in Zusammenhang stand, denn ein deutsches Unternehmen eröffnete 1870 hier den ersten Steinbruch und förderte das Vånevik Granit, das als Baustoff in Deutschland zu der Zeit sehr gefragt war.
Sonntag, 13.8.23 Vånevik – Västervik – Linköping Wir erwachten in unserer wunderschönen Umgebung am See und ich machte mich auf, ein paar Blaubeeren für unser Müsli zu pflücken. Nach dem Frühstück entschieden wir uns, heute ein längeres Stück zu fahren, denn uns wurde schon die Zeit knapp, wenn wir über Finnland und Estland zurück fahren wollten. Natürlich hatten wir nicht vor, nur auf der Schnellstraße E22 möglichst schnell Richtung Norden zu rauschen, sondern noch einmal so richtig in die Schärenwelt einzutauchen. Wir fuhren daher bis Västervik nur kleine Straßen durch die Schären mit unzähligen Gewässern. Manchmal waren die Straßen nicht einmal geteert. Es war eine sehr schöne Strecke durch Waldgebiete und immer wieder Wasser. An einer Stelle ging eine extrem schmale und wackelige, ca. eine Fußlänge breite Hängebrücke von rund 50m Länge zu einer kleinen Insel. Stefan konnte es natürlich nicht lassen und musste da rüberlaufen. Mir wurde schon schwindelig, wenn ich nur zuguckte, aber so hatte er sein Abenteuer. In Västervik machten wir einen kleinen Spaziergang am Hafen und in der Innenstadt, die uns viel besser gefiel, als Oskarhamn. Bunte Häuschen mit Blumen vor der Tür wie in Dänemark, nette historische Gebäude wie z.B. das Badehus und die St. Petri Kyrka und eine belebte Innenstadt, auch wenn wegen Sonntag die Geschäfte geschlossen hatten. Die Gastronomie belebte die Innenstadt und die Menschen genossen die Sonne bei einem Eis, spanischen Churros, die hier erstaunlich oft angeboten wurden, einer Mahlzeit oder nur einen Kaffee wie wir. Gerade war das Wetter wirklich toll, sonnig, nicht zu heiß und herrliche Farben. Nach Västervik verließen wir die Küste und fuhren Richtung Linköping. Wir wollten am nächsten Tag in das Freilichtmuseum Gamla Linköping, dass sehr lebendig das Leben vor 100 Jahren in Werkstätten, Häusern, Geschäften etc. darstellen sollte. Wir übernachteten dafür kurz vor der Stadt im Landschaftsschutzgebiet Tinnerö eklandskap, einem Gebiet aus Wald und Seen mit mehreren Vogelbeobachtungstürmen und Wanderwegen, wo wir nach der Ankunft gleich einen kleinen Rundgang machten. Der Waldboden war nicht ganz so abwechslungsreich wie im Küstengebiet, aber dennoch wie ein grüner Teppich aus Moos.
Montag, 14.8.23 Linköping – Uppsala Heute Morgen besuchten wir das Freilichtmuseum Gamla in Linköping und es war wunderbar. Alte Häuser, Geschäfte, Bank, historischer Volkspark, Post, Cafés uvm. verbunden durch Kopfsteinpflastergassen und Gärten versetzten uns in das Leben vor ca 100 Jahren. In kleinen Geschäften im alten Stil wurden Kunsthandwerksprodukte angeboten, und in einem größeren Holzhaus war ein Bereich, wo Kinder Rätsel entziffern konnten. Es war wunderbar, durch diese kleine Altstadt zu schlendern und in das Leben von früher einzutauchen. Danach wurde unser Tag für ein paar Stunden recht stressig. Wir versuchten online die Fähre nach Åland zu buchen. Es war schon schwierig genug, überhaupt herauszufinden, ob sie nun von Stockholm oder Kapeliskär abfuhr bzw. wo Fähren fuhren, mit denen wir mit Wohnmobil noch Platz fanden in den nächsten Tagen, und die noch dazu bezahlbar waren. Als wir uns dann endlich eingebucht hatten, klappte die Bezahlung mit keiner unserer Kreditkarten. Stefan war kurz vorm Ausrasten. Selbst wenn wir direkt nach Stockholm zum Terminal gefahren wären, wären wir für diesen Tag zu spät gewesen und am kommenden Morgen gegen 7:00 sollte die Fähre fahren. Ich kam auf die Idee, zu einem Reisebüro zu gehen. Das hätte wahrscheinlich eine Gebühr gekostet, aber das waren uns unsere Nerven wert, also setzten wir diesen Vorschlag um. Dummerweise machte die Dame uns klar, dass man nur online buchen konnte. Wir könnten ggf versuchen, telefonisch zu buchen und mit dem Mitarbeiter auszumachen, dass wir bei Abfahrt am Hafen bezahlen. Ok, nebenan war Ikea, wo wir freies WLAN bekamen, und wir buchten telefonisch. Die Fähre sollte am Mittwoch ab Stockholm fahren. Wir guckten uns auf der Karte an, wo sich das Fährterminal von „Viking“ befand und uns wurde schlagartig bewusst, dass wir dort wohl mit unserem alten Womi gar nicht hinfahren durften. Dieselfahrzeuge älter als von 2008 waren verboten, soweit wir die schwedischen Verkehrsregeln verstanden. Wir fanden zwar vom ADAC auch gegenteiliges, dass Fahrzeuge zum Personentransport nicht betroffen wären, aber wer wusste, ob diese Sonderregel noch bestand. Dann fand ich durch Zufall heraus, dass man auch weiter nördlich von Grisselhamm nach Eckerö auf Åland fahren konnte. Es war uns ja egal, wo wir auf der Insel ankamen. Wir riefen die Reederei an und siehe da, wir konnten am Abend des Folgetages für rund den halben Preis und in der halben Zeit von diesem kleineren Hafen, wo wir keine Probleme hatten hinzukommen, fahren. Wir stornierten die erste Buchung, machten uns auf den Weg Richtung Grisselhamn und fuhren bis Uppsala. Nun hatten wir einen ganzen Tag für die 130km und hier in Uppsala standen wir auf einem zwar gut besuchten, aber tollen Parkplatz, wiederum bei einem Freilichtmuseum und Naturschutzgebiet, wo wir noch einen kleinen Spaziergang machten. Es gab sogar Toiletten, Bänke und Trinkwasser. Was wollten wir mehr?
Dienstag, 15.8.23 Uppsala – Åland (Eckerö) Dieser Tag begann sehr stressreich. Als ich am Morgen die Rollos hochzog, stellte ich fest, dass mein Alkovendachfenster fehlte! Ich hatte es nachts nicht gemerkt. Die Temperaturen waren mild und es war kein Wind. Am Vortag auf der Fahrt nach Uppsala hatte es einmal begonnen zu klappern, als ein LKW an uns vorbeigerauscht war, aber das war die Dachluke. Das muss aber der Moment gewesen sein, als mein Dachfenster sich selbständig gemacht hatte. Es hatte sich sicher beim Sturm in den Nächten zuvor bereits gelöst, als es auch etwas reingeregnet hatte, und hatte nun durch die Druckwelle den Rest bekommen. Hoffentlich hatte es keinen getroffen! Zum Glück hatte es in der letzten Nacht nicht geregnet, sonst hätte ich Schwimmflügel im Bett gebraucht. Wir fanden im Internet einen Wohnwagenspezialisten, der 10 Min von unserem Übernachtungsplatz seine Werkstatt hatte und fuhren gleich, noch vor dem Frühstück, hin. Ein passendes Fenster hatten sie leider nicht, aber man schraubte und leimte mir eine Metallplatte vor das Loch. Das sollte halten und dicht sein. Ich hoffte es sehr! Nun war es vorbei mit Sternenblick, aber ich hatte ja noch das Seitenfenster und nachts machte ich es sowieso mit Rollo dunkel. Wir konnten ja von Glück sagen, dass wir gerade in einer Stadt mit passender Werkstatt waren. Nachdem wir den größten Schrecken hinter uns hatten, wanderten wir in Uppsala vom Dom zum Schloss, der Universität und in die Fußgängerzone. Uppsala hatte viele prächtige Gebäude, unter anderem das würdige, alte Universitätsgebäude. Hier entstand 1477 die erste Universität Skandinaviens und hat die Stadt damit bekannt gemacht. Gegen Nachmittag fuhren wir nach Grisselhamn, wo um 20:00 unsere Fähre nach Eckerö auf der Hauptinsel der Ålandinseln mit dem Namen Fasta fuhr. Hier wollten wir Inselhopping nach Finnland machen, wobei die Inseln eigentlich schon zu Finnland gehörten, aber weitgehend politische Autonomie genossen.
Autonome Åland Inseln/ Finnland
Mittwoch, 16.8.23 Åland Inseln Wir verbrachten eine ruhige Nacht auf dem Parkplatz nicht weit von der Fähre in Eckerö. Der Platz, von dem wir bei Ankunft abends nur noch Schotter und Pfützen im Regen und Dunkel gesehen hatten, erwies sich als super. Er befand sich an einer Badestelle mit Umkleidekabinen und Toilette und gegenüber war die alte Post- und Zollstation. Als Schweden im Krieg gegen das russische Zarenreich 1808-1809 die Herrschaft über Finnland abgeben musste, fielen auch die Åland Inseln an die Russen. Eckerö, wo wir gestern mit der Fähre ankamen, war damals die westlichste Stelle des russischen Reiches und der Zar wollte mit einem imposanten Gebäude, das schon vom Meer aus sichtbar war, glänzen. Das vom Deutschen Architekten Carl Ludwig Engel entworfene Gebäude gehört noch immer zu den besterhaltenen im Empire Style. Nun war eine Kunsthandwerksausstellung und ein Café in dem Gebäude für Besucher wie uns ein Anziehungspunkt. Danach fuhren wir zum kleinen Leuchtturm von Käringsund. Er war wirklich niedlich und lag in einer traumhaften Landschaft. Am Morgen kam wieder die Sonne raus, nachdem es fast die ganze Nacht gegossen hatte. Mein Fensterersatz hatte dicht gehalten, aber meine Nacht war diesbezüglich etwas unruhig, da ich immer wieder gefühlt hatte, statt zu schlafen. Danach fuhren wir nach Mariehamn, der Hauptstadt und auch der einzigen Stadt auf den Inseln, endledigten uns bei einer Tankstelle mal wieder von Grauwasser und Toiletteninhalt und tankten Frischwasser. Hier auf den Inseln wurde das etwas schwieriger, wenn man nicht auf richtigen Campingplätzen übernachten wollte, und selbst die waren nicht alle voll ausgestattet. Danach besuchten wir das Tourist Office. Eine Dame half uns super freundlich bei der Wahl und Buchung der Fähren für ein Inselhopping nach Finnland. Die Fähren wurden hier wie Busse benutzt, und wenn man angemeldet war bei Ålands Traffiken, konnte man zu Fuß sogar kostenlos von Insel zu Insel fahren. Mit Fahrzeug ging das natürlich nicht, und wir waren am Abend zuvor kurz vorm Verzweifeln, weil wir keine Route online buchen konnten, aber es der einzige Buchungswege war. Nun konnten wir bei der Tourist Info den Computer benutzen und als wir nicht weiterkamen, half die Dame uns. Es war z.B. gar nicht ersichtlich, dass, wenn man die erste Fähre gebucht hatte, die restlichen mit im Preis inkludiert waren, wenn man jeweils eine Nacht auf der jeweiligen Insel blieb. Das war ja ganz in unserem Sinne, denn wir hatten ja überhaupt nicht vor, alles an einem Tag zu machen. Dann hätten wir ja die große Fähre nach Turku nehmen können. Interessant fanden wir ja die kleinen Inseln. Nun konnten wir am Samstag mit einer Fähre von Hummelvik auf Vardö nach Torsholma fahren. Von dort mit dem Womi über Brücken bis zur Insel Åva und von dort per Fähre bis Osnäs in Finnland. Das alles kostete gerade mal 26€, da unsere erste Fähre schon um 5:30 morgens fuhr und deshalb einen reduzierten Preis hatte. Wir unterhielten uns nach der Buchung noch nett mit der Mitarbeiterin der Touristinfo und informierten uns über das Leben auf Åland. Die Inseln gehörten zu Finnland, waren aber politisch autonom, hatten also eine eigene Polizei, eigenes Schulsystem, eigene Gesetze, eigene Flagge etc., gehörten aber wie Finnland zur EU, weil sie sich selber dafür per Referendum ausgesprochen hatten. Die Bevölkerung lag bei gerade mal ca. 30000 Einwohnern. Die Sprache war Schwedisch. Laut ihr gab es gelegentlich Auseinandersetzungen zwischen den Politikern, wenn Finnland die Inseln zu viel bestimmen wollte. Nachdem unsere Weiterfahrt geklärt war, guckten wir uns in Mariehamn um. Es hatte eine nette kleine Einkaufszone, mehrere Museen, eine schöne Harbour Front mit roten Häuschen und Kunsthandwerksverkauf etc. Danach fuhren wir bis Norrboda, bis die Straße an der Fähre nach Ängö endete. Es wäre eine kostenlose Kabelfähre gewesen, aber die hatte gerade Pause, daher fuhren wir zu unserem Nachtplatz, einem Parkplatz bei den Fähren ab Langnäs. Er war nicht sonderlich schön, aber groß, ruhig und praktisch, da es Toiletten gab und vorne beim Terminal auch WLAN. Die Terminals waren hier auf den Inseln ja auch nicht zu vergleichen mit z.B. Puttgarden oder ähnlichem. Alles war sehr überschaubar.
Donnerstag, 17.8.23 Åland Wir sind heute über mehrere Inseln, teils unbemerkt, weil es aussah, als führe man nur über einen schmalen Fluss, bis zu unserem Übernachtungsplatz „Hamnsundet“ gefahren. Es ist ein kleiner Segelyacht Hafen auf einer der 60 bewohnten Inseln von den insgesamt 6500 Inseln des Archipels. Unterwegs machten wir bei der hübschen Kirche St. Maria in Saltvik und beim Aussichtsturm bei Visby (nicht zu verwechseln mit Visby in Schweden) halt. Dort wanderten wir außerdem durchs Arboretum und fanden außer Bäumen noch Blaubeeren und letzte Himbeeren. Man merkte, dass die Hauptsaison zu Ende war. Seit zwei Tagen hatte die Schule wieder begonnen, wie uns die nette Mitarbeiterin der Tourist Information mitgeteilt hatte. Das Café beim Aussichtsturm und auch der Kiosk bei unserem Gasthafen, wo wir die Nacht verbrachten, hatten geschlossen. Wir konnten zum Glück telefonisch klären, wie der Code für das Servicegebäude war und dass wir bar in den Postkasten zahlen konnten. Nun drehte sich unsere Wäsche munter in der Waschmaschine und wir genossen die Sonne auf der Terrasse des geschlossenen Kiosks mit eigenem Kaffee.
Freitag, 18.8.23 Àland Unsere Reise ging weiter über Inselchen bis zum Fährhafen Hummelvik, von dem wir am Samstagmorgen um 5:30 mit der Fähre durch die Schären bis nach Torsholma fahren wollten, um dann ein paar Inseln mit dem Womi weiter Richtung Finnland fahren zu können. Auf unserer Strecke besuchten wir an diesem Tag als erstes das Schloss Kastelholm und danach das Freilichtmuseum nebenan. Im Schloss, das gleichzeitig als Burganlage diente, wurde die obere Etage als königliche Residenz genutzt, die Etage darunter ermöglichte den Wachposten Rundgänge zu machen und von der untersten Etage aus wurde es mit Waffengewalt verteidigt. Es galt im 16.Jahrhundert als wichtiger Vorposten Stockholms. Im Schloss gab es auch ein Gefängnis, wo unter anderem der abgesetzte Erik XIV. von seinem Bruder dem König Johann III. eingesperrt wurde. Es gab aber im Mittelalter auch noch andere Gefangene, so herrschte auch hier der Glaube an Hexen, die verurteilt wurden. Im Freilichtmuseum Jan Jarlsgården konnte man unterschiedliche bäuerliche Gebäude besuchen, die hier zusammengetragen worden sind. Auf dem Weg zur Fähre kamen wir auch noch an den Resten der alten Festung Bomarsund aus Zeiten der russischen Herrschaft auf Åland vorbei.
Samstag,19.8.23 Åland Hauptinsel – Insel Åva Um 4:30 schellte der Wecker, viel zu früh, womit mein lieber Mann mich mehrfach aufzog. Um 5:30 ging unsere Fähre und wir sollten spätestens 30 Min vorher dort sein. 30 weitere Minuten zum wachwerden, waschen, anziehen und Bett abbauen, erschienen mir nicht zu viel, aber dummerweise war eine halbe Stunde vor Abfahrt noch keinerlei Action bei der Fähre. Wir kamen dennoch pünktlich weg, konnten vorher noch nette Fotos im Licht der aufgehenden Sonne machen und dann eine schöne, 2,5stündige Fahrt durch die bezaubernde Inselwelt, bis wir am Ziel Torsholma auf der Insel Kyrkholm ankamen. Wir fuhren bis zum ersten Picknickplatz und frühstückten dort entspannt. Dann fuhren wir alle Straßen, die sich auf wiederum zahlreichen Inseln befanden und erkundeten diese. Leider fanden wir keine Wanderwege und außer einer kurzen, beleuchteten Langlaufstrecke, die man zu dieser Zeit gut wandern konnte, fanden wir keine passenden Wege. Wir besuchten die Kirche im winzigen, aber Hauptort dieser Inselgruppe in Brandö, kauften ein paar Kekse im einzigen Laden und mussten feststellen, dass die zwei Cafés, die es hier auf den Inseln gab, geschlossen hatten. Die Saison war halt vorbei. Gegen frühen Nachmittag fuhren wir zum Fähranleger der Insel Åva, von wo wir am kommenden Tag zum Fähranleger Osnäs auf der finnischen Insel Kustavi und von dort per Womi aufs finnische Festland fahren wollten. Die heutige Nachmittagsfähre war gerade zur Beladung fertig und wir versuchten, ob wir vielleicht schon an diesem Tag mitfahren konnten, aber wir durften uns nicht einbuchen. Das war auch verständlich, denn wir hatten den super Preis von 26€ für die zwei Fährfahrten nur deshalb bekommen, weil wir so früh fuhren und weil eine obligatorische Nacht auf der Insel damit verbunden war. Es war zwar wirklich schön, die Wasserlandschaft zu sehen, aber das Innere der Inseln war nicht sehr aufregend, besonders, weil es eben keine Wanderwege gab, nur Straßen oder Wege, die bei Häusern endeten und noch dazu häufig das Schild „privat“ zur Abschreckung hatten. Die Hauptinsel mit dem lebhaften Städtchen Mariehamn war da schon spannender. Noch dazu bekamen wir es jetzt mit den Mücken zu tun. Bisher waren wir auf der ganzen Reise davon verschont geblieben. Wir fuhren auf einen Picknickplatz kurz vor dem Fährhafen und Stefan holte das Joggen nach, was er morgens wegen der Fährfahrt nicht hatte machen können. Ich machte einen kleinen Spaziergang und las dann im Womi mein Buch weiter. Wir verbrachten auf diesem Platz die Nacht vor der Fährfahrt am kommenden Tag.
Sonntag, 20.8.23 Åva – Rymättylä Unsere Überfahrt von der åländischen Insel Åva nach Osnäs in Finnland war noch schöner als unsere letzte Fährfahrt. Blauer Himmel, noch blaueres Wasser und überall winzige bis größere Inselchen, die wie Tupfen im Wasser lagen. Es war wunderschön. Noch dazu lernten wir ein Ehepaar aus Kassel kennen, die mit Rädern unterwegs waren, so hatten wir eine interessante Unterhaltung und dazu gab es kostenlosen Kaffee auf der Fähre. Wenn das kein Luxus war! Kurz nach der Ankunft im Fährhafen Osnäs, fuhren wir auf die nächste, kostenlose Fähre. Diese kleinen Fähren verkehrten hier immer bei kurzen Distanzen und kamen, falls sie gerade auf der anderen Seite waren, auf Knopfdruck. Die kurze Fahrt endete in Kustavi, einer mit Straße verbundenen Gemeinde auf einer der Schäreninsel Finnlands. Hier hatten wir von einer Höhle gelesen, die wir besuchen wollten. Eine Höhle war es eigentlich nicht wirklich, sondern riesige Felsblöcke mit breiteren Spalten, zwischen die und über die man klettern konnte. Außerdem gab es einen netten Wanderweg durch Wald mit Moos und Flechten, Pilzen und Blaubeeren zur schönen Kirche von Kustavi und durch den Ort. Wir fanden einen freistehenden Apfelbaum und pflückten uns ein paar Äpfel für unser morgendliches Frühstück oder zum so essen und besuchten den örtlichen Supermarkt, wo wir preisreduzierten Salat und Dill kauften, sowie zwei Eistüten á 60 cent, die es geschmacklich sicher mit dem vorm Geschäft angebotenen Softeis für 3€ aufnehmen konnten. Da wir keine Taschen mithatten, fuhren wir später noch einmal zu diesem Laden, weil wir schwarze Johannisbeeren im Tiefkühlfach gesehen hatten, die Stefan so gerne isst und die es bei uns normalerweise nicht zu kaufen gibt. Sie waren sogar preislich günstiger als z.B. Blaubeeren, die hier überall wuchsen. Nach der schönen Wanderung fuhren wir über mehrere Inselchen und an der Festlandküste entlang zu unserem Nachtplatz im Örtchen Rymättylä auf der Insel Otava. Der Ort wurde 2009 zur Stadt Naantali eingemeindet, die auf dem Festland vor Turku liegt und sehr schön sein soll. Das sollte am kommenden Tag unser erstes Ziel sein. Rymättylä bestand aus einem kleinen Yachthafen, auf dessen Parkplatz wir dieses Mal übernachteten, Pizzeria, Apotheke, Bank, Post, Supermarkt, Kirche, Schule und ein paar Häuschen. Unser Platz lag wunderschön mit Blick auf ein paar Boote, die am Steg herumdümpelten und gerade hatte noch ein junges Paar sein Zelt auf einem Stückchen Wiese ein paar Meter von uns entfernt aufgebaut. Es schien hier relativ locker gesehen zu werden. Ein paar Meter weiter gab es eine Komposttoilette und Frischwasser gab es durch Schlauch am Steg. Was wollten wir mehr? Stromprobleme hatten wir bisher auf der Reise keine, toi, toi, weil wir täglich immer genug fuhren, dass die Batterien sich generieren konnten, manchmal Plätze mit Strom hatten und es außerdem bis ca. 21:00 hell genug ohne Lampe war. Handy hat ja den Vorteil, dass man damit auch lesen kann ohne Extralicht und wir es während der Fahrt gut aufladen konnten.
Montag, 21.8.23 Rymättylä – Naantali – Turku – Savojärven Rantapiha Letzte Nacht begann es mal wieder zu regnen und der hielt sich auch bis zum späten Vormittag. Wir entschieden uns daher, nicht die Straße weiter bis zur Spitze der letzten Insel zu fahren, sondern über eine andere kleine Insel aufs Festland nach Naantali, einem ca. 20000 Einwohner Städtchen, was zu den ältesten Städten Finnlands gehört. Sollte der Regen uns also zu viel nerven, beabsichtigten wir, hier mal wieder Second Hand und andere Geschäfte aufzusuchen. Einen Second Hand Laden fanden wir, und er schien so zu funktionieren wie in Dänemark, wo Privatleute ein Regal oder einen Kleiderständer haben und ihre Sachen dort auf Kommission verkaufen. Danach suchten wir uns ein Café mit WLAN und luden uns erstmal wieder ein paar Podcasts und Google Maps von Finnland/Estland runter und tranken dazu Kaffee. An Gebäck war hier nicht zu denken, die Preise waren in der Gastronomie ähnlich hoch wie in Dänemark. Ein einfaches Teilchen unter 4€ war kaum zu finden. Ähnlich sah es mit Pizza aus, keine unter 16€. Da blieben wir doch lieber bei Stefans Kochkünsten, wenn es auch schon schön wäre, die örtliche Küche mal ausprobieren zu können. An seinen Gurkensalat reicht aber eh niemand heran. Wir aßen derzeit fast täglich zwei Gurken. Allmählich klärte sich das Wetter auf, aber wir hatten noch nicht so richtig Gefallen am Ort gefunden. Wo waren denn die bunten Häuschen, die bei Google und ADAC angepriesen wurden? Wir wurden zum Glück am Ende doch noch fündig! Es gab einen netten, baumbestandenen Fußweg Richtung Hafen, der uns in das Gebiet der wunderschönen, alten, bunten Holzhäuser führte. Es gab hier nicht nur die roten mit den weißen Fensterrahmen, sondern auch gelbe, graue, weiße und hellblaue, die mir besonders gefielen. Sie standen rund um den kleinen Hafen und waren bildschön. Inzwischen war auch das Wetter wieder besser, sodass wir den Rundgang genießen konnten. Von Naantali fuhren wir weiter nach Turku, das uns mit ca. 190000 Einwohnern zu groß und umtriebig war. Vielleicht waren wir an den falschen Stellen, aber es hat uns nicht begeistert. Ganz nett war allerdings die Markthalle, die innen aussah, als wäre man zwischen alten Holzzugabteilen, in denen sich die Verkaufsstände befanden. Das hatte Stil. Die Luft draußen war inzwischen richtig schwül durch die Sonne auf den nassen Böden. Wir guckten uns auf der Karte an, was es so an Sehenswertem zwischen Turku und Helsinki gab und wählten für die nächste Nacht den Savojärven Rantapiha, eine Art Naturcampingplatz ohne Bezahlung, wo es eine Toilette, Wasserhahn, Grillstelle und Picknicktischen mitten im Wald gab. Außerdem stand hier eine öffentliche Sauna zur Verfügung, die aber leider nur bis zum 8.8. betrieben wurde, weil der kleine Kiosk dann die Saison beendet hatte. Schade! Abkühlung wäre dann direkt im See, dem Savojärven, gewesen. Von diesem Platz gingen Wanderwege in den Kurjenrahka Nationalpark und wir hofften auf gutes Wetter, damit wir dort am nächsten Tag wandern konnten.
Dienstag, 22.8.23 Rantapiha – Matildanjärvi im Teijo Nationalpark Heute war Wandertag. Nach dem Frühstück machten wir eine sehr schöne Wanderung im Kurjenrahka Nationalpark. Es ging durch intakten Kiefern- und Mischwald mit Büschen, Felsgestein mit Flechten und besonders Blaubeer- und Preiselbeersträuchern und Heide. Wir sahen so viele Pilzsorten, wie nie zuvor. Eigentlich schade, dass wir uns mit denen nicht auskannten, aber im Nationalpark darf man ja eh nicht ernten. Es war trocken und zwischendrin kam sogar die Sonne heraus. Wir waren fast 10 km unterwegs. Danach machten wir uns auf den Weg Richtung Südwesten in den Teijo Nationalpark. Er bestand aus historischen Orten, Wäldern und Seen. Wir besuchten erst den Ort Teijo und besuchten die Kirche, die leider wieder mal nicht offen war und fuhren dann nach Marttila an den Hafen in den finnischen Schären und genossen einen Kaffee. Der Stellplatz beim Café/Hotel war uns zu teuer für 29€ und nur Strom und Dusche. Ich nutzte die Dusche am Hafen, wobei ich mir nicht ganz sicher war, ob das erlaubt war, aber sie war in den öffentlichen Toiletten, war offen und es stand auch nichts von Kosten dran. Danach suchten wir uns wieder einen netten Wanderparkplatz beim Nationalpark bei Park4Night am Matildajärvi, wo Stefan gleich noch eine Runde im See schwamm. Eigentlich wollten wir noch eine kurze Wanderung machen, aber da stoppte uns der Regen. Als wir die 500m zurück zum Womi gelaufen waren, hörte er kurz drauf wieder auf, aber da wollten wir auch nicht nochmal raus.
Mittwoch, 23.8.23 Matildanjärvi/Teijo – Porkkalinniemi Naturschutzgebiet Nachdem wir eine wunderschöne Wanderung um den Matildanjärvi im Teijo Nationalpark gemacht und im Naturparkhaus einen Kaffee getrunken hatten, ging unsere Reise weiter nach Ekenäs an der Küste, wo wir im kleinen Yachthafen herumschlenderten. Danach statteten wir dem Mustio Manor Park, einer Art Schloss mit Garten, das ein Hotel beherbergte, einen Besuch ab und fuhren dann zu unserem Übernachtungsplatz an die Spitze einer Landzunge kurz vor Helsinki, in das Porkkalinniemi Naturschutzgebiet, wo wir am kommenden Tag noch einmal in Küstennähe wandern wollten.
Donnerstag, 24.8.23 Porkkalinniemi – Nuuksio Nationalpark Der Tag begann mit einer Wanderung im sehr schönen Porkkalinniemi Naturschutzgebiet, wo wir auch die Nacht verbracht hatten. Wir liefen durch Küstenwald mit wunderbar weichem Waldboden zur Spitze der Landzunge mit Felsenboden und hatten einen herrlichen Blick auf kleine Inselchen und der gegenüberliegenden Landzunge. An mehreren Stellen waren Picknicktische aufgestellt, und man konnte es sich auch auf den Felsen gemütlich machen. Lief man etwas umher, konnte man auch runter bis ans Wasser kommen. Über uns, bzw. über den Inseln, war aktives Treiben in der Luft. Hubschrauber und eine Drohne flogen die ganze Zeit dort herum und auf dem Wasser schoss aus Richtung Helsinki ein Boot in Affengeschwindigkeit hinaus aufs Meer. Ganz weit in der Ferne sah man auch ein Kriegsschiff. Ob es ein Suchmanöver, ein normales Manöver des finnischen Militärs, das auf einer der Inseln laut Karte stationiert ist, war, oder ggf etwas mit dem Absturz des Flugzeuges zwischen St. Petersburg und Moskau zu tun hatte, war uns nicht bekannt. St. Petersburg war ja nicht weit weg von dort. Nach der Wanderung packten wir unsere 7 Sachen und machten uns auf den Weg ins Inland zum Nuuksio Nationalpark, also vom Meer ins Skigebiet. Leider regnete es die ganze Zeit, sodass wir, außer einen Blick ins Nationalparkzentrum zu werfen, nichts sahen. Ich nutzte die Chance, etwas Schlaf nachzuholen, den ich in der letzten Nacht eingebüßt hatte, weil mir Stefans Bruder und dessen bevorstehende OP nicht aus dem Kopf ging. Wir hofften, am Abend noch eine kleine Runde drehen zu können. Wir übernachteten auf dem Parkplatz des Nationalparkhauses neben anderen Wohnmobilen.
Freitag, 25.8.23 Nuuksio Nationalpark – Tallinn/Estland Bevor wir uns auf den Weg nach Helsinki zur Fähre begaben, hatten wir die Chance, doch noch im Trockenen im Nuuksio Nationalpark zu wandern. Wir wanderten 5 km um einen See. Es ging auf und ab durch den Wald und wir hatten immer wieder nette Ausblicke auf den See, mal von Felsen aus und mal direkt vom Ufer auf Badestegen. Fürs Baden hatten wir aber weder Zeit, noch Badekleidung dabei und mit ca. 16⁰ Lufttemperatur war es mir auch zu kalt. Der Park hatte, wie auch die vorherigen, eine hervorragende Infrastruktur, beginnend mit dem hochmodernen Nationalparkzentrum, über Grillhütten, bei denen immer auch gezeltet werden konnte, Unterstände mit Holz und Säge oder Beil, um sich Grillholz passend zu schlagen, Trockentoiletten, die immer recht sauber und ohne den miesen Gestank von Chemieklos waren, einem Rolli- Wanderweg, Wege für Radfahrer, wobei in diesem Park ein spezieller Bikepark war, der wohl dieselbe Infrastruktur, also Wege und Lift von Skifahrern nutzte, wie auch Wege, die für Reiter nutzbar waren. Dieser Nationalpark war das Hauptskigebiet (Langlauf, Berge gibt’s keine) der Finnen und Naherholungsgebiet der Bewohner Helsinkis. Die Finnen nutzten ihre Parks auch intensiv. Stets sah man Wanderer, Leute, die grillten und auch Zelter. Gegen 13:00 machten wir uns auf den Weg zum Fährterminal und ich fragte mich, wie um alles in der Welt Menschen ohne Navi den Weg dorthin fanden. Wir fanden keinerlei Beschilderung zum Fährhafen, zumindest nicht in Englisch und Finnisch sagte uns überhaupt nichts, bis wir in ein paar hundert Metern das riesige Terminalgebäude sahen. Dort gab es dann zum Glück auch eine Ausschilderung je nach Fährlinie, denn es gab mehrere Linien, die nach Tallinn rüber fuhren. Auf unserem Warteplatz waren wir unter den letzten drei Fahrzeugen, die aufs LKW Deck fahren konnten. Wir beobachteten fast 45 Minuten lang, wie endlos viele Lastwagen vom Schlund der Fähre verschluckt wurden und begannen schon zu fürchten, dass für uns kein Platz mehr sein würde, aber wir passten gerade noch drauf. Die Fähre der Eckerö Linie war gigantisch. Ich glaube, es war die Größte, die wir je benutzt haben. Nach 2 1/2 Std liefen wir in Tallinn ein und die Fahrt durch die Stadt war ziemlich nervig. Es war starker Freitagabendverkehr, die Esten fuhren ziemlich ruppig und wir mussten noch dazu immer auf Straßenbahn, die immer Vorfahrt hatte, und Bus-Taxis- Spuren achten. Wir entsorgten unser Grauwasser an einer Tankstelle, die ich bei Park4Night herausgefunden hatte und fuhren dann zu einem Parkplatz an der Uferpromenade, etwas außerhalb vom Zentrum, neben einer Gedenkstätte an die estnischen Opfer durch die Kommunisten. Wir hatten erst Schwierigkeiten zu zahlen, da alles nur noch über Handy-APP lief und unsere Telefongesellschaft die APP nicht unterstützte, letztendlich ging es dann zum Glück mit Kreditkarte. Wir statteten dem Mahnmal einen Besuch ab, bevor wir in unserem Wohnmobil zu Abend aßen und uns bettfertig machten. Wir nahmen uns vor, wenn wir uns entschieden, am kommenden Tag Tallinn anzusehen, dann mit dem Bus. Fahren und Parkplatzsuche mit Womi war zu nervenaufreibend und wahrscheinlich auch zu teuer bei den Parkgebühren im Zentrum.
Estland
Samstag, 26.8.23 Tallinn – Türisalu Klippen Mein erster Eindruck von Tallinn am Morgen war der Jachthafen, der sich ein paar hundert Meter die Küste hinauf hinter unserem Übernachtungsparkplatz befand. Das erste was ich sah, war das Marina Pirata Spa Hotel, ein furchtbarer Betonklotz, das aber glaube ich nicht mehr geöffnet hatte, darin ein wohl noch aktives Casino, dahinter der Jachthafen und ein Gebäude mit der Überschrift „Olympiacenter“ und der offizielle Wohnmobilstellplatz. Alles sah sehr nach Beton, Zäunen und irgendwie ungemütlich aus. Ich war froh, dass wir vorne auf dem Parkplatz übernachtet hatten, wo wir die Nacht alleine standen. Nach dem Frühstück machten wir uns gemeinsam mit dem Bus auf den Weg in die Stadt. Wie beim Parken zahlte man online, entweder per aufgeladener Karte wie in der Türkei, die wir natürlich nicht hatten, oder per Kreditkarte. Eigentlich stand im Internet, man könnte auch beim Fahrer zahlen, aber der wollte kein Geld und verwies auf das Gerät. Das piepte auch, als Stefan sein Handy mit eingespeicherter Visakarte dran hielt. Wir fuhren bis zur Altstadt, die wirklich sehr schön und auch relativ groß war und mich wieder mit der Stadt versöhnte. Kopfsteinpflaster, Stadtmauer, mehrere Kirchen, eine davon ein prächtiger Dom und viele Gassen mit Souvenirgeschäften, manche kitschig, einige aber auch mit hochwertigem Kunsthandwerk. Besonders gefiel uns, dass man den Hauptplatz mit Kommunikationsinseln aus Holz versehen hatte, wo Menschen sich ausruhen, treffen und Kontakte knüpfen konnten. Es handelte sich nicht um die immer gleichen Bänke, wo nur immer Pärchen draufpassten, dies waren Quader in unterschiedlichen Größen und Höhen, teilweise sogar überdacht. Danach besuchten wir die Markthalle am Baltischen Bahnhof, die architektonisch und vom Angebot wirklich etwas Besonderes war. Auf drei Stockwerken befanden sich Lebensmittelstände, ein riesiger Antikmarkt mit ungelogen Millionen Stücken von Kameras über Leninbüste und vom Spielzeug-Totenwagen bis zur alten, leeren Zigarettenschachtel. Es war unglaublich, dieses Sammelsurium auf sich wirken zu lassen. Außerdem gab es eine ganze Reihe hippe Restaurants und Cafés, auch vegan, sodass wir uns ein wenig ärgerten, zuvor voreilig bei einer Bäckerei Kaffee und Teilchen gegessen zu haben. Als letztes strebten wir zur Straße und dem Kulturzentrum Teliskivi. Hier wurde ein hässliches Bahnhofsviertel mit leerstehenden, alten Firmengebäuden, zu einem kulturellen Viertel und wirklichem Hingucker gemacht. Wandgroße, wirklich gute Graffitis zierten die Gebäude, in denen Fotomuseum, Galerien, Kunstwerkstätten und Gastronomie Einzug gehalten hatten. Zwischen den Gebäuden befand sich ein bunter Spielplatz, eine Bühne, Terrassen der Restaurants, bunte Tischtennis-Platten und teilweiße noch bemalte Food Trucks. Auch ein Eisenbahnwaggon wurde mit einbezogen und zwischendrin bepflanzte Kübel. So kann man aus alten, sinnlos gewordenen Gebäuden ein Viertel machen, das junge Menschen und Touristen anzieht und Künstlern kreative Schaffensorte bietet. Mit all diesen Eindrücken im Kopf fuhren wir zurück zum Wohnmobil und wendeten uns dem Ernst des Lebens zu: wir fuhren zum Waschsalon. Dieses Mal war es ein voller Erfolg. In nur 60 Minuten insgesamt, hatten wir unsere ganze Wäsche dieses Mal duftig sauber und vor allem richtig schranktrocken. Das alles kostete uns 11€, da konnten wir wirklich nicht meckern. Nun waren wir bereit, wieder in die Natur rauszufahren. Wir wollten eigentlich bei einem Strandparkplatz ca. 30 km westlich von Tallinn übernachten, aber wir hatten keine Chance, zu bezahlen. Die Europaparking App vom ersten Parkplatz passte nicht und über SMS zu zahlen, wie auf dem Schild beschrieben, funktionierte nicht. Wir fuhren ein paar Kilometer weiter zum ersten Parkplatz der Turisalu Klippen. Schon am Parkplatz stank es ekelerregend nach vermodertem Wasser. Wir liefen den Weg hinunter zum Meer, und es waren überall stinkende Algen, die die ganze Landschaft nach Kloake riechen ließen. Zu den Klippen konnte man weder oberhalb als auch am Wasser entlang laufen. Die Wege verliefen immer ein Stück, aber dann war Schluss. Überragend sahen die Klippen aber auch nicht aus, nicht, wenn man die Kreidefelsen auf Møn gesehen hatte. Der Parkplatz stank uns wortwörtlich, also fuhren wir noch ein Stückchen weiter und standen nun oberhalb der Klippen, wo wir auf einem Wanderweg noch etwas wanderten und wo es nicht mehr stank. Hier war am Abend richtig was los. Es schien eine Samstagsabend Beschäftigung zu sein, von einem Parkplatz aus die Sonne überm Meer untergehen zu sehen, was ganz nett, aber auch nicht so überragend, weil wolkig war, und zu fotografieren. Auch später, nachdem die Sonne längst weg war, war hier ein ständiges Kommen und Gehen von Autos, Wohnmobilen und Motorrädern. Einheimische wohlgemerkt. Ein Jongleur jonglierte auf der Grünfläche oberhalb der Klippe, direkt vor dem Parkplatz, für ca. 10 Minuten mit Feuer, dann verließ er den Platz wieder. Unsere Nachbarn, zwei Wohnmobile, die sich im 45Grad Winkel platzierten, schmissen den Grill an. Ich war gespannt, ob wir irgendwann eine ruhige Nacht bekommen würden. Zumindest machte noch niemand Party hier.
Sonntag, 27.8.23 Türisalu Klippen – Keila Wasserfälle- Holocaust Gedenkstätte -Paldiski/ Pakri Klippen – Nōva Rand – Haapsalu Nach einer scheußlichen Nacht, weil ich wohl was falsches gegessen hatte ( überreife Kirschen? Zuviel Lakritz-oder Zimtkekse?) und daher mit Übelkeit und Bauchschmerzen zu tun hatte und außerdem die ganze Nacht über immer wieder Einheimische auf den Parkplatz fuhren und mit eingeschalteten Scheinwerfern aufs Meer leuchteten, was immer sie da suchten, war ich am Morgen wie erschlagen und nicht für große Wanderungen zu begeistern. Wir fuhren als erstes zu den Keila Wasserfällen, die gemeinsam mit dem dazugehörigen Wasserkraftwerk und einem Gutshaus in einem schönen Park lagen und über Hängebrücken erreichbar waren. Als nächstes holte uns wieder mal die deutsche Geschichte ein. Wir kamen an der Holocaust Gedenkstätte des KZ – Außenlagers Klooga vorbei und statteten ihm einen Besuch ab. Als Deutschland den Krieg gegen Russland begann, zwangsdeportierten die Russen ca. 400 Juden nach Sibirien und weitere flüchteten selbst nach Russland. Die restlichen Juden wurden von den deutschen Besatzern in KZs gebracht und 1944, als die deutsche Armee sich zurückziehen musste, im Wald erschossen und verbrannt. Die Lagerleitung floh Richtung Deutschem Reich. Da nicht alle Leichen komplett verbrannt waren, konnten die Russen unschwer erkennen, was hier vorsichgegangen war und veröffentlichten Fotos von ihrem Fund. Sie gehörten mit zu den ersten Beweismitteln, die die Welt vom Holocaust zu sehen bekam, wobei von russischer Seite das Thema politisch ausgenutzt wurde, indem man unterschlug, dass es sich bei den Opfern um Juden handelte. Sie wurden als russischstämmige Esten ausgegeben. Nach diesem Rückblick auf die Vergangenheit fuhren wir weiter nach Padilski, einem russisch geprägten Ort. Unter Zar Peter dem Großen wurde es 1718 russischer Flottenstützpunkt, in den 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts ein Trainingszentrum für nukleargetriebene U-Boote mit Trainingsreaktor, sodass die Stadt eine sogenannte geschlossene Stadt wurde, die nur mit Sondergenehmigung betreten werden konnte. Auch seit der Unabhängigkeit Estlands ist die Mehrzahl der Einwohner noch russisch. Die Stadt wirkte auf uns sehr unfreundlich. Hauptsächlich gab es Wohnblöcke und meistens sehr heruntergekommen, aber nicht so, wie man sie in anderen ehemaligen Sowjetstaaten noch fand, außen scheußlich, innen schick. Hier sah es nicht danach aus. Häufig waren Scheiben kaputt bzw. verklebt, es schienen einige Wohnungen leer und überall blätterte die Farbe. Im Kontrast dazu befanden sich moderne Spiel- und Sportplätze im Stadtzentrum. Schön war es dagegen an der Spitze der Landzunge, an den Pakri Klippen. Hier unternahmen wir eine kleine Wanderung. Ein weiteres Naturhighlight war der Naturstrand Nōva Rand, den uns die älteste Tochter einer Freundin empfohlen hatte, die vor Jahren in Estland ein Austauschjahr gemacht hatte. Der Strand lag in oder bei einem Naturschutzgebiet mit Wald und einem Sandboden, der, wie in Skandinavien, voll von Blaubeer- und Preiselbeersträuchern und Heide war. Wir wanderten durch das Waldgebiet zum Strand und an diesem ein Stück entlang. Als wir zurück beim Auto waren, holten wir uns Schüsselchen und sammelten Blaubeeren für unser Frühstück an den nächsten Tagen. Die Blaubeeren waren viel dicker als in Finnland und auch als bei uns, fast wie Kulturblaubeeren, sodass wir bald genug zusammen hatten und zum Campingplatz nach Haapsalu fuhren, wo wir die nächste Nacht verbrachten. Wir fanden einfach keine öffentlichen Entsorgungsmöglichkeiten mehr für Grauwasser und Toilette, sodass wir auf einen Campingplatz gehen mussten. Naja, war auch mal gut wieder zu duschen und WLAN zu haben.
Montag, 28.8.23 Haapsalu – Hiiumaa Dieser Tag war wunderbar und das, obwohl es am Morgen wie aus Kübeln regnete. Wir schafften es gerade in einer kurzen Regenpause, unser Abwasser und Klo zu entsorgen und Frischwasser aufzufüllen, denn deshalb hatten wir schließlich extra eine Nacht auf einem Campingplatz für 20€ verbracht, weil wir ernsthafte Probleme hatten, andere Entsorgungsmöglichkeiten zu finden. Trotz miserablem Wetter machten wir uns auf den Weg zum Hafen Rohukula, um Preise und Zeiten für die Fähre auf die Insel Hiiumaa herauszufinden. Als wir dort ankamen, kam gerade eine Fähre und, da Stefan die Ausfahrt zum Parkplatz verpasst hatte, standen wir plötzlich in der Spur für die Fähre. Da wir sahen, dass es auch eine Spur mit Kasse gab, versuchten wir es einfach dort und ruckzuck hatten wir unsere Tickets für 24€ und konnten direkt auf die Fähre fahren. Wenn das doch bloß immer so unkompliziert gewesen wäre! Wir hatten eine angenehme Überfahrt bei weiterhin strömendem Regen und beschlossen, auf der Insel als erstes shoppen zu gehen, um im Trocknen zu sein. Wir fuhren zu einem Humana Store und ich habe richtig Glück gehabt und eine Daunenjacke, ein Paar Wandersandalen und eine kurze Hose, alles neu oder neuwertig und Stefan eine lange Unterhose gefunden, alles zusammen für 34€. Danach besuchten wir den Windtower, ein Erlebnismuseum in einem architektonisch interessanten Turm. Auf mehreren Etagen wurde sehr anschaulich und zum Teil spielerisch die Geschichte der Insel, das Leben der Insulaner und die Fauna und Flora dargestellt. In einem Raum konnte man sich unterschiedliche Windstärken um die Ohren blasen lassen, in einer historisch gestalteten Küche von einem Mann per Video Geschichten seiner Mutter erzählen lassen (Untertitel auf Englisch), in Vogelnestschaukeln liegend, auf einer riesigen Wand eine Beamershow mit Situationen am Strand und in der Natur verfolgen und das Gefühl haben, man schaukelte mittendrin und vieles mehr. Das Museum war mit einem Sportstudio gekoppelt und es gab über die ganzen Stockwerke eine Kletterwand, die sich sehen lassen konnte. Sie wurde auch gut genutzt. Während wir uns dort im Museum gut beschäftigten, kam draußen die Sonne heraus. Wir ergriffen die Chance und fuhren nach Sääre Tirp, einer Landzunge, die sehr weit und extrem schmal in die Ostsee hineinragte. Wir hatten zum Schluss vielleicht noch einen ein Meter breiten Streifen zum laufen, dann trafen die Wellen aufeinander. Sicher war dieses letzte Stück auch häufig überspült. Diese Landschaft aus Gras, Büschen, grasenden Pferden und dann diesem schmalen Streifen aus Kiesel in der Abendsonne mit grandiosem Wolkenspiel, war einfach atemberaubend zu erleben. Nach dieser schönen Wanderung suchten wir uns einen gemütlichen Nachtplatz und fanden einen abgelegenen, kleinen Fischerhafen mit Aussichtsturm und Parkplatz, auf dem wir die untergehende Sonne überm Meer beobachten und gut schlafen konnten.
Dienstag, 29.8.23 Hiiumaa Wir hatten eine wunderbar ruhige Nacht, ganz alleine an dem kleinen Hafen Tärkma sadam. Zum Frühstück gab es noch einmal Blaubeermüsli mit den selbst gepflückten Beeren von vorgestern, danach begaben wir uns auf die Erkundung der Insel. Heraus kamen der kleine Jachthafen von Haldi, drei Leuchttürme, eine alte, fast komplett kaputte Kunstseidefabrik, von der aber seit einem Jahr ein Gebäudeteil zu einem Kulturzentrum umgewandelt wurde. Maler stellten Bilder im rustikalen Café aus, es fanden wohl häufiger Musik- und Theaterveranstaltungen statt und wahrscheinlich war noch einiges mehr geplant. Im ersten Jahr hatte das Kulturzentrum 10000 Besucher, davon 90% Esten. Für eine Insel mit nur ca. 11000 Einwohnern schon eine nennenswerte Anzahl. Wir tranken dort einen Kaffee und unterhielten uns mit dem anwesenden Mitarbeiter. Leider wurde er von einem Telefongespräch weggerufen. Ich hätte ihn gerne noch gefragt, wer dieses Kulturzentrum geschaffen hat und jetzt betrieb. Beim letzten Leuchtturm, dem Tahkuna Leuchtturm war am Strand ein Memorial für die toten Kinder des Estoniaunglücks. Es wurde von einem Lehrer initiiert. Außerdem machten wir eine 7 km Wanderung entlang der Küste von der Kalana Feriensiedlung zum Ristna Leuchtturm. Das Wetter war uns dieses Mal hold. Es schien den ganzen Tag die Sonne. Zur Übernachtung suchten wir uns wieder ein RMK -Plätzchen. RMK waren die offiziellen Rast- bzw. Zeltplätze der Forst- oder Umweltbehörde, wo gezeltet werden durfte, und auf dem Parkplatz konnte man auch im Wohnmobil übernachten. Sie hatten in der Regel ein Plumpsklo, eine Feuerstelle, Picknicktische und manchmal auch eine Hütte oder Unterstand. An diesem Tag waren wir am Törvanina Campingplatz, und dort war sogar eine Badestelle an einem schönen Sandstrand. Es ging hier lange flach ins Wasser und es war reiner Sandboden, keine Steine oder Algenschlick, wie sonst häufig hier an der Küste und ich sah auch keine Quallen, daher nutzte ich dieses Mal auch die Chance für ein Bad in der Ostsee. Wir waren wieder ganz alleine auf dem Platz. Man merkte deutlich, das die Saison vorbei war. Wir hatten morgens auch problemlos ein Ticket für die Fähre am nächsten Tag nach Saaremaa bekommen, was im Sommer schwierig sein soll. Saaremaa war die größte estnische Insel, und von ihr aus konnte man mit dem Auto noch die kleine Insel Muhu besuchen.
Mittwoch, 30.8.23 Hiiumaa – Saaremaa Heute war mal wieder ein Regentag. Unsere Wanderung am Morgen im Wald um Kärdla war daher ehr suboptimal, denn außer Regen gab es auch noch Mücken, sodass unsere Geschwindigkeit ziemlich gesteigert wurde. Danach flüchteten wir uns im Ort Kärdla in einen Second Hand Laden und waren danach Pizzaessen im Restaurant. Am frühen Nachmittag begaben wir uns auf den Weg zum Hafen auf der anderen Seite der Insel zum Hafen von Sōru. Unterwegs guckten wir uns noch kurz das alte Gutshaus Suuremōisa an, das jetzt unterschiedliche Schulen beherbergte. Um 17:30 ging’s dann auf die Fähre nach Saaremaa, wo wir wieder auf einem RMC Campingplatz im Wald, an einem traumhaften Sandstrand übernachteten. Schade, dass das Wetter kein Badevergnügen ermöglichte.
Donnerstag, 31.8.23 Saaremaa Mal wieder wachte ich bei Regen auf und Stefan wurde beim Joggen nass überrascht. Wir erkundeten nach dem Frühstück die westliche Hälfte der Insel, und die Autos, die uns bis zum vorletzten Ziel, dem Leuchtturm Klipsaare Tuletorn begegneten, konnten wir an einer Hand abzählen. Der nordwestliche Teil von Saaremaa war fast ausschließlich Wald und Küste. Wir besuchten die Panga Klippe, die man allerdings nur von oben sehen konnte. Wollte man runter ans Wasser, muss man sich an einem matschigen, verschlissenen Seil abseilen, das nicht einmal bis nach unten reichte. Das bei dem nassen Wetter hätte sicher eine Sauerei gegeben. Am Wanderweg konnte man außerdem noch Relikte der alten Überwachungsanlagen der Sowjets sehen. 1,9% des estnischen Territoriums waren militärische Anlagen während der Sowjetzeit. Ninase Pank, unser nächstes Ziel, war ebenfalls eine Klippe, bei der wir eine Weile rumwanderten. Undva Pank wiederum war Teil eines Geologieparks und wir konnten nach Versteinerungen suchen. Das letzte Ziel, der Leuchtturm Klipsaare Tuletorn, war nur mit einer ca 9 km langenen Wanderung erreichbar. Ich hatte gelesen, dass der Weg lange durch hohen Sand gehen sollte, und war alles andere als begeistert davon. Die Wanderung war auch letztendlich wirklich nicht so toll, wie sie im Internet beschrieben wurde. Erstmal musste man etliche Kilometer auf Schotterpiste zum Parkplatz fahren. Von dort ging es schnurgerade auf einem straßenbreiten Schotterweg durch langweiligen, in Reihen angepflanzten Fichten-Stängelwald mit total leerem Boden. Keinerlei Moos oder Pflanzen, wie sonst überall. Warum man die ca. 1,5km Weg nicht auch noch bis zum RMC Campingplatz mit dem Auto fahren konnte, erschloss sich mir beim besten Willen nicht. Danach wurde es etwas besser. Linkerhand tauchte ein See auf, den man durch Schilf sehen konnte, rechts verdeckten Dünen das Meer, aber immerhin wuchsen ein paar Büsche, Gräser und Moose hier. Erst als der Weg schmal wurde, begann der sandige Abschnitt. Da er nicht sehr lang war, wurde es nicht zu anstrengend, bis wir am Strand ankamen und den Turm im Wasser stehen sahen. Er war super dünn und schief, was vielleicht das Besondere an ihm war, sonst war er nicht gerade malerisch schön. Nach der Wanderung hatte ich die Nase voll von einsamen Landzungen und wir entschieden uns, im größten Ort der Insel, Küresaare oder auch Ahrensburg genannt, einen Schlafplatz zu suchen. Wir kauften noch ein und Stefan backte Pfannkuchen, die wir mit Kohupiin, einem lecker angemachten Quark mit Rosinen oder Vanille aßen. Diese Quarkspeisen gab es in Butterform oder als Würste verpackt und in verschiedenen Geschmackssorten. Sehr lecker!
Freitag, 1.9.23 Saaremaa- Muhu Heute Morgen wachte ich mit Sonnenstrahlen und dem Lärm der Straßenreinigung auf. Letzteres hatte man davon, wenn man nicht im Nirgendwo, sondern in der Zivilisation übernachten wollte. Stefan bekam beim Joggen noch etwas Regen mit, aber danach war es trocken und wurde ein schöner Tag. Wir schlenderten nach dem Frühstück durch Küresaare, das auch Ahrensburg genannt wurde und echt süß war. Nette Häuser, viele im Jugendstil, ein richtig gemütlicher Stadtkern mit kleinen Geschäftchen und Gassen, aber auch einem Einkaufszentrum, was aber sehr gut ins Ambiente passte und nicht protzig modern den Rest erstickte. Außerdem gab es eine von Wasser umgebene Burganlage, einen Park und Sportanlagen. Wir besuchten einen Humana Second Hand Store, wo wir für Stefan Daunenschuhe und für mich eine dünne Fleecejacke fanden. Die Souvenirläden hatten viele Handarbeiten, gestrickte Socken, Mützen, Filzgegenstände, Keramik und Seifen etc., die wir aber nur anschauten. Zum Schluss guckten wir uns noch die Burganlage an, allerdings nur von außen. Ins Museum gingen wir nicht. Den Abschluss machte ein Kaffee im Jugendstil Kurhaus, bevor wir uns wieder den regelmäßigen Aufgaben von Wohnmobilreisenden widmeten, der Ent- und Versorgung. Wir fuhren zu einer Tankstelle, die beides bieten sollte, bekamen aber nur Wasser, wurden jedoch unser Grauwasser und den Toiletteninhalt nicht los. In der Tankstelle diskutierte die Mitarbeiterin mit drei Männern meine Frage, wo eine Grauwasser- Entsorgung denn möglich wäre und alle drei kamen auf die Lösung: im Wald. Ich sah sie entsetzt an und sagte, ob das denn erlaubt und möglich wäre und einer meinte: hier ist alles möglich. Na dann…Wir fuhren erst einmal zum Museum KEK. Wie wir es in Sofia bereits einmal erlebt hatten, wurde hier sehr anschaulich das Leben der Esten während der Sowjetherrschaft gezeigt. Wir lernten, dass ein Telefonanschluss ungefähr ein ebenso seltenes Gut wie ein Auto war. Viele besaßen zwar ein Telefon, aber bekamen den Anschluss erst 20, 30 Jahre nach Antragsstellung oder nie. Wir erfuhren, welche Tauschobjekte Türen zu Dingen öffnete, die sonst unerreichbar waren. Eine Tafel „Anneke“ Schokolade und Marzipanfigur reichte, um eine Psychiatrieakte verschwinden zu lassen und in Urlaub nach Bulgarien reisen zu können, und in Russland öffnete eine Packung „Kalev Kaugummi“ für eine ganze Gruppe Eintritt in ein Restaurant, das eigentlich geschlossen hatte. Wir erfuhren, dass das finnische Fernsehen zwei Jahre später an den Start ging und es daraufhin einen ständigen Wettkampf gab. Jede Seite idealisierte im Programm ihre Lebensweise, aber natürlich schlug Finnland nach kurzer Zeit die Esten mit seinen Produktionen, und als es die ersten Aufnahmemöglichkeiten gab, guckten in allen Sowjetrepubliken Menschen Westfilme mit finnischen Untertiteln, die zur damaligen Zeit viele einigermaßen verstanden, besonders in Estland. Die Menschen wurden unglaublich kreativ ob des Mangels an Produkten. Nachdem ein technisch sehr intelligenter Este in ein russisches Arbeitslager verschleppt wurde zur Entwicklung eines Motors, wurde das Ergebnis überall in die waghalsigsten Maschinen von Rasenmähern über Räder mit Motorantrieb bis zu Pflügen etc eingesetzt. Es muss unglaublich viele Verletzungen gegeben haben, so unsicher wie die Geräte waren. Interessant war auch, dass überall Kantinen eröffnet wurden, weil die kommunistische Doktrin wollte, dass Frauen nicht mehr Zuhause am Herd stehen, sondern alle an der Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen sollten. Obwohl die Preise in den Kantinen sehr preisgünstig waren, zogen es viele dennoch vor, selbst zu kochen und in den eigenen vier Wänden zu essen. Um von der Mangelwirtschaft und Unfreiheit abzulenken, schürte die kommunistische Regierung die Angst vor einem Atomkrieg und das besonders bei den Kindern. Es wurden Übungen veranstaltet für den nuklearen Notfall, Filme gezeigt und in der Schule Baumwollmasken genäht! Für uns heute war es eine wirklich interessante Ausstellung, wie es den Menschen damals damit erging, kann man sich in etwa vorstellen. Danach begaben wir uns zum Kogi Bog Wanderweg. Unterwegs las ich in den Rezensionen von Park4Night, dass hinter den öffentlichen Toiletten bei (Wander-) Parkplätzen häufig ein zu öffnender Kanaldeckel sei, wo man Campingklos entleeren könnte. Dort konnte man natürlich auch Grauwasser eimerweise reinschütten. Nun hofften wir, dass unser Wanderparkplatz eine solche Einrichtung haben würde und wir hatten Glück und wurden unsere Probleme los. Danach machten wir eine schöne Wanderung auf Bohlenwegen durch das Moorgebiet und Hackschnitzelwegen durch den Wald. Zwischendrin kam immer mal die Sonne heraus, was die Landschaft im schönen Abendlicht leuchten ließ. Im Anschluss verließen wir die Insel Saaremaa über einen Damm und fuhren auf die letzte Insel unserer Tour, nach Muhu. Hier übernachteten wir auf dem Parkplatz eines Freilichtmuseums, das wir uns am kommenden Morgen noch vor der Fährfahrt aufs Festland ansehen wollten.
Samstag, 2.9.23 Insel Muhu – Jōulumäe(Festland Estland) Die letzte Nacht war furchtbar. Es goss aus allen Löchern und das nicht gleichmäßig, sondern so, als würden immer Kübel ausgeschüttet, dann war Ruhe und man dachte, jetzt ist es vorbei, dann kam der nächste Kübel. Ich konnte nicht einschlafen und fasste immer wieder an mein „Nichtmehr Fenster“, ob es wieder reinregnete. Zum Glück sah ich die Bescherung erst am Morgen. Ein nasser Fleck von ca. 30cm Durchmesser auf meinem Laken und der Matratze, und an derselben Ecke wie in Dänemark hingen Tropfen. Ich hatte echt die Nase voll und wollte nur noch weg. Da aber nach dem Frühstück kurz die Sonne rauskam, nutzten wir doch die Chance, uns noch das Freilichtmuseum auf Muhu anzusehen, auf dessen Parkplatz wir übernachtet hatten. Ein Hof, eine Dorfschule und eine Ausstellung von landestypischer Kleidung und Gemälden boten sich uns. Vieles war ähnlich, wie man es auch aus anderen Gegenden Europas kannte, witzig fanden wir jedoch die Kombination aus Ziegenstall und Sauna! Erschreckend war der enge Holzverließ für Mägde und Knechte. Da waren die Ställe der Tiere größer! Es passte gerade so ein Bett rein, kein Ofen, nix! Da das Wetter mehr als wechselhaft war und im Anbetracht meines Problems im Bett, entschieden wir, direkt zum Fährhafen zu fahren. Wir hatten das Glück und konnten bereits gegen 12:00 eine Fähre nach Virtsu auf dem Festland nehmen, statt die gebuchte um 14:30. Wenn das doch überall so unkompliziert ginge! Von Virtsu machten wir uns auf den Weg nach Jõulumäe, wo wir bei einem Sportzentrum unseren Übernachtungsplatz fanden. Wir hatten Strom und ließen unseren kleinen Heizer mein Bett trocknen. Er konnte das jetzt um die Wette mit dem Regen erledigen. Hoffentlich hörte das endlich auf! Ich wollte nicht auf mein Bett verzichten! Zum Glück hatten wir Plastikschalen mit, die ich unter die Stelle stellen konnte, jetzt, wo ich die Gefahr kannte. Das Sportzentrum, wo wir übernachteten, war das größte und vielseitigste, was wir je gesehen hatten. Über die normalen Sport- und Tennisplätze hinaus gab es außen Bahnen für Kurzstreckenläufe, Sprungbahn, Fitness- und Sportgeräte wie Ringe und Reck etc., diverse Mountainbikestrecken mit Hindernissen, die Möglichkeit, Sommerski zu fahren oder im Winter Ski, denn es gab auch einen Platz für Kunstschnee, Disc Golf, was hier sehr in war, Tischtennisplatte, ein überdimensioniertes Billard auf dem Boden, das man anscheinend mit den Füßen spielte, einen Spielplatz und eine Sporthalle. Geräte wie Fatbikes etc waren im Verleih. Man konnte Zimmer im Haus und kleine Hütten draußen mieten, oder wie wir, auf dem Gelände mit dem Wohnmobil stehen. Da es auch einen Grillplatz mit Sitzgarnituren gab, denke ich, dass dort auch gezeltet werden konnte. Im Haupthaus waren Duschen, Toiletten und eine Sauna untergebracht. Anscheinend war Sauna hier immer privat, d.h. man musste sie vorbuchen. Leider war an diesem Tag nichts mehr frei. Das war schon Sportförderung vom Feinsten!
Lettland
Sonntag, 3.9.23 Jōulumäe – Weiße Düne bei Saulkrasti (Lettland )- Naturpark bei Gauja – Kemeri Nationalpark Nun waren wir also in Lettland, dem 5. Reiseland unserer Tour „Rund um die Ostsee“, ließ man Deutschland mal außen vor, denn da waren wir dieses Mal nicht an der Küste. Unseren ersten Stopp in Lettland machten wir an der weißen Düne bei Saulkrasti, einem wunderschönen Dünen-Sandstrand mit hervorragender Infrastruktur. Man hatte, um die empfindliche Dünenlandschaft zu schützen, lange Holzwege in ca. 1 m Höhe mit mehreren Aussichtspunkten angelegt, wo man wunderbar drauf laufen und die Natur genießen konnte. Nach einer kurzen Wanderung von ca. 3 km fuhren wir weiter bis zu dem Nationalpark Gauja, wo wir nochmal die typische Wald-Sand-Heidelandschaft bei der Umrundung eines Sees vorfanden. Dann ging die Fahrt Richtung Riga, wo wir uns Stop&Go durch die Stadt quälten, um zu dem Badeort Jürmela zu gelangen. Als wir in den Ort reinfuhren, erinnerten wir uns daran, warum wir 2019 nicht dort waren: man zahlte Eintrittsgebühr. Wir waren natürlich auf der falschen Spur und kamen daher nicht an den Zahlboxen vorbei, sondern waren auf der Spur für elektronische Bezahlung. Da man natürlich gleich per Kamera aufgenommen wurde, mussten wir es nun schaffen, noch irgendwie zu bezahlen. Zum Glück wurde bei der Online Anmeldung unsere Karte akzeptiert und wir konnten unseren Obulus von 2€ zahlen. Jürmela war bekannt für seine Jugendstilvillen und wir sahen auch ein paar davon. Außerdem hatte es einen kilometerlangen, atemberaubenden Sandstrand, noch einige mehr oder weniger gut erhaltene bunte Holzhäuser und ein paar hochmoderne Gebäude, wie ein Hotel in Schiffsform und ähnliches. Auch hier drehten wir eine Runde über den Strand und durch die Fußgängerzone, bis wir zu unserem Übernachtungsplatz im Kemeri Nationalpark fuhren. Hier planten wir am kommenden Tag noch eine Wanderung durchs Moor zu machen, auf der wir hoffentlich nicht von Mücken malträtiert würden.
Dies war ein ausgesprochen schöner Tag. Er begann mit einer Wanderung durchs Moor bei Sonne im Kemeri Nationalpark, die traumhaft schöne Ausblicke bot. Danach fuhren wir weiter nach Jelgava, einer Stadt mit mehreren schönen Kirchen und einem Palast und einem Humana Store, wo wir wieder ein paar nette Klamotten fanden und uns danach im Café an Kuchen und Kaffee labten. In Lettland waren die Preise endlich wieder etwas niedriger. Für zwei Stück Torte, einen Cappuccino und einen Kaffee 8€ war ok. In den Ländern zuvor hätten wir bei den meisten das Doppelte bezahlt, mal war der Kaffee sehr teuer, mal Gebäck. Dann ging es über die Grenze nach Litauen. Wir machten Stopp in Joniskis, aber die Stadt hatte noch sehr viel Ost und wenig Charme und der Friseur, zu dem Stefan wollte, hatte weder Zeit, noch erschien uns der Laden vertrauenswürdig, also fuhren wir weiter nach Šiauliai. Eigentlich wollten wir noch einmal zum Hügel der Kreuze, wo wir 2008 mit unseren Kindern schon einmal waren, um zu sehen, wie sich das weiterentwickelt hatte, aber da für den Parkplatz 3€ mit Womi zu zahlen war, schenkten wir uns das und besuchten gleich den Ort Šiauliai. Erst fanden wir auch diesen nicht sehr ansprechend, aber als wir die Fußgängerzone hinunter schlenderten, wandelte sich der Eindruck etwas. Hier war es an lauen Sommerabenden sicher ganz nett und lebendig in der Außengastronomie. Es gab ein paar nette Skulpturen, die Fußgängerzone war mit Bäumen bepflanzt und auch so sahen wir einige Blumen. Außerdem gab es ein Fotomuseum, aber das hatte schon geschlossen. Wir entschieden uns, unser Reise-Abschlussessen an diesem Abend zu uns zu nehmen und fanden ein nettes, kleines, vietnamesisches Restaurant. Es war sehr authentisch, denn beide Frauen, die dort arbeiteten, kamen aus Ho Chi Minh bzw. Saigon und so hieß auch das Restaurant. Es gab eine große Auswahl an veganen Speisen und wir suchten uns zwei verschiedene Suppen aus, die wir jeweils teilten, eine selbstgemachte Limonade und Stefan trank wahrhaftig noch am Abend einen vietnamesischen Kaffee. Der ist ja auch sehr sehr lecker, aber er hat ein Vielfaches des Koffeins eines normalen Kaffees. Ein Schluck bewies mir, dass er definitiv echt vietnamesisch war. Alles war sehr lecker und die Bedienung freundlich und aufgeschlossen. Ihr war es wichtig, dass wir das Essen auch genauso einnahmen, wie es Vietnamesen tun, also erklärte sie uns, in welcher Reihenfolge wir die Suppen essen sollten, damit die eine nicht durch Schärfe die andere lasch schmecken ließe, und wir sollten zuerst Zitrone über der einen Suppe auspressen und umrühren für das richtige Geschmackserlebnis. Wirklich klasse! Für unsere letzte Übernachtung im Baltikum wählten wir einen Parkplatz im Kurtuveny Regionalpark in der Nähe eines Sees. Hier blieben wir ganz alleine und genossen noch einmal die Freiheit des frei Stehens.
Litauen
Dienstag, 5.9.23 Kurtuveny Regionalpark – Klaipeda Dieser Tag war so ziemlich ausschließlich unserer Abreise gewidmet. Wir machten noch einen Zwischenstopp in Rietavas, das mit seiner Kirche weithin sichtbar war. Sie sah für den Ort ziemlich überdimensioniert aus. Viele Häuser zeigten noch deutlichen Verfall und Reste der sowjetischen Zeit. In Klaipeda kauften wir Lebensmittel für die Fährfahrt und ein Dankeschön Geschenk für unsere Nachbarin ein, die unsere Post hütete. Wir genossen noch einmal Kaffee und Kuchen und dann ging es zur Fähre. Wir hatten das unverschämte Glück, dass wir eine Kabine mit Du/WC bekamen, obwohl wir nur Ruhesessel gebucht und bezahlt hatten. Die Reederei hatte das Schiff ausgetauscht und dieses verfügte gar nicht über Ruhesessel, also bekamen wir ein kostenloses Upgrade.
Mittwoch, 6.9.23 Ostsee – Kiel -Bispingen Unsere Fährfahrt nach Kiel war sehr angenehm und entspannt. Ich hatte zwar erst Probleme mit der Vibration der Motoren, das im Bett wie leichtes Erdbeben ankam und meinen Magen mehr irritierte, als hätte das Schiff geschaukelt, aber nach ein paar Stunden legte sich das Grummeln und ich schlief bis 9:00 durch. Selbst Stefan wurde erst um 8:00 wach, 1-2 Stunden nach seiner Zeit. Das muss wohl an der Dunkelheit gelegen haben, denn wir hatten ja eine Innenkabine. Wir machten gemütlich Frühstück im Bett mit mitgenommenen Lebensmitteln und verbrachten danach den Tag abwechselnd an Deck in der Sonne, im Bistrobereich, wo man aber nichts verzehren musste und der gemütliche Sessel hatte und dann mal wieder in unserer Kabine. Wir hatten genug zu essen und trinken mit, dass wir auch zum Mittag und zum Kaffee ausreichend verpflegt waren. Das Schiff war nicht sehr groß und gerade mal zwei Jahre alt. Es musste für ein altes einspringen, das einen technischen Fehler hatte. Gut, dass man den vor der Fahrt gemerkt hatte! Gegen 18:00 kamen wir in Kiel an, nachdem wir eine lange Zeit schon die Aussicht auf die Landschaft um die Kieler Förde hatten genießen können. Es dauerte dann eine ganze Weile, bis wir von der Fähre und aus dem Hafen waren, aber danach kamen wir gut durch, sogar durch Hamburg. Da wir extra einen Tag früher zurückgefahren waren, konnten wir uns nun eine Zwischenübernachtung in unserer alten Heimat Bispingen erlauben. Wir standen wie schon einmal auf dem Parkplatz des Luhebades, der inzwischen offiziell für 24 Std Aufenthalt erlaubt ist und wir waren bei weitem nicht die einzigen Camper. Es standen noch 6 andere hier. Am kommenden Tag fand dann unsere schöne Tour unweigerlich ein Ende. Dann hieß es wieder: Massen von Wäsche waschen, Womi reinigen, Post abarbeiten…bis es dann irgendwann wieder losgeht;)
Unsere zweite, gemeinsame, dreimonatige Interrailreise starteten wir mit einem Servasbesuch in Salzburg. Wir fuhren daher von Stefans Mutter in Zorneding aus mit dem Bayernticket nach Salzburg, um unser Interrailticket noch zwei Tage länger nutzen zu können und die Outboundfahrt aufzusparen. Man darf bei Interrail nur einmal in Deutschland fahren, um das Land zu verlassen, und einmal, um wieder nach Hause zu kommen. Darüber hinaus ist es nur in den meisten Ländern des europäischen Auslands gültig.
Mittwoch, 22.3.23 Salzburg/ Österreich Wir kamen gut in Salzburg an und hatten eine nette Servas Gastgeberin, mit der wir uns bis spät abends interessant über Politik, Reisen, Gendern, Coronagegner und Impfschäden ausgetauscht. Sie Sie war leider ein Opfer davon, allerdings bereits vor der Coronaimpfung. Sie bot uns an, falls wir auf unserem Rückweg nochmals durch Salzburg führen, wieder zu ihr zu kommen. Wir scheinen ja ganz angenehme Gäste zu sein, was uns freut Ich hatte jedoch ein großes Problem seit wir in Österreich waren, ich kam nicht mehr ins Netz mit meinem Handy, obwohl Roaming eingeschaltet und es auch in meinem Vertrag enthalten war. Weder mobile Daten noch Telefon griffen auf das österreichische Netz zu, d.h. wir mussten am nächsten Morgen versuchen, bei einem Telefonladen Hilfe zu bekommen und ggf nochmal über die Grenze fahren, um einen Freenetladen zu finden. Nur mit WLAN war es zu kompliziert, per Interrail unterwegs sein.
Donnerstag, 23.3.23 Salzburg Gerettet! Beim zweiten Telefonladen konnte man mir helfen. Es war aber auch äußerst dubios: meine Sim- Karte funktionierte in Stefans Handy und meine in seinem, in meinem war sie jedoch tot! Die Mitarbeiterin hat irgendwas auf ihrem Laptop eingetippt, bei mir erschien, dass ich meine Netzwerkeinstellungen zurücksetzen und neu starten sollte und dann war ich drin. Gott sei Dank, denn mit meinem Interrailpass auf dem Handy hätte ich bei den sporadischen W-Lan Verbindungen ein echtes Problem bekommen. Nachdem das Problem gelöst war, machten wir uns auf den Weg durch die Stadt über die Imbergstiege auf den Kapuzinerberg. Es waren einige Stufen zu erklimmen, aber wir kamen über den „Stefan Zweig Weg“ zu einigen Aussichtspunkten, von wo wir einen schönen Blick auf Salzburg mit seinen vielen ansehnlichen Kirchtürmen und Schlössern genießen konnten. Bei 20?C und Sonne fragten wir uns nicht zum ersten Mal seit unserer Abfahrt aus Bad Harzburg, warum wir eigentlich überhaupt warme Sachen eingepackt hatten. Vielleicht würden wir den Grund ja am kommenden Wochenende wissen, wenn es nochmal kalt werden sollte. Ich hätte es schon nett gefunden, wenn sich meine jährliche Prophezeiung, dass es an meinem Geburtstag immer schneit, nicht erfüllen würde.
Freitag, 24.3.23 Fahrt über Attlang- Puchheim, Hallstatt Bahnhof, Stainach-Irdning nach Graz
Heute war unser erster richtiger Interrailtag, d.h. heute aktivierten wir unseren zweiten 1. Klasse – Interrailpass, den wir im Vorjahr für den halben Preis zum 50-jährigen Interrailgeburtstag erworben hatten. Wir fuhren eine schöne Strecke entlang an Seen und hohen Bergen nach Graz. Vor der Fahrt genossen wir den Luxus der First Class Lounge mit heißem Kakao und Snack. Im ersten Zug wurde uns klargemacht, dass wir mit der West-Bahn, die privat ist, mit unserem 1. Klasse Ticket nur in der zweiten fahren dürften. Die sah aber nicht viel anders aus, außer dass es dort kein kostenloses Wasser zu trinken gab. In Hallstatt fuhren wir nicht wie geplant mit der Fähre zum Ort über den Hallstätter See, wie eine ganze Anzahl vornehmlich asiatischer Touristen, sondern wanderten entlang des Sees bis zum nächsten Bahnhof in Obertraun, was wir ganz nett und vor allem sicherer fanden, um unseren weiteren Zug zu bekommen. In Obertraun begaben wir uns in einen sogenannten Supermarkt. Die Regale waren größtenteils nahezu leer, dafür waren die Preise einfach unglaublich. Ein normales Fladenbrot für ca. 5€, ein anderes kleines Brot 6€, kleine Limo ca. 2,5€ etc. Die Preise übertrafen noch locker japanische. Wir haben uns daraufhin ein 500 ml Glas Apfelmus für 2,30€ gemeinsam geleistet. Auf dem Weg zum Bahnhof fing es an zu regnen, also hatten die Rucksackhüllen heute bereits ihren ersten Einsatz. Das letzte Wegstück durften wir komfortabel in der 1. Klasse eines Eurocitys nach Graz verbringen. Unterwegs fuhren wir durch einen wunderschönen und riesigen Regenbogen, der linkerhand in den Bergen begann und rechterhand endete. In Graz fanden wir ohne Probleme unser Appartement und kauften noch beim Billa für das Abendessen ein. Man musste teuflisch aufpassen mit den Preisen. Die, die am Regal waren, stimmten fast nie mit denen auf der Verpackung überein. Am Vortag z.B. stand am Regal für eine Packung mit zwei Teilchen 3,20€, nachher stellte sich raus, dass das der Stückpreis für eines ist. Man konnte aber nur zwei zusammen kaufen! Sehr verwirrend und ärgerlich, was auch unsere Gastgeberin schon festgestellt hatte
Samstag, 25.3.23 Graz
Heute erkundeten wir Graz zu Fuß und kamen natürlich wieder nicht an Second Hand Läden vorbei, ohne etwas zu kaufen. Wir wurden jeder um ein dünnes Shirt und eine leichte kurze Hose reicher. So durfte es natürlich nicht weitergehen, sonst kämen wir in drei Monaten wie Packesel nach Hause. Wir gingen auf Entdeckungstour durch die Altstadt, fanden ein nettes Restaurant für das Abendessen am kommenden Tag, um meinen Geburtstag würdig abschließen zu können und buchten gleich Plätze Dann wanderten wir auf den Schlossberg und bestaunten „Kunst in der Landschaft“ beim Joanneumsviertel. Insgesamt wanderten wir um die 12 km und hatten bis auf ganz wenige Tropfen den ganzen Tag schönes Wetter.
Sonntag, 26.3.23 Mein 61.Geburtstag Der Tag begann etwas durchwachsen. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof, um unsere Semmering Tour zu unternehmen. Als wir ankamen, hatte unser erster Zug bereits gut 30 Minuten Verspätung. War das schon ein Vorbote des Streiks in Deutschland? Wie auch immer, wir wagten es nicht, eine spätere Variante zu wählen, da wir befürchteten, abends nicht mehr oder zumindest nicht mehr früh genug für unseren Restaurantbesuch wieder in Graz zu sein. Die Umsteigezeiten waren zu knapp, nicht viele Züge am Sonntag unterwegs, es war zu gewagt. Schnell planten wir um und wählten unser alternatives Tagesprogramm: wir fuhren mit der Straßenbahn in Richtung Rettenbachklamm. Wir wanderten durch die unspektakuläre aber ganz nette kleine Klamm und da das nach einer guten 1/2 Std erledigt war, folgten wir dem Wanderweg zur Stephanienwarte. Unterwegs haderte ich etwas mit unserer Entscheidung, weil es nur noch bergauf ging, aber der Blick von oben über Graz bis zu den schneebedeckten Bergen war die Belohnung. Wir entschieden uns, Richtung Botanischem Garten abzusteigen und uns dort noch umzugucken. Als wir nach ein paar steilen Kilometern bergab dort ankamen, hatten die Gewächshäuser gerade geschlossen. Da uns das Außengelände nicht sehr attraktiv erschien, machten wir uns auf die Suche nach einem Café, einem von mir gewählten „must do“ an meinem Geburtstag. Auch wenn laut Internet angeblich fast alle Cafés in der Umgebung geschlossen hatten, fanden wir im Univiertel recht schnell eines und ließen uns Kuchen und einen „Gestreckten“ bei gutem Wetter draußen schmecken. Ein Gestreckter ist ein verdünnter Espresso, den wir uns noch ein weiteres Mal verdünnen ließen, weil er so stark war. Danach begaben wir uns zu einer ausgedehnten Pause in unser Apartment. Wir hatten immerhin seit morgens ca. 13 km hinter uns gebracht. Als wir uns abends dann auf den Weg zum asiatischen Restaurant Koko machten, begann es zu regnen und meine feine neue Regenjacke kam in Einsatz. Das „All you can eat“ Royal Buffet, war seinen Namen und Preis wert. Sushi, asiatische Suppen und Gemüse, Fisch, Garnelen, Salate und eine große Auswahl an Desserts boten für jeden von uns etwas und wir kamen satt und zufrieden wieder nach Hause. Bald war nun mein Geburtstag schon wieder vorbei, da man mir unfairer Weise mal wieder eine Stunde durch die Umstellung auf Sommerzeit klaute. Am kommenden Tag sollte unsere Reise weiter nach Maribor in Slowenien gehen.
Montag, 27.3.23 Maribor/ Slowenien Wir erreichten unser nächstes Ziel und damit auch Land, wir waren in Maribor in Slowenien. Auf unserer Wohnmobiltour nach Albanien hatten wir hier zwar schon Mal einen Zwischenstopp eingelegt, aber waren damals nur an der Drau entlang gewandert und hatten etwas gegessen. Nun bezogen wir ein nettes Zimmer mit Küchenzeile und Bad mitten in der Fußgängerzone und durchschlenderten zu Fuß die Altstadt mit Theater, Uni und anderen historischen Gebäuden. Der osteuropäische Einschlag war sowohl sprachlich als auch bei den Gebäuden deutlich zu bemerken. Es gab mehr Verfall als in Österreich, dafür hatten wir dort, besonders in Salzburg, erschreckend viele bettelnde Obdachlose überall in der Innenstadt gesehen. Die Preise für Lebensmittel bzw. in Cafés waren hier fast ebenso hoch wie in Österreich, nur Kaffee war ab 1,70€ zu bekommen, der in Österreich mindestens 3,50€ kostete. Bei Torte oder Teilchen schlugen sie in beiden Ländern ordentlich zu, unter 4€ war kaum was zu bekommen. Für unsere Unterkunft zahlten wir aber deutlich weniger als in Graz, sie war allerdings auch kleiner.
Dienstag, 28.3.23 Maribor Am Morgen wachten wir bei sonnigem, aber kalten Wetter auf. In der Sonne konnte man es bei ca. 6-8? gut aushalten, aber sobald es etwas windig wurde, zog die Kälte durch alle Ritzen der Kleidung. Wir nutzten das gute Wetter für eine Wanderung durch den sogenannten Stadtpark, der aber riesig und mit einem Wanderweg durchzogen war. Vorbei an einem See und einem Springbrunnen ging es bergauf durch Wald zur Kalvarija Kirche. Sie wurde nach der Pest den Schutzheiligen gebaut aus Dank, verschont geblieben zu sein und dass das Leiden ein Ende gefunden hatte. Von der Kirche aus hatten wir einen herrlichen Blick über Maribor, die Weinberge ringsum und bis zu den schneebedeckten Spitzen der Alpen. Wir wanderten bergab zum Ort Kamnica und weiter zur Drau, dem Fluss durch Maribor. Den Weg entlang der Drau waren wir bereits 2018 gewandert, als wir mit dem Wohnmobil nach Albanien unterwegs waren. Wir fanden dasselbe Restaurant wieder, das Gasthaus Koblarjev, in dem wir damals gut gegessen hatten und genossen fantastische Palatschinken dort. Das tolle bei diesem Restaurant war, dass man dort mit Womit kostenlos übernachten konnte, es Strom und Wasser gab und man nur angehalten wurde, etwas dort zu verzehren. Dieses Mal brauchten wir den Womiplatz nicht, aber das gute Essen haben wir uns trotzdem erlaubt. Gestärkt wanderten wir zurück nach Maribor zu unserer Unterkunft und machten es uns gemütlich. Wir stellten fest, dass wir fast einen Tag zu früh am kommenden Morgen abgereist wären, man, waren wir trottelig …oder doch schon alt???
Mittwoch, 29.3.23 Ausflug Semmering von Maribor
Wir nahmen es doch noch in Angriff, mit der Semmeringbahn zu fahren. Die als Welterbe anerkannte Strecke ist Teil der Verbindung Wien – Adria und führt über den Semmering Pass. Am Morgen war es in Maribor recht kalt und nebelig, aber trocken. In Österreich schneite es auf der Südseite der Alpen, während auf der Nordseite keinerlei Schnee mehr zu sehen war. Die Strecke von Muerzuschlag nach Payerbach -Reichenau über Semmering war schön, aber bei weitem nicht so spektakulär wie unsere Touren in der Schweiz oder im schottischen Hochland im Jahr zuvor. Ich muss natürlich zugeben, dass vor allem in der Schweiz das Wetter viel besser mitgespielt hat. Wenn alles grau in grau ist, sehen Berge und Täler eben nicht so toll aus, aber die Architektur der Strecke mit Brücken und Tunneln war in der Schweiz deutlich spektakulärer. Weil das Wetter nicht doll war und wir, als wir in Payerbach -Reichenau ankamen, den Semmering Pass bereits hinter uns hatten, fuhren wir das letzte Stück über Gloggnitz nach Wien-Neustadt nicht mehr, sondern auf demselben Weg zurück, wie wir gekommen waren. In Graz erfreuten wir uns beim Umstieg noch für ein halbes Stündchen an den Annehmlichkeiten der Lounge und erreichten am frühen Abend wieder Maribor. Hier schien inzwischen wieder die Sonne und es war viel wärmer geworden. Stefan wollte noch zur Piramida, einer weiteren Kapelle in dem Stadtpark, in dem wir Vortags schon waren. Ich hatte nicht recht Lust, wollte aber auch nichts verpassen. Ich hatte gehofft, dass sie nicht so hoch gelegen sein würde, obwohl ich wusste, dass es auch ein Aussichtspunkt ist. Auf den letzten Metern habe ich aufgegeben. Es wurde mir einfach zu steil und meine Knie taten mir schon bei dem Gedanken weh, dort wieder runter laufen zu müssen, also setzte ich mich schnaufend auf die Bank im Weinberg und ließ Stefan die letzten 200 m alleine hochkraxeln. Als er wieder da war, gingen wir über einen viel flacheren Weg als beim Aufstieg durch den Wald zurück zu unserem Apartment. Es hatte eine wirklich ideale Lage mitten in der Fußgängerzone. Stefan kaufte noch ein paar Lebensmittel fürs Abendessen und die morgige Fahrt nach Rijeka und wir genossen unsere Spaghetti und hörten dabei ein Hörspiel.
Donnerstag, 30.3.23 Rijeka/Kroatien Den Tag verbrachten wir zwischen ca. 11:30 Uhr – ca. 18:30 Uhr in zwei Zügen, die uns einmal fast quer durch Slowenien bis nach Rijeka in Kroatien ans Mittelmeer brachten. Am einzigen Umsteigebahnhof in Plivka, kurz vor der Grenze, fing es an zu regnen. Wir wollten dennoch nicht eine ganze Stunde in dem langweiligen Bahnhof sitzen und gingen Richtung Ort, der aber nicht minder öde erschien. Es sollte hier wohl irgendwo interessante Höhlen geben, aber das half uns nun auch nicht weiter. Unser zweiter Zug hatte in der 1. Klasse 6 er Abteile mit gemütlichen Stoffsitzen, wie man es eigentlich nur noch selten findet. In so einem Abteil würden wir es auch mal eine Nacht aushalten, vorausgesetzt wir hätten es für uns alleine. Man wusste aber nie, welche Art Zug man zu erwarten hatte und schon gar nicht, wie voll er würde. Wir kamen gegen 19:00 Uhr bei unserer Ferienwohnung an. Sie war groß, hatte Schlaf-, Wohnzimmer, Küche und Bad und sogar einen kleinen Balkon. Wir wollten hier eine Woche bleiben und das konnten wir uns gut vorstellen. Nur die Lage war nicht so zentral, wie es auf den ersten Blick schien, aber wir planten auch, uns für 4 Tage ein Auto zu mieten, um auf die Insel Krk und in die Umgebung zu kommen, da machte das dann nicht so viel aus.
Freitag, 31.3.2023 Rijeka Das schöne Wetter hatte uns verlassen. Wir liefen dennoch eine Runde zu Fuß durch die Innenstadt, bis zu der es schon allein 2 km zu laufen war. Sah es erst so aus, als würde das Wetter noch etwas halten, begann es ein paar Meter nach der Haustür bereits zu regnen. Bestückt mit Regenjacke und Schirm boten wir dem Regen Paroli. Die Strecke bis zur Altstadt ging an einer Hauptverkehrsstraße vorbei, was dem Eindruck der Stadt nicht gerade zum Guten verholfen hat. Rijeka war eine typische Hafenstadt, in der wir bisher nur in der Altstadt mit Fußgängerzone ein paar prächtige Gebäude und einen Markt gesehen hatten. Es gab haufenweise verfallene Gebäude unterwegs. Im Yachthafen lagen die größten und protzigsten Yachten, die ich je gesehen habe. Sie waren gleich mehrstöckig und gehörten Deutschen, Maltesern und irgendeinem Besitzer eines Commonwealth Landes. Ich habe mich gefragt, wie oft die wirklich aufs offene Meer hinaus fahren. Wahrscheinlich werden sie nur von Bediensteten in Schuss gehalten, um auf der nächsten Party des Besitzers zu strahlen und zum Bestaunen durch Vorbeigehende wie wir. Wir wollten eigentlich beim Bahnhof noch eine Reservierung für unsere übernächste geplante Zugfahrt nach Sibelnik am 8.4. machen, aber die Frau am Schalter verstand uns nicht richtig. Sie berichtete uns mit Händen und Füßen von Zügen, die nicht führen, aber auf der aktuellen Seite der Bahngesellschaft gab es unsere Verbindung, also waren wir noch guter Hoffnung, dass alles klappte. Wäre doof gewesen, wenn nicht, denn wir hatten schon Unterkünfte gebucht, weil wir Angst vor Engpässen über Ostern hatten. Nachdem wir uns ein leckeres Langos geteilt hatten, stiefelten wir im Regen wieder unseren Hügel zur Unterkunft hoch und machten einen faulen Tag Zuhause. Wenn alles grau in grau ist, hat auch das Mittelmeer keine Anziehungskraft, aber Rijeka hatte ja noch die Chance, uns in den nächsten Tagen noch positiv zu überraschen. Für den nächsten Tag planten wir einen Kurztrip mit dem Zug nach Matuli, ca. 15 Min Zugfahrt nördlich an der Küste entlang. Es sollte tagsüber für ein paar Stunden aufklaren, also hofften wir das Beste.
Samstag, 1.4.23 Rijeka – Ausflug Opatja Wieviel schöner kann die Welt sein, wenn die Sonne scheint? ?? An diesem Morgen erwachten wir bei tollem Wetter, nachdem es die letzte Nacht gewittert hatte. Genau dieses Wetter hatten wir uns für unseren Ausflug gewünscht. Wir fuhren eine Viertelstunde mit dem Zug entlang der Küste nach Norden zum Bahnhof Matuli. Ein hübsches Bahnhofsgebäude erwartete uns und besonders rundherum sah es wirklich nett aus. Ein kleiner Garten, wie man sich ein Bahnwärtergärtchen vorstellen kann, an dem entlang ein Fußweg Richtung Ort führte. Wir gingen immer bergab Richtung Meer und mir wurde es schon heiß und kalt bei dem Gedanken, dass ich abends die 19% Steigung, die ich gerade als Gefälle hinunterlief, wieder hoch musste. Am Wasser angelangt, genossen wir den herrlichen Blick über die Bucht bei einer Tasse Kaffee, bevor wir den wunderschönen Promenadenweg entlang des Wassers nach Opatja wanderten. Er ist mit dicken Steinen gepflastert und es befanden sich die schönsten Villen und Hotels entlang des Weges. Hier herrschte kein Verfall, sondern liebevoll gepflegte Pracht. Bereits im 19. Jahrhundert war die Kvarner Bucht bereits ein Ziel für Badegäste. Unterwegs klärte ein Schild über “ Drazica“ die kleine Meeresbucht von Draga, über eine der ersten Süßwasserquellen Opatjas, die ins Meer fließt, auf. Hier baute man einen überdachten Waschzuber, wo die Wäscherinnen, die „Lavanderke“ mühevoll die Wäsche anderer Leute wuschen und als Zubrot morgens um vier mit ihren „Brenten“, Holzgefäßen, die sie auf dem Rücken trugen, Wasser in die nahegelegene Badeanstalt für die Fässer der Duschen trugen. Welch eine Knochenarbeit! In Opatja aßen wir je ein Sandwich in einem der wenigen bezahlbaren Restaurants. Die Preise begannen ansonsten bei ca. 14€ für einen Appetizer in der Gastronomie entlang der Küste. Auf demselben netten Weg, auf dem wir gekommen waren, wanderten wir auch wieder zurück zum Bahnhof. Unterwegs fing es leider kurz vorm Ziel wieder an zu regnen, aber wir schafften es mit Regenjacken gerade noch einigermaßen trocken in die Bahnhofsgaststätte zu gelangen, wo wir unsere Wartezeit bis zur Abfahrt verbrachten. Als der Zug kam, war es schon wieder trocken und schönstes Licht. Insgesamt hatte ich abends auf meinem persönlichen Tacho 24570 Schritte. Die Wanderung schlug allein mit 12,2 km und 220 Höhenmetern zu Buche, hinzu kamen die ca. 3 km Weg zum und vom Bahnhof Rijeka zur Unterkunft. Es war ein wunderschöner Ausflug, der den Regentag zuvor wieder wett machte. Sonntag, 2.4.2023 Rijeka – Ausflug zur Insel Krk Heute waren wir zur Abwechslung mal auf 4 Rädern unterwegs. Wir hatten ein Auto gemietet, das Stefan am Morgen abgeholt hatte. Bei schönem Wetter machten wir uns auf den Weg zur Insel Krk. Unterwegs begann es zu tröpfeln, aber als wir unser erstes Ziel, den Ort Omišali erreichten, war es bereits wieder trocken. Der Ort begrüßte uns mit einem Park mit Denkmal, was laut Internet den Antifaschistischen Kämpfern des Ortes gewidmet war. Der Ort selber war klein, aber fein, mit netten engen Gässchen, hübschen Häusern mit bunten Fensterläden, einem Glockenturm und gemütlichen Plätzen. Unser nächster Stopp war Uvala ?avlena, ein wunderschöner Naturstrand mit kleiner Hütte, die wohl Anglern gehörte und Tischen und Bänken unter Bäumen zur Rast. Um hierhin zu kommen, mussten wir ein Stück von der Hauptstraße abbiegen und über eine Schotterstraße zur Küste fahren. Von hier aus ging es weiter zum Hauptort der Insel Krk mit gleichem Namen. Wie auch in Omišali stellte man das Auto vor der Altstadt ab und schlenderte dann, vorbei am kleinen Hafen, durch die mittelalterlichen Gassen. Hier war schon einiges an Besuchern unterwegs, was aber an einem Sonntag mit inzwischen sonnig-warmem Wetter auch nicht verwunderlich erschien. Die Stadt selber erschien gerade erst aus dem Winterschlaf zu erwachen. Längst noch nicht alle Restaurants, Unterkünfte und Souvenirläden hatten geöffnet, manche Besitzer konnte man beim Frühjahrsputz beobachten und sich vorstellen, dass zu Ostern, in einer Woche, hier sicher viel mehr Trubel sein würde. Die Altstadt war sehr hübsch, hatte auch ein Kastel und ebenfalls viele kleine Gassen. Uns trieb aber der Hunger und die Restaurantpreise waren uns zu hoch, also kauften wir uns bei Lidl etwas für ein Picknick, das wir an einer netten Bucht mit Strandbad und Restauration, die aber noch nicht geöffnet hatte, verzehrten. Wir konnten problemlos die Bänke und Tische im Schatten der Pinien nutzen. Auf der Weiterfahrt wurde es gebirgig und an der Straße standen sogar Schilder mit Schneeketten. Die brauchten wir zum Glück nicht, aber in der Ferne konnten wir noch Bergspitzen mit Schneeresten entdecken. Von einer Kirche mit Friedhof aus, neben der Ruine des Kastels Baska, hatten wir einen traumhaften Blick über die blauen Buchten zu den Inseln und Bergen auf dem Festland. Es war atemberaubend! Auf dem Weg dorthin lernten wir am Straßenrand den ersten Buchstaben des glagolitischen, des ältesten slawischen Alphabets, das A. Unterwegs begegneten uns noch weitere Buchstaben dieser Schrift aus Stein gehauen am Wegesrand. Letzter Stopp der Inselrundfahrt war in Vrbnik. Der kleine Ort gefiel uns fast noch besser als Krk. Es gab die schmalste „Straße“der Welt mit gerade mal 45cm zu sehen, viele kleine Gassen und tolle Ausblicke. Mir hat der Süd-östliche Teil der Insel aufgrund seiner Berge und phänomenaler Ausblicke besser gefallen als der Nord-Westen. Der Ausflug war super schön und hat sich gelohnt, was wir auch dem Wetter zu verdanken hatten, das zwar zwischenzeitlich schwächelte, aber immer, wenn wir ausstiegen, wieder gut wurde.
Montag, 3.4.2023 Rijeka – Ausflug Nationalpark Risnjak Auch heute machten wir einen Ausflug mit dem Mietwagen. Wir fuhren zum Nationalpark Risnjak. Der Nationalpark ist eine natürliche Verbindung zwischen den Alpen und dem Balkangebirge und eine Wetterscheide zwischen der kroatischen Küste und dem Inland. Letztere haben wir heute deutlich gemerkt. Auf der Küstenseite schien die Sonne, aber es war starker Wind, als wir über den Scheitel waren, wurde es bewölkt, aber es war fast windstill. Die Temperaturen waren bereits morgens in Rijeka ziemlich niedrig, so um die 8? und sie fielen im Nationalpark nochmals um ca. 5?. Der Name Risnjak bezieht sich auf einen Bewohner des Parks, nämlich den Luchs (Ris in kroatisch). Außerdem lebten hier Bären, Wölfe, Wildschweine, Gämsen, Hirsche und zahlreiche Vogelarten inkl. Adler. Der mit 1528 m höchste Berg Veliki Risnjak bietet einen Ausblick zum Mittelmeer und auf die Berge Sloweniens, an deren Grenze der Park verläuft. Den Risnjak haben wir natürlich nicht bestiegen, aber wir sind an zwei Stellen gewandert. Als erstes die Wölferunde bei Bela Vodica, bei der wir zwar keine Wölfe gesehen haben, aber viel Wald mit einigem an Windbruch. Die Baumreste, Stümpfe und herumliegenden Äste waren alle schon mit Moosen und Farnen bewachsen und begrünt und boten Lebensraum für Insekten und kleineres Getier. Nach dieser knapp 5 km langen Runde fuhren wir zu einer weiteren Stelle nach Razloge, um zur Quelle Izvor Kupe zu wandern. Da die Straße bereits ca. 2 km vor dem Beginn des eigentlichen Parkplatzes gesperrt war, musste ich lange überlegen, ob ich die Tour wagen sollte. In Rezensionen bei Google wurde immer wieder erwähnt, wie anstrengend und z.T. steil der Weg zur Quelle, aber wie schön es wiederum auch am Ziel sei. Stefan markierte das vermeintliche Ziel bei Komoot und es stellte sich heraus, dass das steilste Stück eigentlich die restliche Straßenstrecke bis zum Beginn des Wanderwegs würde und zwar zuerst bergab und auf dem Rückweg bergauf mit bis zu 14% Steigung. Ich kämpfte mit mir, die türkisblaue Quelle wollte ich schon gerne sehen. Wir wanderten los und die Beschreibung von Komoot und die Wegweiser passten ganz gut, bis wir den Fluss Kupa überquert hatten. Ich hatte zuvor ein Schild 1 Std. bis zur Quelle gesehen, nun waren es ca. 10 Min später plötzlich 1Std.15 und Komoot führte uns in eine andere Richtung als das Schild??. Stefan überprüfte nochmal die Richtung auf Komoot, aber sie schien richtig und wir folgten den Anweisungen ca. weitere 500 m bergauf, bis Stefan plötzlich ins Grübeln kam, ob das Ziel, das er bei Komoot eingegeben hatte, auch wirklich die Quelle war. Es stellte sich heraus, dass dem nicht so war. Ich war nicht gerade begeistert davon, nun auch noch 1 km umsonst gelaufen zu sein bei einer Wanderung, die mich wohl eh an meine Grenzen bringen würde. Wir gingen zurück zum Schild an der Brücke und ich überschlug, was uns an Zeit zum Ziel und zurück zum Auto noch in etwa bevorstand und entschied, dass mir ca. 2,5 bis 3 Std weitere Wanderung mit unabsehbarer Schwierigkeit, da wir Komoot nicht auf die richtige Strecke umstellen konnten, und dem Wissen, dass ich zum Schluss noch die steile Straße gehen musste, zu viel waren. Ich war ziemlich frustriert über meine begrenzte körperliche Verfassung und dass ich mich immer wieder dazu hinreißen ließ, es doch zu probieren und dann scheiterte, wie auch auf Stefan, der nicht aufgepasst hatte, was er bei Komoot eingegeben hatte. Letztlich entschieden wir, dass er zügig alleine zur Quelle gehen und ich mich langsam auf den Rückweg zum Auto machen sollte. Erst unterwegs fiel mir ein, dass es ja Wölfe, Luchse und Braunbären hier gab und ich sogar Essen im Rucksack bei mir hatte. Es schauderte mich etwas, aber wirklich befürchtet habe ich eigentlich keine Begegnung. Wenn, dann hätte ich zum Lebensende noch ein aufregendes Erlebnis zu verzeichnen gehabt, aber wie erwartet passierte nichts. Als ich am Auto ankam, musste ich nur ca. 30 Minuten warten, bis Stefan auch ankam. Auch er hatte es nicht bis zur Quelle geschafft, weil nach ca. 3/4 des Weges die Brücke über die Kupa zusammengebrochen war und es kein Überquerungsmöglichkeit gab. So musste auch er umkehren, ohne das Ziel erreicht zu haben. Die Landschaft mit dem tosenden Fluss und den Bergen und Wäldern war aber auch so sehenswert. Wir machten uns auf den Rückweg zum Appartement und kauften noch etwas zum Essen ein. Am kommenden Tag stand eine Unterbrechung unserer Reise bevor, weil wir zurück nach München fahren mussten, um unsere Tochter zu einer OP zu begleiten.
Dienstag, 4.4.2023 Rijeka -Zorneding Die Unterbrechung unserer Interrailtour, um unserer Tochter zur Seite zu stehen, führte Mal wieder zu einem Bahnerlebnis ganz besonderer Güte??. Das frühzeitige Abgeben unseres Mietwagens klappte ohne Probleme und wir genossen noch einmal ein Langos zusammen beim Imbiss, in dem wir zuvor schon einmal waren. Wir waren rechtzeitig beim Bahnhof, um dort gesagt zu bekommen, dass der Zug nach Ljubljana nicht fahren könnte wegen Arbeiten am Schienennetz in Slowenien und deshalb ein Bus als Schienenersatzverkehr eingesetzt würde. Man beruhigte uns bzgl. unserer weiteren Verbindung damit, dass, der Bus schneller als der Zug ankäme, weil er weniger Stopps einlegte. Das erwies sich schnell als großer Blödsinn und noch dazu ließ man uns in Plivka dann doch in den eigentlichen Zug einsteigen, mit ca. 30 Minuten Verspätung. Das Vergnügen der 1 Klasse war auch hier nicht gegeben. Wir erreichten dann doch noch unseren Anschluss in Ljubljana, da der Zug auch zu spät war. Nun hatten wir ein 1.-Klasse Abteil und die Landschaft war nett, bis auf der Strecke kurz vor unserem Ziel Villach plötzlich gar nichts mehr ging. Ein Stromausfall auf der ganzen Strecke – Ende nicht absehbar. Irgendwann setzte der Zug sich dann wieder in Bewegung und kam mit erheblicher Verspätung in Villach an. Es erfolgte keinerlei Durchsage, weder im Zug noch im Bahnhof, welche Anschlüsse nun möglich wären, dabei waren wir bei weitem nicht die Einzigen, die noch bis Deutschland kommen wollten. Im Reisezentrum bemühte sich eine einzelne Mitarbeiterin, die lange Schlange der Hilfesuchenden abzuarbeiten. Wie wir uns schon gedacht hatten, mussten wir statt um 17:08 zu fahren, nun bis 19:16 warten. Unsere Hoffnung auf eine 1.-Klasse Lounge mit gutem Kaffee zerschlug sich schnell, denn im Bahnhof gab es nur ein „Backwerk“, das bereits um 18:00 seine Türen geschlossen hatte und ansonsten außer der Reiseinfo, einem winzigen Warteraum und den Toiletten nur noch eine Zahnklinik statt irgendwelcher Geschäfte. Da das Café gegenüber eher eine Saufkneipe war, holten wir uns kalten Kaffee bei Billa und aßen draußen auf der Bank in der Sonne unsere Brote. Dort wurde es schnell kalt, weil die Temperaturen in den letzten Tagen merklich gefallen waren. Pünktlich ging es weiter nach Salzburg und dieses Mal hatten wir echt Glück, das 1.-Klasse Ticket zu haben, denn in der 2. Klasse standen die Leute schon. Endlich konnten wir auch unsere Handys wieder aufladen und mussten nicht befürchten, irgendwann unsere Tickets nicht mehr vorzeigen zu können. In Salzburg schafften wir es, obwohl wir nur knapp 30 Minuten Umstiegszeit hatten, in der Lounge noch einen heißen Kakao und einen Snack zu genießen. Wieder etwas mit der Welt versöhnt, fuhren wir das letzte Stück nach Grafing und von dort mit der S-Bahn nach Zorneding per Bayern-Ticket in der zweiten Klasse. Unsere zwei Fahrten In-bound/ out- bound Deutschland im Interrail Ticket wollten wir für das kurze Stück Salzburg – Zorneding nicht verschleudern. Gegen 1:00 nachts standen wir endlich bei Stefans Mutter vor der Tür und fielen nur noch todmüde ins Bett.
Samstag, 8.4.23 Zagreb Nach langer, aber angenehmer Fahrt ab Zorneding erreichten wir gegen 20:45 Zagreb. Ausnahmsweise waren alle Züge pünktlich und es hat sich wirklich gelohnt, ein 1.Klasse Ticket zu haben. Nicht nur, dass wir in unserer Stamm-Lounge in Salzburg unsere Wartezeit sehr angenehm verbringen knnten, wir hatten auch ein gutes 1.Klasse Abteil im EC von Salzburg bis Zagreb, was wir umso mehr schätzten, weil die 2.Klasse überfüllt war. Bei einer Fahrt von 6,5 Std ist das schon sehr schön, einen angenehmen Platz in einem Viererabteil zu dritt zu haben, am Fenster mit Tisch, Strom und verstellbaren Sitzen die Fahrt genießen zu können. In Salzburg kauften wir uns noch schnell ein paar Lebensmittel ein, falls die Kroaten es mit den Feiertagen sehr ernst nehmen würden. In Zagreb fanden wir unser Apartment ohne Probleme in ca. 10 Minuten Fußweg vom Bahnhof, also wirklich in angenehmer Nähe. Es war ein recht kleines Zimmer mit Küchennische, wo wir erstmal lernen mussten, uns nicht auf die Füße zu treten, aber es war ja nur für 2 Nächte.
Sonntag, 9.4.2023 Zagreb Ostersonntag in Kroatien. Stefan lief heute Morgen seinen monatlichen Halbmarathon, sodass ich genug Zeit hatte, zu duschen und mich bei Duolingo aus der Abstiegszone herauszuarbeiten. Noch hatte ich die Hoffnung auf ein Osterfrühstück, das seinen Namen verdiente, aber Stefans Erkenntnisse nach seiner Joggingtour sprachen dagegen. Es gab keine offenen Geschäfte, noch nicht einmal im Bahnhof, also begnügten wir uns mit Brot, Marmelade, Haferflocken, Preiselbeeren aus dem Glas, Brie und Kaffee. Kein Osterei zum Osterfrühstück ?????. Danach begaben wir uns zum Bahnhof, um endlich unsere Reservierung für unseren Zug am Folgetag um 7:00 zu bekommen. Statt 1€, wie im Interrailticket angegeben, bezahlten wir nichts dafür. Wie sinnlos ist es, dafür jemanden am Schalter sitzen zu lassen? Nun ja, uns sollte recht sein. Danach schlenderten wir durch die Stadt, die viele prachtvolle Gebäude hatte, aber leider auch sehr viele davon eingerüstet, darunter auch die beeindruckende Kathedrale. Auffallend waren die vielen Bronzeskulpturen überall in der Stadt. Außerdem hatte auch Zagreb, wie viele osteuropäische Städte, nette Parks mit Springbrunnen und Blumenschmuck. An diesem Tag waren letztere, wohl aufgrund der Ostertage, besonders nett in Form von Blumenkübeln überall zu bewundern. Das zog auch die Touristen an, um davor für Selfies zu posieren. Zagreb schien ein beliebtes Ziel für Asiaten zu sein, die vielerorts in Grüppchen auftauchten. Den Nachmittag verbrachten wir gemütlich in unserem Apartment. Als unsere Sehnsucht nach etwas Süßem mit einer Tasse Kaffee zu groß wurde, machte sich Stefan noch einmal auf die Suche nach einem Café und brachte zwei Stücke sündhaft teure Torte zu je 4,50€ mit. Ich muss zugeben, sie waren auch wirklich sehr lecker. Danach planten wir unsere Weiterreise zu unserem nächsten Ziel und tippten uns die Finger wund auf der Suche nach Verbindungen per Bus nach Albanien oder Serbien. Inzwischen hatten auch wir begriffen, dass wir mit dem Zug da keinerlei Chancen haben würden. Letzte Verbindungen nach Serbien gab es 2016. Auch nach Montenegro läuft jetzt, im Jahre 2023 nichts in dieser Richtung und in Kroatien endet der Zugverkehr in Split. Unglaublich, dass selbst eine Stadt wie Dubrovnik keine Anbindung ans Schienennetz hat und da stöhnen wir in Deutschland schon über unsere Verknappung von Bahnhöfen? Der Balkan setzt auf Fernbusse, aber wie ich es schon bei uns festgestellt hatte, fuhren sie auch hier teils zu unmöglichen Zeiten bzw. kamen um diese an und fuhren auch nicht unbedingt dorthin, wohin man sie brauchte. So richtig klug wurden wir trotz ausgiebiger Recherche noch immer nicht. Wir entschieden uns erstmal dafür, noch ein paar Tage von Sibelnik nach Knin zu fahren und wieder mit Mietwagen die Natur zu erkunden. Dafür ging es am folgenden Morgen mit 10-stündiger Fahrt inkl. Umstieg nach Sibelnik nördlich von Split. Wir durften zum Glück unser Apartment dort umbuchen, als wir wegen unserem kurzen Notaufenthalt in Deutschland absagen mussten.
Montag, 10.4.2023 Zagreb – Šibenik Heute ging es bei uns früh los. Als um 6:15 Uhr der Wecker ging, riss er mich aus dem Tiefschlaf, aber es half nichts, um 7:03 ging unser Zug, für den wir uns so mühevoll die Reservierung geholt hatten, weil wir sie weder in Deutschland noch in Österreich bekommen hatten. 5 Std 45 dauerte die Fahrt bis Perkovic, wo sich die Strecke teilte in Split und Šibenik. Perkovic war ein gottverlassenes Kaff im Inland mit einer Hand voll Häusern einen Kilometer links vom Bahnhof und ungefähr genauso vielen zur rechten Seite, dazu ein paar Ziegen, ein paar Hunde, ansonsten Büsche und steinige Landschaft. Hier hatten wir 3Std.48 Aufenthalt. Der Bahnhof bestand nur aus Bahnwärterbüro, Toilette und einem Warteraum mit einer Bank. Nicht gerade das Highlight für so einen langen Aufenthalt. Die einzige bei Google verzeichnete Bar hatte geschlossen. Wir liefen zuerst nach links, bis wir zum vermeintlichen Ort kamen, aber da gab es absolut nichts außer einem Basketballkorb und den paar Häusern. Man hätte hier vielleicht etwas wandern können, aber mit dem ganzen Gepäck war das suboptimal, also liefen wir zurück zum Bahnhof und gingen nach rechts. Die Infrastruktur war genauso spannend wie auf der anderen Seite, bis darauf, dass es einen kleinen Laden gab, der aber natürlich am Feiertag geschlossen hatte. Erst jetzt bemerkten wir gegenüber des Bahnhofs eine weitere Bar, wo ein paar junge Leute draußen saßen. Wir bekamen zwar nichts zu essen, aber wenigstens einen Kaffee und vertrieben uns die Zeit mit Würfelspielen, bis endlich unser Zug nach Šibenik kam. Er hatte gerade mal zwei Wagen und es handelte sich um einen in die Jahre gekommenen Dieselzug mit Holzverkleidung. Am Ziel angekommen fanden wir nach ein paar Minuten problemlos unser schönes Apartment, in dem unser nettes Vermieter Pärchen uns empfing. Wir wurden sogar mit einer Flasche selbstgemachtem Olivenöl beschenkt. Da wir beide mächtigen Hunger hatten und die Sonne wunderbar schien, gingen wir gleich in die Altstadt und waren sofort begeistert. Šibenik war für uns die bisher schönste Stadt Kroatiens, da kamen Krk und die anderen Örtchen auf der gleichnamigen Insel nicht mit. Die Altstadt war ähnlich eng und verwinkelt wie ein arabischer Suk. Umgeben mit einer wuchtigen Stadtmauer, führten immer wieder Treppen und Winkel in eine weitere Gasse und zu Kirchen, heimeligen Plätzen und einer Burganlage, die über allem thront. Restaurants, Cafés, Eisläden und Geschäftchen rundeten das Bild ab, ohne, dass man gleich das Gefühl hatte, dass sie überhandnahmen. Natürlich waren heute am Ostermontag einige Touristen unterwegs, aber auch viele Einheimische. Es musste irgendein Event stattfinden, auf jeden Fall feierten an mehreren Stellen vornehmlich junge Männer mit Musik und Alkohol. Es könnte sich um einen Fußballsieg oder ähnliches gehandelt haben. Nachdem wir uns mit Pizza gestärkt hatten, konnten wir gar nicht genug davon bekommen, die Gassen und auch die Hafenpromenade bei warmem Abendlicht zu fotografieren. Nach Sonnenuntergang schlenderten wir zurück zum Apartment. Kaum waren wir dort, startete ein Feuerwerk, wobei ein Teil direkt von einem Dach bei uns gegenüber gezündet wurde. Es dauerte nicht lange, war aber sehr überraschend. Ich hielt es für den Abschluss des Osterfestes, war mir aber nicht sicher. Eines wussten wir schon sicher, an diesem Ort würden wir uns nicht sattsehen können, so schön war er??.
Dienstag, 11.4.2023, Šibenik Wir hatten ein riesiges Glück, denn auch heute war das Wetter super. Wir entschieden uns, eine Wanderung zu machen und suchten uns eine nette Strecke bei Komoot. Ein Stück war Stefan morgens schon beim Joggen in die Richtung gelaufen und hatte eine super moderne Joggingbahn mit 500 m Länge entdeckt. Diese zeigte er mir dann unterwegs auch. Es ging auf gut gezeichneten Wanderwegen den Berg hoch, durch Wald, Büsche, vorbei an einer Sendestation und alten Bunkern und immer wieder schönen Ausblicken über die Küste und die vorgelagerte Inselwelt. Es war ein etwas steiniger und steiler Weg, aber landschaftlich wunderschön. Zum Schluss kamen wir zum Denkmal für Dražen Petrovi?, einem Basketballspieler, der als einer der größten Europas und heute noch als Legende als einer der erfolgreichsten Europäer in der NBA verehrt wird. Er starb 1993 mit nur 29 Jahren. Wieder zurück in der Zivilisation, kauften wir ein, und Stefan machte in unserer Wohnung einen wunderbaren bunten Salat. Wir hatten schon seit Tagen keinen mehr gegessen und riesigen Hunger darauf. Mit gefülltem Magen erwischte mich die Müdigkeit und ich legte mich für ein Stündchen aufs Ohr. Später schlenderten Stefan und ich ein weiteres Mal durch die Altstadt, hoch zu einem Friedhof, von dem wir wieder einen tollen Ausblick hatten. Unten am Hafen beobachteten wir Ruderer, die mit enormer Geschwindigkeit vom Ruderclub aus durchs Wasser schossen. Später sahen wir ganze Fischschwärme direkt am Hafen. Es war wieder ein richtig toller Tag.
Mittwoch, 12.4.2023 Šibenik Der heutige Tag führte uns zum Wanderweg am „Kanal des heiligen Antons“ oder wie es hier hieß „Kanal sv. Ante sednica ulaz“. Wir fuhren dafür mit dem Bus bis auf die vorgelagerte Halbinsel und suchten uns dort den wunderschönen Weg entlang der Küste. Unser erster Versuch, direkt an der Küste entlangzugehen, scheiterte, weil der Weg endete. Er brachte uns aber Ausblicke auf Traumvillen der Reichen, die zum Teil aber auch touristisch vermietet wurden. Wir liefen wieder ein Stück zurück und verließen uns ab jetzt auf Komoot und kamen an einem kleinen See entlang, der bereits ein netter Vorbote war. Als wir dann aber auf den eigentlichen Wanderweg kamen, verblasste alles zuvor Gesehene. Wir hatten einen herrlichen Blick auf die Festung St. Nikolaus. Ein von der EU geförderter Steg führte zur Festung auf der Insel gegenüber. Wir wussten, dass wir zu Fuß die Festung nicht betreten konnten, denn Zutritt erhielt man nur mit gebuchter Schiffstour. Uns war das egal, wir wollten nur die beeindruckenden Mauern von nahem auf uns wirken lassen. Nach unserem kleinen Ausflug übers Wasser wanderten wir auf dem ausgezeichnet angelegten Wanderweg entlang der Küste. Wir hatten super Wetter mit ca. 18? und Sonne, wurden aber fast den ganzen Weg gut geschützt durch Pinien am Wegesrand, dennoch bekamen wir einen ersten leichten Sonnenbrand. Zahlreiche bildschöne Buchten, die schwedischen Schären Konkurrenz machen konnten, glasklares Wasser und Ausblicke auf die vorgelagerten Inseln versüßten uns die fast 14 km lange Wanderung, bei der es auch gelegentlich etwas auf und ab mit tollen Aussichten ging. Das Gebiet war ehemals militärisches Gebiet und ein Teil war immer noch in militärischer Hand. Es gab noch alte Bunker und lustigerweise eine alte Toilette, die einfach so oberhalb der Küste thronte und von der aus der wachhabende Soldat während seines Geschäfts weiterhin auf feindliche Angriffe zu achten hatte. Auf der Erklärungstafel wurde sie als „die Toilette mit der weltbesten Aussicht beschrieben“. Ich kenne keine andere in ähnlichem Ambiente, aber es mag stimmen ??. Wir entschieden uns, zurück zur Stadt nicht wieder den Bus zu nehmen, denn ich hatte entdeckt, dass unterwegs noch ein kleiner Vorstadtbahnhof war namens Mandarina. Wir waren mit dem Bus ein ganzes Stück neben den Schienen hergefahren, was mich darauf brachte, dass wir auch den Zug nehmen könnten. Der Bahnhof war vom Ende des Wanderwegs aus nur unwesentlich weiter als die nächste Bushaltestelle. Das letzte Wegstück war dann zwar hässlich und durch Industriehafen, Tankstelle etc. geprägt, aber wir konnten unser Ticket nutzen und waren in drei Minuten wieder in Šibenik. Es war ein richtig schöner Ausflug.
Donnerstag, 13.4.23 Šibenik – Trogir – Knin Dieser Tag war kein wahres Highlight für mich, denn ich war erkältet. Ich hatte das bereits bei der Wanderung gemerkt, dass eine dünne Jacke bei Bewegung zwar ausreichte, aber es ging immer ein Wind und ich hatte keine Kaputze, dafür nun aber eine Triefnase. Ich war froh am Morgen, dass wir die nächsten Tage ein Auto und eine Unterkunft für 4 Nächte haben würden. Da konnte ich mich etwas erholen und steckte keine anderen Leute an. Wir versuchten in den Apartments eh möglichst in getrennten Betten und falls möglich auch Räumen zu schlafen, da Stefan immer früh seine Übungen für seinen vor dem Urlaub bei einem Sturz verletzten Arm machte und ich hingegen oft später abends ins Bett ging und unruhiger schlief. Wenn wir dann nur eine Matratze und eine Bettdecke hatten, störten wir uns auf jeden Fall. So bekam er jetzt auch nicht meine Viren/ Bakterien ins Gesicht gepustet. Wir fuhren am Morgen mit dem Mietwagen Richtung Süden, zuerst zum „Wall von Oštrica,(Bedem Grebastica). Der Wall wurde 1497 zum Schutz gegen die Türken gebaut, im 17. Jahrhundert wurde Pestkranke dort isoliert und heute wird er von Touristen besucht. Da man von der Straße aus noch ca. 2 km ins Land laufen musste, ließ ich Stefan den Wall alleine besuchen. Ich sparte mir meine Kraft für die Altstadt von Trogir, die wir danach besuchten. Sie hatte ähnlich wie in Šibenik Steinhäuser, enge Gässchen und lag an einer Uferpromenade, dennoch gefiel sie uns nicht so gut wie Šibenik. Nicht nur, dass sie viel kleiner war und nicht in Hanglage mit vielen Treppchen und diverse Kirchen lag und Festungsanlagen zu bieten hatte, sie war viel mehr auf Tourismus getrimmt. Souvenirläden, teure Restauration und protzige Jachten im Hafen und dazu an jeder Ecke deutsche Stimmen. Zur absoluten Hochsaison im Juni, musste es hier furchtbar sein. Wir genossen die Vorsaison in allen Zügen (nicht nur in denen ??). Die Temperaturen waren klasse, die Vermieter*innen entspannt, es gab noch mehr Einheimische als Touristen und die Preise waren niedriger. Stefan aß in Trogir ein Spaghetti Eis, wo man das Eis unter der Sahne nur vermuten konnte, ich hatte mir 3 Rafiolis bestellt. Es handelte sich um ein Gebäck, das von der Form etwas an Ravioli Pasta erinnert, aber in der dünnen Teighülle war reines Mandelmus. Sie waren sehr lecker, aber auch mächtig und ich konnte sie gut mit Stefan teilen. Dazu gab es einen Cappuccino zum fit werden. Wir schlenderten etwas durch die Altstadt und fuhren danach über eine Brücke auf die vorgelagerte Insel ?iovo. Hier gab es zwei kleine Ortschaften und darüber hinaus zahlreiche Strände und die typische Vegetation aus Büschen und Gestein. Von einem Aussichtspunkt hatte man einen Blick über die Küste bis Split. Leider war der Himmel heute nicht so schön klar blau wie am Vortag, sodass die Farben verwaschener wirkten, aber man konnte nicht alles haben. Dafür hatte das Wasser eine tolle Farbe in Richtung türkis. Als Stefan noch zum Leuchtturm wandern wollte, blieb ich wieder im Auto. Das war mir heute zu anstrengend. Gegen späten Nachmittag machten wir uns auf den mehr als einstündigen Weg nach Knin. Ist man erst mal von der Küste weg, ist das Land fast unbesiedelt. Vereinzelte Dörfchen mit wenigen Häusern, sonst nur Hügel aus dem typischen Kalkstein und Bäumchen und Büsche. Die aus den Steinen gebauten Mauern – sie scheinen nur geschickt aufgestapelt zu sein, ohne Zement – fand man überall im Land als Zäune für Grundstücke oder Weiden. Sie sahen nach viel Arbeit und Geschick aus. Am Abend erreichten wir unsere Ferienwohnung in Knin und richteten uns für die kommenden Tage ein.
Freitag, 14.4.23 Knin – Ausflug Grenze Nachdem es letzte Nacht ein Gewitter gab, hatten nun auch wir nicht mehr das tolle Wetter. Der Himmel tropfte ebenso wie meine Nase. Nachdem wir es am Morgen noch im Trockenen geschafft hatten, beim Bahnhof um die Ecke, unseren nächsten Zug für Montag zu reservieren, fuhren wir mit dem Auto bis zum Grenzort Strmica. Über die Grenze nach Bosnien Herzegowina durften wir nicht, weil wir dafür keine Extraversicherung bezahlt hatten. Unterwegs gab es einige schöne Ausblicke auf die Dinarischen Alpen, die sich vom südlichen Ende der Ostalpen bis zum Pindos in Nordalbanien und zur Šar Planina im Kosovo erstrecken. Der Dinar, mit 1831m Höhe der höchste Berg Kroatiens, lag direkt an der Grenze zu Bosnien – Herzegowina und gab dem Gebirge den Namen. Nachdem wir uns in den letzten Tagen einen leichten Sonnenbrand geholt hatten, guckte ich nicht schlecht, als wir heute Morgen auf den Bergspitzen Schnee entdeckten. Wir gingen ein kleines Stück im Grenzgebiet spazieren. Vereinzelte verlassene, größtenteils verfallene Häuser, nicht mehr genutzte Schienen von Kroatien ins Nachbarland und der Fluss Butiznica, ein Seitenarm der Krka, die wegen der bekannten Wasserfälle im gleichnamigen Nationalpark bekannt ist, prägten das Bild. Sonst nur Büsche, Gestein und hin und wieder ein paar wilde Hunde. Wie schön wäre es, wenn die ehemalige Bahnstrecke Novi Grad – Knin noch betrieben würde, aber laut Wikipedia fuhren nur noch Züge auf dieser Strecke innerhalb Bosnien – Herzegowinas zwischen Novi Grad und Bihac. Schade! Im Nachbarland galt unser Ticket auch, nur kamen wir mit dem Zug nicht rein. Es war dasselbe wie mit Serbien. Wie einfach muss das vor dem Krieg gewesen sein in dem riesigen Jugoslawien! Uns überraschte auf dem Rückweg unseres kleinen Spaziergangs der Regen und wir entschieden, noch ein wenig die Umgebung mit Auto zu erkunden. Vielleicht würde es ja wieder aufhören, tat es aber nicht, also ließen wir uns ein paar interessante Stellen für hoffentlich besseres Wetter an den kommenden Tagen und einer nicht mehr so tropfenden Nase bei mir und tranken Kaffee in unserem Appartement.
Samstag, 15.4.2023 Knin – Autorundfahrt in nord-östlicher Richtung Da das Wetter am Morgen besser aussah als am Vortag, die Wettervorhersage jedoch Regen anzeigte, unternahmen wir eine Autorundfahrt mit mehreren Highlights. Unser erstes Ziel war bereits in Sichtweite unserer Unterkunft, die Festung Knin. (https://www.dalmatiasibenik.hr/de/entdecke/kultur-und-erbe/die-festung-knin/) Im Internet waren die Angaben etwas verwirrend, denn sie war angeblich die zweitgrößte, bzw. eine der größten in Kroatien und die zweitgrößte militärische Festung Europas. Egal wie, sie war groß, aber für uns war der Ausblick das Wesentliche. Der Blick auf die Stadt war nicht so überwältigend, da Knin keine besonders schöne Stadt war und man auf blaue Dächer irgendwelcher Hallen blickte. Schön dagegen war die Aussicht auf die Berge dahinter, wiederum die Dinarischen Alpen und zur anderen Seite auf die Hügellandschaft mit Fluss, Brücke und ein paar Häusern. Danach fuhren wir tendenziell Richtung Nord-Ost, immer auf kleinen Straßen entlang der bosnischen Grenze, stets durch eine Landschaft, die geprägt war durch Hügel, Berge, Büsche, Gestein und einzelne Orte, die zum Teil ganz oder zumindest zum Teil verlassen waren. Zerstörte oder zerfallene Häuser, von denen häufig nur noch Reste von Wänden standen, begegneten uns überall. Kriegsschäden? Verfall wegen Verlassen? Unser zweiter Stopp war bei der Quelle des Flusses Una (Vrelo Une). Ein kurzer, steiler Wanderweg führte vom Parkplatz zum Ziel. Das merkwürdige war, dass uns erstaunlicherweise keine ruhige Quelle erwartete, sondern ein tosender Wasserfall über die Steine sprang und sich zu allen Seiten verteilte. Das war doch keine Quelle!? Der Weg ging aber noch weiter und da war sie, die Quelle, aber direkt danach hatte sich gleich der erste Wasserfall gebildet! So Etwas hatten wir bisher noch nicht gesehen. Später fanden wir die Legende zu dieser Quelle, die, so die englische Übersetzung auf einem Schild, sauer war, dass ihr Geburtstag nirgendwo festgehalten wurde und sich nicht mal die ältesten Tannen und Eichen daran erinnern konnten. Das brachte Una dazu, wild zu mäandern und aus immenser Höhe auf Gestein zu fallen, sodass mitgerissener Sand, gebrochene Steine und Klippen ihre Geschichte für immer und überall hintrugen. Der Fluss Una entsprangt hier in Kroatien, floss dann aber nach Bosnien Herzegowina und dort in die Save. Er hatte eine Länge von 212 km und nach ihm war der größte Nationalpark Bosniens benannt. Unsere weitere Fahrt brachte uns immer wieder beeindruckende Aussichten auf Berge, Hügel, Seen und Gewässer, bis wir kurz vorm Ende der Tour noch den Wasserfall sozusagen vor unserer Haustür besuchten, den Kr?i?- Wasserfall. Hier bot die Krka, der Fluss, der dem Krka Nationalpark seinen Namen gab und dessen Wasserfälle uns bei unserer Wohnmobiltour 2018 bereits begeisterten, wiederum ein wunderschönes Naturschauspiel. Entlang der Krka führte eine alte, ungeteerte Straße, die jetzt vornehmlich als Rad- und Wanderweg fungierte und noch weitere Highlights zu bieten hatte. So kamen wir bei unserer Erkundung zu einer Lagune mit türkisblauem Wasser, sowie weiteren Wasserfällen und einer alten Brücke. Es wären sogar noch zwei historische Mühlen an dem Weg gewesen, aber es wurde uns zu spät, um weiterzufahren. Auch wenn es zwischenzeitlich mal regnete, hielt sich das Wetter doch erstaunlich gut für einen angesagten Regentag und wir konnten viele Eindrücke sammeln. Die Gegend hier war beeindruckend, aber auch sehr verlassen. Ob die Menschen wegen des ehemaligen Balkankrieges hier weggezogen waren, oder weil sie hier keine Lebensgrundlage mehr fanden, weiß ich nicht. Selbst hier in Knin, einer Stadt mit rund 11800 Einwohnern, standen die meisten Gebäude, die ehemalige Firmen vermuten ließen, als lost Places mit leeren oder mit Brettern vernagelten Fensterhöhlen, teils eingestürzten Dächern, ungenutzt herum. Viel gab es hier anscheinend nicht, wovon die Menschen leben könnten.
Sonntag, 16.4.2023 Knin Unseren letzten Tag in Knin nutzten wir zu einer Entdeckungstour südlich von Knin und dann im Bogen Richtung Küste nach Sibenik, wo wir am Abend das Auto wieder abgaben und mit dem Zug zurück nach Knin fuhren. Die Strecke führte entlang des Flusses Cetina und wir machten immer wieder Abstecher zu Fuß zur Quelle, zu einer kleinen Badestelle und einer alten Brücke. Weiter ging die Fahrt zum See Peruko Jezero, wo wir einen Kaffee tranken, und Palatschinken aßen. Auf der Weiterfahrt kamen wir nach Trilj, wo wir wiederum einen super Blick über den Fluss Cetina hatten, der sich durch die begrünten Felsen schlängelte. An dieser Stelle wurde der Film „Der Ölprinz“ von Winnetou gedreht. Nun wurde es allmählich Zeit, sich auf den Weg zurück zur Autovermietung zu machen. Wir sollten den Wagen zu einem Parkplatz im Gewerbegebiet von Šibenik bringen und der Mitarbeiter hatte uns versprochen, uns dann in die Stadt zum Bahnhof zu fahren. Genauso geschah es dann auch. Wir sprachen unterwegs mit ihm über Mietpreise und Löhne und erfuhren, dass er bei Sixt in Kroatien dasselbe verdiente wie in Deutschland, sein Apartment in Šibenik aber sehr günstig war, mit Nebenkosten von nur 60€. Er hatte noch ein Apartment in Split, was hingegen 1200€ im Monat kostete, inkl. 200€ für Nebenkosten. Die Preise in Split schienen vergleichbar mit denen in Bayern zu sein. Für 40000€ bekam man laut ihm gerade noch einen Parkplatz. Es war interessant mit ihm zu reden. Er konnte super Englisch und hatte schon mal ein Jahr in Deutschland gelebt. Von ihm erfuhren wir auch, dass die Feierlichkeiten und das Feuerwerk am Ostersonntag in Šibenik nichts mit Ostern zu tun hatten, sondern die 40- Jahrfeier des Fußball- Fanvereins der Stadt waren. Er meinte, dass die Fans sich immer mehr radikalisierten und bei fast allen kroatischen Vereinen weit politisch rechts stünden. Bei ihnen gäbe es leider keine Fans wie beim FC St. Pauli in Hamburg. Für uns ging am nächsten Morgen unsere Reise weiter nach Karlovac für eine Übernachtung.
Montag, 17.4.2023 Karlovac Unser Zwischenstopp in Karlovac für eine Nacht war ehr dem Umstand geschuldet, dass eine durchgehende Verbindung von Knin nach Osijek mit einem zu großen Risiko verbunden gewesen wäre, irgendwo in der Pampa zu stranden, da die Umsteigezeiten extrem kurz gewesen wären. Karlovac bot sich an, da wir in Zagreb bereits waren und diese Stadt auf dem Weg war und nicht gänzlich langweilig klang. Nun ja, ich würde mal sagen, hätten wir nicht hier gehalten, hätten wir nichts verpasst, zumindest war das der erste Eindruck. Das ganze Zentrum war eine Baustelle, von der aufgerissenen Fußgängerzone bis hin zu vielen eingerüsteten Gebäuden, so als wär man jetzt mit der Restaurierung aller wichtigen Orte an der Küste und der Hauptstadt Zagreb fertig und hätte sich nun für diese Stadt entschieden. Es war auch bitter nötig, denn hier war Verfall und Leerstand wirklich überall gegenwärtig. Wie es hier in ein paar Jahren aussieht, könnte schon interessant sein. Dass wir gerade graues, regnerisches Wetter hatten, machte das Ganze hier nicht ansehnlicher. Hinzu kam am Abend noch, dass die meisten Leute wohl noch mit Ofen heizen und die Luft draußen nach meinem Empfinden furchtbar verraucht war. Man musste schon Pfadfinder sein, um das Schlafen im Rauch zu mögen. Unser Apartment war schön nahe am Bahnhof und an sich nicht schlecht, Problem war nur, dass wir einen Kachelofen hatten und unser Vermieter wohl meinte, gut für uns einheizen zu müssen. Jetzt hatten wir einen richtig heißen Ofen direkt neben dem Bett, den wir nicht ausbekamen! Da es sicher um die 30? im Zimmer war, blieb uns nichts anderes übrig, als gleichzeitig die Klimaanlage zum Kühlen zu nutzen, denn durchs Fenster kam nur verqualmte Luft. Energietechnisch war das wirklich eine Schande, aber wir hatten nun mal keine arktischen Temperaturen, die den Ofen nötig machten. Die 4 Stunden Fahrt von Knin hierhin waren sehr unterhaltsam. Die erste Klasse war gut gefüllt und wir waren zuerst nicht gerade begeistert, aber wir kamen ins Gespräch mit dem Ehepaar, das uns direkt gegenüber saß. Ich hatte sie Englisch reden hören und angesprochen und so kam raus, dass sie aus England und ebenfalls auf Interrailtour waren. Es waren die ersten „Oldies“ wie wir, die wir auf diese Art reisend kennenlernten, so gab es interessanten Gesprächsstoff. Noch dazu waren beide ebenso Vielreisende wie wir und die Frau hatte sich ebenfalls vorzeitig in den Ruhestand begeben. Im Gespräch verflogen die Stunden angenehm schnell, ansonsten waren die kroatischen Züge schon sehr langsam. Für die rund 200 km brauchten wir mit dem IC immerhin 4 Stunden.
Dienstag, 18.4.2023 Fahrt nach Osijek Ca 7 Std Zugfahrt können interessant sein, wenn sie durch schöne Landschaften führt, gibt es unterwegs aber nur Felder, Brachland und vereinzelte Dörfer, kann sie ziemlich öde werden. Das Hinterland Kroatiens, zwischen Bosnien Herzegowina, Ungarn und Serbien bot den Augen sehr wenig Abwechslung und unser Regionalzug kroch mit ca. 50 km/h von „Milchkanne zu Milchkanne“. Eine Internetverbindung bestand, zumindest bei meinem Handy, das in letzter Zeit immer wieder Probleme hatte, sich nach einem Funkloch wieder ins Netz einzuloggen, nur rudimentär. Da blieb nur noch Lesen oder gelegentlich Stefan beim Würfelspiel zu besiegen. Letzteres durfte ich auch nicht übertreiben, sonst spielte er wohlmöglich nicht mehr mit mir und außerdem hatten wir unseren 32. Hochzeitstag und da musste man lieb zueinander sein, oder??? Endlich kamen wir an und die Stadt machte gleich einen viel besseren Eindruck. Unser Apartment und unsere Vermieterin waren nett und wir gingen zur Feier des Tages am Abend essen.,?? Mittwoch, 19.4.2023 Osijek Wir erkundeten zu Fuß Osijek und mein erster Eindruck am Vorabend hatte mich nicht getrogen. Osijek hatte etwas zu bieten. Es gab zwar auch hier noch viel Verfall und etliche Häuser mit Spuren von Einschüssen, aber das Gesamtbild der Innenstadt war freundlich. Es gab liebevoll bepflanzte Parks, wo derzeit Tulpen und Bäume in unterschiedlichen Farben blühten, entlang der Drau, des Flusses durch Osijek, standen unterschiedliche, interessante Büsche und Bäume, Spielplätze mit bunten Geräten brachten Farbe ins Bild und junge Familien zusammen und es gab ein paar sehr imposante Gebäude wie die neugotische Peter und Paul Kirche mit 90 m hohem Turm, viele Paläste, in denen jetzt teilweise Museen untergebracht waren und das Wassertor und die Citadelle einer Festungsanlage, wo derzeit noch restauriert bzw. die Wege gestaltet wurden. Leider war die beeindruckende, weiße Fußgängerbrücke über die Drau wegen Bauarbeiten gesperrt. Sie ist 210 m lang und hätte uns einen genialen Rundgang ermöglicht, so mussten wir erst das ganze Stück bis zur Autobrücke laufen und über denselben Weg zurück. Als wir an der am weitesten von unserer Unterkunft entfernten Stelle, bei einem Gedenkpark an die Opfer Osijeks im kroatisch -serbischen Krieg waren, begann es zu regnen. Gut, dass wir Schirme und Regenjacke mithatten. Auf dem Rückweg kamen wir durch das Studentenviertel und genossen den wohl besten Palatschinken, den wir je gegessen haben. Wir konnten ihn selbst zusammenstellen und wählten Schokosoße, Vanillepudding, Walnüsse und Blaubeeren, superlecker! Wir teilten uns einen, mehr der Gesundheit als dem Geldbeutel zuliebe. Wir schafften es an diesem Tag auch, Tickets für den Bus nach Novi Sad in Serbien für den übernächsten Tag zu besorgen und eine Unterkunft dort zu buchen. Wir sollten sogar von Busbahnhof abgeholt werden, war super war, da in Serbien unsere SIM-Karten nicht galten und somit die Orientierung schwierig würde. In Serbien wollten wir dann wieder unser Glück per Zug versuchen. Am Abend kochte Stefan eine Gemüsesuppe. Leider gab es in diesem Apartment kein Salz und wir hatten nur eine Mischung aus Kurkuma, Chili etc. mit, weil meistens Salz und Pfeffer vor Ort sind. Die Suppe wurde damit scharf, aber es fehlte eindeutig Salz. Ich kam auf die Idee, ein paar gesalzene Erdnüsse hineinzugeben, das bewirkte aber auch nicht viel. Stefan warf daraufhin noch den Rest unserer Ziegenkäserolle hinein. Es schmeckte etwas untypisch, aber man konnte die Suppe essen. Gesünder als mit Salz war sie allemal, aber wenn sich der Geschmackssinn über Jahrzehnte an Salz gewöhnt hat, ist er leider nur schwer davon abzubringen.
Donnerstag, 20.4.2023 Osijek – Ausflug nach Vinkovci Wir haben heute unser Interrailticket für eine Fahrt nach Vinkovci, ca 1 Std südlich von Osijek, genutzt. Am Bahnhof setzte man uns gleich in den Bus als Schienenersatzverkehr, der aber glücklicherweise direkt durchfuhr und nicht zig Mal anhielt. Bereits im Bus war ich erstaunt, dass wir nicht die einzigen Touristen waren, sondern noch andere deutsche Stimmen zu hören waren. Wir hatten zuvor nie etwas von dem Ort gehört und ihn nur ausgewählt, weil er bei Google Maps interessant erschien. Wir staunten nicht schlecht, welch nettes, lebhaftes und besonders altes Städtchen sich uns darbot. Vinkovci wurde bereits zu neolithischer Zeit, vor über 7000 Jahren, besiedelt und durchlief seitdem eine ganze Reihe unterschiedlicher Herrscher. (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Vinkovci) Im Krieg gegen Serbien wurde laut Wikipedia mehr als die Hälfte der Stadt zerstört. Inzwischen sind zahlreiche Bauten der vorherrschenden barocken Architektur, ein Park in der Innenstadt und viele Geschäfte und besonders Café- Bars wieder restauriert oder neu gebaut und besonders heute, bei sonnig- warmen Wetter, herrschte rege Geschäftigkeit und die Straßencafés, deren Anzahl wirklich erwähnenswert ist, waren gut besucht. Auch wir genossen einen Kaffee mit Blick auf den Gradski Park, schlenderten durch die Stadt und zum Fluss Bosut. Die Rückfahrt konnten wir dann angenehm im Zug zurücklegen. Vincovici dürfte die letzte Stadt gewesen sein, die wir auf dieser Reise und vielleicht auch für die nächsten Jahre in Kroatien kennenlernten. Wir hatten das Land inzwischen auf mehreren Reisen mit Auto, Wohnmobil und nun mit dem Zug ziemlich ausgiebig durchforstet. Wir lernten seine wunderschönen Wasserfälle und Flüsse, die Küstenlandschaft mit ihren Inseln und Schären und einige schöne Städte lieben und mussten feststellen, dass das Hinterland sehr wenig besiedelt und an vielen Stellen der Krieg auch nach 30 Jahren noch sichtbar war. Es könnte lohnend sein, Städte wie Karlovac und sicher auch noch andere, die nicht direkt an der Küste und als erste restauriert worden sind, in vielleicht fünf Jahren noch einmal zu besuchen. Es herrschte überall rege Bautätigkeit und z.B. Karlovac hatte viel Potential. Da würde noch viel neues entstehen können.
Freitag, 21.4.2023 Osijek (Kroatien)- Novi Sad (Serbien) Der Tag verlief so, dass es besser nicht hätte sein können. Wir durften bis 13 Uhr in unserer Unterkunft in Osijek bleiben, d.h. wir konnten noch einmal Wäsche waschen und draußen trocknen, da wir wussten, dass wir in Novi Sad keine Waschmaschine haben würden. Es blieb Zeit zum entspannten Frühstück und Packen. Da wir erst um 15:45 Uhr mit dem Bus nach Serbien fuhren, hatten wir auch noch genügend Zeit, um in unserem Lieblingsrestaurant ausgiebig zu schlemmen: einen Salat fürs gute Gewissen und je einen Palatschinken für die süße Seele????. Danach trappelten wir gemütlich zum Busbahnhof, wo unser Bus pünktlich nach Novi Sad abfuhr. An der Grenze mussten zur Aus- und Einreise alle aussteigen und zur Einreise ins Nicht-EU-Land Serbien bekamen wir sogar noch einen Einreisestempel in den Pass gedrückt. Mit einer halben Stunde Verspätung trafen wir am Ziel ein. Wir wussten, dass uns unser Vermieter abholen wollte und hatten schon Befürchtungen, weil wir so spät waren. Es war aber alles kein Problem, er stand direkt am Bahnsteig und sprach sogar super Englisch. Er fuhr uns die ca. 1,5 km zum Apartment, erklärte uns alles in und um das Apartment und verschwand. Unsere Unterkunft war zwar klein, aber wir hatten glaube ich noch nie eine derart perfekte Ausstattung. Von Schuhcreme bis zur Zahncreme und von Gewürzen über Orangen bis zum Mineralwasser, es war einfach an alles gedacht worden. Wir machten uns gleich auf den Weg in die Fußgängerzone, die gerade mal ca. 200 m entfernt war und es dauerte keine Viertelstunde und wir hatten SIM-Karten für unsere Handys und somit Orientierung und Kontakt zum Rest der Welt. Novi Sad machte auf den ersten Blick einen sehr guten Eindruck auf uns. Die Häuser sahen längst nicht so kaputt aus wie viele Häuser in Kroatien, es hatte hübsche, gut restaurierte Häuser in der Innenstadt und Bars und Restaurants waren modern, gemütlich, hip und gut besucht.
Samstag, 22.04.2023 Novi Sad Unser erster Eindruck von Novi Sad hatte uns nicht getäuscht. Wir konnten ihn an diesem Tag bestätigen und ich machte dabei über 26000 Schritte, denn wir haben uns einige Kilometer der Stadt erlaufen. Am Morgen war unser erstes Ziel der Bahnhof, denn wir wollten checken, ob es am folgenden Montag klappen würde, mit unserem Ticket per Zug nach Belgrad zu fahren. Dass die Strecke befahrbar war, wussten wir bereits aus dem Internet, denn dieses Teilstück der ehemaligen Verbindung bis Budapest wurde als Hochgeschwindigkeitsstrecke von Belgrad- Novisad am 20.3.22 mit Präsident Alexander Vu?i? und Victor Orban wiedereröffnet. Am Montag wollten auch wir die Strecke fahren, mussten aber noch eine Reservierung für ca. 1€ pro Person kaufen. Wenn es weiter nichts war, sollte es uns recht sein. Als das klar war, bummelten wir zur Stadtmitte, besuchten ein paar Second Hand Shops, die hier, je nach Land, aus dem die abgegebenen Sachen kamen, die Straße säumten. Wir fanden aber nichts Interessantes und mussten uns auch sehr zurückhalten, damit wir bis zum Ende unserer Reise unser Gepäck auch noch tragen konnten. Wir schlenderten durch die Altstadt mit den hübschen pastellfarbenen und mit Stuck verzierten Häuser und genossen auf einer Parkbank ein sehr leckeres Eis. Das Wetter war warm und sonnig, was, kombiniert mit dem Wochenende, ganze Horden von Menschen in die Stadt spülte. Auffallend war, dass viel mehr Familien mit kleinen Kindern und junge Leute hier unterwegs waren als bei uns üblich, obwohl der Altersdurchschnitt laut Internet bei 43 Jahren im Vergleich zu Deutschland bei 44,7 Jahren sich nicht sehr unterschied und die Geburtenrate sogar knapp unter unserer lag. Es herrschte überall reges Treiben: Straßenmusik an allen Ecken, Ballonverkäufer und besonders kleine Stände, die Popcorn verkauften. Letzteres schien hier der große Renner zu sein. Die Kinder fütterten im Park sogar die Enten damit. Wir überquerten die Donau über die Varadin Brücke, die die Innenstadt von Novi Sad mit den Stadtteil Petrovaradin und der gleichnamigen Festung verbindet. Die Brücke wurde 1999 bei einem Nato-Luftangriff zerrstört und 2000 neu errichtet. Es war erstaunlich, wie wenig man hier in Novi Sad noch von den Zerstörungen, bei denen sich im Rahmen vom Natoeinsatz auch deutsches Militär schuldig machte, zu sehen war. Folgender Artikel aus der Berliner Zeitung von 2021 gibt eine kleine Vorstellung davon, zu welchem Grauen es hier in Novi Sad damals kam: https://www.berliner-zeitung.de/open-source/der-ungesuehnte-chemiekrieg-gegen-serbien-wer-verurteilt-endlich-die-nato-li.165044. Wir wanderten rund um die Festung und genossen den Blick auf die Donau. Danach machten wir erstmal eine Pause im Apartment. Wir hatten bereits 13 km erlaufen. Am Abend mussten wir uns aber nochmals auf den Weg machen, denn wir wollten zum einen herausfinden, ob es eine Möglichkeit gab, per Zug nach Nordmazedonien zu kommen – gab es nicht -, zum anderen mussten wir noch etwas zum Essen einkaufen. Für den nächsten Tag planten wir einen Ausflug in den Nationalpark Fruska Gora, der vor den Stadttoren lag. Er schien hauptsächlich aus Klöstern und Weinbergen in verschiedenen Orten zu bestehen und wir fanden bei der Tourist-Info heraus, dass wir zu einem Ort sogar mit dem Zug fahren konnten und von dort zu einem anderen laufen. Ich war sehr gespannt, ob und wie das klappen würde. In unserer Interrail-App, in der wir unsere Fahrten immer zusammenstellten und sich daraus dann das gültige Ticket für die jeweilige Fahrt entwickelte, war kein einziger Fahrplan Serbiens hinterlegt, obwohl es im Ticket eingeschlossen war. Wir mussten unsere Fahrten somit per Hand eintippen mit Uhrzeit, Ort, Zugnummer etc. Sonst gaben wir immer nur in die Maske ein, von wo nach wo wir wann fahren wollten und die App spuckte uns die möglichen Fahrten aus, von der wir eine wählten. Nun war das natürlich alles etwas unsicherer. Wir sahen nicht, ob der Zug wirklich fuhr, ob wir eine Reservierung brauchten und ähnliches. Wir suchten uns im Internet auf der Seite der Serbischen Bahn die Verbindung, was nicht einfach war, weil wir nirgends eine Übersicht fanden, von wo nach wo überhaupt Züge fuhren. Wir gaben also Orte ein nach dem Prinzip Try & Error und das Programm sagte uns dann, da fährt was oder Error, alles auf Serbisch, aber netterweise wenigstens in lateinischen Buchstaben, während der Plan im Bahnhof nur in Kyrillisch war. Am Schalter konnte man uns auch nur sagen, welche Züge von Novi Sad aus fuhren, nicht, wohin wir von Belgrad aus fahren könnten. Das war schon sehr gewöhnungsbedürftig. Man merkte, dass das System gerade erst wieder aufgebaut wurde und noch in den Kinderschuhen steckte. Man hatte in den letzten Jahren fast ausschließlich auf Busse gesetzt.
Sonntag, 23.4.2023 Novi Sad – Ausflug Nationalpark Fruska Gora Unser Zugabenteuer klappte prima. Der Zug fuhr pünktlich zum Ort Sremski Karlovci, unserem Startpunkt in den Nationalpark Fruska Gora. Es handelte sich um einen super modernen Regionalzug, der laut digitaler Anzeige Geschwindigkeiten bis zu 150 km/h erreichte. So schnell kam er mir nicht vor, aber er schaffte es immerhin mit einem Zwischenhalt in 9 Min dort zu sein, wofür ein Auto laut Google 20 Min. gebraucht hätte. Es war die Strecke, die auch nach Belgrad führte, eine andere gab es hier nicht. Wir würden also am nächsten Tag wieder das Vergnügen mit dem angenehmen Zug haben, der sogar eine 1.Klasse hatte. Der Schaffner konnte unseren QR Code des Interrailtickets zwar nicht einscannen, kannte INTERRAIL aber und schien sich regelrecht zu freuen. Er erkannte uns auf der Rückfahrt sogar wieder. Vielleicht musste er morgen ja auch wieder arbeiten? Wir fuhren nach Sremski Karlovci, wie uns im Tourist Center geraten wurde. Fruska Gora war ein kleines Gebirge südlich von Novi Sad das bereits die Römer „Fruchtbarer Berg“ nannten. Das Gebiet bestand zum Großteil aus Wald, beherbergte aber auch eine Reihe von Klöstern aus dem 15.- 18. Jahrhundert, und auf dem auch heute noch fruchtbaren Land wurde seit der Antike Wein angebaut. Außerdem fand man fand Obstplantagen und saftige Weiden. Der höchste Berg war der Crveni ?ot mit 539 m. 1960 wurde das Gebiet zum Nationalpark erklärt. Man hatte hier außer den Wanderwegen auch Sportevents wie den jährlichen Marathon angesiedelt. Auf unserem Weg Richtung Strazilovo von Sremski Karlovci aus, das durch sein Kloster, ein herrschaftliches altes Gymnasium und mehrere andere sakrale, orthodoxe Gebäude bekannt war und wahre Scharen an Touristen anzog, kamen wir durch Weinberge und Obstplantagen und hatten weite Ausblicke bis Novi Sad. Der Weg, den wir bei Komoot gefunden hatten, war schön und wir hatten ihn nahezu für uns alleine. Er endete nur leider an einer Stelle vor einem privaten Zaun. Wir versuchten das Gelände zu umrunden, aber ganz gelang uns das nicht und wir mussten ein Stückchen über Privatgrund. Ich hatte Bammel, dass von irgendwo ein Wachhund oder der Besitzer käme, aber außer einem Schuppen war da nix und niemand, bis wir wieder auf einen offiziellen Weg kamen. Nach ca. 6 km kamen wir zur Mountain Lodge Strazilovo, wo reges Treiben herrschte. Es gab zahlreiche Picknicktische unter den Bäumen und man konnte in der einfachen Lodge Getränke bekommen. Wir genossen unseren mitgebrachten Kuchen mit Getränken aus der Lodge. Da eine Mountainbike-Strecke hier endete, waren einige Mountainbiker vor Ort, aber auch etliche Familien und Paare. Gestärkt machten wir uns auf den Rückweg, aber dieses Mal folgten wir Google. Von nun an ging es wieder bergab und Scharen von Leuten waren hier unterwegs. Immer wieder gab es Picknicktische, Familien hatten sogar Grills mitgebracht und verbrachten einen vergnügten Sonntag hier. Es gab einen Platz mit großen Plastik- Kuppelzelten, die anscheinend an Gruppen vermietet wurden. Da hier auch Mountainbike Events stattfanden, denke ich, waren sie die Zielgruppe, denn es gab eine Apparatur zum Rad aufpumpen und reparieren vor Ort. Wir liefen weiter und kamen zum offiziellen Eingangs- für uns nun Ausgangsschild des Nationalparks und mussten nun den Rest des Weges entlang einer zwar wenig befahrenen Straße laufen, wobei die Autofahrer hier aber leider nicht sehr rücksichtsvoll fuhren und eher wir als sie auswichen. Wir kamen zurück nach Sremski Karlovci, konnten noch einen Blick in die Kirche werfen und fuhren dann mit dem nächsten Zug zurück nach Novi Sad. Nun mussten wir noch zurück zur Unterkunft und endlich konnte ich meine Beine hochlegen. Wieder hatten wir einen zwar anstrengenden, aber auch erfüllten Tag bei super Wetter und netter Natur und rund 18 km Fußweg hinter uns gebracht.
Montag, 24.4.2023 Belgrad Der Tag begann mit Regen, was per se an Reisetagen schlecht war, wenn wir mit Gepäck zum und vom Bahnhof zur Unterkunft laufen mussten. Darüber hinaus war ich müde, weil ich in der letzten Nacht nicht einschlafen konnte. Netterweise hörte der Regen pünktlich zur Abreise auf und wir erreichten problemlos unseren Zug, der uns schnell und angenehm nach Belgrad brachte. Man muss wissen, dass der schöne alte Bahnhof, wo wir genau gegenüber unser Zimmer hatten, nicht mehr in Betrieb war. Ein neuer war im Bau und wurde angefahren. Ganz entgegen seinem Namen „Belgrad Central“ ist er alles andere als das. Erst einmal kam man wie bei der U-Bahn unter der Erde an. Wollte man zum Schalter, musste man sein Gepäck Treppen hochschleppen. Am Schalter war laut Rezensionen im Internet meist eine Schlange und beide Mitarbeiterinnen nicht fähig Englisch zu sprechen oder wenigstens zu verstehen, was bei einer europäischen Hauptstadt eigentlich am Info- und Fahrkartenschalter ein NoGo war. Die Schlangen hielten sich bei uns heute in Grenzen, aber unsere Ansprechpartnerin sprach wirklich kein Englisch. Wir hatten mit Erstaunen auf einem Fahrplanaushang festgestellt, dass wir von Belgrad mit dem Nachtzug nach Podgorica, Hauptstadt Montenegros bzw. nach Bar an der Küste von Montenegro fahren könnten. Die Fahrt war mit Interrailticket möglich, aber man brauchte eine Reservierung für die Schlafplätze, und die wollten wir hier erstehen. Nach etwas hin- und her und Hilfe vom Übersetzungsprogramm schafften wir es, unsere Reservierungen für den 3.5. zu bekommen, wenn wir Serbien wieder Goodbye sagen wollten. Wir hatten zwar keine Ahnung, in welcher Art von Schlafwagenabteil wir landen würden, da wir gar nicht wussten, dass es unterschiedliche gab und die Dame uns auch nicht gefragt hatte, aber ein bisschen Spannung gehörte halt zum Reisen dazu. Wir suchten uns den Weg aus dem Untergrund an die Oberfläche und stellten fest, dass wir ab vom Schuss zwischen großen Ausfallstraßen gelandet waren. Zu allem Überfluss fing es nun an zu regnen und wir mussten mehrmals treppauf, treppab mit dem Gepäck die Straßen unterqueren. Bis in die Stadt zu unserer Unterkunft waren es 2,4 km Fußweg in den Abgasen der großen Straßen. Als wir endlich bei unserer Unterkunft „Business Apartments“ Waterfront“ ankamen, waren wir erstmal vom Zustand des Hauses geschockt und blieben noch dazu im Aufzug stecken. Erst nach mehrmaligem Drücken schaffte er es, uns ordnungsgemäß in der 4 Etage abzusetzen. Er musste funktionieren, denn wir hatten gerade noch einen Mechaniker ihn reparieren sehen. Nun hatten wir das Problem, in unser Zimmer zu kommen. Schon vor Tagen hatte die Zimmervermietung uns aufgefordert, über die Booking.com Seite unsere Pässe in Kopie zu schicken, dann bekämen wir den Code vom Schlüsselkasten. Der Ablauf war nicht ungewöhnlich hier, denn Touristen mussten sich innerhalb von 24 Std anmelden am Aufenthaltsort, was in der Regel von der Unterkunft erledigt wurde, die auch die Tourismusabgabe kassierte. Nur hatte der Vermieter trotz mehrmaliger Nachfrage den Code für den Schlüsselkasten nicht geschickt und wir standen vor verschlossener Tür. Erst nach einiger Nachfrage schickte er uns eine SMS, dass wir eine Mitarbeiterin (wahrscheinlich die Reinigungskraft) anrufen sollten, die würde alles erledigen. Irgendwann klappte das auch wirklich und wir kamen in unser Zimmer, was im Gegensatz zum Treppenhaus und Flur davor ganz OK aussah. Die Miniküche war sehr spartanisch bestückt, das Klopapier für 2 Tage und zwei Personen nur ein kleiner Stapel Einzelblätter und die Bettdecken lagen nicht auf dem Bett sondern im Schrank, aber es schien sauber zu sein und war ganz gemütlich. Wir waren allerdings nicht die Einzigen, die vor der Tür standen. Ein russischer Gast, der kein Serbisch und kein Englisch konnte, hatte dasselbe Problem, aber nicht so viel Glück wie wir. Wir versuchten mit Hilfe von Google Translate zwischen ihm und der Mitarbeiterin, die uns am Telefon den Code gegeben hatte, zu vermitteln, aber ihm wurde einfach gesagt, dass für ihn kein Apartment da wäre, bzw. keine Buchung vorläge, obwohl er ein Bestätigung von Booking.com hatte und sagte, er hätte bereits bezahlt. Die Mitarbeiterin vermutete, dass es zu einer Doppelbuchung gekommen war, und nun wurde der Herr einfach ausquartiert. Wir konnten natürlich nicht prüfen, ob seine Buchung vielleicht für ein anderes Objekt war, aber beim nachträglichen lesen der Rezensionen zu dieser Apartment Vermietung erschien die Doppelbuchung sehr wahrscheinlich. Wir zogen ein und machten uns dann auf den Weg, die Umgebung zu erkunden. Unseren Hunger stillten wir bei einem chinesischen Fast Food Restaurant mit riesigen Portionen Nudeln mit Tofu und Gemüse. Es regnete immer noch, was die Stadt nicht gerade attraktiv machte. Nach Novi Sad war der erste Eindruck: groß, viel Verfall und Verkehr. Die Fußgängerzone hob das Ansehen schon etwas, aber auch, wenn es da ebenfalls ein paar herausragende und guterhaltene oder restaurierte Gebäude gab, kam sie an die schmucke Innenstadt von Novi Sad nicht heran. Vielleicht hatte ich auch zu viel erwartet, denn man las überall, dass Belgrad sich zu einer der hippesten Städte Europas, vergleichbar mit Berlin, entwickelt hätte, aber das konnte ich nach dem ersten Eindruck nicht bestätigen. Ja, es gab dieselben Modegeschäfte wie in allen Großstädten und eine supermoderne Mall, aber das machte sie nun nicht gerade besonders. Auffallend war, dass es sehr viele Buchläden dort gab, was ggf. auch an der Universität nebenan lag. Schön war der Park Kalemegdan mit der Bastion Svetog Jakova. Die Festung war von beeindruckender Größe und beherbergte heute ein Militärmuseum mit militärischen Geräten seit Beginn der slawischen Besiedlung. Das Museum ließen wir links liegen, aber der Ausblick von der Festung auf den Zusammenfluss von Donau und Save, sozusagen das „Deutsche Eck“ Serbiens, war sehr schön. Auf dem Rückweg zur Unterkunft kauften wir noch ein paar Lebensmittel und ließen danach die Seele in unserem Zimmer baumeln. Der abendliche Blick aus dem Fenster auf den beleuchteten alten Bahnhof und das Denkmal davor entschädigte für den Trouble zuvor. Der war wirklich „erste Sahne“.
Dienstag, 25.4.2023 Belgrad Bei Sonnenlicht sah doch alles viel freundlicher aus. Belgrad stieg zwar nicht zu meinen Favoriten auf, aber es hatte auch ganz nette Ecken. Das Problem bei Großstädten ist immer, dass man sie eigentlich mehrmals oder über längere Zeit „entdecken“ müsste. Bei kleineren Städten konzentrieren sich die Sehenswürdigkeiten und netten Gassen meist um einen mehr oder weniger großen Altstadtkern. Bei Städten wie Belgrad oder z.B. auch bei uns in Berlin verteilen sie sich. Da bietet der eine Stadtteil diese Besonderheit, der andere etwas anderes und man weiß nie, wo man anfangen soll und wo es noch das ein oder andere Highlight, was ja vielleicht auch von Geschmack zu Geschmack und von Alter zu Alter unterschiedlich ist, zu finden ist. Wir waren am Morgen, bewaffnet mit Regenjacken und Schirmen losmarschiert und das Wetter dankte es uns und blieb trocken, zum Teil sogar sonnig. Unser erster Stopp war Novi Dvor, ehemalige königliche Residenz und heute Sitz des Präsidenten. Er befand sich mitten in der Stadt und hatte einen kleinen Park mit Blumenrabatten und dem im Balkan obligatorischen Springbrunnen. Von hier aus gingen wir weiter zur Kosancicev Venac, einem Teil der Altstadt, der noch Kopfsteinpflaster hatte und nette Bars und Cafés und bemalte Häuser. Danach wanderten wir auf der Donaupromenade um die Festung herum. Viele Hausboote, teils mit Restauration, säumten den Weg und auf der anderen Seite des Weges, der immer auch einen extra gezeichneten Radweg hatte, waren unterschiedliche Sportanlagen von Fitnessgeräten im Park bis zu mehreren zeltartig überdachten Tennisplätzen, die mit Flutlichtern von außen angestrahlt werden konnten. Nach einigen Kilometern wurden die Beine schwer und wir begaben uns in Richtung Unterkunft, wobei wir unterwegs noch bei einem indischen Schnellimbiss Reis mit Kichererbsen Curry verspeisten und Mango Lassi dazu genossen. Nach einer Erholungspause im Zimmer machten wir uns auf den Weg zur Bushaltestelle, von wo wir am nächsten Tag zum Flughafen kommen sollten. Wir wollten checken, ob wir das Ticket heute schon kaufen konnten und wie lange wir dorthin liefen. Nein, wir wollten nicht fliegen, sondern am Morgen dort unseren Mietwagen abholen. Unterwegs ließen wir uns noch je einen Palatschinken zum Abendessen schmecken. Ab dem nächsten Tag sollte es dann wieder mehr in die Natur und zu einem längeren Aufenthalt in Kruševac, von wo aus wir die Umgebung erkunden wollten, gehen.
Mittwoch, 26.4.2023 Belgrad nach Kruševac Unser neuer und diesmal längerer Standort war Kruševac im Süden Serbiens. Wir wollten hier bis zum 1. Mai bleiben und per Auto die Gegend erkunden, wie wir es auch von Rijeka und von Osijek aus gemacht hatten. Es war einfach schön, mal eine längere Zeit in einer Unterkunft zu leben und da der Ort kein Tourismuszentrum war, waren die Unterkunftspreise moderat. Wir zahlten für eine große, moderne Neubauwohnung mit Balkon und allem Drum und Dran pro Nacht 36€, da konnte man wirklich nicht meckern. Die Wohnung war eine der besten, die wir bei unseren Reisen je hatten. Kruševac hatte ca. 60000 Einwohner und war Eparchie der Serbisch- orthodoxen Kirche, was wohl in etwa einem Bistum in der katholischen Kirche gleichkommt. Was sie sonst zu bieten hatte, würden wir in den nächsten Tagen sehen, sie war für uns einfach recht zentral im Süden gelegen und nicht aufgrund irgendwelcher Besonderheiten ausgewählt worden. Der Tag bestand heute also vornehmlich aus Fahrerei. Erst ging es mit dem Bus zum Flughafen, wo wir unser Auto abholen wollten. In der Anweisung stand, dass wir in der Ankunftshalle von einem Mitarbeiter erwartet würden. Wir hatten das schon häufiger, wenn die Vermietung nicht direkt ein Büro am Flughafen hatte. Wir waren etwas zu früh da, also wunderten wir uns nicht, dass noch niemand dort war. Als es dann aber 10:00 wurde gingen wir immer wieder in der sehr übersichtlichen Ankunftshalle umher und sahen uns die Leute, die Schilder hochhielten, genau an. Es kam und kam niemand. Wir versuchten die Autovermietung anzurufen, aber niemand ging ans Telefon. Irgendwann hatten wir die Nase voll und nahmen Kontakt mit Check 24, über die wir das Auto gebucht hatten, auf. Der Herr war sehr nett und rief wie vereinbart nach kurzer Zeit zurück. Er hatte ausfindig gemacht, dass die Autovermietung mit einer Untervermietung zusammengearbeitet hatte, diese Kooperation aber geplatzt war und damit auch die Verträge. Es tat ihm sehr leid und da es nicht unsere Schuld war, bekamen wir schriftlich, dass wir ein Auto gleicher Größe bei einer anderen Vermietung mieten konnten und CHECK24 uns das Geld erstattete, wenn wir die Unterlagen nach unserer Heimkehr zusendeten. Wir hofften, dass das auch klappte. Wir hatten Glück, dass wir ein passendes Auto mieten konnten und machten uns auf den Weg. Eigentlich wollten wir noch zu einem Naturschutzgebiet fahren, aber die Straßen, in die uns das Navi schickte, waren so katastrophal, dass selbst Stefan einsah, dass die nicht mit Mietwagen befahrbar waren. Auf dem Weg in den Süden gaben wir im Navi ein, dass wir Mautstraßen vermeiden wollten, aber wir wurden dennoch auf die Autobahn geleitet. Letztlich waren es für 90 km aber nur 440 Dinar (3,75€), was noch erträglich war. Es sollte laut Internet, Strecken mit 29 ct pro km geben, da hörte der Spaß dann auf. Wir wurden von unserer Vermieterin erwartet und konnten in unsere schöne Wohnung einziehen.
Donnerstag, 27.4.2023 Kruševac – Ausflug Kloster Manasija und Grza-Quelle Die Natur hatte uns wieder. Wir machten unseren ersten Ausflug von Kruševac aus. Zuerst besuchten wir die Grza Quelle. Ein wunderschöner See, umgeben von Picknicktischen und Wanderwegen und ein Stück weiter ein tosender Wasserfall, der über Steine mit leuchtend grünem Moos ins Tal rauschte. Das Grün der Natur leuchtete so prächtig, dass wir uns kaum daran satt sehen konnten. Man hätte auch noch zu einem Aussichtspunkt wandern können, aber wir hatten keinen Handyempfang und somit keine Karte und die dort hing, machte uns auch nicht klüger, weil sie zum Einen in Kyrillisch war und zum Anderen nicht gekennzeichnet war, wo wir gerade waren. Außerdem gingen die Wege sehr steil bergauf und waren teils rutschig und matschig. Wir fuhren deshalb weiter zum nächsten Ort, dem Kloster Manasija. Es erinnerte uns an unsere Reisen in Rumänien und Bulgarien. In zumeist schöner Landschaft befanden sich beeindruckende Orthodoxe Klosteranlagen. In diesem Fall war das Kloster, das aus dem Jahre 1418 stammte, mit einer trutzigen Festungsmauer umgeben und lag in einer grünen Wald- und Hügellandschaft. Wir lernten an diesem Tag, dass wir für die Strecken erheblich mehr Zeit einplanen mussten, weil man häufig nur mit 30-40 km/h unterwegs sein konnte und viele Baustellen Umwege und Wartezeiten verursachten. Einige Straßen waren auch ungeteert und erforderten sehr vorsichtige Fahrweise, sodass wir den geplanten Besuch in einer Höhle verwarfen, weil es viel zu spät geworden wäre. Wir hielten auf dem Rückweg noch in einem Ort an zum Palatschinken mit Eis essen und begaben uns dann nach Kruševac zurück, wo wir gerade so zum Sonnenuntergang eintrafen. Das Wetter meinte es heute gut mit uns, es war trocken und sonnig, wenn auch recht frisch. Wir bewegten uns hier tagsüber so zwischen 10-13? und nachts gingen die Temperaturen runter bis auf 1?. Solange es nicht ewig regnete, war das ok für unsere Zwecke. Auf 39? wie in Spanien konnten wir getrost verzichten.
Freitag, 28.4.2023 Kruševac – Ausflug Vrnika Banja, Zika und Studenica Klöster, sowie Nationalpark Kopaonik Unsere Rundreise begannen wir heute mit einem Bade- , also Kurort und zwar mit Vrnika Banja. Es war wunderschön, bei herrlichem Wetter in dem schönen Kurpark mit Wasserfällen, japanischem Garten, einem Amphitheater und einer netten Fußgängerzone, wo derzeit gerade in kleinen Buden Handwerkskunst, Produkte wie hausgemachter Honig und Schnaps und Souvenirs verkauft wurden, umherzulaufen. Natürlich besuchten wir auch heute wieder Klöster, denn sie waren hier so zahlreich, gehörten untrennbar zu Serbien und waren meist auch so beeindruckend, dass man davon gut mehrere auf einer Reise besuchen konnte. Am ersten, dem Zi?a Kloster kamen wir ungeplant vorbei. Es lag in Ortsnähe von Kraljevo, umgeben von Weinanbau und Landwirtschaft. Es hatte mehrere Türmchen und war hübsch verziert mit Ornamenten. Blühende Bäume und Blumen machten es zum Vergnügen, durch den Garten zu schlendern und die Sonne zu genießen. Die Kirche war mit Ikonen als Wandmalereien verziert, die im Laufe der Jahrhunderte schon an einigen Stellen abgeblättert waren. Das Kloster Studenica hingegen lag eingebettet in Hügeln, Bergen und Wiesen und es war wunderschöne grüne Natur ringsum. Auch hier gab es wieder einen schönen, blühenden Garten, wo wir auf Tisch und Bank ein Picknick mit mitgebrachtem Kuchen machten. Die Kirche hatte wiederum leuchtende Wandmalereien und es fiel uns auf, dass die orthodoxen Kirchen hier in Serbien eine hellere und freundlichere Ausstrahlung hatten als wir sie in Bulgarien erlebt hatten, wo die Ikonen häufig erschreckend grausame Motive hatten und die Kirchen dunkel und Angst einflößend wirkten. Unser letztes Ziel war der Nationalpark Kopaonik, nicht weit entfernt vom Kosovo. Hier ging die Fahrt bergauf und plötzlich tauchte rechts und links der Straße Schnee auf und wir kamen durch ein Skiresort. Es lag natürlich nicht mehr genug Schnee zum Skifahren dort, aber doch noch recht große, weiße Flecken. Bei ca. 1600 m über dem Meeresspiegel hatten wir von einem Aussichtspunkt einen tollen Blick auf die bewaldeten Berge und Hügel der Umgebung. Nach einem kleinen Spaziergang mussten wir uns auf den Heimweg machen, denn uns standen nochmals mehr als eine Stunde Fahrt bevor. Die Runde, die wir an diesem Tag gedreht haben, war zwar lang, aber genau richtig für einen Tag mit vielen unterschiedlichen und wunderbaren Eindrücken bei herrlichem Wetter.
Samstag, 29.4.2023 Kruševac – Ausflug Dunis Kloster und Niš Dieser Tag war etwas durchwachsen. Wir hatten für den letzten Tag in der Gegend, an dem vor dem langen Wochenende noch Geschäfte geöffnet waren, die Stadt Niš im Süden ausgewählt. Auf dem Weg dorthin statteten wir dem Nonnenkloster Dunis einen Besuch ab, dessen Kirche wirklich eine beeindruckende Decken- und Wandmalerei aufwies. Schade, dass man sie nicht von innen fotografieren durfte, aber ich machte eh schon einen Fehler, da ich nicht begriffen hatte, dass am Eingang des Klosters Tücher bereitgestellt wurden, um sie als Kopftuch und Rock zu nutzen. Natürlich fiel uns auf, dass die Frauen alle Kopftücher trugen, aber ich hielt sie für hier lebende Nonnen. Peinlich. Ich wurde im kleinen Souvenirläden am Schluss drauf angesprochen, was ich auch erst nicht verstand, weil die Dame nur Serbisch sprach. Es wurde mir aber später klar. Unser erster Stopp in Niš war nichts Vergnügliches, sondern mal wieder Konfrontation mit deutscher Geschichte. Wir besuchten das „Rote Kreuz Konzentrationslager“ in einem Ortsteil von Niš. Es war vornehmlich ein Durchgangslager für ca. 35000 Juden, Roma und politische Gegner gewesen, kostete aber dennoch ca. 10000 Menschen das Leben. Besonders hier war, dass es einen großen Ausbruchsversuch gab, bei dem es immerhin 147 Menschen schaften, zu fliehen. Danach kam es zu Massenerschießungen auf dem nahegelegenen Hügel Bubanj wo heute ein Gedenkpark an die Toten erinnerte. Den Part dominierten drei Betonobelisken, die erhobene Hände mit geballten Fäusten symbolisierten. Jede der drei Fäuste war unterschiedlich groß und stellte Männer-, Frauen- und Kinderhände dar, die dem Feind trotzten, symbolisch für die Tatsache, dass ganze Familien in Bubanj getötet wurden. Danach gingen wir zu Fuß in die Innenstadt und kamen dabei durch die Festungsanlagen, in der u.a. ein Geschichtsarchiv, eine historische Moschee und Ruinen aus der byzantinischen Zeit zu sehen waren. Diese Parkanlage war ganz nett, die Innenstadt dagegen gefiel uns gar nicht. Ein nichtssagendes Gemisch unterschiedlicher Epochen, riesige moderne Spielhallen und Einkaufsmall, nichts, was das Auge wirklich fesselt. Ganz gut gefallen hat uns eine Eisdiele im Ambiente einer Tram. Hier machten wir Stopp für ein Eis, weil sie gemütlich wirkte und es draußen mal wieder begann zu tröpfeln. Es fing dann aber glücklicherweise nicht wirklich an zu regnen. Als letztes besuchten wir den Schädelturm, der von den Osmanen nach einer Schlacht gegen serbische Rebellen aus deren Schädel gebaut wurde. Auf der Rückfahrt wollten wir eine andere Strecke als auf der Hinfahrt nehmen und dabei noch einen See besuchen. Den fanden wir auch, aber die Straße wurde immer schmaler, ungeteert und letztlich zu einer solchen Stein- und Schlaglochpiste, dass wir sie nicht weiterfahren konnten. Das Navi schickte uns aber immer wieder in diese Richtung und wir irrten ziemlich lange herum und fürchteten, dass es dunkel würde, bevor wir aus dem Labyrinth wieder heraus fänden. Letztlich schafften wir es aber doch und fuhren einen endlos erscheinenden Umweg und kamen erst gegen 21:00 wieder bei unserem Apartment an. Hier zeigte sich, dass es doch einen entscheidenden Unterschied machen kann, ob man ein Navi hat, in das man eingeben kann, dass man nur geteerte Straßen haben will, oder Google Maps, wo es zwar gelbe und weiße Straßen gibt, die Beschaffenheit aber sehr unterschiedlich sein kann bei gleicher Farbe
Sonntag, 30.4.2023 Kruševac – Ausflug Jastrebac An diesem Abend war ich platt! Wir wollten nicht wieder so viel Zeit im Auto verbringen und waren deshalb zum nahegelegenen Jastrebac Lake Resort gefahren. Es lag in herrlicher Natur nur ca. 30 Min Fahrt südlich von Kruševac. An einem See lagen Hotel, ein Kletterpark und ähnliches und, was für uns wichtig war, starteten hier mehrere Wanderwege. Wir machten uns auf den Weg zu einem, laut Angabe, einfach zu erreichenden Ziel. Zu Beginn des Weges konnten wir serbisches Sonntagsvergnügen beobachten. Entlang eines Flusses im Wald hatten sich zahlreiche Grüppchen, Familien ebenso wie Männergruppen und Jugendliche regelrecht eingerichtet. Tische, Stühle, Pavillons, Verstärkeranlage, Grills und kistenweise Bier, das im Fluss gekühlt wurde. Laute Musik schallte uns entgegen und man vergnügte sich sichtlich. Es hatte etwas von unseren Vatertagsgruppen zuhause. Umso höher wir aber kamen, umso stiller wurde es, und hoch ging es die ganze Zeit. Nach fast 2 Stunden bergauf, 420 Höhenmetern auf 4,2 km Strecke kam eine tolle Aussicht, die wir zu unserem Wendepunkt erklärten. Wir hatten zuvor ein Paar gefragt, wie weit es zu unserem Ziel „Sokolov Kamen“ (Falkenstein) noch sei und bekamen 1/2 Std gesagt, zumindest haben wir das so übersetzt. Das war mir zu viel Steigung, so gerne ich noch bis dort gegangen wäre. Wir gaben uns mit dem Ausblick zufrieden, der uns als ein würdiger Umkehrpunkt erschien und stiegen wieder bergab. Im Hotel erfrischten wir uns bei Eis und Cola, bevor wir wieder zurück nach Kruševac fuhren. Wir hatten Glück, gerade als wir das Haus betraten, fing es heftig an zu regnen. Nach einem Stündchen kam die Sonne wieder heraus und wir besuchten zu Fuß noch zwei „Highlights“ von Kruševac, die ich noch nicht gesehen hatte, Stefan natürlich schon beim morgendlichen Joggen. Das erste Ziel war der archäologische Park „Lazar’s Stadt“. Reste einer mittelalterlichen Stadt des Prinzen Lazar, dem in der Stadt gleich zwei Monumente gewidmet waren, boten sich uns zur Besichtigung an. Die Lazarica Kirche von 1376 wurde als besondere Leistung serbischer Architektur als Kulturdenkmal besonderer Wichtigkeit erklärt. Reste des Palastes, ein Turm und das Nationalmuseum im Gebäude eines ehemaligen Gymnasiums von 1863 waren auf dem Areal noch erhalten. Von hier gingen wir weiter zum Miniatur Freilichtmuseum in einem netten Park. Hier waren in Miniatur einige der wichtigsten Klöster des Landes ausgestellt. Die wesentlichen Hot Spots unseres Aufenthaltsortes dürften wir damit besichtigt haben, bevor wir am folgenden Tag unsere Tour fortsetzen wollten nach Šabac, wo wir noch zwei Nächte einplanten, um am Mittwoch morgens unseren Mietwagen wieder beim Belgrader Flughafen abgeben zu können. Die Fahrt von hier aus wäre reiner Stress geworden. Kruševac stellte sich um Nachhinein als guter Ort für einen längeren Aufenthalt heraus, besonders durch die tolle Wohnung. Wir hatten zwar längst nicht all das gesehen, was wir gerne besucht hätten, z.B. den Tara Nationalpark und den Derdap Nationalpark, aber die waren einfach zu weit entfernt, wenn man nur mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 40 km/h durch die Gegend fahren konnte. Natürlich hätten wir mehrere Orte zur Übernachtung wählen und rund reisen können, aber es war auch mal sehr angenehm, über mehrere Tage ein festes Zuhause zu haben. Man verlor ja auch viel Zeit bei dem ständigen Organisieren neuer Unterkünfte und häufigen An- und Abreisen. Manchmal war weniger eben doch mehr auf einer Reise. Montag, 1.5.23 Kruševac – Šabac Wir erreichten unseren letzten Unterkunftsort und waren nun in Šabac, westlich von Belgrad, südlich von Novi Sad, zu beiden Städten ca. eine Stunde Fahrtzeit. Der Abschied von unserer schönen Wohnung in Kruševac fiel schwer, aber wir hatten inzwischen dort auch alle erreichbaren Ziele abgegrast. Für die heutige Strecke nahmen wir uns Zeit, um unterwegs noch ein paar Stellen anzuschauen. Wir fuhren durch die Ovcarsko- Kablarska Schlucht, die wir uns aber spannender vorgestellt hatten. Wahrscheinlich sieht man sie nur richtig, wenn man dort wandern geht. Richtig begeistert hat uns hingegen das Kloster ?elije. Nicht nur, dass es wunderschön inmitten grüner Berge lag, es war auch als Bauwerk eine absolute Pracht. Auch wenn ich mit sakraler Malerei nicht viel anfangen kann, die Wand- und Deckenbemalung dieser Klosterkirche, die noch dazu lichtdurchflutet war, hat mich begeistert und in den Bann gezogen. Leider durften wir die ganze Anlage nur von außen fotografieren. Die enge und steile Anfahrt hat sich auf jeden Fall gelohnt und es gab außer uns auch etliche Autos dort oben, deren Besitzer das Kloster und wohl auch die Wanderwege besuchten. Es bot sich von oberhalb des Klosters ein schöner Blick auf einen fotogenen Viadukt. Gegen 18:00 erreichten wir Šabac und zogen in unser neues Apartment. Es war wiederum recht groß mit Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer, Bad und großem Balkon, wirkte aber im Vergleich zur letzten Wohnung ehr billig und lieblos. Im Gegensatz zur letzten Vermieterin, die sehr bemüht und nett war, schien es sich hier nur um einen Verwalter zu handeln und zum ersten Mal, wollte er die Wohnung bei Abreise abnehmen. Da wir am Abreisetag möglichst früh und pünktlich abreisen wollten, um das Auto rechtzeitig am Flughafen abzugeben, passte uns das gar nicht, aber so war es nun einmal. Für 27€ pro Nacht durfte man auch nicht meckern und die Wohnung hatte außerdem einen Balkon, der schon eher eine große Terrasse war. Wir hofften für den nächsten Tag, entgegen des Wetterberichts, noch einmal auf Sonne, um sie nutzen zu können. An diesem Abend konnten wir bei lauen Temperaturen draußen bei einer Pizzeria eine Pizza genießen und zum Nachtisch in der Fußgängerzone ein Eis. Es gab auch hier den 1. Mai Feiertag und der schien sogar bis auf den 2. ausgeweitet zu werden, aber es gab keine gesetzlichen Öffnungszeiten. Klar waren öffentliche Gebäude an Feiertagen dicht, aber Geschäfte und Gastronomie öffneten und schlossen, wie sie lustig waren. An diesem Abend konnte man um 20:00 in der Fußgängerzone z.B. noch Schuhe kaufen, während z.B. manche Restaurants geschlossen hatten.
Dienstag, 2.5.2023 Šabac – Ausflug Kloster Kaona Letzter Tag Auto, letzter voller Tag Serbien, wenn alles nach Plan lief. Nachdem Stefan sich morgens auf seiner Joggingstrecke erst gegen ein paar streunende Hunde wehren musste, hatte er sie später als Beschützer gegen andere freilaufende gewonnen. Sie begleiteten ihn und schreckten die anderen Hunde ab. Nach dem Frühstück gingen wir einer unserer Lieblingsbeschäftigungen nach, wir bummelten durch Second Hand Shops hier in Šabac und waren danach um ein Adidas Laufshirt und ein Unterhemd von Odlo reicher zum Preis von 5,12€ – zusammen! Danach verbrieten wir das gesparte Geld in einem zuckersüßen Café mit ebenso leckerer Torte wieder ??. Ein paar Kalorien mussten wir danach loswerden und sind zu den Resten der Festung von Šabac gelaufen, deren Errichtung 1471 begann, aber später von mehreren Herrschern umgebaut und erweitert wurde. Sehr viel war nicht mehr von ihr erhalten. Vor dem Bau der Festung war hier bereits ein Handelsplatz mit dem Namen Zaslon. Direkt bei der Festung wurde von der Stadt an der Save eine Promenade mit Sandstrand angelegt. Vom Sand konnte man aber heute nichts erkennen. Die Save führt gerade ziemlich viel Wasser. Wahrscheinlich war der Sand derzeit überspült. Man konnte jedoch ganz gut ein Stück am Fluss entlang laufen. Nachdem wir uns im Apartment umgezogen hatten, weil es uns bei 23? zu warm wurde mit langen Oberteilen, unternahmen wir noch eine letzte Tour mit dem Auto zum Kloster Kaona. Wie schon die letzten Klöster, die wir besichtigt hatten, lag es wunderschön mitten in der Natur. Was bei Kaona besonders war, war, dass der Glockenturm separat von der Kirche stand und sich mit Klostergebäude und Kapelle auf einem größeren, leicht hügeligen Areal mit Teich befand. Es wirkte sehr idyllisch und strahlte mit dem Quaken der Frösche eine unheimliche Ruhe aus. Die Kirche war, wie die gestrige, wunderbar von innen bemalt. Nach diesem Ausflug genossen wir unseren riesigen Balkon und die angenehme Temperatur. Uns stand ein langer und spannender Tag bevor. Wir mussten bis 11:00 das Auto am Belgrader Flughafen (ca. 1 Std Fahrt) abgeben und danach hatten wir endlos viele Stunden Zeit, bis abends um 20:20 unser Nachtzug nach Montenegro fuhr. Hoffentlich würden wir ein Schlafabteil für uns haben, sicher waren wir da nicht.
Mittwoch, 3.5.2023 Belgrad Die Abreise aus Šabac, die Fahrt zum Flughafen und die Abgabe des Autos klappte problemlos. Wir waren gegen Mittag per Bus im Zentrum und verbrachten erstmal zwei Stunden auf einer Café- Terrasse bei Tee und Kaffee. Irgendwie mussten wir die vielen Stunden ja rumbekommen und mit Rucksack und Koffer war man im Allgemeinen in Museen nicht willkommen. Nach dem Café liefen wir etwas in der Innenstadt herum und wollten eigentlich Verpflegung für unterwegs einkaufen, aber dann kamen wir bei unserem chinesischen Wok Restaurant vom ersten Tag in Belgrad vorbei und Stefan hatte Lust, dort noch einmal zu essen. Ich fand es jetzt nicht soooo überwältigend dort, aber auch nicht schlecht und es hatte mehrere Vorteile: große Portionen, die Möglichkeit, sich lange dort aufzuhalten, weil es über drei Etagen ging und nie komplett gefüllt war, und der letzte Vorteil zeigte sich uns erst am Platz: es gab eine Steckdose, um unsere Handys nochmal aufzuladen. Die Akkus mussten evtl. bis zum Abend drauf halten, falls es im Zug keine Steckdose gäbe. Da wir sie für Tickets, Orientierung und Unterhaltung brauchten, wäre es ein Drama gewesen, wenn sie zwischendrin den Geist aufgegeben hätten. Gegen 16:30 machten wir uns auf den Weg, um noch Reiseverpflegung einzukaufen und liefen dann den langen Weg über 3 km zum Bahnhof „Belgrad Central“. Dort erkundigten wir uns nach dem Abfahrtsgleis und danach, was für eine Kabine wir eigentlich gebucht hatten. Hurra, es war eine Zweibett-Kabine und nicht so ein 6-er Liegeabteil, vor dem ich schon vorher Albträume hatte. Nun konnten wir getrost im „super gemütlichen“ Wartebereich im Untergrundbahnhof auf unseren Zug warten.
https://youtu.be/PxcmIZVwNoI
Donnerstag, 4.5.2023 Nachtfahrt mit Zug nach Podgorica/Montenegro, Weiterfahrt mit Bus Tirana/Albanien Wir waren rund 36 Std unterwegs, morgens mit Auto von Šabac nach Belgrad, abends mit Nachtzug nach Podgorica in Montenegro, wo wir heute Morgen von einer wunderschönen Bergwelt begrüßt wurden. Der Zug hatte mehr Stil als der Nachtzug von Budapest nach Bukarest, den wir im letzten Jahr zweimal genommen hatten. Er erinnerte ein kleines bisschen daran, wie man sich den Orientexpress vorstellt: Innen mit Holz verkleidet, roter Plüsch als Rückenlehne und Hockerbezug und rote Gardine im Schlafwagenabteil. Ein Waschbecken und ein Einbauschränkchen aus Holz gab es auch. Zu zweit war es echt nett, damit zu fahren und es war toll, dass wir das Fenster selber öffnen konnten. Zum einen war gut eingeheizt und definitiv zu warm zum Schlafen und außerdem konnten wir so heute Morgen gut fotografieren. Bei der Landschaft war es eigentlich schade, dass wir nicht den Tageszug genommen hatten, aber da sich der schönste Teil der Strecke wohl in Montenegro befand, war es eigentlich auch egal. Dieses Land faszinierte uns nun schon zum zweiten Mal durch seine unglaubliche Natur. Wir waren 2018 bereits einmal mit dem Wohnmobil dort und ganz begeistert. Um 5:00 ging der Wecker und ab da konnten wirauch draußen die Schönheit bewundern. Wir kamen mit ca. 1,5 Std Verspätung in Podgorica an, was aber wegen der Grenze wohl normal war. Diese Grenzabfertigung mitten in der Nacht war eigentlich das Einzige, was bei Nachtzügen richtig nervig und anstrengend war. In Podgorica kauften wir uns direkt Bus Tickets nach Tirana für den 13:00 Bus. Danach tranken wir einen Kaffee zum Wachwerden und gingen dann noch etwas auf Stadtbesichtigung. Ich fand die Stadt ganz ok, wenn auch nicht vergleichbar mit anderen Hauptstädten. Sie hatte nette Parks und die Festungsreste am Zusammenfluss von Mora?a und Zeta boten einen herrlichen Rückzugsort. Podgorica war nun sicher keine hippe Hauptstadt mit vielen Sehenswürdigkeiten, aber sie war echt entspannt und entspannend gegenüber dem quirligen Gewühl normaler Großstädte. Der Bus brachte uns ab Mittag dann mit mehr als einer Stunde Verspätung nach Tirana. Uns war zuvor nicht klar, welchen Schlenker er noch nach Durres an der Küste macht. Ziemlich platt kamen wir erst gegen 19:00 am Ziel an, schafften es dann aber gleich, uns noch SIM-Karten zu kaufen und unsere gigantisch große Wohnung mit 100 qm zu finden. Hier hätten wir auch als ganze Familie noch Platz finden können.
https://youtu.be/Mv9a5Z1raLY
Freitag, 5.5.2023 Tirana Tirana war für uns auf dieser Reise eine wirkliche Entdeckung im Gegensatz zu anderen Hauptstädten. Tirana wurde zwar bereits 1372 unter diesem Namen erwähnt und älteste Funde auf dem Stadtgebiet waren sogar aus der Römerzeit, aber an Bedeutung als Stadt hat sie erst 1920 gewonnen, als sie zur Hauptstadt ernannt wurde. Zu der Zeit begannen erste städtebauliche Maßnahmen, wobei man sich der Unterstützung Italiens bediente. Seit der Zeit nahm die Bevölkerung stetig zu und lag nun bei ca. 600000 Einwohnern. Sie erwies sich als eine quirlige, moderne Stadt, wo unterschiedlichste Architektur aufeinander trafen, was aber nicht abstoßend wirkte, sondern ihr einen geradezu lebendigen Charme verlieh. Man wusste häufig gar nicht, wo man zuerst hingucken sollte. Da stand die prachtvolle Et’hem-Bey-Moschee aus 18. Jahrhundert neben dem 1948 zum Kulturdenkmal erklärten Uhrturm aus dem 19. Jahrhundert und dahinter reckte sich ein wie aus blauen Schachteln gebauter, riesiger Hochhausturm in den Himmel, der oben breiter war als unten. Davor befand sich der riesige, geflieste Skanderbeg Platz mit Reiterstandbild, der umgeben von öffentlichen Gebäuden wie der Oper und dem Nationalmuseum mit gigantischem, 440 qm großen Mosaik aus dem sozialistischen Realismus war. Nicht weit von hier fand man Mauerreste einer osmanischen Burg aus dem Mittelalter, die heute den Rahmen für Cafés und Handwerksläden bot. Dahinter erhob sich der TID Tower, bis 2019 mit 85 m Höhe Albaniens höchstes Gebäude. Er beherbergte ein 5* Hotel und war ebenfalls ein architektonischer Hingucker. Wiederum verjüngte sich der Turm nach unten und änderte dabei seine Form von rechteckig zu oval. Das Straßenbild war lebendig, überall waren Menschen unterwegs oder relaxten in Cafés, Radfahrer suchten sich ihren Weg und fuhren auf z.T. gut ausgebauten Radwegen so zügig, dass man aufpassen musste, ihnen nicht in die Quere zu kommen. Autos fuhren durch die kleinsten Gassen und waren das einzig Nervige und eine wahre Gefahr in der Stadt. Viele kleine Geschäfte, zumeist Elektronikläden oder Boutiquen, aber auch kleine Lädchen, die alles führten von Stecknadel bis Gießkanne, sowie zahlreiche Obst- und Gemüseläden, wie auch Bäckereien, deren Preise häufig besser waren als in den Supermärkten, reihten sich aneinander. Supermärkte hatten z.T. horrende Preise. Sie waren für gleiche Produkte teils 2-3 mal so teuer wie in Deutschland, so wollten sie z.B. für Bio- Haferflocken umgerechnet über 5€, für normale rund 2,50€, für Hummus 5€ und Marmelade bis zu 6€. Auch Brot hatte astronomische Preise. Obst hingegen war bezahlbar und ebenso Käse aus dem Kühlregal. Am Käsestand hingegen konnte man einheimischen, angemachten Ziegenkäse wiederum günstiger bekommen. Das gastronomische Angebot war hier in Tirana viel breiter als wir es in Serbien erlebt hatten. In Serbien galt der Satz „Fleisch ist unser Gemüse“. Man konnte diverseste Fleisch- meist Grillgerichte bekommen, aber für Vegetarier blieb häufig nur süßer Palatschinken oder mit Glück Pizza. Hier in Albanien war die Auswahl um einiges größer. Einflüsse italienischer und türkischer Küche, auch mit vegetarischen Angeboten, machten es uns leichter, wenn auch wie immer mein bester Koch mein lieber Mann war????. Außer architektonischen und kulinarischen Eindrücken konnten wir auch etwas über die grausige Geschichte Albaniens unter dem sozialistischen Diktator Enver Hoxha von 1944-1990 erfahren. Wir besuchten das Museum BunkArt 2, untergebracht in einem unterirdischen Atombunker mit Durchgang zum Innenministerium, dass vornehmlich die Geschichte Albaniens nach dem Rückzug der Wehrmacht 1944 zum Thema hatte. Die sozialistische Diktatur vertrat nach außen hin den Kampf gegen den Faschismus und schottete sich gegen den Rest der Welt ähnlich extrem ab wie heute Nord-Korea. Es gab Verfolgung von Regimegegnern, Konzentrationslager und die Geheimpolizei Sigurimi, die ähnlich perfide Methoden hatte wie Stasi und Gestapo. Eine Ausreise von Bürgern war nicht möglich und eine Einreise von Ausländern nur unter folgenden Bedingungen:
DIE ANWEISUNG NR. 7, Datum 25.04.1975
„ZUR EINFÜHRUNG AUSLÄNDISCHER BÜRGER IN DIE VOLKSREPUBLIK ALBANIEN“
Die Grenzbehörden des Innenministeriums verweigern die Einreise in die Volksrepublik Albanien all jenen Ausländern, die mit ihrem Aussehen gegen die Normen der sozialistischen Ästhetik verstoßen, wie Männer mit langen Haaren wie Frauen, mit übertriebene Koteletten, mit unregelmäßigen Bärten und unangemessener Kleidung und Frauen mit Mini- und Maxiröcken.
Personen mit extravaganter Kleidung und unregelmäßigem Aussehen (mit Ausnahme von diplomatischen Vertretern, geladenen Regierungsvertretern und Sportmannschaften) ist der Zutritt zu den Durchgangs- oder Wartehallen gestattet. Dort teilt ihnen ein Vertreter der Grenzbehörden mit, dass sie nur dann in die Volksrepublik Albanien einreisen dürfen, wenn sie sich für eine Anpassung entscheiden (Haare schneiden, normale Kleidung). Wenn sie so etwas akzeptieren, dürfen sie in die Volksrepublik Albanien einreisen.
Zoll- und Grenzbehörden erlauben keinen Durchgang konterrevolutionärer Literaturinhalte. Technische, kulturelle und künstlerische Literatur ist gemäß den Bestimmungen des Ministerratsbeschlusses Nr. 8, datiert 01.08.1975..
Das Handelsministerium an den Grenzkontrollstellen (zu Land, zu Wasser, in der Luft) muss Lokale öffnen und das notwendige Personal zuweisen, damit Ausländer die Möglichkeit haben, normale Kleidung zu kaufen und sich zurechtzumachen.
Das Handelsministerium muss Maßnahmen in Bezug auf Fahrzeuge, Hotels und Strände ergreifen etc., dürfen Personen, die dieser Anweisung nicht Folge leisten, nicht aufgenommen werden. (Erklärung aus dem Museum) Die Hotelzimmer, in denen ausländische Gäste, zumeist Diplomaten, aufgenommen wurden, wurden abgehört und beobachtet. Die Grenztruppen Albaniens waren hauptsächlich dazu da, eine illegale Ausreise der eigenen Bürger zu verhindern. Auf beides, Flucht und illegale Einreise, stand die Todesstrafe.
„Nach den 1990 vom Innenministerium verbreiteten Daten wurden ab 1949 etwa 1.000 Albaner von den Grenztruppen getötet, als sie versuchten, die Landesgrenzen illegal zu überqueren. Allein 1990 gab es 54 Morde an den Grenzen, der letzte am 20. Dezember 1990 in Shkodra. Laut offiziellen Statistiken des Innenministeriums über die Verhaftungen aus politischen Gründen in der Zeit von 1949 bis 1990 war der Hauptgrund der Verhaftungen in den Jahren 1953 bis 1961 der Fluchtversuch über die Grenze. Dies war ein Rekord, der auch in den Zeiträumen 1962-1967 und 1983-1989 wiederholt wurde.“ (Text aus dem Museum)
Als wir dem Bunker wieder entstiegen und ins Sonnenlicht traten, kamen wir uns vor wie der Unterwelt entkommen. Stefan durfte im Übrigen heute zum ersten Mal einen Seniorenrabatt genießen, der hier schon ab 60 gewährt wurde. Ich kam mit Behindertenausweis umsonst rein.
Samstag, 6.5.2023 Tirana Nachdem wir beide stundenlang wie die Wilden gegoogelt hatten, welche Weiterreisemöglichkeiten sich uns boten, waren wir ziemlich entnervt. Zug fahren ging in Albanien anscheinend gar nicht, weil es keine Züge gab. Man hatte die Infrastruktur zu Zeiten des Kommunismus verfallen lassen. Hier fuhren nur Busse. Wir hätten unser Interrailticket auch nicht in Albanien nutzen können. In den Nachbarländern Griechenland und Nordmazedonien gab es Züge, aber es war partout nicht herauszufinden, wo sie fuhren und schon gar nicht wann. Über die Grenze mussten wir eh mit dem Bus und alle Versuche herauszufinden, ob es auch von grenznahen Orten noch öffentlichen Verkehr über die Grenze gab, scheiterten. Am Folgetag wollten wir erstmal drei Tage nach Berat, einer Stadt weiter im Süden Albaniens, wo wir mit dem Bus hinfahren wollten. Idiotischerweise fuhren nicht alle Busse vom Busbahnhof in der Innenstadt ab. Der wäre in unserer Nähe gewesen. Die Inlandbusse fuhren von Vororten ab, je nachdem, in welche Himmelsrichtung man fahren wollte. Wir mussten also erst noch einen innerstädtischen Bus finden, der uns zu dem Busbahnhof brachte, von dem aus wir dann nach Berat fahren konnten. Zum Glück fuhren anscheinend regelmäßig Busse dorthin. Ob wir dann danach wieder zurück nach Tirana kommen würden, um dann entweder per Bus nach Sofia und von dort mit Nachtzug nach Istanbul zu fahren, um unser Interrailticket zu nutzen, oder gleich mit dem Bus nach Istanbul, oder ob sich von Berat aus noch andere Möglichkeiten auftaten, stand noch in den Sternen. Es war halt ärgerlich, das Interrailticket zu haben und es eigentlich sowohl in Nordmazedonien als auch in Griechenland nutzen zu können und dass sich dann rausstellte, dass es keine internationalen Verbindungen (mehr) gab und die Inlandsverbindungen nicht mal auf der Webseite der Zuggesellschaften zu finden waren. Wie einfach musste das noch zu Zeiten gewesen sein, als es nur Jugoslawien gab und es anscheinend auch kein Problem war, in Griechenland mit dem Zug zu fahren. Wir schlugen uns natürlich nicht nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln herum, sondern besichtigten auch noch etwas. Wir schafften es, einen Stadtbus zu finden, der uns zu dem zweiten Bunkermuseum, dem Bunk’Art 1 fuhr. Enver Hoxha ließ in den 70-igern und 80-igern rund 180000 Bunker bauen, geplant waren sogar weit über 200000. Nachdem er sich mit den anderen kommunistischen Staaten überworfen hatte und nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei sogar aus dem Warschauer Pakt ausgetreten war, sah er rund um sich nur noch Feinde und die große Gefahr einer Invasion. An die hunderte von zivilen Opfern, die beim Bau all dieser Bunker über ganz Albanien verteilt zu beklagen waren, erinnerte ein Raum im Bunk’Art1. In diesem Bunker, der gegen chemische, biologische und atomare Waffen sicher sein sollte, war unter anderem die Unterkunft, d.h. Schlaf- und Wohnzimmer für Hoxha untergebracht welche er zum Glück nie nutzen musste. Hauptthema der Ausstellung war die Entwicklung Albaniens von der Besetzung Albaniens durch erst die faschistischen Italiener, nach deren Kapitulation die deutschen, faschistischen Besatzer, hin zur Befreiung und Entwicklung der sozialistischen Volksrepublik. In Kreisen der Intellektuellen gab es auch Zuspruch für die deutschen Faschisten, die eigentlich kein großes Interesse an dem Territorium hatten und an den Nationalstolz der Albaner appellierten, wie die Erklärungen des Museums erkennen ließen. Als wir nach ca. zwei Stunden wieder aus dem Bunker ans Tageslicht traten, hatten wir wieder Gänsehaut. Nun erhofften wir uns etwas Natur und fuhren mit der Gondelbahn auf den Hausberg Dajti. Die Bahn endete bei ca. 1050 Meter, der Dajti hatte insgesamt 1613 m. Wir konnten also nicht gerade so mal auf den Gipfel steigen. Das Gebiet war Nationalpark, aber auf der Höhe der Bergstation der Gondel war es mehr ein Vergnügungspark mit Hotel, Minigolf, Skaterbahn, Pony- bzw. Eselreiten, Schießständen und Quadfahren. Nicht nur, dass wir Vergnügungen dieser Art für unpassend in einem Nationalparks hielten, lag an einigen Stellen auch haufenweise Müll herum wie nach Saufgelagen. Es gab allerdings auch ein Schild mit Wanderwegen, aber zum einen erschloss es sich uns nicht und zum Anderen hatten wir bis zur letzten Gondel nach unten nur noch ca. 1 Std. Zeit, zu wenig, um wandern zu gehen. Den Rückweg zu laufen, kam auch nicht infrage, da die Strecke mit 4 Std und 8 km angegebenen war und wirklich steil war. Wir schlenderten herum und waren etwas enttäuscht, weil der Blick nach unten trotz Sonne und blauem Himmel oben, zu diesig war und nicht wirklich toll. Rechtzeitig vor der letzten Bahn machten wir uns wieder auf den Heimweg.
Sonntag, 7.5.2023 Tirana -Berat Heute Morgen verließen wir unsere 100 qm Traumwohnung in Tirana und machten uns auf den Weg zum Busstop „Terminali“ beim Naturhistorisches Museum. Dort erfuhren wir, dass wir den Bus Richtung Kamzar nehmen müssten. Stefan machte ihn schnell ausfindig und er fuhr auch direkt ab. Wir mussten zum Nord-Süd Terminal bzw. auf Albanisch Terminali I Autobusave t? jugut she Verlut. Die Durchsage war aber auch auf Englisch und der Busbahnhof gar nicht zu verfehlen. Dort standen diverse Busse und Kleinbusse in unterschiedliche Orte, jeweils mit einem Schild im Fenster. Außerdem liefen Fahrer herum und fragten die Leute, wo sie hin wollten. Es war also ganz einfach, den richtigen Bus ausfindig zu machen. Nach ca. 2,5 Std Fahrt waren wir am Ziel und dort nicht die einzigen deutschen Backpacker in gehobenem Alter (hab ich das Wort Grufti nicht schön umschrieben???). Berat schien Leute wie uns anzuziehen. Deutsche mögen anscheinend Welterbe Städte mit Kopfsteinpflaster und Charme. Berat wurde auch die Stadt der 1000 Fenster genannt. Man ernannte sie 1961 zur Museumsstadt und seit 2007 war sie Weltkulturerbe. In der Altstadt lagen ihre typischen weißen Häuser mit den vielen Fenstern wie an den Berg geklebt beidseitig des Flusses Ossum und überblicken das Flusstal. Über der Stadt erhob sich die Burg, dahinter, mit 2400 m Höhe, der Tomorr, der mit schroffen Felsen und mit Schnee bedeckter Spitze majestätisch wirkte. Mit den grünen Hügeln ringsum ließ es sich leicht erahnen, wie schön die Natur in dem zum Nationalpark erklärten Gebiet ringsum sein musste. Berat galt als eine der schönsten, manche Reiseführer schrieben die schönste Stadt Albaniens. In den drei historischen Bezirken war so gut wie kein Neubau erlaubt, um das Häuserbild zu erhalten. Die Straßen jedoch waren bzw. wurden gerade erneuert und es gab eine großzügige gepflasterte Fußgängerzone mit zahlreichen Restaurants und Cafés und einem Park, die Wohlfühlatmosphäre vermittelte. Wir wohnten direkt in der Altstadt und als wir vom Bus kamen, kam uns unser Vermieter bereits entgegen, damit wir das Haus auch fanden. Es war im Gegensatz zu den bisherigen Wohnungen, wo wir häufig die Vermieter nie kennenlernten und mit Code ins Haus kamen, eher familiär. Die Familie wohnte neben uns, der Balkon ging ums Haus herum und war gleichzeitig Zugang zu den Wohnungen. Wir hatten einen Tisch und Stühle vor unserer Tür und konnten bei schönem Wetter morgens früh unser Frühstück draußen serviert bekommen. Ja, dieses Mal war sogar Frühstück (auch vegetarische Variante) im Preis von 30€ pro Nacht enthalten für eine Wohnung mit Küche, Schlafzimmer, Wohnflur mit Esstisch, Bad und Balkon. Die Preise sind waren ein Stück niedriger als in Tirana und besonders als in Serbien. Nicht unbedingt in den Lebensmittelläden, aber z.B. beim Bäcker zahlten wir für zwei Ringe mit Sonnenblumenkernen und zwei käsegefüllte Blätterteigstücke zusammen ca. 70 Cent. Ein preiswertes Abendessen. Für unser Essen in einem guten Restaurant, gegrillter Seebrass für mich, gefüllte Aubergine für Stefan, 1 Portion Pommes, 1 griechischer Salt, eine 0,7 l Flasche Wasser, 1 x Cappuccino und 1 x Dessert zahlten wir zusammen 18,50€. Da lohnte es sich kaum noch zu kochen, denn so reichhaltig aßen wir natürlich nicht immer. Die Busfahrten in den Städten waren immer nur Centbeträge und die lange Fahrt Tirana-Berat kostete uns zusammen gerade mal 8,81€, nur mal so zur Info, um eine Vorstellung zu bekommen. Am nächsten Tag nahmen wir uns vor, zur Burg hochzusteigen und den Blick über die Stadt und das Tal zu genießen. Ich freute mich schon darauf.
Montag, 8.5.2023 Berat Wie geplant besuchten wir heute die Burganlage und stiegen die 10% ige Steigung dort hoch. Von oben bot sich, wie erwartet, ein toller Ausblick. Man konnte ein Stück auf der Festungsmauer der aus dem 13. Jahrhundert erbauten Burg laufen. Es gab noch Reste einer alten Zitadelle, eine byzantinische Kirche, Wohngebäude und Reste zweier zerstörter Moscheen. Die Anlage war also recht groß. Auf dem Rückweg aßen wir im Restaurant ein für Albanien typisches Essen. Ich hatte gebackenen Schafskäse mit Tomaten und Paprika und Stefan gefüllte Champignons, dazu Pommes Frites. Nach einer Siesta in unserer Unterkunft genossen wir auf unserem Balkon frische Erdbeeren vom Stand um die Ecke mit Schokoladeneis von der Eisdiele. Als wir gerade fertig waren, kam unser Vermieter und brachte uns je ein Stück selbstgebackenen Kuchen. Hätten wir so weitergemacht, hätten wir demnächst einen Ticketaufschlag für Übergewichtige zu zahlen. Von weitem hörten wir Lautsprecher und unser Vermieter entschuldigte sich für den Lärm, aber sie hätten bald Wahlen und der Präsident hielte gerade eine Wahlrede im Ort. Wir hatten uns zuvor schon über ein erhöhtes Polizeiaufkommen gewundert, im Anbetracht dessen aber, dass gerade der Staatspräsident eine Rede auf einem öffentlichen Platz hielt, war die Absicherung nur ein Bruchteil von dem, was bei uns bei Politikern häufig so aufgefahren wird. Wir guckten kurz beim Platz vorbei, konnten aber nicht viel sehen außer Menschen, die mit albanischer Flagge wedelten und Applaus spendeten, alles sehr sittsam. Dann machten wir uns auf die Suche nach einem Friseur für Stefan, den wir aber nicht fanden. Von einem Berber, was wohl so viel wie Barbier hieß und von dem wir den typischen arabischen Haarschnitt erwarteten, der ja auch bei uns immer mehr kommt, wollte er sich nicht verunstalten lassen. Wir beide fanden diesen Schnitt mit rasierten Seiten und Haarschopf auf dem Kopf – mal davon abgesehen, dass er dafür gar nicht genug Haare gehabt hätte – hässlich. Erfolgreicher waren wir auf der Suche nach einem Geldautomaten, und wir fanden ein Reisebüro, wo wir uns bereits unsere Bustickets von Tirana nach Istanbul kaufen konnten, so gingen wir keine Gefahr ein, am Sonntag leer auszugehen. Unsere Planung war jetzt also, am übernächsten Tag von Berat nach Gjirokaster, einer Stadt weiter im Süden, die auch sehr nett sein sollte, zu fahren, am Samstag von dort mit dem Bus zurück nach Tirana und am Sonntag dann über Nacht ca. 18 Std per Bus über Griechenland in die Türkei zu fahren. Dort konnten wir dann wieder auf den Zug umsteigen. Wie viel lieber wäre ich die Strecke dorthin auch mit dem Zug fahren, aber es war einfach unmöglich.
Dienstag, 9.5.2023 Berat Der heutige Tag war Wandertag. Ich hatte eine Wanderung bei Komoot gefunden, die zwar hoch hinausgehen sollte, aber unter „leicht“ angegeben war. Wir liefen also auf die andere Flussseite und von da an hätte ich eine halbe Stunde lang denjenigen, der die Tour eingestellt hatte, den Berg runter schubsen mögen. Es ging schnurstracks auf einem zum Teil kaum noch erkennbaren Single Trail aus Schotter steil den Berg hoch! Nach den ersten 50 Metern bin ich nur noch weitergelaufen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, heile auf diesem Weg wieder runterzukommen und wusste, dass der Abgang woanders wohl nicht so steil sein würde. Von der Natur her war der Weg aber eigentlich schön mit Bäumen und blühenden Blumen. Oben angekommen standen wir vor einem unscheinbaren Denkmal aus sozialistischen Zeiten. Ab hier wurde der Weg wirklich schön. Er blieb etwa auf einer Höhe, wir hatten einen tollen Blick auf das Tal mit Berat und der Burg auf dem Hügel gegenüber und besonders schön war, dass es rund um uns in allen Farben grünte und blühte. Der Weg fiel langsam ab auf einem Fahrweg, der aber höchstens mit Allradantrieb zu bewältigen war. Unten kamen wir nach Velabisht und der gleichnamigen uralten Steinbrücke von 1774. Entlang des Flusses Osum wanderten wir zurück nach Berat. Hier, wie auch bei uns im Ort, herrschte überall rege Bautätigkeit. Wie bereits bei der sehr gelungenen Fußgängerzone, wurde auch hier die Straße gepflastert. Hier in Berat verstand wirklich jemand was davon, einen Ort lebenswert zu gestalten. Die Arbeit ging auch voran und man sah, wie aktiv hier gearbeitet wurde. Albanien und das Schmuckstück Berat wird in ein paar Jahren sicher aus der Tourismusbranche nicht mehr wegzudenken sein. Eine lustige Sache muss ich aber noch erwähnen: Albanien ist mit 57% Muslimen, 2% Aleviten und 17% orthodoxen und katholischen Christen ein islamisches Land. Wir hatten es hier also mit den Rufen der Muezzine zu tun, die mich aber bisher weder gestört noch geweckt hatten. Anders ging es wohl einem Straßenhund vor unserer Tür. Ihm schien der Gesang nicht zu gefallen, denn sobald der Ruf erschallt, heulte er herzzerreißend mit, solange, bis der Ruf beendet war. Als wir das zum ersten Mal hörten, mussten wir echt lachen.
Mittwoch, 10.5.2023 Berat – Gjirokaster Heute Morgen bekamen wir zu unserem letzten Frühstück außer dem bisherigen aus Brot, Spiegelei, Marmelade, Gurken, Tomaten und Oliven noch ein Gebäck, das wie ein dicker Pfannkuchen aussah, vergleichbar mit Pickert, wie ich ihn aus Bielefeld kannte. Dazu gab es Feigen, echt lecker. Gegen Mittag begaben wir uns zum Busbahnhof und fuhren mit einem Kleinbus nach Gjirokaster, ca. 2,5 Std Fahrtzeit südlich von Berat. Unterwegs kamen wir an einer wunderschönen Flusslandschaft des Flusses Lumi Drino, hinter dem sich grüne Hügel erhoben, entlang. Leider begann es dann zu gießen, sodass wir in strömendem Regen in Gjirokaster ankamen. Zum Glück holte uns unser Hostelbesitzer vom Busbahnhof ab. Ich lernte das noch mehr zu schätzen, als ich die Strecke kennenlernte. Es ging die ganze Zeit bergauf, zumeist auf Kopfsteinpflaster, was meinem Rollkoffer-Rucksack sicher nicht gut bekommen wäre. Der Ort schien wunderschön zu sein, aber auf regennassem Kopfsteinpflaster bergauf, bergab zu laufen, war eine recht rutschige Angelegenheit. Nach dem Einchecken begaben wir uns noch auf die Suche nach einem Restaurant, um zu Abend zu essen, liefen aber zuerst in die falsche Richtung und alle Restaurants hatten geschlossen. Letztendlich fanden wir das Basarviertel und dort hatte alles geöffnet und wir konnten dem Regen entfliehen. Nach dem Essen erwischten wir eine Regenpause, um nach Hause zu gehen. Wir hofften, am kommenden Tag die Stadt noch bei trockenem Wetter erkunden zu können.
Donnerstag, 11.5.2023 Gjirokaster Unser Tag war voller Gedanken an unsere Tochter Antigone, denn zum ersten Mal auf unseren Reisen waren wir ständig umgeben von ihrem Namen. Wir frühstückten bei einem Bäckerei-Imbiss namens „Antigonea“. Sie boten die leckersten Torten, Teilchen und Kekse, sowie gefüllte Pita oder Sandwiches an. Danach erklommen wir den Berg zur Festung von Gjirokaster. Hier gab es , so schien es, keine Stadt ohne Festung und natürlich ging es immer steil bergauf auf Kopfsteinpflaster. Das sah super aus, war aber echt anstrengend, denn es ging erst steil bergab von unserem Hostel und danach steil bergauf zur Burg. Ein super Ausblick belohnte uns dafür. Er wäre zwar bei klarem Wetter noch besser gewesen, aber wir wollten nicht meckern, denn es war bis ca. 14:30 trocken entgegen der Vorhersage des Wetterberichts. Die Festung hatte riesige Ausmaße und stammte vornehmlich aus osmanischer Zeit. (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Burg_von_Gjirokastra). In der Nähe der Burg befand sich der „Tunnel des kalten Krieges“ was natürlich nichts anderes war, als wieder ein Bunker für die wichtigsten Mitglieder der ehemaligen kommunistischen Diktatur. Der Tunnel hatte Verbindung zur Festung und politische Gefangene, die dort einsaßen, konnten so zum Verhör in den Tunnel geschafft werden. Der Bunker hatte wiederum alle Vorkehrungen gegen atomare und chemische Angriffe. Bis zu 3 Monaten war sichergestellt, dass die kommunistische Elite hier leben und herrschen konnte. Danach ging der Strom aus, der durch Diesel betrieben wurde. Ich denke, nach drei Monaten dort unter der Erde, hätten die meisten noch andere Probleme gehabt, als dass es nur dunkel geworden wäre. Das Militär hatte zur damaligen Zeit dort jährlich drei Wochen Wehrübung. Da es nicht zum Kriegsfall kam, konnte die kommunistische Führung getrost in der Moschee residieren, denn alle religiösen Stätten waren zur kommunistischen Zeit verboten. In Berat hatten wir bei einer Führung mithören können, dass sogar die Universität geschlossen wurde. Man wollte sich der Intellektuellen entledigen. Heute war in dem Gebäude ein Edelhotel. Als wir es in Berat zum ersten Mal sahen, hielt ich es für eine Kathedrale aufgrund seiner würdigen Ausstrahlung. Auf dem Weg zur Festung in Gjirokaster war in die Bodensteine ein Spruch eingepägt, der in etwa bedeutete, dass Gjirokaster von solch wunderbarer Landschaft umgeben ist, dass Künstler, strengten sie sich auch noch so an, ob ihrer eigenen Unfähigkeit wütend würden, weil sie eine derartige Perfektion nie erreichen könnten. Ja, die Stadt hat mit ihrer Lage und ihrer wunderbaren Architektur wirklich eine 1 mit * verdient, wohnen wollte ich hier dennoch nicht. Für alte Menschen, Gehbehinderte und Autofahrer mussten diese steilen und noch dazu engen Kopfsteinpflasterstraßen, die sicher 10% und mehr Steigung hatten, ein Albtraum sein. Zum Mittagessen gingen wir wieder zu unserer Antigonea und aßen ein Pitabrot. Wir rungen lange mit uns, ob wir für den Rest des Tages noch ein Auto mieten oder ein Taxi anheuern sollten, denn vor der Stadt lag die Ausgrabungsstelle einer der größten antiken Städte Albaniens mit dem Namen ANTIGONEA! Wie gesagt, unsere Tochter verfolgte uns den ganzen Tag. Wir entschieden uns dennoch dagegen, einen Mietwagen zu nehmen. Zum einen sah die Strecke auf der Karte so aus, als könnte es sich um Schotterpiste handeln, die ggf nicht mit normalem PKW befahrbar war und außerdem fanden wir mindestens 30€ für einen halben Tag, der uns noch blieb, zu teuer. Ein Ausflug mit Guide hätte uns sogar 90€ gekostet. Ein bisschen viel für ein paar alte Steine, auch wenn es schade war. In unserem Hostel lernten wir einen älteren türkischen Professor kennen, der ein Sabbat-Jahr machte und sich seinen Lebenstraum erfüllte, mit dem Rad von Istanbul nach Spanien zu reisen. Den Anfang über Bulgarien, Mazedonien bis hier hatte er geschafft, er wirkte dennoch nicht so, als würde er die Tour bis August, wie geplant, schaffen. Er machte seine erste größere Tour und sein Equipment erschien nicht besonders hochwertig zu sein. Er war mindestens in unserem Alter, also auch kein junger, sportlicher Mensch. Wir unterhielten uns mit ihm auch über die Wahl in der Türkei und fragten ihn, ob er am Wochenende, wenn wir nach Istanbul führen, mit Demonstrationen rechnete, wenn Erdogan nicht gewinnen sollte, aber er verneinte das. Von ihm bekamen wir auch die interessante Info, dass es in der Türkei unterschiedliche Pässe gab. War man im öffentlichen Dienst beschäftigt, bekam die ganze Familie einen grünen Passe und mit dem braucht er für kaum noch ein Land auf der Welt (außer USA/Kanada) ein Visum. Der schien also fast noch besser zu sein, als unser europäischer Pass, mit dem sich ja bereits viele Türen öffnen.
Freitag, 12.5.2023 Fahrt Gjirokaster -Tirana Von diesem Tag gab es nicht viel zu berichten. Unsere Busfahrt zurück klappte ohne Probleme und unser Zimmer direkt neben dem internationalen Busbahnhof konnten wir pünktlich beziehen. Für die letzte Nacht hatten wir nun wieder ein Zimmer mit eigenem Bad. Das Hostel war zwar ganz OK und man lernte so auch enmal ein paar Leute kennen, aber nur einen Waschraum für alle Geschlechter ohne jede Abtrennung fand ich dann doch nicht so toll. Die Duschen waren ok, wenn es auch immer eine Kunst war, sich unter der Dusche seine trocknen Klamotten anzuziehen. Entweder tropft es von oben, oder die Hose berührte den nassen Boden oder gleich beides und nachts der Toilettengang durchs ganze Haus war auch nicht schlaffördernd. Vor einer 18-stündigen Busfahrt sollte man sich da schon lieber etwas mehr Komfort erlauben, vor allem wenn es nur 8€ teurer war, dafür aber für jeden ein Frühstück enthielt. Wir wollten heute eigentlich in Tirana noch ein Glaubenshaus der Bektashi, des größten alevitisch-islamischen Derwischordens laut Wikipedia, besuchen, scheiterten aber am Bussystem. Die Busnummer laut Internet war nicht zu finden und die Buskontrolleure, die wir fragten, konnten mit dem Ziel nichts anfangen. Für etwas anderes war es auch bereits zu spät, daher kosteten wir noch ein letztes Mal die albanische Back- und Kochkunst aus und begaben uns zurück zu unserer Unterkunft. Der nächste Tag versprach sehr lang zu werden bis wir am Tag drauf morgens gegen 5:00 in Istanbul ankommen sollten.
https://youtu.be/hPw1DcKHTWI
Samstag, 13.5.2023 Tirana- Istanbul Unsere letzte Unterkunft in Tirana hatte eine geniale Lage, direkt neben dem Busbahnhof. Wir mussten um 10:00 beim Bus sein und es reichte, 5 Minuten zuvor loszugehen, wobei ich meine Sicherheitsminuten durchsetzte und wir 10 Minuten zuvor losgingen ?? Das Frühstück war hingegen eine Enttäuschung: ein Croissant und ein Espresso für Jeden, ohne Geschirr, sondern noch in der Bäckertüte. Stefan ging gleich nochmal los zu unserem am Vortag bereits ausgekosteten Bäckerei- Patisserie- Imbiss und holte noch gut belegte Sandwiches. Am Busbahnhof lief alles wie geplant und wir hatten einen großen und guten Bus und das sogar mit nur 6 weiteren Fahrgästen und 4 Personen Personal. Die Landschaft, besonders in Albanien, zeigte sich unterwegs noch einmal in aller Schönheit: grüne Berge, türkiser Fluss, im Hintergrund sogar noch einmal Bergspitzen mit Schnee. Gegen die Fahrt konnte man eigentlich auch überhaupt nichts sagen, bis darauf, dass die zwei Busfahrer beide rauchten und der eine so viel, dass er sich jede neue Zigarette an der anderen anzündete. Wir saßen vorne in der zweiten Reihe und bekamen die ganze Zeit den Rauch und die Musik ab, auch nachts. Der ältere Busfahrer war noch erträglich, aber sein Kollege fuhr neben dem Rauchen auch noch wie ein Verrückter und hupte, sobald er auch nur etwas abbremsen musste. Als wir gegen zwei Uhr morgens, drei Stunden zu früh, in Istanbul ankamen, sah Stefan, dass er sogar eine rote Ampel überfuhr. Bei beiden Grenzen, sowohl Albanien-Griechenland als auch Griechenland-Türkei mussten wir aussteigen und zu Fuß zum Grenzschalter gehen. Bei der Ausreise aus Albanien sogar mit allem Gepäck, wofür sich aber niemand interessierte. Wir kamen ohne Probleme durch und das Buspersonal kaufte munter in den Duty-Free Shops ein, sicher weit mehr, als erlaubt war. Wenn wir es richtig gedeutet haben, ließen sie die türkischen Fahrgäste auch auf deren Ausweis noch die erlaubten Mengen zusätzlich kaufen. Uns behelligte niemand. Da wir viel zu früh in Istanbul am gigantischem Busbahnhof Otogar in Esenler ankamen und unsere gebuchte Unterkunft erst ab 14:00 verfügbar war, mieteten wir uns beim „Otel Lider“, direkt am Busbahnhof, für die folgenden Stunden bis 12:00 mittags noch ein Zimmer. Für 50€ hatten wir schon bessere Unterkünfte, aber wir waren halt in Istanbul und mitten in der Nacht, direkt am Busbahnhof, konnte man wohl nicht mehr erwarten. Das Zimmer war ziemlich in die Jahre gekommen und das Bett sehr schmal und für Stefan zu kurz, aber wir hatten eine heiße Dusche und WLAN, um mit unseren Lieben Kontakt aufnehmen zu können. Gestört hat hauptsächlich, dass auch hier der Geruch von abgestandenem Rauch in der Luft hing. Wir hatten allerdings beim Check-in auch nicht explizit nach Nichtraucherzimmer gefragt. Der Rezeptionist sprach eh nur türkisch und russisch. Gegen das Frühstück konnte man nichts sagen, es war rein vegetarisch, ohne jede Wurst, wobei wir nicht wussten, was für eine Suppe im Topf war. Es gab Käse, Tomaten, Gurken, Oliven und Portionspackungen Marmelade, Honig, Butter und einen süßer Aufstrich mit Tahini (Sesam). Kaffee war leider nur in Nescafé Version zu haben und schwarzer Tee war natürlich auch da. Alles in allem war es also ok und wir gespannt, was uns der Tag so bringen würde. Sonntag, 14.5.2023 Istanbul Viel zu berichten gibt es über diesen Tag nicht. Nachdem wir unser „Stundenhotel“, was natürlich keines war, aber sicher häufig nur für Stunden von Leuten genutzt wird wie uns, die mitten in der Nacht auf dem Busbahnhof ankommen oder abfahren müssen. Wir machten uns nach dem Frühstück auf den Weg, um Sim-Karten zu besorgen, bekamen aber keine, obwohl sie überall von Vodafone, Turkcell und Telecom angeboten wurden. Das Problem war, dass die kleinste Karte 20 GB hatte und einen Monat gültig war, dafür aber mindestens 600 TL ( 28€) rund um den Busbahnhof sogar 850 TL (fast 40€) kosten sollte. Wir wollten aber keinen ganzen Monat in der Türkei bleiben und so viel Datenvolumen brauchten wir auch nicht. Außerdem hatten wir über viel günstigere Angebote im Internet gelesen und auch der Vermieter unserer Unterkunft meinte, dass wir nicht über 400 TL zahlen müssten. Er versprach, am kommenden Morgen mit uns zu einem Laden um die Ecke zu gehen und uns beim Kauf zu unterstützen, echt nett! In den Läden wurde aber, abgesehen von Sim Karten der Verfall der Lira schon sehr deutlich. Bei Restaurants waren die Preise oft durchgestrichen oder weggekratzt und neue drübergeschrieben. Ein Telefonladenverkäufer bestätigte uns auch, dass vor vier Monaten die Karten, die jetzt 600 TL kosteten, noch für 300 TL über den Tisch gegangen waren. Die Inflation war wirklich krass. Wir waren gespannt, wie sich das auf die an diesem Tag stattfindende Wahl auswirken würde. Gäbe es danach eine Türkei ohne Erdogan an der Spitze? Bezüglich Internet behalfen wir uns vorerst mit WLAN im Apartment, aber ohne Karte konnte es auf Dauer nicht gehen, allein schon für die Orientierung in der Stadt und in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Für letztere hatten wir direkt aufladbare Karten beim der Metrostation am Busbahnhof besorgt. Ein Mitarbeiter half uns, wobei man sagen muss, dass wirklich sehr wenig Englisch hier gesprochen oder verstanden wurde. Stefan meinte sich erinnern zu können, dass das damals, bei unserem Besuch 1987, noch besser war. Wir fanden unseren Weg zum Taksim Platz, in dessen Nähe wir unsere Unterkunft hatten, indem wir vorher die Karte downloadeten. Unser Apartment war klein, aber ok für drei Nächte. Ein bisschen blöd war die Wascherei der Klamotten im Waschbecken, aber ohne ging es nun mal nicht. Bei einem Rundgang durch die Umgebung konnten wir feststellen, dass es in Deutschland einfacher zu sein schien, vegetarisches Essen zu bekommen. Wir waren in mehreren Dönerläden, aber das Einzige vegetarische was zu finden war, war Linsensuppe und Salat. Es dauerte eine Weile, bis wir ein käsegefülltes Blätterteiggebäck in einem Imbiss fanden und es mit Ayran zusammen genießen konnten. Die Lebensmittelgeschäfte ringsum hatten ebenfalls keine besonders große Auswahl und hohe Preise. Viel selbst kochen war allerdings auch mit unserer Küchenausstattung kaum möglich. Am Abend gab es Nudeln mit Pesto Soße, die Stefan mit frischen Tomaten, Paprika und Kichererbsen aus der Dose verfeinerte. An diesem Tag hatten allerdings auch etliche Geschäfte wegen der Wahl geschlossen, das war aber bisher das Einzige, was wir diesbezüglich beobachten konnten. Wir hofften, dass es so blieb, wenn die Ergebnisse ausgezählt wurden. Es war vielleicht ganz gut, dass Erdogan in Ankara war und nicht wie geplant in Istanbul. Am Nachmittag schlief ich noch eine Runde und das so gut, wie schon seit langem nicht mehr. Die letzte Nacht in dem kalten Rauchgeruch im Hotel und im Bus verlangte ihren Tribut. Am Abend verfolgten wir die Auszählungen der Wahlzettel. Es sah sehr knapp aus für Erdogan.
Montag, 15.5.2023 Istanbul Am Morgen erfuhren wir durch das Fernsehen, dass es zu einer Stichwahl kommen würde zwischen Erdogan und K?l?çdaro?lu. Wir begannen unsere Unternehmungen erst gegen Mittag, weil wir beide lange schliefen und es hier in der Türkei noch dazu eine Stunde später war als in Mitteleuropa. Unser Vermieter half uns, eine SIM-Karte für 500 TL/15 GB zu kaufen, sodass wir jetzt wieder unterwegs online waren. Danach begaben wir uns auf den Weg zum Hauptbahnhof Sogutlucesme, der nicht wie erwartet im europäischen Teil der Stadt war, sondern auf der asiatischen Seite. Wir fuhren dafür mit der Metro vom Taksim Platz bis zur Haltestelle Yenikapi und stiegen dort in die Mamaray Metro, eine Art Schnellmetro, die nur selten hielt und zwischen Europa und Asien pendelte. Das tolle war, dass wir mit einer Karte alle öffentlichen Verkehrsmittel in Istanbul nutzen konnten, natürlich ohne Taxis. Jede Fahrt auf einer Linie, egal wie lang, kostete laut Reiseführer 10 TL, also 50 Cent. Musste man umsteigen, kostete es nochmal dasselbe. (Im Nachhinein kann diese Angabe aber nicht ganz stimmen, denn uns wurden unterschiedliche Summen abgebucht, wobei wir nicht erkennen konnten, wonach die Berechnung ging). Diese Karte konnten wir am Automaten immer wieder mit Geld aufladen. Man musste abschätzen, wie oft man vorhatte zu fahren. Es war somit besser, häufiger kleine Beträge draufzuladen, als am Schluss nicht alles zu verbrauchen. Es stellte sich aber später heraus, dass man eh immer nur kleine Beträge draufladen konnte. Im Bahnhof war es für uns dann ziemlich enttäuschend. Wir wollten eigentlich mit dem Lake View Express (Van Gölü Ekspresi) von Ankara nach Tatvan fahren, was eine ganz besonders schöne Strecke in den äußersten Osten der Türkei mit Ausblicken auf Berge, Seen, Klöster etc. sein sollte. Er fuhr ca. 25 Std und hatte Schlafwagen. Leider war die einzige Möglichkeit nur noch am folgenden Tag und nur Sitzplätze in der zweiten Klasse, statt Schlafwagenabteil. Zum einen hatten wir unsere Unterkunft bis für drei Nächte gebucht und außerdem wollten wir Schlafwagen fahren. Auch den Eastern Express (Dogu Ekspresi) nach Kars hätten wir nur noch mit 4 Liegen buchen können. Wir hatten uns aber nun mal ein Zweibettabteil in den Kopf gesetzt, also ging das auch nicht. Wir mussten ja auch wieder zurückkommen und die Züge waren extrem begehrt. Wir buchten daher erstmal für Mittwochabend den Nachtzug von Ankara nach Izmir und planten dann morgens von Istanbul nach Ankara zu fahren. Für diese Nachtfahrt bekamen wir noch eine Zweibett-Kabine in der zweiten Klasse. Es war leider keine der Panoramastrecken, aber zumindest ein Highspeedzug. Nachdem wir mindestens eine Stunde mit der Buchung im Bahnhof beschäftigt gewesen waren, gingen wir erstmal einen Kaffee trinken und suchten danach eine Moschee, die es aber gar nicht dort gab, wo sie laut Google sein sollte. Was wir aber dabei fanden, war das Viertel Kadiköy auf der asiatischen Seite, das für seine Gassen mit Streetart, alternativen, trendigen Cafés und Boutiquen bekannt war, die sich hier aneinanderreihten und wo es viel entspannter war, als im normalen Großstadtgewühl. Es fuhren weniger Autos, Menschen relaxten in Cafés oder arbeiteten an Laptops und man fand mehrere Restaurants und Läden, die vegane und vegetarische Mahlzeiten anboten. Das nutzten wir aus und stellten uns je einen Teller mit unterschiedlichen Salaten zusammen für je 3€. Das Viertel gefiel uns gut und wir bereuten, unsere Unterkunft nicht im asiatischen Teil gebucht zu haben. Vielleicht konnten wir das noch auf der Rückreise nachholen. Weiter ging’s zur Sakirin Moschee. Sie war sehr neu, von 2009, und modern und laut Internet von einer Frau gestaltet worden. Sie hatte innen einen leuchtend blauen Boden und einen gleichfarbigen Bogen, in dem beim Gebet wahrscheinlich der Imam als Vorbeter stand. Im Hof war ein Springbrunnen. Die Moschee befand sich auf dem größten Friedhof der Türkei und einem der größten der Welt, dem Karacaamet Friedhof. Als wir dort waren, kamen gerade sehr viele Menschen aus der Moschee und wir vermuteten, dass es sich um eine Beerdigung handelte, denn der Iman hielt auch draußen noch eine Rede und wir sahen große Gestecke. Mir wurden allmählich die Beine schlapp, so begaben wir uns auf Umwegen in Richtung einer Metrostation. Dabei kamen wir an einer großen Mall vorbei, die von außen aber mehr hermachte als von innen. Irgendwie sehen Malls alle gleich aus und haben dieselben Geschäfte. Etwas weiter kamen wir ans Wasser des Bosporus, genauer gesagt dorthin, von wo die Fähren abfuhren zum europäischen Teil der Stadt. Da wir wussten, dass wir mit unserer Karte auch die Fähre nutzen konnten, fanden wir es eine super Idee, auf diese Weise zurück in den anderen Teil der Stadt zu fahren. Wir wussten nicht, wie der Fähranleger auf der europäischen Seite hieß, aber da gerade eine Fähre kam und alle Leute durch die Drehkreuze eilten, taten wir es ihnen gleich. Ich äußerte zwar noch meine Bedenken, ob wir richtig wären, aber Stefan meinte „egal, wenigstens Schiff fahren“. Unterwegs bemerkten wir dann, dass wir nicht auf die andere Seite, sondern entlang der Küste fuhren und inzwischen ging die Sonne schon unter. Nach geschätzten 20 Min legte der Kapitän an und wir fanden heraus, dass heute auch keine Fähre mehr nach Europa rüber führe. Es war trotzdem schön, auch mal dort mit dem Schiff gefahren zu sein. Wie gut, dass wir mit dem Handy eine Alternative rausfinden konnten. Wir fuhren dieselbe Strecke mit dem Bus zurück und vom Fähranleger wieder mit der Metro nach Hause. Inzwischen war es dunkel und die Taksim Moschee strahlte uns schön beleuchtet entgegen als wir aus dem Metroschacht kamen.
Dienstag, 16.5.2023 Istanbul Wir begaben uns heute ins Touristengewimmel. Auf dem Weg dorthin benutzten wir nun auch die Straßenbahn. Unser erstes Ziel war die Cisterna Basilica, die auch der „Versunkene Palast“ genannt wurde und wobei es sich um eine spätantike Zisterne handelte. Man stieg in die Unterwelt und hatte einen palastartigen Raum mit beeindruckenden Säulen im Wasser vor sich. Durch unterschiedliche Beleuchtung gewann der Raum eine faszinierende Atmosphäre. Zur Zeit unseres Besuches fand im Wasser eine Kunstausstellung statt, deren Bedeutung folgendermaßen erklärt wurde: „Die Werke, die unsere Seelen widerspiegeln, die jeden Tag mehr mit den Auswirkungen des ökologischen, soziologischen, politischen und ethischen Verfalls zu kämpfen haben, sprechen das Publikum aus einer Atmosphäre magischer Realität an. Diese Figuren verlassen die Landschaften von Traumuniversen, in denen wir uns unter der Decke verstecken und manchmal entkommen, wenn die Wahrheit wehtut.“(Schautafel) Den Besuch der Zisterne fanden wir beide sehr beeindruckend. Sie befand sich nur wenige Meter von der bekannten Moschee Hagia Sophia, die wir dieses Mal nur von außen anschauten, da wir 1987 bereits drinnen waren und der Sultan Ahmed Moschee und dem Sultan Ahmed Mausoleum, die wir beide besichtigten. Beide Gebäude und auch der Park mit den Wasserspielen fanden wir sehr schön gestaltet. Dieses Gebiet war natürlich sehr stark touristisch besucht, aber es war noch gut zu ertragen. Es dürfte sich gerade um die schönste Zeit gehandelt haben: sonnig, aber nicht zu heiß und die Touristenströme noch überschaubar. Weiter ging’s zum Großen Bazar, der uns aber nicht mehr so faszinierte wie damals. Vielleicht hatten wir inzwischen schon zu viele Bazare gesehen und waren von dem orientalischen Flair marokkanischer, ägyptischer und osmanischer verwöhnt. Schmuck, Textilien und Teppiche interessierten uns nicht und Gewürze und Handwerkskunst kamen uns an dieser Stelle etwas zu kurz, Obst, Gemüse und Essensstände sahen wir gar keine. Was mich jedoch immer, egal ob im Bazar oder in Geschäften völlig begeistern konnte, war die Auswahl und die hervorragende Präsentation von Patisserie Produkten und türkischen Süßwaren. Ich meine damit nicht unbedingt so süße Sachen wie Baklava, sondern Gebäck aus oder mit Nüssen, Datteln, Pinienkernen etc. Das sind alles kleine Kunstwerke und ich hätte mich dort täglich durchschlemmen können. Leider oder vielleicht auch zum Glück waren sie zu teuer, um sich damit einzudecken. Nach dem Bazar kamen wir durch ein Viertel, was anscheinend fast ausschließlich von Farbigen bewohnt wurde. Zeitweise waren wir die einzigen Weißen auf der Straße. Obwohl es sehr bunt und geschäftig war, fanden wir es totlangweilig und eintönig. Es reihten sich auf beiden Straßenseiten unendlich viele Klamottengeschäfte aneinander. Es hatte leider weder einen Touch Afrika, noch waren die Geschäfte auch nur irgendwie interessant dekoriert. Es waren einfach zig gleichartige Shirts, Hosen, Kleider etc. in mehreren Farben und in unendlicher Menge neben- und übereinander aufgehängt. Was aber die Sache am eintönigsten machte, war, dass außer ein paar Hotels absolut nichts anderes dort war. Keine Restaurants, Cafés oder irgendwas, was diese Textilwelt mal unterbrochen hätte. Umso länger wir die Straße herunterliefen, umso mehr bekamen die Geschäfte Boutique-Charakter und die Hautfarbe der Verkäufer wurde erst gemischt und dann wieder nur noch weiß. Als dann endlich wieder Gastronomie auftauchte, waren wir bereits in der gehobenen Preisklasse angekommen und erreichten unsere Haltestelle, um zum Pierre Loti Hill zu fahren. Man konnte auf den Hügel per Gondelbahn fahren, aber die Schlange war so lang, dass wir es vorzogen, die ca. 900 m den Berg hochzulaufen. Der Weg ging entlang eines Friedhofs mit vielen alten Grabsteinen mit arabischer Schrift. Eigentlich hatte ich ehr einen Park hier erwartet, aber da hätte ich wohl die Beschreibung vorher besser lesen müssen. Was aber zutraf war, dass sich oben Cafés und Stände terrassenartig am Hügel befanden und man einen schönen Blick auf einen Teil der Stadt hatte. Hinunter ging es ebenfalls zu Fuß und dann zurück mit dem Bus zu unserer Unterkunft.
https://youtu.be/KrxmzFhgmJs
Mittwoch, 17.5.2023 Istanbul -Ankara- Izmir (Nachtzug) Yeah, es klappte alles, wir waren in unserem ersten türkischen Nachtzug und hatten wirklich eine Zweibett-Kabine für ~26€. Um die Mittagszeit checkten wir bei unserer Unterkunft aus und gingen im Regen zur Metro. Zum Glück war der Weg nur kurz. Dann ging es mit Metro und Mamaray Metro zum Istanbuler Hauptbahnhof Sügütlecesme, was wir ja zuvor bei der Reservierung schon einmal testen konnten. Wir hatten noch Zeit für einen Kaffee und dann ging es mit modernem Hochgeschwindigkeitszug nach Ankara. Er war von innen vergleichbar mit unseren ICEs würde ich sagen. Was anders war, war, dass man zum Bahnsteig durch eine Sicherheitskontrolle ging wie beim Flughafen. Das Gepäck wurde durchleuchtet und man lief durch Metalldetektoren. Danach wurden die Tickets und Pässee gecheckt und dann konnte man einsteigen. So ersparte sich die Bahn die Fahrkartenkontrolleure im Zug. Nach 4 Stunden und 51 Minuten fuhren wir in Ankara ein mit 7 Minuten Verspätung. Das gab es also auch hier. Dort wurde es etwas unübersichtlich, weil der Bahnhof dort auf mehreren Ebenen war und auf der Anschlagtafel unser Zug nicht auftauchte. Mit Englisch kamen wir nicht weiter, aber mit Händen und einer Ladung Türkisch wurde uns klargemacht, dass wir vom anderen Bahnhof abfahren müssten. Das war erstmal eine Schreckminute, aber uns wurde bald klar, dass wir auf dem Highspeed-Bahnhof angekommen waren und auf der anderen Seite der Gleise der herkömmliche Bahnhof zu finden war. Dort im alten Bahnhofsgebäude hatte Kemal Atatürk nach dem Besuch der Landwirtschaftsschule an seinen ersten Tagen in Ankara gewohnt. Heute befand sich in dem Gebäude ein Eisenbahnmuseum und der Wagon, in dem er aufs Land gefahren war, war neben dem Bahnsteig zu bewundern mit seinem Konterfei in einem Fenster. Um kurz vor 8:00 fuhr unser Zug ein und wir freuten uns nun über das komfortablere Abteil im Vergleich mit dem Nachtzug zwischen Budapest und Bukarest. Hier hatten wir einen ausziehbaren Tisch, einen Kühlschrank mit Wasser und Snacks, eine Waschbecken und sogar Hotelschlappen. Dieses Mal wurden wir auch nicht von irgendwelchen Zöllnern in der Nacht geweckt, also hofften wir auf eine ruhige Nacht.
Donnerstag, 18.5.2023 Izmir Wir kamen mit 2,5 Std Verspätung in Izmir an, aber wenn man sowieso erst um 12:00 das Gepäck abgeben und um 14:00 in der Unterkunft einchecken kann, war es ehr eine Freude, statt gegen 8:30 erst gegen 11:00 anzukommen. Wir genossen unser gemütliches Abteil und hatten uns etwas zu essen fürs Frühstück mitgenommen, sodass wir entspannt der Ankunft entgegen sehen konnten. Wir ließen uns im Speisewagen noch einen Kaffee geben, wobei der Service wirklich katastrophal war. Man drückte uns einfach Nescafé-Beutelchen und einen Pappbecher mit heißem Wasser in die Hand. Nach der Ankunft suchten wir uns unseren Weg zu unserer Airbnb Wohnung in einem 150 Jahre alten Steinhaus in Izmir. Es waren gut zwei Kilometer zu laufen und ich war froh über meine Rollkoffer -Rucksack-Kombi. Wir stellten unser Gepäck ab und die Reinigungskraft gab uns den Schlüssel, aber sie hatte noch Zeit bis 14:00 zum Putzen. Wir gingen derweil gefüllte Pide essen und schafften es gerade noch vor einem Gewitter wieder in der Wohnung zu sein. Endlich hatten wir wieder eine Waschmaschine, die ich gleich ausnutzte. Stefan holte seinen Jogginglauf vom Morgen nach als die Sonne wieder schien, aber unterwegs erwischte ihn ein erneutes Gewitter mit Starkregen, sodass er sich erst eine Weile unterstellen musste und dann durch knöcheltiefes Wasser auf der Straße zurückkommen musste. Wie gut, dass wir einen Fön hatten, sonst wäre er wegen nasser Schuhe für einen Tag ans Haus gefesselt gewesen. Wir genossen ein sehr leckeres Törtchen und machten uns auf den Weg zum historischen Aufzugsturm Asansör. In Izmir warent viele Häuser steil am Hang gebaut und 1907 kam ein jüdischer Händler, und wie am Aufzug vermerkt wurde, Philanthrop auf die Idee, einen Aufzug zu bauen, damit die Menschen aus den oberen Gebieten nicht immer 155 Stufen hochlaufen mussten. Hauptsächlich ging es aber wohl auch darum, Waren von der Küste zu den auf dem Hügel wohnenden Menschen zu bringen. Jetzt war der Hügel ein beliebtes Ausflugsziel, denn man hatte von oben einen schönen Blick über die Stadt und die Bucht und außerdem befanden sich in dem Gebiet sehr nette Cafés, Kneipen und Lädchen, so wurde einem der Weg bis zum Aufzug bereits versüßt, denn bis zu diesem gingen schon einige Treppen hoch, wo die Lädchen entlang der Treppe für nette Verschnaufpausen sorgten.
Freitag, 19.5.2023 Izmir Wir schliefen wieder wie die Toten. Das war der Vorteil an einer durchwachten oder nicht so optimal geschlafenen Nacht: man hörte in der nächsten nicht mal mehr den Muezzin rufen, was bei dessen Lautstärke wirklich erstaunlich war. Zum Frühstück aßen wir zum ersten Mal Maulbeeren, die wir beim Kauf für Brombeeren gehalten hatten. Es war ein merkwürdiger Geschmack, oder besser ein merkwürdiges Gefühl, wenn man nicht darauf eingestellt war, denn sie sahen zwar aus wie Brombeeren, waren aber viel weicher und zergingen ehr wie Schaum auf der Zunge. Mit Erdbeeren und Haferflocken zusammen ergaben sie ein leckeres Frühstück. Danach machten wir uns auf den Weg in Richtung Bazar. Wir kamen am Hafen vorbei, von wo Fähren zur anderen Seite der Bucht abgingen, wie auch nach Griechenland. Das Wasser war sehr aufgewühlt und richtig dreckig. Uns fiel schon am Vortag auf, dass es nach Abwässern roch, trotzdem angelten die Leute hier noch. Wir kamen wieder zum Konak Maydani, ein berühmter Platz mit Uhrenturm, der kleinen, 250 Jahre alten Konak Moschee und der Kommunalverwaltung. Hier herrschte bunte Ausgelassenheit. Verkäufer von bunten Ballons, Rollifahrer, die Futter für die Tauben verkauften, Menschen, die sich vor dem Springbrunnen fotografieren ließen und fast reinfielen oder einfach nur auf einer der Bänke verweilten. Man merkte, dass hier politisch ein anderer Wind wehte. Zahlreiche Häuser hatten die Flagge von Atatürk aus dem Fenster hängen und auch Kemal K?l?çdaro?lu, Erdogans Herausforderer, hing auf Plakaten und Flaggen in Fenstern und an Wänden. Im Kemeralti Bazar war an diesem Tag richtig viel los. Man schien am Freitag nicht nur vermehrt in die Moschee, sondern auch shoppen zu gehen. Ich fand den Bazar abwechslungsreicher als den in Istanbul, aber vielleicht hatten wir dort auch nur die falsche Ecke erwischt. Zur Stärkung vor dem Getümmel einverleibten wir uns ein sehr leckeres Schokoladentörtchen mit Banane und natürlich Kaffee in einer der zahlreichen Patisserien/Cafés. Die türkische Backkunst war wirklich hervorragend, was ich der Bedienung auch sagte und sie damit beglückte. Nach den vielen Eindrücken im Bazar stand uns der Sinn mehr nach Natur und wir begaben uns zum Kulturpark. Es handelte sich dabei um einen heute 420000 m² großen Park, der 1936 nach dem großen Brand von Izmir an der Stelle eines ehemaligen Wohngebietes errichtet und 1939 nochmal auf die heutige Größe erweitert wurde. Hier fand die internationale Messe, sowie Musik- und Sportveranstaltungen statt, es war ein Vergnügungspark mit Riesenrad und mehreren anderen Fahrgeschäften integriert und es gab viel Platz zum Entspannen, sowie für Sport und Spiel auf Rasen, Bänken, vor Springbrunnen und auf Sport- und Spielplätzen. Außerdem schlenderten wir vorbei an Bühnen und einer Kunsthalle, die leider geschlossen hatte. Draußen fanden wir ein interessantes Kunstwerk aus mehreren, jeweils aus zwei Steinklötzen gebauten Säulen mit geöffneten alten Koffern und Taschen. Weil ich gerne wissen wollte, was es bedeutete, fragte ich einen Parkwächter, aber er konnte mir auch nur sagen, dass es ein Kunstwerk sei. Als letzte Sehenswürdigkeit besuchten wir die Agora Ören Yeri, die Ausgrabungsstätte eines griechisch-römischen Marktplatzes und Stadtzentrums, die darauf hinwies, dass die Stadt Ende des 4. Jahrhunderts und zu Beginn des 3. Jahrhunderts v. Chr., direkt nach Alexander dem Großen, gegründet wurde. Nachdem wir die Ausgrabungsstätte verlassen hatten, gerieten wir in einen älteren Teil des Bazars, der noch recht ursprünglich und chaotisch war, d.h. zwischen den Ständen fuhren Autos und Motorräder herum, die Geschäfte wirkten weniger modern und die Restaurants sahen aus, wie wir sie von früher kannten, bzw. wie wir sie in Deutschland manchmal auch heute noch finden: Dönerstand, Plastikstühle und -Tische und Neonlicht. Wir konnten sonst mit Freude feststellen, dass selbst die kleineren Dönerläden, Restaurants und Cafés bedeutend gemütlicher geworden waren. Kurz hinter dem Bazar fanden wir einen kleinen Imbiss, wo wir draußen sitzen und nicht von Autoabgasen eingenebelt wurden und teilten uns einen Teller mit Pommes mit Auberginengemüse und einen mit Tomaten-Auberginengemüse und Reis. Dazu wurde Brot und eine riesige Zwiebel zum Essen serviert. Ich habe sie nicht probiert, weil ich bei Zwiebeln meist Magenschmerzen bekomme, aber Stefan meinte, sie wäre überhaupt nicht scharf gewesen. Danach erstanden wir in einem kleinen Lädchen noch Käse, Brot und eine Marmelade aus Kürbis, Hasel- und Erdnüssen für unser morgiges Frühstück. Sie war sehr süß wie alles Süße hier in der Türkei, aber sehr lecker! Die Besitzerin des Ladens sprach sogar Deutsch. Danach gingen wir zu unserer Unterkunft und hatten gute 14,5 km hinter uns gebracht.
Samstag, 20.5.2023 Izmir – Ausflug nach Selçuk (Ephesos) Wir nutzten unser Interrailticket aus und fuhren zwei Stunden südlich nach Selçuk. Bereits als wir aus dem Bahnhof kamen, wurden wir von antiken Säulen und Torbögen begrüßt. Selçuk befand sich ganz in der Nähe der riesigen Ausgrabungsstätte Ephesos, die wir besuchen wollten. Da es sehr warm und sonnig war und ich die Nacht zuvor miserabel geschlafen hatte, plädierte ich dafür, die fast 4 km dorthin mit dem Taxi zu fahren. Ich wäre sonst dort schon fertig angekommen. Die Ausgrabungen des in den Jahrhunderten durch Griechen und Römer geschaffenen Handelszentrums mit Amphitheater, Wohnanlage in Terrassenbauweise, wo sogar noch die Wandzeichnungen und Schriftzeichen zu sehen waren, sodass Archäologen noch heute Preise für z.B. Zwiebeln, Besuch des Bades, Kümmel etc. ablesen konnten und die Marmorwände waren sehr beeindruckend. Wir verbrachten bei der Ausgrabungsstelle, die uns entfernt etwas an Pompei in Italien erinnerte, einen interessanten, wenn auch durch die lange Fahrt, Wärme und viel Touristen rundherum ziemlich anstrengenden Tag. Zum Glück fuhren ab dem Eingang, der auch der Ausgang war, Minibusse ins Zentrum zurück. Hätten wir das ehr gewusst, hätten wir uns das Taxi sparen können Leider fuhren die Züge so selten, dass wir erst um 19:48 zurückfahren und nicht vor 22: 00 wieder in unserer Wohnung hätten sein können, aber dann kam alles doch anders. Wir waren in einem Café und ich hatte Crêpes mit Obst und Schokolade und eine Eiskugel bestellt. Stefan bestellte sich einen Fruchtshake namens Schwarzwald und aß meine Eiskugel. Irgendetwas hatte er davon wohl nicht vertragen, denn gerade als wir uns die Zeit bis zur Rückfahrt damit vertrieben, Tanzvorführungen von Volkstanzgruppen aus Serbien, Ukraine, Moldawien und anderen Ländern vor dem Café gegenüber des Bahnhofs zu gucken, wurde ihm speiübel und er erbrach sich in hohem Bogen und konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, war sogar kurz bewusstlos. Liebe Einheimische, eine Englisch sprechende Tochter mit ihrer Mutter, die glücklicherweise auch noch Krankenschwester war, kamen uns zur Hilfe. Sie brachten uns Tücher und ich reinigte ihn erstmal grob. Er meinte, er wolle mit dem Zug und nicht mit Taxi nach Izmir zurückfahren, letztendlich landeten wir aber doch noch im Taxi, dessen Fahrer ich hätte auf der Stelle erwürgen mögen. Ich hatte extra gesagt, er solle ganz vorsichtig fahren, weil es Stefan nicht gut wäre, aber er fuhr durchgehend zu schnell und telefonierte ständig mit Handy am Ohr, obwohl ich ihm gesagt hatte, dass ich das bei der Fahrt zu gefährlich fände. Diese dauerte immerhin rund eine Stunde. Izmir war 80 km entfernt von Selçuk. Wie schafften es gerade bis in unsere Wohnung und zum Klo, als es Stefan noch einmal oben und unten rauskam. Danach konnten seine Verdauungsorgane eigentlich nur noch leer sein und er legte sich geduscht in ein mit Handtüchern präpariertes Bett. Wie gut, dass wir eine Waschmaschine und einen äußerst funktionsfähigen Ventilator hatten! Alle Klamotten inkl. Schuhe wurden gewaschen und geschleudert und mussten bis zum Mittag am kommenden Tag wieder einsatzfähig sein, denn dann mussten wir auschecken. Wir mussten am Abend wieder mit dem Nachtzug nach Ankara fahren, von wo aus wir am darauffolgenden Mittag mit dem Bus nach Göreme in Kappadokien fahren wollten. Wir hofften, dass wir mit einem Schrecken davon kämen und nichts ernstes mehr passierte. Ich fand es ziemlich beruhigend, dass wir direkt neben einem gutaussehenden Krankenhaus wohnten, so für alle Fälle. Kennenlernen wollten wir es aber beide nicht. Ach ja, das erste Unglück oder besser Missgeschick passierte eigentlich bereits bei der Hinfahrt. Man muss beim Bahnhof wieder seine Sachen durch ein Röntgengerät laufen lassen. Ich hatte meinen liebsten Fleece Pulli oben auf den Tagesrucksack und unsere Bauchtaschen gelegt. Stefan nahm alles schnell entgegen und mir fiel erst im Zug auf, dass der Pulli nicht mitgekommen war. Wir hatten noch Probleme herauszufinden, wo unser Zug abfuhr und waren abgelenkt. Der Pullover musste im Röntgengerät hängengeblieben sein. Da wir abends nun nicht mit dem Zug zurückgefahren waren, konnte ich ihn wohl abschreiben. Bis zum nächsten Tag würde er kaum noch da sein, denn am Röntgengerät arbeitete niemand als wir durch die Schleuse gingen, was nebenbei den Sinn und Zweck dieses Gerätes in Frage stellte.
https://youtu.be/sRueEKQQHcU
Sonntag, 21.5.2023 Nachtzug Izmir- Ankara Stefan ging es am Morgen besser, dafür hatte ich Durchfall. Unser Vermieter war so nett, uns bis abends, als wir zum Bahnhof losgehen mussten, in der Wohnung zu lassen. Wir konnten also richtig ausschlafen und uns ausruhen. Stefan scharrte nachmittags schon wieder mit den Füßen und wollte am liebsten joggen. Er ging dann eine Stunde spazieren. Mir war nicht danach und ich hätte es dem Vermieter gegenüber auch unfair gefunden. Er hätte denken können, wir wollten uns nur einen längeren Aufenthalt erschleichen. Gegen 17:00 machten wir uns auf den Weg, die fast 4 km zum Bahnhof mit Gepäck zu laufen. Wir hatten genügend Zeit, daher war es von der Anstrengung her auszuhalten mit meinem rollenden Gefährten. Stefan wollte mein Gepäck immer auch noch nehmen, aber was hätte ich davon gehabt, wenn er zusammen gebrochen wäre? Ich ließ ihn immer nur kurz auf Treppen meinen Rollkoffer-Rucksack tragen oder bei Steigungen ziehen, wenn es mir zu viel wurde. Endlich saßen wir im Zug und warteten, dass die Reservierungen kontrolliert wurden und wir abfuhren. Ich hatte etwas Bammel, weil der Schalterbeamte die Reservierung auf meinen Mädchennamen statt auf Dyckhoff ausgefüllt hatte, meine Interrail-App aber natürlich auf Dyckhoff lautet. Laut Schalterbeamten war das kein Problem. Ist war zum Glück ja auch keine Fahrt über die Grenze, nur zurück nach Ankara.
Montag, 22.5.2023 Ankara- Göreme Viel mehr als Fahren war an diesem Tag nicht, aber in Ankara erlebten wir noch eine interessante Begebenheit. Als wir dort mit zweistündiger Verspätung im Bahnhof einrollten, fanden wir zuerst die Metro nicht, auch keinerlei Ausschilderung. Wir versuchten es beim Schnellzugbahnhof gegenüber und dort sah ich vom Eingang aus ein rotes Metroschild. Wir machten uns also auf den Weg dorthin und sobald wir mit der Rolltreppe in den Untergrund gefahren waren, war alles um uns ruhig und wir waren ganz alleine! Was war das? Wir waren in der Millionenhauptstadt Ankara bei der Metro am Hauptbahnhof und niemand war da außer uns? Da waren aber die Drehkreuze, man hörte die Bahn fahren, aber wir hatten noch keine aufladbare Karte. Wir machten uns auf die Suche nach einem Automaten, fanden aber keinen. Als wir einen Mann fragten, verstand er uns immer falsch und dachte, wir suchten den Bahnhof. Englisch sprach mal wieder niemand. Als Stefan ihm per Übersetzer unser Problem nannte, ging er mit uns zur Metro und wir erfuhren, dass der Automat, den wir für einen Bankautomat hielten, denn er hieß Bancomat, die Metrokarten verkaufte. Eine Mitarbeiterin, die die Drehkreuze überwachte, sagte unserem Helfer aber auch gleich, dass er nicht funktionierte. Kurzerhand holte der Mann seine eigene Metrokarte heraus und ließ uns damit durchs Drehkreuz. Er wollte noch nicht mal das Geld dafür, bekam es aber natürlich in die Hand gedrückt. Er war uns wirklich eine große Hilfe. Als wir mit der Metro beim Busbahnhof ankamen, kauften wir uns dort gleich eine Karte und ließen sie aufladen, denn wir planten Ankara nach Göreme noch einen längeren Besuch abzustatten. Beim Busbahnhof hatten wir noch einige Zeit, bis der Bus kam, der uns dann nach Göreme Kappadokien brachte. Schon vor dem Ort begann die Landschaft sich in eine Phantasiewelt zu verwandeln. Die „Feenkamine“, Gesteinsformationen, für die Kappadokien berühmt war, umgaben uns. Der Ort Göreme war voll davon und die Menschen lebten zum Teil in diesen Gesteinen bzw. die Unterkünfte, Geschäfte und Gastronomie waren darin oder in nachgebauten untergebracht. Es sah alles so nach Märchenwelt aus, dass man verstehen konnte, dass der Tourismus hier boomte wie verrückt. Alle möglichen Angebote von Ballonfahrten, Jeep Touren, Ausritten auf Pferden und Kamelen, Sonneneauf- und -untergangstouren; es wimmelt nur so von Anbietern. Wir waren gespannt, was wir hier alles erleben würden. Ein Problem hatten wir allerdings: seit unserer Ankunft, hatten wir keinen Empfang mehr über mobile Daten. Sollten die uns mit den SIM-Karten in Istanbul beschissen haben? Sie sollten einen Monat lang gültig sein und es gab keine Vorwarnung, dass die Daten verbraucht wären oder ähnliches. Wir waren eh schon sauer, denn nach dem Wahlwochenende hatten wir Karten für fast 1/5 des bezahlten Preises in Geschäften gesehen! Hoffentlich bekamen wir das wieder hin.
Dienstag, 23.5.2023 Göreme Es war ein wunderbarer Tag! Wir hatten bereits im Vorfeld eine Ballonfahrt gebucht. Am Vorabend sah es so aus, als dürfte heute aus Wettergründen nicht geflogen werden, das stimmte auch für Göreme und ein weiteres Startgebiet, nicht aber für das Sorganlital 50km entfernt in Richtung Kayseri, wo unser Ballon starten sollte. Wir durften fliegen oder fahren, wie es im Deutschen hieß! Um 3:30, also mitten in der Nacht, wurden wir abgeholt. Als erstes gab es im Restaurant bei der Abflugstelle einen Frühstücksimbiss, nix dolles, nur Käsetoast mit Apfeltee oder türkischem Kaffee, aber so hatten wir wenigstens etwas im Magen und der Tee tat gut. Dann ging es in Gruppen von maximal 18 Personen, wir waren glaube ich 16 inkl. zwei Piloten, zu den Ballons. Neben uns startete noch ein Ballon, aber nachher waren ein paar mehr in der Luft. Der rechteckige Korb war in 5 Fächer unterteilt, in der Mitte die Piloten am Gashebel, auf beiden Seiten zwei Fächer mit bis zu 4 Personen. Man konnte sich gut bewegen und munter fotografieren. Zum Einsteigen half man uns mit Leiter über die 1,30 m hohe Korbwand zu klettern. Nach einer kurzen Einweisung, dass wir beim Kommando „Landung“ Kameras wegstecken müssten, uns an den Schlaufen der Korbwand festhalten, in die Knie gehen und dabei mit dem Rücken gegen die Innenwand zum anderen Korbabteil drücken sollten, ging es los. Zuvor war der Ballon bereits mit Gas gefüllt und startklar gemacht worden, jetzt lösten Helfer von außen die Leinen und schon schwebten wir in die Höhe. Etwas makaber spielte die Crew die Filmmusik vom Untergang der Titanic dazu ab, aber ich glaube, keiner hatte wirklich Angst. Es war ein sehr sanftes Schweben. Bei einem Sessellift wurde es einem sicher ehr übel als beim Ballonfahren. Unter uns tauchten bizarre Felsformationen auf und dann das Sorganlital, was der Pilot als den Grand Canyon der Türkei bezeichnete, zumindest in seiner Entstehungsgeschichte. Wir flogen über Bäume hinweg und waren mal höher oder tiefer als die Ballons in unserer Nähe. Einen Ballon kann man nicht in eine Richtung steuern, wohin die Fahrt geht, entscheidet der Wind. Die Piloten können ihn nur mit mehr oder weniger Gas höher oder tiefer fliegen und mit einem Seil ihn sich um sich selbst drehen lassen. Unser Flug war so früh, weil er zum Sonnenaufgang sein sollte, aber leider war es recht diesig und man konnte nur einmal kurz eine Ahnung von der Sonne zwischen zwei Wolken bekommen. Nach einer Stunde war das Vergnügen wieder zu Ende und wir schwebten zum Boden zurück. In der vorgeschriebenen Haltung holperten wir ein paar Meter über den Boden, was aber absolut nicht schlimm war. Die Hilfscrew war inzwischen mit Fahrzeugen zur Landestelle gefahren, wir wurden noch einmal vom Ballon kurz mit etwas Gas hochgehoben und ein Pritschenwagen fuhr unter den Korb. Dann konnten wir mit Hilfe von Tritten in der Korbaußenwand wieder herausklettern und der Kleinbus fuhr uns zurück zum Hotel. Ich würde die Ballonfahrt als ein unvergessliches Erlebnis einstufen und auch die Landschaft war toll, aber ich glaube, ein Flug direkt bei Göreme hätte spektakulärere Ausblicke geboten. Die holten wir uns dann zu Fuß am Nachmittag bei einer tollen Wanderung. Die Gesteinsformationen waren einfach umwerfend toll und man konnte zum Teil in den Feenkaminen herumlaufen, durch Naturbögen und über Naturbrücken wandernt und hatte faszinierende Aussichten, weil nicht nur die bizarren Formen malerisch waren, sondern sie auch an verschiedenen Stellen grünlich und rötlich schimmerten. Dazwischen fanden sich immer wieder auch Bäume und blühende Blumen. Es waren total begeistert! Die Wege waren gut gezeichnet und unterwegs kamen immer wieder Stände mit frisch gepresstem Orangensaft oder in den Felsen befindliche einfache Cafés, wo man außen unter einem gespannten Stoffdach Getränke oder auch eine Suppe zu sich nehmen konnte. Uns hat ein solches Café am Nachmittag gerettet, denn es gab ein Gewitter mit heftigem Regen. Ohne den Schutz hätten wir uns höchstens schnell eine Steinhöhle suchen können, aber so fühlten wir uns schon besser aufgehoben. Wir fürchteten nur sehr um unseren Rückweg, da durch den Regen nicht nur Wege zu kleinen Flüssen mutierten, sondern auch die mit Sand bedeckten Steinwege zu einer Rutschbahn wurden, besonders weil es an manchen Stellen steil war. Als der Regen nachließ, versuchten wir einen möglichst kurzen Weg zu einer Straße zu finden. Da auch Quads- und Jeep Touren dort angeboten wurden, gab es an einigen Stellen ungeteerte Fahrwege, die uns auf jeden Fall sicherer vorkamen als der Wanderweg. Wir kamen an einen Aussichtspunkt und ein Auto mit einem Pärchen fuhr vor. Ich erkannte, dass es ein Mietwagen war, also Touristen. Wir sprachen sie an und erfuhren, dass sie aus Polen kamen. Wir versuchten unser Glück und fragten sie, ob sie wohl in nächster Zeit nach Göreme fahren würden und uns mitnehmen könnten, weil wir ein weiteres Gewitter befürchteten. Wir hatten Glück, sie nahmen uns mit und wir konnten mit der Navigation helfen, weil ich die Karte bei Google Maps heruntergeladen hatte. Den erlebnisreichen Tag beschlossen wir mit einem Essen beim Inder, weil wir mal wieder was anderes als türkische Kost essen wollten. Unser Besuch bei Turkcell in Göreme war leider weniger erfolgreich. Der Mitarbeiter kannte unsere SIM-Karte nicht und vermutete, dass Sie Fake wäre und wir sie vernichten könnten. Die Hoffnung starb aber zuletzt und ich hoffte noch immer, dass sie in Konya, der nächsten großen Stadt, die wir besuchen wollteen, wieder funktioniert, nur hier fernab in der Natur nicht. Er wollte uns nämlich eine 20 GB Karte für über 1000 TL anbieten! Man erinnere sich, wir hatten 500 TL bezahlt und am kommenden Tag fielen die Preise, nach dem was wir bei Geschäften gesehen hatten, auf 150-200 TL. Erst lag aber noch ein Tag hier in Göreme vor uns und den wollten wir mit Ausschlafen und gemütlich im Hotel frühstücken verbringen, und danach planten wir wieder unsere Beine zu bemühen, um weitere Ecken im Land der Naturschönheiten zu entdecken.
Mittwoch, 24.5.2023 Göreme Wie geplant machten wir noch einmal einen Wandertag und nach gut 14 km und 440 Höhenmetern war ich dann ziemlich kaputt. Wir hatten das „Tal der Liebe“, eine Gegend, in die auch Touren angeboten wurden, erwandert, mit dem Unterschied, dass die Tour Teilnehmer mit dem Bus oder Jeep hingefahren wurden, wahrscheinlich mehrmals einen Blick von oben ins Tal warfen, „ah“ und „oh“ sagten und vor Metall-Herzen, auf Schaukeln oder anderen Sitzgelegenheiten ihre Selfies vor faszinierendem Hintergrund schossen. Wir haben das Tal nicht nur vom Panoramapunkt aus gesehen, sondern sind mittendurch gewandert. Stefan suchte immer wieder bei Komoot nach Alternativwegen zur Straße, was unterwegs gar nicht so einfach war, da wir ja nicht mehr online waren, die Wege aber auch nicht alle begehbar, zumindest nicht für meine Wackelknie waren. Die Felsformationen dort in dem Tal wurden von den Einheimischen „Pilze“ genannt, aber es kann sich gerne Jeder sein eigenes Bild darüber machen. Für uns hatten sie weitaus mehr mit dem Tal der Liebe zu tun, als es Pilze haben, sie sahen eindeutig nach riesigen Penissen aus. Wir waren gerade ins Tal abgestiegen, als wieder eine schwarze Wolke nahte und es zu tröpfeln begann, deshalb taten wir es einem jungen Paar gleich, das es sich in einer Aushöhlung eines dieser Steingebilde gemütlich gemacht hatte. Wir saßen eine ganze Weile gemeinsam dort drinnen, aber es wurde zum Glück nicht langweilig, denn die Beiden kamen aus Frankreich und zumindest Loris ( keine Ahnung, ob er sich so schieb), sprach super Englisch. Er hatte zuvor ein paar Monate in Neuseeland als WOOFER (Willing Workers on Organic Farms) gejobbt. Er erzählte von einer Radtour von Frankreich zum Nordkap und über Finnland zurück, wir hörten etwas von seiner Freundin über Bolivien und erzählten auch von unseren Reisen. Es war sehr kurzweilig und nach vielleicht einer Stunde konnten wir unsere Wanderung fortsetzen. Vereinzelt sahen wir andere Wanderer, aber längst nicht so viele wie tags zuvor und es gab auch keinen gezeichneten Weg oder Erfrischungsstände. Eine Weile mussten wir durch ein nicht mehr ganz ausgetrocknetes Flussbett laufen, aber es war nicht so nass, dass wir mit durchweichten Schuhen rauskamen. Am Ende des Tales wurde es dann teilweise recht steil und besonders wenn es über seitliche Schrägen ging, auch mal etwas rutschiger. Eigentlich waren meine Wanderschuhe ganz gut griffig, aber nicht so besonders gut auf seitlichen Schrägen, besonders wenn es sandig auf Felsen war. Wir schafften es wieder aus dem Tal heraus und tranken bei einem kleinen Stand oben einen frischgepressten Orangensaft. Der Verkäufer machte uns einen „guten“ Preis von 2€ für den 0,2 l Becher, weil das Geschäft an dem Tag gar nicht gut lief. Die meisten Touristen machten nur die Bustouren und wurden an den immer gleichen Stellen abgesetzt, wo sie etwas verzehrten. Da er weder an der Hauptstraße noch an einem vielbesuchten Wanderweg stand und noch dazu das Wetter nicht beständig war, sah es für ihn schlecht aus mit dem Geschäft. Wir versuchten erst wieder auf einem Alternativweg zur Straße nach Göreme zurückzulaufen, standen aber nach ein paar hundert Metern am Ende eines Weges, rechts und links nur Täler. Wir waren ins Aus gelaufen und mussten zurück bis zum Saftverkäufer. Er hatte uns vorher schon gesagt, wir sollten nach rechts gehen, aber der Ort war genau in der Gegenrichtung von Göreme, deshalb hörten wir nicht auf ihn. Hätten wir wohl besser getan. Wir mussten nun doch ein ganzes Stück an einer stark befahrenen Straße entlang laufen. Es war dennoch interessant. Als erstes entdeckten wir ein Polizeiauto in Originalgröße als Pappaufsteller an der Einfahrt zum Ort Uçhisar zur Warnung der Autofahrer. Es war aber eine sehr geschickte Warnung, denn hinter dem Pappblaulicht war gleich eine Kamera montiert! Bei der türkischen Fahrweise dürften die Einnahmen der Polizei das Staatssäckel gut füllen. Ein Stück weiter war eines der Restaurants, wo alle Busse zum Panoramablick anhielten und die Fahrgäste natürlich möglichst was verzehren sollten. Den Blick genossen wir auch, aber wir waren inzwischen zu dritt. Ein Straßenhund, der zuvor wenig Intelligenz bewies, weil er mindestens dreimal die große Straße überquerte und jedes Mal fast unter ein Auto gekommen wäre, hatte sich uns angeschlossen. Er war ganz lieb, bettelte nicht, lief nur immer mit uns mit, sodass selbst ich Schisshase ihn schon fast in mein Herz schloss. Zu Straßenhunden und besonders Katzen muss man sagen, dass es sie hier zu Millionen gab, wir sie aber bisher nie aggressiv erlebt hatten. Man rechnete mit ca. 4 Millionen streunender Tiere. Viele sahen auch nicht verkommen aus und waren oft gut im Futter. Wir hatten auch schon häufig an Straßen Behältnisse gefunden, die für Futter oder Wasser bestimmt waren. Außerdem fütterten wirklich viele Leute, Touristen wie auch Einheimische, die Tiere mit ihren Essensresten. Im Internet fand ich einen Artikel über die bekannten Straßenkatzen von Istanbul und die freilaufenden Tiere in anderen Orten. Da sich die Menschen in den großen Städten in ihren zumeist kleinen Wohnungen kaum Haustiere halten können, werden sie sozusagen Paten dieser freilaufenden Tiere, was auch von der Regierung für gut gehalten wird, weil man es für eine Art Förderung von Sozialverhalten sieht. Daher gibt es auch offizielle Futterstellen in den Städten, wo auch die Stadtverwaltungen die Tiere füttern. Unser „Köpek“ – Stefan nannte seit Nord-Zypern jeden türkischen Hund so, weil das die Übersetzung von Hund ist – lief also eine ganze Weile mit uns an der Straße entlang, besuchte jeden Aussichtspunkt, von denen es alle paar hundert Meter einen mit Restaurant oder Verkaufsständen gab, bis er plötzlich irgendwohin verschwunden war. Wahrscheinlich waren wir aus seinem Gebiet herausgelaufen. Rund 4 km nach unserem Verlassen des Canyons erreichten wir dann auch unseren Zielort und unsere Unterkunft und verpflegten uns heute mal selbst auf der Dachterrasse unseres Hotels mit Brot und Tomaten.
https://youtu.be/8n0N9caUZgY
Donnerstag, 25.5.2023 Göreme -Konya Unsere Fahrt von Göreme nach Konya mit dem türkischen Kooperationspartner von Flixbus „Kamilkoc“ verlief wieder so angenehm wie auch bei der Hinfahrt. Die Qualität war weitaus höher als bei den anderen Unternehmen, die wir zuvor hatten. Die Busbegleiter sprachen Englisch, es gab angenehmere Sitze mit Fußrasten und Liegefunktion, natürlich nicht weit, aber doch etwas. Im Gegensatz zu dem Bus, der uns in die Türkei gebracht hatte, funktioniert der Bildschirm für Film, Musik und Spiele, der an jedem Platz angebracht war wie im Flugzeug, bei diesem Bus auch. Zwischen den Sitzen befand sich eine Steckdose zum Laden des Handys und einmal während der Fahrt wurden kostenlos Kaltgetränke und Snacks verteilt. Bei der langen Fahrt von Albanien gab es nur einen halben Becher scheußlichen Nescafé. Als wir den großen Busbahnhof von Konya erreicht hatten, wurde es jedoch schwieriger. Wir nutzten noch das WLAN dort für eine Routenplanung zu unserer Airbnb Unterkunft, aber danach musste es ohne Netz klappen. Es war schon nicht einfach, die richtige Bushaltestelle für den ersten Bus zu finden weil keinerlei Angaben dort waren über Busnummern und wohin sie fuhren. Wir fragten Jemanden, der sprach zwar kein Englisch, aber nickte, also warteten wir und irgendwann kam auch der Bus, den wir zuvor bei Google gefunden hatten und brachte uns in die Innenstadt zum Kulturpark. Wir wollten vorne beim Fahrer zahlen, aber er winkte uns nach hinten durch. Der erwartete Schaffner kam jedoch nie, so fuhren wir unfreiwillig eine gute halbe Stunde schwarz. Beim Kulturpark war es absolut lebhaft. Die Bushaltestelle wurde von einer Reihe von Bussen angefahren und man musste durch ein Drehkreuz. Wir brauchten also wieder mal so eine aufladbare Karte, aber aus dem Automaten wurden wir wieder nicht schlau, weil die Anweisungen nur auf Türkisch waren. Zum Glück gab es noch einen Kartenkiosk, der Automat war vielleicht eh nur zum Aufladen? Wir stellten uns in die lange Schlange und bekamen eine Karte, die für eine Fahrt für uns beide reichte. Nun kamen wir durchs Drehkreuz, aber die zuvor gespeicherte Verbindung klappte nicht mehr, weil der zuvor ausgewählte Bus weg war. Es fuhren dauernd Busse vor, aber die Nummer, die wir brauchten, war nicht dabei. Wir fragten den Mitarbeiter, der die Drehkreuze bewachte, der aber auch kein Englisch verstand und keine Ahnung zu haben schien, wohin wir wollten. Es bildete sich eine Traube um uns und versuchte aus meiner Karte auf dem Handy klug zu werden. Jemand meinte, die Adresse wäre gar nicht in Konya, aber irgendwann einigte man sich und ein englisch sprechender Mann sagte uns die Busnummern zu unserem Ziel. Wenig später kam die Nummer, die wir zuvor verpasst hatten und brachte uns dann nach wiederum 20 Minuten zu unserem Ziel im Vorort von Konya. Von dort war es ein Klacks zu dem Haus, in dem wir eine kleine, einfache aber wohl authentische Wohnung über unserer Vermieterin gemietet hatten. Wir kauften im Laden um die Ecke ein paar Lebensmittel und Stefan kochte Spaghetti mit leckerer Soße a la Arrabiata. Unsere Vermieterin fand heraus, dass wir die Busfahrkarte, die wir am Kiosk bekommen hatten, nicht aufladen, aber tags drauf wohl in der Nähe eine richtige erwerben und laden könnten. Wir waren gespannt, ob das wohl klappte. An sich waren die Karten ja praktisch, aber bis man erst mal eine hatte, konnte man als Tourist schon verzweifeln.
Freitag, 26.5.2023 Konya Ich schlief die Nacht prima, obwohl ich dieses Mal wieder das Sofabett genommen hatte in einem scheußlich grünen, wohl ehemaligem Jugendzimmer. Stefan hatte das Doppelbett für sich im Schlafzimmer, weil jetzt er so erkältet war, dass ich keine Lust auf Ansteckung hatte. Außerdem hatte ja eh gerne jeder von uns viel Platz und etwas Raum für sich. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zu einem Geschäft, in dem wir hofften, unsere Fahrkarte wieder aufladen zu können. Wo wir auch hinkamen: Kopfschütteln. Die Aussagen waren, dass die Karte hier nicht gültig wäre oder, dass wir sie eigentlich gar nicht hätten bekommen können, weil wir keine Einheimischen wären. Ein sehr netter und hilfsbereiter Apotheker, der endlich auch mal Englisch sprach, half uns herauszufinden, dass wir ganz einfach unsere Kreditkarten an die Lesegeräte im Bus halten könnten und damit zahlen. Das hörte sich ja spannend an. Dann suchten wir uns eine Bushaltestelle, von der voraussichtlich ein Bus in die Innenstadt fuhr. Ein junger Mann bestätigte das, aber der Bus ließ auf sich warten, an die 40 Minuten! In der Zeit machten wir jedoch eine interessante Entdeckung. Um die Ecke war anscheinend ein Nest von Fahrschulen, denn es kamen sicherlich an die 100 Fahrschulautos, meist Fahrlehrerin mit Fahrschülerin, aber auch einmal mit männlichem Fahrschüler, die mehr oder weniger unsicher in unsere Straße einbogen. Die Zahl ist keine Dyckhoffsche Übertreibung, es war wirklich wie eine Ameisenstraße! So viele Fahrschulautos hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht mal zusammen gesehen! Endlich kam auch unser Bus und wir fuhren bis zum Atatürk Denkmal, dort gingen wir zum Bahnhof, um unsere Fahrt am Sonntag nach Ankara zu reservieren. Leider war auch das nicht so problemlos, denn war nur eine Fahrt früh oder spät möglich, nicht mit dem Zug gegen 12:00. Nun mussten wir kurz nach 9:00 fahren und zusehen, wie wir so zeitig von unserer Unterkunft zum Bahnhof gelangen konnten. Außerdem würden wir viel zu früh in Ankara ankommen, um in unserer Unterkunft dort einchecken zu können. Bei der Reservierung gab es dann noch das Problem, dass ich zwar mein Ticket aufrufen konnte, bei Stefan es aber ohne Internet nicht klappte. Da wir beide ohne Netz waren, konnte ich ihm auch keinen Hotspot geben. Zum Glück war der Bahnmitarbeiter so nett, ihm mit seinem Handy eine Wlan-Verbindung zu ermöglichen, sodass er auch Stefans Ticket sehen konnte. Es zeigte uns wieder, dass wir dringend eine funktionierende SIM-Karte benötigten. Wir liefen weiter ins Zentrum und klapperten zig Türkcell, Telecom und Vodafone Läden ab, aber niemand konnte uns mit unserer Karte helfen, wir mussten da wirklich einem Beschiss zum Opfer gefallen sein. Wir wollten uns dann neue Karten kaufen, was bei den angeschlagenen Preisen ab ca. 5€ kein Thema gewesen wäre, aber denkste, das waren nur die Preise zum Aufladen und die günstigen Karten so um 10€ konnten nur Einheimisch erwerben! Nach sicher 2 Std waren wir so weichgekocht, dass wir entschieden, zumindest eine neue Karte zu kaufen, die ich dann in mein Handy machte und Stefan einen Hotspot unterwegs gab. Dann begaben wir uns auf Entdeckungsreise durch die Stadt. Den Kulturplatz hatten wir am Ankunftstag schon kurz beim Umsteigen kennengelernt. Es war ein großer, gepflasterter Platz mit sehr schönen Springbrunnenanlagen, Moschee, Amphitheater und Verpflegungsmöglichkeiten. Wir aßen an einem Stand Pilav, ein aus Asien kommendes Reisgericht, dass es vegetarisch mit Kichererbsen, oder auch mit Hähnchen und wahrscheinlich Fleisch gab. Ich konnte leider nicht alles richtig übersetzen. Das war mal eine nette Alternative zu den verschiedenen Brotarten (Börek, Pita..) mit Käse, die wir bisher für uns in der Türkei fanden. Nicht weit von hier war der Allaadin Hill Park mit alter Moschee. Es war ein netter grüner Hügel unter Bäumen, um dem Verkehrsgewühl zu entfliehen. In die Moscheen auf beiden Plätzen konnten wir nicht rein wegen des Freitagsgebets, sie waren aber auch von außen prächtig. Wir ließen die Eindrücke auf uns wirken und ich fand, dass Konya eine andere Atmosphäre hatte als Istanbul oder Izmir. Es war eindeutig religiöser. Eine deutliche Mehrheit der Frauen allen Alters trug mindestens Kopftuch, einige aber auch Abaya oder sonstige lange Mäntel und wir sahen auch voll verschleierte Frauen. Der Gebetsruf erlangte in der Innenstadt eine Lautstärke, die in den Ohren vibrierte und die Anzahl der Moscheen pro Quadratkilometer schien die der anderen Städte zu übertreffen. Letzteres war aber nur eine Schätzung, ich konnte dazu keine Zahlen finden. Hinzu kamen die Medressen, islamisch-juristische theologische Hochschulen. Touristen nahmen wir außer bei unserer nächsten Sehenswürdigkeit, dem Mevlana Museum, keine wahr. Es schienen hier noch weniger Menschen Englisch zu sprechen als an allen Orten zuvor, dafür war die Kontaktfreudigkeit der Einheimischen groß. Wir wurden heute einige Male angesprochen, woher wir kämen, und man wünschte uns eine gute Reise und das waren keine Händler, die etwas verkaufen wollten, sondern von Menschen auf der Straße, im Bus oder Geschäft. Häufig hatten sie irgendwelche Bezüge zu Deutschland und sprachen ein paar Worte. Leider waren an Stellen, wo wir sie brauchten, wie z.B. bei Fahrkartenschaltern, in Geschäften oder unter den Busfahrern selten Fremdsprachenkenntnisse zu finden. Nach einem Päuschen im Allaadin Hill Park wanderten wir zum Mevlana Museum. Konya war die ehemalige Hauptstadt des Sultanats der Rum Seldschuken. Ein bedeutender persischer Sufi-Mystiker, Dichter und Gelehrter namens Rumi gründete hier die Mevlevi- Derwischbruderschaft. Sein Mausoleum war jetzt Wahrzeichen Konyas und islamischer Wallfahrtsort. Neben seinem wahrhaft prächtigen Grab waren weitere Gräber, eine Ausstellung diverser, alter und prächtiger Korane, Gedichte, Kleidungsstücke und andere Reliquien der Derwischkultur und die Lounge der Derwisch Bruderschaft in dem Museumskomplex zu finden. Von hier aus kamen wir in eine Fußgängerzone, die aussah, als wäre es mal der alte Bazar der Stadt gewesen. Eine alte Moschee, kleine Geschäftchen, in netten, kleinen, restaurierten Häusern, wirklich angenehm zum Durchschlendern. Auffällig war, dass das Bedrängen von Kunden, wie man es aus orientalischen Ländern kennt und wie wir es auch noch vor 13 Jahren in Antalya mit den Kindern erlebt hatten, nicht mehr stattfand. In touristischen Ecken standen höchstens noch Werber vor Restaurants wie auch an europäischen Tourismuszielen, aber es lief einem nicht gleich ein Händler entgegen, wenn man mal einen Blick auf seine Auslagen warf. Wir fanden das eine sehr angenehme Entwicklung.
Samstag, 27.5.2023 Konya An unserem letzten Tag in Konya wollten wir etwas Natur genießen, was aber nur teilweise funktionierte. Wir fuhren mit zwei Bussen nach Konya Meran Baglary, einem Picknickgebiet am westlichen Rand von Konya. Dort fanden wir einen ganz nett angelegten Park, ein Restaurant mit Springbrunnen und eine schöne Brücke über einen entweder künstlichen Fluss oder er war extrem begradigt und eingefasst. Er war grün und dreckig. Der Platz beim Café am Springbrunnen war schön, aber die Bedienung völlig unfähig. Erst verstand der Kellner überhaupt nicht, dass wir den Preis für Cappuccino wissen wollten, dann versuchte er Stefans noch halbvolle Tasse abzuräumen, und selbst als Stefan seine Hand darüber hielt, kapierte er nicht, dass er sie stehenlassen sollte. Erst als er die Untertasse mit der Tasse drauf griff und Stefan ihm letztere runter nahm und trank, schien er zu begreifen. Noch dazu war der Kaffee scheußlich. Dennoch war es nett, dort eine Weile zu sitzen. Ich fand auf der Karte einen als ökologisch bezeichneten Park ca. 5 km südlich von dort und wir planten dorthin zu laufen. Zu Beginn war der Weg ganz nett. Wir kamen durch ein hügeliges, baumbestandenen Gebiet mit Picknicktischen und Grills, wo sich bereits einige Familien und Grüppchen niedergelassen hatten. Gegenüber stand an einem Areal etwas von Friedhof, aber entweder waren dort anonym Menschen begraben, oder es gab dort noch keine Gräber. Was es aber gab, war eine Schildkröte. Ich dachte erst, ich sähe nicht recht, aber beim näheren Hinsehen saß dort wirklich eine und ließ sich von uns fotografieren. Nun mussten wir weiter an der Straße entlang. Das war vorher klar, aber, dass das auf der Karte grüne Gebiet rechts von uns über Kilometerlänge ein Militärgebiet war, hatten wir nicht geahnt. Wir brauchen die Aktion ab und fuhren mit dem nächsten Bus in die Stadt zu einer weiteren Sehenswürdigkeit, dem Selschukischen Turm. Es war ein Hochhaus mit 42 Stockwerken, das derzeit mit 163 m Höhe das höchste in Zentralanatolien und das elfthöchste in der Türkei war. Es beherbergte eine Mall und in den zwei oberen Etagen, die sich gegeneinander drehten, befand sich ein Restaurant. Man konnte jedoch auch so hochfahren und den Ausblick genießen, bezahlte dann aber einen kleinen Obolus. Wir betrachteten die Stadt eine Weile von oben und beschlossen hiermit unser Erlebnis Konya. Zur Stadt Konya und den Derwischen fand ich noch einen interessanten Artikel in einer bayrischen Zeitung, der meiner Meinung nach lesenswert ist und meinen Eindruck von Konya unterstreicht: https://www.nordbayern.de/2.234/reise/turkische-derwische-wirbeln-fur-den-frieden-1.7382096 Am kommenden Morgen stand unsere Fahrt nach Ankara bevor, wo wir unseren 38. Beziehungstag verbringen würden. Mir wurde morgens mit Schrecken bewusst, dass wir 100 werden müssten, um noch Mal so lange beisammen sein zu können. Da müssen wir uns aber anstrengen…
https://youtu.be/8Bi30RuU0AA
Sonntag, 28.5.2023 Konya – Ankara
38. Beziehungstag und uns fiel nichts Besseres ein als heute weiterzureisen? Hätten wir auch besser planen können! Die Fahrt nach Ankara verlief noch ganz gut, aber im Bahnhof kam dann schon die erste Enttäuschung. Wir wollten mal wieder einen Nachtzug nehmen, dieses Mal nach Malatya, wenn schon die zwei interessantesten Strecken nicht klappten, aber der erste hatte angeblich keine Schlafwagen, obwohl er ganz über Nacht fuhr, und beim zweiten wollten sie Interrailer nicht in Schlafabteile reinlassen. Da die Zugpreise spottbillig waren, entschieden wir uns, dann halt ein Ticket mit Schlafwagenreservierung zu kaufen, bis wir hörten, dass wir nachts um 3:00 ankämen. Davon nahmen wir dann doch Abstand. Da es draußen goss wie aus Eimern, kauften wir uns noch Backwaren im Supermarkt im Bahnhof und ließen uns beim Kaffeestand Kaffee geben. Als ich gerade herzhaft in ein Käsegebäck gebissen hatte, stellte Stefan fest, dass an einer Stelle grüner Schimmel war. Ich spuckte also in eine Serviette und beförderte sie mit dem Rest in den Müll. Endlich konnten wir in unserer Airbnb Wohnung einchecken und mussten feststellen, dass wir in eine dreckige, verrauchte Bude kamen, in der maximal ein Bett frisch bezogen war, keine Handtücher bereitlagen, Asche im Aschenbecher und Wäsche in der Waschmaschine war! Es begann ein hin und her per Chat mit dem Vermieter und Airbnb, weil wir dort nicht bleiben wollten, aber bei einer Stornierung unsererseits für eine Nacht und für die Vermittlungsgebühr hätten zahlen müssen, was wir nicht einsahen. Nach ca. 4 Std hin und her erklärte sich Airbnb endlich bereit zu einer kostenfreien Stornierung und wir suchten uns ein Hotel. Nun landeten wir genau nebenan vom Bahnhof, was praktisch war, hatten Frühstück inklusive, aber dafür natürlich viel weniger Platz und nicht einmal einen Wasserkocher, um uns heißes Wasser zu kochen. Dennoch war ich sehr froh, aus der Räucherkammer raus zu sein. Als wir dann abends zur Feier des Tages in ein Restaurant gehen wollten, scheiterten wir wieder an der Fleisch lastigen Küche und daran, dass wegen der Stichwahl wieder viele Restaurants geschlossen hatten. Uns blieb nur eine Pizza bei Dominos, aber dafür ließen wir uns noch eine Schachtel mit süßen Leckerlies in der Patisserie zusammenstellen, die wir danach in unserem Zimmer genießen konnten, während draußen Autokolonnen hupend Erdogans Sieg feierten. Wir kamen uns vor wie beim Fußball.
Montag, 29.5.2023 Ankara Heute war mal wieder ein richtig guter Tag. Stefan fand nach dem Joggen den Weg wieder zum Hotel, obwohl sowohl GPS als auch Bluetooth immer wieder ausfielen. Er vermutete, dass es mit dem nahen Regierungsviertel und ggf. noch der Stichwahl am Vortag zu tun haben könnte, dass extra Störsender eingesetzt wurden. Dann begann der Tag mit einem überraschend guten Frühstücksbuffet im Hotel, sodass wir frisch gestärkt Ankara in Angriff nehmen konnten. Wir genossen den schön gestalteten Gençlik Park, der fast vor unserer Haustür war und nicht einen Springbrunnen, sondern eine ganze Reihe unterschiedlicher mit einem richtig großen Wasserbecken, was sich durch den Park zog, zu bieten hatte. Wir schlenderten entlang duftender Rosen und im Schatten von Bäumen und Büschen. Der Park hatte, wie auch in Izmir, einen Freizeitpark mit Riesenrad und ähnlichem zu bieten, aber den ließen wir links liegen. Unsere nächste Sehenswürdigkeit war die Mehlika Sultan Moschee, die wir uns auch von innen ansehen konnten. Sie war von innen und außen sehr schön, mit vielen Bögen, einer von innen hübsch verzierten Kuppel, einem Marmorspringbrunnen im Innenraum und einem leuchtend türkisen Teppich. Sie war mit ihren vier Minaretten von weitem sichtbar und wirkte sehr prachtvoll. Hinter der Moschee kamen wir in ein Gebiet, wo wir das Gefühl hatten, wieder in der Türkei der 80iger gelandet zu sein. Ein Bazar mit gebrauchten Artikeln, sozusagen ein riesiger Dauerflohmarkt. Im ersten Teil waren Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Herde und vieles mehr, danach wurde es dann richtig interessant, denn hier gab es alles, was gastronomische Betriebe so brauchten (oder anscheinend nicht mehr brauchten). Wir fühlten uns sofort in unsere Jugendherbergszeit zurückversetzt, als wir Wärmebehälter, Buffets und reihenweise Gastronormbehälter aufgestapelt sahen. Wir konnten es nicht lassen, unserer ehemaligen Mitarbeiterin und Freundin ein Bild davon zu schicken und zu fragen, ob sie was für die JH brauchen könnte. Nachdem wir auch alte Klamottenständen hinter uns gelassen hatten, erreichten wir bald unser nächstes Ziel, das Museum für anatolische Zivilisation, was uns von Stefans Mutter dringend zum Besuch ans Herz gelegt worden war. Es war in der Tat sehr interessant und gut gestaltet und zeigte Ausgrabungsgegenstände aus ganz Anatolien seit der Altsteinzeit. Es hatte Weltruhm und wurde 1997 zum Europäischen Museum des Jahres gewählt. Die hethitischen Keilschrifttexte aus Bogazköy waren Weltdokumentenerbe der UNESCO. Ich fand das Gebäude, das ehemals überdachter Bazar und Karawanserei war und mehrfach umgebaut wurde, bis es heute wieder ein Gefühl davon vermittelte, wie hier die Menschen im 15.Jahrhundert lebten und Handel trieben, besonders beeindruckend. Um die archäologischen Artefakte besser einordnen zu können, wurde zu Beginn ein Film mit englischen Untertiteln gezeigt und auch zwischen den Ausstellungen kurze Szenen eingeblendet, was sehr hilfreich war. Es hat uns gut gefallen und noch dazu durften wir aufgrund meines Schwerbehindertenausweises kostenlos hinein. Das Geld steckten wir dann später in einen sehr leckeren Salat mit unterschiedlichen grünen Salatblättern, Kräutern wie Petersilie, Lollo Rosso, Walnüssen, Erdbeeren und Essig mit fruchtiger Note, den wir in einem gemütlichen Innenhof der Zitadelle genossen. Rund um uns waren Antiquitätenlädchen, und es war ein tolles Ambiente. Wir hatten noch dazu Glück, denn es begann wieder mal zu regnen und wir saßen trocken unter einem Schirm. Beim Ausblick von der Zitadelle auf die Stadt konnten wir in weiter Ferne den Präsidentenpalast sehen. Neben uns erklärte ein junger Mann auf Deutsch voraussichtlich seinen Eltern, dass die wenigen übriggebliebenen Grünflächen Ankaras den Universitäten gehörten, die versuchten, sie als letzte grüne Oasen zu erhalten. Da die Unis auch staatlich waren, hatte natürlich der Präsident dennoch Zugriff und konnte so seinen umstrittenen Palast dort auf den grünen Hügel in ein Naturschutzgebiet bauen. „Der Prachtbau kostete rund 270 Millionen Euro und hat rund 1000 Zimmer. Er trägt den Namen Ak Saray, was so viel wie weißer Palast heißt.“ ((https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_71583174/bilder/neuer-tuerkischer-praesidentenpalast-fuer-erdogan.html) Nach der Zitadelle besuchten wir noch ein Gebiet mit restaurierten Häusern aus osmanischer Zeit. Auf einem Schild wurde es als das „Herz“ Ankaras angekündigt und es war auch wirklich sehr hübsch. Viele schöne restaurierte Häuser mit Geschäftchen, Cafés und Restaurants fanden wir dort vor. Da Ankara laut Internet 17 Universitäten hatte, verwunderte es nicht, dass sich in den Cafés viele Studenten wohlfühlten. Wir fanden ein urgemütliches, wo an fast allen Tischen Grüppchen mit Laptops oder Kladden saßen und offensichtlich fürs Studium lernten. Wir fanden gerade noch ein Tischchen mit gemütlichen Sesseln und verzehrten ein Stück Torte gemeinsam. So gesund der Salat zuvor war, so bunt und süß war unser 10-schichtiges Tortenstück:). Zum wiederholten Mal hatten wir genau den richtigen Moment erwischt, um dem nächsten Regenguss zu entfliehen. Zwischendrin schien immer schön die Sonne. Von dort suchten wir uns einen Rückweg zum Hotel, der nicht besonders schön war, da er mitten in der Rush Hour an stark befahrenen Straßen verlief, aber er führte zum Ziel. Bevor wir unsere müden Beine jedoch hochlegen durften, stand noch die Entscheidung aus, wohin die Reise am übernächsten Tag weitergehen soll. Nach viel Überlegungen hatten wir uns Mersin am Mittelmeer ausgeguckt, wo laut unserer Interrail-Übersichtskarte auch ein Bahnhof sein sollte. Wir stoppten also noch beim Bahnhof, der kurz vor unserem Hotel war und wollten reservieren, aber das war wohl wieder nichts. Es fuhren keine Züge dorthin. Wir hätten bis Adana fahren können, rund 90 km entfernt und von dort dann mit dem Bus nach Mersin, aber diese Alternative war eigentlich auch keine, da wir erst abends um kurz vor 22:00 in Adana angekommen wären. Wir hatten Mersin ja deshalb ins Auge gefasst, weil wir Zug fahren wollten und nicht doch wieder auf Busse ausweichen. Letztendlich guckten wir, wohin man sicher von Ankara fahren konnte und buchten Eskesehir auf der Schnellstrecke nach Istanbul. Es schien nur so herum zu funktionieren, wenn man in der Türkei Zug fahren wollte. Als wir wieder in unserem Hotel ankamen, brach das nächste Gewitter aus. Wir hatten jetzt seit Göreme täglich mindestens eins davon, aber zum Glück war es zwischendrin immer schön.
Dienstag, 30.5.2023 Ankara Nach dem Frühstück waren wir mal wieder beim Bahnhofschalter. Wir fühlten uns inzwischen als Stammgäste dort. Wir kauften uns eine Reservierung für die Fahrt am Freitag von Eskisehir nach Istanbul und zwei Tage später für die Nachtfahrt von Istanbul/Halkali nach Plovdiv in Bulgarien. Für 30€ sollten wir im 2-Bettabteil schlafen können, auch wenn schlafen übertrieben sein würde, da wir mitten in der Nacht an der Grenze mit Gepäck aus dem Zug steigen müssten, soweit wir wussten und gegen kurz vor 6:00 in Plovdiv ankommen sollten. Von dort planten wir dann in die Berge Richtung Bansko zu fahren und dabei die schöne Strecke Septembri-Dobrinishte mitzunehmen, die unsere Tochter schon gefahren war. Nach der Erledigung des Organisatorischen waren wir gegen Mittag beim Atatürk Mausoleum und es fing aus allen Löchern an zu schütten. Wir sahen Bilder und Reliquien aus Atatürks Leben, konnten in nachgebauten Szenen vor großen Panoramazeichnungen die türkischen Schlachten 1915 und 1920 „nachempfinden“ und manches Grauen der Kriege und heldenhafte Siegesposen auch auf großen, realitätsnahen Gemälden „bestaunen“. Interessant waren die Veränderungen, die er in fast allen Bereichen des türkischen Lebens durchgesetzt hatte, von der Abschaffung religiöser Schulen, der Schließung von Medressen, der Gleichberechtigung der Frau bis hin zur Kleiderordnung, die der westlichen zivilisierten Welt angepasst wurde. Er teilte seinem Volk folgendes mit:
„Zivilisierte und westliche Kleidung ist für uns sehr wertvoll und angemessen für unsere Nation. Wir werden sie tragen.“
„Die türkische Republik kann kein Land der Scheiche, Derwische, Jünger und Anhänger religiöser Orden sein.“ „Der richtige und authentischste Weg ist die Ordnung der Zivilisation. 30. AUGUST 1925“ (Zitate Atatürks 1925)
Als wir das Gebäude verließen, dachten wir erst noch, unsere Schirme würden uns schützen, aber während wir die endlos lange Einfahrt zum Ausgang des Geländes hinunter gingen, wurde es immer schlimmer mit dem Regen. Wir stellten uns noch kurz unter, aber es war kein Ende in Sicht und die Straßen und Gehwege verwandelten sich immer mehr in Flüsse, sodass wir in das erstbeste Taxi sprangen und das kurze Stück zum Hotel fuhren, dennoch kamen wir mit durchnässten Schuhen und Hosen dort an. Wir verbrachten einen faulen Nachmittag im Hotelzimmer und holten uns nur kurz am Abend noch etwas essbares aus dem Supermarkt gegenüber. Da hatte es inzwischen aufgehört zu regnen.
Mittwoch, 31.5.2023 Ankara – Eskisehir Wir erreichten unser neues Ziel: Eskisehir, was so viel wie „Alte Stadt“ heißt, ca. 300 km südöstlich von Istanbul, 790000 Einwohner und im 1. Jahrtausend vor Christi gegründet. Schnell konnten wir feststellen, dass sie angenehm viele kleine, ruhigere Straßen hatte mit wenig Verkehr und eine recht lange und abwechslungsreiche Fußgängerzone mit Wasserspielmöglichkeiten für Kinder. Außerdem befanden sich in letzterer überall Tische und Stühle, wobei wir nicht feststellen konnten, dass sie irgendeinem Restaurant oder Imbiss zugeordnet zu sein schienen. Man konnte sich da wohl einfach hinsetzen und etwas verzehren, was man mitgebracht oder in einem der Imbisse, Nussgeschäfte oder Patisserien gekauft hatte. Manche Leute hatten auch Teegläser vor sich und ein Sesamkringelverkäufer lief herum. Auffallend war, wie viele Männer überall saßen und sich unterhielten. Ob an dem Tag arbeitsfrei war oder waren die alle arbeitslos? Keine Ahnung. Wer eine Einkaufszone ganz ohne die typischen westlichen Geschäfte von HM bis Tacco erleben will, wurde hier fündig. Wir wollten aber weder Klamotten noch Möbel oder Hauswaren shoppen, sondern hatten Hunger und waren mal wieder auf der Suche nach etwas vegetarischem und fanden wiederholt die immer wieder anzutreffenden Döner, Börek, Köfte und höchstens mal eine Pizza ohne Fleisch, bis wir auf ein kleines Restaurant trafen, was Cig Börek oder auch Tschebureki, was ursprünglich aus der Küche der Krimtataren stammte, anbot. Es handelte sich um frisch frittierte Teigtaschen, die wir mit Weißkäse gefüllt bekamen. Ursprünglich wurden sie wohl mit Lamm oder Rind gefüllt. Sie waren auf jeden Fall lecker. Wir trafen unterwegs auf mehrere Statuen, die am Geschmack des Aufstellern zweifeln ließen. Eine ein goldener, röhrender Hirsch, eine andere mit kitschig wirkenden Pferden, die über einen Springbrunnen sprangen und von Tauben belagert wurden und eine weitere, ehr heroische mit Kämpfern aus hellem Beton, die übereinander angeordnet waren, sodass man von weiten erst einen Springbrunnen vermutete. Den Fluss Porsuk Çayi, was Google als Dachs -Tee übersetzte :), hatten wir bereits auf dem Weg vom Bahnhof zur Unterkunft kennengelernt. Das schönste an ihm schienen die Brücken zu sein, die wir inzwischen in rot, grün und blau gesehen hatten. Er selbst war eklig dreckig, was aber auch mit starken Regenfällen zusammenhängen konnte, denn wir fanden auch große Pfützen, die auf ebensolche Güsse schließen ließen, wie wir sie in Ankara erlebt hatten. Laut Internet konnte man auf dem Fluss, ähnlich wie in Venedig, mit Gondeln fahren. Das wollten wir am nächsten Tag herausfinden, wenn das Wetter mitspielte. Bisherwar es trocken, wenn es auch bei unserer Entdeckungstour nicht danach aussah und wir zügig in unser nicht besonders gemütliches „Studio“ zurückgekehrt waren. Wir hatten zwei winzige Schlafzimmer, also genug Platz, um uns nachts in je einem französischen Bett ausbreiten zu können, und im Flur dazwischen war eine Art Studentenküche mit Herd, Kühlschrank und Spüle auf minimalem Raum und ein Tisch. Von hier ging auch ein kleines Bad ab. An Lampen hatte man gespart, es hingen überall nur Glühbirnen. Nett war, dass die Schlafzimmerfenster zum kleinen Garten hinterm Haus rausgingen. Für zwei Nächte war es voll ok, wenigstens wir konnten uns selbst verpflegen, wobei das Frühstück im Hotel in Ankara auch nicht zu verachten war. Wir bekamen es kostenlos, weil wir Genius Level bei Booking hatten.
https://youtu.be/I20WMbVab8c
Donnerstag, 1.6.2023 Eskisehir Wir waren froh, dass wir Eskisehir als Ziel gewählt hatten. Manchmal musste man halt dorthin reisen, wohin man fahren konnte, wenn man nicht dorthin fahren konnte, wohin man reisen wollte. Am Morgen waren wir zum Anleger der Gondeln geschlendert. Wir kamen wieder durch die Fußgängerzone vom Vortag und sie begeisterte uns noch mehr. Entlang der ganzen Strecke waren überall Spielmöglichkeiten für Kinder unterschiedlichen Alters. Kleine Trampoline im Boden eingelassen, Spielgeräte zum Klettern und Rutschen etc. Und die bunten Steinblöcke im Wasser, um von einem zum anderen zu hüpfen, an denen auch der große Stefan nicht vorbei kam, ohne sie zu nutzen. Überall gab es Sitzgelegenheiten verschiedener Art, damit Eltern ihre Kinder beobachten konnten. Wir kamen zur Anlegestelle und die Gondeln sahen wirklich aus wie in Venedig. Wir verzichteten letztlich auf eine Fahrt, weil wir schon eine ganze Strecke entlang des Flusses gegangen waren und somit nichts neues erwarteten, aber auch, weil wir ausschließen wollten, mit der braunen Brühe des Flusses näher in Kontakt zu kommen, auch wenn kentern wohl nur eine geringe Gefahr dargestellt hätte. Wir steckten das Geld in Cappuccino und Mokka in einem Café mit wunderschönem Ambiente und taten gut daran, denn kurz drauf zeigte der Himmel mal wieder, zu was er fähig war. Wir warteten den Regen ab und gingen zurück zur Unterkunft, denn es war noch mehr Regen angesagt und der kam auch kurz nachdem wir im Trockenen waren. Wir lasen, guckten Comedysendungen etc. und faulenzten ein paar Stunden. Gegen Spätnachmittag schien wieder einladend die Sonne und wir machten uns auf den Weg in das Museum für Moderne Kunst (Odunpazari Modern Museum OMM). Es war in einem faszinierenden Gebäude aus schräg versetzten Holzlatten, sehr modern und offen gestaltet. Auch die derzeitige Ausstellung „Trauer und Freude“, in der sich internationale Künstler in unterschiedlichsten Facetten mit dem menschlichen Wesen, der Identität, Sexualität, dem Verhältnis Mensch Natur und dem Verhältnis zu gesellschaftlichen Erwartungen auseinandersetzten, fanden wir erstaunlich offen und freizügig. Sie war nicht groß, aber sehr interessant und gut präsentiert. Direkt bei dem Museum fanden wir das sehr hübsche Viertel „Odunpazari“, was laut Rezensionen im Internet so viel wie „Zeitreise“ bedeutet. Jedes Sträßchen hat bunte, schön restaurierte Häuschen, die heute als Kunsthandwerksgeschäfte dienten. Besonders häufig wurden hier Produkte aus Meerschaum angeboten, nicht nur Pfeifen, sondern auch Schmuck und andere Gegenstände. Das sehr leichte Material aus Magnesiumselikat sollte hier den Besuchern nahegebracht und berühmt gemacht werden. Im Internet fand ich heraus, dass in Anatolien, nahe der Stadt Eski?ehir unweit von Ankara, Meerschaum in Knollenform bergmännisch abgebaut wurde. Vor dem Trocknen war die Meerschaumknolle wachsweich und fühlte sich fettig an. Durch die Berührung mit Wasser schäumte sie wie Seife und wurde deshalb schon von den Griechen für Reinigungszwecke verwendet.
Inmitten des Gebietes des lag der Kur?unlu- Komplex mit der osmanischen Kur?unlu-Moschee aus dem 16. Jahrhundert. Der Name Kur?unlu stammte von der Blei gedeckten Kuppel der Moschee. In diesem Viertel versöhnten wir uns auch wieder mit der türkischen Küche, die es uns Vegetariern in der letzten Zeit so schwer gemacht hatte, was für uns zu finden. Wir gingen in das stilvolle Restaurant „Ayten Usta“, von dem wir im Internet bereits die Speisekarte gefunden und das auch vegetarische Angebote hatte. Es war ein voller Erfolg. Nicht nur, dass uns unerwarteterweise kostenlos vor der Mahlzeit verschiedene Brotsorten mit zwei verschiedenen Dips und Essiggurken und jedem eine Flasche Wasser serviert wurden, auch unsere Wahl der Gerichte war sehr lecker. Stefan hatte: „Halluzination“, Kaukasische Ravioli gefüllt mit würzigen Kartoffeln, serviert mit Joghurt, Walnüssen und Tomatensauce, und ich:„Kaukasische Nudeln“, hausgemachte Makkaroni mit Walnüssen, Käse, Butter und Granatapfel. Beides war ein Traum! Es war die 15€ zusammen! definitiv wert. Es war ein schöner Abschluss unserer Zeit in Eskisehir. Am nächsten Morgen stand die Rückfahrt nach Istanbul bevor, dieses Mal für drei Nächte auf die asiatische Seite in eine Ferienwohnung.
Freitag, 2.6.2023 Eskisehir – Istanbul Wir schafften es bis Istanbul und fanden sogar eine nette Unterkunft, was plötzlich gar nicht mehr so sicher war. Wir saßen im Schnellzug nach Istanbul, als plötzlich die Meldung von Booking kam, dass die Unterkunft unsere Kreditkarte nicht akzeptierte. Wir sollten eine andere nehmen, sonst würde die Buchung storniert. Na toll! Eine Stunde zuvor hatte der Vermieter noch geschrieben, alles wäre fertig und sie würden uns erwarten. Da gerade eine Menge Phishing Mails, besonders auch bei Buchungsportalen, im Umlauf waren, wollten wir das nicht. Bisher hatten wir immer mit Stefans Karte ohne Probleme bezahlt. Außerdem stand in der Anzeige der Unterkunft auch, dass man vor Ort bezahlte. Ich schrieb dem Vermieter, anscheinend ein kommerzieller Anbieter, wir kämen in ca. 2S td. und würden dann bar bezahlen. Daraufhin kam die Antwort, vor Ort Zahlung sei nicht möglich und die Unterkunft wäre somit nicht mehr für uns verfügbar! Wir könnten bei Booking stornieren, was wir natürlich nicht gemacht haben, weil wir sonst hätten zahlen müssen. Wir nahmen mit Booking Kontakt auf und schrieben dem Vermieter, dass wir überhaupt kein Verständnis für sein Verhalten hätten und auf die Buchung bestünden. Zwei Minuten später bekamen wir die Stornierung durch ihn. Ich schätze, er hatte eine Doppelbuchung und wir wurden Opfer. Wir standen nun aber ohne Unterkunft da und mussten in Istanbul-Pendik aussteigen, dem östlichen Bahnhof, da wir unsere Zug- Reservierung nur bis hier gebucht hatten, denn die Wohnung wäre in der Nähe gewesen. Wir guckten uns dort in Bahnhofsnähe um, aber was wir uns ansahen, war für das, was geboten wurde, viel zu teuer. 45€ pro Nacht für höchstens 8 qm, französisches Bett, also schmal und verraucht, das wollten wir uns nicht für drei Nächte antun. Wir fanden eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern, Küche, Wohnzimmer, Bad und Balkon für dasselbe Geld bei Booking und buchten direkt. Auf dem Weg dorthin stellten wir wieder fest, wie riesig Istanbul war. Wir fuhren über eine Stunde mit der Mamaray Metro und einem Bus. Es kam uns ewig vor, besonders weil die Busfahrt wegen Rush Hour ein einziges Stop&Go war. Nun landeten wir also doch wieder auf der europäischen Seite, allerdings weit im Westen in Bahçelievler, in der Nähe des Mamara Meeres. Der Vermieter war ein sehr netter, deutschtürkischer Schauspieler, der halb in Frankfurt/Main und halb hier lebte und sowohl in der Türkei, als auch in Deutschland in Theatern spielte. Wir hatten ein sehr nettes und interessantes Gespräch bei einer Tasse Kaffee. Nach dem Hin- und Her wegen der Unterkunft waren wir hungrig und kaputt, als hätten wir viel getan, dabei saßen wir die meiste Zeit in irgendwelchen Verkehrsmitteln. So ärgerliche Zwischenfälle wie mit der ersten Ferienwohnung stressten uns auch ziemlich.
Samstag, 3.6.2023 Istanbul An diesem Morgen habe mal ich für das Frühstück eingekauft und statt Marmelade, Honig gewählt. Marmelade war hier einfach zu süß. Man schien statt Gelierzucker dickflüssigen Sirup zu verwenden, auf jeden Fall schmeckte man vor lauter klebrig- flüssiger Süße kaum noch den Geschmack des Obstes heraus, obwohl sogar Stücke drin waren. Wenn schon süß, dann konnte man auch gleich Honig essen. Zu unseren Haferflocken kaufte ich noch Walnüsse, Äpfel, Multivitaminsaft, Brot und Käse. So konnten wir uns ausgiebig laben für einen nächsten spannenden Entdeckertag. Vor dem Entdecken lag allerdings wieder eine ewig lange Bus- und Straßenbahnfahrt in sehr vollen Fahrzeugen. Diese Stadt war mir einfach zu groß. Obwohl alle öffentlichen Verkehrsmittel sehr gut ausgelastet waren, quälte sich der Verkehr in endlos langen Fahrzeugschlangen durch die Stadt. Die Nerven der Fahrer lagen blank, was sich durch ewiges Hupen, plötzliches auf die Tube drücken und nicht selten auch Überfahren von roten Ampeln ausdrückte. Fußgänger gingen selbst mit kleinen Kindern über rote Ampeln, weil sie sonst immer nur Standen. Das sahen wohl auch die Polizisten so, denn sie guckten unbeteiligt zu. Zebrastreifen wurden von Autofahrern, besonders von Taxis, fast nie als Grund zum Halten angesehen. Es kam eher vor, dass ein Taxifahrer von weitem hupte, wenn er Fußgänger witterte und dann aufs Gas trat. Vor der katastrophalen türkischen Fahrweise hatte uns der nette Apotheker in Konya sogar schon gewarnt. Manchmal musste man regelrecht aufpassen, dass sie einem nicht noch am Bordstein die Füße platt fuhren. Istanbul platzte einfach aus allen Nähten und wart mit seinen 15,2 Millionen die größte Megacity Europas. Sie hatte aber auch viel Interessantes zu bieten. Wir waren heute als erstes beim „Tünel“ und sind mit der Standseilbahn den Hügel hochgefahren. Es war aber nicht einfach nur eine Standseilbahn, sondern eine unterirdisch verlaufende Standseilbahn im europäischen Teil Istanbuls. Sie wurde 1875 eröffnet und galt damit als die älteste dauernd bestehende Standseilbahn Europas, da die ältere in Budapest zeitweilig außer Betrieb war. Sie galt außerdem, nach der Londoner „Tube“, als zweitälteste U-Bahn der Welt. Der Tünel stieg in einer parabolischen Kurve 61,55 m in die Höhe und fuhr auf einer Entfernung von 606,50 m. Eine U-Bahn war sie nur in dem Sinne, dass sie unterirdisch geführt wurde, die Antriebstechnik aber die einer reinen Standseilbahn war. Nach der Fahrt liefen wir über eine steile, schmale Straße wieder bergab zum „Istanbul Modern“, dem, oder ich sollte sagen einem der Museen für Moderne und zeitgenössische Kunst. Wie in Eskisehir waren wir begeistert von der Architektur, der Lage direkt am Galata Hafen und besonders der Ausstellung. Eine ganze Ausstellung „Always here“, war von Künstlerinnen, die seit 2016 vom Istanbul Modern gegründeten Women Artists Fond unterstützt wurden, zum Thema, warum es bisher keine bekannten, großartigen Künstlerinnen in der Türkei gab. Eine feministische Kunsthistorikerin hatte hierzu ein Essay geschrieben mit der Schlussfolgerung, dass Frauen in der Geschichte nie dieselben Möglichkeiten zur Bildung und Ausbildung hatten wie Männer und erst in langem Kampf ihre gesellschaftlich zugewiesene Rolle um die als Künstlerin erweitern und durchsetzen mussten. Art Modern förderte mit seinen Sammlungen von Anfang an die künstlerische Vielfalt und hatte Künstlerinnen damit zur Berühmtheit geführt. Außer dieser Ausstellung gab es eine sehr interessante Fotoausstellung eines Künstlers, der Personen verschiedener, zumeist sehr armer Länder, bei ihrer alltäglichen Arbeit zeigte und damit versuchte, ihre Menschenwürde und ihren Stolz in den Vordergrund zu rücken, statt Mitleid hervorzurufen. Es waren hervorragende Bilder. Darüber hinaus gab es Filme zum Thema Homosexualität und deren Verfolgung, Missbrauch und ähnliches, Installationen, die sich mit der Erde und vielem mehr auseinander setzten und neben den hauptsächlich türkischen Künstlern auch ein paar internationale wie z.B. Werke von Baselitz. Zu guter Letzt hatte das Museum noch eine Aussichtsterrasse mit schönem Blick auf Stadt und Hafen. Zum Abschluss des Tages besuchten wir bewusst noch ein veganes Restaurant, das wir bei Google Maps gefunden hatten. Karaköy, das Gebiet beim Hafen, war touristisch, hat hippe Cafés und Geschäfte und damit auch eine größere Auswahl an Gastronomie. Das Restaurant war sehr klein, nur 5 Tische, hatte aber eine große Auswahl an veganen Speisen. Man konnte zwischen unterschiedlichen Komponenten wählen. Wir nahmen jeder vier, sodass wir eine große Auswahl hatten von Falafel, Linsen, vegan gefüllter Pasta, Möhren-Rote-Beete Salat, frittierten Linsenbällchen mit Minze und Hummus und alles war sehr lecker und das für nur rund 7€! Nicht so schön war, dass von der Terrasse der Zigarettenqualm der Raucher reinzog, aber seit Albanien waren wir in der Richtung schon einiges gewöhnt, auch Rauchen in Cafés und Geschäften. Gesättigt traten wir unsere ca. einstündige Rückfahrt zur Ferienwohnung an.
Sonntag, 4.6.2023 Istanbul Heute war uns nach Natur, also fuhren wir morgens zu einem so ungefähr einzigen größeren, naturnahen Park, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar war, zum Atatürk Kent Ormani. Nach ca. 1,5 Std Metrofahrt erreichten wir die Haltestelle und kamen uns plötzlich furchtbar alt vor. Außer uns war fast niemand in der Metro, der über 25 war und alle stiegen an der Endhaltestelle aus. Die wollten doch sicher nicht alle in den Park?! Ihr Ziel war aber anscheinend eine Veranstaltung, denn irgendwelche Leute versuchten die Masse von der Haltestelle in eine Richtung zu lenken. Es war zum Glück nicht unsere und kurz drauf betraten wir wunderbare Natur. Es war zwar ein angelegter Park und wohl nicht natürlich gewachsen, aber auf einem hügeligen Gelände gab es Wald, Seen, Wanderwege, Vogelgezwitscher und Schildkröten im Wasser. Es war wie eine andere Welt nach dem dauerhaften Trubel auf den Straßen. Es waren nur wenig Leute dort, aber ein paar junge Frauen und ein Pärchen hatten sich Campingstühle und Tisch mitgebracht und genossen ein Picknick. Groß war das Gelände nicht, besonders wenn man daran dachte, dass über 15 Millionen Menschen sonst kaum Rückzugsraum vor ihrer Tür haben, aber schön angelegt war der Park auf jeden Fall. Als wir ihn durchquert hatten, liefen wir bergab zum Fähranleger Büyükdere und nahmen die Fähre zurück zur Innenstadt. Wir fuhren dabei eine ganze Stunde lang fast durch die ganze Wasserstraße zwischen Schwarzem Meer und Mamarameer. Die Fähren in Istanbul waren ganz normale Verkehrsmittel wie Bus und Bahn und ließen sich mit derselben Chipkarte bezahlen. Vom Fähranleger Eminömü fuhren wir dann mit Straßenbahn und Bus in unsere Gegend, aßen eine Pizza und gingen dann nach Hause. Der kommende Tag war unser letzter in Istanbul, bevor es am Abend mit dem Nachtzug nach Plovdiv in Bulgarien ging. Netterweise durften wir bis abends in der Wohnung bleiben, sodass wir noch eine kleine Unternehmung planen konnten und nicht auf unserem Gepäck festsaßen
Montag, 5.6.2023 Istanbul – Nachtzug nach Plovdiv/ Bulgarien Wir nutzten die Gelegenheit, unser Gepäck in der Ferienwohnung zu lassen und fuhren mit dem Bus zum Barkirköy Sahil Parki, einer Promenade beim Mamarameer. Es handelte sich um einen Grünstreifen mit Maulbeerbäumen über einer präparierten Joggingstrecke, Radweg, Fußweg und Rasenflächen mit Spiel- und Sportgeräten. Er verlief gut einen Kilometer am Segelyachthafen und dem Wasser entlang. Es war ein schöner Weg, aber den Lärm der mehrspurigen Straße nebenan konnte man nicht ausblenden. Wir sahen die Warteschlange der Güterschiffe, die auf die Durchfahrt zum Schwarzen Meer warteten. Nachdem wir einmal hin und zurück gelaufen waren, gingen wir zum Abschluss in einem arabisch aussehenden, aber doch türkischen Restaurant essen. Wir fanden auf der Karte türkische Pfannkuchen mit Käse und Champignons und eine Art Omelett mit Gemüse, beides sehr lecker. Nun hatten wir fast alle türkischen Lira verbraucht, aber das war auch das Ziel, denn wir hatten noch einmal Geld auf unsere Karte für Bus und Bahn geladen und gingen davon aus, nichts mehr zu brauchen. Selbst wenn wir notfalls Taxi fahren müssten nach Halkali zum Bahnhof, würde der Fahrer sicher Karte oder Euros akzeptieren. Wir machten uns 2 3/4 Stunden vor Zugabfahrt auf den Weg und hatten bei Google einen Bus ausgeguckt, der nach Halkali fahren sollte. Er kam auch bald und erst sah alles planmäßig aus, auch wenn die Fahrt ein nerviges Stop&Go war. Dann fuhr er auf die Stadtautobahn und bog nicht dort ab, wo er es unserer, bzw. Googles Meinung nach tun sollte. Wir saßen im falschen Bus, im Stau auf der Autobahn! Nach einer halben Ewigkeit hielt er endlich an und wir versuchten von dort wegzukommen, aber es wäre nur ein Dolmus, d.h. so ein Minibus, die überall halten und nur fahren, wenn sie voll sind und deren System wir gar nicht durchblickten, gefahren. Uns lief die Zeit weg, also fragten wir ein Taxi. Der Fahrer nahm keine Karte und keine Euros und eigentlich hätte es 5 Tl mehr gekostet als wir noch hatten, aber der Fahrer hatte Mitleid mit uns und nahm uns trotzdem mit. Eine Höllenfahrt zwischen Stau und 130 km/h wo 30 km/h erlaubt waren. Hinter uns heulte die ganze Zeit ein Rettungswagen, aber es gab effektiv keine Chance für ihn durchzukommen. Spätestens zu dem Zeitpunkt war ich froh, aus Istanbul wegzukommen. Bei einem Notfall, der nicht mitten in der Nacht stattfand, stieg das Risiko noch im Rettungswagen das Zeitliche zu segnen, hier wohl erheblich. Wir erreichten den Bahnhof Halkali rund eine ¾ Std vor Abfahrt. 30 Minuten vorher durfte man in den Zug einsteigen. Der Bahnhof war neu, aber bot außer Gleisen, Fahrkartenschalter, WC und Warteraum absolut nichts. Unser Nachtzug war wie die vorherigen, also mit Waschbecken, Schrank und Kühlschrank mit Snack, also für ca. 15€ Gebühr pro Person für die Reservierung wirklich super im Vergleich zu den horrenden Preisen im westlichen Europa. Nun warten wir ab, was in der Nacht auf uns zukam. Soweit wir gelesen hatten, mussten alle Fahrgäste samt Gepäck an der Grenze aussteigen. Ankunft gegen 1:00 nachts, Abfahrt ca. 2:00. Gute Nacht!
Dienstag, 6.6.2023 Bansko/ Bulgarien Wir kamen fast pünktlich in Plovdiv kurz vor 6:00 an. Das war keine wirklich gute Zeit, es sei denn, man wollte die ersten Sonnenstrahlen genießen. Wir liefen mit unserem Gepäck erst quer durch die ganze Stadt auf der Suche nach einem Geldautomaten und dann nach einem geöffneten Café. Wir kamen auch an unserer FeWo von vor zwei Jahren vorbei, die auch unsere Tochter und ihr Freund zuvor gemietet hatten. Unsere Suche nach einem Café war erst um 7:30 erfolgreich. Wir hätten zwar vorher Kaffee aus Automaten und Gebäck aus Lädchen haben können, aber wir hatten zum Einen kein bulgarisches Geld und ich musste blöderweise auch noch auf Toilette. Vom Café aus ging es weitere 15 Minuten zu Fuß weiter zur Autovermietung, die dummerweise noch keine Meldung von Check 24 hatte, dass wir das Auto statt um 12:00 um 8:30 abholen wollten. Tja, kein Auto da, also warteten wir auf einer Parkbank in der Hoffnung, dass es wenigstens etwas früher als 12:00 klappen würde. Stefan war recht fit, aber ich todmüde. Ich hatte zwischen dem ständigen Geweckt werden an den Grenzen nicht einschlafen können und mein Fitnesstracker zeigte die sagenhafte Schlafpunktzahl von 21 Punkten! Vielleicht hätte ich lieber wach bleiben sollen? Ganze 20 Min Leichtschlaf, na super und dafür hatten wir ein Schlafwagenabteil bezahlt! Um 16:00 hatten wir es endlich geschafft! Nach einer Nachtfahrt ohne Schlaf, 6 Stunden Warten aufs Auto und einer rund dreistündigen Fahrt kamen wir in der Bergidylle Bulgariens, in Bansko, im Südwesten des Landes, an. Wir fanden eine wunderschöne Wohnung mit einem traumhaften Blick auf die Berge vor. Dieses Mal blieben wir 4 Nächte und ich schlief in der Nacht wie eine Tote
Mittwoch, 7.6.2023 Bansko- Wanderung Pirin Nationalpark Dieser Tag war ein voller Erfolg, auch wenn wir unsere geplante Wanderung nicht ganz durchführen konnten, weil uns ein breiter Fluss in die Quere kam. Aber vom Anfang: nach ausgiebigem Frühstück fuhren wir eine wunderschöne Strecke in den Pirin Nationalpark bis zur Berghütte Wichren. Von dort startete die Wanderung und das gleich über alpines Gelände: dicke Steine, feuchter Untergrund durch Schneeschmelze. Schon bald ging es richtig steil hoch und manchmal reichten meine Stöcke nicht, um genügend Halt zu finden, und ich musste mich an dickeren Zweigen von Latschenkiefern festhalten, oder Stefan reichte mir die Hand, wenn meine Beine kaum von einem Tritt zum anderen reichten. Wir überquerten mehrmals Bäche, bis sich ein Wasserlauf genau unseren Wanderweg als Strecke ausgesucht hatte. Wir hangelten uns von Stein zu Stein den Berg hoch. Das alles fand vor fantastischer Kulisse statt. Hohe Berge ringsum und umso höher wir kamen, auch Schneefelder und wunderschöne, lila Teppiche aus Krokussen. Als wir an der höchsten Stelle der Wanderung ankamen, hätten wir eigentlich einen Fluss überqueren müssen. Man hatte auch aus Steinen eine Spur gelegt, nur dass sie inzwischen einige Zentimeter unter Wasser waren und der Fluss, angepeitscht durch das Tauwasser von den Bergen, ganz schön kraftvoll dahin rauschte. Stefan meinte, es wäre zu gefährlich und wenn er das schon sagte, dann folgte ich lieber dem Rat meines privaten Bergführers;). Wir liefen noch ein paar Hundert Meter zu einem anderen See, der auch traumhaft aussah und machten uns dann auf den Rückweg. Es ging über denselben Weg wie beim Aufstieg, nur dass die Sonne noch mehr Schnee zum Schmelzen gebracht hatte als zuvor. Entsprechend war die Erde und besonders die verschneiten Stücke noch rutschiger und einmal setzte ich mich auch auf den Hintern. Es war nicht schlimm, die Hose trocknete im Nu. Mehr Sorgen bereitete uns allerdings der Wasserlauf auf unserem Weg. Hin war er noch so, dass man relativ gut von Stein zu Stein kam, nun war er aber zu einem regelrechten Fluss angewachsen, und ich war höllisch froh, meine Stöcke zur Hilfe zu haben. Hätte es jetzt noch begonnen zu regnen, wären wir in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Wir kamen heile den Berg wieder hinunter und stärkten uns auf bulgarische Art in der Wanderhütte: Shopska Salat und Pommes (waren ehr sehr dünne geschnittene Bratkartoffeln) mit geriebenem Käse. Beides war sehr lecker, wenn auch letztere sicher nicht das Gesündeste waren. Nach der Rückkehr sahen wir uns noch in unserem Urlaubsort Bansko um. Man konnte sich gut vorstellen, dass zur Wintersportsaison hier der Teufel los war, so viele Unterkünfte und Skiverleihe wie es hier gab. Momentan schien allerdings absolut keine Saison zu sein. Viele Geschäfte und Restaurationsbetriebe hatten total dicht, andere waren gerade in der Renovierungsphase. Auch die Straßenbauarbeiten liefen in vollem Gange. Wir fuhren zu Lidl, das erste Mal seit sicher einem Monat konnten wir mal wieder bei einem Discounter einkaufen, die Preise waren aber, wie in allen anderen Ländern, höher als bei uns bei vielen Sachen. Wir kauften zum Abendessen Kartoffeln, Pilze, Möhren, Tsatsiki und Fischstäbchen ein, sodass Stefan uns daraus ein leckeres Essen zauberte. Wir nahmen uns vor am nächsten Tag mit der Rodophenbahn zu fahren. Es sollte ein sehr schönes landschaftliches Erlebnis sein, wenn auch sehr langsam.
Donnerstag, 8.6.2023 Bansko – Zugfahrt mit der Rodophenbahn Rattataram rattataram…ich hörte es noch abends in meinen Ohren, und das Auf und Ab und hin und her schaukeln war genauso, wie man sich als Kind Zugfahren vorstellte, wenn man Jim Knopf las. Die Rodophenbahn fuhr zwar nicht mehr mit Dampflokomotive, sondern mit Diesel, aber sonst kam sie noch deutlich aus einem anderen Jahrhundert. Wie geplant, machten wir einen langen Ausflug mit dieser 1926 in Betrieb genommenen und bis 1945 auf die heutige Fahrstrecke von 125 km Länge ausgebauten Schmalspurbahn. Die Strecke verlieft eigentlich von Dobrinischte bis Septiemvrie, wir fuhren allerdings nur von Bansko bis Velingrad und zurück. Schon diese Strecke dauerte ca. 6 Stunden, denn der Zug fuhr mit durchschnittlich gerade mal 25 km/h. durch das Rodophengebirge und das Rillagebirge und endete kurz vor dem Piringebirge, wo unsere Unterkunft lag . Die meiste Zeit durchquerte er bewaldete Hügel, stieg dabei von 238 m auf 1267 m über dem Meeresspiegel. Der Bahnhof Awramowo war damit der höchste auf der Balkanhalbinsel. Um diesen enormen Höhenunterschied zu bewältigen, waren zahlreiche Tunnel, Kurven und Kehren notwendig. Die Strecke galt als ein Zug-Highlight in Bulgarien, wurde aber auch von Skitouristen im Winter gerne genutzt, wenn sie in Plovdiv landeten und ins Piringebirge wollten. Wir hatten Glück, unsere Züge waren auf beiden Strecken nur wenig besetzt, wir hatten gemütliche Plätze, konnten die Fenster zum Fotografieren öffnen und hatten noch dazu super Wetter. Der Zug war ein wirklich altes Schätzchen. Zwischen den Wagons gab es keinen geschlossenen Übergang wie in heutigen Zügen, sondern man ging durchs Freie, nur geschützt durch zwei Ketten rechts und links und konnte die Räder über die Schienen rattern sehen. Auf der Rückreise fuhr der Zug sogar die ersten paar hundert Meter mit geöffneter Außentür, bis der Schaffner sie schloss. Die Bahnhöfe waren nette kleine Gebäude, meist außen mit Bäumen, Bänken, Blumen und einem Kiosk oder zumindest einem Kaffeeautomat. Zu den Bahnsteigen lief man einfach über Absenkungen zu den Gleisen. Es wirkte alles wie aus vergangenen Zeiten, inklusive der Stationsvorsteher. Da wir zuvor schon ähnliche Fahrten in gebirgigen Regionen in der Schweiz, in Österreich und im schottischen Hochland gemacht hatten, faszinierte uns die Fahrt nicht ganz so sehr. Die Landschaft war schön, die Technik faszinierend und zum Schluss bei der Rückfahrt genossen wir auch den Ausblick auf die vor uns liegenden Berge des Piringebirges, aber im Vergleich zu den Vorerfahrungen fehlte es etwas an spektakulären Ausblicken. Wir freuten uns dennoch, die Tour unternommen zu haben. Schade war, dass wir am Schluss nicht bis Dobrinischte durchfahren und zurück, vorbei an einem Wasserfall, nach Bansko laufen konnten, aber es zog eine dermaßen dunkle Wolkenwand über die Berge und der Wetterbericht zeigte auch Gewitter an, sodass wir den Ausflug cancelten.
Freitag, 9.6.2023 Bansko – Autoausflug nach Melnik Das Wetter blieb uns treu, auch wenn es zwischendrin donnerte und gar nicht so aussah, als würde es trocken bleiben, regnete es bisher immer nur außerhalb unseres Radius. Super Voraussetzungen also für unsere heutige Autotour. Wir hatten uns Melnik ausgeguckt, die kleinste Stadt Bulgariens mit rund 160 Einwohnern (Dez 2020). Sie lag ganz im Süden, nur ca. 35 km von der griechischen Grenze und war bekannt für ihren Weinanbau. Es gab sogar ein Museum dazu, was uns aber nicht interessierte. Wir hatten lange genug im Weingebiet Rhein/Mosel/Nahe gelebt. Unser Ziel war es, das Örtchen zu entdecken und dabei stießen wir auf einen Wanderweg zu den Pyramiden von Melnik. Wie vor zwei Jahren bei Stolp in Bulgarien, gab es auch um Melnik faszinierende Sandsteinformationen, die häufig spitze Formen wie Pyramiden hatten. Wir wanderten auf einem Wanderweg, der lange durch ein ausgetrocknetes Bachbett und dann steil hoch führte. Unterwegs begegneten uns Geckos, Schmetterlinge und eine Schildkröte, die bei uns ein Casting als Model absolvierte. Oben angelangt hatten wir einen phänomenalen Ausblick und ein idyllisches Rastplätzchen auf einem Ast, geschützt vom Baum vor der prallen Sonne. Der Weg hoch war anstrengend, 280 Höhenmeter auf 2,3 Kilometer Länge, aber runter war dagegen echt schwierig mit meinen Wackelknien. Sand auf Steinen und Geröll bei steilem Abgang boten den optimalen Untergrund zum Wegrutschen. Ich hatte dummerweise auch meine Stöcke im Auto gelassen, weil wir uns auf Ort eingestellt hatten, so musste Stefan mir häufiger die Hand reichen. Wir kamen heile wieder im Ort an, aßen etwas und fuhren auf einem anderen Weg wieder Richtung Bansko. Unterwegs ließ uns Google auf eine Straße abbiegen, die als Umleitung ausgeschildert war. Ob wir sie hätten nehmen müssen, weiß ich nicht, aber sie brachte uns fast an die Grenze des Möglichen mit unserem Mietwagen. Eine derartige Schlaglochpiste, mit zumeist komplett zerbrochener Straßendecke waren wir zuvor noch nie gefahren. Das ging über 3 km so und ich stieg an den schlimmsten Stellen aus und winkte Stefan an den dicksten Steinen und Löchern vorbei so gut es ging. Das war ziemlich haarig, aber wir kamen letztendlich wieder auf die normale Straße und die führte durch wunderschöne Wald- und Felsenlandschaft mit ein paar kleineren Orten. Der Ausflug hatte uns wieder bestätigt, dass es eine sehr gute Idee war, Bulgarien noch ein zweites Mal einen Besuch abzustatten.
Samstag, 10.6.2023 Bansko- Pamporowo Wir verließen unser gemütliches Zuhause in Bansko und fuhren 165 km weiter nach Osten, nach Pamporowo. Es war wieder ein Skiresort, aber auf 1650 m Höhe, also fast 700 m höher als Bansko, was man auch deutlich an den Temperaturen merkte. Waren es in Bansko in den letzten Tagen so um die 23-25?, hatten wir hier gerade mal 11?. Brrrr, kalt. Wir schalteten direkt die Heizung in unserem neuen Apartment an. Wir wohnten in einem gigantischen Resorthotel in der 5. Etage. Es war das größte im Rodophengebirge, allerdings laut Internet gerade geschlossen. Das galt aber wohl nur für den Hotelbereich mit Pool, Bowlingbahn, Skischule etc. Wir konnten unser Apartment buchen und es gab auch einen Portier oder Parkplatzwart (anscheinend war er derzeit beides), der uns den Weg zu unserer Unterkunft zeigte. Außer uns war kaum noch jemand hier. Es war daher ruhig und störte uns nicht weiter. Solange sie nicht den Lift sperrten oder Strom abschalteten, war alles ok. Im Winter kostete dasselbe Apartment 90€, wofür wir jetzt fast drei Nächte hier wohnen konnten. Wir hatten wieder eine Küchenzeile und eine Waschmaschine, was wollten wir mehr? Der Ausblick war nicht so super wie in Bansko, aber uns erschien der ganze Ort auch nur aus irgendwelchen Skiunterkünften zu bestehen, wohingegen Bansko ein gewachsener Ort mit kleiner Altstadt war. Rund um unser Resort befanden sich Skischulen, weitere Hotels, Restaurants und Geschäfte, aber alles hatte geschlossen. Hier schien wirklich nur im Winter etwas los zu sein, obwohl es direkt vor der Tür einen Mountainbikepark gab, der jedes Jahr ein großes Bikefest feierte, das zu den größten Bulgariens gehörte, wie wir in der Werbung feststellen konnten. Wahrscheinlich war hier nur im Juli/August Sommersaison. Auf dem Weg hierher hatten wir in Goze Deltschew gehalten und einen kleinen Spaziergang durch die Innenstadt gemacht. Danach gab es an der Strecke, die sich fast ausschließlich durch Wald- und Felsgebiete und häufig entlang eines Flusses schlängelte, zahlreiche Picknickplätze. Diese waren wirklich toll, mit Trinkwasserquelle mit frischem Gebirgswasser, einer nach vorne hin offenen Hütte, wo man vor Regen geschützt auf Tischen mit Bänken sein Essen genießen konnte, und teilweise sogar mit WC und Spielgeräten. Zuletzt machten wir noch einen Abstecher zur Trigader Schlucht, wo man mit dem Auto zwischen den Felsen durchfuhr. Wir machten einen Stopp zum Essen, um von dem Restaurant aus beobachten zu können, wie Leute sich in Gurtsitzen am Seil 88 m in die Tiefe sausen ließen. Eigentlich wären wir gerne irgendwo noch etwas gewandert, aber es fing an zu regnen.
Sonntag, 11.6.2023 Pamporowo Ausflug Smoljan und Wanderungen Da das nächste geöffnete Lebensmittelgeschäft erst im Ort Smoljan, 16 km von unserem Hotel entfernt zu finden war und wir etwas zum Essen brauchten, fuhren wir als erstes dorthin und beehrten den Lidl mit einem Besuch. Schon einmal dort, machte es Sinn, auch gleich eine Wanderung in der Umgebung zu machen. Der Waterfall Canyon stand sowieso auf unserer Liste, also begaben wir uns auf den Wanderweg. Wie immer bei Wasserfällen ging der Weg bergauf. Es waren letztendlich 350 Höhenmeter, also einige mehr als bei unserer Wanderung in Bansko, aber es ging nur am Ende richtig hoch und auch von der Begehbarkeit war der Weg nur zum Ende hin teils sehr heftig für mich, da die Reparaturarbeiten an Brücken und Stufen noch nicht bis oben hin abgeschlossen waren. Im Großen und Ganzen war der Weg super erhalten, gut markiert und mit Picknickplätzen und Unterständen, die sogar mit Erste Hilfe Kästen versehen waren, wirklich lobenswert. Auf dem letzten Stück nach oben waren allerdings einige Holzstufen weggebrochen, Bretter von Brücken über den Wasserfall durchgemodert etc. und ich musste größere Schritte machen, als meine Beine hergaben. Mit Stefans Hilfe und meinen Stöcken schaffte ich aber auch das. Wie schön, wenn man einen so verlässlichen und lieben Partner hat! Der Wasserfall bzw. die Fälle waren nett, aber nicht absolut überragend. Wir hatten auf unseren Reisen schon sehr viele gesehen und häufig glichen sie sich. In den osteuropäischen Ländern hatte wohl Kroatien die schönsten und spektakulärsten zu bieten, da kamen diese nicht mit. Schön war die Wanderung dennoch, besonders weil wir uns zu Beginn nicht vom Regen abschrecken gelassen hatten und es dann auch kurz drauf trocken wurde. Nach dieser Tour schauten wir uns den 28000 Seelen Ort Smoljan an, den wir ziemlich stillos fanden, seine Lage in den Rodophen war jedoch herrlich. Auf dem Weg zu unserer Unterkunft fiel uns ein weiteres Wanderschild auf, und zwar zum Nevyastata Eco Trail. Der Weg war eine reine Wohltat zu dem steinigen Gekraxel zuvor, ein schöner Waldweg und inzwischen sogar mit vereinzelten Sonnenstrahlen. Nur zuletzt wurde es alpin. Es gab sogar ein Warnschild, dass Jugendliche unter 16 Jahren dort nicht wandern dürften. Es war felsig und ging hoch zu Klippen. Ich fand das Stück zwar etwas schwieriger, aber gut zu meistern. Der Ausblick von oben war super und bei der Plattform gab es ein Seil, wo Geschulte mit richtigem Equipment sich in die Tiefe zum anderen Felsvorsprung am Seil entlang rutschen lassen konnten. Wir konnten leider keinem dabei zusehen. Am Felsen waren Sicherungshaken für Kletterer. Ich denke mal, dass diese Dinge der Grund waren, warum unter 16 Jährige dort nicht alleine rauf durften. Wir freuten uns, diesen Weg noch gemacht zu haben und entschieden kurzerhand beim Parkplatz, auch noch den weiteren, nur ein paar Hundert Meter langen Weg zu den Resten einer Festung aus dem 6 Jahrhundert zu machen. Auch der Weg war schön und bot tolle Ausblicke. Gut gelaunt nach einem Tag in der Natur kehrten wir wieder heim, wo Stefan ein leckeres Abendessen aus Pellkartoffeln mit Tsatsiki und einer Gemüsepfanne mit Zucchini, Paprika, Tomaten, Knoblauch, Zwiebel und Ingwer zauberte. Es war toll, zwischendurch selber kochen zu können und bei beiden Wohnungen in Bulgarien hatten wir ausnahmsweise mal eine gut ausgestattete Küche. In der Türkei war das furchtbar, es fehlte immer an allem und besonders an Messern. Gut, dass wir immer eine Grundausstattung an superleichtem Titan- Geschirr inkl. meiner nicht mehr wegzudenkenden French Press Kaffeemaschine, ebenfalls aus Titan, deren Becher man auch als Tasse oder Topf für ein Süppchen nutzen konnte, bei uns hatten. Bei dieser Art der Ausstattung lohnte es sich wirklich, Geld zu investieren für etwas Gescheites, was man bei unterschiedlichen Reiseformen nutzen konnte.
Montag, 12.6.2023 Pamporowo – Ausflug Slatograd Unseren letzten Tag im Süden Bulgariens nutzten wir zu einem Ausflug nach Slatograd, rund 70 km südöstlich von Pamporowo an der griechischen Grenze, was aber dennoch mehr als 1,5 Std Fahrt bedeutete, denn es ging wieder durchs Gebirge mit unzähligen Kurven. Gut, dass Stefan solche Strecken gerne fuhr! Wir machten unterwegs eine Wanderung zur Festung Momchilowa. Der Weg zur Festung war einfach, da sehr gut gesichert und an den meisten Stellen mit perfekter Treppe ausgestattet. Er war auch nicht so anstrengend, wie er von unten aussah, es waren halt einige Stufen bergauf. Von der Festung selbst war nicht mehr viel erhalten, der Ausblick war jedoch wunderbar und die Bewachsung der Felsen mit Moosen und Flechten eine Augenweide! Es gab an mehreren Stellen Podeste außerhalb der Brüstung und wir rätselten, ob sich da wohl Vogelmenschen den Berg runterstürzten und auf die Funktion ihrer Flügel hofften. Für Bungee Jumping waren zu viele Bäume und Felsen im Wege. Ich las jedoch später, dass die Sitzbänke dort oben auf der Plattform als Amphitheater genutzt wurden und die Beleuchtungsanlage dort oben sprach auch sehr dafür. Vielleicht wurden dann auf die Podeste Boxen gestellt? Keine Ahnung. Die Rodophen wurden in historischen Quellen die „Heiligen Berge der Thraker“ genannt und der Hügel Momchilowa sollte auch eine Kultstätte gewesen sein. Um Geschichte lebendig zu halten und Touristen anzuziehen hatte die Region, sowohl auf bulgarischer als auch auf griechischer Seite mit Unterstützung der EU dort ein Projekt mit dem Namen „Mädchenfestung- Mythen werden lebendig“ entwickelt. Ich schätzte, dass dort oben geschichtliche Events veranstaltet wurden. Wir machten uns gerade auf den Rückweg, als es anfing zu tröpfeln und begaben uns schnellstens wieder zum Auto. Der Ort Slatograd, den wir danach besuchten, war ein Tipp unserer Airbnb Gastgeberin von vor zwei Jahren, mit der wir uns so gut verstanden hatten, dass wir sogar zweimal gemeinsam essen gingen. Sie hatte uns erzählt, dass es dort schöne alte Häuser gäbe. Wir fuhren also direkt zur Altstadt, die gerade eine riesige Baustelle war. Gleich mehrere Straßen waren aufgerissen und wir kamen gerade so zu Fuß durch. Es gab ein paar nette historische Häuser inkl. Museen als ethnografischen Komplex. Wir durchgeschlenderten den Bereich, das war aber nach kurzer Zeit erledigt, denn in die Museen wollten wir nicht, da wir beim letzten Besuch bereits ein ganzes Museumsdorf ausführlich besucht hatten. Also ließen wir uns von unserem Kaffeedurst in ein Café verführen und da verbrachten wir letztendlich über zwei Stunden, weil es einen heftigen Wolkenbruch gab. Als es einigermaßen ging, lief Stefan zurück zum Auto und ich passte im Trockenen auf unsere Papiere auf, bis er mich abholte. Irgendwie hatte es ins Auto reingeregnet, auf jeden Fall war mein Sitz feucht und ich bekam auf der Rückfahrt eine nasse Hose. Wir hofften, dass der Sitz am kommenden Mittag wieder trocken sein würde, wenn wir den Wagen wieder in Plovdiv abgeben mussten. Von dort ging es dann mit dem Zug weiter nach Sofia, wo wir noch einmal eine Nacht vor der Weiterreise übernachten wollten.
Dienstag, 13.6.2023 Pamporowo nach Sofia 1,5 Std Autofahrt und ca. 3 Std Zugfahrt brachten uns nach Sofia. Wir waren jetzt also wieder Zugfahrende und planten am kommenden Tag nach Widin, in die Nord- westlichste Ecke Bulgariens, weiterzufahren. In Pamporowo war am Morgen dichter Nebel, den wir aber mit jedem verlorenen Höhenmeter mehr hinter uns ließen. In Plovdiv schien die Sonne und es war merklich wärmer. Wir gaben unser Auto ab und kamen auf dem mehr als 3 km langen Fußweg zum Bahnhof gut ins Schwitzen. In Sofia wurden wir mit Regen empfangen, der leider auch nach langem Anstehen für Reservierungen noch nicht aufgehört hatte. Zum Glück lag unser Hotel nur 700 m vom Bahnhof entfernt, sodass wir nicht ganz durchnässt wurden. Im Hotel warteten wir darauf, dass es endlich aufhörte und wir uns auf die Suche nach Abendessen machen konnten.
Mittwoch, 14.6.2023 Sofia – Widin Wieder verbrachten wir die meiste Zeit im Zug. Es ging gegen 12:00 los, nachdem wir im Hotel gefrühstückt hatten. Das Angebot auf dem Büffet war ok, aber sowohl das Brot, als auch die süßen Gebäckstücke waren so trocken, als hätten sie seit dem Vortag auf dem Büffet gelegen. Dennoch war es nett, sich sozusagen an den gedeckten Tisch zu setzen. Danach kamen dann wieder 5 Stunden Zugfahrt. Zum Glück hatten wir uns tags zuvor noch eine Reservierung für den enormen Preis von ca. 50 Cent geholt, obwohl sie nicht vorgeschrieben war. Es waren aber selbst in der ersten Klasse fast alle Plätze belegt, so war es doch schön, feste Plätze zu haben, statt bei jeder Station zittern zu müssen, seinen Platz wieder aufgeben zu müssen. Es war eine lange, aber ganz angenehme Fahrt. Wir hatten ausnahmsweise mal wieder ein 1. Klasseabteil und die Sitze waren längst nicht so durchgesessen wie auf der Fahrt nach Sofia. Wir konnten ausgiebig lesen und zeitweise sogar mit Duolingo Sprache lernen, wenn es Netz gab. Unser Hotel in Widin war nur 350 m vom Bahnhof entfernt, was unser Rekord war. Es war moderner und qualitativ besser als das in Sofia und noch dazu um ca. 9€ preiswerter, aber natürlich nicht in der Hauptstadt. Widin ist eine richtig typische, ehemals sozialistische Stadt mit ihren Brutalismusbauten und -denkmälern, ein paar historischen Gebäuden, die man schon restauriert hatte, einer Fußgängerzone, die man mit Springbrunnen und Blumen ganz nett gestaltet hatte und viel Verfall. Es handelte sich um eine Grenzstadt an der Donau. Die gegenüberliegende Seite der Donau war bereits in Rumänien, sodass die Donaukreuzfahrer durch die Grenzstation an Land gehen mussten. Es gab auch wieder eine Festung, aber die hatte bei unserer Ankunft in Widin bereits geschlossen, sodass wir sie uns nicht angesehen haben, auch nicht von außen, denn unterwegs wurden wir von Mücken überfallen, sodass wir flüchteten.
https://youtu.be/n1ZMAPISZyI
Donnerstag, 15.6.2023 Widin (Bulgarien) – Craiova (Rumänien) Wieder fuhren wir über eine Grenze, dieses Mal nach Craiova in Rumänien, wo wir wieder etwas länger bleiben wollten. Auch in diesem Land gab es noch Ecken, die wir noch nicht gesehen hatten, auch wenn wir im letzten Jahr auf der Interrailtour schon einmal in Rumänien waren und vor ein paar Jahren mit dem Auto sogar für mehrere Tage. Da wir auf dem Weg zurück in Richtung Deutschland sowieso über Rumänien und Ungarn fahren mussten, konnten wir uns auch noch ein paar vermeintlich nette Stellen näher ansehen. Ob Craiova nett würde, konnten wir noch nicht sagen, laut Internet sollte es interessante Gebäude und Parks geben. Wir ließen uns überraschen. Die Hinfahrt hierher dauerte 3 Std, was eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 30 km/h bedeutete. Zumindest war der Zug pünktlicher als deutsche Züge. Er glich unseren InterRegios, nur, dass hier anscheinend versucht wurde, jede zweite Scheibe mit Steinen einzuschlagen. Von innen war der Zug völlig ok und der Schaffner sehr bemüht. In Widin auf dem Bahnhof hatte ich erst noch gedacht, was ist das denn für ein Typ, der sich da im Unterhemd mit den Grenzen unterhält? Als sein Job jedoch begann, hatte er Ruckzuck ein Hemd an und sein Käppi auf und siehe da: Kleider machten Leute! Die Fahrt bis Craiova war wirklich erschreckend im Anbetracht all der Armut bzw. Verödung des ganzen Landstrichs hier im Süden Rumäniens. Nahezu kein Bahnhof hatte mehr Scheiben, Türen oder sah auch nur annähernd brauchbar aus. Auch sonst kamen wir fast ausschließlich an verfallenen Gebäuden vorbei. Eine extrem trostlose Gegend. Einzig ein paar riesige Lagerhallen aus Metall standen noch heile herum. Riesige Äcker, wo ich nicht herausfinden konnte, was da wuchs, waren im Vorbeifahren zu sehen. Im Spiegel fand ich einen Artikel, der sich mit den großen Klimaproblemen gerade im Süden um die Donau herum befasste. Trockenheit und Starkregen hatten die vornehmlich sandige Gegend immer weiter erodieren und veröden lassen, sodass man das Gebiet bereits „Sahara an der Donau“ nannte. Vom typischen Maisanbau ist man vielerorts wohl zu Wassermelonenanbau übergegangen. Unsere Wohnung in Craiova war in einem dieser typischen, ehemals sozialistischen Blocks, wo man von außen und im Treppenhaus nichts Gutes erwartete, die Wohnungen aber meist ganz in Ordnung waren, so war es auch bei dieser: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad und Wintergarten zum Wäschetrocknen, nicht besonders hübsch, aber völlig in Ordnung und sauber. Nach dem Einzug machten wir uns auf den Weg, etwas zum Abendessen zu suchen und wurden fündig in einem Restaurant, wo wir gemeinsam eine Platte frittiertes Gemüse mit Tsatsiki und dazu Rosmarinkartoffeln verspeisten. Danach gingen wir im Eilschritt nach Hause, da sich der Himmel mal wieder verdunkelte. Wir schafften es wie schon so häufig, nicht nass zu werden.
Freitag, 16.6.2023 Craiova Es sah so aus, als hätten wir nicht so furchtbar viel verpasst, hätte uns die Rückfahrt nicht nach Craiova gebracht. Es gab in der Altstadt ein paar wenige alte, restaurierte Häuser, aber im Großen und Ganzen war die Stadt ein Sammelsurium aus verfallenen bis Shabby Chic Bauten verschiedener Epochen, Blöcken aus sozialistischer Zeit, ein paar modernen Gebäuden, die aber häufig bereits am Verfallen waren, obwohl nicht nicht einmal fertig gebaut, einer Mall mit mehreren Stockwerken und Geschäften wie Starbucks und HM im Erdgeschoss, darüber aber ca. 1/3 Leerstände. Vor den Rathaus, einem guterhaltenen historischen Gebäude, war um den Springbrunnen davor die World Press Fotoausstellung 2023 ausgestellt. Es waren die Ergebnisse eines Wettbewerbs, der jährlich die weltweit besten Pressefotos des vergangenen Jahres prämierte. Sie zeigte die Schmerzen der Welt, von den Folgen des Klimawandels, des Krieges bis hin zur Unterdrückung der Frauen im Iran. Sehr gute Fotos mit sehr deprimierender Aussage. Nach der Altstadt besuchten wir das Kunstmuseum, von dem uns aber nur das Gebäude gefiel. Es handelte sich um eine würdige alte Villa. Die Bilder waren alte Ölgemälde von Personen oder Landschaften und unseres Ermessens auch nicht gut. Danach kamen wir zum botanischen Garten, der uns gut gefiel. Außer Blumenarrangements gab es dort auch natürliche Habitate wie Waldstücke, eine Bach- Teichlandschaft und eine Anpflanzung von Apfelbäumen. Wir konnten mindestens ein Dutzend Schildkröten beobachten und es war ein lebendiges Gezwitscher um uns herum. Auf dem Rückweg stärkten wir uns auf einer Bank mit Strudel und gingen danach zurück zu unserer Unterkunft. Mir tat mein Knie und durch Vermeidungshaltung dann auch noch mein Fußgelenk weh, außerdem war unangenehm schwüle Luft. Am Abend gab es dann auch einen starken Regenguss.
Samstag, 17.6.2023 Craiova Am Morgen ließen wir uns Zeit mit dem Aufbrechen, denn es gab hier eigentlich nur noch den Park Romanescu zu besichtigen. Wir frühstückten und übten Sprachen mit Duolingo, bevor wir uns auf den Weg machten. Es hatte aufgehört zu regnen, aber dem Wetter war auch weiterhin nicht zu trauen. Wir liefen rund 40 Min bis zum Park. Dort kamen wir zuerst über einen Friedhof, dann durch einen kleinen, kostenlosen Zoo zu einem See, wo man zu anderer Zeit wohl auch Boote ausleihen konnte. Es gab ein Restaurant mit Seeterrasse, wo wir einen Kakao tranken, bevor wir uns wieder auf den Rückweg machten, denn es war schon wieder Regen angesagt. Wir kamen dabei an einem kleinen Schloss vorbei, ob echt oder nachempfunden kann ich nicht sagen, in dem sich ein Restaurant befand. Bei einem weiteren Gebäude, dem historischen Casa Bibescu, fand gerade eine Hochzeit statt. Seit zwei Jahren konnten sich hier Paare trauen lassen. Wir gingen über eine Hängebrücke wieder dem Ausgang zu. Was wir ausließen, war das Hippodrom, was Stefan bereits beim Joggen entdeckt hatte und für ausgesprochen langweilig hielt. Was sollte es auch ohne Pferderennen hier zu sehen geben? Trockenen Fußes gelangten wir wieder zu unserer Unterkunft. Stefan ging noch einmal kurz los zum Friseur und kam kurz drauf mit akzeptablen Haarschnitt wieder. Ich hatte ihn in der Türkei immer von den Barbershops ferngehalten, damit man ihm nicht so einen typischen türkisch- arabischen Schnitt verpasste.
Sonntag, 18.6.2023 Craiova – Timisoara Wir waren 6,5 Stunden mit dem Zug unterwegs und erreichten Timisoara. Die Fahrt war schöner und interessanter als unsere letzte, wenn sie auch zuletzt wirklich lang wurde. Wir fuhren an landwirtschaftlich genutzten Flächen vorbei, die vielerorts unter Wasser standen, kamen dann ein ganzes Stück an der Donau entlang, die ebenfalls recht hoch stand und konnten auf der anderen Seite Serbien sehen. Da der Zug im Grenzort Drobeta Turnu- Severin hielt, stiegen Polizisten ein und wollten wohl sichten, ob irgendwelche Migranten im Anmarsch waren. Danach fuhren wir durch oder zumindest entlang des Nationalparks Cheile Nerei Beusnita, von dem wir aber leider nur grüne Hügel und Wälder sehen konnten. Bereits als wir in Timisoara ankamen war klar, dass diese Stadt nicht mit Craiova vergleichbar war. Kein Wunder, dass sie in diesem Jahr auch eine der drei Kulturhauptstädte Europas neben Elefsina in Griechenland und Veszprem in Ungarn war. Was gleich auffiel, war eine lange, verkehrsberuhigte Zone, in der auf gekennzeichneten Spuren auch Radfahrer unterwegs sein konnten, außerdem durfte die Straßenbahn durchfahren. Außerdem gab es noch eine lange Fußgängerzone mit dem schmucken Piata Uniri, dem Union Square, umgeben mit Barockvillen, Jugendstilpalästen und der sehr schönen orthodoxen Kathedrale. An vielen weiteren historischen Gebäuden wurde noch restauriert. Auf dem Piata Victoriei hatte man einen 5 stöckigen Turm aus Gerüsten aufgestellt, der mit über 1200 Pflanzen auf allen Etagen rundherum bepflanzt wurde und den man besteigen konnte. Wir waren oben und durch das Grün hatte man einen schönen Blick auf die Umgebung. In einem vegetarischen Restaurant haben wir hervorragend gegessen. Stefan hatte eine mit Tofu und Gemüse gefüllte Süßkartoffel mit Avocadocreme und ich Reis mit Gemüse, Pilzen und Cranberrys, dazu eine hausgemachte, leckere Minz-Zitronen-Limonade, alles Bio. Wir bezahlten dafür 20€, nicht billig, aber die war es auf jeden Fall wert. Danach liefen wir noch durch einen Park und ein Stückchen am Fluss Bega entlang. Wir waren uns sicher, dass wir am nächsten Tag noch viele weitere nette Stellen ausfindig machen würden. Es kam hinzu, dass wir ein nettes Studio mitten in der Fußgängerzone hatten, was das Stadterlebnis doch sehr vereinfachte und angenehmer machte, als wenn man erst immer noch 2-3 km in die Innenstadt entlang großer Straßen, verfallener Wohnblöcke etc. laufen muss,
Montag, 19.6.2023 Timisoara Sonne, blauer Himmel, 27?-30? den Tag über – solch ein Wetter hatten wir schon seit langem nicht mehr. Wir ließen uns dennoch am Morgen Zeit, bevor wir uns auf eine weitere Besichtigungstour machten. Gegen frühen Mittag schlenderten wir durch die Stadt und stöberten in Second Hand Läden. Wir kamen dabei an weiteren schönen, alten Häusern vorbei, zum Teil gut erhalten, zum Teil nach Restaurierung schreiend. Als wir des Laufens müde wurden und die Sonne zu stark brannte, kauften wir etwas zum Abendessen und eine Packung Macarons beim Lidl und begaben uns zurück in unser klimatisiertes Studio. Die Klimaanlage war hier wirklich wichtig, denn wir hatten unser Zimmer im Dachgeschoss mit zwei Dachfenstern ohne Rollos, wo ab Nachmittag die Sonne draufstand. Wir machten Kaffeestündchen, legten die Beine hoch und machten uns dann gegen 16:30 wieder auf den Weg zum Revolutionsmuseum. Es zeigte den Lauf der Rumänischen Revolution vom 16.-27.12.1989, die in Timisoara ihren Anfang nahm, als 20 bis 30 Gemeindemitglieder sich vor der reformierten Kirche in Temeswar und dem Pfarrhaus versammelten, in dem Pfarrer László Tokes wohnte, der eine Kerze anzündete. Sicherheitsbeamte erschienen sofort, um das Geschehen zu überwachen und bei Bedarf einzugreifen. Als zwei Tage später eine Menschenmenge den Straßenbahnverkehr blockierte, erste Forderungen gegen das kommunistische Regime laut wurden und Forderungen nach Licht, Wärme und Essen für die Kinder artikuliert wurden, griffen die Repressionskräfte noch nicht ein. Der Pfarrer forderte die Menschenmenge auf, das Gebäude zu verlassen und der Bürgermeister versprach eine günstige Lösung für die Situation des reformierten Pfarrers, aber die Demonstranten gingen nicht, was dazu führte, dass Soldaten, die mit Schilden, Helmen und Schlagstöcken ausgerüstet waren, anrückten. Die Feuerwehr griff mit Wasserwerfern ein. Milizsoldaten und Sicherheitskräfte in Zivil nahmen Hunderte von Demonstranten fest. Patrouillen der Armatel, der Sicherheitstruppen und des Grenzschutzes kamen den Repressionskräften zu Hilfe. Ähnlich wie in Timisoara verliefen die Proteste und die Repressalien gegen die Demonstranten überall im Land. Andere Städte hatten von dem Aufstand in Timisoara erfahren und schlossen sich den Forderungen nach dem Sturz des Ehepaares Ceausescu und dem Ruf nach Freiheit und besseren Lebensbedingungen an. Wer sich an meinen Bericht vom letzten Jahr über die Villa des Diktatoren- Ehepaares und die Beschreibung der Armut und Unterdrückung des Volkes erinnert, kann diese Forderungen gut nachvollziehen. Bevor das Volk jedoch das Regime entmachtet hatte, kam es im Gegensatz zur friedlichen Revolution in der DDR zu heftigen Kämpfen, Misshandlungen, Inhaftierungen und Erschießungen der Demonstranten in Rumänien. Die Leichen wurden nicht zur Obduktion freigegeben, sondern verbrannt und verscharrt. Man wollte es so aussehen lassen, als wären sie außer Landes getürmt. In den folgenden Tagen gelang es der Opposition die Regierung zu stürzen und es kam am 24.12.1989 zu einer Verhandlung gegen die Ceausescus vor einem außerordentlichen Militärgericht, das sich selbst „Volkstribunal“ nannte. In einem der Hubschrauber des „außerordentlichen Gerichtshofes“ befanden sich bereits die Planen, in denen die Leichen des Ehepaares später weggeschafft werden sollten. Am 25.12., in nur 1 Stunde und 10 Minuten, kam es im Prozess in der Garnison von Târgovi?te zu einer Anklage wegen Völkermord an über 60.000 Opfern, Untergrabung der Staatsmacht durch die Organisation bewaffneter Aktionen gegen das Volk und die Staatsmacht. Das Verbrechen der Zerstörung öffentlicher Güter, von Zerstörung und Beschädigung von Gebäuden, Explosionen in Städten usw. Außerdem wegen Untergrabung der Volkswirtschaft und dem Versuch, aus dem Land zu fliehen, basierend auf Geldern in Höhe von über einer Milliarde Dollar, die bei Banken im Ausland hinterlegt waren. Diese Anschuldigungen wurden nicht bewiesen, sondern von den Anklägern lediglich benannt und die Beschreibungen einiger Verbrechen in der Presse dem Präsidentenpaar Ceau?escu zugeschrieben. Die dem Paar zugewiesenen Anwälte beschuldigten sie, anstatt sie zu verteidigen. Das Todesurteil wurde um 14:45 Uhr verkündet, und obwohl gegen das Urteil hätte Berufung eingelegt werden können, wurde es fünf Minuten später im Garnisonshof in der Nähe des Wachgebäudes vollstreckt. Einer der Anwälte argumentierte, dass es keine Möglichkeit gab, gegen das Urteil Berufung einzulegen, da die Angeklagten das Gericht nicht anerkannten und die Entscheidung daher rechtskräftig sein musste. Kurz nach der Hinrichtung des Ceau?escu-Ehepaars wurde sie im nationalen Fernsehen verlesen. Außer der Beschreibung des geschichtlichen Ablaufs der Revolution in den verschiedenen Städten Rumäniens, zeigte das Museum auf einem Zeitstrahl die wichtigsten politischen Geschehnisse weltweit im Spannungsfeld des kalten Krieges und es gab eine Dokumentation zum geteilten Deutschland und der anschließenden friedlichen Revolution in der DDR. Dem Axel Springer Verlag, der damals sein Verlagshaus direkt an der Mauer baute und sich stets für ein vereintes Deutschland einsetzte, wurde in dieser Dokumentation dafür Lob gezollt.
Dienstag, 20.6.2023 Timisoara -Arad Wir genossen noch bis Mittag unser gemütliches Dachapartment und begaben uns dann zum Bahnhof. Da die Züge meist gut ausgelastet waren, machten wir eine Reservierung für den übernächsten Tag, für die Strecke Arad- Mosonmagyarovar in Ungarn. Eigentlich war sie nicht verpflichtend, deshalb ärgerten wir uns schon ein wenig, dass wir dafür 6€ zahlen mussten und der Zug noch nicht mal über eine 1. Klasse verfügte und sie nur für den ersten Zug bis Budapest galt, aber wir wollten ja nicht riskieren, stundenlang auf dem Flur zu stehen. Um 13:00 fuhr dann unser Zug nach Arad. Wir teilten ein 6-er Abteil mit zwei Österreicherinnen. Der Zug war ziemlich in die Jahre gekommen, besonders die Toilette, aber dennoch fand ich es auf den plüschigen Stoffsitzen bei der Hitze angenehmer als auf den moderneren mit Kunststoffbezügen. Außerdem konnte man im Abteil das Fenster öffnen, auch wenn es sich bei der Fahrt immer wieder von selber verschloss. Die Fahrt selber war nicht besonders komfortabel. Es war das erste Mal, dass ich beim Zugfahren die Befürchtung hatte, reisekrank zu werden. An Lesen war kaum zu denken, schaukelte und ruckelte der Zug hin und her. Schön war, dass die Fahrt nicht lang war, sodass wir gegen halb drei schon in Arad eintrafen. Dieses Mal war der Weg zum Apartment nur 900 m, aber von dort zur Stadt waren es fast 3 km. Wir erwarteten von unserer Unterkunft nicht viel, denn sie war laut der Adresse wieder in einem Block. Wir staunten nicht schlecht, als wir vor ganz neuen Apartmenthäusern standen, der Aufzug in den wieder mal 5. Stock das Neuste vom Neusten war und das Apartment sich als ein super neues, modernes und komfortables erwies. Hier wären wir gerne länger geblieben. Wir kühlten uns ein wenig mit Hilfe der Aircondition ab und gingen dann auf Entdeckungstour. Erstes Ziel war ein Charity-Shop, der zum ersten Mal bei dieser Reise gut sortiert war und auch hochwertigere Sachen hatte. Dann suchten wir das Zentrum, in dem wir irgendwie schon waren, aber wo uns so etwas wie eine Fussgängerzone fehlte und wir daher glaubten, den Stadtkern wohl doch noch nicht ganz gefunden zu haben. Wir fanden ein paar sehr beeindruckende Gebäude wie den Kulturpalast und die Universität, beobachteten im sehr schönen Park am Flussufer des Mures die Feierlichkeiten zum Studienabschluss und gingen entlang einer der Hauptstraßen der Stadt. Wir gingen immer noch davon aus, dass es irgendwo noch so etwas wie eine Fußgängerzone, eine Geschäftsstraße oder ähnliches geben musste, aber für heute machten wir kehrt. Wir aßen eine Pizza und liefen zurück zur Unterkunft. Es war sehr anstrengend an dem Tag draußen zu sein, denn je weiter wir in den Norden kamen, je heißer wurde es. Eigentlich hatten wir es andersrum erwartet, aber zum Glück hatten wir die restliche Zeit sehr angenehme Temperaturen. Heute war das aber anders. Selbst um 17:00 zeigte das Thermometer einer Apotheke noch 36? im Schatten. Ich mochte den Wasserkanister kaum abstellen, weil ich gar nicht so schnell trinken konnte, wie ich schwitzte. Da das Wasser in den Balkanländern überall stark gechlort war und es auch noch viele alte Rohre in den Häusern oder Zuleitungen gab, sollte man tunlichst vermeiden, das Leitungswasser zu trinken. D.h., wir mussten Wasser schleppen. Zum Glück war der Lidl nur ein paar hundert Meter entfernt. Wir waren gespannt, was wir hier am kommenden Tag noch so Spannendes zu sehen bekamen. Arad war immerhin Kreisstadt und hatte 145000 Einwohner. Die Lage am Fluss war schön und man merkte hier inzwischen die nahe Grenze zu Ungarn. Man hörte zwischendrin mal deutsche bzw. österreichische Stimmen und sah Nummernschilder aus Deutschland oder anderen europäischen Ländern. Wir waren eindeutig auf dem Weg nach Hause.
Mittwoch, 21.6.2023 Arad Arad hatte wirklich keine Fußgängerzone, jedoch war die Hauptstraße durch die Stadt mit Bäumen bestanden und in der grünen Mitte fuhr die Straßenbahn. Es hatte ein wenig Ähnlichkeit mit der Kö in Düsseldorf, war aber keinesfalls so mondän. Die Geschäfte waren einfache Läden, Apotheken, Second Hand Läden, Arztpraxen, einfache Boutiquen, nichts Hochpreisiges. Sie führte aber immer wieder zu oder entlang prächtiger Gebäude: Kathedrale, Villen, Paläste. Auch in manchen Nebenstraßen gab es viele sehenswerte Gebäude. Es war sehr schade, dass das Potenzial nicht voll ausgeschöpft und zumindest ein Stück zur verkehrsberuhigten Zone oder Fußgängerzone umgestaltet wurde. Wir konnten in Timisoara am eigenen Leib spüren, wie entspannend sich die ruhige Atmosphäre ohne Autos, mit Café- Terrassen, gelegentlichen Kunstwerken etc. auswirkte. Arad hatte mit viel Grün und Blumenbepflanzung schon einen guten Schritt gemacht. Besonders der Park entlang des Flusses mit Bäumen, Blumenbepflanzung, vielen Spielplätzen, Tischen zum Spielen, Sportanlagen wie Kletterwand, Rampen für Skater und Kunstwerken war sehr gelungen und bei der Hitze ein willkommener Schutz. Wir schlenderten durch diesen Park, shoppten in Second Hand Läden, ich ging zum Friseur, wir genossen ein Eis in einer im Internet hochgelobten Eisdiele – es war wirklich lecker – und verkrümelten uns am Nachmittag, als es in der Hitze gar nicht mehr erträglich war, in unserem Apartment. Nun ging auch in Rumänien unsere Zeit zu Ende und wir hatten nur noch eine Fahrt nach Ungarn und eine Nacht dort in Mosonmagyarova, bevor es unweigerlich wieder nach Deutschland ging.
https://youtu.be/uWYfIcTvH0E
Donnerstag, 22.6.2023 Arad – Mosonmagyarova Nun waren wir also am letzten Ort unserer Reise, in Mosonmagyarova. Diesen Namen werde ich ich mir nie merken können und der Ort wurde auch nicht aus touristischen Gründen gewählt, sondern weil wir nicht die gesamte Strecke von Arad bis Zorneding an einem Tag hinter uns bringen wollten. Das wäre ätzend lang geworden und hätte die Gefahr in sich geborgen, Anschlüsse zu verpassen und ggf nachts irgendwo im Nichts zu enden. Wir mussten also einen Stopp an einer sinnvollen Stelle auswählen, d.h. irgendwo in der Mitte, wo wir weder in der Nacht abfahren noch am späten Abend oder früh morgens ankommen würden, denn beides war stressig bzgl. der Unterkünfte. Da wir im letzten Jahr bereits in Györ waren, entschieden wir uns, einen Bahnhof weiter auszuwählen und das war Mosonmagyarova. Es handelte sich um eine Kleinstadt mit rund 33000 Einwohnern, sie wirkte aber viel kleiner. Hier gab es ein Thermalhotel und man schien sich auf Gesundheitstourismus eingestellt zu haben. Es gab etliche Werbung für Zahnkliniken auf Plakaten und im Internet. Wir hatten ein kleines Zimmer mit Bad, Wasserkocher und Mikrowelle, sodass wir am letzten Morgen vor der Heimfahrt hier frühstücken konnten. Am Abend gingen wir noch die rund 3 km bis zur Fußgängerzone und aßen dort Salat und Palatschinken und schauten uns ein wenig um. Es sah nicht besonders spannend aus, aber wir fuhren eh morgens früh weiter, unsere letzte Fahrt mit dem Interrailticket. Wir hatten sogar das Glück, noch Plätze in der ersten Klasse reservieren zu können, was auf einer 6-stündigen Fahrt auch sehr vom Vorteil war. Auf der Fahrt nach Mosonmagyarova hatten wir in Budapest noch einmal die 1. Klasse Lounge genießen können und uns mit Kaffee und Toasts verwöhnen lassen. Ob wir uns den Luxus der 1. Klasse noch einmal in unserem Leben leisten würden, war ehr unwahrscheinlich, auf jeden Fall nicht in osteuropäischen Ländern, wo nur wenige Züge überhaupt eine 1. Klasse hatten. Es war aber mal eine tolle Erfahrung und besonders bei unserer ersten Interrailtour zu Coronazeiten auch sicher vernünftig.
Freitag, 23.6.2023 – Mosonmagyarova – Zorneding Nun war der Tag also gekommen, unser Interrailticket lief unweigerlich am Ende dieses Tages aus und dieses Mal lag kein weiteres Zuhause in der Schublade. Wir durften noch einmal im Luxus der 1. Klasse in einem durchgehenden IC bis nach München fahren, wo wir auch problemlos ankamen. Nun noch ein paar Stationen in der S-Bahn und dann war das Leben auf der Schiene zu Ende. Schade, aber es musste ja nicht das letzte Mal gewesen sein und wir brachten einen ganzen Rucksack voller schöner und interessanter Erinnerungen mit nach Hause, von denen wir sicher noch über Jahre zehren können.
Welch wundervolle Idee unserer Kinder, Stefan zum 60. Geburtstag, ein gemeinsames Wochenende mit mir in Amsterdam zu schenken! Der Geburtstag war schon ein paar Monate her, aber der Geschenkgutschein wartete noch auf seine Einlösung. Was eigentlich als Abschluss einer geplanten Reise nach Kanada zu den Polarlichtern gedacht war, wurde nun eine Reise für sich. Corona hatte uns Kanada versaut, aber Amsterdam hat zu unserer Freude geklappt. Da wir die weite Fahrt nicht nur für zwei Nächte machen wollten, fuhren wir bereits zwei Tage vorher los und verbrachen diese in einer Ferienwohnung in Bohmte bei Osnabrück. Ein Besuch in der Osnabrücker Innenstadt und auf dem Weihnachtsmarkt brachte uns zur erstaunlichen Erkenntnis, dass wir beide zuvor wohl noch nie in Osnabrück waren und es ein kluger Gedanke war, die Stadt zu besuchen. Was wir gesehen haben, hat uns sehr gefallen inklusive der gemütlichen Weihnachtsstimmung.
Am 10.-12.12.2022 Hengelo, Amsterdam
Am 10.12. ging die Fahrt dann weiter nach Amsterdam. Auf einem Zwischenstopp in Hengelo konnten wir einen ersten Eindruck davon bekommen, wie eine fahrradfreundliche Innenstadt aussehen kann. Im Gegensatz zu Deutschland scheint es in Holland auch keine Fahrradsaison zu geben, sondern man fährt im Winter genauso wie zur restlichen Jahreszeit mit dem Rad. Als Fußgänger muss man etwas achtgeben, damit man nicht unter die Räder kommt, aber besser unter zwei als unter vier, denn Autos waren dort im Innenstadtbereich kaum zu sehen. In der Stadtbibliothek fanden wir ein gemütliches und gut besuchtes Café, wo wir uns mit Poffertjes und Kakao auf Holland einstimmten. Dann ging die Fahrt zu unserem eigentlichen Ziel, zum Van der Valk Hotel Schiphol in der Nähe des Flughafens von Amsterdam. Es ist mit 750 Betten das größte Hotel der Niederlande und hat uns von der Größe erstmal umgehauen, aber es wurde schnell klar, dass man hier verstand, wie man trotz Größe Gemütlichkeit schafft. Immer wieder stilvoll gestaltete Sitzecken, hochwertige Deko und gut durchdachte Organisation schafften eine super Atmosphäre. Mit einer Flasche Sekt zur Begrüßung, die auf Wunsch sofort in alkoholfreien umgetauscht wurde, machten wir uns auf den Weg in unser Zimmer Dieses war modern und dennoch gemütlich. Ein auf Glas gedruckter Van Gogh und eine Glaswand mit Rembrandts „Nachtwache“ schaffte Bezug zum Land und gab dem Zimmer einen unverwechselbaren Stil. Da hinter der „Nachtwache“ der Sanitärbereich war, wurde das Bild von hinten beleuchtet, ein toller Effekt! Dass man sich ganz in der Nähe des Amsterdamer Flughafens befand, konnte man im Hotel weder hören noch sehen. Es gab sogar beim Hotel noch einen Park mit See und Sportanlagen. Für Stefans morgendliches Jogging war somit auch gesorgt. On Top auf das Ambiente gab es im Hotel noch ein hervorragendes Frühstücksbuffet, was keine Wünsche offen ließ. Der Wellnessbereich war für die Größe des Hotels etwas klein geraten, aber wir nutzten dennoch die Sauna am ersten Abend und mussten mit Erstaunen feststellen, dass es außer in Deutschland wohl überall die Regel ist, dass man mit Badezeug in die Sauna geht, dafür wurde dort lustig drauf los fotografiert, was bei uns ein NoGo ist. Da wir wussten, dass wir wohl recht weit außerhalb der Amsterdamer Innenstadt sein würden, hatte ich mich vorsorglich schon mal über Parkmöglichkeiten und öffentliche Verkehrsmittel informiert. Wir hätten zwar auch kostenlos mit dem Hotelshuttle zum Flughafen und von dort mit Zug in die City fahren können, aber dann hätten wir uns zeitlich festlegen und den Transfer im Hotel anmelden müssen. Um unabhängig zu sein fuhren wir deshalb mit dem Auto bis nach Amsterdam Nieuw -West, fanden zum Glück auch einen kostenlosen Parkplatz, der nicht zeitlich begrenzt war und nahmen von hier aus die Straßenbahn ins Zentrum. Wir hatten uns zuvor im Hotel ein Tagesticket für den öffentlichen Verkehr gekauft. In der Innenstadt erkundeten wir zuerst die Ausstellung „Body Worlds“. Auf mehreren Etagen wurde sich hier unserem Körper mit allen Funktionen gewidmet. Egal, ob Knochengerüst, Muskelgewebe, Verdauungsorgane, Herz-Kreislauf-System, Sexualorgane, Haut oder Entwicklung eines Embryos bzw. Föten von der ersten bis zur letzten Woche, alles war durch echte, durch Formalin präparierte Körper, dargestellt und hervorragend in Niederländisch und Englisch kommentiert. Auch Prothesen in unterschiedlichen Gelenken konnten anhand einer Querschnittsdarstellung gut erkannt und verstanden werden. Die ganze Ausstellung war hochinteressant und kein bisschen gruselig, wie ich zuvor befürchtet hatte. Nach diesen informativen Einblicken eroberten wir die Straßen und Gassen Alt-Amsterdams zu Fuß und stärkten uns mit einem veganen Wok-Curry für die abendliche Erkundung der Lichtinstallationen des „Festival of Lights“. Erst überlegten wir, ob wir eine Grachtenfahrt zu dem Thema machen sollten, entschieden uns dann aber dagegen, weil wir die Kälte auf dem Boot fürchteten, da man sich ja nicht bewegt. Wir liefen also das ganze Gebiet mit den Licht- Installationen ab und freuten uns, es zu Fuß zu machen, denn vom Boot hätte man nur durch Scheiben fotografieren können und wahrscheinlich wäre alles verwackelt, weil die Boote schaukeln und weiterfahren. So konnten wir uns alles genau ansehen. Es war zum Beispiel eine große Kugelbahn mit selbstleuchtenden Kugeln aufgebaut, eine große Videopräsentation in einem Park, die in Zeitraffer den Lauf des Jahres dort zeigte, mit Menschen, die auf der Bank gesessen hatten, den Wechsel der Natur etc., bunte leuchtende Figuren, toll beleuchtete Gebäude und Brücken und vieles mehr. Insgesamt liefen wir 11,5 km durch die Stadt und das Museum, bis wir abends wieder in die Straßenbahn einstiegen, zu unserem Auto und damit zurück zum Hotel fuhren. Müde und glücklich fielen wir dort in unser Bett. Leider war damit unsere schöne Reise schon wieder beendet. Nach einem ausgiebigen Frühstücksgenuss verließen wir am kommenden Morgen, dem 12.12.22, wieder Amsterdam, im Gepäck viele schöne Erlebnisse und im Herzen ein dickes Dankeschön an unsere Kinder für diese schöne Zeit!
Warum um Himmels Willen 2+1? Es ist doch kein Baby unterwegs oder bereits geboren worden! Nein, aber mein lieber Mann hat die Reise „Interrailtour III“ genannt, weil er bereits vor langen Jahren, als er noch unter 20 und Single war, zweimal per Interrail unterwegs war. Ich dagegen bin noch ein Neuling, obwohl ich mit meinen gerade erlangten 60 Jahren nun schon zu den Senioren auf der Schiene gehöre und im Gegensatz zu ihm sogar ermäßigt reise. Damit dieser Bericht nun also auf uns beide passt, habe ich aus Stefans Interrail III, 2+1 gemacht, ich war ja schließlich auch dabei.
Wie kommen denn so Oldies wie wir eigentlich auf die Idee, per Interrail durch Europa zu fahren? Das sind doch eigentlich immer diese jungen Leute, die mit ihren Rucksäcken in den Sommermonaten auf den Bahnhöfen hängen oder nachts irgendwo auf den Sitzen schlafen, oder? Geht das denn überhaupt für Senioren und können die das überhaupt?
Ein klares „Ja“, die können das auch! Seit ein paar Jahren wird das Interrailticket auch für alle über 27-Jährigen angeboten, allerdings für einen höheren Preis. Man hat inzwischen auch viel mehr Auswahlmöglichkeiten, so kann man zwischen 1-3 Monatstickets wählen, mit dem Global Ticket nahezu alle Länder Europas bereisen, oder nur bestimmte Ländertickets erstehen, oder statt täglich zu fahren auswählen, dass man nur an einer bestimmten Anzahl von Tagen pro Monat fährt. Seit einiger Zeit spielten wir schon mit dem Gedanken, mal umweltfreundlicher zu reisen, aber ich muss zugeben, auch ich war in dem Gedanken gefangen, dass das eventuell nicht mehr die richtige Art zu reisen ist in unserem Alter. Außerdem lag uns der doch recht hohe Preis von 902€ pro Person für drei Monate in der zweiten Klasse auf dem Magen. Dann kam Corona und an eine derart intensive Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nur zum Vergnügen war überhaupt nicht mehr zu denken.
Im Frühjahr diesen Jahres aber, als wir beide geimpft und geboostert waren und überall Lockerungen bei der Einreise beschlossen wurden, feierte gerade zur rechten Zeit das Interrailticket seinen 50. Geburtstag. Aus diesem Anlass brachte die Bahn für nur wenige Tage das super Angebot heraus, einen dreimonatigen Global Pass für den halben Preis anzubieten und durch Zufall stieß ich gerade noch rechtzeitig auf das Angebot. Wir brauchten nicht lange zu überlegen, wir griffen umgehend zu, und das nicht nur einmal, sondern wir bestellten für jeden von uns gleich zwei Dreimonatstickets. Da Corona aber immer noch nicht vorbei ist und wir uns wenigstens etwas sicherer sein wollten, nicht unbedingt in überfüllten Zugabteilen eng an eng sitzen zu müssen, wählten wir 1. Klasse Tickets. Wir waren zuvor erst einmal in der 1. Klasse gefahren und das war bei einer betrieblich bezahlten Reise. Niemals hatten wir uns diesen Luxus bisher gegönnt. Im Anbetracht der Coronasituation erschien uns das aber eine sinnvolle Lösung.
Nun begannen wir das Internet zu durchforsten nach interessanten Strecken, Möglichkeiten, auch in den teuren Ländern bezahlbare Übernachtungen zu finden, denn wir konnten uns nicht wirklich vorstellen, ganze Nächte mit Maske im gefüllten Abteil zu übernachten. Wir überlegten hin und her, wann wir den ersten Trip beginnen wollten und in welche Richtung. Ein paar Eckpunkte waren klar, und zwar hatten wir zwei Termine in Deutschland, zu denen wir noch einmal zwischenzeitlich nach Hause mussten, sowie eine Verabredung mit unseren amerikanischen Freunden in Frankreich, die eingebaut werden musste. Wir entschieden uns, mit Osteuropa anzufangen. Unser Plan war eigentlich, entweder über Ungarn, Serbien runter nach Griechenland zu fahren, oder in die Türkei. Wir lernten aber schnell, dass bei einer solchen Reise Flexibilität gefordert ist und nicht alles ganz so einfach ist, wie die Werbung der Bahn es verspricht. Aber dazu später. Jetzt geht es erst einmal los:
Donnerstag, 19.5.2022 Abfahrt nach Österreich
Heute war unser erster Tag Interrailreise. Am Morgen ging es los ab Zorneding mit der S-Bahn nach Grafing, von dort mit Zug nach Rosenheim und mit einem weiteren Zug nach Salzburg. Bis dort fuhren wir per Bayern-Ticket, um uns die zwei erlaubten Fahrten innerhalb Deutschlands noch aufzuheben. In Salzburg haben wir dann das Interrailticket zum ersten Mal eingesetzt bis Linz. Wir fuhren 1.Klasse in einem Railjet der Österreichischen Bahn, was aber nicht besonders komfortabel war. In Linz haben wir einen kleinen Stadtbummel gemacht und uns erinnert, dass wir dort schon mal waren. Ich hatte es mit Graz verwechselt, weil mir meine Freundin damals eine Eisdiele empfohlen hatte und sie häufiger mit ihrem Mann in Graz ist. Der letzte Zug nach Wien war von der Westbahn und hier war die 1. Klasse ganz nett. Sie war über der 2.Klasse, nicht so überfüllt und es gab kostenlos Kekse und Mineralwasser zur Begrüßung. So konnte es weitergehen ;). Bemerkenswert war, dass alle Züge Verspätung hatten. Bei der Westbahn sagten sie durch, dass es an einer Verspätung der Verbindung der Deutschen Bahn läge.
Zu unserer Unterkunft war es ca. 30 Minuten Fußweg. An die Rucksackschlepperei musste ich mich erst gewöhnen. Ich hatte denselben Kofferrucksack mit, den ich immer für Ryanair nehme und er hatte auch nur 5,4 kg, aber trug sich nicht so super. Wir hatten wirklich sehr sparsam gepackt. Stefan hatte auch nur um die 6 kg mit. Die Unterkunft war ein 2-Bettzimmer in einer 3- Zimmer Wohnung. Alle drei Zimmer wurden touristisch vermietet, wie es schien. Ein Bad und eine Küchenzeile konnten gemeinschaftlich genutzt werden. Sie erwies sich als ganz ok, obwohl die Bewertungen bei Airbnb ziemlich mies waren. Vorab bekamen wir noch harsche Regeln mit Strafandrohungen zugeschickt, z.B. dass die Handtücher auch nur als solche zu nutzen und wie hoch die Strafe für Lärm etc. wären. Wir mussten Passkopien online schicken, so verlangten es die Behörden. Am folgenden Tag wollten wir die Stadt erobern. Wir waren beide zwar schon mehrfach in Wien, aber das war lange her.
Freitag, 20.5.22 Wien
Ein Tag Wien, das waren 26460 Schritte und diverse Fahrten mit U-Bahn, Straßenbahn und Bus. Wir kauften uns morgens ein 24 Std-Ticket für 8€ p.P. für die öffentlichen Verkehrsmittel, da bei Interrail leider nur S-Bahnen inkludiert sind und die innerhalb von Wien uns nicht weiterbrachten. Unser erstes Ziel waren zwei Straßen, die laut Google sehr abwechslungsreich sein sollten, die Reindorf-Gasse und die Mariahilfer Straße. Letztere liefen wir zuerst westlich vom Westbahnhof hoch und fragten uns, wo hier die Fußgängerzone sein sollte und was besonders an der Straße war, später erwies sie sich in Richtung Donau aber doch als ganz abwechslungsreich. Danach fuhren wir raus auf den Zentralfriedhof und bestaunten die Grabsteine von Beethoven, Schubert und anderen Musikern, Schauspielern und Persönlichkeiten. Die werden wohl noch einige Generationen die Nachwelt an sie erinnern. Es gab hier aber auch bereits etliche alte Grabsteine, die markiert waren, weil sie den Sicherheitsbestimmungen nicht mehr genügten und demnächst abgebaut werden. Der Friedhof ist gigantisch, der größte Europas, und hat sogar einen Bezahlparkplatz auf dem Friedhofsgelände und man kann sich mit Pferdekutsche oder Führung die wichtigsten Gräber zeigen lassen. Wir sind auf eigene Faust herumgelaufen und Stefan konnte es sich nicht verkneifen, als wir auf der Bank saßen, Wolfgang Ambros‘ bissig- böses Lied über den Zentralfriedhof abzuspielen. Ich konnte ihn aber schnell daran hindern.
Wieder in der Einkaufsstraße besorgte er sich second hand ein neues Laufshirt und wir kühlten uns bei einem Café mit einem Eiskaffee etwas ab. Die Sonne schien den ganzen Tag und wir hatten ca. 25-27Grad. Abends entdeckten wir nahe dem MuseumsquartierZelte mit wissenschaftlichen Mitmachaktionen. Wir hatten das Glück, die Nacht der Wissenschaften zu erleben und außer den Ständen hatten auch etliche Museen ab 18 Uhr ihre Tore kostenlos geöffnet. Ins Mumox, dem Museum für moderne Kunst, konnten wir ebenfalls kostenfrei, weil gerade Ausstellungseröffnung von Wolfgang Tillmanns Ausstellung „Schall ist flüssig“ war. Hungrig begaben wir uns danach zum Naschmarkt in der Hoffnung, ein paar Kostproben naschen zu können, aber das war nichts. Es hatten zwar zahlreiche Restaurants geöffnet, aber die meisten Stände hatten schon geschlossen und es sah auch nicht so aus, als könnte man da sonst etwas testen. Wir holten uns bei der Kebabbude gegenüber zwei gefüllte Teigtaschen und stärkten uns für den letzten Programmpunkt, den Prater. Wie zu erwarten, war überall war viel los, denn es war ein lauer Freitagabend, ideal, um auszugehen. Wir fotografierten die bunt erleuchteten Fahrgeschäfte, beobachteten Leute und machten uns gegen 21:00 auf den Rückweg zu unserer Unterkunft.
Heute war wieder ein Fahrtag, d.h., wir verließen kurz vor 10 Uhr das Zimmer in unserem Appartement, fuhren mit unserem 24 Std Ticket vom Vortag zum Hauptbahnhof und schlossen für 2€ unsere beiden Rucksäcke dort im Schließfach ein. Davon können sich deutsche Bahnhöfe eine Scheibe abschneiden. Nicht nur, dass wir zuhause deutlich teurere Schließfächer haben, sie sind auch gerade mal halb so groß. 2€ pro Tag in Wien fand ich doch überaus fair. Es bot uns die Möglichkeit, unser 24-Std Ticket voll auszunutzen und am Morgen noch zum Stephansdom zu fahren. Auf der Rückfahrt schafften wir eine Punktlandung. Wir kamen genau in der Sekunde aus dem U-Bahn Bereich, als es auslief. Ich weiß nicht, ob wir das Risiko bei elektronischer Schranke gewagt hätten, aber so etwas hat Wien nicht. Da wir etwas zu früh wieder am Hauptbahnhof ankamen für unsere Fahrt nach Budapest, nutzten wir das tolle Angebot der Lounge für 1. Klasse Fahrgäste. Das hat sich gelohnt. Dort konnten wir uns kostenlos Kaffee/Tee/Kakao, Saft und Mineralwasser, sowie Obst und Käsebrötchen nehmen und fanden eine kostenlose, saubere Toilette und gemütliche Sitzecken. Pünktlich um 12:42 verließ der EC 145 mit uns den Wiener Hauptbahnhof. Wir hatten ein 6-er 1. Klasse Abteil für uns, aber weder Strom, um die Handys zu laden, noch WLAN funktionierte. Die meiste Zeit hatten wir unterwegs gar keinen Empfang, aber das Leiden kennt man ja aus Deutschland auch. Wir leben halt nicht in Asien, wo Digitalisierung selbstverständlich ist. Um 15:19 fuhren wir in Budapest-Keleti, dem wohl größten der drei Bahnhöfe der Hauptstadt ein. Als wir in die Eingangshalle kamen, war ich zuerst begeistert, weil das Kuppeldach eine recht majestätische Wirkung ausstrahlte, beim näheren Hinsehen konnten wir aber erkennen, wie fertig das Gebäude war. In den Nebenflügeln kam überall der Mörtel von der Decke, die Infoschalter, immerhin 4 oder 5, waren in einem kleinen Räumchen untergebracht, vor dem man Wartetickets am Automaten ziehen musste, je nach Auskunftsbereich. Da wir Nr. 225 hatten und wir gerade mal Nr. 124 aufgerufen sahen, erwarteten wir eine horrende Wartezeit. Es standen auch etliche Leute vor der Tür. Wir entschieden uns, uns erstmal um einen Tagespass o.ä. für öffentliche Verkehrsmittel in Budapest zu kümmern. Nachdem wir den Automaten dafür gefunden hatten und auch wussten, dass wir ein 72 Std Ticket wollten, weigerte der sich aber unsere Forint anzunehmen, die wir von einer früheren Reise mitgenommen hatten. Wir zahlten mit Karte die 4150 Forint (rd. 10,80€), um die nächsten Tage frei in der Stadt herumfahren zu können. Wieder zurück beim Infoschalter der Bahn begriffen wir, dass die Nummern wild durcheinander aufgerufen wurden, je nach Auskunftswunsch, und wir waren ruckzuck dran. Sehr schnell wurde uns klar, dass eine Verbindung nach Serbien nicht möglich war, wir also nicht über Belgrad nach Griechenland würden fahren können. Im Angebot war Bukarest. Von dort sollte es eine Verbindung über Sofia nach Thessaloniki geben. Wir entschieden uns für den Nachtzug nach Bukarest am 24.5. um 19:10, der uns am 25.5. ausgeschlafen ans Ziel bringen sollte. Für alle Züge nach Bukarest waren zuschlagspflichtige Reservierungen nötig. Da wir sowieso noch etwas draufzahlen mussten, entschieden wir uns für den ganz angenehmen Weg und buchten eine Zweibettkabine im Schlafwagen, allerdings 2. Klasse. Das war zwar echt teuer mit über 40€ pro Person, aber wir ersparten uns eine Nacht eine Unterkunft in Bukarest und würden hoffentlich frisch und ausgeschlafen und voller Tatendrang dort ankommen. Nachdem wir endlich die Formalitäten erledigt hatten, fuhren wir per Bus direkt bis vor unsere Unterkunft. Google sei Dank, dass diese Dinge mit Hilfe von Maps so einfach herauszufinden sind. Wir hatten ein Zimmer mit Küchenzeile, Bad und Balkon in eindeutigem Ost-Charme. Unser erster Eindruck von Budapest war, dass es baufälliger wirkte als Sofia, aber wir waren ja auch noch nicht in irgendwelchen touristischen Prachtstraßen. Genial fanden wir, dass ein Lidl 50 m entfernt war und wir uns so gleich eindecken und am Abend kochen und auf dem Balkon essen konnten.
Sonntag, 22.5.22 Budapest
Wir waren wandern im Pilisi Parkerd, einem National- oder Naturpark in der Umgebung Budapests. Wir konnten unser 72 Stunden-Budapest Ticket nutzen, um dorthin zu kommen, was wir absolut erstaunlich fanden, denn wir waren über eine Stunde mit Bussen unterwegs. Mit Hilfe von Komoot und Google Maps hat die An- und Rückfahrt super geklappt. Wir sind durch sehr schöne Natur mit vielen blühenden Blumen, Hagebuttenbüschen auf zumeist bewaldeten, schattenspendenden Waldwegen bergauf und bergab gewandert, vorbei an Resten einer Burganlage, die ein Nachbau der Burg von Eger darstellt und als Filmkulisse für eine Serie diente. Wir kamen an Felsen vorbei und erreichten auf 570 Metern einen schönen Ausblick auf die Landschaft rund um Budapest. 350 Höhenmeter mussten dafür überwunden werden. Es war sonnig, aber ein leichter Wind machte das Wetter ideal zum Wandern. Wieder zurück im Apartment ließen wir es uns bei einem Teilchen und Kaffee gutgehen. Wir hatten tags zuvor Teilchen beim Lidl gekauft, die nicht nur echt billig waren mit ca. 60 ct, sondern auch sehr lecker. Sie schienen landestypisch zu sein, denn wir haben sie zuvor noch nie beim Lidl gesehen.
Am Abend planten wir Langos essen zu gehen.
Montag, 23.5.22 Budapest
Ich lief fast 23000 Schritte kreuz und quer durch Budapest, obwohl wir gefühlt die meiste Zeit in öffentlichen Verkehrsmitteln verbracht haben. Unser Plan war, gleich am Morgen nach Szentendre im Norden von Budapest zu fahren, um Ort und Marzipanmuseum zu besuchen. Als wir bereits im Zug saßen, stellten wir fest, dass weder unser 72 Std Budapest Ticket noch unser Interrailpass für diesen Zug gültig war, zumindest nicht so weit draußen vor der Stadt. Wir stiegen also gleich wieder aus und fuhren zurück. Wir planten, uns am kommenden Tag uns ein Erweiterungsticket für den Außenbereich Budapests zu kaufen und die Tour nachzuholen. Wieder in der Stadt machten wir uns auf den Weg zum Burgviertel in Buda, wir selbst wohnten in Pest, auf der anderen Donauseite. Das Burgviertel ist die Altstadt und liegt auf einem Hügel. Wir brachten die Stufen zu Fuß hinter uns, statt die Standseilbahn zu nutzen. Von oben hat man einen schönen Blick über die Donau auf das Parlamentsgebäude und die Stadt. Es war allerdings sehr voll und touristisch dort oben. Dann machten wir uns auf die Odyssee, unsere alten Forint in neue zu tauschen. Man hatte uns gesagt, das ginge bei Post und Banken, die erste Post machte uns aber gleich klar, dass nur die Nationalbank den Umtausch durchführe. Sie gaben uns eine Adresse, aber ohne Hausnummer, weswegen wir auf Google zurückgriffen. Das hätten wir lieber gelassen, denn Maps führte uns zwar zur Bank, aber die war komplett eingerüstet und hatte geschlossen. Eine andere Bank gab uns dann die komplette Adresse und wir fuhren nochmals ein ganzes Stück mit öffentlichem Verkehr, bis wir endlich am Ziel waren und unsere neuen Scheinchen in Empfang nehmen konnten. Unterwegs wurden wir am Eingang der Metro zum ersten Mal kontrolliert. Stefans 72 Std Ticket war ein Fehldruck, aber man konnte die 72 Std und das Datum gut erkennen, sodass uns bei unserer ersten Fahrt vorgestern der Busfahrer sagte, das wäre so ok. Die Kontrolle an der Metro fand das heute nicht und schickte uns zwei Stationen weiter, um dort bei der Zentrale zu fragen. Dort war aber niemand und kein Bus- oder Straßenbahnfahrer schickte uns weg. Nun würde das Ticket wohl auch noch am kommenden Tag bis zur Abreise so ok sein. Wir erholten uns bei Palatschinken mit Hüttenkäse und Kirschen, bevor wir wiederum ein ganzes Stück mit dem Bus zum Memento Park fuhren. Hier hatte man alte Denkmäler aus der kommunistischen Zeit zusammengetragen und in einem Park aufgestellt. Interessanter als die Heldenstatuen war aber die Ausstellung mit einer Dokumentation von Beginn bis Ende des Kommunismus in Ungarn. Besonders beeindruckend, wenn auch bedrückend waren die Aufstände 1956/57, die letztendlich mit Moskaus Hilfe niedergeschlagen wurden und die viele Tote, Verletzte und Repressalien für die zumeist jungen Freiheitskämpfer brachte. Weiterhin wurde ein Lehrfilm gezeigt, der damals nur jungen Polizisten in der Ausbildung gezeigt wurde. Es war ein Lehrfilm darüber, wie Geheimagenten der Staatssicherheit und ihre IMs arbeiteten, also wie man richtig spioniert.
Vom Memento Park fuhren wir wieder in die Innenstadt, guckten uns von außen die Synagoge, die größte Europas, an und schlenderten durch ein nettes Viertel mit Ruin Bar und vielen veganen, koscheren und internationalen Bars und Restaurants. Ruin Bars sind in Budapest Trend. Es handelt sich um alte, heruntergekommene Häuser, die zu Bars umgebaut werden und mit alten Möbeln, Graffitis etc. ihren unkonventionellen Style erhalten. Damit endete unser zweiter und vorletzter Tag in Budapest. Am kommenden Abend würde unser Nachtzug nach Rumänien fahren und ich war schon sehr gespannt.
Gegen 10:20 Uhr verließen wir unser Zimmer in Budapest und begaben uns zum Bahnhof. Die kommende Nacht würden wir auf der Schiene in einem hoffentlich bequemen Bett verbringen. Viel schlechter als das Hotelbett konnte es nicht werden, da ich hier alle Federn im Rücken spürte. An sich war das Zimmer ok, aber es wurde abends unglaublich schnell stickig heiß darin, wenn wir nicht die Balkontür aufließen. Das bedeutete aber leider auch gelegentlich Rauch im Zimmer, weil unsere Zimmernachbarn auf ihrem Balkon qualmten. Die Lage des Hotels war hingegen spitze. Der Bus hielt genau vor unserer Tür und Lidl war 50m entfernt. Wir fuhren zum Bahnhof und schlossen unser Gepäck für ca. 2,50€ im Schließfach ein. Nun konnten wir nochmal auf Entdeckungsreise gehen.
Unser 72 Std Ticket hat sich vollkommen gelohnt. Wir sind in den drei Tagen kreuz und quer durch Budapest damit gefahren. Manchmal war es nicht ganz einfach herauszufinden, bis wohin wir mit dem Ticket fahren durften, da nirgends Pläne mit der Tarifgrenze ausgehängt waren. Ebenso erging es uns mit unserem Interrailticket nach Szentendre. Dass wir den Zug H5 der Vorortzuggesellschaft nicht nutzen durften, war klar, aber eine S-Bahn bis Rakos, auf der halben Strecke? Die Zugbegleiterin wusste es selber nicht. Für den Rest kauften wir uns noch Einzeltickets. Die Preise waren mit 1,80€ erträglich. Wir schlenderten durch den netten kleinen Ort Szentendre an der Donau. Nette kleine Häuschen und Geschäfte und vor allem Gastronomie. Es war ziemlich touristisch, aber zum Glück waren keine großen Touristenströme unterwegs. Zum Abschluss besuchten wir das Marzipanmuseum mit Konditorei. Man konnte beobachten, wie ein Marzipankunstwerk kunstvoll verziert wurde, besonders konnten wir aber super Kunstwerke bestaunen wie die Houses of Parliament, Märchenszenen, einen lebensgroßen Michael Jackson aus Marzipan und ein Tisch mit Stühlen mit feinster Spitze mit einer Etagentorte und Bildern von Chopin, Strauss und einer Dame (Sissi?), alles aus Marzipan! Das waren echte Kunstwerke.
Auf dem Rückweg beabsichtigten wir eigentlich noch das 3D- Museum zu besuchen, aber das hatte wegen einer privaten Veranstaltung geschlossen. Wir aßen ein letztes Mal Langos, kauften etwas Verpflegung für die Nachtfahrt und kehrten zum Bahnhof zurück. Unser Gepäck wartete brav im Schließfach. Mit Sack und Pack begaben wir uns in die Business Lounge mit unseren 1. Klasse Interrailtickets. Diese Möglichkeit erwies sich wirklich als ein toller Vorteil. Die Zugplätze waren bisher nicht so besonders, aber sich in einer gemütlichen Lounge verwöhnen zu lassen mit Snack und Getränken, das war schon toll. Kurz vor Abfahrt begaben wir uns zu unserem Zug. An jeder Tür stand ein Schaffner und wies einem den Weg zum richtigen Wagen. Dort gab man beim Einstieg sein Reservierungticket ab und das Interrailticket wurde erfasst, dann konnten wir in unsere Kabine. Stefan war enttäuscht. Er hatte etwas anderes erwartet für 40€ pro Person, aber ich war dennoch froh, ein Bett und eine Kabine für uns allein zu haben, besonders zu Zeiten von Corona. Drin ist auch noch ein Waschbecken, das zugeklappt ein Tisch ist und ein Spiegelschrank mit Stromanschluss, Licht und zwei Flaschen Wasser. Ich war gespannt, wie ich schlafe würde, wenn ich die ganze Zeit sanft geschüttelt würde. Ob wohl an der Grenze bei Loekoeshaza und Curtici die Pässe kontrolliert würden zwischen 22:45Uhr und 23:55Uhr? So lange sollten wir laut Fahrplan dort halten. Wir ließen uns überraschen.
Es dauerte in der Nacht etwas, bis ich einschlafen konnte, aber das lag zum einen daran, dass tatsächlich Passkontrollen durchgeführt wurden und das von Grenzern beider Länder. Außerdem wurden nochmals die Tickets kontrolliert und mit Spiegel und Licht in unserer kleinen Kabine rumgeguckt, ob wir auch niemanden versteckt hatten. Danach dauerte es noch eine ganze Weile, bis das Umkoppeln und sonstiges Gerumpel vorbei war. In Rumänien wurde die Zeit um eine Stunde vorgestellt, sodass ich erst gegen 1:30, als der Zug wieder gleichmäßig durch die Landschaft ruckelte, in den Schlaf fiel. Der war dann aber recht gut bis gegen 8:30Uhr. Am Morgen machten wir uns ein bescheidenes Frühstück mit unserer mitgenommenen Marmelade, Zopfbrot und Butter. Das erhoffte Frühstück, oder wenigstens Kaffee durch das Zugpersonal, das es wohl bei anderen Night Trains laut Internet gibt, blieb leider aus. Schade! Mit ca. 1 Std Verspätung zur angekündigten Ankunftszeit – ggf hing das mit der Zeitumstellung zusammen – erreichten wir Bukarest. Berichte im Internet darüber, dass man unterschiedliche Tickets für U- Bahnen und Busse/Straßenbahnen braucht, Stationen nicht angezeigt würden etc., erwiesen sich als Humbug. Der Nordbahnhof Bukarests war moderner als in Budapest. Wir fanden schnell einen Geldautomaten und konnten auch wieder ein 72 Std Ticket (7.09€) für alle Verkehrsmittel innerhalb der Stadt kaufen. Inzwischen gingen WhatsApps zwischen unserer Vermieterin und mir hin und her, wann wir beim Appartement ankämen und wie wir hereinkämen. Sie hinterließ uns einfach den Schlüssel im nicht verschlossenen Briefkasten. Mit Bussen erreichten wir ohne Probleme das Ziel, was fast am anderen Ende der Stadt lag. Wir fanden ein nettes Appartement in einem typischen Ost-Wohnblock vor mit kleiner Küche, Bad und Schlafzimmer. Wir hatten sogar wieder eine Waschmaschine und zahlten für zwei Nächte knapp 44€. Nach einem Kaffee machten wir uns auf den Weg zum Naturschutzgebiet Parcul Natural Väcäresti. Erst bekamen wir einen Schock. Vor uns tauchte ein riesiges, rundherum mit Betonwänden versehenes Auffangbecken auf, indem eine Grünfläche von Wegen durchzogen wurde. Im Hintergrund ein Industriegebiet mit rauchenden Schornsteinen und Hochhäuser. Was war das denn?! Als wir jedoch ins Grüne hinabgestiegen waren, erwies sich das Gebiet als außerordentlich abwechslungsreich mit unterschiedlichen Habitaten für Vögel und andere Tiere wie Schildkröten, Insekten und ich wäre sogar fast auf eine Ringelnatter getreten. Gerade in dem Augenblick, als ich darüber nachsann, dass hier zwar das Klima für Schlangen stimmte, aber sicher nicht innerhalb dieser städtischen Umgebung, da bewegte sich plötzlich die vermeintliche Schnur zwischen meinen Füßen! Nach dem Ausflug in die grüne Oase fuhren wir in die Innenstadt, um irgendwo etwas zu trinken. Dort am Stadtrand war die Umgebung zu hässlich und die Getränke hatten Preise wie bei uns an touristischen Stellen. Damit hätten wir nicht gerechnet. Wir landeten in der Altstadt, die uns mit historischen Bauten und vielen hippen Bars und Restaurants etwas an Plovdiv in Bulgarien erinnerte. Überhaupt erschien es uns, dass die Länder mehr Gemeinsamkeiten haben als mit Ungarn. Budapest hatte dort, wo wir waren, zumeist ein recht einheitliches Bild alter, häufig herrschaftlicher Gebäude, die wohl so aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts stammten. Reste der ehemaligen Monarchie, manchmal sehr prächtig, häufig aber auch mit hohem Renovierungsbedarf. Die typischen Plattenbauten sozialistischer Art fanden wir kaum. Hier in Bukarest mischten sich hypermoderne Gebäude mit klassischen Prachtbauten und Ost-Wohnblocks zu einem bunten Bild. Typisch waren hier auch wieder die vielen Parks innerhalb der Stadt, zumeist mit Wasserspielen. Die gab es hier sogar entlang einer scheußlich stark befahrenen, mehrspurigen Straße. Vielleicht sollten sie die Gemüter derjenigen abkühlen, die hier im Stau standen? Zumindest halfen sie etwas gegen den Feinstaub. Wir gingen Pizzaessen, kauften bei Lidl etwas ein und verbrachten den Abend im Appartement mit rauchenden Köpfen über Fahrplänen. Die Organisation der Fahrten von A nach B war alles andere als easy. Da ließen sich Züge, die es laut Google gab, nicht in der Interrail APP finden, weil anscheinend einige Länder ihre Züge nicht oder zu kurzfristig einstellten. Fast alle Züge waren kostenpflichtig zu reservieren und man musste immer wieder über irgendwelche Knotenpunkte fahren und häufig gab es nur Nachtzüge oder sie fuhren nur an bestimmten Tagen. Dummerweise hatte ich am 15.6. einen Termin in Göttingen und wir mussten Ende Juni pünktlich in Frankreich in Boulogne Sur Mer sein, um unsere amerikanischen Freunde zu treffen. Das vorzuplanen war wirklich knifflig. Wir wollten ja eigentlich runter bis Griechenland, aber fanden keine vernünftige Verbindung, da serbische Züge nicht angezeigt wurden. (erst später fanden wir heraus, dass das serbische Schienennetz anscheinend derartig marode ist, dass derzeit keinerlei internationale Verbindungen per Zug möglich sind) Nunja, wir würden sehen. Erst nahmen wir uns vor, einen Abstecher nach Moldawien zu machen.
Donnerstag, 26.5.22 Bukarest
26060 Schritte durch Bukarest! Der Tag begann mit einem Besuch in Ceaucescous Villa. Wir nahmen an der englischen Führung teil und konnten nur staunen, wie es der Diktator Nicolae Ceaucescou und seine Frau Elena während seiner 24-jährigen Herrschaft geschafft haben, ihre feudale Lebensweise vor ihrem bitterarmen Volk zu verstecken. Das Paar und ihre drei Kinder hatten nicht nur jeder ein Büro, ein Schlafzimmer, Ankleidezimmer, und ein äußerst exquisites Bad – Elena’s war sogar mit goldbelegen Wänden und Armaturen -, sondern es gab dasselbe auch für private Gäste. Es gab prächtige Aufenthaltsräume, in den 70-gern bereits einen überall begehrten Farbfernseher und einen Kinoraum im Keller, wo alle westlichen Filme zu sehen waren, während das Volk pro Tag nur ganze 2 Std Staatsfernsehen zu sehen bekam und meist nur Propaganda, oder eventuell mal einen Comicfilm. Abends wurde der Bevölkerung auch über Nacht der Strom abgestellt, und zu essen hatten die meisten nur einen Teil einer normalen Portion. Ceaucescous durften sich hingegen an allem Luxus erfreuen, schmückten ihre Villa mit hocherlesenen Geschenken anderer Staaten, die als Gastgeschenke mitgebracht wurden. Vasen, Orientteppiche, Leuchter und vieles mehr wanderte in ihren Besitz. In Deutschland kommen diese Gastgeschenke in ein Museum und es wird genau darüber Buch geführt, was private und was Staatsgeschenke sind. Im Keller der Villa war ein Wellnessbereich inklusive medizinischer Massagen. Das beeindruckendste fand ich aber das Schwimmbad, dessen Wände rundherum mit Bildern aus Millionen kleiner Mosaiksteine gestaltet waren. Von hier ging es direkt in einen sehr schönen Garten im Innenhof. Die Villa war während der kommunistischen Ära rundherum von der Staatssicherheit abgeschirmt. Als 1989 das Volk bei der Revolution die Villa stürmte, konnten die Menschen ihren Augen kaum trauen. Während Ceaucescous nur in erlesenen Möbeln und Kleidung von weltberühmten Designern lebten, gingen Bilder von den grauenhaften Zuständen in Rumäniens Kinderheimen um die Welt. Beim Umsturz kamen über 1000 Menschen uns Leben, über 3000 wurden verletzt. In einem Scheinprozess wurde das Ehepaar zum Tode verurteilt und erschossen. Von den drei Kindern lebt heute nur noch ein Sohn in normalen Verhältnissen in Bukarest. Ihm konnte keinerlei Mitschuld nachgewiesen werden. Bruder und Schwester starben an Krebs.
Nach unserem Weg in die kommunistische Zeit Rumäniens, besuchten wir den Bordei Park. Eigentlich ist es ein ganzes Gebiet aus verschiedenen Parks mit einem Wasserlauf und einem großen See. Um den See sind wir fast komplett herumgewandert. Es ist ein sehr schönes Naherholungsgebiet zum Wandern, Radfahren, mit Badestelle und Fähre, Yachtclub, Restaurants und Buden und dem Freilichtmuseum „Muzeul National Al Satului „Dimitrie Gusti“ mit vielen typischen Gebäuden aus den 19. Und 20. Jahrhundert, aus verschiedenen Gegenden Rumäniens. Ganz in der Nähe kamen wir zum rumänischen Arc de Triumph, der dem französischen nachempfunden ist. Bukarest galt ehemals als Paris des Ostens. Von hier fuhren wir zum Gara de Nord, dem Hauptbahnhof und reservierten unseren Zug nach Iasi für den kommenden Tag. Dafür mussten wir in einer von vier Schlangen lange warten. Die Frau am Ticketschalter kam mit unseren Online-Tickets nicht klar und holte erstmal Hilfe. Für diese idiotische Reserviererei bezahlten wir zusammen 1,42€! und angeblich hätte der Zug keine 1. Klasse, obwohl es im Internet stand. Da fast für jeden Zug eine Reservierung in Rumänien benötigt wurde, war das die reinste Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und für die Fahrgäste nur nervig. Auf der Suche nach einer 1. Klasse Lounge mussten wir feststellen, dass sämtliche Warteräume im Bahnhof für ukrainische Flüchtlinge reserviert waren. Die brauchten das zugegebenermaßen auch mehr als wir, schade war es dennoch.
Mit der Metro fuhren wir zum Athenaeum, dem Opernhaus der Stadt und landeten nach dem Durchqueren der Macca- Villacross Passage wieder an einer Ecke der Altstadt, die wir vom Vortag wiedererkannten. Damit schloss sich der Kreis, und wir machten uns auf den Heimweg.
Pünktlich um 9:45 Uhr kam unsere Vermieterin zur Wohnungsübergabe. Wir fuhren zwar erst um 12.07 Uhr ab Gara de Nord, aber um dahin zu kommen, mussten wir schon eine gute Stunde einrechnen, und wir wollten nochmals versuchen, doch noch Sitze in der 1. Klasse zu reservieren. Da wir uns zum ersten Mal in Bukarest auch noch verfuhren, war unsere Zeitplanung ganz passend. Erste Klasse durften wir dann aber doch nicht reisen, sie war laut Aussage der Bahnbeamtin ausgebucht. Der Zug Richtung Iasi war insgesamt sehr gut gebucht, zu Beginn standen sogar Leute in der zweiten Klasse. Vielleicht hatten wir also sogar Glück, überhaupt noch Plätze bekommen zu haben. Wir ließen fast durchgängig unsere Masken auf, weil immer wieder jemand hustete. Der Zug war der IR1663, vergleichbar mit unseren Interregios: Großraumwagen, Polstersitze nicht verstellbar, automatisch belüftet und er hielt relativ oft. Die Geschwindigkeit war bei uns zwischen 90-130, was auch angezeigt wurde. Er gehörte also schon zu den schnelleren Zügen und IR-Züge mussten meist reserviert werden. Die Strecke zwischen Bukarest und Iasi war nicht besonders aufregend. Zumeist führte sie an landwirtschaftlichen Flächen vorbei, kleine Dörfer am Wegesrand und das 6 ¼ Std lang. Die Stadt Iasi schien es jedoch in sich zu haben. Sie galt laut Internet als Brutstätte der organisierten Kriminalität. Es sollte sogar regelrecht eine Schule für Taschendiebe dort geben, die dann in Berlin und anderen Großstädten ihr Handwerk ausüben.
Inzwischen waren wir angekommen, hatten für zwei nächste Züge in drei Tagen Reservierungen für die erste Klasse! Das war aber auch wichtig, weil der eine ein Nachtzug zurück nach Bukarest war und wir danach noch weiter nach Brasov fahren wollten und alles in Sitzabteilen. Daher sollten die Sitze wenigstens bequem sein. Hoffentlich würden die Züge nicht wieder so voll sein, damit wir uns im Nachtzug wenigstens etwas ausbreiten könnten. Wir hatten fürs erste Türkei und Griechenland gestrichen. Die Zeit war einfach zu kurz für so eine lange und umständliche Fahrt, wenn wir spätestens am 12.6. wieder In Zorneding ankommen und nach Bad Harzburg fahren mussten. Wir beabsichtigten, uns im Anschluss an Moldawien, nach Brasov zu begeben und dort zu entspannen und zu versuchen, Abstecher in die Berge der Umgebung zu machen. Nach all der Stadt musste dann mal etwas Natur sein.
Samstag. 28.5.22 Fahrt per Bus nach Chisinau in Moldawien
Bevor wir unsere Pension in Iasi heute Morgen verließen, lud uns unsere Vermieterin Kristina zu einem Kaffee ein, und wir hatten ein sehr interessantes Gespräch. Da sie selber ähnlich reisebegeistert war wie wir, unterhielten wir uns über unsere Reise und was Corona für ein Einschnitt war, aber noch interessanter war, mit ihr über den Krieg zu reden. Sie hatte im Februar/März einige Flüchtlinge aus der Ukraine. Als die erste Frau mit Kind kam, bot sie ihr an, ihnen eine Pizza auszugeben und war zuerst recht konsterniert, als die Frau antwortete, dass sie lieber ein Bier und eine Maniküre hätte. Später realisierte Kristina, dass die Frau voll unter dem Fluchtschock stand und das Bier zur Beruhigung brauchte. Die Frau erklärte ihr später auch, dass sie sich eine Maniküre gewünscht hätte, um sich wieder sauber und als Mensch zu fühlen nach all dem Horror. Sie hatte mit Kind tagelang vor der Flucht im U-Bahn Tunnel ausgeharrt, bevor sie aufbrach. Sie bestätigte darüber hinaus Berichte aus dem Fernsehen, wo Geschwister in Russland und Ukraine telefonieren und die Russen ihrer eigenen Familie nicht glauben, dass das, was in der Ukraine gerade geschieht, ein Krieg ist und Putins Sprüche von der Niederschlagung der Nazis nachbeten. Eine ukrainische Stewardess wurde irgendwo im Ausland von einer Russin im Toilettenraum angemacht, dass sie, bzw. ihre Leute, Schuld hätten, dass alle jetzt schlecht über Russen redeten. Welche eine Verdrehung von Tatsachen, und wie muss es für die Ukrainerin gewesen sein, diesen Vorwurf von einer Russin zu hören! Kristina erzählte auch, dass ihre Großeltern, die den 2. Weltkrieg miterlebt und den Einmarsch der Deutschen und dann der Russen erlebt hatten, das heutige Drama kommen gesehen hätten. Sie glaubten nie an dauerhaften Frieden in Freundschaft mit Russland, weil es nicht nur einen Putin gäbe, sondern Millionen Russen, die hinter ihm stünden. Als die Deutschen damals Rumänien besetzten, hätten die Soldaten sich trotz Krieg in den meisten Fällen zivilisiert verhalten, die Russen dagegen hätten sich wie die Barbaren verhalten, zerstört und Frauen vergewaltigt. Über das Verhalten der deutschen Soldaten gibt es sicher auch andere Meinungen und Erfahrungen.
Leider haben wir selber auch nicht nur positive Erfahrungen mit Russen gemacht, sondern haben, während der 10 Tage in Russland 1988/89, mehrfach brutale Schlägereien beobachtet und ich selber fing mir grundlos eine Ohrfeige in der Straßenbahn ein.
Wir merkten hier in den ehemaligen Ostblockländern schon verstärkt die Angst vor dem russischen Nachbarn und die Solidarität mit den Ukrainern.
Uns führte der Weg dennoch heute weiter Richtung Osten, nach Chisinau in Moldawien. Moldawien war nicht im Interrailticket enthalten, daher fuhren wir mit einem Kleinbus, der mehrmals täglich Iasi in Rumänien mit der moldawischen Hauptstadt verband. Wir wollten nur Chisinau besuchen und auch nur für zwei Nächte. Noch vor einem halben Jahr war uns Transnistrien, ein russischer Scheinstaat innerhalb der moldawischen Grenzen, der laut Internet das frühere kommunistische Russland wie im Bilderbuch nachahmt, eigenes Geld und Pässe, sowie Grenzkontrollen hat, der aber von keinem Land der Welt anerkannt, sondern ehr als verschroben belächelt wird, als kurioses Reiseziel erschienen. Heute besteht die Gefahr, dass Putin diesen Scheinstaat als Grund für einen Einmarsch in ein weiteres Land der ehemaligen Sowjetunion zum Anlass nimmt.
An der Grenze wurden von beiden Seiten die Pässe eingesammelt und wir bekamen einen moldawischen Einreisestempel. Es ist ja auch eine EU Außengrenze, vielleicht ist das der Grund, dass ein deutscher Zöllner die rumänischen Kollegen unterstützte. Während LKWs Schlange standen, ging es für Autos und uns zügig. Wir hatten niemanden vor uns, aber die Passkontrolle dauerte insgesamt dann doch ca. 30 Minuten. Unsere Fahrt ging fast ausschließlich durch eine Landschaft mit bewaldeten oder grasbewachsenen Hügeln, Ackerland und Weinanbau. Die Gegend schien sehr fruchtbar zu sein. Die Orte bestanden meist nur aus ein paar Häusern und es sah noch ärmer aus, als das Hinterland Rumäniens. Chisinau zeigte sich dann plötzlich als lebhafte Stadt mit einem Busbahnhof, der einem südostasiatischen in nix nachstand. Zig Busse, buntes Gewusel von Marktständen, Betrunkene, die rumkrakelten, Armut. Ein paar Straßen weiter Universitäten, schöne Parks mit Wasserspielen, hypermoderne Malls, dann wieder zerfallenen Bruchbuden und Wohnblocks mit hunderten von Wohnungen. In einem gerade mal zwei Jahre alten haben wir jetzt für zwei Tage unsere Unterkunft. Sie ist super ausgestattet, der Stil ist aber der krasseste, den wir je hatten. Die Farben von Tapeten, Möbeln, Gardinen bissen sich nicht nur, sie hatten auch alle verschiedene Muster. Beleuchtet wurde das Ganze von einem unglaublichen Kronleuchter mit rosa Glasrosen. Wäre es nachts nicht dunkel, ich könnte bei dem Anblick kein Auge zu tun. Dennoch war die Wohnung klasse, weil sie sauber, geräumig und komfortabel ausgestattet war. Zum Abschluss dieses interessanten Tages, der gleichzeitig unser 37. Beziehungstag war, gingen wir lecker essen. Stefan schlug sich den Bauch mit Salat, Pizza und Grillgemüseplatte und anschließendem Käsekuchen voll. Eigentlich alles, was vegetarisch auf der Karte zu haben war. Ich hatte eine sehr leckere Grillplatte mit Gemüse und Lachs und ebenfalls Käsekuchen. Für das alles, inklusive zwei Cola und Trinkgeld zahlten wir 30€. Da die Lebensmittel im Geschäft uns nicht besonders billig vorkamen, konnte man schon auf ziemlich niedrige Löhne schließen. Am kommenden Tag wollten wir sehen, was die Stadt so zu bieten hat.
Sonntag, 29.5.22 Chisinau
Dieser Tag war unser „Park-Tag“. Angefangen mit dem Stefan Park zu Ehren von Stefan III oder auch Stefan dem Großen, einem der großen Herrscher des Landes, in dem sich genussvoll herumschlendern, ein Kaffee trinken und/oder live einem Orchester zuhören ließ, ging es weiter zum Kathedralen Park. Er war nicht sehr groß, bot aber auf kleiner Fläche eine Kathedrale und andere Bauwerke, unter anderem wieder mal einem Triumphbogen in bescheidenem Ausmaß. Von hier liefen wir weiter zum Valea Morilor Park, der zahlreiche Freizeitvergnügen ermöglichte. Ein großer See bot sich zum Angeln, baden, Bootfahren oder drumherum joggen, schlendern oder Radfahren an. Viele Familien mit Kindern waren hier unterwegs mit Rollern oder ausgeliehenen Kinderautos, Kettcars etc. Auch hier konnte man leckeren Genüssen frönen wie Eis oder Kaffeegetränken. Wir liefen einmal um den See und kamen zu einem kleinen Vergnügungspark mit Live-Musik, wo die Caritas ein Programm für ukrainische Flüchtlinge anbot. Es war natürlich gut, zu versuchen, gerade die Kinder mal für ein paar Stunden das Erlebte vergessen zu lassen, aber ob den Frauen und Kindern nach lauter Musik mit Polonaise zumute war, erschien mir fraglich. Es schien mir ehr eine gequälte Fröhlichkeit hervorzurufen. Wir steuerten von hier unseren letzten und größten Park, den Dendrarium Park an. Hier musste man Eintritt zahlen, was aber mit 50 ct pro Person ein Witz war. Nach all den lebhaften, auf Freizeitvergnügen ausgelegten Parks mit hübschen Blumenrabatten, Springbrunnen etc. erschien dieser ehr langweilig. Das Besondere waren hier wohl die unterschiedlichen Bäume. Es war uns zuvor nicht bekannt, dass es sich bei dem Park um eine Art Arboretum handelte und er auch eine wissenschaftliche Funktion hatte. Zwischen all den Parks kamen wir am Parlamentsgebäude, dem Präsidentenpalast und anderen Regierungsgebäuden vorbei, u.a. auch der Deutschen Botschaft. Die Gegenden waren teils sehr unterschiedlich, vom Villenviertel über ein ärmeres Gebiet mit Straßenhändlern, eine Straße mit kleineren bunten Häusern mit Geschäften und Ärzten, zu hochmodernen, verglasten Fassaden von Unternehmen und historischem Bauten von Theatern und Universität. Nachdem wir mit über 20000 Schritten die Stadt erkundet hatten, begaben wir uns auf die Suche, zu welchem Busbahnhof wir am kommenden Tag mussten. Der Bus sollte nämlich nicht dort abfahren, wo wir angekommen waren. Wir wollten vorsichtshalber bereits jetzt Tickets für die Rückfahrt nach Iasi kaufen, nicht dass wir am kommenden Tag hier festsäßen und unser reservierter Nachtzug nach Bukarest und von dort nach Brasov ohne uns führe. Herauszufinden, wo wir abfahren und wie wir dorthin kommen, war gar nicht so einfach. Wir hatten uns zwar bei Google Maps die Karte und die Verbindung zum Busbahnhof Süd in unserem Appartement mit WLAN heruntergeladen, aber gleich der erste Bus fuhr uns vor der Nase weg. Nun hatten wir kein Internet und konnten keine neue Verbindung herausfinden. Letztlich schafften wir den Hin- und Rückweg mit Umsteigen und ca. 30 Haltestellen bei überfüllten Bussen, indem wir einmal zwischendrin einen Kaffee trinken gingen, um WLAN zu bekommen. Trolleybusse fuhren hier häufig, waren aber dennoch immer voll. Man zahlte im Bus, wo sich eine arme Schaffnerin zum Kassieren durch den Gang quälte. Eine Strecke in der Stadt, egal wie viele Haltestellen, kostete immer 2 Lei pro Person, das sind nicht mal ganz 10 ct. In den Bussen fuhren gelegentlich auch Ukrainerinnen mit, mit einer Mappe mit Bildern von ihren Babys oder Kleinkindern und bettelten um Geld. Es gab kaum jemanden, der nichts gab, auch wir nicht. Gegen Abend hatten wir endlich unsere Tickets und kamen wieder bei unserer Unterkunft an. Wir überprüften, wieviel moldawisches Geld wir noch übrig hatten, legten ausreichend Kleingeld für tags drauf für die Fahrt zum Busbahnhof zurück und ließen uns für den Rest noch einmal eine Grillgemüseplatte und Kartoffelvariationen im Restaurant schmecken. Nun mussten wir gut vorschlafen, denn uns stand ein langer Tag mit 4 Std Busfahrt und danach eine Nachtfahrt von 6,5 und 2,5 Std in normalen Zug- Sitzabteilen bevor. Hoffentlich würde der lange Zug nach Bukarest leer sein.
Es klappte alles wie am Schnürchen. Wir verließen unser Appartement um 12:00 Uhr, fuhren endlos lang, sprich über eine Stunde mit zwei Trolleybussen zum Busbahnhof Süd von Chisinau und pünktlich um 15 Uhr starteten wir mit einem Kleinbus in Richtung Iasi. An der Grenze wieder das etwas grummelige Gefühl im Magen wie immer, wenn es um eine „echte“, d.h. kontrollierte Grenze geht, und dann waren wir wieder in Rumänien, in der EU. Nun hatten wir noch 4 Std Zeit bis zur Abfahrt unseres Zuges nach Bukarest. Wir liefen mit Rucksäcken in die Innenstadt von Iasi. zur Metropolitan Kathedrale und von dort, durch eine sehr schöne Fußgängerzone mit viel Blumenschmuck, zum prächtigen Kulturpalast. Er wirkte fast wie ein Schloss, besonders, als er abends beleuchtet wurde. Dahinter erstreckte sich ein Park mit Springbrunnen, künstlichem Wasserfall, leicht in Terrassen angelegtem Rasen, Trampolin und Karussell für Kinder. Daneben fanden wir Essensstände und eine hochmoderne und edel wirkende Einkaufsmall mit Kongresscenter. Wir kauften uns Brot, Käse und etwas Süßes und ließen es uns auf einer Bank bei lauer Abendstimmung und tollem Licht gutgehen. Gut 1 1/2Std vor Abfahrt gingen wir zum Bahnhof und saßen danach in der ersten Klasse Großraumabteil, das wahrscheinlich von Deutschland ausgemustert wurde. Es sah für erste Klasse echt fertig aus. Die Wagen der zweiten Klasse waren moderner. Nun hofften wir, dass wir wenigstens möglichst allein blieben, um Platz und Ruhe zum Schlafen zu finden. Lang würde die Nacht nicht, da wir um 5:13 Uhr in Bukarest umsteigen mussten nach Brasov. Dann mal gute Nacht.,
Dienstag, 1.6.22 Nachtfahrt Iasi – Bukarest
Die Nachtfahrt fand ich total doof. Unser Erste Klasse Abteil war ein Großraumabteil mit abwechselnd 3er und 2er Sitzen gegenüberliegend und dann wieder 2×2 gegenüber und auf der anderen Gangseite 2×1 gegenüberliegend. Wir hatten 2 Plätze am Fenster in einer 2×2 Nische. Erst war es fast leer in unserem Abteil, sodass sich Stefan eine Reihe weiter auf Dreiersitze legte zum Schlafen. Sein Rucksack, Schuhe etc lagen bei mir. Da ich kein direktes Gegenüber hatte und wir es geschafft hatten ein Fenster zu öffnen, wagte ich es, ohne Maske zu versuchen zu schlafen. Es gelang mir auch ca. 1Std mit Kopf auf dem Rucksack über zwei Sitzen liegend, Schlafmaske und Ohrenstöpsel. Als ich bei irgendeinem Halt wach wurde – der Zug hielt an jeder Milchkanne – saß mir plötzlich ein fremdes Paar gegenüber ohne Maske, auf dem Einzelsitz am Gang ein Mann mit OP-Maske unter der Nase, das Fenster war zu, das Licht blieb die ganze Zeit an, und es war ätzend warm. Ich versuchte, mit Maske weiterzuschlafen, aber es ging einfach nicht. Ich wechselte den Platz zu Stefans Nische, ließ aber seinen Rucksack und Schuhe unter meinem reservierten Sitz. Nun konnte ich wegen Luftnot nicht mit Maske, aber aus Angst mir etwas einzufangen auch nicht ohne Maske schlafen. Aus der Klimaanlage vorm Fenster blies mich heiße Luft an, die auch, nachdem ich darum gebeten hatte, nicht wirklich kühler gestellt wurde. Auf dem Klo gab es nicht mal Licht. Wie gut, dass das Handy eine Lampe hat! Ich wagte es ohne Maske wieder einzuschlafen und hoffte nun, mir nichts einzufangen. Tags zuvor gab es bereits im Bus eine kritische Situation. Mir setzte sich eine Mutter mit zwei kleinen Kindern gegenüber, natürlich ohne Masken. Der kleine Junge war total rot im Gesicht, was mir schon komisch vorkam, es hätte aber auch Sonnenbrand sein können. Dann fing er an zu husten, aber nicht in die Ellenbeuge, sondern voll in die Gegend. Stefan machte das Fenster auf und ich versuchte mir einen Stehplatz zu ergattern und drehte dem Jungen den Rücken zu. Viel Platz war nicht. Die Busse in Chisinau waren immer voll besetzt inkl. Stehplätzen. Nun konnten wir nur hoffen, dass unsere Masken uns gut geschützt hatten.
Gegen 5:13 Uhr erreichten wir Bukarest, und unser Anschlusszug war erfreulicherweise schon da. Wir teilten ein 1. Klasse 5-Personen Abteil mit einer Dame, die auch eine Maske trug, eine absolute Seltenheit. Stefan besorgte noch Kaffee und gegen 6:08 Uhr zuckelten wir ab nach Brasov, was auch Kronstadt genannt wird. Eine Erklärung dazu aus Wikipedia:
„Kronstadt wurde von den Ritterbrüdern des Deutschen Ordens im frühen 13. Jahrhundert als südöstlichste deutsche Stadt in Siebenbürgen unter dem Namen Corona gegründet (später auch Krunen genannt). 1225 mussten die Deutschordensritter ihre Komturei Kronstadt verlassen und ließen sich im Baltikum nieder. Kronstadt war über Jahrhunderte neben Hermannstadt das kulturelle, geistige, religiöse und wirtschaftliche Zentrum der Siebenbürger Sachsen, die seit dem 12. Jahrhundert auf Einladung des ungarischen Königs in der Region siedelten und bis ins 19. Jahrhundert hinein die Mehrheit der Stadtbevölkerung bildeten.“
Wir fanden den richtigen Bus zu unserer Unterkunft, die wir freundlicherweise schon am Morgen beziehen durften. Wir haben wieder ein kleines Apartment mit Küche, Bad und Balkon für 75€ für 3 Nächte. Während Stefan eine Runde schlief, bastelte ich erneut an unserer kommenden Strecke herum, weil er gerne noch nach Constanza am Schwarzen Meer wollte. Danach gingen wir einkaufen und machten uns etwas zu Mittag. Bevor wir uns auf Erkundungstour in die Stadt begaben, erwischte mich die Müdigkeit mit Wucht, sodass ich beschloss, doch erst einen Mittagsschlaf zu halten. Stefan nutzte die Zeit zum Joggen, Wäsche waschen und leckere Erdbeeren auf dem Markt vor unserem Haus zu kaufen, die wir dann gemeinsam auf dem Balkon genossen. Dann konnte es losgehen. Wir fuhren in die Altstadt und stellten fest, dass wir die letzte Bahn auf den Burghügel verpasst hatten. Um dort hochzuwandern, hatte ich aber nicht die richtigen Schuhe an und auch nicht genug Elan. Wir erkundeten also die Altstadt. Es war deutlich zu erkennen, dass an einigen Stellen schon Fassaden restauriert und Geld für touristische Infrastruktur in die Hand genommen worden war, es blieb aber noch einiges zu tun außerhalb der Fußgängerzone. Die Lage der Stadt am Rande der Karpaten ist sehr schön. Stefan durfte beim Joggen auch gleich um die 300 Höhenmeter hinter sich bringen. In dieser Gegend schienen die Menschen einen süßen Zahn zu haben. Die Anzahl an Bäckereien, Patisserien und Eisdielen war überwältigend, noch mehr der Geschmack der Strudel. Ich aß dort wohl den leckersten Quarkstrudel meines bisherigen Lebens. Sie wurden hier wie andere Gebäckstücke durch kleine Fenster von Bäckereien verkauft. Was uns sowohl in Ungarn, als auch Rumänien und Moldawien aber auch begeisterte, war der öffentliche Stadtverkehr. Niemand scherte sich hier groß um Abfahrtszeiten, wenn sie auch häufig durch digitale Anzeigen an den Haltestellen angezeigt wurden. Man wartete nie lange, um zu seinem Ziel zu kommen und es war fast immer mit ein bis zwei Bussen erreichbar, egal wo man war und wo innerhalb der Stadtgrenze man hin wollte. Die meisten Busse fuhren an Oberleitungen und fast alle hatten mindestens ein bis zwei Gelenke, waren also wirklich lang und dennoch gut gefüllt. Letzteres besonders in Moldawien. Da hatte man selten Glück, einen Sitzplatz zu erwischen, nicht wie bei uns, wo häufig Busse fast leer fahren. Mit Internet war es auch unkompliziert, sich Verbindungen zu suchen und im Bus die Strecke zu verfolgen. Wieviel einfacher ist das zu früheren Zeiten, wo man sich erst durchfragen, Busfahrpläne entziffern und dann im Bus jemanden finden, der einem Bescheid sagte wo man aussteigen musste
Auf unserem Weg von Bukarest nach Brasov kamen wir durch die Karpaten und sahen den kleinen Bahnhof von Busteni. Hier wollten wir hin zum Wandern. Wir begaben uns also an diesem Morgen zum Bahnhof und befürchteten, dass uns durch die dumme Reservierungspflicht der Zug vor der Nase wegfahren würde, er hatte aber 1 Std Verspätung und die Schalterbeamtin schickte uns zu einem anderen Zug auf Gleis 1. Erst kam keiner, dann sahen wir einen der Privatbahn ASTRA, den wir nicht nehmen durften. Wir fragten beim Busbahnhof, aber die schickten uns wieder zum Zug. Inzwischen war die Stunde Verspätung zusammengeschmolzen auf 20 Minuten, wir reservierten doch den ursprünglichen Zug und fuhren damit nach Busteni. Im Zug war eine ganze Reisegruppe Deutscher. Als wir in Busteni ankamen, war der Ort voll von wandernden Schulklassen oder Kinder-, Jugend- und Familiengruppen. Alle waren auf dem Weg in den Nationalpark. Stefan hatte eine Wanderung zum Wasserfall Urlatoarea bei Komoot ausgeguckt. Entgegen vorheriger Wetteraussichten hielt sich auch an diesem Morgen das Wetter. Es war sonnig und mit 27Grad fast zu warm. Der Weg war steil und teils rutschig, weil es wohl in den letzten Tagen geregnet hatte, aber er war noch gut zu bewältigen. Einen Bären haben wir leider (oder zum Glück) nirgendwo erblickt, was aber bei dem Aufkommen kreischender Kinder auch nicht zu erwarten war. Der Wasserfall war nett, wenn auch nicht überragend, es tat aber gut, mal wieder in der Natur zu sein. Der Ort lag sehr schön eingebettet in den Bergen, war aber auch sehr touristisch. Gerade als wir auf den letzten Metern zum Bahnhof waren, begann es zu regnen. Da wir nicht bis zum nicht reservierungspflichtigen Zug warten wollten, fragten wir bei dem gerade einfahrenden Privatzug nach dem Preis. Für 10 Lei (2,02€) konnten wir beide direkt nach Brasov fahren. 8 Lei hätten wir sonst schon für die Reservierung bezahlt und noch dazu fast 2 Std warten müssen. Wieder in Brasov kauften wir nochmals Gemüse auf dem Markt für unser Abendessen. Der Markt war wirklich groß und duftete verführerisch nach Kräutern. Es gab sogar ein ganzes Areal für Schnitt- und Topfblumen. Blumensträuße schienen hier sehr beliebt zu sein. Am letzten Sonntag gab es kaum eine Frau, die nicht mit einem Strauß unterwegs war, und auch sonst sah man häufig Leute mit Blumen im Bus oder auf der Straße. Was ebenfalls auffiel war, dass Rumänien sehr sauber ist. Da lag selten irgendwo Müll auf der Straße oder in Parks herum und man sah häufig die Müllabfuhr und auch Leute, die z.B. im Park Müll mit Saugern wegsaugten. Wie in Bulgarien und natürlich Asien zog man auch bei Unterkünften sofort die Schuhe aus. Meist standen bereits Badelatschen bereit.
Donnerstag, 2.6.22 Brasov
Wir ließen uns Zeit, bevor wir uns mit dem Bus wieder Richtung Zentrum aufmachten. Wir hatten noch zwei Punkte auf unserer To Do-Liste, das Landschaftsschutzgebiet Tampa auf dem Hügel in der Stadt und die Schnurgasse. Da Stefan beim Joggen am Morgen bereits mit dem steilen Aufstieg Erfahrung gemacht hatte, wählten wir die Gondelbahn zur Auffahrt auf den Tampa. Wir hatten 27Grad und von der Bergstation waren es noch ein paar Höhenmeter bis zur Spitze, sodass mir trotz bequemer Auffahrt der Schweiß lief. Ich war sehr froh, dass wir es nicht versucht hatten, zu laufen. Meine Knie waren noch von der Wanderung am Vortag wackelig. Von oben hatte man einen guten Blick auf die Stadt. Noch schöner wäre er vielleicht bei Sonnenauf– oder -untergang, aber da fuhr die Bahn nicht. Als wir wieder unten waren, besuchten wir die Schnurgasse, so genannt, weil sie sehr schmal war. Laut Schild war sie die drittengste Gasse in Europa. Die, für Notfälle wie Feuerbekämpfung im 17. Jahrhundert gebaute Gasse in der Kronstädter (Brasov) Festung, wurde in den letzten Jahren als Kunstobjekt initiiert und von jungen einheimischen Künstlern gestaltet. Wir liefen noch etwas durch die Stadt auf der Suche nach Crêpes oder ähnlich leckerer Süßspeise, aber für 180 gr. 6€ und mehr zu zahlen, fanden wir übertrieben und fuhren zu unserem Apartment zurück. Ich fühlte mich kaputt und sprang erstmal unter die Dusche, während Stefan Teilchen und leckere Erdbeeren besorgte. Es war echt fein, einen fest installierten Markt, der jeden Tag geöffnet hatte, vor der Haustüre zu haben. Wir schlemmten die Leckereien und machten uns einen faulen Nachmittag. Am kommenden Tag wollten wir weiterfahren ans Schwarze Meer nach Constanta.
Ca. 12:30 Uhr ging es von Brasov nach Constanta, also vom Gebirge ans Meer. Wir freuten uns, denn die zwei Züge konnten ohne Reservierung genutzt werden. Lange dauerte die Freude nicht an, denn „kann“ heißt nicht, dass auch niemand sonst reserviert! Es dauerte nicht lange, da mussten wir unsere Plätze zum ersten Mal verlassen, weil jemand sie reserviert hatte. Leider wurde das in rumänischen Zügen nicht angezeigt, also tappte man immer im Dunklen. Beim nächsten Stopp dasselbe Spiel, bis wir irgendwann getrennt voneinander irgendwo im 1. Klasse Wagen saßen. Immerhin fanden wir aber bis zum Zugwechsel in Bukarest immer einen Sitzplatz, und es gab auch ein 1 Klasse Großraumabteil, was mehr Beinfreiheit und bessere Federung bedeutete. In Bukarest überlegten wir erst, ob wir für den Anschlusszug noch schnell reservieren sollten, aber im Bahnhof war die Hölle los. Ob Pfingstverkehr oder bereits Ferien, keine Ahnung. Wir stiegen also wieder ohne Reservierung ein, mussten diesmal aber nur einmal weichen. Dafür fuhr der Zug erst mit 50 Minuten Verspätung ab. Leute stiegen ein und aus, es sammelten sich immer mehr auf dem Bahnsteig, im Zug wurde es heiß und die Luft zum Durchschneiden, weil keine Aircondition funktionierte wenn der Motor nicht lief. Draußen waren es um die 30Grad. Es muss wohl ein technisches Problem gegeben haben, denn irgendwann gab es einen kräftigen Ruck und kurz drauf ging es endlich los. Ich schätze, wir haben eine andere Lok bekommen. Als die Belüftung lief, ging es dann auch mit dem Klima und es war kein Schweißbad mehr hinter der Maske. In Constanta war im und vor dem Bahnhof ein Betrieb wie in Asien. Selbst die Taxifahrer versuchten, uns zu sich zu locken. Wir wussten aber von unseren Vermietern, welche Busnummer wir nehmen konnten. Zum ersten Mal auf der Reise fuhren wir erst in die falsche Richtung, merkten es aber gleich und stiegen an der nächsten Haltestelle wieder aus. Mit über einer Stunde Verspätung zur vereinbarten Check- in Zeit erreichten wir unsere Unterkunft. Gut, dass es möglich ist, die Vermieter per Handy einfach zu kontaktieren. Wir hatten wieder ein nettes Studio, also Schlafraum, Küche und Bad und auch wieder eine Waschmaschine. Wir nutzen sie bisher immer ohne Waschpulver, denn meist waren immer noch kleinere Reste in der Maschine und außerdem waren unsere drei/vier Teile eh in der Regel nur verschwitzt. Draußen auf dem Balkon in der Sonne getrocknet waren sie danach immer frisch. Wir gingen noch Pizzaessen und einkaufen und damit war der Tag dann auch zu Ende. Erfreulicherweise hatten wir es morgens in Brasov sogar noch geschafft, alle drei Züge für Montag zu reservieren, wobei wieder ein Zug ein Nachtzug mit Schlafabteil ist, voraussichtlich derselbe Zug wie beim letzten Mal, nur in die Gegenrichtung von Bukarest nach Budapest. Dieses Mal sollte es dann aber noch weiter nach Bratislava in der Slowakei gehen.
https://youtu.be/WXrJWlUR33o
Samstag, 4.6.22 Constanta
11,5 km zu Fuß erwanderten wir an diesem Tag Constanta. Zuerst ging es am Schwarzen Meer entlang bis in die Innenstadt zum Ovidiu Platz, auf dem ein sportliches Fest für Kinder und Jugendliche stattfand. Ein Kletterturm mit Sicherung, diverse Ballspielangebote und Geschicklichkeitsspiele wurden angeboten. Das Ganze wurde von Kaufland gesponsert. Ich hatte bisher gefühlt nirgendwo so viele Spielplätze und auch kleine Vergnügungsparks innerhalb von Parks gesehen wie hier in Rumänien und sie waren immer gut besucht. Auch viele Eltern schienen sich dort zu treffen. Ebenso fielen uns die vielen Kindergruppen auf, entweder wandernd in der Natur bei Busteni oder auch in den Städten.
Wir gingen weiter bis zur Carol-I.- Moschee, auf deren Minarett man gegen Eintritt steigen konnte. Von dort bot sich einem ein guter Ausblick über die Stadt und den Hafen. Constanta hat Rumäniens größten Hafen und war nun auf Grund des Krieges im Gespräch, die Abwicklung der Getreidelieferungen nach Afrika zu übernehmen. In einem Internetbericht darüber las ich über die große Anforderung, weil weder der Hafen, noch der Schienenverkehr auf diese Kapazitäten vorbereitet waren.
Unser Weg führte uns weiter zum Casino, einem an sich sehr prächtigem Bau, an dem aber der Zahn der Zeit erheblich genagt hatte und das vorübergehend geschlossen war. Es schienen Bautätigkeiten begonnen aber noch lange nicht fertiggestellt zu sein. Vor dem Casino oberhalb der Küste fand das internationale FIBA 3×3 Europacup Basketballspiel Ungarn gegen UK statt. (https://www.fiba.basketball/3x3europecup/2022/romania/about) statt. Etwas ganz Besonderes kann das aber nicht gewesen sein, denn es guckten kaum Leute zu.
Durch die Stadt ging unser Weg dann zurück zur Unterkunft. Unterwegs stärkten wir uns mit einer lecker gefüllten Bubble Waffel, die wir uns teilten. Über unsere Unterkunft, die eigentlich ganz nett war, ärgerten wir uns an diesem Tag. Die im Angebot aufgeführte und auch vorhandene Waschmaschine konnten wir nicht nutzen. Sie durfte nur von Langzeitgästen über Winter genutzt werden. Wir wuschen unsere Wäsche also auf herkömmliche Art im Waschbecken.
Constanta hatte ein paar schöne Stellen, zeigte aber insgesamt viel Verfall. Die Strände waren enorm breit und noch sehr leer, aber irgendwie auch ohne Charakter. Dafür fehlte der Stadt aber auch der typische Tourismustrubel mit zig Geschäften an der Promenade, was eher positiv anzumerken ist. Aber auch hier reihte sich ein Privatstrand mit seinen Liegen an den anderen, nette schattige Stellen, die frei nutzbar waren, suchte man vergebens. Ich glaube, den einzigen wirklich schönen Strand am Schwarzen Meer haben wir im Jahr zuvor in Bulgarien gefunden und der war Naturschutzgebiet.
Sonntag, 5.6.22 Fahrt Richtung Bratislava
Wir verließen Constanta um 12:30 Uhr mit einem angenehmen Interregio in der ersten Klasse. Im Großraumabteil waren immer Vierersitzgruppen mit Tisch und auf der anderen Seite des Ganges Zweiersitze gegenüber mit Tisch. Man hatte viel Beinfreiheit, die Sitze waren gemütlich, wenn auch nicht verstellbar und die Klimaanlage funktionierte hervorragend, was man besonders merkte, als wir in Bukarest den Zug verließen. Wir hatten 2,5 Std Wartezeit und verdrückten uns schnell im schattigen Park gegenüber des Bahnhofs. Es waren draußen 33Grad und es war eklig schwül. Bevor wir uns ca. 45 Min vor Abfahrt wieder in den Bahnhof begaben, deckten wir uns noch mit leckerem Gebäck zum Abendessen und fürs nächste Frühstück ein. Wir hatten erneut eine Nachtfahrt vor uns, dieses Mal aber wieder im Schlafabteil. 16 Std Fahrt und Schlafen mit Maske ging einfach nicht. Ich fand so ein Zweibettabteil auch ganz gemütlich, wenn es mit 40€ pro Person Zuschlag im Gegensatz zu ca. 3€ im Sitzabteil auch total überteuert ist. Unsere Unterkünfte waren bisher immer erheblich preiswerter.
Unterwegs bekamen wir plötzlich eine furchtbar laute Unwetterwarnung auf Rumänisch auf unser Handy. Verstanden haben wir erst nichts, konnten dann aber die schriftliche Meldung übersetzen. Zwischen 18-19 Uhr waren schwere Gewitter mit starken elektrischen Entladungen zu erwarten, man sollte Reisen unterlassen. Wir saßen aber im Zug und es war bereits nach 19:00 Uhr und draußen nur leicht bewölkter Himmel. Erst jagte uns das aber schon einen Schreck ein. Nun zuckelten wir bis zum nächsten Morgen durch die Landschaft. Es war dieselbe Strecke, die wir schon einmal im Nachtzug verbracht hatten. Dass immer alle großen Züge über die Hauptstädte fahren und nicht direkt, war schon manchmal nervig.
Nach 20,5 Std reiner Fahrzeit und knapp 3 Std Aufenthalten bei zwei Stopps rollten wir zur Mittagszeit gut in Bratislava ein. Die Nacht im Schlafwagen des Nachtzuges „Ister“ war recht kurz, denn ich war erst gegen Mitternacht in einen etwas unruhigen Schlaf gefallen, weil ich das Gefühl hatte, dass meine Liege etwas nach vorne abschüssig war, und dann kamen gegen 5 Uhr die Grenzer zur Passkontrolle. Ich war todmüde, aber anstatt beide Länder ihre Zollbeamten gleichzeitig reinschickten, dauerte es mindestens nochmal eine Dreiviertelstunde, bis der Zug die paar hundert Meter weiterfuhr und die Ungarn zur Passkontrolle anrückten. Dann waren wir uns immer noch nicht sicher, ob, wie beim letzten Mal, nochmal unsere Tickets geprüft würden, sodass ich es erst nach sechs Uhr nochmal wagte, einzuschlafen. Immerhin bescherte mir das Ganze einen schönen Sonnenaufgang. Zum Frühstück haben wir unsere leckeren, gefüllten Strudelteilchen gegessen und kamen fast pünktlich um 9:00 Uhr in Budapest an. Hier mussten wir mit dem Bus zu einem anderen Bahnhof fahren. Dort gab es leider nicht so eine feine Erste Klasse-Lounge wie in dem anderen, also begaben wir uns zu Starbucks und tranken einen riesigen Kaffee zusammen und aßen einen Muffin. Damit hielten wir uns die 1,5 Std Wartezeit bis zum nächsten Zug auf. Um 11:40 Uhr ging es weiter per EC, der wirklich bequem war, die meiste Zeit WIFI hatte und wo wir sogar jeder eine Flasche Wasser bekamen. Gegen 14:00 Uhr waren wir endlich am Ziel. Wie schön, dass unsere Airbnb Unterkunft nur ein paar hundert Meter vom Bahnhof entfernt lag. Das war aber auch das einzig Gute an ihr. Unser Vermieter P., ein Schwarzer, der meiner Meinung nach autistische Züge hatte, begrüßte uns mit einer ganzen Litanei an Erklärungen, wobei er zwar gut, aber sehr schnell Englisch redete und uns dabei überhaupt nicht anguckte. Wenn er erklärte, welches Kühlschrankfach oder welche Räume nicht für uns seien, redete er immer in der dritten Person, also das ist P‘s Reich oder „P. mag seine Lebensmittel gerne selber essen“. Unser Zimmer hatte höchstens 9 qm. Darin stand ein Doppelbett, dass es zur Hälfte füllte, ein Plastikcampingschrank, den man mit Reißverschluss verschloss, zwei Plastikklappstühle mit kaputten Sitzen, ein Minischreibtisch und ein Ventilator. Die Wände waren zig Mal ausgebessert und die Kopfkissen so dick und unförmig wie von meiner Oma. Die Luft war trotz offenem Fenster und Ventilator heiß und stickig. Gut, dass es vergittert war, so konnten wir es nachts wenigstens geöffnet lassen, sonst hätte man leicht von draußen einsteigen können. Dafür zahlten wir 61€ für zwei Nächte, wobei unser Gastgeber nur 52€ bekam, der Rest war Steuer und Airbnb-Gebühr. Wir konnten die Küche und natürlich Bad und Toilette mitbenutzen. Für zwei Nächte war es ok, es war zumindest sauber, aber Airbnb war doch immer wieder gut für Überraschungen.
Wir brachen gleich auf in die Altstadt Bratislavas, die wirklich sehr schöne Häuserfassaden zu bieten hatte. Man hatte an Verzierungen nicht gespart. Wir liefen bis zur Donau und dem UFO Tower, einem Brückenturm mit Panoramarestaurant, mit der Form eines UFOs. Von dort oben hatte man sicher einen tollen Blick über die Stadt, aber 9,50€ pro Person war uns das nicht wert. In der Stadt merkte man die Nähe zu Wien. Cafehäuser, Palatschinken und andere süße Leckereien waren überall zu finden Man hörte auch erstaunlich häufig deutsche Stimmen. Nach 10 km kreuz und quer durch die Stadt packte mich Müdigkeit und Erschöpfung mit Macht. Die Hitze und die lange Fahrt machten sich bemerkbar. Stefan brachte mich nach Hause und ging dann nochmal alleine los zum Einkaufen für unser Abendessen.
Trotz der stickigen Luft in unserem Zimmer schliefen wir ganz gut. Bei offenem Fenster und laufendem Ventilator war es auszuhalten. Morgens hat Stefan beim Joggen einen Braunbären gesichtet, der aber zum Glück Reißaus genommen hatte, sodass ich nicht als Witwe weiterreisen musste. Beim Frühstück haben wir dann weitere Gäste unserer Unterkunft kennengelernt. Ein Pärchen oder Geschwister von den Philippinen. Sie arbeitete seit letztem Herbst in Bremerhaven als Krankenschwester und er in einem Altenheim auf Malta.
Da wir am Vortag bereits über 10 km zu Fuß Bratislava erkundet hatten, nutzten wir unser Interrailticket für einen Ausflug nach Trencin, 130 km nord-östlich von Bratislava. Unser Zug und die Fahrt durch die Landschaft mit Gebirgen am Horizont waren sehr schön. In der 1. Klasse hatte das Großraumabteil zwischen den Sitzgruppen Glasabtrennungen, die sowohl mehr Privatsphäre, als auch Schutz gegen Viren boten, sodass wir hier auch mal ohne Maske fuhren. Der Komfort wurde noch gesteigert durch eine Flasche Wasser, die es pro Person kostenlos gab. In Trencin war besonders die Burg sehenswert, die oberhalb der Stadt lag. Umso näher wir kamen, umso mehr erkannten wir ihre Ausmaße. Man hatte vom Turm einen sehr schönen Ausblick auf die Umgebung und es gab innen drin sogar noch Räume mit Einrichtung, allerdings war vieles neu und nur dem Ursprünglichen nachempfunden. Durch einen schönen Waldpark kamen wir zur Altstadt. Der Schatten der Bäume war sehr angenehm, denn die Sonne knallte teils unerbittlich auf uns nieder. Die Stadt war im Gegensatz zu dem, was man von oben erwartet hatte, nicht besonders schön. Zwischen die paar netten historischen Gebäude hatte man ein super hässliches Betonrathaus gebaut, und auch sonst waren ein paar hässliche Überreste des Sozialismus präsent. An Pizzerien und Restaurants mangelte es nicht, aber die Preise kamen hier locker an die bei uns zuhause heran. Gegen späten Nachmittag fuhren wir mit dem gleichen Zug wieder zurück nach Bratislava, wo es sich merklich abgekühlt hatte und windete. Es begann sogar zu regnen. Solange es am kommenden Morgen wieder trocken wäre, sollte es uns recht sein. Vielleicht wäre es danach nicht mehr ganz so schwül.
Von diesem Tag gibt es nicht viel zu schreiben. Wir brachen morgens um 10:00 Uhr unsere Zelte in Bratislava ab und fuhren zurück nach Ungarn. Hier im Dreiländereck Slowakei, Österreich, Ungarn war alles nur ein Katzensprung entfernt. Nach kurzer Fahrt hatten wir einen Zwischenstopp in Wien. So riesig war mir bei unserem ersten Aufenthalt der Wiener Hauptbahnhof gar nicht vorgekommen. In der First Class Lounge wurden nun auch hier Flüchtlinge betreut, aber sie war trotzdem auch geöffnet für Reisende. Das Spielzimmer war voll mit Kindern und Müttern und auch im Sitzbereich waren etliche Familien, Alleinerziehende und auch behinderte Flüchtlinge. Neben uns saß eine blinde Familie, die von einer Frau mit Getränken und Essen versorgt wurde. Allen merkte man Stress und Erschöpfung deutlich an. Was hatten sie bereits hinter sich? Wo führte ihr Weg hin?
Eine Stunde später fuhr unser Zug nach Györ, einer 130000 Einwohnerstadt nordwestlich von Budapest. Wir hatten gelesen, dass sie schön sein sollte und am Zusammenfluss der Raab in einen Arm der Donau läge. Wir wohnten ziemlich weit draußen in einem gemütlichen Stadtteil mit kleinen Häusern, vollen, verlockenden Kirschbäumen, in einem 1- Zimmerapartment mit Küchenzeile, Schlafsofa und Bad und direktem Eingang zum Garten. Wir kochten und lauschten ansonsten stundenlang einem Hörspiel und relaxten in unserer Unterkunft. Das musste auch mal sein.
Donnerstag, 9.6.22 Györ
Wir erkundeten Györ. Die sehr schöne Altstadt mit zahlreichen barocken Gebäuden, gemütlichen Cafés, zweistöckigen, pastellfarbenen Häusern mit farblich abgesetzten Fenstern, kleinen Pavillons, die Imbisse oder Souvenirläden beherbergen, Springbrunnen und dem angenehm entspannten Flair einer Kleinstadt, obwohl sie das mit 130000 Einwohnern nicht war, gefiel uns sehr gut. Es gab sogar eine Universität. Der Zusammenfluss der Raab und des Donauarms ist von einer Brücke gut zu beobachten. Vielleicht lag es am Wind oder dem Regen am Morgen, auf jeden Fall war das Wasser des Donauarms sehr aufgewühlt, hingegen das Wasser der Raab klar. Wo sie zusammenflossen, entstanden interessante Muster der aufgewühlten Sedimente. Wir hatten Glück, es begann erst ein wenig zu regnen, hörte dann aber schnell auf, sodass wir bei angenehmen Temperaturen und bedecktem Himmel entspannt die Stadt genießen konnten. Gegen Mittag ließen wir es uns bei Kaffee und Kuchen auf einer Cafeterrasse gut gehen und entschieden dann, dass wir die Flexibilität unseres Interrailtickets ausnutzen und noch einen Ausflug per Zug ins 100 km entfernte Sopron machen wollten. Sopron ist an der Grenze zu Österreich, laut Internet zweisprachig, auch wenn nach unserer Beobachtung das Ungarische stark überwog. Auf Deutsch heißt die Stadt Ödenburg. 1921 fand eine Volksabstimmung statt, die ergab, dass die Bevölkerung mehrheitlich zu Ungarn und nicht Österreich gehören wollte. Wegen des Ergebnisses der Volksabstimmung wurde der Stadt vom ungarischen Staat der Titel Civitas Fidelissima („die treueste Stadt“) verliehen.
Soprons Geschichte reicht bis in die Eisenzeit. In den Trümmern des Zweiten Weltkrieges fand man Reste einer alten römischen Stadtmauer, auf die im Mittelalter und wohl auch später noch gebaut wurde. Heute kann man Teile der archäologischen Reste in der Stadt ansehen.
Bei Sopron fand am 19. August 1989 das Paneuropäische Picknick statt, bei dem 661 DDR-Bürger über die Grenze nach Österreich flohen. Am Ort dieses Ereignisses werden jährlich Gedenkfeiern veranstaltet. (https://www.budapest.com/ungarn/stadte/sopron/geschichte.de.html).
Die Stadt hat heute rund 60000 Einwohner und die Nähe zu Wien beeinflusst ihre Wirtschaft positiv, wenn sie auch auf uns etwas baufälliger wirkte als Györ.
Die letzten 2 Tage unseres ersten Teils dieser Interrailreise verbrachten wir entspannt am Plattensee oder Balaton, wie er auf Ungarisch heißt. Vor ein paar Jahren waren wir auf der südöstlichen Seite des Sees, bei Siófok. Hier hatten unsere Kinder ihre erste Jugendgruppenreise ins Ausland hin gemacht, deshalb wollten wir dort vorbeifahren auf dem Rückweg von Rumänien. Es hatte uns dort damals gar nicht gefallen, aber wir wollten der Gegend dennoch eine erneute Chance geben. Wie gut! Wir kamen am Mittag mit dem Zug von Györ. Dieses Mal waren wir im Nordwesten des Sees im Ort Keszthely (wie immer das auch ausgesprochen werden mag) und die gemütliche Atmosphäre konnten wir schon vom Zug aus wahrnehmen, der ein paar Stationen am See entlang fuhr. Wir sahen viele Radfahrer, Campingplätze ohne viel Halligalli, nur mit Spiel- oder Minigolfplätzen und kleine Pensionen mit vielen Blumen. In einer dieser netten Pensionen hatten auch wir ein großzügiges Zimmer mit Balkon und Bad. Im Eingangsbereich gab es Mikrowelle, Kühlschrank und Wasserköcher und mehrere Tische, an denen man sein selbstzubereitetes Essen gemütlich genießen konnte. Sofort meldete sich unser Magen und wir besorgten uns Brot, Marmelade etc. für das Frühstück am kommenden Morgen und Teilchen für eine nachmittägliche Stärkung, bevor wir auf Entdeckungstour gingen. Letztere führte uns durch eine großzügige Fußgängerzone mit zahlreichen Restaurants und Eisdielen, die aber nicht touristisch aufdringlich wirkten, sondern einfach sommerlich entspannt. Die kleine Stadt hatte sage und schreibe 7 Museen, von Marzipanmuseum (schien in zu sein) bis Spielzeugmuseum und von Nostalgiemuseum bis zu einem historisch erotischen Wachsfigurenkabinett. Uns war aber das Wetter viel zu schön, um uns in Museen zu verkriechen, wir zogen es vor, zum beeindruckenden barocken Palast zu schlendern, der von einem schönen Park umgeben war. Dort gab es auch einen Palmengarten mit Vogelpark, aber der schloss gerade seine Tore als wir ankamen. Nachdem wir die Innenstadt, die schön verkehrsberuhigt war, durchwandert hatten, liefen wir zur Uferpromenade. Es blies ein heftiger Wind und ein Kiter hatte merklich Probleme, sich auf dem Wasser zu halten. Wir teilten uns zum Abendessen eine Portion Langos, die uns völlig ausreichte und beendeten damit unseren Spaziergang. Der Ort gefiel uns beiden gut und wir freuen uns darauf, am nächsten Tag einen kleinen Ausflug mit dem Zug weiter östlich an den Balaton zu machen nach Becehegy. Es sah so aus, als gäbe es dort ein Gebiet, das sich zum Wandern anböte.
Samstag,11.6.22 Keszthely
Wie geplant, wanderten wir an diesem Tag. Von uns aus ging es erst lange Zeit durch Wohngebiete mit hübschen Häusern und blühenden, sehr gepflegten Gärten. An einer Straße befand sich eine Art breiter Graben und ich hielt ihn erst für einen Abwassergraben, er stellte sich aber als sehr belebtes Biotop dar. Als erstes sah ich eine Schildkröte, die aber schneller untertauchte als wir unsere Handykameras zücken konnten. Dann begann ein Froschkonzert, und wir konnten auch welche sehen. Nach ein paar Kilometern ging die Strecke in einen Waldweg über, der anstieg, und nach einer Weile lag die Vadlany Höhle unter uns. Von hier liefen wir weiter Richtung des nächsten Ortes, Vonjarcvashegy. Mir taten die armen Kinder leid, die solche Namen schreiben lernen müssen. Auch hier gab es wunderbare Gärten mit noch wunderbareren Kirschen, die uns rot anstrahlten. Als vor einem Haus gerade welche aussortiert wurden, fragte ich, ob wir ein paar kaufen könnten und so kamen wir zu einem Pfund Kirschen, die wir unterwegs genossen. Nun kamen wir zu einem Kreuzweg, der zur St.Michaelskapelle auf gleichnamigen Hügel führte. Darüber findet man im Internet folgende Informationen:
„Die 136 Meter hohe Dolomitformation war einst eine Insel. Im 13. Jahrhundert wurde auf der Bergkuppe eine kleine Burg errichtet, die bis auf die kleine Kapelle im Sturm der Geschichte fast vollständig zerstört wurde. Der Folklore zufolge wurde die Kapelle 1729 von 40 Fischern erbaut, die glücklicherweise einem verheerenden Sturm auf dem Plattensee entkommen waren. Die Legende der Kapelle ist eine Mischung aus Märchen und Realität.
Neben dem Gebäude befindet sich ein alter Friedhof. Die Umgebung des denkmalgeschützten Gebäudes bietet eine schöne Aussicht auf das Keszthelyer Gebirge und den Plattensee, von der Bucht von Keszthely bis zum Ufer von Berényi, aber die Aussicht auf die „Zeugenberge“ von Szigliget bis Badacsony ist wunderbar.
Die erstaunliche Schönheit dieser Landschaft, der Kapelle und ihrer Legende haben viele Schriftsteller und Dichter inspiriert“(https://vonyarcvashegy.hu/szent-mihaly-domb-es-szent-mihaly-kapolna)
Da die Sonne inzwischen ganz schön wärmte und wir auch schon über 8 km hinter uns gebracht hatten, entschied ich, dass wir es damit gut sein lassen und zum nächsten Bahnhof gehen sollten, der auch noch einmal 3 km entfernt war. Wir fuhren mit dem Zug zurück nach Keszthely, wobei Stefan eine Haltestelle eher ausstieg, um noch für den nächsten Tag Reiseverpflegung einzukaufen. Wir würden zwar mehrere Umstiege haben, aber alle nur recht knapp bemessen und würden unsere erste Erfahrung mit dem 9€ Ticket ab deutscher Grenze machen. Nach dem, was wir bisher darüber gehört hatten, graute es mir vor der Fahrt nach Zorneding. Hoffentlich schafften wir es überhaupt bis dort und blieben nicht unterwegs auf der Strecke, weil uns ein Zug nicht mehr reinließ. Gut, dass unsere Rucksäcke nicht allzu groß waren, aber beliebt machten wir uns damit sicher nicht.
Zum Abschluss unseres ersten Reiseabschnitts und von Ungarn genossen wir an der Mole noch einmal leckere Langos von einem Imbissstand, an dem bereits eine lange Schlange auf diese Köstlichkeit wartete.
Sonntag,12.6.22 Rückfahrt nach Deutschland
Nun ging also unser erster Teil der ersten gemeinsamen Interrailreise zu Ende. Da wir früh am Bahnhof Keszthely waren, versuchten wir noch einmal für den Zug von Györ bis Salzburg eine Reservierung für die erste Klasse zu bekommen, aber auch diese zwei Bahnmitarbeiterinnen schienen sowohl überfordert als auch zu unmotiviert, wenigstens nachzusehen. Sie teilten uns einfach mit, dass wir keine Reservierung benötigten, obwohl es in unserer APP anders angezeigt wurde. Wir fuhren also wie bei der Hinreise mit dem Regionalzug FT9690 zurück nach Györ. Ab dort ging es weiter im Railjet 62, einem international verkehrenden Schnellzug, wohl vergleichbar mit unserem ICE, nach Salzburg. Auf dem Bahnsteig und im Zug stand gleich fest, dass wir froh sein konnten, überhaupt Plätze in der 2.Klasse zu haben. Es wurde richtig voll und viele standen mit großen Koffern in den Gängen. Eine Frau mit Kind, einem gigantischen Rollkoffer und einem Hamsterkäfig in der Hand zeigte sich begründet besorgt, ob sie es bis zum nächsten Bahnhof schaffen würde, bis zur Tür vorzudringen, um aussteigen zu können. In Wien, dem einzigen Bezirk Österreichs, der die Maskenpflicht nicht für die kommenden drei Monate ausgesetzt hatte, zog kaum jemand den ungeliebten Mundschutz an, obwohl es dichtes Gedränge war. Wir trugen durchgehend Maske, was bei der Enge und Dauer schon sehr anstrengend war, uns aber hoffentlich, trotz wieder steigender Inzidenzen, schützte. Irgendwann sagte Stefan voller Schreck, dass er gerade einen Stromschlag bekommen hätte. In der 230 Volt Steckdose am Sitz steckte ein spitzer Metallgegenstand, an den er mit seiner Hand gestoßen war. Anscheinend war einem Fahrgast ein Stecker dort kaputt gegangen und ein Stück drin geblieben. Ich bekam einen Schreck und hatte Angst, dass das gesundheitliche Folgen haben könnte. Ich beobachtete ihn genau, aber er wurde nicht bleich und sein Puls schien auch nicht auffällig zu sein, als er ihn mit seiner Uhr kontrollierte. Wir machten Fotos zur Dokumentation. Als der leitende Zugbegleiter im Wagen erschien, rief ich ihn gleich zu uns. Er klebte die Steckdose notdürftig ab und bot uns mehrmals an, einen Arzt zu kontaktieren. Später schaffte er es, die Stromzufuhr für die Steckdose auszustellen. In Salzburg stiegen wir um in einen Regionalzug nach München Ost, den wir glücklicherweise ohne Gedränge erreichen konnten und der auch nicht überfüllt war trotz 9€ Ticket und Sonntag. Wir hatten zuvor online für das Stück bis zur Grenze gezahlt und für jeden ein 9€-Ticket in Deutschland. An der Grenze, also vielleicht 5 Minuten nach Abfahrt, kam es zum ersten längeren Halt und einer Verspätung von 15 Min. weil die deutschen Grenzer so lange kontrollierten. Darüber hinaus, dass man sich über den Sinn der Kontrolle im vereinten Europa streiten konnte, stellte sich die Frage, ob sie immer stattfand und wenn ja, warum sie nicht in die Zeitplanung des Zuges eingeplant wurde. Auf der weiteren Strecke kam es zu mehreren weiteren ungeplanten Halts über mehrere Minuten. Die Durchsagen liefen völlig durcheinander, sodass auf die Zugangaben außen am Zug während der Fahrt hingewiesen und noch nach Rosenheim als nächster Halt Rosenheim angesagt wurde. Zeitweise konnte man den Gesprächen im Führerhaus zuhören, weil das Mikrofon wohl unbeabsichtigt angeschaltet wurde. Getoppt wurde diese, mit heftiger Verspätung in München Ost ankommende Fahrt dann mit der Durchsage, dass der Zug heute wegen Bauarbeiten nicht bis zum Hauptbahnhof weiterführe, am Bahnsteig aber noch der Hauptbahnhof angezeigt wurde. Wie planlos war das denn, und wie sollten fremdsprachige Fahrgäste das durchblicken, wenn diese wichtige Mitteilung nicht auch auf Englisch durchgesagt wurde? Was für ein peinliches Bild gab da bloß die Deutsche Bahn ab? Wir waren froh, nur noch die S-Bahn erreichen zu müssen, während zahlreiche Fahrgäste den ICE nach Stuttgart abschreiben mussten. Wir zuckelten also gemächlich mit der S6 nach Zorneding und wurden in unserer letzten Unterkunft dieses Reiseabschnitts mit einer herzlichen Umarmung und einem leckeren Essen von Stefans Mutter begrüßt.
Es ging weiter mit unserer Interrailreise. Wir schafften es, trotz 40 Minuten Verspätung beim ICE aufgrund von Leuten auf den Schienen bei Darmstadt, dennoch einen IC Richtung Luzern und einen Regionalzug nach Horw zum Campingplatz bekommen. Als wir in Basel ankamen, kam es uns vor, als wären wir in den Tropen gelandet. Auch in Horw bei Luzern waren es laut Internet 32Grad und wir hatten großes Glück, dass die Dame an der Rezeption uns noch einen anderen, schattigeren Platz gesucht hat. Eigentlich hätten wir wohl in der vollen Sonne unser Zelt aufbauen müssen. Neben dem Campingplatz war gleich der Vierwaldstättersee mit einem Seebad, für das wir Eintrittskarten bekamen. Nach dem Zeltaufbau konnten wir uns in dem 21Grad kühlen Wasser gut abkühlen. Danach haben wir uns auf die Suche nach was essbarem gemacht und sind dabei beinahe gescheitert. Dass Geschäfte sonntags um 19:00 Uhr geschlossen haben, ist ja noch verständlich, aber hier hatten auch alle Restaurants und Cafés dicht! Ein einziger Dönerladen hatte geöffnet und uns dennoch nahezu zum Verhungern verdammt. Ich sag nur: Pommes für 7 Schweizer Franken (=€)! Wir haben uns für 14€ eine Pizza Margherita geteilt und Stefan kochte sich beim Zelt noch ein Süppchen. Gut, dass ich Tütensuppen mitgenommen hatte. Unser Frühstück am kommenden Morgen würde dann wohl aus Keksen von meiner Freundin Heike, ein paar Stücke Schokolade und Nüsse, sowie ein Käsebrötchen, das ich mir von der Fahrt aufgespart hatte, bestehen. Ich war gespannt, wie die Preise in den Supermärkten seien würden.
Die Fahrt an diesem Tag war trotz Verspätung sehr angenehm. Der Campingplatz war OK und sehr international. Der See und die Berge gefielen uns sehr, der Ort Horw erschien ehr hässlich. Viele nicht zueinanderpassende Häuser, alles recht nichtssagend. Wir waren gespannt, ob wir am kommenden Tag unsere Panoramazugfahrt machen würden, oder ehr am Tag drauf. Es sah nach Gewitter aus.
Wir hatten bei dieser Tour in der Schweiz immer nur auf dem Campingplatz WLan, woran wir uns sehr gewöhnen mussten. Leider inkludierten unsere Telefonverträge in der Schweiz kein kostenloses Roaming und wir hatten schon immer im Zug Panik, dass wir unser Ticket nicht aufrufen konnten und Orientierung war auch nicht so einfach, bis Stefan die Region bei Google gedownloadet hatte.
Montag, 20.6.22 Panoramafahrt, Schifffahrt und Luzern
Die erste Nacht in der Schweiz war, wie beim ersten Mal zelten seit Jahren und dann auch noch im Minizelt zu erwarten, nicht super, aber auch nicht so schlecht wie erwartet. Es hatte sich abends etwas abgekühlt, sodass wir in unserem Zelt nicht sauniert wurden. Am Morgen haben wir uns wie geplant auf den Weg gemacht, um die Golden Pass Route zu fahren. Ein örtlicher Nahverkehrszug brachte uns nach Luzern, und von dort genossen wir die Fahrt im Panoramazug, in einer nicht zu vollen ersten Klasse, während in der zweiten Klasse eine Schulklasse und viele andere Leute zum Teil stehend fahren mussten. Stefan hatte vor der Fahrt noch schnell Teilchen und kalten Latte Macchiato gekauft, sodass auf der fast zweistündigen Fahrt für unser leibliches Wohl gesorgt war. Wir fuhren durch eine wunderschöne Berglandschaft bis hoch auf den Haslibergpass auf 1013m Höhe. Um dort hochzukommen, wurde Zahnradtechnik eingesetzt. Die Strecke führte entlang des Vierwaldstättersees, des Wichelsees, des Samersees und Lungernsees bis zum Brienzer See in Interlaken Ost, wo wir in den Zug nach Zweisimmen umsteigen wollten. Da wir noch etwas Zeit hatten, verließen wir den Bahnhof und gingen zum See hinüber. Mehr durch Zufall sah ich dort ein Schild, dass mitteilte, dass Inhaber von Schweizer-, Euro- oder Interrailpässen kostenlos an Bord gehen könnten für eine Schifffahrt auf dem Brienzersee! Wahrscheinlich war das möglich, weil das Schiff auch ein reguläres Transportmittel war, um an andere Orte des Sees zu gelangen. Da konnten wir natürlich nicht nein sagen und schmissen erstmal unsere weitere Route über den Haufen. Wir fanden letztlich zwar doch noch eine Möglichkeit, die Tour inkl. Zweisimmen und Montreux laut Fahrplan am selben Tag durchzuführen, aber dann kam es doch anders. Wir fuhren nach der Schifffahrt über den wunderschönen Brienzer See nach Spiez, um von dort dann nach Montreux und über Zweisimmen zurück nach Luzern zu fahren. In Spiez wurde durchgesagt, dass es bei Zweisimmen derzeit eine Störung aufgrund eines defekten Gleises gäbe und nicht klar wäre, wie lange die Strecke gesperrt wäre. Na, da hatten wir ja wahrscheinlich ein riesiges Glück, dass wir uns so spontan für die Schifffahrt entschieden hatten! Andernfalls hätten wir ggf. auf der Strecke festgesessen. So machte es dann auch keinen Sinn, nach Montreux weiterzufahren, weil wir von dort ja nicht auf der Panoramastrecke zurückgekommen wären. Wir fuhren also zurück nach Interlaken Ost und wiederum die schöne Strecke nach Luzern. Dort bummelten wir durch die Stadt, besuchten eine Brücke, an die Stefan sich meinte noch erinnern zu können von einem Ausflug mit seinen Eltern als er ca. 5 Jahre alt war. Später stellten wir fest, dass es eine ganz ähnliche Holzbrücke mit Dach ca. 200m entfernt noch einmal gab. Nun ist er sich nicht mehr sicher, welche er denn nun als Kind gesehen hatte. Wir besuchten die Jesuitenkirche von innen, die beeindruckend viel Marmor hatte und reich verziert war, wie im Barock üblich. Luzern hatte eine sehr schöne und lebendige Altstadt mit mehreren Brücken über die Reuss. Zwei davon waren wie erwähnt aus Holz und überdacht und mit Malereien und Sprüchen aus der Bibel und Landesgeschichte verziert. Es gab bis zum 19.Jahrhundert sogar noch eine dritte Brücke der Art, die aber den Seeaufschüttungen weichen musste. Gebaut wurden die Brücken im 13./14.Jahrhundert.
Inmitten der Stadt hatte Luzern ein uraltes Wasserkraftwerk. Bereits seit 1178 wurden Mühlen durch die Wasserkraft des Flusses Reuss betrieben. 1878 baute man ein Turbinenkraftwerk und seit 1926 erzeugte hier ein Generator aus Wasserkraft Strom. Das Wasserkraftwerk war jetzt ein Vorzeigeobjekt für Natur- und Umweltschutz, denn es wurde strengstens auf seine Verträglichkeit für Umwelt und Tiere geachtet, so hatte man z.B. extra eine Bibertreppe eingebaut, damit sein gewohnter Lebensraum nicht zerstört wurde.
Zum Abschluss unseres Rundgangs kauften wir noch Nudeln und eine Melone ein, die wir zum Abendessen aßen.
Dienstag, 21.6.22 Wanderungen Aareschlucht und Brünig-Häsliberg- Lungern
Heute forderten wir uns mal wieder selber ein wenig und ließen uns nicht nur durchschaukeln. Wir fuhren nach dem Frühstück zuerst bis Innertkirchen-Grimseltor und wollten dann mit dem Postbus hoch zum Grimselpass. Der Spaß an dem Vorhaben verging uns aber schlagartig als wir hörten, dass die Fahrt uns per Strecke/Person 31€ gekostet hätte. Schnell entschieden wir uns um und wanderten zum Osteingang der Aareschlucht. Diese Entscheidung haben wir auf keinen Fall bereut. Die Schlucht war absolut sagenhaft und die Aare schoss mit gewaltiger Kraft durch die Felsen. Teils wurden wir durch Tunnel geführt, wobei wir immer wieder Ausblick auf den Fluss und die gewaltigen Felsmassive hatten. Als wir am Westausgang ankamen, hätten wir von dort weiterfahren können, aber wir entschlossen uns, auch den Rückweg zu wandern und dieses tolle Erlebnis ganz auszukosten. Am Bahnhof Aareschlucht mussten wir dann eine ganze Zeit warten, bis unser Zug kam. Der Bahnhof war dort wie eine U-Bahn in den Felsen gebaut und kurz bevor er kam, öffnete sich eine automatische Tür im Gestein zum Bahnsteig. Wir fuhren nur eine Station bis Brünig-Häsliberg und wanderten durch eine bezaubernde, hügelige Landschaft mit Blick auf die hohen Berge von der Passhöhe zum nächsten Bahnhof in Lungern. Der Weg führte parallel zu der Zugstrecke, wo Zahnradtechnik den Zug bei dem starken Gefälle bremste. Einmal kam auch einer an uns vorbei. Die Wanderung war sehr schön, wurde jedoch von einem drohenden Gewitter in unserem Nacken etwas überschattet. Gewitter in den Bergen können bekanntlich schnell, unerwartet und heftig und besonders gefährlich sein. Wir schafften es aber trockenen Fußes in Lungern anzukommen und hatten dort dann fast eine Stunde Zeit, um dem Namen des Ortes alle Ehre zu machen, nämlich herumzulungern. Wir gingen einmal in den Ort und zurück, bis unser Zug einrollte. Über Sarnen ging es zurück nach Horw und in Sarnen gab es dann den ersten richtigen Schauer unserer Reise, während wir trocken am Bahnhof standen und hofften, dass es in Horw nicht regnete. Es wäre wirklich blöd, wenn wir kommenden Tag ein nasses Zelt einpacken und mit nassen Klamotten zu unserer Servasgastgeberin müssten. Es hatte während unserer Abwesenheit in Horw geregnet, aber anscheinend nicht sehr stark. Wenn wir Glück hätten und es nachts nicht regnete, könnten wir evtl. tags drauf mit trockenem Zeit abreisen.
Ein langer, schöner aber auch etwas anstrengender Tag lag hinter uns als ich an diesem Tag im Bett lag und zu aufgekratzt war, um schlafen zu können. Morgens hatte es, gerade als wir das Zelt abbauten, angefangen zu regnen, aber wir konnten es noch einigermaßen trocken zusammenpacken. Dann begann eine fast 10-stündige Zugreise von Horw nach Aubonne über Luzern, Olten, Spiez bis Zweisimmen, wo wir unseren zweiten Teil der Golden Pass Route begannen. Wir hatten wieder einen Panoramazug und es bot sich uns gleich ein Blick auf beeindruckende Felsspitzen. Im Gegensatz zum ersten Teil, der ja vornehmlich entlang wunderschöner Seen führte, ging es dieses Mal durch Almenlandschaften. Rechts und links gingen die grünen Hänge steil neben unserer Zugstrecke hoch, Almen verteilten sich mit einigem Abstand in allen Höhen und obwohl man eigentlich nicht von Dörfern reden konnte, gab es alle paar Kilometer kleine Bahnhöfe. Oberhalb der grünen Weiden guckten bizarr die Felsen der hohen Berge hervor. Die Strecke war sehr beeindruckend. Zum Schluss führte sie runter fast bis zum Genfer See und endete in Montreux. Hier hatten wir eine Stunde Zeit, um ein wenig herumzulaufen. Die Stadt hatte eine herrliche Lage am See, wirkte aber sehr mondän auf mich. Während unterwegs der Baustil vorwiegend aus netten Holzhäusern bestand, war nun wieder eine Mischung aus unterschiedlichsten Bauten von Hochhaus, dem von vorne sehr reich aussehenden, schlossartigen Palasthotel direkt am See, was im Übrigen von hinten ziemlich bruchreif wirkte, und Häusern ohne besonderem Charakter. Ich muss natürlich dazusagen, dass wir auch nur einen winzigen Ausschnitt von der Stadt gesehen haben, aber der wirkte mir zu sehr auf reich aufgetakelt und der See zu groß. Da haben mir die kleineren Seen auf der ersten Fahrt, wie der Briegersee, besser gefallen. Für uns ging die Fahrt dann noch weiter mit dem Zug nach Aleman und von dort per Bus nach Aubonne. Wir hatten riesiges Glück, dass wir trotz all der Umstiege die Anschlüsse alle bekamen, denn unsere Servasgastgeberin erwartete uns an der Bushaltestelle. Leider begann es pünktlich bei Ankunft zu regnen. Zum Glück wohnten unsere Gastgeber nicht weit von der Haltestelle, denn aus dem Regen wurde heftiger Hagel. Wir wohnten bei einem schweizerisch- schottischen Paar. Er war 72 und aus Schottland, sie 65 und Schweizerin. Wir unterhielten uns auf Englisch, obwohl wir in der französischen Schweiz waren, aber mit Englisch alle einen gemeinsamen Nenner hatten. Unsere Gastgeberin schien bei ihren Reisen mit anderen Hospitility Organisationen und mit Reisenden schon mehrfach schlechte Erfahrungen gemacht zu haben und stand unserem Besuch kritisch und mit Vorsicht gegenüber. Wir kamen aber gut klar und bemühten uns sehr, ganz angenehme Gäste zu sein, um beiden auch positive Erfahrungen mit Servas zu verschaffen. Bisher hatten sie nur Gäste von anderen Organisationen gehabt, die wohl sehr fordernd waren und auch versuchten zu stehlen. Wir wurden zu leckerem Raclette eingeladen und unterhielten uns über Reisen und Politik in GB und der Schweiz. Beide zeigten ziemlich konservative Ansichten was Sozialsystem, Gewerkschaften und Zuwanderung anging. Am kommenden Tag wollten sie uns die Stadt Aubonne, die nur gut 3000 Einwohner, aber aufgrund ihres historischen Wertes Stadtrechte hatte, zeigen. Hoffentlich würde das Wetter mitspielen.
Am heutigen Tag zeigten uns unsere Gastgeber Silvianne und Edward mit ihrem absolut süßen und lieben Hund Chester ihre Umgebung. Nach dem Frühstück machten wir einen Spaziergang durch Aubonne. Gerade mal 230 m von ihrem Haus entfernt war ein Schloss, das heute eine Schule beherbergte. Bis vor ein paar Jahren befand sich ebenso ein Gefängnis in dem Gebäude und man konnte den Gefangenen von oberhalb bei der Gartenarbeit zusehen. Jetzt war es der Musiksaal der Schule . Es gab auch noch einen Waschplatz, wo die Leute in der Dorfmitte ihre Wäsche bis in die 60iger gewaschen haben, bevor es Waschmaschinen gab. Der Ort, der aufgrund seiner historischen Bedeutung und weil es eine Stadtmauer und ein Schloss gab Stadtrecht hatte, war wirklich sehr reizvoll und absolut gemütlich. Auch unsere Gastgeber wohnten in einem denkmalgeschützten Haus, das sich über vier Etagen ausdehnte. Nach Aubonne fuhren sie mit uns nach Rolle VD, einem Nachbarort am Genfer See mit einer sehr schönen Promenade mit Blumen und Spielplatz. Auch hier gab es ein mittelalterliches Schloss und einen Yachthafen, wo die Reichen ihre Boote stehen hatten, laut unseren Gastgebern meist nur zum Angeben, statt sie zu nutzen. Rolle hatte auch nette bunte Häuser mit farblich abgesetzten Fensterläden. Die Gegend hier war wirklich sehr schön und man konnte fast nach Frankreich hinüberspucken.
Zum Mittagessen gab es leckere Toasts mit Frischkäse und einer Mischung aus Gruyerkäse, Mehl, Tomaten und Gewürzen überbacken. Eigentlich wird statt Tomaten Wein genommen, aber Silvianne hatte es geändert weil sie dachte, wir nähmen auch zum Kochen keinen Alkohol. Es war sehr lecker. Nachmittags fuhren sie mit uns noch zu einem Park, den Migros, der größte Markt in der Schweiz, der Bevölkerung spendiert hatte. Er hatte einen Kletterpark, Tiere, Sportanlagen, große Rasengebiete, Spielplatz und ähnliches. Dort erwischte uns ein Regenguss. Wir fuhren zu einem Einkaufscenter, wo wir unsere Gastgeber im Restaurant zu Kaffee und Kuchen einluden. Wieder zuhause zeigte uns Silviane Bilder, die sie gemalt hatte. Sie waren wirklich beeindruckend. Sie hatte einen dreiwöchigen Kurs zu einer bestimmten Technik gemacht und ihre Bilder waren wirklich gut. Sie hatte darüber hinaus ein Händchen für Handarbeiten und überall hingen gestickte Bilder. Zum Abendessen gab es vegetarische Paella und wir waren wirklich begeistert von ihren Kochkünsten. Am kommenden Morgen würden wir weiterfahren nach Dijon in Frankreich und zurückkehren in unser kleines Zelt. Ich hoffte, dass es dort nicht solche Regengüsse gab, wie wir sie in den letzten zwei Tagen erlebt hatten. Immerhin hatten wir aber den Großteil des Tages in herrlicher Sonne verbracht.
Am Morgen mussten wir uns von unseren Gastgebern verabschieden. Entgegen unseres ersten Eindrucks, stellten sie sich als sehr nett heraus. Wir frühstückten gemütlich gemeinsam und Silviane rief für uns beim Campingplatz an und bestätigte noch einmal unsere Ankunft. Diese dämliche Erfindung von Rückbestätigungen waren wirklich nervig, besonders wenn man keine Telefonkarte hatte und die Sprache nicht sprach. Beide plus Hund brachten uns mit dem Auto nach Allaman, damit wir für den Postbus nicht noch zahlen mussten. Das war wirklich total nett, sowie auch die ganzen Unternehmungen am Vortag, die sie mit uns gemacht hatten. Vielleicht konnten wir auch Edward davon überzeugen, dass es nett sein kann, Servasgäste aufzunehmen und zu Gastgebern zu reisen. Durch miese Erfahrungen mit Gästen anderer Gastgeberorganisationen wie Hospitility.com, wo Gäste statt alleine gleich zu viert auftauchten, sich haushalten ließen und auch noch um Geld baten und Gäste sich an ihrer Geldbörse vergriffen und im Haus herumschnüffelten, war Edward ganz gegen Gastgeberorganisationen eingestellt und auch nicht Servasmitglied. Er hatte aber am Vorabend ebenfalls sichtlich Spaß und Interesse am Austausch und an gemeinsamen Unternehmungen gehabt.
Wir fuhren als erstes nach Lyon und lernten gleich, dass in bzw. nach Frankreich mit einem größeren Aufkommen von Reisenden zu rechnen war und das auch in der ersten Klasse. Wir waren rechtzeitig vor Abfahrt am Bahnsteig, aber der Zug stand schon dort und wir bekamen nur deshalb Plätze nebeneinander, weil ich eine Familie gebeten habe, den Platz zu tauschen. In Lyon auf dem Bahnhof war es wuselig wie im Wespennest. Auch hier wurden anscheinend Flüchtlinge aus der Ukraine erwartet, denn Leute vom Roten Kreuz standen schon mit Schildern mit ukrainischer Flagge bereit. Wir hatten eine Stunde Aufenthalt und suchten erstmal einen Weg raus aus dem Bahnhof und dem Gedränge. Draußen bekamen wir einen Anruf aus Deutschland und damit war unsere Zeit für die Erkundung der Umgebung dahin. Wir gingen bereits 30 Min vor Abfahrt zum Bahnsteig, mussten auch durch eine Zollkontrolle, wurden aber nicht kontrolliert. Auch dieser Zug war gut belegt. Beide Züge, weder der RE noch der TER waren besonders gut. Beim RE hatten wir wenigstens noch eine Steckdose, um unsere Handys zu laden, aber das hatte der TER noch nicht mal. Er sah ehr aus wie ein in die Jahre gekommener Intercity mit Gardinen. Zwei weitere Stunden Zugfahrt standen uns bevor, aber nach kurzer Zeit waren wir über die französische Grenze und konnten endlich wieder online gehen und uns die Zeit mit Spanischlernen verkürzen, solange wir nicht durch die Pampa fuhren und kein Netz hatten. Als wir in Dijon aus dem Zug stiegen, fing es an zu regnen, erst etwas, dann wurde es immer stärker, sodass wir uns unter ein Bushäuschen flüchteten. Als der Regen nachließ, stellten wir fest, dass wir nur noch ein paar Schritte vom Campingplatz entfernt waren. Er war hübscher, mit von Hecken umgebenen Parzellen, wo unser Zeltchen fast verloren wirkte. Hier wäre ich gerne mit Womi gewesen! Wir nutzten ein Regenloch zum Zeltaufbau und gönnten uns bei der Rezeption einen Kaffee, da der Platz noch ca.10€ billiger war als gedacht. Wir hatten mit Strom gebucht, aber wir konnten mit den großen Steckdosen für Wohnmobile ja gar nichts anfangen. Handys würden wir wohl beim Spülen im Waschraum laden müssen. Was wirklich dämlich war, war, dass man eigenes Klopapier mitbringen musste. Wir kauften stattdessen Tempos, denn wir brauchten weder 4 Rollen noch wollten wir dafür 3-6€ zahlen. Wo sollten wir denn damit hin? Wir eilten zum Supermarkt und schlüpften in den letzten Minuten hinein. Mit unserem Einkauf wartete ich in einem netten Park auf dem Weg zum Campingplatz, während Stefan Kochgeschirr und Kocher besorgte. Hier konnten wir uns gemütlich auf Bänke an Tischen setzen, statt vorm Zelt auf dem nassen Rasen hocken zu müssen. Wir machten noch einen kleinen Spaziergang, bevor es ins Bett ging.
Samstag, 25.6.22 Dijon
Nachts hatte es geregnet, dementsprechend war unser Zelt am Morgen nass. Von außen vom Regen, von innen von hoher Luftfeuchtigkeit. Mein einziges Verlangen war nur noch ein Waschsalon mit Trockner, denn Handwäsche zu trocknen erschien nahezu unmöglich. Nach dem Frühstück, das wir auf Stefans Regencape vor dem Zelt einnahmen, wanderten wir los. Wir gingen entlang der L’Ouche, einem Fluss mit Staustufe, der in den Lac neben unserem Campingplatz floss. Dort wurde ein netter Strand angelegt. Wir gingen aber heute in die andere Richtung, auf der Promenade zur Stadt. Es war ein netter Weg, bewaldet, mit Sportgeräten, Spielplätzen und Bänken. Mit einem Torbogen, wieder einer Miniversion des Arc der Triumph, empfing uns die Stadt. Von Anfang an waren wir begeistert. Schöne alte Gebäude, viele kleine und besondere Lädchen, häufig mit Spezialitäten der Region wie Senf und Wein. Die leckersten Sachen in den Patisserien wie Törtchen und Maccarons. Durch Zufall standen wir auch plötzlich vor der schönen alten Markthalle, in der an zahlreichen Ständen alles was Landwirtschaft und Fischerei zu bieten hatte, angeboten wurde und auch die Möglichkeit zum Weintrinken und Essen geboten wurde. Draußen vor der Halle wurden an ein paar Ständen ebenfalls Obst und Gemüse verkauft, was wohl nicht mehr den höchsten Ansprüchen gerecht wurde. Unser Pfund Kirschen war aber hervorragend und kostete nur einen Bruchteil von dem Preis in der Halle. Nicht weit von der Markthalle entfernt, fanden wir unsere Levanderie. Wir steckten unsere Wäsche in die Maschine und nutzten die Zeit dazu, uns die Kathedrale Notre Dame von innen anzusehen. Leider wussten wir zu der Zeit noch nicht, dass die Eule von Dijon (Chouette der Dijon) an der Außenfassade angeblich beim Streicheln Wünsche erfüllt. Ich hätte mir gutes Wetter gewünscht. Den ganzen Tag war es super, aber abends, als ich diese Erlebnisse niederschrieb, regnete es in Strömen und gewitterte. Wir saßen unter einem Pavillondach bei der Rezeption des Campingplatzes und hofften, dass es bald aufhörte und wir ins – hoffentlich von innen noch trockene – Zelt könnten.
Zurück zur Stadterkundung: Wir kauften uns Eis und Cappuccino während unsere Wäsche im Trockner herumwirbelte und genossen beides im Park beim Palais des Dukes, dem Herzogenpalast, Stefan das Eis, ich den Kaffee. Ich kaufte mir im 2€ Shop eine Alutrinkflasche, damit wir nicht immer mit 2l Plastikflasche rumlaufen mussten. Durch den Botanischen Garten wanderten wir zurück zum Campingplatz. Ich fragte an der Rezeption, ob ich dort mein Handy an der Steckdose im Wartebereich laden dürfte, aber das wurde mir versagt. Also stellte ich mich mit unseren beiden Smartphones in den Wasch- und Spülraum und verbrachte dort mindesten 20 Minuten wartend bei den Geräten neben einer Steckdose. Was für eine blöde Situation! Die hätten doch z.B. so ein Laderegal mit Schließfächern aufstellen können, wie man es manchmal in Städten oder bei Geschäften findet. Es wäre ja ok dafür zu zahlen, aber diese Warterei im Waschhaus war total blöd. Man konnte noch nicht mal duschen oder auf Toilette gehen, weil man dann die Geräte nicht im Blick hatte. Stefan kochte derweil und wir setzten uns vorne unter das Pavillondach zum Essen. Der Imbiss hatte sowieso an dem Tag geschlossen, also konnte keiner meckern. Während des Essens deutete sich schon ein Wetterwechsel an und es begann heftig zu regnen. Ich verzog mich wieder in den Waschraum , weil es dort wärmer war und ich weiter Strom nutzen konnte. Stefan harrte unter dem Pavillondach aus. Wir hofften und warteten auf ein Regenende oder wenigstens eine Pause, sonst hätten wir uns auswringen können wenn wir beim Zelt ankamen. Hoffentlich würde es morgen früh nicht beim Abbau regnen. Das wäre ein Supergau, denn noch war keine feste Unterkunft in Sicht. Erst hatten wir noch zwei weitere Nächte in Amiens im Zelt vor uns. Dort sollte es aber laut Webseite einen Aufenthaltsraum geben. Wir würden sehen.
Die Nacht war Horror pur. Zum Glück hatte es nicht die Nacht hindurch gewittert, sonst wäre ich wohl im Waschhäuschen angewachsen. Ich hätte mich nicht ins Zelt getraut, denn es krachte ordentlich und wir konnten in unserem Zelt keine der Regeln befolgen, die wir für Gewitter im Zelt im Internet fanden. Wir konnten definitiv nicht nebeneinander hocken mit geschlossenen Füßen ohne uns zu berühren! Wir stießen ja schon ans Dach, wenn wir mit angezogenen Beinen auf der Luftmatratze und die Daunenschlafsäcke auf uns lagen! Es wäre also von all den Ratschlägen nur der vernünftigste übriggeblieben, nämlich in einem festen Gebäude Schutz zu suchen. Das wäre das Wasch-/Toilettenhaus gewesen. Dann hätte uns auch von oben kein Ast treffen und auch keine reißende, plötzlich sich bildende Überschwemmung wegspülen können. Da es aber aufhörte zu gewittern und „nur“ noch goss, rannte ich bei einer schwächer werdenden Phase zurück zum Zelt. Nun lagen wir möglichst platt auf unseren Matten und versuchten zu schlafen. Mitten in der Nacht musste ich so dringend auf Toilette, dass ich mit mir kämpfte, ob ich in eine unserer Plastikdosen pinkeln oder es wagen sollte, klitschnass und dreckig zurück ins Zelt zu kommen. Letztendlich meisterte ich es ganz gut mit Schirm, konnte dann aber stundenlang nicht einschlafen. Völlig übermüdet begannen wir am Morgen schon vor 7 Uhr zusammenzupacken. Da das im engen und nassen Zelt unmöglich zu zweit ging, packte ich alles Mögliche in meinen Rucksack und lief mit Schirm zum Waschhaus. Stefan packte den Rest und brachte mir etappenweise Sachen. Er hatte seinen Regenponcho an und baute dann zuletzt auch noch das Zelt ab. Alles was klatschnass war, mussten wir außen an den Rucksäcken befestigen. Ich hatte außer meiner Regenjacke, die ich um meinen Schlafsack wickelte, damit er noch geschützter war, noch einen 1€ Poncho mit, und der passte auch über meinen Rucksack. Wir gingen eigentlich viel zu früh los zum Bahnhof, aber es war mal einigermaßen trocken und wir brauchten nicht zu hetzen. Unser TER 17756 war wieder eine heruntergekommene Plüschschaukel mit Abteilen und Gardinen, dafür keinen Strom. Wir waren zu fünft im Abteil, also war 3 Stunden Maskentragen nötig bis Paris Bercy. Es war nicht verpflichtend, aber wir wollten nicht riskieren, unseren Interrailtrip wegen Corona abbrechen zu müssen. Dann fand der blödsinnige Bahnhofswechsel statt. Wir hatten gut eine Stunde Zeit für den Umstieg und mussten mit zwei Metros zum Gare du Nord am anderen Ende der Stadt. Dieses Procedere wäre uns auch nicht erspart geblieben, hätten wir den teureren und schnelleren TGV genommen. Wir standen erstmal in langen Schlangen vor Ticketautomaten bzw. einem Schalter, um Fahrscheine für die Metro zu kaufen, die nicht vom Interrailticket abgedeckt wurde. Wir fanden recht schnell die richtigen zwei Züge, die immer schon einfuhren als wir kamen. In Gare du Nord angekommen folgten wir den Piktogrammen für Züge, gingen durch die Metroschranke, und…saßen fest! Wir sahen hinter den automatischen Ticketschranken Züge auf den Gleisen stehen, kamen aber nicht dorthin, weil wir anscheinend einen falschen Ausgang mit unseren Metrotickets genommen hatten und sie nun nicht mehr funktionierten. Die Zeit wurde knapp, wir fuhren Rolltreppe auf und ab, aber wir waren gefangen. Wir suchten Personal, aber der Infoschalter war nicht besetzt. Nach einiger Suche sahen wir vier SNCF Mitarbeiter zusammenstehen und quatschen. Wir fragten, schon merklich genervt, wie wir nun zu unserem Zug kämen. Man wies uns auf eine Aufzug hin. Im zweiten Untergeschoss wäre ein Schalter besetzt, und man könne uns durchlassen. Wir liefen zum Aufzug, aber er war außer Betrieb. Jetzt waren wir echt sauer und bestanden bei den 4 Mitarbeiter*innen mit der super Servicehaltung darauf, uns zu begleiten, damit wir schnellstens zu unserm Zug kämen. Genervt brachte uns eine zu einem anderen Aufzug, und wir wurden aus dem Gewirr der Schranken entlassen. Nun mussten wir unseren Zug finden. Wir orientierten uns auf der elektronischen Anzeige an der Abfahrtszeit, da wir den Endbahnhof unseres Zuges nicht wussten. Der Zug, den wir fanden, war aber ein Vorortzug und wir mussten zu den Gleisen für Fernzüge. Endlich erklärte uns mal ein Schaffner, wie wir dorthin kämen und dass der Endbahnhof unseres Zuges Calais wäre. Wir schafften es gerade noch pünktlich und fanden gute Plätze mit Tisch in einem modernen Großraumabteil des TER 16368 in der zweiten Klasse, da er keine erste Klasse führte. Wir fuhren angenehm bis Amiens. Laut Internet sollte die Stadt nett sein, ein weiterer Grund, sie zu wählen, war für mich jedoch, dass sie ohne TGV in erträglicher Zeit erreichbar und es von hier nur noch eine kurze Fahrt nach Boulogne Sur Mer war, wo wir uns am übernächsten Tag mit unseren amerikanischen Freunden Luis und Janine treffen und sie mit fertigem Abendessen begrüßen wollten und natürlich, dass es einen bezahlbaren und mit dem Bus vom Bahnhof erreichbaren Campingplatz gab. Letzteres erwies sich dann als nur zum Teil richtig: die Busse fuhren, aber nicht am Sonntag! Da es keinen Sinn machte, bei der Unterkunft zu sparen und dann mit dem Taxi hinzufahren, mussten wir also die gut 5 km mit unserem Gepäck zu Fuß hinter uns bringen. Stefan nahm mir noch etwas Gewicht ab, aber ich war danach dennoch kaputt. Meine Knie mochten es gar nicht, wenn sie außer mich auch noch Gepäck zu schleppen hatten, besonders nicht, wenn sie tags zuvor viele Kilometer gelaufen waren und ich außerdem auch ziemlich übermüdet war. Zum Glück war das Wetter hier bisher gut und wir hatten einen schönen Wiesenplatz nahe der Rezeption. Hier gab es auch Tische und Bänke draußen und einen tollen Aufenthaltsraum mit Heizung, Fernseher und Mikrowelle, der Tag und Nacht geöffnet war. So etwas hätten wir die Nacht zuvor gebraucht! Amiens hatte uns auf den ersten Blick nicht so sehr gefallen, aber der Weg zum Campingplatz ging immer an einem Fluss entlang, an Gemeinschaftsgärten und einem Grüngebiet vorbei, also einer guten Joggingstrecke für Stefan.
Montag, 27.6.22 Amiens
Ich musste meine Meinung über Amiens revidieren. Die Stadt hatte eine sehr beeindruckende Kathedrale, die natürlich auch wieder Notre Dame hieß und Straßenzüge in der Innenstadt, die an Amsterdam erinnerten. Es floss die Somme durch die Stadt und bildete Verästelungen, an denen nette fotogene Häuschen standen und Bars und Restaurants, die zum Verweilen einluden. Stefan hatte diese Ecke bereits am Morgen beim Joggen entdeckt. Nach einem ausgiebigen Frühstück und noch etwas Relaxen mit Spanisch lernen in unserem tollen Aufenthaltsraum mit Wasserkocher, Herd etc. und richtigem Tisch, machten wir uns gemeinsam mit dem Bus auf den Weg ins Zentrum. Es war zwar bequemer zu fahren, aber für die ca. 5km in die Innenstadt benötigte der Bus 50 Minuten. Das hätten wir zu Fuß fast gleichschnell geschafft. Kurz nachdem wir ausgestiegen, aber noch nicht bei der Kathedrale waren, verwandelte sich die Sonne in einen heftigen Regenguss. Eigentlich waren wir extra spät losgefahren, weil ab Mittag kein Regen mehr angesagt war, aber das wusste der Himmel wohl nicht. Wir quetschten uns zwar in einen Hauseingang, aber unsere komplette Vorderseite wurde bis auf die Haut nass. Als der Regen nachließ, rannten wir zur Kathedrale. Da war es trocken, aber uns war kalt in den nassen Klamotten. Wir begaben uns in der Hoffnung auf Händetrockner in die Toiletten der Touristinfo. Leider gab es dort nur Papierhandtücher, aber die taten auch ihren Dienst. Nach einigem Abreiben und noch etwas Sonne draußen war unsere Outdoor-Kleidung wieder trocken, das war schon wirklich super gut. Wir schlenderten durch die hübschen Gassen und begaben uns auf die Suche nach etwas zu essen. Nach dem Essen suchten wir die Bushaltestelle für den Bus zurück, fanden aber dann heraus, dass wir auch zwei Stationen mit einem Zug fahren konnten und dann 2 km zurücklaufen zum Campingplatz. Das dauerte auch nicht länger als mit dem Bus, und mit dem Zug konnten wir kostenlos fahren. Inzwischen hatten wir schönsten Sonnenschein und so genossen wir den Abend auf der Terrasse des Campingplatzes. Wir freuten uns darauf, am kommenden Tag nach Boulogne Sur Mer zu fahren und endlich unsere Freunde wiederzusehen. Für eine Woche im Apartment zu wohnen, war ebenfalls eine schöne Aussicht, obwohl wir die letzte Nacht in unserem Zelt geschlafen hatten wie die Murmeltiere. Nach der durchwachten Nacht davor war das aber auch kein Wunder.