Interrail IV 2023

Unsere zweite, gemeinsame, dreimonatige Interrailreise starteten wir mit einem Servasbesuch in Salzburg. Wir fuhren daher von Stefans Mutter in Zorneding aus mit dem Bayernticket nach Salzburg, um unser Interrailticket noch zwei Tage länger nutzen zu können und die Outboundfahrt aufzusparen. Man darf bei Interrail nur einmal in Deutschland fahren, um das Land zu verlassen, und einmal, um wieder nach Hause zu kommen. Darüber hinaus ist es nur in den meisten Ländern des europäischen Auslands gültig.

Mittwoch, 22.3.23 Salzburg/ Österreich
Wir kamen gut in Salzburg an und hatten eine nette Servas Gastgeberin, mit der wir uns bis spät abends interessant über Politik, Reisen, Gendern, Coronagegner und Impfschäden ausgetauscht. Sie Sie war leider ein Opfer davon, allerdings bereits vor der Coronaimpfung. Sie bot uns an, falls wir auf unserem Rückweg nochmals durch Salzburg führen, wieder zu ihr zu kommen. Wir scheinen ja ganz angenehme Gäste zu sein, was uns freut
Ich hatte jedoch ein großes Problem seit wir in Österreich waren, ich kam nicht mehr ins Netz mit meinem Handy, obwohl Roaming eingeschaltet und es auch in meinem Vertrag enthalten war. Weder mobile Daten noch Telefon griffen auf das österreichische Netz zu, d.h. wir mussten am nächsten Morgen versuchen, bei einem Telefonladen Hilfe zu bekommen und ggf nochmal über die Grenze fahren, um einen Freenetladen zu finden. Nur mit WLAN war es zu kompliziert, per Interrail unterwegs sein.

Donnerstag, 23.3.23 Salzburg
Gerettet! Beim zweiten Telefonladen konnte man mir helfen. Es war aber auch äußerst dubios: meine Sim- Karte funktionierte in Stefans Handy und meine in seinem, in meinem war sie jedoch tot! Die Mitarbeiterin hat irgendwas auf ihrem Laptop eingetippt, bei mir erschien, dass ich meine Netzwerkeinstellungen zurücksetzen und neu starten sollte und dann war ich drin. Gott sei Dank, denn mit meinem Interrailpass auf dem Handy hätte ich bei den sporadischen W-Lan Verbindungen ein echtes Problem bekommen.
Nachdem das Problem gelöst war, machten wir uns auf den Weg durch die Stadt über die Imbergstiege auf den Kapuzinerberg. Es waren einige Stufen zu erklimmen, aber wir kamen über den „Stefan Zweig Weg“ zu einigen Aussichtspunkten, von wo wir einen schönen Blick auf Salzburg mit seinen vielen ansehnlichen Kirchtürmen und Schlössern genießen konnten. Bei 20?C und Sonne fragten wir uns nicht zum ersten Mal seit unserer Abfahrt aus Bad Harzburg, warum wir eigentlich überhaupt warme Sachen eingepackt hatten. Vielleicht würden wir den Grund ja am kommenden Wochenende wissen, wenn es nochmal kalt werden sollte. Ich hätte es schon nett gefunden, wenn sich meine jährliche Prophezeiung, dass es an meinem Geburtstag immer schneit, nicht erfüllen würde.

Freitag, 24.3.23 Fahrt über Attlang- Puchheim, Hallstatt Bahnhof, Stainach-Irdning nach Graz

Heute war unser erster richtiger Interrailtag, d.h. heute aktivierten wir unseren zweiten 1. Klasse – Interrailpass, den wir im Vorjahr für den halben Preis zum 50-jährigen Interrailgeburtstag erworben hatten. Wir fuhren eine schöne Strecke entlang an Seen und hohen Bergen nach Graz. Vor der Fahrt genossen wir den Luxus der First Class Lounge mit heißem Kakao und Snack. Im ersten Zug wurde uns klargemacht, dass wir mit der West-Bahn, die privat ist, mit unserem 1. Klasse Ticket nur in der zweiten fahren dürften. Die sah aber nicht viel anders aus, außer dass es dort kein kostenloses Wasser zu trinken gab. In Hallstatt fuhren wir nicht wie geplant mit der Fähre zum Ort über den Hallstätter See, wie eine ganze Anzahl vornehmlich asiatischer Touristen, sondern wanderten entlang des Sees bis zum nächsten Bahnhof in Obertraun, was wir ganz nett und vor allem sicherer fanden, um unseren weiteren Zug zu bekommen. In Obertraun begaben wir uns in einen sogenannten Supermarkt. Die Regale waren größtenteils nahezu leer, dafür waren die Preise einfach unglaublich. Ein normales Fladenbrot für ca. 5€, ein anderes kleines Brot 6€, kleine Limo ca. 2,5€ etc. Die Preise übertrafen noch locker japanische. Wir haben uns daraufhin ein 500 ml Glas Apfelmus für 2,30€ gemeinsam geleistet. Auf dem Weg zum Bahnhof fing es an zu regnen, also hatten die Rucksackhüllen heute bereits ihren ersten Einsatz. Das letzte Wegstück durften wir komfortabel in der 1. Klasse eines Eurocitys nach Graz verbringen. Unterwegs fuhren wir durch einen wunderschönen und riesigen Regenbogen, der linkerhand in den Bergen begann und rechterhand endete. In Graz fanden wir ohne Probleme unser Appartement und kauften noch beim Billa für das Abendessen ein. Man musste teuflisch aufpassen mit den Preisen. Die, die am Regal waren, stimmten fast nie mit denen auf der Verpackung überein. Am Vortag z.B. stand am Regal für eine Packung mit zwei Teilchen 3,20€, nachher stellte sich raus, dass das der Stückpreis für eines ist. Man konnte aber nur zwei zusammen kaufen! Sehr verwirrend und ärgerlich, was auch unsere Gastgeberin schon festgestellt hatte

Samstag, 25.3.23 Graz

Heute erkundeten wir Graz zu Fuß und kamen natürlich wieder nicht an Second Hand Läden vorbei, ohne etwas zu kaufen. Wir wurden jeder um ein dünnes Shirt und eine leichte kurze Hose reicher. So durfte es natürlich nicht weitergehen, sonst kämen wir in drei Monaten wie Packesel nach Hause.
Wir gingen auf Entdeckungstour durch die Altstadt, fanden ein nettes Restaurant für das Abendessen am kommenden Tag, um meinen Geburtstag würdig abschließen zu können und buchten gleich Plätze Dann wanderten wir auf den Schlossberg und bestaunten „Kunst in der Landschaft“ beim Joanneumsviertel. Insgesamt wanderten wir um die 12 km und hatten bis auf ganz wenige Tropfen den ganzen Tag schönes Wetter.

Sonntag, 26.3.23 Mein 61.Geburtstag
Der Tag begann etwas durchwachsen. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof, um unsere Semmering Tour zu unternehmen. Als wir ankamen, hatte unser erster Zug bereits gut 30 Minuten Verspätung. War das schon ein Vorbote des Streiks in Deutschland? Wie auch immer, wir wagten es nicht, eine spätere Variante zu wählen, da wir befürchteten, abends nicht mehr oder zumindest nicht mehr früh genug für unseren Restaurantbesuch wieder in Graz zu sein. Die Umsteigezeiten waren zu knapp, nicht viele Züge am Sonntag unterwegs, es war zu gewagt. Schnell planten wir um und wählten unser alternatives Tagesprogramm: wir fuhren mit der Straßenbahn in Richtung Rettenbachklamm. Wir wanderten durch die unspektakuläre aber ganz nette kleine Klamm und da das nach einer guten 1/2 Std erledigt war, folgten wir dem Wanderweg zur Stephanienwarte. Unterwegs haderte ich etwas mit unserer Entscheidung, weil es nur noch bergauf ging, aber der Blick von oben über Graz bis zu den schneebedeckten Bergen war die Belohnung. Wir entschieden uns, Richtung Botanischem Garten abzusteigen und uns dort noch umzugucken. Als wir nach ein paar steilen Kilometern bergab dort ankamen, hatten die Gewächshäuser gerade geschlossen. Da uns das Außengelände nicht sehr attraktiv erschien, machten wir uns auf die Suche nach einem Café, einem von mir gewählten „must do“ an meinem Geburtstag. Auch wenn laut Internet angeblich fast alle Cafés in der Umgebung geschlossen hatten, fanden wir im Univiertel recht schnell eines und ließen uns Kuchen und einen „Gestreckten“ bei gutem Wetter draußen schmecken. Ein Gestreckter ist ein verdünnter Espresso, den wir uns noch ein weiteres Mal verdünnen ließen, weil er so stark war. Danach begaben wir uns zu einer ausgedehnten Pause in unser Apartment. Wir hatten immerhin seit morgens ca. 13 km hinter uns gebracht.
Als wir uns abends dann auf den Weg zum asiatischen Restaurant Koko machten, begann es zu regnen und meine feine neue Regenjacke kam in Einsatz. Das „All you can eat“ Royal Buffet, war seinen Namen und Preis wert. Sushi, asiatische Suppen und Gemüse, Fisch, Garnelen, Salate und eine große Auswahl an Desserts boten für jeden von uns etwas und wir kamen satt und zufrieden wieder nach Hause. Bald war nun mein Geburtstag schon wieder vorbei, da man mir unfairer Weise mal wieder eine Stunde durch die Umstellung auf Sommerzeit klaute. Am kommenden Tag sollte unsere Reise weiter nach Maribor in Slowenien gehen.

Montag, 27.3.23 Maribor/ Slowenien
Wir erreichten unser nächstes Ziel und damit auch Land, wir waren in Maribor in Slowenien. Auf unserer Wohnmobiltour nach Albanien hatten wir hier zwar schon Mal einen Zwischenstopp eingelegt, aber waren damals nur an der Drau entlang gewandert und hatten etwas gegessen. Nun bezogen wir ein nettes Zimmer mit Küchenzeile und Bad mitten in der Fußgängerzone und durchschlenderten zu Fuß die Altstadt mit Theater, Uni und anderen historischen Gebäuden. Der osteuropäische Einschlag war sowohl sprachlich als auch bei den Gebäuden deutlich zu bemerken. Es gab mehr Verfall als in Österreich, dafür hatten wir dort, besonders in Salzburg, erschreckend viele bettelnde Obdachlose überall in der Innenstadt gesehen. Die Preise für Lebensmittel bzw. in Cafés waren hier fast ebenso hoch wie in Österreich, nur Kaffee war ab 1,70€ zu bekommen, der in Österreich mindestens 3,50€ kostete. Bei Torte oder Teilchen schlugen sie in beiden Ländern ordentlich zu, unter 4€ war kaum was zu bekommen. Für unsere Unterkunft zahlten wir aber deutlich weniger als in Graz, sie war allerdings auch kleiner.

Dienstag, 28.3.23 Maribor
Am Morgen wachten wir bei sonnigem, aber kalten Wetter auf. In der Sonne konnte man es bei ca. 6-8? gut aushalten, aber sobald es etwas windig wurde, zog die Kälte durch alle Ritzen der Kleidung. Wir nutzten das gute Wetter für eine Wanderung durch den sogenannten Stadtpark, der aber riesig und mit einem Wanderweg durchzogen war. Vorbei an einem See und einem Springbrunnen ging es bergauf durch Wald zur Kalvarija Kirche. Sie wurde nach der Pest den Schutzheiligen gebaut aus Dank, verschont geblieben zu sein und dass das Leiden ein Ende gefunden hatte. Von der Kirche aus hatten wir einen herrlichen Blick über Maribor, die Weinberge ringsum und bis zu den schneebedeckten Spitzen der Alpen. Wir wanderten bergab zum Ort Kamnica und weiter zur Drau, dem Fluss durch Maribor. Den Weg entlang der Drau waren wir bereits 2018 gewandert, als wir mit dem Wohnmobil nach Albanien unterwegs waren. Wir fanden dasselbe Restaurant wieder, das Gasthaus Koblarjev, in dem wir damals gut gegessen hatten und genossen fantastische Palatschinken dort. Das tolle bei diesem Restaurant war, dass man dort mit Womit kostenlos übernachten konnte, es Strom und Wasser gab und man nur angehalten wurde, etwas dort zu verzehren. Dieses Mal brauchten wir den Womiplatz nicht, aber das gute Essen haben wir uns trotzdem erlaubt. Gestärkt wanderten wir zurück nach Maribor zu unserer Unterkunft und machten es uns gemütlich. Wir stellten fest, dass wir fast einen Tag zu früh am kommenden Morgen abgereist wären, man, waren wir trottelig …oder doch schon alt???

Mittwoch, 29.3.23 Ausflug Semmering von Maribor

Wir nahmen es doch noch in Angriff, mit der Semmeringbahn zu fahren. Die als Welterbe anerkannte Strecke ist Teil der Verbindung Wien – Adria und führt über den Semmering Pass. Am Morgen war es in Maribor recht kalt und nebelig, aber trocken. In Österreich schneite es auf der Südseite der Alpen, während auf der Nordseite keinerlei Schnee mehr zu sehen war. Die Strecke von Muerzuschlag nach Payerbach -Reichenau über Semmering war schön, aber bei weitem nicht so spektakulär wie unsere Touren in der Schweiz oder im schottischen Hochland im Jahr zuvor. Ich muss natürlich zugeben, dass vor allem in der Schweiz das Wetter viel besser mitgespielt hat. Wenn alles grau in grau ist, sehen Berge und Täler eben nicht so toll aus, aber die Architektur der Strecke mit Brücken und Tunneln war in der Schweiz deutlich spektakulärer. Weil das Wetter nicht doll war und wir, als wir in Payerbach -Reichenau ankamen, den Semmering Pass bereits hinter uns hatten, fuhren wir das letzte Stück über Gloggnitz nach Wien-Neustadt nicht mehr, sondern auf demselben Weg zurück, wie wir gekommen waren. In Graz erfreuten wir uns beim Umstieg noch für ein halbes Stündchen an den Annehmlichkeiten der Lounge und erreichten am frühen Abend wieder Maribor. Hier schien inzwischen wieder die Sonne und es war viel wärmer geworden. Stefan wollte noch zur Piramida, einer weiteren Kapelle in dem Stadtpark, in dem wir Vortags schon waren. Ich hatte nicht recht Lust, wollte aber auch nichts verpassen. Ich hatte gehofft, dass sie nicht so hoch gelegen sein würde, obwohl ich wusste, dass es auch ein Aussichtspunkt ist. Auf den letzten Metern habe ich aufgegeben. Es wurde mir einfach zu steil und meine Knie taten mir schon bei dem Gedanken weh, dort wieder runter laufen zu müssen, also setzte ich mich schnaufend auf die Bank im Weinberg und ließ Stefan die letzten 200 m alleine hochkraxeln. Als er wieder da war, gingen wir über einen viel flacheren Weg als beim Aufstieg durch den Wald zurück zu unserem Apartment. Es hatte eine wirklich ideale Lage mitten in der Fußgängerzone. Stefan kaufte noch ein paar Lebensmittel fürs Abendessen und die morgige Fahrt nach Rijeka und wir genossen unsere Spaghetti und hörten dabei ein Hörspiel.

Donnerstag, 30.3.23 Rijeka/Kroatien
Den Tag verbrachten wir zwischen ca. 11:30 Uhr – ca. 18:30 Uhr in zwei Zügen, die uns einmal fast quer durch Slowenien bis nach Rijeka in Kroatien ans Mittelmeer brachten. Am einzigen Umsteigebahnhof in Plivka, kurz vor der Grenze, fing es an zu regnen. Wir wollten dennoch nicht eine ganze Stunde in dem langweiligen Bahnhof sitzen und gingen Richtung Ort, der aber nicht minder öde erschien. Es sollte hier wohl irgendwo interessante Höhlen geben, aber das half uns nun auch nicht weiter. Unser zweiter Zug hatte in der 1. Klasse 6 er Abteile mit gemütlichen Stoffsitzen, wie man es eigentlich nur noch selten findet. In so einem Abteil würden wir es auch mal eine Nacht aushalten, vorausgesetzt wir hätten es für uns alleine. Man wusste aber nie, welche Art Zug man zu erwarten hatte und schon gar nicht, wie voll er würde.
Wir kamen gegen 19:00 Uhr bei unserer Ferienwohnung an. Sie war groß, hatte Schlaf-, Wohnzimmer, Küche und Bad und sogar einen kleinen Balkon. Wir wollten hier eine Woche bleiben und das konnten wir uns gut vorstellen. Nur die Lage war nicht so zentral, wie es auf den ersten Blick schien, aber wir planten auch, uns für 4 Tage ein Auto zu mieten, um auf die Insel Krk und in die Umgebung zu kommen, da machte das dann nicht so viel aus.

Freitag, 31.3.2023 Rijeka
Das schöne Wetter hatte uns verlassen. Wir liefen dennoch eine Runde zu Fuß durch die Innenstadt, bis zu der es schon allein 2 km zu laufen war. Sah es erst so aus, als würde das Wetter noch etwas halten, begann es ein paar Meter nach der Haustür bereits zu regnen. Bestückt mit Regenjacke und Schirm boten wir dem Regen Paroli. Die Strecke bis zur Altstadt ging an einer Hauptverkehrsstraße vorbei, was dem Eindruck der Stadt nicht gerade zum Guten verholfen hat. Rijeka war eine typische Hafenstadt, in der wir bisher nur in der Altstadt mit Fußgängerzone ein paar prächtige Gebäude und einen Markt gesehen hatten. Es gab haufenweise verfallene Gebäude unterwegs. Im Yachthafen lagen die größten und protzigsten Yachten, die ich je gesehen habe. Sie waren gleich mehrstöckig und gehörten Deutschen, Maltesern und irgendeinem Besitzer eines Commonwealth Landes. Ich habe mich gefragt, wie oft die wirklich aufs offene Meer hinaus fahren. Wahrscheinlich werden sie nur von Bediensteten in Schuss gehalten, um auf der nächsten Party des Besitzers zu strahlen und zum Bestaunen durch Vorbeigehende wie wir. Wir wollten eigentlich beim Bahnhof noch eine Reservierung für unsere übernächste geplante Zugfahrt nach Sibelnik am 8.4. machen, aber die Frau am Schalter verstand uns nicht richtig. Sie berichtete uns mit Händen und Füßen von Zügen, die nicht führen, aber auf der aktuellen Seite der Bahngesellschaft gab es unsere Verbindung, also waren wir noch guter Hoffnung, dass alles klappte. Wäre doof gewesen, wenn nicht, denn wir hatten schon Unterkünfte gebucht, weil wir Angst vor Engpässen über Ostern hatten. Nachdem wir uns ein leckeres Langos geteilt hatten, stiefelten wir im Regen wieder unseren Hügel zur Unterkunft hoch und machten einen faulen Tag Zuhause. Wenn alles grau in grau ist, hat auch das Mittelmeer keine Anziehungskraft, aber Rijeka hatte ja noch die Chance, uns in den nächsten Tagen noch positiv zu überraschen. Für den nächsten Tag planten wir einen Kurztrip mit dem Zug nach Matuli, ca. 15 Min Zugfahrt nördlich an der Küste entlang. Es sollte tagsüber für ein paar Stunden aufklaren, also hofften wir das Beste.

Samstag, 1.4.23 Rijeka – Ausflug Opatja
Wieviel schöner kann die Welt sein, wenn die Sonne scheint? ?? An diesem Morgen erwachten wir bei tollem Wetter, nachdem es die letzte Nacht gewittert hatte. Genau dieses Wetter hatten wir uns für unseren Ausflug gewünscht. Wir fuhren eine Viertelstunde mit dem Zug entlang der Küste nach Norden zum Bahnhof Matuli. Ein hübsches Bahnhofsgebäude erwartete uns und besonders rundherum sah es wirklich nett aus. Ein kleiner Garten, wie man sich ein Bahnwärtergärtchen vorstellen kann, an dem entlang ein Fußweg Richtung Ort führte. Wir gingen immer bergab Richtung Meer und mir wurde es schon heiß und kalt bei dem Gedanken, dass ich abends die 19% Steigung, die ich gerade als Gefälle hinunterlief, wieder hoch musste. Am Wasser angelangt, genossen wir den herrlichen Blick über die Bucht bei einer Tasse Kaffee, bevor wir den wunderschönen Promenadenweg entlang des Wassers nach Opatja wanderten. Er ist mit dicken Steinen gepflastert und es befanden sich die schönsten Villen und Hotels entlang des Weges. Hier herrschte kein Verfall, sondern liebevoll gepflegte Pracht. Bereits im 19. Jahrhundert war die Kvarner Bucht bereits ein Ziel für Badegäste. Unterwegs klärte ein Schild über “ Drazica“ die kleine Meeresbucht von Draga, über eine der ersten Süßwasserquellen Opatjas, die ins Meer fließt, auf. Hier baute man einen überdachten Waschzuber, wo die Wäscherinnen, die „Lavanderke“ mühevoll die Wäsche anderer Leute wuschen und als Zubrot morgens um vier mit ihren „Brenten“, Holzgefäßen, die sie auf dem Rücken trugen, Wasser in die nahegelegene Badeanstalt für die Fässer der Duschen trugen. Welch eine Knochenarbeit!
In Opatja aßen wir je ein Sandwich in einem der wenigen bezahlbaren Restaurants. Die Preise begannen ansonsten bei ca. 14€ für einen Appetizer in der Gastronomie entlang der Küste. Auf demselben netten Weg, auf dem wir gekommen waren, wanderten wir auch wieder zurück zum Bahnhof. Unterwegs fing es leider kurz vorm Ziel wieder an zu regnen, aber wir schafften es mit Regenjacken gerade noch einigermaßen trocken in die Bahnhofsgaststätte zu gelangen, wo wir unsere Wartezeit bis zur Abfahrt verbrachten. Als der Zug kam, war es schon wieder trocken und schönstes Licht. Insgesamt hatte ich abends auf meinem persönlichen Tacho 24570 Schritte. Die Wanderung schlug allein mit 12,2 km und 220 Höhenmetern zu Buche, hinzu kamen die ca. 3 km Weg zum und vom Bahnhof Rijeka zur Unterkunft. Es war ein wunderschöner Ausflug, der den Regentag zuvor wieder wett machte.
Sonntag, 2.4.2023 Rijeka – Ausflug zur Insel Krk
Heute waren wir zur Abwechslung mal auf 4 Rädern unterwegs. Wir hatten ein Auto gemietet, das Stefan am Morgen abgeholt hatte. Bei schönem Wetter machten wir uns auf den Weg zur Insel Krk. Unterwegs begann es zu tröpfeln, aber als wir unser erstes Ziel, den Ort Omišali erreichten, war es bereits wieder trocken. Der Ort begrüßte uns mit einem Park mit Denkmal, was laut Internet den Antifaschistischen Kämpfern des Ortes gewidmet war. Der Ort selber war klein, aber fein, mit netten engen Gässchen, hübschen Häusern mit bunten Fensterläden, einem Glockenturm und gemütlichen Plätzen.
Unser nächster Stopp war Uvala ?avlena, ein wunderschöner Naturstrand mit kleiner Hütte, die wohl Anglern gehörte und Tischen und Bänken unter Bäumen zur Rast. Um hierhin zu kommen, mussten wir ein Stück von der Hauptstraße abbiegen und über eine Schotterstraße zur Küste fahren. Von hier aus ging es weiter zum Hauptort der Insel Krk mit gleichem Namen. Wie auch in Omišali stellte man das Auto vor der Altstadt ab und schlenderte dann, vorbei am kleinen Hafen, durch die mittelalterlichen Gassen. Hier war schon einiges an Besuchern unterwegs, was aber an einem Sonntag mit inzwischen sonnig-warmem Wetter auch nicht verwunderlich erschien. Die Stadt selber erschien gerade erst aus dem Winterschlaf zu erwachen. Längst noch nicht alle Restaurants, Unterkünfte und Souvenirläden hatten geöffnet, manche Besitzer konnte man beim Frühjahrsputz beobachten und sich vorstellen, dass zu Ostern, in einer Woche, hier sicher viel mehr Trubel sein würde. Die Altstadt war sehr hübsch, hatte auch ein Kastel und ebenfalls viele kleine Gassen. Uns trieb aber der Hunger und die Restaurantpreise waren uns zu hoch, also kauften wir uns bei Lidl etwas für ein Picknick, das wir an einer netten Bucht mit Strandbad und Restauration, die aber noch nicht geöffnet hatte, verzehrten. Wir konnten problemlos die Bänke und Tische im Schatten der Pinien nutzen. Auf der Weiterfahrt wurde es gebirgig und an der Straße standen sogar Schilder mit Schneeketten. Die brauchten wir zum Glück nicht, aber in der Ferne konnten wir noch Bergspitzen mit Schneeresten entdecken. Von einer Kirche mit Friedhof aus, neben der Ruine des Kastels Baska, hatten wir einen traumhaften Blick über die blauen Buchten zu den Inseln und Bergen auf dem Festland. Es war atemberaubend! Auf dem Weg dorthin lernten wir am Straßenrand den ersten Buchstaben des glagolitischen, des ältesten slawischen Alphabets, das A. Unterwegs begegneten uns noch weitere Buchstaben dieser Schrift aus Stein gehauen am Wegesrand. Letzter Stopp der Inselrundfahrt war in Vrbnik. Der kleine Ort gefiel uns fast noch besser als Krk. Es gab die schmalste „Straße“der Welt mit gerade mal 45cm zu sehen, viele kleine Gassen und tolle Ausblicke. Mir hat der Süd-östliche Teil der Insel aufgrund seiner Berge und phänomenaler Ausblicke besser gefallen als der Nord-Westen.
Der Ausflug war super schön und hat sich gelohnt, was wir auch dem Wetter zu verdanken hatten, das zwar zwischenzeitlich schwächelte, aber immer, wenn wir ausstiegen, wieder gut wurde.

Montag, 3.4.2023 Rijeka – Ausflug Nationalpark Risnjak
Auch heute machten wir einen Ausflug mit dem Mietwagen. Wir fuhren zum Nationalpark Risnjak. Der Nationalpark ist eine natürliche Verbindung zwischen den Alpen und dem Balkangebirge und eine Wetterscheide zwischen der kroatischen Küste und dem Inland. Letztere haben wir heute deutlich gemerkt. Auf der Küstenseite schien die Sonne, aber es war starker Wind, als wir über den Scheitel waren, wurde es bewölkt, aber es war fast windstill. Die Temperaturen waren bereits morgens in Rijeka ziemlich niedrig, so um die 8? und sie fielen im Nationalpark nochmals um ca. 5?. Der Name Risnjak bezieht sich auf einen Bewohner des Parks, nämlich den Luchs (Ris in kroatisch). Außerdem lebten hier Bären, Wölfe, Wildschweine, Gämsen, Hirsche und zahlreiche Vogelarten inkl. Adler. Der mit 1528 m höchste Berg Veliki Risnjak bietet einen Ausblick zum Mittelmeer und auf die Berge Sloweniens, an deren Grenze der Park verläuft. Den Risnjak haben wir natürlich nicht bestiegen, aber wir sind an zwei Stellen gewandert. Als erstes die Wölferunde bei Bela Vodica, bei der wir zwar keine Wölfe gesehen haben, aber viel Wald mit einigem an Windbruch. Die Baumreste, Stümpfe und herumliegenden Äste waren alle schon mit Moosen und Farnen bewachsen und begrünt und boten Lebensraum für Insekten und kleineres Getier. Nach dieser knapp 5 km langen Runde fuhren wir zu einer weiteren Stelle nach Razloge, um zur Quelle Izvor Kupe zu wandern. Da die Straße bereits ca. 2 km vor dem Beginn des eigentlichen Parkplatzes gesperrt war, musste ich lange überlegen, ob ich die Tour wagen sollte. In Rezensionen bei Google wurde immer wieder erwähnt, wie anstrengend und z.T. steil der Weg zur Quelle, aber wie schön es wiederum auch am Ziel sei. Stefan markierte das vermeintliche Ziel bei Komoot und es stellte sich heraus, dass das steilste Stück eigentlich die restliche Straßenstrecke bis zum Beginn des Wanderwegs würde und zwar zuerst bergab und auf dem Rückweg bergauf mit bis zu 14% Steigung. Ich kämpfte mit mir, die türkisblaue Quelle wollte ich schon gerne sehen. Wir wanderten los und die Beschreibung von Komoot und die Wegweiser passten ganz gut, bis wir den Fluss Kupa überquert hatten. Ich hatte zuvor ein Schild 1 Std. bis zur Quelle gesehen, nun waren es ca. 10 Min später plötzlich 1Std.15 und Komoot führte uns in eine andere Richtung als das Schild??. Stefan überprüfte nochmal die Richtung auf Komoot, aber sie schien richtig und wir folgten den Anweisungen ca. weitere 500 m bergauf, bis Stefan plötzlich ins Grübeln kam, ob das Ziel, das er bei Komoot eingegeben hatte, auch wirklich die Quelle war. Es stellte sich heraus, dass dem nicht so war. Ich war nicht gerade begeistert davon, nun auch noch 1 km umsonst gelaufen zu sein bei einer Wanderung, die mich wohl eh an meine Grenzen bringen würde. Wir gingen zurück zum Schild an der Brücke und ich überschlug, was uns an Zeit zum Ziel und zurück zum Auto noch in etwa bevorstand und entschied, dass mir ca. 2,5 bis 3 Std weitere Wanderung mit unabsehbarer Schwierigkeit, da wir Komoot nicht auf die richtige Strecke umstellen konnten, und dem Wissen, dass ich zum Schluss noch die steile Straße gehen musste, zu viel waren. Ich war ziemlich frustriert über meine begrenzte körperliche Verfassung und dass ich mich immer wieder dazu hinreißen ließ, es doch zu probieren und dann scheiterte, wie auch auf Stefan, der nicht aufgepasst hatte, was er bei Komoot eingegeben hatte. Letztlich entschieden wir, dass er zügig alleine zur Quelle gehen und ich mich langsam auf den Rückweg zum Auto machen sollte. Erst unterwegs fiel mir ein, dass es ja Wölfe, Luchse und Braunbären hier gab und ich sogar Essen im Rucksack bei mir hatte. Es schauderte mich etwas, aber wirklich befürchtet habe ich eigentlich keine Begegnung. Wenn, dann hätte ich zum Lebensende noch ein aufregendes Erlebnis zu verzeichnen gehabt, aber wie erwartet passierte nichts. Als ich am Auto ankam, musste ich nur ca. 30 Minuten warten, bis Stefan auch ankam. Auch er hatte es nicht bis zur Quelle geschafft, weil nach ca. 3/4 des Weges die Brücke über die Kupa zusammengebrochen war und es kein Überquerungsmöglichkeit gab. So musste auch er umkehren, ohne das Ziel erreicht zu haben. Die Landschaft mit dem tosenden Fluss und den Bergen und Wäldern war aber auch so sehenswert. Wir machten uns auf den Rückweg zum Appartement und kauften noch etwas zum Essen ein.
Am kommenden Tag stand eine Unterbrechung unserer Reise bevor, weil wir zurück nach München fahren mussten, um unsere Tochter zu einer OP zu begleiten.

Dienstag, 4.4.2023 Rijeka -Zorneding
Die Unterbrechung unserer Interrailtour, um unserer Tochter zur Seite zu stehen, führte Mal wieder zu einem Bahnerlebnis ganz besonderer Güte??. Das frühzeitige Abgeben unseres Mietwagens klappte ohne Probleme und wir genossen noch einmal ein Langos zusammen beim Imbiss, in dem wir zuvor schon einmal waren. Wir waren rechtzeitig beim Bahnhof, um dort gesagt zu bekommen, dass der Zug nach Ljubljana nicht fahren könnte wegen Arbeiten am Schienennetz in Slowenien und deshalb ein Bus als Schienenersatzverkehr eingesetzt würde. Man beruhigte uns bzgl. unserer weiteren Verbindung damit, dass, der Bus schneller als der Zug ankäme, weil er weniger Stopps einlegte. Das erwies sich schnell als großer Blödsinn und noch dazu ließ man uns in Plivka dann doch in den eigentlichen Zug einsteigen, mit ca. 30 Minuten Verspätung. Das Vergnügen der 1 Klasse war auch hier nicht gegeben. Wir erreichten dann doch noch unseren Anschluss in Ljubljana, da der Zug auch zu spät war. Nun hatten wir ein 1.-Klasse Abteil und die Landschaft war nett, bis auf der Strecke kurz vor unserem Ziel Villach plötzlich gar nichts mehr ging. Ein Stromausfall auf der ganzen Strecke – Ende nicht absehbar. Irgendwann setzte der Zug sich dann wieder in Bewegung und kam mit erheblicher Verspätung in Villach an. Es erfolgte keinerlei Durchsage, weder im Zug noch im Bahnhof, welche Anschlüsse nun möglich wären, dabei waren wir bei weitem nicht die Einzigen, die noch bis Deutschland kommen wollten. Im Reisezentrum bemühte sich eine einzelne Mitarbeiterin, die lange Schlange der Hilfesuchenden abzuarbeiten. Wie wir uns schon gedacht hatten, mussten wir statt um 17:08 zu fahren, nun bis 19:16 warten. Unsere Hoffnung auf eine 1.-Klasse Lounge mit gutem Kaffee zerschlug sich schnell, denn im Bahnhof gab es nur ein „Backwerk“, das bereits um 18:00 seine Türen geschlossen hatte und ansonsten außer der Reiseinfo, einem winzigen Warteraum und den Toiletten nur noch eine Zahnklinik statt irgendwelcher Geschäfte. Da das Café gegenüber eher eine Saufkneipe war, holten wir uns kalten Kaffee bei Billa und aßen draußen auf der Bank in der Sonne unsere Brote. Dort wurde es schnell kalt, weil die Temperaturen in den letzten Tagen merklich gefallen waren. Pünktlich ging es weiter nach Salzburg und dieses Mal hatten wir echt Glück, das 1.-Klasse Ticket zu haben, denn in der 2. Klasse standen die Leute schon. Endlich konnten wir auch unsere Handys wieder aufladen und mussten nicht befürchten, irgendwann unsere Tickets nicht mehr vorzeigen zu können. In Salzburg schafften wir es, obwohl wir nur knapp 30 Minuten Umstiegszeit hatten, in der Lounge noch einen heißen Kakao und einen Snack zu genießen. Wieder etwas mit der Welt versöhnt, fuhren wir das letzte Stück nach Grafing und von dort mit der S-Bahn nach Zorneding per Bayern-Ticket in der zweiten Klasse. Unsere zwei Fahrten In-bound/ out- bound Deutschland im Interrail Ticket wollten wir für das kurze Stück Salzburg – Zorneding nicht verschleudern. Gegen 1:00 nachts standen wir endlich bei Stefans Mutter vor der Tür und fielen nur noch todmüde ins Bett.

Samstag, 8.4.23 Zagreb
Nach langer, aber angenehmer Fahrt ab Zorneding erreichten wir gegen 20:45 Zagreb. Ausnahmsweise waren alle Züge pünktlich und es hat sich wirklich gelohnt, ein 1.Klasse Ticket zu haben. Nicht nur, dass wir in unserer Stamm-Lounge in Salzburg unsere Wartezeit sehr angenehm verbringen knnten, wir hatten auch ein gutes 1.Klasse Abteil im EC von Salzburg bis Zagreb, was wir umso mehr schätzten, weil die 2.Klasse überfüllt war. Bei einer Fahrt von 6,5 Std ist das schon sehr schön, einen angenehmen Platz in einem Viererabteil zu dritt zu haben, am Fenster mit Tisch, Strom und verstellbaren Sitzen die Fahrt genießen zu können. In Salzburg kauften wir uns noch schnell ein paar Lebensmittel ein, falls die Kroaten es mit den Feiertagen sehr ernst nehmen würden. In Zagreb fanden wir unser Apartment ohne Probleme in ca. 10 Minuten Fußweg vom Bahnhof, also wirklich in angenehmer Nähe. Es war ein recht kleines Zimmer mit Küchennische, wo wir erstmal lernen mussten, uns nicht auf die Füße zu treten, aber es war ja nur für 2 Nächte.

Sonntag, 9.4.2023 Zagreb
Ostersonntag in Kroatien. Stefan lief heute Morgen seinen monatlichen Halbmarathon, sodass ich genug Zeit hatte, zu duschen und mich bei Duolingo aus der Abstiegszone herauszuarbeiten. Noch hatte ich die Hoffnung auf ein Osterfrühstück, das seinen Namen verdiente, aber Stefans Erkenntnisse nach seiner Joggingtour sprachen dagegen. Es gab keine offenen Geschäfte, noch nicht einmal im Bahnhof, also begnügten wir uns mit Brot, Marmelade, Haferflocken, Preiselbeeren aus dem Glas, Brie und Kaffee. Kein Osterei zum Osterfrühstück ?????. Danach begaben wir uns zum Bahnhof, um endlich unsere Reservierung für unseren Zug am Folgetag um 7:00 zu bekommen. Statt 1€, wie im Interrailticket angegeben, bezahlten wir nichts dafür. Wie sinnlos ist es, dafür jemanden am Schalter sitzen zu lassen? Nun ja, uns sollte recht sein. Danach schlenderten wir durch die Stadt, die viele prachtvolle Gebäude hatte, aber leider auch sehr viele davon eingerüstet, darunter auch die beeindruckende Kathedrale. Auffallend waren die vielen Bronzeskulpturen überall in der Stadt. Außerdem hatte auch Zagreb, wie viele osteuropäische Städte, nette Parks mit Springbrunnen und Blumenschmuck. An diesem Tag waren letztere, wohl aufgrund der Ostertage, besonders nett in Form von Blumenkübeln überall zu bewundern. Das zog auch die Touristen an, um davor für Selfies zu posieren. Zagreb schien ein beliebtes Ziel für Asiaten zu sein, die vielerorts in Grüppchen auftauchten. Den Nachmittag verbrachten wir gemütlich in unserem Apartment. Als unsere Sehnsucht nach etwas Süßem mit einer Tasse Kaffee zu groß wurde, machte sich Stefan noch einmal auf die Suche nach einem Café und brachte zwei Stücke sündhaft teure Torte zu je 4,50€ mit. Ich muss zugeben, sie waren auch wirklich sehr lecker. Danach planten wir unsere Weiterreise zu unserem nächsten Ziel und tippten uns die Finger wund auf der Suche nach Verbindungen per Bus nach Albanien oder Serbien. Inzwischen hatten auch wir begriffen, dass wir mit dem Zug da keinerlei Chancen haben würden. Letzte Verbindungen nach Serbien gab es 2016. Auch nach Montenegro läuft jetzt, im Jahre 2023 nichts in dieser Richtung und in Kroatien endet der Zugverkehr in Split. Unglaublich, dass selbst eine Stadt wie Dubrovnik keine Anbindung ans Schienennetz hat und da stöhnen wir in Deutschland schon über unsere Verknappung von Bahnhöfen? Der Balkan setzt auf Fernbusse, aber wie ich es schon bei uns festgestellt hatte, fuhren sie auch hier teils zu unmöglichen Zeiten bzw. kamen um diese an und fuhren auch nicht unbedingt dorthin, wohin man sie brauchte. So richtig klug wurden wir trotz ausgiebiger Recherche noch immer nicht. Wir entschieden uns erstmal dafür, noch ein paar Tage von Sibelnik nach Knin zu fahren und wieder mit Mietwagen die Natur zu erkunden. Dafür ging es am folgenden Morgen mit 10-stündiger Fahrt inkl. Umstieg nach Sibelnik nördlich von Split. Wir durften zum Glück unser Apartment dort umbuchen, als wir wegen unserem kurzen Notaufenthalt in Deutschland absagen mussten.

Montag, 10.4.2023 Zagreb – Šibenik
Heute ging es bei uns früh los. Als um 6:15 Uhr der Wecker ging, riss er mich aus dem Tiefschlaf, aber es half nichts, um 7:03 ging unser Zug, für den wir uns so mühevoll die Reservierung geholt hatten, weil wir sie weder in Deutschland noch in Österreich bekommen hatten. 5 Std 45 dauerte die Fahrt bis Perkovic, wo sich die Strecke teilte in Split und Šibenik. Perkovic war ein gottverlassenes Kaff im Inland mit einer Hand voll Häusern einen Kilometer links vom Bahnhof und ungefähr genauso vielen zur rechten Seite, dazu ein paar Ziegen, ein paar Hunde, ansonsten Büsche und steinige Landschaft. Hier hatten wir 3Std.48 Aufenthalt. Der Bahnhof bestand nur aus Bahnwärterbüro, Toilette und einem Warteraum mit einer Bank. Nicht gerade das Highlight für so einen langen Aufenthalt. Die einzige bei Google verzeichnete Bar hatte geschlossen. Wir liefen zuerst nach links, bis wir zum vermeintlichen Ort kamen, aber da gab es absolut nichts außer einem Basketballkorb und den paar Häusern. Man hätte hier vielleicht etwas wandern können, aber mit dem ganzen Gepäck war das suboptimal, also liefen wir zurück zum Bahnhof und gingen nach rechts. Die Infrastruktur war genauso spannend wie auf der anderen Seite, bis darauf, dass es einen kleinen Laden gab, der aber natürlich am Feiertag geschlossen hatte. Erst jetzt bemerkten wir gegenüber des Bahnhofs eine weitere Bar, wo ein paar junge Leute draußen saßen. Wir bekamen zwar nichts zu essen, aber wenigstens einen Kaffee und vertrieben uns die Zeit mit Würfelspielen, bis endlich unser Zug nach Šibenik kam. Er hatte gerade mal zwei Wagen und es handelte sich um einen in die Jahre gekommenen Dieselzug mit Holzverkleidung. Am Ziel angekommen fanden wir nach ein paar Minuten problemlos unser schönes Apartment, in dem unser nettes Vermieter Pärchen uns empfing. Wir wurden sogar mit einer Flasche selbstgemachtem Olivenöl beschenkt. Da wir beide mächtigen Hunger hatten und die Sonne wunderbar schien, gingen wir gleich in die Altstadt und waren sofort begeistert. Šibenik war für uns die bisher schönste Stadt Kroatiens, da kamen Krk und die anderen Örtchen auf der gleichnamigen Insel nicht mit. Die Altstadt war ähnlich eng und verwinkelt wie ein arabischer Suk. Umgeben mit einer wuchtigen Stadtmauer, führten immer wieder Treppen und Winkel in eine weitere Gasse und zu Kirchen, heimeligen Plätzen und einer Burganlage, die über allem thront. Restaurants, Cafés, Eisläden und Geschäftchen rundeten das Bild ab, ohne, dass man gleich das Gefühl hatte, dass sie überhandnahmen. Natürlich waren heute am Ostermontag einige Touristen unterwegs, aber auch viele Einheimische. Es musste irgendein Event stattfinden, auf jeden Fall feierten an mehreren Stellen vornehmlich junge Männer mit Musik und Alkohol. Es könnte sich um einen Fußballsieg oder ähnliches gehandelt haben. Nachdem wir uns mit Pizza gestärkt hatten, konnten wir gar nicht genug davon bekommen, die Gassen und auch die Hafenpromenade bei warmem Abendlicht zu fotografieren. Nach Sonnenuntergang schlenderten wir zurück zum Apartment. Kaum waren wir dort, startete ein Feuerwerk, wobei ein Teil direkt von einem Dach bei uns gegenüber gezündet wurde. Es dauerte nicht lange, war aber sehr überraschend. Ich hielt es für den Abschluss des Osterfestes, war mir aber nicht sicher. Eines wussten wir schon sicher, an diesem Ort würden wir uns nicht sattsehen können, so schön war er??.

Dienstag, 11.4.2023, Šibenik
Wir hatten ein riesiges Glück, denn auch heute war das Wetter super. Wir entschieden uns, eine Wanderung zu machen und suchten uns eine nette Strecke bei Komoot. Ein Stück war Stefan morgens schon beim Joggen in die Richtung gelaufen und hatte eine super moderne Joggingbahn mit 500 m Länge entdeckt. Diese zeigte er mir dann unterwegs auch. Es ging auf gut gezeichneten Wanderwegen den Berg hoch, durch Wald, Büsche, vorbei an einer Sendestation und alten Bunkern und immer wieder schönen Ausblicken über die Küste und die vorgelagerte Inselwelt. Es war ein etwas steiniger und steiler Weg, aber landschaftlich wunderschön. Zum Schluss kamen wir zum Denkmal für Dražen Petrovi?, einem Basketballspieler, der als einer der größten Europas und heute noch als Legende als einer der erfolgreichsten Europäer in der NBA verehrt wird. Er starb 1993 mit nur 29 Jahren. Wieder zurück in der Zivilisation, kauften wir ein, und Stefan machte in unserer Wohnung einen wunderbaren bunten Salat. Wir hatten schon seit Tagen keinen mehr gegessen und riesigen Hunger darauf. Mit gefülltem Magen erwischte mich die Müdigkeit und ich legte mich für ein Stündchen aufs Ohr. Später schlenderten Stefan und ich ein weiteres Mal durch die Altstadt, hoch zu einem Friedhof, von dem wir wieder einen tollen Ausblick hatten. Unten am Hafen beobachteten wir Ruderer, die mit enormer Geschwindigkeit vom Ruderclub aus durchs Wasser schossen. Später sahen wir ganze Fischschwärme direkt am Hafen. Es war wieder ein richtig toller Tag.

Mittwoch, 12.4.2023 Šibenik
Der heutige Tag führte uns zum Wanderweg am „Kanal des heiligen Antons“ oder wie es hier hieß „Kanal sv. Ante sednica ulaz“. Wir fuhren dafür mit dem Bus bis auf die vorgelagerte Halbinsel und suchten uns dort den wunderschönen Weg entlang der Küste. Unser erster Versuch, direkt an der Küste entlangzugehen, scheiterte, weil der Weg endete. Er brachte uns aber Ausblicke auf Traumvillen der Reichen, die zum Teil aber auch touristisch vermietet wurden. Wir liefen wieder ein Stück zurück und verließen uns ab jetzt auf Komoot und kamen an einem kleinen See entlang, der bereits ein netter Vorbote war. Als wir dann aber auf den eigentlichen Wanderweg kamen, verblasste alles zuvor Gesehene. Wir hatten einen herrlichen Blick auf die Festung St. Nikolaus. Ein von der EU geförderter Steg führte zur Festung auf der Insel gegenüber. Wir wussten, dass wir zu Fuß die Festung nicht betreten konnten, denn Zutritt erhielt man nur mit gebuchter Schiffstour. Uns war das egal, wir wollten nur die beeindruckenden Mauern von nahem auf uns wirken lassen. Nach unserem kleinen Ausflug übers Wasser wanderten wir auf dem ausgezeichnet angelegten Wanderweg entlang der Küste. Wir hatten super Wetter mit ca. 18? und Sonne, wurden aber fast den ganzen Weg gut geschützt durch Pinien am Wegesrand, dennoch bekamen wir einen ersten leichten Sonnenbrand. Zahlreiche bildschöne Buchten, die schwedischen Schären Konkurrenz machen konnten, glasklares Wasser und Ausblicke auf die vorgelagerten Inseln versüßten uns die fast 14 km lange Wanderung, bei der es auch gelegentlich etwas auf und ab mit tollen Aussichten ging. Das Gebiet war ehemals militärisches Gebiet und ein Teil war immer noch in militärischer Hand. Es gab noch alte Bunker und lustigerweise eine alte Toilette, die einfach so oberhalb der Küste thronte und von der aus der wachhabende Soldat während seines Geschäfts weiterhin auf feindliche Angriffe zu achten hatte. Auf der Erklärungstafel wurde sie als „die Toilette mit der weltbesten Aussicht beschrieben“. Ich kenne keine andere in ähnlichem Ambiente, aber es mag stimmen ??. Wir entschieden uns, zurück zur Stadt nicht wieder den Bus zu nehmen, denn ich hatte entdeckt, dass unterwegs noch ein kleiner Vorstadtbahnhof war namens Mandarina. Wir waren mit dem Bus ein ganzes Stück neben den Schienen hergefahren, was mich darauf brachte, dass wir auch den Zug nehmen könnten. Der Bahnhof war vom Ende des Wanderwegs aus nur unwesentlich weiter als die nächste Bushaltestelle. Das letzte Wegstück war dann zwar hässlich und durch Industriehafen, Tankstelle etc. geprägt, aber wir konnten unser Ticket nutzen und waren in drei Minuten wieder in Šibenik. Es war ein richtig schöner Ausflug.

Donnerstag, 13.4.23 Šibenik – Trogir – Knin
Dieser Tag war kein wahres Highlight für mich, denn ich war erkältet. Ich hatte das bereits bei der Wanderung gemerkt, dass eine dünne Jacke bei Bewegung zwar ausreichte, aber es ging immer ein Wind und ich hatte keine Kaputze, dafür nun aber eine Triefnase. Ich war froh am Morgen, dass wir die nächsten Tage ein Auto und eine Unterkunft für 4 Nächte haben würden. Da konnte ich mich etwas erholen und steckte keine anderen Leute an. Wir versuchten in den Apartments eh möglichst in getrennten Betten und falls möglich auch Räumen zu schlafen, da Stefan immer früh seine Übungen für seinen vor dem Urlaub bei einem Sturz verletzten Arm machte und ich hingegen oft später abends ins Bett ging und unruhiger schlief. Wenn wir dann nur eine Matratze und eine Bettdecke hatten, störten wir uns auf jeden Fall. So bekam er jetzt auch nicht meine Viren/ Bakterien ins Gesicht gepustet.
Wir fuhren am Morgen mit dem Mietwagen Richtung Süden, zuerst zum „Wall von Oštrica,(Bedem Grebastica). Der Wall wurde 1497 zum Schutz gegen die Türken gebaut, im 17. Jahrhundert wurde Pestkranke dort isoliert und heute wird er von Touristen besucht. Da man von der Straße aus noch ca. 2 km ins Land laufen musste, ließ ich Stefan den Wall alleine besuchen. Ich sparte mir meine Kraft für die Altstadt von Trogir, die wir danach besuchten. Sie hatte ähnlich wie in Šibenik Steinhäuser, enge Gässchen und lag an einer Uferpromenade, dennoch gefiel sie uns nicht so gut wie Šibenik. Nicht nur, dass sie viel kleiner war und nicht in Hanglage mit vielen Treppchen und diverse Kirchen lag und Festungsanlagen zu bieten hatte, sie war viel mehr auf Tourismus getrimmt. Souvenirläden, teure Restauration und protzige Jachten im Hafen und dazu an jeder Ecke deutsche Stimmen. Zur absoluten Hochsaison im Juni, musste es hier furchtbar sein. Wir genossen die Vorsaison in allen Zügen (nicht nur in denen ??). Die Temperaturen waren klasse, die Vermieter*innen entspannt, es gab noch mehr Einheimische als Touristen und die Preise waren niedriger. Stefan aß in Trogir ein Spaghetti Eis, wo man das Eis unter der Sahne nur vermuten konnte, ich hatte mir 3 Rafiolis bestellt. Es handelte sich um ein Gebäck, das von der Form etwas an Ravioli Pasta erinnert, aber in der dünnen Teighülle war reines Mandelmus. Sie waren sehr lecker, aber auch mächtig und ich konnte sie gut mit Stefan teilen. Dazu gab es einen Cappuccino zum fit werden. Wir schlenderten etwas durch die Altstadt und fuhren danach über eine Brücke auf die vorgelagerte Insel ?iovo. Hier gab es zwei kleine Ortschaften und darüber hinaus zahlreiche Strände und die typische Vegetation aus Büschen und Gestein. Von einem Aussichtspunkt hatte man einen Blick über die Küste bis Split. Leider war der Himmel heute nicht so schön klar blau wie am Vortag, sodass die Farben verwaschener wirkten, aber man konnte nicht alles haben. Dafür hatte das Wasser eine tolle Farbe in Richtung türkis. Als Stefan noch zum Leuchtturm wandern wollte, blieb ich wieder im Auto. Das war mir heute zu anstrengend. Gegen späten Nachmittag machten wir uns auf den mehr als einstündigen Weg nach Knin. Ist man erst mal von der Küste weg, ist das Land fast unbesiedelt. Vereinzelte Dörfchen mit wenigen Häusern, sonst nur Hügel aus dem typischen Kalkstein und Bäumchen und Büsche. Die aus den Steinen gebauten Mauern – sie scheinen nur geschickt aufgestapelt zu sein, ohne Zement – fand man überall im Land als Zäune für Grundstücke oder Weiden. Sie sahen nach viel Arbeit und Geschick aus. Am Abend erreichten wir unsere Ferienwohnung in Knin und richteten uns für die kommenden Tage ein.

Freitag, 14.4.23 Knin – Ausflug Grenze
Nachdem es letzte Nacht ein Gewitter gab, hatten nun auch wir nicht mehr das tolle Wetter. Der Himmel tropfte ebenso wie meine Nase. Nachdem wir es am Morgen noch im Trockenen geschafft hatten, beim Bahnhof um die Ecke, unseren nächsten Zug für Montag zu reservieren, fuhren wir mit dem Auto bis zum Grenzort Strmica. Über die Grenze nach Bosnien Herzegowina durften wir nicht, weil wir dafür keine Extraversicherung bezahlt hatten. Unterwegs gab es einige schöne Ausblicke auf die Dinarischen Alpen, die sich vom südlichen Ende der Ostalpen bis zum Pindos in Nordalbanien und zur Šar Planina im Kosovo erstrecken. Der Dinar, mit 1831m Höhe der höchste Berg Kroatiens, lag direkt an der Grenze zu Bosnien – Herzegowina und gab dem Gebirge den Namen. Nachdem wir uns in den letzten Tagen einen leichten Sonnenbrand geholt hatten, guckte ich nicht schlecht, als wir heute Morgen auf den Bergspitzen Schnee entdeckten. Wir gingen ein kleines Stück im Grenzgebiet spazieren. Vereinzelte verlassene, größtenteils verfallene Häuser, nicht mehr genutzte Schienen von Kroatien ins Nachbarland und der Fluss Butiznica, ein Seitenarm der Krka, die wegen der bekannten Wasserfälle im gleichnamigen Nationalpark bekannt ist, prägten das Bild. Sonst nur Büsche, Gestein und hin und wieder ein paar wilde Hunde. Wie schön wäre es, wenn die ehemalige Bahnstrecke Novi Grad – Knin noch betrieben würde, aber laut Wikipedia fuhren nur noch Züge auf dieser Strecke innerhalb Bosnien – Herzegowinas zwischen Novi Grad und Bihac. Schade! Im Nachbarland galt unser Ticket auch, nur kamen wir mit dem Zug nicht rein. Es war dasselbe wie mit Serbien. Wie einfach muss das vor dem Krieg gewesen sein in dem riesigen Jugoslawien! Uns überraschte auf dem Rückweg unseres kleinen Spaziergangs der Regen und wir entschieden, noch ein wenig die Umgebung mit Auto zu erkunden. Vielleicht würde es ja wieder aufhören, tat es aber nicht, also ließen wir uns ein paar interessante Stellen für hoffentlich besseres Wetter an den kommenden Tagen und einer nicht mehr so tropfenden Nase bei mir und tranken Kaffee in unserem Appartement.

Samstag, 15.4.2023 Knin – Autorundfahrt in nord-östlicher Richtung
Da das Wetter am Morgen besser aussah als am Vortag, die Wettervorhersage jedoch Regen anzeigte, unternahmen wir eine Autorundfahrt mit mehreren Highlights. Unser erstes Ziel war bereits in Sichtweite unserer Unterkunft, die Festung Knin. (https://www.dalmatiasibenik.hr/de/entdecke/kultur-und-erbe/die-festung-knin/)
Im Internet waren die Angaben etwas verwirrend, denn sie war angeblich die zweitgrößte, bzw. eine der größten in Kroatien und die zweitgrößte militärische Festung Europas. Egal wie, sie war groß, aber für uns war der Ausblick das Wesentliche. Der Blick auf die Stadt war nicht so überwältigend, da Knin keine besonders schöne Stadt war und man auf blaue Dächer irgendwelcher Hallen blickte. Schön dagegen war die Aussicht auf die Berge dahinter, wiederum die Dinarischen Alpen und zur anderen Seite auf die Hügellandschaft mit Fluss, Brücke und ein paar Häusern. Danach fuhren wir tendenziell Richtung Nord-Ost, immer auf kleinen Straßen entlang der bosnischen Grenze, stets durch eine Landschaft, die geprägt war durch Hügel, Berge, Büsche, Gestein und einzelne Orte, die zum Teil ganz oder zumindest zum Teil verlassen waren. Zerstörte oder zerfallene Häuser, von denen häufig nur noch Reste von Wänden standen, begegneten uns überall. Kriegsschäden? Verfall wegen Verlassen? Unser zweiter Stopp war bei der Quelle des Flusses Una (Vrelo Une). Ein kurzer, steiler Wanderweg führte vom Parkplatz zum Ziel. Das merkwürdige war, dass uns erstaunlicherweise keine ruhige Quelle erwartete, sondern ein tosender Wasserfall über die Steine sprang und sich zu allen Seiten verteilte. Das war doch keine Quelle!? Der Weg ging aber noch weiter und da war sie, die Quelle, aber direkt danach hatte sich gleich der erste Wasserfall gebildet! So Etwas hatten wir bisher noch nicht gesehen. Später fanden wir die Legende zu dieser Quelle, die, so die englische Übersetzung auf einem Schild, sauer war, dass ihr Geburtstag nirgendwo festgehalten wurde und sich nicht mal die ältesten Tannen und Eichen daran erinnern konnten. Das brachte Una dazu, wild zu mäandern und aus immenser Höhe auf Gestein zu fallen, sodass mitgerissener Sand, gebrochene Steine und Klippen ihre Geschichte für immer und überall hintrugen.
Der Fluss Una entsprangt hier in Kroatien, floss dann aber nach Bosnien Herzegowina und dort in die Save. Er hatte eine Länge von 212 km und nach ihm war der größte Nationalpark Bosniens benannt. Unsere weitere Fahrt brachte uns immer wieder beeindruckende Aussichten auf Berge, Hügel, Seen und Gewässer, bis wir kurz vorm Ende der Tour noch den Wasserfall sozusagen vor unserer Haustür besuchten, den Kr?i?- Wasserfall. Hier bot die Krka, der Fluss, der dem Krka Nationalpark seinen Namen gab und dessen Wasserfälle uns bei unserer Wohnmobiltour 2018 bereits begeisterten, wiederum ein wunderschönes Naturschauspiel. Entlang der Krka führte eine alte, ungeteerte Straße, die jetzt vornehmlich als Rad- und Wanderweg fungierte und noch weitere Highlights zu bieten hatte. So kamen wir bei unserer Erkundung zu einer Lagune mit türkisblauem Wasser, sowie weiteren Wasserfällen und einer alten Brücke. Es wären sogar noch zwei historische Mühlen an dem Weg gewesen, aber es wurde uns zu spät, um weiterzufahren. Auch wenn es zwischenzeitlich mal regnete, hielt sich das Wetter doch erstaunlich gut für einen angesagten Regentag und wir konnten viele Eindrücke sammeln. Die Gegend hier war beeindruckend, aber auch sehr verlassen. Ob die Menschen wegen des ehemaligen Balkankrieges hier weggezogen waren, oder weil sie hier keine Lebensgrundlage mehr fanden, weiß ich nicht. Selbst hier in Knin, einer Stadt mit rund 11800 Einwohnern, standen die meisten Gebäude, die ehemalige Firmen vermuten ließen, als lost Places mit leeren oder mit Brettern vernagelten Fensterhöhlen, teils eingestürzten Dächern, ungenutzt herum. Viel gab es hier anscheinend nicht, wovon die Menschen leben könnten.

Sonntag, 16.4.2023 Knin
Unseren letzten Tag in Knin nutzten wir zu einer Entdeckungstour südlich von Knin und dann im Bogen Richtung Küste nach Sibenik, wo wir am Abend das Auto wieder abgaben und mit dem Zug zurück nach Knin fuhren. Die Strecke führte entlang des Flusses Cetina und wir machten immer wieder Abstecher zu Fuß zur Quelle, zu einer kleinen Badestelle und einer alten Brücke. Weiter ging die Fahrt zum See Peruko Jezero, wo wir einen Kaffee tranken, und Palatschinken aßen. Auf der Weiterfahrt kamen wir nach Trilj, wo wir wiederum einen super Blick über den Fluss Cetina hatten, der sich durch die begrünten Felsen schlängelte. An dieser Stelle wurde der Film „Der Ölprinz“ von Winnetou gedreht. Nun wurde es allmählich Zeit, sich auf den Weg zurück zur Autovermietung zu machen. Wir sollten den Wagen zu einem Parkplatz im Gewerbegebiet von Šibenik bringen und der Mitarbeiter hatte uns versprochen, uns dann in die Stadt zum Bahnhof zu fahren. Genauso geschah es dann auch. Wir sprachen unterwegs mit ihm über Mietpreise und Löhne und erfuhren, dass er bei Sixt in Kroatien dasselbe verdiente wie in Deutschland, sein Apartment in Šibenik aber sehr günstig war, mit Nebenkosten von nur 60€. Er hatte noch ein Apartment in Split, was hingegen 1200€ im Monat kostete, inkl. 200€ für Nebenkosten. Die Preise in Split schienen vergleichbar mit denen in Bayern zu sein. Für 40000€ bekam man laut ihm gerade noch einen Parkplatz. Es war interessant mit ihm zu reden. Er konnte super Englisch und hatte schon mal ein Jahr in Deutschland gelebt. Von ihm erfuhren wir auch, dass die Feierlichkeiten und das Feuerwerk am Ostersonntag in Šibenik nichts mit Ostern zu tun hatten, sondern die 40- Jahrfeier des Fußball- Fanvereins der Stadt waren. Er meinte, dass die Fans sich immer mehr radikalisierten und bei fast allen kroatischen Vereinen weit politisch rechts stünden. Bei ihnen gäbe es leider keine Fans wie beim FC St. Pauli in Hamburg.
Für uns ging am nächsten Morgen unsere Reise weiter nach Karlovac für eine Übernachtung.

Montag, 17.4.2023 Karlovac
Unser Zwischenstopp in Karlovac für eine Nacht war ehr dem Umstand geschuldet, dass eine durchgehende Verbindung von Knin nach Osijek mit einem zu großen Risiko verbunden gewesen wäre, irgendwo in der Pampa zu stranden, da die Umsteigezeiten extrem kurz gewesen wären. Karlovac bot sich an, da wir in Zagreb bereits waren und diese Stadt auf dem Weg war und nicht gänzlich langweilig klang. Nun ja, ich würde mal sagen, hätten wir nicht hier gehalten, hätten wir nichts verpasst, zumindest war das der erste Eindruck. Das ganze Zentrum war eine Baustelle, von der aufgerissenen Fußgängerzone bis hin zu vielen eingerüsteten Gebäuden, so als wär man jetzt mit der Restaurierung aller wichtigen Orte an der Küste und der Hauptstadt Zagreb fertig und hätte sich nun für diese Stadt entschieden. Es war auch bitter nötig, denn hier war Verfall und Leerstand wirklich überall gegenwärtig. Wie es hier in ein paar Jahren aussieht, könnte schon interessant sein. Dass wir gerade graues, regnerisches Wetter hatten, machte das Ganze hier nicht ansehnlicher. Hinzu kam am Abend noch, dass die meisten Leute wohl noch mit Ofen heizen und die Luft draußen nach meinem Empfinden furchtbar verraucht war. Man musste schon Pfadfinder sein, um das Schlafen im Rauch zu mögen. Unser Apartment war schön nahe am Bahnhof und an sich nicht schlecht, Problem war nur, dass wir einen Kachelofen hatten und unser Vermieter wohl meinte, gut für uns einheizen zu müssen. Jetzt hatten wir einen richtig heißen Ofen direkt neben dem Bett, den wir nicht ausbekamen! Da es sicher um die 30? im Zimmer war, blieb uns nichts anderes übrig, als gleichzeitig die Klimaanlage zum Kühlen zu nutzen, denn durchs Fenster kam nur verqualmte Luft. Energietechnisch war das wirklich eine Schande, aber wir hatten nun mal keine arktischen Temperaturen, die den Ofen nötig machten.
Die 4 Stunden Fahrt von Knin hierhin waren sehr unterhaltsam. Die erste Klasse war gut gefüllt und wir waren zuerst nicht gerade begeistert, aber wir kamen ins Gespräch mit dem Ehepaar, das uns direkt gegenüber saß. Ich hatte sie Englisch reden hören und angesprochen und so kam raus, dass sie aus England und ebenfalls auf Interrailtour waren. Es waren die ersten „Oldies“ wie wir, die wir auf diese Art reisend kennenlernten, so gab es interessanten Gesprächsstoff. Noch dazu waren beide ebenso Vielreisende wie wir und die Frau hatte sich ebenfalls vorzeitig in den Ruhestand begeben. Im Gespräch verflogen die Stunden angenehm schnell, ansonsten waren die kroatischen Züge schon sehr langsam. Für die rund 200 km brauchten wir mit dem IC immerhin 4 Stunden.

Dienstag, 18.4.2023 Fahrt nach Osijek
Ca 7 Std Zugfahrt können interessant sein, wenn sie durch schöne Landschaften führt, gibt es unterwegs aber nur Felder, Brachland und vereinzelte Dörfer, kann sie ziemlich öde werden. Das Hinterland Kroatiens, zwischen Bosnien Herzegowina, Ungarn und Serbien bot den Augen sehr wenig Abwechslung und unser Regionalzug kroch mit ca. 50 km/h von „Milchkanne zu Milchkanne“. Eine Internetverbindung bestand, zumindest bei meinem Handy, das in letzter Zeit immer wieder Probleme hatte, sich nach einem Funkloch wieder ins Netz einzuloggen, nur rudimentär. Da blieb nur noch Lesen oder gelegentlich Stefan beim Würfelspiel zu besiegen. Letzteres durfte ich auch nicht übertreiben, sonst spielte er wohlmöglich nicht mehr mit mir und außerdem hatten wir unseren 32. Hochzeitstag und da musste man lieb zueinander sein, oder???
Endlich kamen wir an und die Stadt machte gleich einen viel besseren Eindruck. Unser Apartment und unsere Vermieterin waren nett und wir gingen zur Feier des Tages am Abend essen.,??
Mittwoch, 19.4.2023 Osijek
Wir erkundeten zu Fuß Osijek und mein erster Eindruck am Vorabend hatte mich nicht getrogen. Osijek hatte etwas zu bieten. Es gab zwar auch hier noch viel Verfall und etliche Häuser mit Spuren von Einschüssen, aber das Gesamtbild der Innenstadt war freundlich. Es gab liebevoll bepflanzte Parks, wo derzeit Tulpen und Bäume in unterschiedlichen Farben blühten, entlang der Drau, des Flusses durch Osijek, standen unterschiedliche, interessante Büsche und Bäume, Spielplätze mit bunten Geräten brachten Farbe ins Bild und junge Familien zusammen und es gab ein paar sehr imposante Gebäude wie die neugotische Peter und Paul Kirche mit 90 m hohem Turm, viele Paläste, in denen jetzt teilweise Museen untergebracht waren und das Wassertor und die Citadelle einer Festungsanlage, wo derzeit noch restauriert bzw. die Wege gestaltet wurden. Leider war die beeindruckende, weiße Fußgängerbrücke über die Drau wegen Bauarbeiten gesperrt. Sie ist 210 m lang und hätte uns einen genialen Rundgang ermöglicht, so mussten wir erst das ganze Stück bis zur Autobrücke laufen und über denselben Weg zurück. Als wir an der am weitesten von unserer Unterkunft entfernten Stelle, bei einem Gedenkpark an die Opfer Osijeks im kroatisch -serbischen Krieg waren, begann es zu regnen. Gut, dass wir Schirme und Regenjacke mithatten. Auf dem Rückweg kamen wir durch das Studentenviertel und genossen den wohl besten Palatschinken, den wir je gegessen haben. Wir konnten ihn selbst zusammenstellen und wählten Schokosoße, Vanillepudding, Walnüsse und Blaubeeren, superlecker! Wir teilten uns einen, mehr der Gesundheit als dem Geldbeutel zuliebe. Wir schafften es an diesem Tag auch, Tickets für den Bus nach Novi Sad in Serbien für den übernächsten Tag zu besorgen und eine Unterkunft dort zu buchen. Wir sollten sogar von Busbahnhof abgeholt werden, war super war, da in Serbien unsere SIM-Karten nicht galten und somit die Orientierung schwierig würde. In Serbien wollten wir dann wieder unser Glück per Zug versuchen.
Am Abend kochte Stefan eine Gemüsesuppe. Leider gab es in diesem Apartment kein Salz und wir hatten nur eine Mischung aus Kurkuma, Chili etc. mit, weil meistens Salz und Pfeffer vor Ort sind. Die Suppe wurde damit scharf, aber es fehlte eindeutig Salz. Ich kam auf die Idee, ein paar gesalzene Erdnüsse hineinzugeben, das bewirkte aber auch nicht viel. Stefan warf daraufhin noch den Rest unserer Ziegenkäserolle hinein. Es schmeckte etwas untypisch, aber man konnte die Suppe essen. Gesünder als mit Salz war sie allemal, aber wenn sich der Geschmackssinn über Jahrzehnte an Salz gewöhnt hat, ist er leider nur schwer davon abzubringen.

Donnerstag, 20.4.2023 Osijek – Ausflug nach Vinkovci
Wir haben heute unser Interrailticket für eine Fahrt nach Vinkovci, ca 1 Std südlich von Osijek, genutzt. Am Bahnhof setzte man uns gleich in den Bus als Schienenersatzverkehr, der aber glücklicherweise direkt durchfuhr und nicht zig Mal anhielt. Bereits im Bus war ich erstaunt, dass wir nicht die einzigen Touristen waren, sondern noch andere deutsche Stimmen zu hören waren. Wir hatten zuvor nie etwas von dem Ort gehört und ihn nur ausgewählt, weil er bei Google Maps interessant erschien. Wir staunten nicht schlecht, welch nettes, lebhaftes und besonders altes Städtchen sich uns darbot. Vinkovci wurde bereits zu neolithischer Zeit, vor über 7000 Jahren, besiedelt und durchlief seitdem eine ganze Reihe unterschiedlicher Herrscher. (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Vinkovci)
Im Krieg gegen Serbien wurde laut Wikipedia mehr als die Hälfte der Stadt zerstört. Inzwischen sind zahlreiche Bauten der vorherrschenden barocken Architektur, ein Park in der Innenstadt und viele Geschäfte und besonders Café- Bars wieder restauriert oder neu gebaut und besonders heute, bei sonnig- warmen Wetter, herrschte rege Geschäftigkeit und die Straßencafés, deren Anzahl wirklich erwähnenswert ist, waren gut besucht. Auch wir genossen einen Kaffee mit Blick auf den Gradski Park, schlenderten durch die Stadt und zum Fluss Bosut. Die Rückfahrt konnten wir dann angenehm im Zug zurücklegen. Vincovici dürfte die letzte Stadt gewesen sein, die wir auf dieser Reise und vielleicht auch für die nächsten Jahre in Kroatien kennenlernten. Wir hatten das Land inzwischen auf mehreren Reisen mit Auto, Wohnmobil und nun mit dem Zug ziemlich ausgiebig durchforstet. Wir lernten seine wunderschönen Wasserfälle und Flüsse, die Küstenlandschaft mit ihren Inseln und Schären und einige schöne Städte lieben und mussten feststellen, dass das Hinterland sehr wenig besiedelt und an vielen Stellen der Krieg auch nach 30 Jahren noch sichtbar war. Es könnte lohnend sein, Städte wie Karlovac und sicher auch noch andere, die nicht direkt an der Küste und als erste restauriert worden sind, in vielleicht fünf Jahren noch einmal zu besuchen. Es herrschte überall rege Bautätigkeit und z.B. Karlovac hatte viel Potential. Da würde noch viel neues entstehen können.

Freitag, 21.4.2023 Osijek (Kroatien)- Novi Sad (Serbien)
Der Tag verlief so, dass es besser nicht hätte sein können. Wir durften bis 13 Uhr in unserer Unterkunft in Osijek bleiben, d.h. wir konnten noch einmal Wäsche waschen und draußen trocknen, da wir wussten, dass wir in Novi Sad keine Waschmaschine haben würden. Es blieb Zeit zum entspannten Frühstück und Packen. Da wir erst um 15:45 Uhr mit dem Bus nach Serbien fuhren, hatten wir auch noch genügend Zeit, um in unserem Lieblingsrestaurant ausgiebig zu schlemmen: einen Salat fürs gute Gewissen und je einen Palatschinken für die süße Seele????. Danach trappelten wir gemütlich zum Busbahnhof, wo unser Bus pünktlich nach Novi Sad abfuhr. An der Grenze mussten zur Aus- und Einreise alle aussteigen und zur Einreise ins Nicht-EU-Land Serbien bekamen wir sogar noch einen Einreisestempel in den Pass gedrückt. Mit einer halben Stunde Verspätung trafen wir am Ziel ein. Wir wussten, dass uns unser Vermieter abholen wollte und hatten schon Befürchtungen, weil wir so spät waren. Es war aber alles kein Problem, er stand direkt am Bahnsteig und sprach sogar super Englisch. Er fuhr uns die ca. 1,5 km zum Apartment, erklärte uns alles in und um das Apartment und verschwand. Unsere Unterkunft war zwar klein, aber wir hatten glaube ich noch nie eine derart perfekte Ausstattung. Von Schuhcreme bis zur Zahncreme und von Gewürzen über Orangen bis zum Mineralwasser, es war einfach an alles gedacht worden. Wir machten uns gleich auf den Weg in die Fußgängerzone, die gerade mal ca. 200 m entfernt war und es dauerte keine Viertelstunde und wir hatten SIM-Karten für unsere Handys und somit Orientierung und Kontakt zum Rest der Welt. Novi Sad machte auf den ersten Blick einen sehr guten Eindruck auf uns. Die Häuser sahen längst nicht so kaputt aus wie viele Häuser in Kroatien, es hatte hübsche, gut restaurierte Häuser in der Innenstadt und Bars und Restaurants waren modern, gemütlich, hip und gut besucht.

Samstag, 22.04.2023 Novi Sad
Unser erster Eindruck von Novi Sad hatte uns nicht getäuscht. Wir konnten ihn an diesem Tag bestätigen und ich machte dabei über 26000 Schritte, denn wir haben uns einige Kilometer der Stadt erlaufen. Am Morgen war unser erstes Ziel der Bahnhof, denn wir wollten checken, ob es am folgenden Montag klappen würde, mit unserem Ticket per Zug nach Belgrad zu fahren. Dass die Strecke befahrbar war, wussten wir bereits aus dem Internet, denn dieses Teilstück der ehemaligen Verbindung bis Budapest wurde als Hochgeschwindigkeitsstrecke von Belgrad- Novisad am 20.3.22 mit Präsident Alexander Vu?i? und Victor Orban wiedereröffnet. Am Montag wollten auch wir die Strecke fahren, mussten aber noch eine Reservierung für ca. 1€ pro Person kaufen. Wenn es weiter nichts war, sollte es uns recht sein. Als das klar war, bummelten wir zur Stadtmitte, besuchten ein paar Second Hand Shops, die hier, je nach Land, aus dem die abgegebenen Sachen kamen, die Straße säumten. Wir fanden aber nichts Interessantes und mussten uns auch sehr zurückhalten, damit wir bis zum Ende unserer Reise unser Gepäck auch noch tragen konnten. Wir schlenderten durch die Altstadt mit den hübschen pastellfarbenen und mit Stuck verzierten Häuser und genossen auf einer Parkbank ein sehr leckeres Eis. Das Wetter war warm und sonnig, was, kombiniert mit dem Wochenende, ganze Horden von Menschen in die Stadt spülte. Auffallend war, dass viel mehr Familien mit kleinen Kindern und junge Leute hier unterwegs waren als bei uns üblich, obwohl der Altersdurchschnitt laut Internet bei 43 Jahren im Vergleich zu Deutschland bei 44,7 Jahren sich nicht sehr unterschied und die Geburtenrate sogar knapp unter unserer lag. Es herrschte überall reges Treiben: Straßenmusik an allen Ecken, Ballonverkäufer und besonders kleine Stände, die Popcorn verkauften. Letzteres schien hier der große Renner zu sein. Die Kinder fütterten im Park sogar die Enten damit. Wir überquerten die Donau über die Varadin Brücke, die die Innenstadt von Novi Sad mit den Stadtteil Petrovaradin und der gleichnamigen Festung verbindet. Die Brücke wurde 1999 bei einem Nato-Luftangriff zerrstört und 2000 neu errichtet. Es war erstaunlich, wie wenig man hier in Novi Sad noch von den Zerstörungen, bei denen sich im Rahmen vom Natoeinsatz auch deutsches Militär schuldig machte, zu sehen war. Folgender Artikel aus der Berliner Zeitung von 2021 gibt eine kleine Vorstellung davon, zu welchem Grauen es hier in Novi Sad damals kam: https://www.berliner-zeitung.de/open-source/der-ungesuehnte-chemiekrieg-gegen-serbien-wer-verurteilt-endlich-die-nato-li.165044.
Wir wanderten rund um die Festung und genossen den Blick auf die Donau. Danach machten wir erstmal eine Pause im Apartment. Wir hatten bereits 13 km erlaufen. Am Abend mussten wir uns aber nochmals auf den Weg machen, denn wir wollten zum einen herausfinden, ob es eine Möglichkeit gab, per Zug nach Nordmazedonien zu kommen – gab es nicht -, zum anderen mussten wir noch etwas zum Essen einkaufen. Für den nächsten Tag planten wir einen Ausflug in den Nationalpark Fruska Gora, der vor den Stadttoren lag. Er schien hauptsächlich aus Klöstern und Weinbergen in verschiedenen Orten zu bestehen und wir fanden bei der Tourist-Info heraus, dass wir zu einem Ort sogar mit dem Zug fahren konnten und von dort zu einem anderen laufen. Ich war sehr gespannt, ob und wie das klappen würde. In unserer Interrail-App, in der wir unsere Fahrten immer zusammenstellten und sich daraus dann das gültige Ticket für die jeweilige Fahrt entwickelte, war kein einziger Fahrplan Serbiens hinterlegt, obwohl es im Ticket eingeschlossen war. Wir mussten unsere Fahrten somit per Hand eintippen mit Uhrzeit, Ort, Zugnummer etc. Sonst gaben wir immer nur in die Maske ein, von wo nach wo wir wann fahren wollten und die App spuckte uns die möglichen Fahrten aus, von der wir eine wählten. Nun war das natürlich alles etwas unsicherer. Wir sahen nicht, ob der Zug wirklich fuhr, ob wir eine Reservierung brauchten und ähnliches. Wir suchten uns im Internet auf der Seite der Serbischen Bahn die Verbindung, was nicht einfach war, weil wir nirgends eine Übersicht fanden, von wo nach wo überhaupt Züge fuhren. Wir gaben also Orte ein nach dem Prinzip Try & Error und das Programm sagte uns dann, da fährt was oder Error, alles auf Serbisch, aber netterweise wenigstens in lateinischen Buchstaben, während der Plan im Bahnhof nur in Kyrillisch war. Am Schalter konnte man uns auch nur sagen, welche Züge von Novi Sad aus fuhren, nicht, wohin wir von Belgrad aus fahren könnten. Das war schon sehr gewöhnungsbedürftig. Man merkte, dass das System gerade erst wieder aufgebaut wurde und noch in den Kinderschuhen steckte. Man hatte in den letzten Jahren fast ausschließlich auf Busse gesetzt.

Sonntag, 23.4.2023 Novi Sad – Ausflug Nationalpark Fruska Gora
Unser Zugabenteuer klappte prima. Der Zug fuhr pünktlich zum Ort Sremski Karlovci, unserem Startpunkt in den Nationalpark Fruska Gora. Es handelte sich um einen super modernen Regionalzug, der laut digitaler Anzeige Geschwindigkeiten bis zu 150 km/h erreichte. So schnell kam er mir nicht vor, aber er schaffte es immerhin mit einem Zwischenhalt in 9 Min dort zu sein, wofür ein Auto laut Google 20 Min. gebraucht hätte.
Es war die Strecke, die auch nach Belgrad führte, eine andere gab es hier nicht. Wir würden also am nächsten Tag wieder das Vergnügen mit dem angenehmen Zug haben, der sogar eine 1.Klasse hatte. Der Schaffner konnte unseren QR Code des Interrailtickets zwar nicht einscannen, kannte INTERRAIL aber und schien sich regelrecht zu freuen. Er erkannte uns auf der Rückfahrt sogar wieder. Vielleicht musste er morgen ja auch wieder arbeiten?
Wir fuhren nach Sremski Karlovci, wie uns im Tourist Center geraten wurde. Fruska Gora war ein kleines Gebirge südlich von Novi Sad das bereits die Römer „Fruchtbarer Berg“ nannten. Das Gebiet bestand zum Großteil aus Wald, beherbergte aber auch eine Reihe von Klöstern aus dem 15.- 18. Jahrhundert, und auf dem auch heute noch fruchtbaren Land wurde seit der Antike Wein angebaut. Außerdem fand man fand Obstplantagen und saftige Weiden. Der höchste Berg war der Crveni ?ot mit 539 m. 1960 wurde das Gebiet zum Nationalpark erklärt. Man hatte hier außer den Wanderwegen auch Sportevents wie den jährlichen Marathon angesiedelt. Auf unserem Weg Richtung Strazilovo von Sremski Karlovci aus, das durch sein Kloster, ein herrschaftliches altes Gymnasium und mehrere andere sakrale, orthodoxe Gebäude bekannt war und wahre Scharen an Touristen anzog, kamen wir durch Weinberge und Obstplantagen und hatten weite Ausblicke bis Novi Sad. Der Weg, den wir bei Komoot gefunden hatten, war schön und wir hatten ihn nahezu für uns alleine. Er endete nur leider an einer Stelle vor einem privaten Zaun. Wir versuchten das Gelände zu umrunden, aber ganz gelang uns das nicht und wir mussten ein Stückchen über Privatgrund. Ich hatte Bammel, dass von irgendwo ein Wachhund oder der Besitzer käme, aber außer einem Schuppen war da nix und niemand, bis wir wieder auf einen offiziellen Weg kamen. Nach ca. 6 km kamen wir zur Mountain Lodge Strazilovo, wo reges Treiben herrschte. Es gab zahlreiche Picknicktische unter den Bäumen und man konnte in der einfachen Lodge Getränke bekommen. Wir genossen unseren mitgebrachten Kuchen mit Getränken aus der Lodge. Da eine Mountainbike-Strecke hier endete, waren einige Mountainbiker vor Ort, aber auch etliche Familien und Paare. Gestärkt machten wir uns auf den Rückweg, aber dieses Mal folgten wir Google. Von nun an ging es wieder bergab und Scharen von Leuten waren hier unterwegs. Immer wieder gab es Picknicktische, Familien hatten sogar Grills mitgebracht und verbrachten einen vergnügten Sonntag hier. Es gab einen Platz mit großen Plastik- Kuppelzelten, die anscheinend an Gruppen vermietet wurden. Da hier auch Mountainbike Events stattfanden, denke ich, waren sie die Zielgruppe, denn es gab eine Apparatur zum Rad aufpumpen und reparieren vor Ort. Wir liefen weiter und kamen zum offiziellen Eingangs- für uns nun Ausgangsschild des Nationalparks und mussten nun den Rest des Weges entlang einer zwar wenig befahrenen Straße laufen, wobei die Autofahrer hier aber leider nicht sehr rücksichtsvoll fuhren und eher wir als sie auswichen. Wir kamen zurück nach Sremski Karlovci, konnten noch einen Blick in die Kirche werfen und fuhren dann mit dem nächsten Zug zurück nach Novi Sad. Nun mussten wir noch zurück zur Unterkunft und endlich konnte ich meine Beine hochlegen. Wieder hatten wir einen zwar anstrengenden, aber auch erfüllten Tag bei super Wetter und netter Natur und rund 18 km Fußweg hinter uns gebracht.

Montag, 24.4.2023 Belgrad
Der Tag begann mit Regen, was per se an Reisetagen schlecht war, wenn wir mit Gepäck zum und vom Bahnhof zur Unterkunft laufen mussten. Darüber hinaus war ich müde, weil ich in der letzten Nacht nicht einschlafen konnte. Netterweise hörte der Regen pünktlich zur Abreise auf und wir erreichten problemlos unseren Zug, der uns schnell und angenehm nach Belgrad brachte. Man muss wissen, dass der schöne alte Bahnhof, wo wir genau gegenüber unser Zimmer hatten, nicht mehr in Betrieb war. Ein neuer war im Bau und wurde angefahren. Ganz entgegen seinem Namen „Belgrad Central“ ist er alles andere als das. Erst einmal kam man wie bei der U-Bahn unter der Erde an. Wollte man zum Schalter, musste man sein Gepäck Treppen hochschleppen. Am Schalter war laut Rezensionen im Internet meist eine Schlange und beide Mitarbeiterinnen nicht fähig Englisch zu sprechen oder wenigstens zu verstehen, was bei einer europäischen Hauptstadt eigentlich am Info- und Fahrkartenschalter ein NoGo war. Die Schlangen hielten sich bei uns heute in Grenzen, aber unsere Ansprechpartnerin sprach wirklich kein Englisch. Wir hatten mit Erstaunen auf einem Fahrplanaushang festgestellt, dass wir von Belgrad mit dem Nachtzug nach Podgorica, Hauptstadt Montenegros bzw. nach Bar an der Küste von Montenegro fahren könnten. Die Fahrt war mit Interrailticket möglich, aber man brauchte eine Reservierung für die Schlafplätze, und die wollten wir hier erstehen. Nach etwas hin- und her und Hilfe vom Übersetzungsprogramm schafften wir es, unsere Reservierungen für den 3.5. zu bekommen, wenn wir Serbien wieder Goodbye sagen wollten. Wir hatten zwar keine Ahnung, in welcher Art von Schlafwagenabteil wir landen würden, da wir gar nicht wussten, dass es unterschiedliche gab und die Dame uns auch nicht gefragt hatte, aber ein bisschen Spannung gehörte halt zum Reisen dazu. Wir suchten uns den Weg aus dem Untergrund an die Oberfläche und stellten fest, dass wir ab vom Schuss zwischen großen Ausfallstraßen gelandet waren. Zu allem Überfluss fing es nun an zu regnen und wir mussten mehrmals treppauf, treppab mit dem Gepäck die Straßen unterqueren. Bis in die Stadt zu unserer Unterkunft waren es 2,4 km Fußweg in den Abgasen der großen Straßen. Als wir endlich bei unserer Unterkunft „Business Apartments“ Waterfront“ ankamen, waren wir erstmal vom Zustand des Hauses geschockt und blieben noch dazu im Aufzug stecken. Erst nach mehrmaligem Drücken schaffte er es, uns ordnungsgemäß in der 4 Etage abzusetzen. Er musste funktionieren, denn wir hatten gerade noch einen Mechaniker ihn reparieren sehen. Nun hatten wir das Problem, in unser Zimmer zu kommen. Schon vor Tagen hatte die Zimmervermietung uns aufgefordert, über die Booking.com Seite unsere Pässe in Kopie zu schicken, dann bekämen wir den Code vom Schlüsselkasten. Der Ablauf war nicht ungewöhnlich hier, denn Touristen mussten sich innerhalb von 24 Std anmelden am Aufenthaltsort, was in der Regel von der Unterkunft erledigt wurde, die auch die Tourismusabgabe kassierte. Nur hatte der Vermieter trotz mehrmaliger Nachfrage den Code für den Schlüsselkasten nicht geschickt und wir standen vor verschlossener Tür. Erst nach einiger Nachfrage schickte er uns eine SMS, dass wir eine Mitarbeiterin (wahrscheinlich die Reinigungskraft) anrufen sollten, die würde alles erledigen. Irgendwann klappte das auch wirklich und wir kamen in unser Zimmer, was im Gegensatz zum Treppenhaus und Flur davor ganz OK aussah. Die Miniküche war sehr spartanisch bestückt, das Klopapier für 2 Tage und zwei Personen nur ein kleiner Stapel Einzelblätter und die Bettdecken lagen nicht auf dem Bett sondern im Schrank, aber es schien sauber zu sein und war ganz gemütlich. Wir waren allerdings nicht die Einzigen, die vor der Tür standen. Ein russischer Gast, der kein Serbisch und kein Englisch konnte, hatte dasselbe Problem, aber nicht so viel Glück wie wir. Wir versuchten mit Hilfe von Google Translate zwischen ihm und der Mitarbeiterin, die uns am Telefon den Code gegeben hatte, zu vermitteln, aber ihm wurde einfach gesagt, dass für ihn kein Apartment da wäre, bzw. keine Buchung vorläge, obwohl er ein Bestätigung von Booking.com hatte und sagte, er hätte bereits bezahlt. Die Mitarbeiterin vermutete, dass es zu einer Doppelbuchung gekommen war, und nun wurde der Herr einfach ausquartiert. Wir konnten natürlich nicht prüfen, ob seine Buchung vielleicht für ein anderes Objekt war, aber beim nachträglichen lesen der Rezensionen zu dieser Apartment Vermietung erschien die Doppelbuchung sehr wahrscheinlich. Wir zogen ein und machten uns dann auf den Weg, die Umgebung zu erkunden. Unseren Hunger stillten wir bei einem chinesischen Fast Food Restaurant mit riesigen Portionen Nudeln mit Tofu und Gemüse. Es regnete immer noch, was die Stadt nicht gerade attraktiv machte. Nach Novi Sad war der erste Eindruck: groß, viel Verfall und Verkehr. Die Fußgängerzone hob das Ansehen schon etwas, aber auch, wenn es da ebenfalls ein paar herausragende und guterhaltene oder restaurierte Gebäude gab, kam sie an die schmucke Innenstadt von Novi Sad nicht heran. Vielleicht hatte ich auch zu viel erwartet, denn man las überall, dass Belgrad sich zu einer der hippesten Städte Europas, vergleichbar mit Berlin, entwickelt hätte, aber das konnte ich nach dem ersten Eindruck nicht bestätigen. Ja, es gab dieselben Modegeschäfte wie in allen Großstädten und eine supermoderne Mall, aber das machte sie nun nicht gerade besonders. Auffallend war, dass es sehr viele Buchläden dort gab, was ggf. auch an der Universität nebenan lag. Schön war der Park Kalemegdan mit der Bastion Svetog Jakova. Die Festung war von beeindruckender Größe und beherbergte heute ein Militärmuseum mit militärischen Geräten seit Beginn der slawischen Besiedlung. Das Museum ließen wir links liegen, aber der Ausblick von der Festung auf den Zusammenfluss von Donau und Save, sozusagen das „Deutsche Eck“ Serbiens, war sehr schön. Auf dem Rückweg zur Unterkunft kauften wir noch ein paar Lebensmittel und ließen danach die Seele in unserem Zimmer baumeln. Der abendliche Blick aus dem Fenster auf den beleuchteten alten Bahnhof und das Denkmal davor entschädigte für den Trouble zuvor. Der war wirklich „erste Sahne“.

Dienstag, 25.4.2023 Belgrad
Bei Sonnenlicht sah doch alles viel freundlicher aus. Belgrad stieg zwar nicht zu meinen Favoriten auf, aber es hatte auch ganz nette Ecken. Das Problem bei Großstädten ist immer, dass man sie eigentlich mehrmals oder über längere Zeit „entdecken“ müsste. Bei kleineren Städten konzentrieren sich die Sehenswürdigkeiten und netten Gassen meist um einen mehr oder weniger großen Altstadtkern. Bei Städten wie Belgrad oder z.B. auch bei uns in Berlin verteilen sie sich. Da bietet der eine Stadtteil diese Besonderheit, der andere etwas anderes und man weiß nie, wo man anfangen soll und wo es noch das ein oder andere Highlight, was ja vielleicht auch von Geschmack zu Geschmack und von Alter zu Alter unterschiedlich ist, zu finden ist.
Wir waren am Morgen, bewaffnet mit Regenjacken und Schirmen losmarschiert und das Wetter dankte es uns und blieb trocken, zum Teil sogar sonnig. Unser erster Stopp war Novi Dvor, ehemalige königliche Residenz und heute Sitz des Präsidenten. Er befand sich mitten in der Stadt und hatte einen kleinen Park mit Blumenrabatten und dem im Balkan obligatorischen Springbrunnen. Von hier aus gingen wir weiter zur Kosancicev Venac, einem Teil der Altstadt, der noch Kopfsteinpflaster hatte und nette Bars und Cafés und bemalte Häuser. Danach wanderten wir auf der Donaupromenade um die Festung herum. Viele Hausboote, teils mit Restauration, säumten den Weg und auf der anderen Seite des Weges, der immer auch einen extra gezeichneten Radweg hatte, waren unterschiedliche Sportanlagen von Fitnessgeräten im Park bis zu mehreren zeltartig überdachten Tennisplätzen, die mit Flutlichtern von außen angestrahlt werden konnten. Nach einigen Kilometern wurden die Beine schwer und wir begaben uns in Richtung Unterkunft, wobei wir unterwegs noch bei einem indischen Schnellimbiss Reis mit Kichererbsen Curry verspeisten und Mango Lassi dazu genossen. Nach einer Erholungspause im Zimmer machten wir uns auf den Weg zur Bushaltestelle, von wo wir am nächsten Tag zum Flughafen kommen sollten. Wir wollten checken, ob wir das Ticket heute schon kaufen konnten und wie lange wir dorthin liefen. Nein, wir wollten nicht fliegen, sondern am Morgen dort unseren Mietwagen abholen. Unterwegs ließen wir uns noch je einen Palatschinken zum Abendessen schmecken. Ab dem nächsten Tag sollte es dann wieder mehr in die Natur und zu einem längeren Aufenthalt in Kruševac, von wo aus wir die Umgebung erkunden wollten, gehen.

Mittwoch, 26.4.2023 Belgrad nach Kruševac
Unser neuer und diesmal längerer Standort war Kruševac im Süden Serbiens. Wir wollten hier bis zum 1. Mai bleiben und per Auto die Gegend erkunden, wie wir es auch von Rijeka und von Osijek aus gemacht hatten. Es war einfach schön, mal eine längere Zeit in einer Unterkunft zu leben und da der Ort kein Tourismuszentrum war, waren die Unterkunftspreise moderat. Wir zahlten für eine große, moderne Neubauwohnung mit Balkon und allem Drum und Dran pro Nacht 36€, da konnte man wirklich nicht meckern. Die Wohnung war eine der besten, die wir bei unseren Reisen je hatten. Kruševac hatte ca. 60000 Einwohner und war Eparchie der Serbisch- orthodoxen Kirche, was wohl in etwa einem Bistum in der katholischen Kirche gleichkommt. Was sie sonst zu bieten hatte, würden wir in den nächsten Tagen sehen, sie war für uns einfach recht zentral im Süden gelegen und nicht aufgrund irgendwelcher Besonderheiten ausgewählt worden.
Der Tag bestand heute also vornehmlich aus Fahrerei. Erst ging es mit dem Bus zum Flughafen, wo wir unser Auto abholen wollten. In der Anweisung stand, dass wir in der Ankunftshalle von einem Mitarbeiter erwartet würden. Wir hatten das schon häufiger, wenn die Vermietung nicht direkt ein Büro am Flughafen hatte. Wir waren etwas zu früh da, also wunderten wir uns nicht, dass noch niemand dort war. Als es dann aber 10:00 wurde gingen wir immer wieder in der sehr übersichtlichen Ankunftshalle umher und sahen uns die Leute, die Schilder hochhielten, genau an. Es kam und kam niemand. Wir versuchten die Autovermietung anzurufen, aber niemand ging ans Telefon. Irgendwann hatten wir die Nase voll und nahmen Kontakt mit Check 24, über die wir das Auto gebucht hatten, auf. Der Herr war sehr nett und rief wie vereinbart nach kurzer Zeit zurück. Er hatte ausfindig gemacht, dass die Autovermietung mit einer Untervermietung zusammengearbeitet hatte, diese Kooperation aber geplatzt war und damit auch die Verträge. Es tat ihm sehr leid und da es nicht unsere Schuld war, bekamen wir schriftlich, dass wir ein Auto gleicher Größe bei einer anderen Vermietung mieten konnten und CHECK24 uns das Geld erstattete, wenn wir die Unterlagen nach unserer Heimkehr zusendeten. Wir hofften, dass das auch klappte. Wir hatten Glück, dass wir ein passendes Auto mieten konnten und machten uns auf den Weg. Eigentlich wollten wir noch zu einem Naturschutzgebiet fahren, aber die Straßen, in die uns das Navi schickte, waren so katastrophal, dass selbst Stefan einsah, dass die nicht mit Mietwagen befahrbar waren. Auf dem Weg in den Süden gaben wir im Navi ein, dass wir Mautstraßen vermeiden wollten, aber wir wurden dennoch auf die Autobahn geleitet. Letztlich waren es für 90 km aber nur 440 Dinar (3,75€), was noch erträglich war. Es sollte laut Internet, Strecken mit 29 ct pro km geben, da hörte der Spaß dann auf. Wir wurden von unserer Vermieterin erwartet und konnten in unsere schöne Wohnung einziehen.

Donnerstag, 27.4.2023 Kruševac – Ausflug Kloster Manasija und Grza-Quelle
Die Natur hatte uns wieder. Wir machten unseren ersten Ausflug von Kruševac aus. Zuerst besuchten wir die Grza Quelle. Ein wunderschöner See, umgeben von Picknicktischen und Wanderwegen und ein Stück weiter ein tosender Wasserfall, der über Steine mit leuchtend grünem Moos ins Tal rauschte. Das Grün der Natur leuchtete so prächtig, dass wir uns kaum daran satt sehen konnten. Man hätte auch noch zu einem Aussichtspunkt wandern können, aber wir hatten keinen Handyempfang und somit keine Karte und die dort hing, machte uns auch nicht klüger, weil sie zum Einen in Kyrillisch war und zum Anderen nicht gekennzeichnet war, wo wir gerade waren. Außerdem gingen die Wege sehr steil bergauf und waren teils rutschig und matschig. Wir fuhren deshalb weiter zum nächsten Ort, dem Kloster Manasija. Es erinnerte uns an unsere Reisen in Rumänien und Bulgarien. In zumeist schöner Landschaft befanden sich beeindruckende Orthodoxe Klosteranlagen. In diesem Fall war das Kloster, das aus dem Jahre 1418 stammte, mit einer trutzigen Festungsmauer umgeben und lag in einer grünen Wald- und Hügellandschaft.
Wir lernten an diesem Tag, dass wir für die Strecken erheblich mehr Zeit einplanen mussten, weil man häufig nur mit 30-40 km/h unterwegs sein konnte und viele Baustellen Umwege und Wartezeiten verursachten. Einige Straßen waren auch ungeteert und erforderten sehr vorsichtige Fahrweise, sodass wir den geplanten Besuch in einer Höhle verwarfen, weil es viel zu spät geworden wäre. Wir hielten auf dem Rückweg noch in einem Ort an zum Palatschinken mit Eis essen und begaben uns dann nach Kruševac zurück, wo wir gerade so zum Sonnenuntergang eintrafen. Das Wetter meinte es heute gut mit uns, es war trocken und sonnig, wenn auch recht frisch. Wir bewegten uns hier tagsüber so zwischen 10-13? und nachts gingen die Temperaturen runter bis auf 1?. Solange es nicht ewig regnete, war das ok für unsere Zwecke. Auf 39? wie in Spanien konnten wir getrost verzichten.

Freitag, 28.4.2023 Kruševac – Ausflug Vrnika Banja, Zika und Studenica Klöster, sowie Nationalpark Kopaonik
Unsere Rundreise begannen wir heute mit einem Bade- , also Kurort und zwar mit Vrnika Banja. Es war wunderschön, bei herrlichem Wetter in dem schönen Kurpark mit Wasserfällen, japanischem Garten, einem Amphitheater und einer netten Fußgängerzone, wo derzeit gerade in kleinen Buden Handwerkskunst, Produkte wie hausgemachter Honig und Schnaps und Souvenirs verkauft wurden, umherzulaufen.
Natürlich besuchten wir auch heute wieder Klöster, denn sie waren hier so zahlreich, gehörten untrennbar zu Serbien und waren meist auch so beeindruckend, dass man davon gut mehrere auf einer Reise besuchen konnte. Am ersten, dem Zi?a Kloster kamen wir ungeplant vorbei. Es lag in Ortsnähe von Kraljevo, umgeben von Weinanbau und Landwirtschaft. Es hatte mehrere Türmchen und war hübsch verziert mit Ornamenten. Blühende Bäume und Blumen machten es zum Vergnügen, durch den Garten zu schlendern und die Sonne zu genießen. Die Kirche war mit Ikonen als Wandmalereien verziert, die im Laufe der Jahrhunderte schon an einigen Stellen abgeblättert waren.
Das Kloster Studenica hingegen lag eingebettet in Hügeln, Bergen und Wiesen und es war wunderschöne grüne Natur ringsum. Auch hier gab es wieder einen schönen, blühenden Garten, wo wir auf Tisch und Bank ein Picknick mit mitgebrachtem Kuchen machten. Die Kirche hatte wiederum leuchtende Wandmalereien und es fiel uns auf, dass die orthodoxen Kirchen hier in Serbien eine hellere und freundlichere Ausstrahlung hatten als wir sie in Bulgarien erlebt hatten, wo die Ikonen häufig erschreckend grausame Motive hatten und die Kirchen dunkel und Angst einflößend wirkten.
Unser letztes Ziel war der Nationalpark Kopaonik, nicht weit entfernt vom Kosovo. Hier ging die Fahrt bergauf und plötzlich tauchte rechts und links der Straße Schnee auf und wir kamen durch ein Skiresort. Es lag natürlich nicht mehr genug Schnee zum Skifahren dort, aber doch noch recht große, weiße Flecken. Bei ca. 1600 m über dem Meeresspiegel hatten wir von einem Aussichtspunkt einen tollen Blick auf die bewaldeten Berge und Hügel der Umgebung. Nach einem kleinen Spaziergang mussten wir uns auf den Heimweg machen, denn uns standen nochmals mehr als eine Stunde Fahrt bevor. Die Runde, die wir an diesem Tag gedreht haben, war zwar lang, aber genau richtig für einen Tag mit vielen unterschiedlichen und wunderbaren Eindrücken bei herrlichem Wetter.

Samstag, 29.4.2023 Kruševac – Ausflug Dunis Kloster und Niš
Dieser Tag war etwas durchwachsen. Wir hatten für den letzten Tag in der Gegend, an dem vor dem langen Wochenende noch Geschäfte geöffnet waren, die Stadt Niš im Süden ausgewählt. Auf dem Weg dorthin statteten wir dem Nonnenkloster Dunis einen Besuch ab, dessen Kirche wirklich eine beeindruckende Decken- und Wandmalerei aufwies. Schade, dass man sie nicht von innen fotografieren durfte, aber ich machte eh schon einen Fehler, da ich nicht begriffen hatte, dass am Eingang des Klosters Tücher bereitgestellt wurden, um sie als Kopftuch und Rock zu nutzen. Natürlich fiel uns auf, dass die Frauen alle Kopftücher trugen, aber ich hielt sie für hier lebende Nonnen. Peinlich. Ich wurde im kleinen Souvenirläden am Schluss drauf angesprochen, was ich auch erst nicht verstand, weil die Dame nur Serbisch sprach. Es wurde mir aber später klar.
Unser erster Stopp in Niš war nichts Vergnügliches, sondern mal wieder Konfrontation mit deutscher Geschichte. Wir besuchten das „Rote Kreuz Konzentrationslager“ in einem Ortsteil von Niš. Es war vornehmlich ein Durchgangslager für ca. 35000 Juden, Roma und politische Gegner gewesen, kostete aber dennoch ca. 10000 Menschen das Leben. Besonders hier war, dass es einen großen Ausbruchsversuch gab, bei dem es immerhin 147 Menschen schaften, zu fliehen. Danach kam es zu Massenerschießungen auf dem nahegelegenen Hügel Bubanj wo heute ein Gedenkpark an die Toten erinnerte. Den Part dominierten drei Betonobelisken, die erhobene Hände mit geballten Fäusten symbolisierten. Jede der drei Fäuste war unterschiedlich groß und stellte Männer-, Frauen- und Kinderhände dar, die dem Feind trotzten, symbolisch für die Tatsache, dass ganze Familien in Bubanj getötet wurden.
Danach gingen wir zu Fuß in die Innenstadt und kamen dabei durch die Festungsanlagen, in der u.a. ein Geschichtsarchiv, eine historische Moschee und Ruinen aus der byzantinischen Zeit zu sehen waren. Diese Parkanlage war ganz nett, die Innenstadt dagegen gefiel uns gar nicht. Ein nichtssagendes Gemisch unterschiedlicher Epochen, riesige moderne Spielhallen und Einkaufsmall, nichts, was das Auge wirklich fesselt. Ganz gut gefallen hat uns eine Eisdiele im Ambiente einer Tram. Hier machten wir Stopp für ein Eis, weil sie gemütlich wirkte und es draußen mal wieder begann zu tröpfeln. Es fing dann aber glücklicherweise nicht wirklich an zu regnen.
Als letztes besuchten wir den Schädelturm, der von den Osmanen nach einer Schlacht gegen serbische Rebellen aus deren Schädel gebaut wurde.
Auf der Rückfahrt wollten wir eine andere Strecke als auf der Hinfahrt nehmen und dabei noch einen See besuchen. Den fanden wir auch, aber die Straße wurde immer schmaler, ungeteert und letztlich zu einer solchen Stein- und Schlaglochpiste, dass wir sie nicht weiterfahren konnten. Das Navi schickte uns aber immer wieder in diese Richtung und wir irrten ziemlich lange herum und fürchteten, dass es dunkel würde, bevor wir aus dem Labyrinth wieder heraus fänden. Letztlich schafften wir es aber doch und fuhren einen endlos erscheinenden Umweg und kamen erst gegen 21:00 wieder bei unserem Apartment an. Hier zeigte sich, dass es doch einen entscheidenden Unterschied machen kann, ob man ein Navi hat, in das man eingeben kann, dass man nur geteerte Straßen haben will, oder Google Maps, wo es zwar gelbe und weiße Straßen gibt, die Beschaffenheit aber sehr unterschiedlich sein kann bei gleicher Farbe

Sonntag, 30.4.2023 Kruševac – Ausflug Jastrebac
An diesem Abend war ich platt! Wir wollten nicht wieder so viel Zeit im Auto verbringen und waren deshalb zum nahegelegenen Jastrebac Lake Resort gefahren. Es lag in herrlicher Natur nur ca. 30 Min Fahrt südlich von Kruševac. An einem See lagen Hotel, ein Kletterpark und ähnliches und, was für uns wichtig war, starteten hier mehrere Wanderwege. Wir machten uns auf den Weg zu einem, laut Angabe, einfach zu erreichenden Ziel. Zu Beginn des Weges konnten wir serbisches Sonntagsvergnügen beobachten. Entlang eines Flusses im Wald hatten sich zahlreiche Grüppchen, Familien ebenso wie Männergruppen und Jugendliche regelrecht eingerichtet. Tische, Stühle, Pavillons, Verstärkeranlage, Grills und kistenweise Bier, das im Fluss gekühlt wurde. Laute Musik schallte uns entgegen und man vergnügte sich sichtlich. Es hatte etwas von unseren Vatertagsgruppen zuhause. Umso höher wir aber kamen, umso stiller wurde es, und hoch ging es die ganze Zeit. Nach fast 2 Stunden bergauf, 420 Höhenmetern auf 4,2 km Strecke kam eine tolle Aussicht, die wir zu unserem Wendepunkt erklärten. Wir hatten zuvor ein Paar gefragt, wie weit es zu unserem Ziel „Sokolov Kamen“ (Falkenstein) noch sei und bekamen 1/2 Std gesagt, zumindest haben wir das so übersetzt. Das war mir zu viel Steigung, so gerne ich noch bis dort gegangen wäre. Wir gaben uns mit dem Ausblick zufrieden, der uns als ein würdiger Umkehrpunkt erschien und stiegen wieder bergab. Im Hotel erfrischten wir uns bei Eis und Cola, bevor wir wieder zurück nach Kruševac fuhren. Wir hatten Glück, gerade als wir das Haus betraten, fing es heftig an zu regnen. Nach einem Stündchen kam die Sonne wieder heraus und wir besuchten zu Fuß noch zwei „Highlights“ von Kruševac, die ich noch nicht gesehen hatte, Stefan natürlich schon beim morgendlichen Joggen. Das erste Ziel war der archäologische Park „Lazar’s Stadt“. Reste einer mittelalterlichen Stadt des Prinzen Lazar, dem in der Stadt gleich zwei Monumente gewidmet waren, boten sich uns zur Besichtigung an. Die Lazarica Kirche von 1376 wurde als besondere Leistung serbischer Architektur als Kulturdenkmal besonderer Wichtigkeit erklärt. Reste des Palastes, ein Turm und das Nationalmuseum im Gebäude eines ehemaligen Gymnasiums von 1863 waren auf dem Areal noch erhalten. Von hier gingen wir weiter zum Miniatur Freilichtmuseum in einem netten Park. Hier waren in Miniatur einige der wichtigsten Klöster des Landes ausgestellt. Die wesentlichen Hot Spots unseres Aufenthaltsortes dürften wir damit besichtigt haben, bevor wir am folgenden Tag unsere Tour fortsetzen wollten nach Šabac, wo wir noch zwei Nächte einplanten, um am Mittwoch morgens unseren Mietwagen wieder beim Belgrader Flughafen abgeben zu können. Die Fahrt von hier aus wäre reiner Stress geworden. Kruševac stellte sich um Nachhinein als guter Ort für einen längeren Aufenthalt heraus, besonders durch die tolle Wohnung. Wir hatten zwar längst nicht all das gesehen, was wir gerne besucht hätten, z.B. den Tara Nationalpark und den Derdap Nationalpark, aber die waren einfach zu weit entfernt, wenn man nur mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 40 km/h durch die Gegend fahren konnte. Natürlich hätten wir mehrere Orte zur Übernachtung wählen und rund reisen können, aber es war auch mal sehr angenehm, über mehrere Tage ein festes Zuhause zu haben. Man verlor ja auch viel Zeit bei dem ständigen Organisieren neuer Unterkünfte und häufigen An- und Abreisen. Manchmal war weniger eben doch mehr auf einer Reise.
Montag, 1.5.23 Kruševac – Šabac
Wir erreichten unseren letzten Unterkunftsort und waren nun in Šabac, westlich von Belgrad, südlich von Novi Sad, zu beiden Städten ca. eine Stunde Fahrtzeit. Der Abschied von unserer schönen Wohnung in Kruševac fiel schwer, aber wir hatten inzwischen dort auch alle erreichbaren Ziele abgegrast. Für die heutige Strecke nahmen wir uns Zeit, um unterwegs noch ein paar Stellen anzuschauen. Wir fuhren durch die Ovcarsko- Kablarska Schlucht, die wir uns aber spannender vorgestellt hatten. Wahrscheinlich sieht man sie nur richtig, wenn man dort wandern geht. Richtig begeistert hat uns hingegen das Kloster ?elije. Nicht nur, dass es wunderschön inmitten grüner Berge lag, es war auch als Bauwerk eine absolute Pracht. Auch wenn ich mit sakraler Malerei nicht viel anfangen kann, die Wand- und Deckenbemalung dieser Klosterkirche, die noch dazu lichtdurchflutet war, hat mich begeistert und in den Bann gezogen. Leider durften wir die ganze Anlage nur von außen fotografieren. Die enge und steile Anfahrt hat sich auf jeden Fall gelohnt und es gab außer uns auch etliche Autos dort oben, deren Besitzer das Kloster und wohl auch die Wanderwege besuchten. Es bot sich von oberhalb des Klosters ein schöner Blick auf einen fotogenen Viadukt.
Gegen 18:00 erreichten wir Šabac und zogen in unser neues Apartment. Es war wiederum recht groß mit Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer, Bad und großem Balkon, wirkte aber im Vergleich zur letzten Wohnung ehr billig und lieblos. Im Gegensatz zur letzten Vermieterin, die sehr bemüht und nett war, schien es sich hier nur um einen Verwalter zu handeln und zum ersten Mal, wollte er die Wohnung bei Abreise abnehmen. Da wir am Abreisetag möglichst früh und pünktlich abreisen wollten, um das Auto rechtzeitig am Flughafen abzugeben, passte uns das gar nicht, aber so war es nun einmal. Für 27€ pro Nacht durfte man auch nicht meckern und die Wohnung hatte außerdem einen Balkon, der schon eher eine große Terrasse war. Wir hofften für den nächsten Tag, entgegen des Wetterberichts, noch einmal auf Sonne, um sie nutzen zu können. An diesem Abend konnten wir bei lauen Temperaturen draußen bei einer Pizzeria eine Pizza genießen und zum Nachtisch in der Fußgängerzone ein Eis. Es gab auch hier den 1. Mai Feiertag und der schien sogar bis auf den 2. ausgeweitet zu werden, aber es gab keine gesetzlichen Öffnungszeiten. Klar waren öffentliche Gebäude an Feiertagen dicht, aber Geschäfte und Gastronomie öffneten und schlossen, wie sie lustig waren. An diesem Abend konnte man um 20:00 in der Fußgängerzone z.B. noch Schuhe kaufen, während z.B. manche Restaurants geschlossen hatten.

Dienstag, 2.5.2023 Šabac – Ausflug Kloster Kaona
Letzter Tag Auto, letzter voller Tag Serbien, wenn alles nach Plan lief. Nachdem Stefan sich morgens auf seiner Joggingstrecke erst gegen ein paar streunende Hunde wehren musste, hatte er sie später als Beschützer gegen andere freilaufende gewonnen. Sie begleiteten ihn und schreckten die anderen Hunde ab. Nach dem Frühstück gingen wir einer unserer Lieblingsbeschäftigungen nach, wir bummelten durch Second Hand Shops hier in Šabac und waren danach um ein Adidas Laufshirt und ein Unterhemd von Odlo reicher zum Preis von 5,12€ – zusammen! Danach verbrieten wir das gesparte Geld in einem zuckersüßen Café mit ebenso leckerer Torte wieder ??. Ein paar Kalorien mussten wir danach loswerden und sind zu den Resten der Festung von Šabac gelaufen, deren Errichtung 1471 begann, aber später von mehreren Herrschern umgebaut und erweitert wurde. Sehr viel war nicht mehr von ihr erhalten. Vor dem Bau der Festung war hier bereits ein Handelsplatz mit dem Namen Zaslon. Direkt bei der Festung wurde von der Stadt an der Save eine Promenade mit Sandstrand angelegt. Vom Sand konnte man aber heute nichts erkennen. Die Save führt gerade ziemlich viel Wasser. Wahrscheinlich war der Sand derzeit überspült. Man konnte jedoch ganz gut ein Stück am Fluss entlang laufen. Nachdem wir uns im Apartment umgezogen hatten, weil es uns bei 23? zu warm wurde mit langen Oberteilen, unternahmen wir noch eine letzte Tour mit dem Auto zum Kloster Kaona. Wie schon die letzten Klöster, die wir besichtigt hatten, lag es wunderschön mitten in der Natur. Was bei Kaona besonders war, war, dass der Glockenturm separat von der Kirche stand und sich mit Klostergebäude und Kapelle auf einem größeren, leicht hügeligen Areal mit Teich befand. Es wirkte sehr idyllisch und strahlte mit dem Quaken der Frösche eine unheimliche Ruhe aus. Die Kirche war, wie die gestrige, wunderbar von innen bemalt. Nach diesem Ausflug genossen wir unseren riesigen Balkon und die angenehme Temperatur. Uns stand ein langer und spannender Tag bevor. Wir mussten bis 11:00 das Auto am Belgrader Flughafen (ca. 1 Std Fahrt) abgeben und danach hatten wir endlos viele Stunden Zeit, bis abends um 20:20 unser Nachtzug nach Montenegro fuhr. Hoffentlich würden wir ein Schlafabteil für uns haben, sicher waren wir da nicht.

Mittwoch, 3.5.2023 Belgrad
Die Abreise aus Šabac, die Fahrt zum Flughafen und die Abgabe des Autos klappte problemlos. Wir waren gegen Mittag per Bus im Zentrum und verbrachten erstmal zwei Stunden auf einer Café- Terrasse bei Tee und Kaffee. Irgendwie mussten wir die vielen Stunden ja rumbekommen und mit Rucksack und Koffer war man im Allgemeinen in Museen nicht willkommen. Nach dem Café liefen wir etwas in der Innenstadt herum und wollten eigentlich Verpflegung für unterwegs einkaufen, aber dann kamen wir bei unserem chinesischen Wok Restaurant vom ersten Tag in Belgrad vorbei und Stefan hatte Lust, dort noch einmal zu essen. Ich fand es jetzt nicht soooo überwältigend dort, aber auch nicht schlecht und es hatte mehrere Vorteile: große Portionen, die Möglichkeit, sich lange dort aufzuhalten, weil es über drei Etagen ging und nie komplett gefüllt war, und der letzte Vorteil zeigte sich uns erst am Platz: es gab eine Steckdose, um unsere Handys nochmal aufzuladen. Die Akkus mussten evtl. bis zum Abend drauf halten, falls es im Zug keine Steckdose gäbe. Da wir sie für Tickets, Orientierung und Unterhaltung brauchten, wäre es ein Drama gewesen, wenn sie zwischendrin den Geist aufgegeben hätten. Gegen 16:30 machten wir uns auf den Weg, um noch Reiseverpflegung einzukaufen und liefen dann den langen Weg über 3 km zum Bahnhof „Belgrad Central“. Dort erkundigten wir uns nach dem Abfahrtsgleis und danach, was für eine Kabine wir eigentlich gebucht hatten. Hurra, es war eine Zweibett-Kabine und nicht so ein 6-er Liegeabteil, vor dem ich schon vorher Albträume hatte. Nun konnten wir getrost im „super gemütlichen“ Wartebereich im Untergrundbahnhof auf unseren Zug warten.

https://youtu.be/PxcmIZVwNoI

Donnerstag, 4.5.2023 Nachtfahrt mit Zug nach Podgorica/Montenegro, Weiterfahrt mit Bus Tirana/Albanien
Wir waren rund 36 Std unterwegs, morgens mit Auto von Šabac nach Belgrad, abends mit Nachtzug nach Podgorica in Montenegro, wo wir heute Morgen von einer wunderschönen Bergwelt begrüßt wurden. Der Zug hatte mehr Stil als der Nachtzug von Budapest nach Bukarest, den wir im letzten Jahr zweimal genommen hatten. Er erinnerte ein kleines bisschen daran, wie man sich den Orientexpress vorstellt: Innen mit Holz verkleidet, roter Plüsch als Rückenlehne und Hockerbezug und rote Gardine im Schlafwagenabteil. Ein Waschbecken und ein Einbauschränkchen aus Holz gab es auch. Zu zweit war es echt nett, damit zu fahren und es war toll, dass wir das Fenster selber öffnen konnten. Zum einen war gut eingeheizt und definitiv zu warm zum Schlafen und außerdem konnten wir so heute Morgen gut fotografieren. Bei der Landschaft war es eigentlich schade, dass wir nicht den Tageszug genommen hatten, aber da sich der schönste Teil der Strecke wohl in Montenegro befand, war es eigentlich auch egal. Dieses Land faszinierte uns nun schon zum zweiten Mal durch seine unglaubliche Natur. Wir waren 2018 bereits einmal mit dem Wohnmobil dort und ganz begeistert. Um 5:00 ging der Wecker und ab da konnten wirauch draußen die Schönheit bewundern. Wir kamen mit ca. 1,5 Std Verspätung in Podgorica an, was aber wegen der Grenze wohl normal war. Diese Grenzabfertigung mitten in der Nacht war eigentlich das Einzige, was bei Nachtzügen richtig nervig und anstrengend war.
In Podgorica kauften wir uns direkt Bus Tickets nach Tirana für den 13:00 Bus. Danach tranken wir einen Kaffee zum Wachwerden und gingen dann noch etwas auf Stadtbesichtigung. Ich fand die Stadt ganz ok, wenn auch nicht vergleichbar mit anderen Hauptstädten. Sie hatte nette Parks und die Festungsreste am Zusammenfluss von Mora?a und Zeta boten einen herrlichen Rückzugsort. Podgorica war nun sicher keine hippe Hauptstadt mit vielen Sehenswürdigkeiten, aber sie war echt entspannt und entspannend gegenüber dem quirligen Gewühl normaler Großstädte. Der Bus brachte uns ab Mittag dann mit mehr als einer Stunde Verspätung nach Tirana. Uns war zuvor nicht klar, welchen Schlenker er noch nach Durres an der Küste macht. Ziemlich platt kamen wir erst gegen 19:00 am Ziel an, schafften es dann aber gleich, uns noch SIM-Karten zu kaufen und unsere gigantisch große Wohnung mit 100 qm zu finden. Hier hätten wir auch als ganze Familie noch Platz finden können.

https://youtu.be/Mv9a5Z1raLY

Freitag, 5.5.2023 Tirana
Tirana war für uns auf dieser Reise eine wirkliche Entdeckung im Gegensatz zu anderen Hauptstädten. Tirana wurde zwar bereits 1372 unter diesem Namen erwähnt und älteste Funde auf dem Stadtgebiet waren sogar aus der Römerzeit, aber an Bedeutung als Stadt hat sie erst 1920 gewonnen, als sie zur Hauptstadt ernannt wurde. Zu der Zeit begannen erste städtebauliche Maßnahmen, wobei man sich der Unterstützung Italiens bediente. Seit der Zeit nahm die Bevölkerung stetig zu und lag nun bei ca. 600000 Einwohnern. Sie erwies sich als eine quirlige, moderne Stadt, wo unterschiedlichste Architektur aufeinander trafen, was aber nicht abstoßend wirkte, sondern ihr einen geradezu lebendigen Charme verlieh. Man wusste häufig gar nicht, wo man zuerst hingucken sollte. Da stand die prachtvolle Et’hem-Bey-Moschee aus 18. Jahrhundert neben dem 1948 zum Kulturdenkmal erklärten Uhrturm aus dem 19. Jahrhundert und dahinter reckte sich ein wie aus blauen Schachteln gebauter, riesiger Hochhausturm in den Himmel, der oben breiter war als unten. Davor befand sich der riesige, geflieste Skanderbeg Platz mit Reiterstandbild, der umgeben von öffentlichen Gebäuden wie der Oper und dem Nationalmuseum mit gigantischem, 440 qm großen Mosaik aus dem sozialistischen Realismus war. Nicht weit von hier fand man Mauerreste einer osmanischen Burg aus dem Mittelalter, die heute den Rahmen für Cafés und Handwerksläden bot. Dahinter erhob sich der TID Tower, bis 2019 mit 85 m Höhe Albaniens höchstes Gebäude. Er beherbergte ein 5* Hotel und war ebenfalls ein architektonischer Hingucker. Wiederum verjüngte sich der Turm nach unten und änderte dabei seine Form von rechteckig zu oval. Das Straßenbild war lebendig, überall waren Menschen unterwegs oder relaxten in Cafés, Radfahrer suchten sich ihren Weg und fuhren auf z.T. gut ausgebauten Radwegen so zügig, dass man aufpassen musste, ihnen nicht in die Quere zu kommen. Autos fuhren durch die kleinsten Gassen und waren das einzig Nervige und eine wahre Gefahr in der Stadt. Viele kleine Geschäfte, zumeist Elektronikläden oder Boutiquen, aber auch kleine Lädchen, die alles führten von Stecknadel bis Gießkanne, sowie zahlreiche Obst- und Gemüseläden, wie auch Bäckereien, deren Preise häufig besser waren als in den Supermärkten, reihten sich aneinander. Supermärkte hatten z.T. horrende Preise. Sie waren für gleiche Produkte teils 2-3 mal so teuer wie in Deutschland, so wollten sie z.B. für Bio- Haferflocken umgerechnet über 5€, für normale rund 2,50€, für Hummus 5€ und Marmelade bis zu 6€. Auch Brot hatte astronomische Preise. Obst hingegen war bezahlbar und ebenso Käse aus dem Kühlregal. Am Käsestand hingegen konnte man einheimischen, angemachten Ziegenkäse wiederum günstiger bekommen. Das gastronomische Angebot war hier in Tirana viel breiter als wir es in Serbien erlebt hatten. In Serbien galt der Satz „Fleisch ist unser Gemüse“. Man konnte diverseste Fleisch- meist Grillgerichte bekommen, aber für Vegetarier blieb häufig nur süßer Palatschinken oder mit Glück Pizza. Hier in Albanien war die Auswahl um einiges größer. Einflüsse italienischer und türkischer Küche, auch mit vegetarischen Angeboten, machten es uns leichter, wenn auch wie immer mein bester Koch mein lieber Mann war????.
Außer architektonischen und kulinarischen Eindrücken konnten wir auch etwas über die grausige Geschichte Albaniens unter dem sozialistischen Diktator Enver Hoxha von 1944-1990 erfahren. Wir besuchten das Museum BunkArt 2, untergebracht in einem unterirdischen Atombunker mit Durchgang zum Innenministerium, dass vornehmlich die Geschichte Albaniens nach dem Rückzug der Wehrmacht 1944 zum Thema hatte. Die sozialistische Diktatur vertrat nach außen hin den Kampf gegen den Faschismus und schottete sich gegen den Rest der Welt ähnlich extrem ab wie heute Nord-Korea. Es gab Verfolgung von Regimegegnern, Konzentrationslager und die Geheimpolizei Sigurimi, die ähnlich perfide Methoden hatte wie Stasi und Gestapo. Eine Ausreise von Bürgern war nicht möglich und eine Einreise von Ausländern nur unter folgenden Bedingungen:

DIE ANWEISUNG NR. 7, Datum 25.04.1975

„ZUR EINFÜHRUNG AUSLÄNDISCHER BÜRGER IN DIE VOLKSREPUBLIK ALBANIEN“

  1. Die Grenzbehörden des Innenministeriums verweigern die Einreise in die Volksrepublik Albanien all jenen Ausländern, die mit ihrem Aussehen gegen die Normen der sozialistischen Ästhetik verstoßen, wie Männer mit langen Haaren wie Frauen, mit übertriebene Koteletten, mit unregelmäßigen Bärten und unangemessener Kleidung und Frauen mit Mini- und Maxiröcken.
  2. Personen mit extravaganter Kleidung und unregelmäßigem Aussehen (mit Ausnahme von diplomatischen Vertretern, geladenen Regierungsvertretern und Sportmannschaften) ist der Zutritt zu den Durchgangs- oder Wartehallen gestattet. Dort teilt ihnen ein Vertreter der Grenzbehörden mit, dass sie nur dann in die Volksrepublik Albanien einreisen dürfen, wenn sie sich für eine Anpassung entscheiden (Haare schneiden, normale Kleidung). Wenn sie so etwas akzeptieren, dürfen sie in die Volksrepublik Albanien einreisen.
  3. Zoll- und Grenzbehörden erlauben keinen Durchgang konterrevolutionärer Literaturinhalte. Technische, kulturelle und künstlerische Literatur ist gemäß den Bestimmungen des Ministerratsbeschlusses Nr. 8, datiert 01.08.1975..
  4. Das Handelsministerium an den Grenzkontrollstellen (zu Land, zu Wasser, in der Luft) muss Lokale öffnen und das notwendige Personal zuweisen, damit Ausländer die Möglichkeit haben, normale Kleidung zu kaufen und sich zurechtzumachen.
  5. Das Handelsministerium muss Maßnahmen in Bezug auf Fahrzeuge, Hotels und Strände ergreifen
    etc., dürfen Personen, die dieser Anweisung nicht Folge leisten, nicht aufgenommen werden.
    (Erklärung aus dem Museum)
    Die Hotelzimmer, in denen ausländische Gäste, zumeist Diplomaten, aufgenommen wurden, wurden abgehört und beobachtet.
    Die Grenztruppen Albaniens waren hauptsächlich dazu da, eine illegale Ausreise der eigenen Bürger zu verhindern. Auf beides, Flucht und illegale Einreise, stand die Todesstrafe.

„Nach den 1990 vom Innenministerium verbreiteten Daten wurden ab 1949 etwa 1.000 Albaner von den Grenztruppen getötet, als sie versuchten, die Landesgrenzen illegal zu überqueren. Allein 1990 gab es 54 Morde an den Grenzen, der letzte am 20. Dezember 1990 in Shkodra. Laut offiziellen Statistiken des Innenministeriums über die Verhaftungen aus politischen Gründen in der Zeit von 1949 bis 1990 war der Hauptgrund der Verhaftungen in den Jahren 1953 bis 1961 der Fluchtversuch über die Grenze. Dies war ein Rekord, der auch in den Zeiträumen 1962-1967 und 1983-1989 wiederholt wurde.“ (Text aus dem Museum)

Als wir dem Bunker wieder entstiegen und ins Sonnenlicht traten, kamen wir uns vor wie der Unterwelt entkommen. Stefan durfte im Übrigen heute zum ersten Mal einen Seniorenrabatt genießen, der hier schon ab 60 gewährt wurde. Ich kam mit Behindertenausweis umsonst rein.

Samstag, 6.5.2023 Tirana
Nachdem wir beide stundenlang wie die Wilden gegoogelt hatten, welche Weiterreisemöglichkeiten sich uns boten, waren wir ziemlich entnervt. Zug fahren ging in Albanien anscheinend gar nicht, weil es keine Züge gab. Man hatte die Infrastruktur zu Zeiten des Kommunismus verfallen lassen. Hier fuhren nur Busse. Wir hätten unser Interrailticket auch nicht in Albanien nutzen können. In den Nachbarländern Griechenland und Nordmazedonien gab es Züge, aber es war partout nicht herauszufinden, wo sie fuhren und schon gar nicht wann. Über die Grenze mussten wir eh mit dem Bus und alle Versuche herauszufinden, ob es auch von grenznahen Orten noch öffentlichen Verkehr über die Grenze gab, scheiterten. Am Folgetag wollten wir erstmal drei Tage nach Berat, einer Stadt weiter im Süden Albaniens, wo wir mit dem Bus hinfahren wollten. Idiotischerweise fuhren nicht alle Busse vom Busbahnhof in der Innenstadt ab. Der wäre in unserer Nähe gewesen. Die Inlandbusse fuhren von Vororten ab, je nachdem, in welche Himmelsrichtung man fahren wollte. Wir mussten also erst noch einen innerstädtischen Bus finden, der uns zu dem Busbahnhof brachte, von dem aus wir dann nach Berat fahren konnten. Zum Glück fuhren anscheinend regelmäßig Busse dorthin. Ob wir dann danach wieder zurück nach Tirana kommen würden, um dann entweder per Bus nach Sofia und von dort mit Nachtzug nach Istanbul zu fahren, um unser Interrailticket zu nutzen, oder gleich mit dem Bus nach Istanbul, oder ob sich von Berat aus noch andere Möglichkeiten auftaten, stand noch in den Sternen. Es war halt ärgerlich, das Interrailticket zu haben und es eigentlich sowohl in Nordmazedonien als auch in Griechenland nutzen zu können und dass sich dann rausstellte, dass es keine internationalen Verbindungen (mehr) gab und die Inlandsverbindungen nicht mal auf der Webseite der Zuggesellschaften zu finden waren. Wie einfach musste das noch zu Zeiten gewesen sein, als es nur Jugoslawien gab und es anscheinend auch kein Problem war, in Griechenland mit dem Zug zu fahren.
Wir schlugen uns natürlich nicht nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln herum, sondern besichtigten auch noch etwas. Wir schafften es, einen Stadtbus zu finden, der uns zu dem zweiten Bunkermuseum, dem Bunk’Art 1 fuhr. Enver Hoxha ließ in den 70-igern und 80-igern rund 180000 Bunker bauen, geplant waren sogar weit über 200000. Nachdem er sich mit den anderen kommunistischen Staaten überworfen hatte und nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei sogar aus dem Warschauer Pakt ausgetreten war, sah er rund um sich nur noch Feinde und die große Gefahr einer Invasion. An die hunderte von zivilen Opfern, die beim Bau all dieser Bunker über ganz Albanien verteilt zu beklagen waren, erinnerte ein Raum im Bunk’Art1. In diesem Bunker, der gegen chemische, biologische und atomare Waffen sicher sein sollte, war unter anderem die Unterkunft, d.h. Schlaf- und Wohnzimmer für Hoxha untergebracht welche er zum Glück nie nutzen musste. Hauptthema der Ausstellung war die Entwicklung Albaniens von der Besetzung Albaniens durch erst die faschistischen Italiener, nach deren Kapitulation die deutschen, faschistischen Besatzer, hin zur Befreiung und Entwicklung der sozialistischen Volksrepublik. In Kreisen der Intellektuellen gab es auch Zuspruch für die deutschen Faschisten, die eigentlich kein großes Interesse an dem Territorium hatten und an den Nationalstolz der Albaner appellierten, wie die Erklärungen des Museums erkennen ließen.
Als wir nach ca. zwei Stunden wieder aus dem Bunker ans Tageslicht traten, hatten wir wieder Gänsehaut. Nun erhofften wir uns etwas Natur und fuhren mit der Gondelbahn auf den Hausberg Dajti. Die Bahn endete bei ca. 1050 Meter, der Dajti hatte insgesamt 1613 m. Wir konnten also nicht gerade so mal auf den Gipfel steigen. Das Gebiet war Nationalpark, aber auf der Höhe der Bergstation der Gondel war es mehr ein Vergnügungspark mit Hotel, Minigolf, Skaterbahn, Pony- bzw. Eselreiten, Schießständen und Quadfahren. Nicht nur, dass wir Vergnügungen dieser Art für unpassend in einem Nationalparks hielten, lag an einigen Stellen auch haufenweise Müll herum wie nach Saufgelagen. Es gab allerdings auch ein Schild mit Wanderwegen, aber zum einen erschloss es sich uns nicht und zum Anderen hatten wir bis zur letzten Gondel nach unten nur noch ca. 1 Std. Zeit, zu wenig, um wandern zu gehen. Den Rückweg zu laufen, kam auch nicht infrage, da die Strecke mit 4 Std und 8 km angegebenen war und wirklich steil war. Wir schlenderten herum und waren etwas enttäuscht, weil der Blick nach unten trotz Sonne und blauem Himmel oben, zu diesig war und nicht wirklich toll. Rechtzeitig vor der letzten Bahn machten wir uns wieder auf den Heimweg.

Sonntag, 7.5.2023 Tirana -Berat
Heute Morgen verließen wir unsere 100 qm Traumwohnung in Tirana und machten uns auf den Weg zum Busstop „Terminali“ beim Naturhistorisches Museum. Dort erfuhren wir, dass wir den Bus Richtung Kamzar nehmen müssten. Stefan machte ihn schnell ausfindig und er fuhr auch direkt ab. Wir mussten zum Nord-Süd Terminal bzw. auf Albanisch Terminali I Autobusave t? jugut she Verlut. Die Durchsage war aber auch auf Englisch und der Busbahnhof gar nicht zu verfehlen. Dort standen diverse Busse und Kleinbusse in unterschiedliche Orte, jeweils mit einem Schild im Fenster. Außerdem liefen Fahrer herum und fragten die Leute, wo sie hin wollten. Es war also ganz einfach, den richtigen Bus ausfindig zu machen. Nach ca. 2,5 Std Fahrt waren wir am Ziel und dort nicht die einzigen deutschen Backpacker in gehobenem Alter (hab ich das Wort Grufti nicht schön umschrieben???). Berat schien Leute wie uns anzuziehen. Deutsche mögen anscheinend Welterbe Städte mit Kopfsteinpflaster und Charme. Berat wurde auch die Stadt der 1000 Fenster genannt. Man ernannte sie 1961 zur Museumsstadt und seit 2007 war sie Weltkulturerbe. In der Altstadt lagen ihre typischen weißen Häuser mit den vielen Fenstern wie an den Berg geklebt beidseitig des Flusses Ossum und überblicken das Flusstal. Über der Stadt erhob sich die Burg, dahinter, mit 2400 m Höhe, der Tomorr, der mit schroffen Felsen und mit Schnee bedeckter Spitze majestätisch wirkte. Mit den grünen Hügeln ringsum ließ es sich leicht erahnen, wie schön die Natur in dem zum Nationalpark erklärten Gebiet ringsum sein musste. Berat galt als eine der schönsten, manche Reiseführer schrieben die schönste Stadt Albaniens. In den drei historischen Bezirken war so gut wie kein Neubau erlaubt, um das Häuserbild zu erhalten. Die Straßen jedoch waren bzw. wurden gerade erneuert und es gab eine großzügige gepflasterte Fußgängerzone mit zahlreichen Restaurants und Cafés und einem Park, die Wohlfühlatmosphäre vermittelte. Wir wohnten direkt in der Altstadt und als wir vom Bus kamen, kam uns unser Vermieter bereits entgegen, damit wir das Haus auch fanden. Es war im Gegensatz zu den bisherigen Wohnungen, wo wir häufig die Vermieter nie kennenlernten und mit Code ins Haus kamen, eher familiär. Die Familie wohnte neben uns, der Balkon ging ums Haus herum und war gleichzeitig Zugang zu den Wohnungen. Wir hatten einen Tisch und Stühle vor unserer Tür und konnten bei schönem Wetter morgens früh unser Frühstück draußen serviert bekommen. Ja, dieses Mal war sogar Frühstück (auch vegetarische Variante) im Preis von 30€ pro Nacht enthalten für eine Wohnung mit Küche, Schlafzimmer, Wohnflur mit Esstisch, Bad und Balkon. Die Preise sind waren ein Stück niedriger als in Tirana und besonders als in Serbien. Nicht unbedingt in den Lebensmittelläden, aber z.B. beim Bäcker zahlten wir für zwei Ringe mit Sonnenblumenkernen und zwei käsegefüllte Blätterteigstücke zusammen ca. 70 Cent. Ein preiswertes Abendessen. Für unser Essen in einem guten Restaurant, gegrillter Seebrass für mich, gefüllte Aubergine für Stefan, 1 Portion Pommes, 1 griechischer Salt, eine 0,7 l Flasche Wasser, 1 x Cappuccino und 1 x Dessert zahlten wir zusammen 18,50€. Da lohnte es sich kaum noch zu kochen, denn so reichhaltig aßen wir natürlich nicht immer. Die Busfahrten in den Städten waren immer nur Centbeträge und die lange Fahrt Tirana-Berat kostete uns zusammen gerade mal 8,81€, nur mal so zur Info, um eine Vorstellung zu bekommen.
Am nächsten Tag nahmen wir uns vor, zur Burg hochzusteigen und den Blick über die Stadt und das Tal zu genießen. Ich freute mich schon darauf.

Montag, 8.5.2023 Berat
Wie geplant besuchten wir heute die Burganlage und stiegen die 10% ige Steigung dort hoch. Von oben bot sich, wie erwartet, ein toller Ausblick. Man konnte ein Stück auf der Festungsmauer der aus dem 13. Jahrhundert erbauten Burg laufen. Es gab noch Reste einer alten Zitadelle, eine byzantinische Kirche, Wohngebäude und Reste zweier zerstörter Moscheen. Die Anlage war also recht groß. Auf dem Rückweg aßen wir im Restaurant ein für Albanien typisches Essen. Ich hatte gebackenen Schafskäse mit Tomaten und Paprika und Stefan gefüllte Champignons, dazu Pommes Frites. Nach einer Siesta in unserer Unterkunft genossen wir auf unserem Balkon frische Erdbeeren vom Stand um die Ecke mit Schokoladeneis von der Eisdiele. Als wir gerade fertig waren, kam unser Vermieter und brachte uns je ein Stück selbstgebackenen Kuchen. Hätten wir so weitergemacht, hätten wir demnächst einen Ticketaufschlag für Übergewichtige zu zahlen. Von weitem hörten wir Lautsprecher und unser Vermieter entschuldigte sich für den Lärm, aber sie hätten bald Wahlen und der Präsident hielte gerade eine Wahlrede im Ort. Wir hatten uns zuvor schon über ein erhöhtes Polizeiaufkommen gewundert, im Anbetracht dessen aber, dass gerade der Staatspräsident eine Rede auf einem öffentlichen Platz hielt, war die Absicherung nur ein Bruchteil von dem, was bei uns bei Politikern häufig so aufgefahren wird. Wir guckten kurz beim Platz vorbei, konnten aber nicht viel sehen außer Menschen, die mit albanischer Flagge wedelten und Applaus spendeten, alles sehr sittsam. Dann machten wir uns auf die Suche nach einem Friseur für Stefan, den wir aber nicht fanden. Von einem Berber, was wohl so viel wie Barbier hieß und von dem wir den typischen arabischen Haarschnitt erwarteten, der ja auch bei uns immer mehr kommt, wollte er sich nicht verunstalten lassen. Wir beide fanden diesen Schnitt mit rasierten Seiten und Haarschopf auf dem Kopf – mal davon abgesehen, dass er dafür gar nicht genug Haare gehabt hätte – hässlich. Erfolgreicher waren wir auf der Suche nach einem Geldautomaten, und wir fanden ein Reisebüro, wo wir uns bereits unsere Bustickets von Tirana nach Istanbul kaufen konnten, so gingen wir keine Gefahr ein, am Sonntag leer auszugehen. Unsere Planung war jetzt also, am übernächsten Tag von Berat nach Gjirokaster, einer Stadt weiter im Süden, die auch sehr nett sein sollte, zu fahren, am Samstag von dort mit dem Bus zurück nach Tirana und am Sonntag dann über Nacht ca. 18 Std per Bus über Griechenland in die Türkei zu fahren. Dort konnten wir dann wieder auf den Zug umsteigen.
Wie viel lieber wäre ich die Strecke dorthin auch mit dem Zug fahren, aber es war einfach unmöglich.

Dienstag, 9.5.2023 Berat
Der heutige Tag war Wandertag. Ich hatte eine Wanderung bei Komoot gefunden, die zwar hoch hinausgehen sollte, aber unter „leicht“ angegeben war. Wir liefen also auf die andere Flussseite und von da an hätte ich eine halbe Stunde lang denjenigen, der die Tour eingestellt hatte, den Berg runter schubsen mögen. Es ging schnurstracks auf einem zum Teil kaum noch erkennbaren Single Trail aus Schotter steil den Berg hoch! Nach den ersten 50 Metern bin ich nur noch weitergelaufen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, heile auf diesem Weg wieder runterzukommen und wusste, dass der Abgang woanders wohl nicht so steil sein würde. Von der Natur her war der Weg aber eigentlich schön mit Bäumen und blühenden Blumen. Oben angekommen standen wir vor einem unscheinbaren Denkmal aus sozialistischen Zeiten. Ab hier wurde der Weg wirklich schön. Er blieb etwa auf einer Höhe, wir hatten einen tollen Blick auf das Tal mit Berat und der Burg auf dem Hügel gegenüber und besonders schön war, dass es rund um uns in allen Farben grünte und blühte. Der Weg fiel langsam ab auf einem Fahrweg, der aber höchstens mit Allradantrieb zu bewältigen war. Unten kamen wir nach Velabisht und der gleichnamigen uralten Steinbrücke von 1774. Entlang des Flusses Osum wanderten wir zurück nach Berat. Hier, wie auch bei uns im Ort, herrschte überall rege Bautätigkeit. Wie bereits bei der sehr gelungenen Fußgängerzone, wurde auch hier die Straße gepflastert. Hier in Berat verstand wirklich jemand was davon, einen Ort lebenswert zu gestalten. Die Arbeit ging auch voran und man sah, wie aktiv hier gearbeitet wurde. Albanien und das Schmuckstück Berat wird in ein paar Jahren sicher aus der Tourismusbranche nicht mehr wegzudenken sein.
Eine lustige Sache muss ich aber noch erwähnen: Albanien ist mit 57% Muslimen, 2% Aleviten und 17% orthodoxen und katholischen Christen ein islamisches Land. Wir hatten es hier also mit den Rufen der Muezzine zu tun, die mich aber bisher weder gestört noch geweckt hatten. Anders ging es wohl einem Straßenhund vor unserer Tür. Ihm schien der Gesang nicht zu gefallen, denn sobald der Ruf erschallt, heulte er herzzerreißend mit, solange, bis der Ruf beendet war. Als wir das zum ersten Mal hörten, mussten wir echt lachen.

Mittwoch, 10.5.2023 Berat – Gjirokaster
Heute Morgen bekamen wir zu unserem letzten Frühstück außer dem bisherigen aus Brot, Spiegelei, Marmelade, Gurken, Tomaten und Oliven noch ein Gebäck, das wie ein dicker Pfannkuchen aussah, vergleichbar mit Pickert, wie ich ihn aus Bielefeld kannte. Dazu gab es Feigen, echt lecker. Gegen Mittag begaben wir uns zum Busbahnhof und fuhren mit einem Kleinbus nach Gjirokaster, ca. 2,5 Std Fahrtzeit südlich von Berat. Unterwegs kamen wir an einer wunderschönen Flusslandschaft des Flusses Lumi Drino, hinter dem sich grüne Hügel erhoben, entlang. Leider begann es dann zu gießen, sodass wir in strömendem Regen in Gjirokaster ankamen. Zum Glück holte uns unser Hostelbesitzer vom Busbahnhof ab. Ich lernte das noch mehr zu schätzen, als ich die Strecke kennenlernte. Es ging die ganze Zeit bergauf, zumeist auf Kopfsteinpflaster, was meinem Rollkoffer-Rucksack sicher nicht gut bekommen wäre. Der Ort schien wunderschön zu sein, aber auf regennassem Kopfsteinpflaster bergauf, bergab zu laufen, war eine recht rutschige Angelegenheit. Nach dem Einchecken begaben wir uns noch auf die Suche nach einem Restaurant, um zu Abend zu essen, liefen aber zuerst in die falsche Richtung und alle Restaurants hatten geschlossen. Letztendlich fanden wir das Basarviertel und dort hatte alles geöffnet und wir konnten dem Regen entfliehen. Nach dem Essen erwischten wir eine Regenpause, um nach Hause zu gehen. Wir hofften, am kommenden Tag die Stadt noch bei trockenem Wetter erkunden zu können.

Donnerstag, 11.5.2023 Gjirokaster
Unser Tag war voller Gedanken an unsere Tochter Antigone, denn zum ersten Mal auf unseren Reisen waren wir ständig umgeben von ihrem Namen. Wir frühstückten bei einem Bäckerei-Imbiss namens „Antigonea“. Sie boten die leckersten Torten, Teilchen und Kekse, sowie gefüllte Pita oder Sandwiches an. Danach erklommen wir den Berg zur Festung von Gjirokaster. Hier gab es , so schien es, keine Stadt ohne Festung und natürlich ging es immer steil bergauf auf Kopfsteinpflaster. Das sah super aus, war aber echt anstrengend, denn es ging erst steil bergab von unserem Hostel und danach steil bergauf zur Burg. Ein super Ausblick belohnte uns dafür. Er wäre zwar bei klarem Wetter noch besser gewesen, aber wir wollten nicht meckern, denn es war bis ca. 14:30 trocken entgegen der Vorhersage des Wetterberichts. Die Festung hatte riesige Ausmaße und stammte vornehmlich aus osmanischer Zeit. (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Burg_von_Gjirokastra). In der Nähe der Burg befand sich der „Tunnel des kalten Krieges“ was natürlich nichts anderes war, als wieder ein Bunker für die wichtigsten Mitglieder der ehemaligen kommunistischen Diktatur. Der Tunnel hatte Verbindung zur Festung und politische Gefangene, die dort einsaßen, konnten so zum Verhör in den Tunnel geschafft werden. Der Bunker hatte wiederum alle Vorkehrungen gegen atomare und chemische Angriffe. Bis zu 3 Monaten war sichergestellt, dass die kommunistische Elite hier leben und herrschen konnte. Danach ging der Strom aus, der durch Diesel betrieben wurde. Ich denke, nach drei Monaten dort unter der Erde, hätten die meisten noch andere Probleme gehabt, als dass es nur dunkel geworden wäre. Das Militär hatte zur damaligen Zeit dort jährlich drei Wochen Wehrübung.
Da es nicht zum Kriegsfall kam, konnte die kommunistische Führung getrost in der Moschee residieren, denn alle religiösen Stätten waren zur kommunistischen Zeit verboten. In Berat hatten wir bei einer Führung mithören können, dass sogar die Universität geschlossen wurde. Man wollte sich der Intellektuellen entledigen. Heute war in dem Gebäude ein Edelhotel. Als wir es in Berat zum ersten Mal sahen, hielt ich es für eine Kathedrale aufgrund seiner würdigen Ausstrahlung.
Auf dem Weg zur Festung in Gjirokaster war in die Bodensteine ein Spruch eingepägt, der in etwa bedeutete, dass Gjirokaster von solch wunderbarer Landschaft umgeben ist, dass Künstler, strengten sie sich auch noch so an, ob ihrer eigenen Unfähigkeit wütend würden, weil sie eine derartige Perfektion nie erreichen könnten. Ja, die Stadt hat mit ihrer Lage und ihrer wunderbaren Architektur wirklich eine 1 mit * verdient, wohnen wollte ich hier dennoch nicht. Für alte Menschen, Gehbehinderte und Autofahrer mussten diese steilen und noch dazu engen Kopfsteinpflasterstraßen, die sicher 10% und mehr Steigung hatten, ein Albtraum sein.
Zum Mittagessen gingen wir wieder zu unserer Antigonea und aßen ein Pitabrot. Wir rungen lange mit uns, ob wir für den Rest des Tages noch ein Auto mieten oder ein Taxi anheuern sollten, denn vor der Stadt lag die Ausgrabungsstelle einer der größten antiken Städte Albaniens mit dem Namen ANTIGONEA! Wie gesagt, unsere Tochter verfolgte uns den ganzen Tag. Wir entschieden uns dennoch dagegen, einen Mietwagen zu nehmen. Zum einen sah die Strecke auf der Karte so aus, als könnte es sich um Schotterpiste handeln, die ggf nicht mit normalem PKW befahrbar war und außerdem fanden wir mindestens 30€ für einen halben Tag, der uns noch blieb, zu teuer. Ein Ausflug mit Guide hätte uns sogar 90€ gekostet. Ein bisschen viel für ein paar alte Steine, auch wenn es schade war.
In unserem Hostel lernten wir einen älteren türkischen Professor kennen, der ein Sabbat-Jahr machte und sich seinen Lebenstraum erfüllte, mit dem Rad von Istanbul nach Spanien zu reisen. Den Anfang über Bulgarien, Mazedonien bis hier hatte er geschafft, er wirkte dennoch nicht so, als würde er die Tour bis August, wie geplant, schaffen. Er machte seine erste größere Tour und sein Equipment erschien nicht besonders hochwertig zu sein. Er war mindestens in unserem Alter, also auch kein junger, sportlicher Mensch. Wir unterhielten uns mit ihm auch über die Wahl in der Türkei und fragten ihn, ob er am Wochenende, wenn wir nach Istanbul führen, mit Demonstrationen rechnete, wenn Erdogan nicht gewinnen sollte, aber er verneinte das. Von ihm bekamen wir auch die interessante Info, dass es in der Türkei unterschiedliche Pässe gab. War man im öffentlichen Dienst beschäftigt, bekam die ganze Familie einen grünen Passe und mit dem braucht er für kaum noch ein Land auf der Welt (außer USA/Kanada) ein Visum. Der schien also fast noch besser zu sein, als unser europäischer Pass, mit dem sich ja bereits viele Türen öffnen.

Freitag, 12.5.2023 Fahrt Gjirokaster -Tirana
Von diesem Tag gab es nicht viel zu berichten. Unsere Busfahrt zurück klappte ohne Probleme und unser Zimmer direkt neben dem internationalen Busbahnhof konnten wir pünktlich beziehen. Für die letzte Nacht hatten wir nun wieder ein Zimmer mit eigenem Bad. Das Hostel war zwar ganz OK und man lernte so auch enmal ein paar Leute kennen, aber nur einen Waschraum für alle Geschlechter ohne jede Abtrennung fand ich dann doch nicht so toll. Die Duschen waren ok, wenn es auch immer eine Kunst war, sich unter der Dusche seine trocknen Klamotten anzuziehen. Entweder tropft es von oben, oder die Hose berührte den nassen Boden oder gleich beides und nachts der Toilettengang durchs ganze Haus war auch nicht schlaffördernd. Vor einer 18-stündigen Busfahrt sollte man sich da schon lieber etwas mehr Komfort erlauben, vor allem wenn es nur 8€ teurer war, dafür aber für jeden ein Frühstück enthielt. Wir wollten heute eigentlich in Tirana noch ein Glaubenshaus der Bektashi, des größten alevitisch-islamischen Derwischordens laut Wikipedia, besuchen, scheiterten aber am Bussystem. Die Busnummer laut Internet war nicht zu finden und die Buskontrolleure, die wir fragten, konnten mit dem Ziel nichts anfangen. Für etwas anderes war es auch bereits zu spät, daher kosteten wir noch ein letztes Mal die albanische Back- und Kochkunst aus und begaben uns zurück zu unserer Unterkunft. Der nächste Tag versprach sehr lang zu werden bis wir am Tag drauf morgens gegen 5:00 in Istanbul ankommen sollten.

https://youtu.be/hPw1DcKHTWI

Samstag, 13.5.2023 Tirana- Istanbul
Unsere letzte Unterkunft in Tirana hatte eine geniale Lage, direkt neben dem Busbahnhof. Wir mussten um 10:00 beim Bus sein und es reichte, 5 Minuten zuvor loszugehen, wobei ich meine Sicherheitsminuten durchsetzte und wir 10 Minuten zuvor losgingen ?? Das Frühstück war hingegen eine Enttäuschung: ein Croissant und ein Espresso für Jeden, ohne Geschirr, sondern noch in der Bäckertüte. Stefan ging gleich nochmal los zu unserem am Vortag bereits ausgekosteten Bäckerei- Patisserie- Imbiss und holte noch gut belegte Sandwiches. Am Busbahnhof lief alles wie geplant und wir hatten einen großen und guten Bus und das sogar mit nur 6 weiteren Fahrgästen und 4 Personen Personal. Die Landschaft, besonders in Albanien, zeigte sich unterwegs noch einmal in aller Schönheit: grüne Berge, türkiser Fluss, im Hintergrund sogar noch einmal Bergspitzen mit Schnee. Gegen die Fahrt konnte man eigentlich auch überhaupt nichts sagen, bis darauf, dass die zwei Busfahrer beide rauchten und der eine so viel, dass er sich jede neue Zigarette an der anderen anzündete. Wir saßen vorne in der zweiten Reihe und bekamen die ganze Zeit den Rauch und die Musik ab, auch nachts. Der ältere Busfahrer war noch erträglich, aber sein Kollege fuhr neben dem Rauchen auch noch wie ein Verrückter und hupte, sobald er auch nur etwas abbremsen musste. Als wir gegen zwei Uhr morgens, drei Stunden zu früh, in Istanbul ankamen, sah Stefan, dass er sogar eine rote Ampel überfuhr. Bei beiden Grenzen, sowohl Albanien-Griechenland als auch Griechenland-Türkei mussten wir aussteigen und zu Fuß zum Grenzschalter gehen. Bei der Ausreise aus Albanien sogar mit allem Gepäck, wofür sich aber niemand interessierte. Wir kamen ohne Probleme durch und das Buspersonal kaufte munter in den Duty-Free Shops ein, sicher weit mehr, als erlaubt war. Wenn wir es richtig gedeutet haben, ließen sie die türkischen Fahrgäste auch auf deren Ausweis noch die erlaubten Mengen zusätzlich kaufen. Uns behelligte niemand.
Da wir viel zu früh in Istanbul am gigantischem Busbahnhof Otogar in Esenler ankamen und unsere gebuchte Unterkunft erst ab 14:00 verfügbar war, mieteten wir uns beim „Otel Lider“, direkt am Busbahnhof, für die folgenden Stunden bis 12:00 mittags noch ein Zimmer. Für 50€ hatten wir schon bessere Unterkünfte, aber wir waren halt in Istanbul und mitten in der Nacht, direkt am Busbahnhof, konnte man wohl nicht mehr erwarten. Das Zimmer war ziemlich in die Jahre gekommen und das Bett sehr schmal und für Stefan zu kurz, aber wir hatten eine heiße Dusche und WLAN, um mit unseren Lieben Kontakt aufnehmen zu können. Gestört hat hauptsächlich, dass auch hier der Geruch von abgestandenem Rauch in der Luft hing. Wir hatten allerdings beim Check-in auch nicht explizit nach Nichtraucherzimmer gefragt. Der Rezeptionist sprach eh nur türkisch und russisch. Gegen das Frühstück konnte man nichts sagen, es war rein vegetarisch, ohne jede Wurst, wobei wir nicht wussten, was für eine Suppe im Topf war. Es gab Käse, Tomaten, Gurken, Oliven und Portionspackungen Marmelade, Honig, Butter und einen süßer Aufstrich mit Tahini (Sesam). Kaffee war leider nur in Nescafé Version zu haben und schwarzer Tee war natürlich auch da. Alles in allem war es also ok und wir gespannt, was uns der Tag so bringen würde.
Sonntag, 14.5.2023 Istanbul
Viel zu berichten gibt es über diesen Tag nicht. Nachdem wir unser „Stundenhotel“, was natürlich keines war, aber sicher häufig nur für Stunden von Leuten genutzt wird wie uns, die mitten in der Nacht auf dem Busbahnhof ankommen oder abfahren müssen. Wir machten uns nach dem Frühstück auf den Weg, um Sim-Karten zu besorgen, bekamen aber keine, obwohl sie überall von Vodafone, Turkcell und Telecom angeboten wurden. Das Problem war, dass die kleinste Karte 20 GB hatte und einen Monat gültig war, dafür aber mindestens 600 TL ( 28€) rund um den Busbahnhof sogar 850 TL (fast 40€) kosten sollte. Wir wollten aber keinen ganzen Monat in der Türkei bleiben und so viel Datenvolumen brauchten wir auch nicht. Außerdem hatten wir über viel günstigere Angebote im Internet gelesen und auch der Vermieter unserer Unterkunft meinte, dass wir nicht über 400 TL zahlen müssten. Er versprach, am kommenden Morgen mit uns zu einem Laden um die Ecke zu gehen und uns beim Kauf zu unterstützen, echt nett! In den Läden wurde aber, abgesehen von Sim Karten der Verfall der Lira schon sehr deutlich. Bei Restaurants waren die Preise oft durchgestrichen oder weggekratzt und neue drübergeschrieben. Ein Telefonladenverkäufer bestätigte uns auch, dass vor vier Monaten die Karten, die jetzt 600 TL kosteten, noch für 300 TL über den Tisch gegangen waren. Die Inflation war wirklich krass. Wir waren gespannt, wie sich das auf die an diesem Tag stattfindende Wahl auswirken würde. Gäbe es danach eine Türkei ohne Erdogan an der Spitze? Bezüglich Internet behalfen wir uns vorerst mit WLAN im Apartment, aber ohne Karte konnte es auf Dauer nicht gehen, allein schon für die Orientierung in der Stadt und in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Für letztere hatten wir direkt aufladbare Karten beim der Metrostation am Busbahnhof besorgt. Ein Mitarbeiter half uns, wobei man sagen muss, dass wirklich sehr wenig Englisch hier gesprochen oder verstanden wurde. Stefan meinte sich erinnern zu können, dass das damals, bei unserem Besuch 1987, noch besser war. Wir fanden unseren Weg zum Taksim Platz, in dessen Nähe wir unsere Unterkunft hatten, indem wir vorher die Karte downloadeten. Unser Apartment war klein, aber ok für drei Nächte. Ein bisschen blöd war die Wascherei der Klamotten im Waschbecken, aber ohne ging es nun mal nicht. Bei einem Rundgang durch die Umgebung konnten wir feststellen, dass es in Deutschland einfacher zu sein schien, vegetarisches Essen zu bekommen. Wir waren in mehreren Dönerläden, aber das Einzige vegetarische was zu finden war, war Linsensuppe und Salat. Es dauerte eine Weile, bis wir ein käsegefülltes Blätterteiggebäck in einem Imbiss fanden und es mit Ayran zusammen genießen konnten. Die Lebensmittelgeschäfte ringsum hatten ebenfalls keine besonders große Auswahl und hohe Preise. Viel selbst kochen war allerdings auch mit unserer Küchenausstattung kaum möglich. Am Abend gab es Nudeln mit Pesto Soße, die Stefan mit frischen Tomaten, Paprika und Kichererbsen aus der Dose verfeinerte. An diesem Tag hatten allerdings auch etliche Geschäfte wegen der Wahl geschlossen, das war aber bisher das Einzige, was wir diesbezüglich beobachten konnten. Wir hofften, dass es so blieb, wenn die Ergebnisse ausgezählt wurden. Es war vielleicht ganz gut, dass Erdogan in Ankara war und nicht wie geplant in Istanbul. Am Nachmittag schlief ich noch eine Runde und das so gut, wie schon seit langem nicht mehr. Die letzte Nacht in dem kalten Rauchgeruch im Hotel und im Bus verlangte ihren Tribut. Am Abend verfolgten wir die Auszählungen der Wahlzettel. Es sah sehr knapp aus für Erdogan.

Montag, 15.5.2023 Istanbul
Am Morgen erfuhren wir durch das Fernsehen, dass es zu einer Stichwahl kommen würde zwischen Erdogan und K?l?çdaro?lu. Wir begannen unsere Unternehmungen erst gegen Mittag, weil wir beide lange schliefen und es hier in der Türkei noch dazu eine Stunde später war als in Mitteleuropa. Unser Vermieter half uns, eine SIM-Karte für 500 TL/15 GB zu kaufen, sodass wir jetzt wieder unterwegs online waren. Danach begaben wir uns auf den Weg zum Hauptbahnhof Sogutlucesme, der nicht wie erwartet im europäischen Teil der Stadt war, sondern auf der asiatischen Seite. Wir fuhren dafür mit der Metro vom Taksim Platz bis zur Haltestelle Yenikapi und stiegen dort in die Mamaray Metro, eine Art Schnellmetro, die nur selten hielt und zwischen Europa und Asien pendelte. Das tolle war, dass wir mit einer Karte alle öffentlichen Verkehrsmittel in Istanbul nutzen konnten, natürlich ohne Taxis. Jede Fahrt auf einer Linie, egal wie lang, kostete laut Reiseführer 10 TL, also 50 Cent. Musste man umsteigen, kostete es nochmal dasselbe. (Im Nachhinein kann diese Angabe aber nicht ganz stimmen, denn uns wurden unterschiedliche Summen abgebucht, wobei wir nicht erkennen konnten, wonach die Berechnung ging). Diese Karte konnten wir am Automaten immer wieder mit Geld aufladen. Man musste abschätzen, wie oft man vorhatte zu fahren. Es war somit besser, häufiger kleine Beträge draufzuladen, als am Schluss nicht alles zu verbrauchen. Es stellte sich aber später heraus, dass man eh immer nur kleine Beträge draufladen konnte.
Im Bahnhof war es für uns dann ziemlich enttäuschend. Wir wollten eigentlich mit dem Lake View Express (Van Gölü Ekspresi) von Ankara nach Tatvan fahren, was eine ganz besonders schöne Strecke in den äußersten Osten der Türkei mit Ausblicken auf Berge, Seen, Klöster etc. sein sollte. Er fuhr ca. 25 Std und hatte Schlafwagen. Leider war die einzige Möglichkeit nur noch am folgenden Tag und nur Sitzplätze in der zweiten Klasse, statt Schlafwagenabteil. Zum einen hatten wir unsere Unterkunft bis für drei Nächte gebucht und außerdem wollten wir Schlafwagen fahren. Auch den Eastern Express (Dogu Ekspresi) nach Kars hätten wir nur noch mit 4 Liegen buchen können. Wir hatten uns aber nun mal ein Zweibettabteil in den Kopf gesetzt, also ging das auch nicht. Wir mussten ja auch wieder zurückkommen und die Züge waren extrem begehrt. Wir buchten daher erstmal für Mittwochabend den Nachtzug von Ankara nach Izmir und planten dann morgens von Istanbul nach Ankara zu fahren. Für diese Nachtfahrt bekamen wir noch eine Zweibett-Kabine in der zweiten Klasse. Es war leider keine der Panoramastrecken, aber zumindest ein Highspeedzug.
Nachdem wir mindestens eine Stunde mit der Buchung im Bahnhof beschäftigt gewesen waren, gingen wir erstmal einen Kaffee trinken und suchten danach eine Moschee, die es aber gar nicht dort gab, wo sie laut Google sein sollte. Was wir aber dabei fanden, war das Viertel Kadiköy auf der asiatischen Seite, das für seine Gassen mit Streetart, alternativen, trendigen Cafés und Boutiquen bekannt war, die sich hier aneinanderreihten und wo es viel entspannter war, als im normalen Großstadtgewühl. Es fuhren weniger Autos, Menschen relaxten in Cafés oder arbeiteten an Laptops und man fand mehrere Restaurants und Läden, die vegane und vegetarische Mahlzeiten anboten. Das nutzten wir aus und stellten uns je einen Teller mit unterschiedlichen Salaten zusammen für je 3€. Das Viertel gefiel uns gut und wir bereuten, unsere Unterkunft nicht im asiatischen Teil gebucht zu haben. Vielleicht konnten wir das noch auf der Rückreise nachholen. Weiter ging’s zur Sakirin Moschee. Sie war sehr neu, von 2009, und modern und laut Internet von einer Frau gestaltet worden. Sie hatte innen einen leuchtend blauen Boden und einen gleichfarbigen Bogen, in dem beim Gebet wahrscheinlich der Imam als Vorbeter stand. Im Hof war ein Springbrunnen. Die Moschee befand sich auf dem größten Friedhof der Türkei und einem der größten der Welt, dem Karacaamet Friedhof. Als wir dort waren, kamen gerade sehr viele Menschen aus der Moschee und wir vermuteten, dass es sich um eine Beerdigung handelte, denn der Iman hielt auch draußen noch eine Rede und wir sahen große Gestecke. Mir wurden allmählich die Beine schlapp, so begaben wir uns auf Umwegen in Richtung einer Metrostation. Dabei kamen wir an einer großen Mall vorbei, die von außen aber mehr hermachte als von innen. Irgendwie sehen Malls alle gleich aus und haben dieselben Geschäfte. Etwas weiter kamen wir ans Wasser des Bosporus, genauer gesagt dorthin, von wo die Fähren abfuhren zum europäischen Teil der Stadt. Da wir wussten, dass wir mit unserer Karte auch die Fähre nutzen konnten, fanden wir es eine super Idee, auf diese Weise zurück in den anderen Teil der Stadt zu fahren. Wir wussten nicht, wie der Fähranleger auf der europäischen Seite hieß, aber da gerade eine Fähre kam und alle Leute durch die Drehkreuze eilten, taten wir es ihnen gleich. Ich äußerte zwar noch meine Bedenken, ob wir richtig wären, aber Stefan meinte „egal, wenigstens Schiff fahren“. Unterwegs bemerkten wir dann, dass wir nicht auf die andere Seite, sondern entlang der Küste fuhren und inzwischen ging die Sonne schon unter. Nach geschätzten 20 Min legte der Kapitän an und wir fanden heraus, dass heute auch keine Fähre mehr nach Europa rüber führe. Es war trotzdem schön, auch mal dort mit dem Schiff gefahren zu sein. Wie gut, dass wir mit dem Handy eine Alternative rausfinden konnten. Wir fuhren dieselbe Strecke mit dem Bus zurück und vom Fähranleger wieder mit der Metro nach Hause. Inzwischen war es dunkel und die Taksim Moschee strahlte uns schön beleuchtet entgegen als wir aus dem Metroschacht kamen.

Dienstag, 16.5.2023 Istanbul
Wir begaben uns heute ins Touristengewimmel. Auf dem Weg dorthin benutzten wir nun auch die Straßenbahn. Unser erstes Ziel war die Cisterna Basilica, die auch der „Versunkene Palast“ genannt wurde und wobei es sich um eine spätantike Zisterne handelte. Man stieg in die Unterwelt und hatte einen palastartigen Raum mit beeindruckenden Säulen im Wasser vor sich. Durch unterschiedliche Beleuchtung gewann der Raum eine faszinierende Atmosphäre. Zur Zeit unseres Besuches fand im Wasser eine Kunstausstellung statt, deren Bedeutung folgendermaßen erklärt wurde:
„Die Werke, die unsere Seelen widerspiegeln, die jeden Tag mehr mit den Auswirkungen des ökologischen, soziologischen, politischen und ethischen Verfalls zu kämpfen haben, sprechen das Publikum aus einer Atmosphäre magischer Realität an. Diese Figuren verlassen die Landschaften von Traumuniversen, in denen wir uns unter der Decke verstecken und manchmal entkommen, wenn die Wahrheit wehtut.“(Schautafel)
Den Besuch der Zisterne fanden wir beide sehr beeindruckend. Sie befand sich nur wenige Meter von der bekannten Moschee Hagia Sophia, die wir dieses Mal nur von außen anschauten, da wir 1987 bereits drinnen waren und der Sultan Ahmed Moschee und dem Sultan Ahmed Mausoleum, die wir beide besichtigten. Beide Gebäude und auch der Park mit den Wasserspielen fanden wir sehr schön gestaltet. Dieses Gebiet war natürlich sehr stark touristisch besucht, aber es war noch gut zu ertragen. Es dürfte sich gerade um die schönste Zeit gehandelt haben: sonnig, aber nicht zu heiß und die Touristenströme noch überschaubar.
Weiter ging’s zum Großen Bazar, der uns aber nicht mehr so faszinierte wie damals. Vielleicht hatten wir inzwischen schon zu viele Bazare gesehen und waren von dem orientalischen Flair marokkanischer, ägyptischer und osmanischer verwöhnt. Schmuck, Textilien und Teppiche interessierten uns nicht und Gewürze und Handwerkskunst kamen uns an dieser Stelle etwas zu kurz, Obst, Gemüse und Essensstände sahen wir gar keine. Was mich jedoch immer, egal ob im Bazar oder in Geschäften völlig begeistern konnte, war die Auswahl und die hervorragende Präsentation von Patisserie Produkten und türkischen Süßwaren. Ich meine damit nicht unbedingt so süße Sachen wie Baklava, sondern Gebäck aus oder mit Nüssen, Datteln, Pinienkernen etc. Das sind alles kleine Kunstwerke und ich hätte mich dort täglich durchschlemmen können. Leider oder vielleicht auch zum Glück waren sie zu teuer, um sich damit einzudecken.
Nach dem Bazar kamen wir durch ein Viertel, was anscheinend fast ausschließlich von Farbigen bewohnt wurde. Zeitweise waren wir die einzigen Weißen auf der Straße. Obwohl es sehr bunt und geschäftig war, fanden wir es totlangweilig und eintönig. Es reihten sich auf beiden Straßenseiten unendlich viele Klamottengeschäfte aneinander. Es hatte leider weder einen Touch Afrika, noch waren die Geschäfte auch nur irgendwie interessant dekoriert. Es waren einfach zig gleichartige Shirts, Hosen, Kleider etc. in mehreren Farben und in unendlicher Menge neben- und übereinander aufgehängt. Was aber die Sache am eintönigsten machte, war, dass außer ein paar Hotels absolut nichts anderes dort war. Keine Restaurants, Cafés oder irgendwas, was diese Textilwelt mal unterbrochen hätte. Umso länger wir die Straße herunterliefen, umso mehr bekamen die Geschäfte Boutique-Charakter und die Hautfarbe der Verkäufer wurde erst gemischt und dann wieder nur noch weiß. Als dann endlich wieder Gastronomie auftauchte, waren wir bereits in der gehobenen Preisklasse angekommen und erreichten unsere Haltestelle, um zum Pierre Loti Hill zu fahren. Man konnte auf den Hügel per Gondelbahn fahren, aber die Schlange war so lang, dass wir es vorzogen, die ca. 900 m den Berg hochzulaufen. Der Weg ging entlang eines Friedhofs mit vielen alten Grabsteinen mit arabischer Schrift. Eigentlich hatte ich ehr einen Park hier erwartet, aber da hätte ich wohl die Beschreibung vorher besser lesen müssen. Was aber zutraf war, dass sich oben Cafés und Stände terrassenartig am Hügel befanden und man einen schönen Blick auf einen Teil der Stadt hatte. Hinunter ging es ebenfalls zu Fuß und dann zurück mit dem Bus zu unserer Unterkunft.

https://youtu.be/KrxmzFhgmJs

Mittwoch, 17.5.2023 Istanbul -Ankara- Izmir (Nachtzug)
Yeah, es klappte alles, wir waren in unserem ersten türkischen Nachtzug und hatten wirklich eine Zweibett-Kabine für ~26€. Um die Mittagszeit checkten wir bei unserer Unterkunft aus und gingen im Regen zur Metro. Zum Glück war der Weg nur kurz. Dann ging es mit Metro und Mamaray Metro zum Istanbuler Hauptbahnhof Sügütlecesme, was wir ja zuvor bei der Reservierung schon einmal testen konnten. Wir hatten noch Zeit für einen Kaffee und dann ging es mit modernem Hochgeschwindigkeitszug nach Ankara. Er war von innen vergleichbar mit unseren ICEs würde ich sagen. Was anders war, war, dass man zum Bahnsteig durch eine Sicherheitskontrolle ging wie beim Flughafen. Das Gepäck wurde durchleuchtet und man lief durch Metalldetektoren. Danach wurden die Tickets und Pässee gecheckt und dann konnte man einsteigen. So ersparte sich die Bahn die Fahrkartenkontrolleure im Zug. Nach 4 Stunden und 51 Minuten fuhren wir in Ankara ein mit 7 Minuten Verspätung. Das gab es also auch hier. Dort wurde es etwas unübersichtlich, weil der Bahnhof dort auf mehreren Ebenen war und auf der Anschlagtafel unser Zug nicht auftauchte. Mit Englisch kamen wir nicht weiter, aber mit Händen und einer Ladung Türkisch wurde uns klargemacht, dass wir vom anderen Bahnhof abfahren müssten. Das war erstmal eine Schreckminute, aber uns wurde bald klar, dass wir auf dem Highspeed-Bahnhof angekommen waren und auf der anderen Seite der Gleise der herkömmliche Bahnhof zu finden war. Dort im alten Bahnhofsgebäude hatte Kemal Atatürk nach dem Besuch der Landwirtschaftsschule an seinen ersten Tagen in Ankara gewohnt. Heute befand sich in dem Gebäude ein Eisenbahnmuseum und der Wagon, in dem er aufs Land gefahren war, war neben dem Bahnsteig zu bewundern mit seinem Konterfei in einem Fenster. Um kurz vor 8:00 fuhr unser Zug ein und wir freuten uns nun über das komfortablere Abteil im Vergleich mit dem Nachtzug zwischen Budapest und Bukarest. Hier hatten wir einen ausziehbaren Tisch, einen Kühlschrank mit Wasser und Snacks, eine Waschbecken und sogar Hotelschlappen. Dieses Mal wurden wir auch nicht von irgendwelchen Zöllnern in der Nacht geweckt, also hofften wir auf eine ruhige Nacht.

Donnerstag, 18.5.2023 Izmir
Wir kamen mit 2,5 Std Verspätung in Izmir an, aber wenn man sowieso erst um 12:00 das Gepäck abgeben und um 14:00 in der Unterkunft einchecken kann, war es ehr eine Freude, statt gegen 8:30 erst gegen 11:00 anzukommen. Wir genossen unser gemütliches Abteil und hatten uns etwas zu essen fürs Frühstück mitgenommen, sodass wir entspannt der Ankunft entgegen sehen konnten. Wir ließen uns im Speisewagen noch einen Kaffee geben, wobei der Service wirklich katastrophal war. Man drückte uns einfach Nescafé-Beutelchen und einen Pappbecher mit heißem Wasser in die Hand. Nach der Ankunft suchten wir uns unseren Weg zu unserer Airbnb Wohnung in einem 150 Jahre alten Steinhaus in Izmir. Es waren gut zwei Kilometer zu laufen und ich war froh über meine Rollkoffer -Rucksack-Kombi. Wir stellten unser Gepäck ab und die Reinigungskraft gab uns den Schlüssel, aber sie hatte noch Zeit bis 14:00 zum Putzen. Wir gingen derweil gefüllte Pide essen und schafften es gerade noch vor einem Gewitter wieder in der Wohnung zu sein. Endlich hatten wir wieder eine Waschmaschine, die ich gleich ausnutzte. Stefan holte seinen Jogginglauf vom Morgen nach als die Sonne wieder schien, aber unterwegs erwischte ihn ein erneutes Gewitter mit Starkregen, sodass er sich erst eine Weile unterstellen musste und dann durch knöcheltiefes Wasser auf der Straße zurückkommen musste. Wie gut, dass wir einen Fön hatten, sonst wäre er wegen nasser Schuhe für einen Tag ans Haus gefesselt gewesen. Wir genossen ein sehr leckeres Törtchen und machten uns auf den Weg zum historischen Aufzugsturm Asansör. In Izmir warent viele Häuser steil am Hang gebaut und 1907 kam ein jüdischer Händler, und wie am Aufzug vermerkt wurde, Philanthrop auf die Idee, einen Aufzug zu bauen, damit die Menschen aus den oberen Gebieten nicht immer 155 Stufen hochlaufen mussten. Hauptsächlich ging es aber wohl auch darum, Waren von der Küste zu den auf dem Hügel wohnenden Menschen zu bringen. Jetzt war der Hügel ein beliebtes Ausflugsziel, denn man hatte von oben einen schönen Blick über die Stadt und die Bucht und außerdem befanden sich in dem Gebiet sehr nette Cafés, Kneipen und Lädchen, so wurde einem der Weg bis zum Aufzug bereits versüßt, denn bis zu diesem gingen schon einige Treppen hoch, wo die Lädchen entlang der Treppe für nette Verschnaufpausen sorgten.

Freitag, 19.5.2023 Izmir
Wir schliefen wieder wie die Toten. Das war der Vorteil an einer durchwachten oder nicht so optimal geschlafenen Nacht: man hörte in der nächsten nicht mal mehr den Muezzin rufen, was bei dessen Lautstärke wirklich erstaunlich war. Zum Frühstück aßen wir zum ersten Mal Maulbeeren, die wir beim Kauf für Brombeeren gehalten hatten. Es war ein merkwürdiger Geschmack, oder besser ein merkwürdiges Gefühl, wenn man nicht darauf eingestellt war, denn sie sahen zwar aus wie Brombeeren, waren aber viel weicher und zergingen ehr wie Schaum auf der Zunge. Mit Erdbeeren und Haferflocken zusammen ergaben sie ein leckeres Frühstück. Danach machten wir uns auf den Weg in Richtung Bazar. Wir kamen am Hafen vorbei, von wo Fähren zur anderen Seite der Bucht abgingen, wie auch nach Griechenland. Das Wasser war sehr aufgewühlt und richtig dreckig. Uns fiel schon am Vortag auf, dass es nach Abwässern roch, trotzdem angelten die Leute hier noch. Wir kamen wieder zum Konak Maydani, ein berühmter Platz mit Uhrenturm, der kleinen, 250 Jahre alten Konak Moschee und der Kommunalverwaltung. Hier herrschte bunte Ausgelassenheit. Verkäufer von bunten Ballons, Rollifahrer, die Futter für die Tauben verkauften, Menschen, die sich vor dem Springbrunnen fotografieren ließen und fast reinfielen oder einfach nur auf einer der Bänke verweilten. Man merkte, dass hier politisch ein anderer Wind wehte. Zahlreiche Häuser hatten die Flagge von Atatürk aus dem Fenster hängen und auch Kemal K?l?çdaro?lu, Erdogans Herausforderer, hing auf Plakaten und Flaggen in Fenstern und an Wänden.
Im Kemeralti Bazar war an diesem Tag richtig viel los. Man schien am Freitag nicht nur vermehrt in die Moschee, sondern auch shoppen zu gehen. Ich fand den Bazar abwechslungsreicher als den in Istanbul, aber vielleicht hatten wir dort auch nur die falsche Ecke erwischt. Zur Stärkung vor dem Getümmel einverleibten wir uns ein sehr leckeres Schokoladentörtchen mit Banane und natürlich Kaffee in einer der zahlreichen Patisserien/Cafés. Die türkische Backkunst war wirklich hervorragend, was ich der Bedienung auch sagte und sie damit beglückte. Nach den vielen Eindrücken im Bazar stand uns der Sinn mehr nach Natur und wir begaben uns zum Kulturpark. Es handelte sich dabei um einen heute 420000 m² großen Park, der 1936 nach dem großen Brand von Izmir an der Stelle eines ehemaligen Wohngebietes errichtet und 1939 nochmal auf die heutige Größe erweitert wurde. Hier fand die internationale Messe, sowie Musik- und Sportveranstaltungen statt, es war ein Vergnügungspark mit Riesenrad und mehreren anderen Fahrgeschäften integriert und es gab viel Platz zum Entspannen, sowie für Sport und Spiel auf Rasen, Bänken, vor Springbrunnen und auf Sport- und Spielplätzen. Außerdem schlenderten wir vorbei an Bühnen und einer Kunsthalle, die leider geschlossen hatte. Draußen fanden wir ein interessantes Kunstwerk aus mehreren, jeweils aus zwei Steinklötzen gebauten Säulen mit geöffneten alten Koffern und Taschen. Weil ich gerne wissen wollte, was es bedeutete, fragte ich einen Parkwächter, aber er konnte mir auch nur sagen, dass es ein Kunstwerk sei. Als letzte Sehenswürdigkeit besuchten wir die Agora Ören Yeri, die Ausgrabungsstätte eines griechisch-römischen Marktplatzes und Stadtzentrums, die darauf hinwies, dass die Stadt Ende des 4. Jahrhunderts und zu Beginn des 3. Jahrhunderts v. Chr., direkt nach Alexander dem Großen, gegründet wurde.
Nachdem wir die Ausgrabungsstätte verlassen hatten, gerieten wir in einen älteren Teil des Bazars, der noch recht ursprünglich und chaotisch war, d.h. zwischen den Ständen fuhren Autos und Motorräder herum, die Geschäfte wirkten weniger modern und die Restaurants sahen aus, wie wir sie von früher kannten, bzw. wie wir sie in Deutschland manchmal auch heute noch finden: Dönerstand, Plastikstühle und -Tische und Neonlicht. Wir konnten sonst mit Freude feststellen, dass selbst die kleineren Dönerläden, Restaurants und Cafés bedeutend gemütlicher geworden waren. Kurz hinter dem Bazar fanden wir einen kleinen Imbiss, wo wir draußen sitzen und nicht von Autoabgasen eingenebelt wurden und teilten uns einen Teller mit Pommes mit Auberginengemüse und einen mit Tomaten-Auberginengemüse und Reis. Dazu wurde Brot und eine riesige Zwiebel zum Essen serviert. Ich habe sie nicht probiert, weil ich bei Zwiebeln meist Magenschmerzen bekomme, aber Stefan meinte, sie wäre überhaupt nicht scharf gewesen. Danach erstanden wir in einem kleinen Lädchen noch Käse, Brot und eine Marmelade aus Kürbis, Hasel- und Erdnüssen für unser morgiges Frühstück. Sie war sehr süß wie alles Süße hier in der Türkei, aber sehr lecker! Die Besitzerin des Ladens sprach sogar Deutsch. Danach gingen wir zu unserer Unterkunft und hatten gute 14,5 km hinter uns gebracht.

Samstag, 20.5.2023 Izmir – Ausflug nach Selçuk (Ephesos)
Wir nutzten unser Interrailticket aus und fuhren zwei Stunden südlich nach Selçuk. Bereits als wir aus dem Bahnhof kamen, wurden wir von antiken Säulen und Torbögen begrüßt. Selçuk befand sich ganz in der Nähe der riesigen Ausgrabungsstätte Ephesos, die wir besuchen wollten. Da es sehr warm und sonnig war und ich die Nacht zuvor miserabel geschlafen hatte, plädierte ich dafür, die fast 4 km dorthin mit dem Taxi zu fahren. Ich wäre sonst dort schon fertig angekommen. Die Ausgrabungen des in den Jahrhunderten durch Griechen und Römer geschaffenen Handelszentrums mit Amphitheater, Wohnanlage in Terrassenbauweise, wo sogar noch die Wandzeichnungen und Schriftzeichen zu sehen waren, sodass Archäologen noch heute Preise für z.B. Zwiebeln, Besuch des Bades, Kümmel etc. ablesen konnten und die Marmorwände waren sehr beeindruckend. Wir verbrachten bei der Ausgrabungsstelle, die uns entfernt etwas an Pompei in Italien erinnerte, einen interessanten, wenn auch durch die lange Fahrt, Wärme und viel Touristen rundherum ziemlich anstrengenden Tag. Zum Glück fuhren ab dem Eingang, der auch der Ausgang war, Minibusse ins Zentrum zurück. Hätten wir das ehr gewusst, hätten wir uns das Taxi sparen können Leider fuhren die Züge so selten, dass wir erst um 19:48 zurückfahren und nicht vor 22: 00 wieder in unserer Wohnung hätten sein können, aber dann kam alles doch anders. Wir waren in einem Café und ich hatte Crêpes mit Obst und Schokolade und eine Eiskugel bestellt. Stefan bestellte sich einen Fruchtshake namens Schwarzwald und aß meine Eiskugel. Irgendetwas hatte er davon wohl nicht vertragen, denn gerade als wir uns die Zeit bis zur Rückfahrt damit vertrieben, Tanzvorführungen von Volkstanzgruppen aus Serbien, Ukraine, Moldawien und anderen Ländern vor dem Café gegenüber des Bahnhofs zu gucken, wurde ihm speiübel und er erbrach sich in hohem Bogen und konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, war sogar kurz bewusstlos. Liebe Einheimische, eine Englisch sprechende Tochter mit ihrer Mutter, die glücklicherweise auch noch Krankenschwester war, kamen uns zur Hilfe. Sie brachten uns Tücher und ich reinigte ihn erstmal grob. Er meinte, er wolle mit dem Zug und nicht mit Taxi nach Izmir zurückfahren, letztendlich landeten wir aber doch noch im Taxi, dessen Fahrer ich hätte auf der Stelle erwürgen mögen. Ich hatte extra gesagt, er solle ganz vorsichtig fahren, weil es Stefan nicht gut wäre, aber er fuhr durchgehend zu schnell und telefonierte ständig mit Handy am Ohr, obwohl ich ihm gesagt hatte, dass ich das bei der Fahrt zu gefährlich fände. Diese dauerte immerhin rund eine Stunde. Izmir war 80 km entfernt von Selçuk. Wie schafften es gerade bis in unsere Wohnung und zum Klo, als es Stefan noch einmal oben und unten rauskam. Danach konnten seine Verdauungsorgane eigentlich nur noch leer sein und er legte sich geduscht in ein mit Handtüchern präpariertes Bett. Wie gut, dass wir eine Waschmaschine und einen äußerst funktionsfähigen Ventilator hatten! Alle Klamotten inkl. Schuhe wurden gewaschen und geschleudert und mussten bis zum Mittag am kommenden Tag wieder einsatzfähig sein, denn dann mussten wir auschecken. Wir mussten am Abend wieder mit dem Nachtzug nach Ankara fahren, von wo aus wir am darauffolgenden Mittag mit dem Bus nach Göreme in Kappadokien fahren wollten. Wir hofften, dass wir mit einem Schrecken davon kämen und nichts ernstes mehr passierte. Ich fand es ziemlich beruhigend, dass wir direkt neben einem gutaussehenden Krankenhaus wohnten, so für alle Fälle. Kennenlernen wollten wir es aber beide nicht. Ach ja, das erste Unglück oder besser Missgeschick passierte eigentlich bereits bei der Hinfahrt. Man muss beim Bahnhof wieder seine Sachen durch ein Röntgengerät laufen lassen. Ich hatte meinen liebsten Fleece Pulli oben auf den Tagesrucksack und unsere Bauchtaschen gelegt. Stefan nahm alles schnell entgegen und mir fiel erst im Zug auf, dass der Pulli nicht mitgekommen war. Wir hatten noch Probleme herauszufinden, wo unser Zug abfuhr und waren abgelenkt. Der Pullover musste im Röntgengerät hängengeblieben sein. Da wir abends nun nicht mit dem Zug zurückgefahren waren, konnte ich ihn wohl abschreiben. Bis zum nächsten Tag würde er kaum noch da sein, denn am Röntgengerät arbeitete niemand als wir durch die Schleuse gingen, was nebenbei den Sinn und Zweck dieses Gerätes in Frage stellte.

https://youtu.be/sRueEKQQHcU

Sonntag, 21.5.2023 Nachtzug Izmir- Ankara
Stefan ging es am Morgen besser, dafür hatte ich Durchfall. Unser Vermieter war so nett, uns bis abends, als wir zum Bahnhof losgehen mussten, in der Wohnung zu lassen. Wir konnten also richtig ausschlafen und uns ausruhen. Stefan scharrte nachmittags schon wieder mit den Füßen und wollte am liebsten joggen. Er ging dann eine Stunde spazieren. Mir war nicht danach und ich hätte es dem Vermieter gegenüber auch unfair gefunden. Er hätte denken können, wir wollten uns nur einen längeren Aufenthalt erschleichen. Gegen 17:00 machten wir uns auf den Weg, die fast 4 km zum Bahnhof mit Gepäck zu laufen. Wir hatten genügend Zeit, daher war es von der Anstrengung her auszuhalten mit meinem rollenden Gefährten. Stefan wollte mein Gepäck immer auch noch nehmen, aber was hätte ich davon gehabt, wenn er zusammen gebrochen wäre? Ich ließ ihn immer nur kurz auf Treppen meinen Rollkoffer-Rucksack tragen oder bei Steigungen ziehen, wenn es mir zu viel wurde.
Endlich saßen wir im Zug und warteten, dass die Reservierungen kontrolliert wurden und wir abfuhren. Ich hatte etwas Bammel, weil der Schalterbeamte die Reservierung auf meinen Mädchennamen statt auf Dyckhoff ausgefüllt hatte, meine Interrail-App aber natürlich auf Dyckhoff lautet. Laut Schalterbeamten war das kein Problem. Ist war zum Glück ja auch keine Fahrt über die Grenze, nur zurück nach Ankara.

Montag, 22.5.2023 Ankara- Göreme
Viel mehr als Fahren war an diesem Tag nicht, aber in Ankara erlebten wir noch eine interessante Begebenheit. Als wir dort mit zweistündiger Verspätung im Bahnhof einrollten, fanden wir zuerst die Metro nicht, auch keinerlei Ausschilderung. Wir versuchten es beim Schnellzugbahnhof gegenüber und dort sah ich vom Eingang aus ein rotes Metroschild. Wir machten uns also auf den Weg dorthin und sobald wir mit der Rolltreppe in den Untergrund gefahren waren, war alles um uns ruhig und wir waren ganz alleine! Was war das? Wir waren in der Millionenhauptstadt Ankara bei der Metro am Hauptbahnhof und niemand war da außer uns? Da waren aber die Drehkreuze, man hörte die Bahn fahren, aber wir hatten noch keine aufladbare Karte. Wir machten uns auf die Suche nach einem Automaten, fanden aber keinen. Als wir einen Mann fragten, verstand er uns immer falsch und dachte, wir suchten den Bahnhof. Englisch sprach mal wieder niemand. Als Stefan ihm per Übersetzer unser Problem nannte, ging er mit uns zur Metro und wir erfuhren, dass der Automat, den wir für einen Bankautomat hielten, denn er hieß Bancomat, die Metrokarten verkaufte. Eine Mitarbeiterin, die die Drehkreuze überwachte, sagte unserem Helfer aber auch gleich, dass er nicht funktionierte. Kurzerhand holte der Mann seine eigene Metrokarte heraus und ließ uns damit durchs Drehkreuz. Er wollte noch nicht mal das Geld dafür, bekam es aber natürlich in die Hand gedrückt. Er war uns wirklich eine große Hilfe. Als wir mit der Metro beim Busbahnhof ankamen, kauften wir uns dort gleich eine Karte und ließen sie aufladen, denn wir planten Ankara nach Göreme noch einen längeren Besuch abzustatten. Beim Busbahnhof hatten wir noch einige Zeit, bis der Bus kam, der uns dann nach Göreme Kappadokien brachte. Schon vor dem Ort begann die Landschaft sich in eine Phantasiewelt zu verwandeln. Die „Feenkamine“, Gesteinsformationen, für die Kappadokien berühmt war, umgaben uns. Der Ort Göreme war voll davon und die Menschen lebten zum Teil in diesen Gesteinen bzw. die Unterkünfte, Geschäfte und Gastronomie waren darin oder in nachgebauten untergebracht. Es sah alles so nach Märchenwelt aus, dass man verstehen konnte, dass der Tourismus hier boomte wie verrückt. Alle möglichen Angebote von Ballonfahrten, Jeep Touren, Ausritten auf Pferden und Kamelen, Sonneneauf- und -untergangstouren; es wimmelt nur so von Anbietern. Wir waren gespannt, was wir hier alles erleben würden. Ein Problem hatten wir allerdings: seit unserer Ankunft, hatten wir keinen Empfang mehr über mobile Daten. Sollten die uns mit den SIM-Karten in Istanbul beschissen haben? Sie sollten einen Monat lang gültig sein und es gab keine Vorwarnung, dass die Daten verbraucht wären oder ähnliches. Wir waren eh schon sauer, denn nach dem Wahlwochenende hatten wir Karten für fast 1/5 des bezahlten Preises in Geschäften gesehen! Hoffentlich bekamen wir das wieder hin.

Dienstag, 23.5.2023 Göreme
Es war ein wunderbarer Tag! Wir hatten bereits im Vorfeld eine Ballonfahrt gebucht. Am Vorabend sah es so aus, als dürfte heute aus Wettergründen nicht geflogen werden, das stimmte auch für Göreme und ein weiteres Startgebiet, nicht aber für das Sorganlital 50km entfernt in Richtung Kayseri, wo unser Ballon starten sollte. Wir durften fliegen oder fahren, wie es im Deutschen hieß! Um 3:30, also mitten in der Nacht, wurden wir abgeholt. Als erstes gab es im Restaurant bei der Abflugstelle einen Frühstücksimbiss, nix dolles, nur Käsetoast mit Apfeltee oder türkischem Kaffee, aber so hatten wir wenigstens etwas im Magen und der Tee tat gut. Dann ging es in Gruppen von maximal 18 Personen, wir waren glaube ich 16 inkl. zwei Piloten, zu den Ballons. Neben uns startete noch ein Ballon, aber nachher waren ein paar mehr in der Luft. Der rechteckige Korb war in 5 Fächer unterteilt, in der Mitte die Piloten am Gashebel, auf beiden Seiten zwei Fächer mit bis zu 4 Personen. Man konnte sich gut bewegen und munter fotografieren. Zum Einsteigen half man uns mit Leiter über die 1,30 m hohe Korbwand zu klettern. Nach einer kurzen Einweisung, dass wir beim Kommando „Landung“ Kameras wegstecken müssten, uns an den Schlaufen der Korbwand festhalten, in die Knie gehen und dabei mit dem Rücken gegen die Innenwand zum anderen Korbabteil drücken sollten, ging es los. Zuvor war der Ballon bereits mit Gas gefüllt und startklar gemacht worden, jetzt lösten Helfer von außen die Leinen und schon schwebten wir in die Höhe. Etwas makaber spielte die Crew die Filmmusik vom Untergang der Titanic dazu ab, aber ich glaube, keiner hatte wirklich Angst. Es war ein sehr sanftes Schweben. Bei einem Sessellift wurde es einem sicher ehr übel als beim Ballonfahren. Unter uns tauchten bizarre Felsformationen auf und dann das Sorganlital, was der Pilot als den Grand Canyon der Türkei bezeichnete, zumindest in seiner Entstehungsgeschichte. Wir flogen über Bäume hinweg und waren mal höher oder tiefer als die Ballons in unserer Nähe. Einen Ballon kann man nicht in eine Richtung steuern, wohin die Fahrt geht, entscheidet der Wind. Die Piloten können ihn nur mit mehr oder weniger Gas höher oder tiefer fliegen und mit einem Seil ihn sich um sich selbst drehen lassen. Unser Flug war so früh, weil er zum Sonnenaufgang sein sollte, aber leider war es recht diesig und man konnte nur einmal kurz eine Ahnung von der Sonne zwischen zwei Wolken bekommen. Nach einer Stunde war das Vergnügen wieder zu Ende und wir schwebten zum Boden zurück. In der vorgeschriebenen Haltung holperten wir ein paar Meter über den Boden, was aber absolut nicht schlimm war. Die Hilfscrew war inzwischen mit Fahrzeugen zur Landestelle gefahren, wir wurden noch einmal vom Ballon kurz mit etwas Gas hochgehoben und ein Pritschenwagen fuhr unter den Korb. Dann konnten wir mit Hilfe von Tritten in der Korbaußenwand wieder herausklettern und der Kleinbus fuhr uns zurück zum Hotel. Ich würde die Ballonfahrt als ein unvergessliches Erlebnis einstufen und auch die Landschaft war toll, aber ich glaube, ein Flug direkt bei Göreme hätte spektakulärere Ausblicke geboten. Die holten wir uns dann zu Fuß am Nachmittag bei einer tollen Wanderung. Die Gesteinsformationen waren einfach umwerfend toll und man konnte zum Teil in den Feenkaminen herumlaufen, durch Naturbögen und über Naturbrücken wandernt und hatte faszinierende Aussichten, weil nicht nur die bizarren Formen malerisch waren, sondern sie auch an verschiedenen Stellen grünlich und rötlich schimmerten. Dazwischen fanden sich immer wieder auch Bäume und blühende Blumen. Es waren total begeistert! Die Wege waren gut gezeichnet und unterwegs kamen immer wieder Stände mit frisch gepresstem Orangensaft oder in den Felsen befindliche einfache Cafés, wo man außen unter einem gespannten Stoffdach Getränke oder auch eine Suppe zu sich nehmen konnte. Uns hat ein solches Café am Nachmittag gerettet, denn es gab ein Gewitter mit heftigem Regen. Ohne den Schutz hätten wir uns höchstens schnell eine Steinhöhle suchen können, aber so fühlten wir uns schon besser aufgehoben. Wir fürchteten nur sehr um unseren Rückweg, da durch den Regen nicht nur Wege zu kleinen Flüssen mutierten, sondern auch die mit Sand bedeckten Steinwege zu einer Rutschbahn wurden, besonders weil es an manchen Stellen steil war. Als der Regen nachließ, versuchten wir einen möglichst kurzen Weg zu einer Straße zu finden. Da auch Quads- und Jeep Touren dort angeboten wurden, gab es an einigen Stellen ungeteerte Fahrwege, die uns auf jeden Fall sicherer vorkamen als der Wanderweg. Wir kamen an einen Aussichtspunkt und ein Auto mit einem Pärchen fuhr vor. Ich erkannte, dass es ein Mietwagen war, also Touristen. Wir sprachen sie an und erfuhren, dass sie aus Polen kamen. Wir versuchten unser Glück und fragten sie, ob sie wohl in nächster Zeit nach Göreme fahren würden und uns mitnehmen könnten, weil wir ein weiteres Gewitter befürchteten. Wir hatten Glück, sie nahmen uns mit und wir konnten mit der Navigation helfen, weil ich die Karte bei Google Maps heruntergeladen hatte. Den erlebnisreichen Tag beschlossen wir mit einem Essen beim Inder, weil wir mal wieder was anderes als türkische Kost essen wollten. Unser Besuch bei Turkcell in Göreme war leider weniger erfolgreich. Der Mitarbeiter kannte unsere SIM-Karte nicht und vermutete, dass Sie Fake wäre und wir sie vernichten könnten. Die Hoffnung starb aber zuletzt und ich hoffte noch immer, dass sie in Konya, der nächsten großen Stadt, die wir besuchen wollteen, wieder funktioniert, nur hier fernab in der Natur nicht. Er wollte uns nämlich eine 20 GB Karte für über 1000 TL anbieten! Man erinnere sich, wir hatten 500 TL bezahlt und am kommenden Tag fielen die Preise, nach dem was wir bei Geschäften gesehen hatten, auf 150-200 TL. Erst lag aber noch ein Tag hier in Göreme vor uns und den wollten wir mit Ausschlafen und gemütlich im Hotel frühstücken verbringen, und danach planten wir wieder unsere Beine zu bemühen, um weitere Ecken im Land der Naturschönheiten zu entdecken.

Mittwoch, 24.5.2023 Göreme
Wie geplant machten wir noch einmal einen Wandertag und nach gut 14 km und 440 Höhenmetern war ich dann ziemlich kaputt. Wir hatten das „Tal der Liebe“, eine Gegend, in die auch Touren angeboten wurden, erwandert, mit dem Unterschied, dass die Tour Teilnehmer mit dem Bus oder Jeep hingefahren wurden, wahrscheinlich mehrmals einen Blick von oben ins Tal warfen, „ah“ und „oh“ sagten und vor Metall-Herzen, auf Schaukeln oder anderen Sitzgelegenheiten ihre Selfies vor faszinierendem Hintergrund schossen. Wir haben das Tal nicht nur vom Panoramapunkt aus gesehen, sondern sind mittendurch gewandert. Stefan suchte immer wieder bei Komoot nach Alternativwegen zur Straße, was unterwegs gar nicht so einfach war, da wir ja nicht mehr online waren, die Wege aber auch nicht alle begehbar, zumindest nicht für meine Wackelknie waren. Die Felsformationen dort in dem Tal wurden von den Einheimischen „Pilze“ genannt, aber es kann sich gerne Jeder sein eigenes Bild darüber machen. Für uns hatten sie weitaus mehr mit dem Tal der Liebe zu tun, als es Pilze haben, sie sahen eindeutig nach riesigen Penissen aus.
Wir waren gerade ins Tal abgestiegen, als wieder eine schwarze Wolke nahte und es zu tröpfeln begann, deshalb taten wir es einem jungen Paar gleich, das es sich in einer Aushöhlung eines dieser Steingebilde gemütlich gemacht hatte. Wir saßen eine ganze Weile gemeinsam dort drinnen, aber es wurde zum Glück nicht langweilig, denn die Beiden kamen aus Frankreich und zumindest Loris ( keine Ahnung, ob er sich so schieb), sprach super Englisch. Er hatte zuvor ein paar Monate in Neuseeland als WOOFER (Willing Workers on Organic Farms) gejobbt. Er erzählte von einer Radtour von Frankreich zum Nordkap und über Finnland zurück, wir hörten etwas von seiner Freundin über Bolivien und erzählten auch von unseren Reisen. Es war sehr kurzweilig und nach vielleicht einer Stunde konnten wir unsere Wanderung fortsetzen. Vereinzelt sahen wir andere Wanderer, aber längst nicht so viele wie tags zuvor und es gab auch keinen gezeichneten Weg oder Erfrischungsstände. Eine Weile mussten wir durch ein nicht mehr ganz ausgetrocknetes Flussbett laufen, aber es war nicht so nass, dass wir mit durchweichten Schuhen rauskamen. Am Ende des Tales wurde es dann teilweise recht steil und besonders wenn es über seitliche Schrägen ging, auch mal etwas rutschiger. Eigentlich waren meine Wanderschuhe ganz gut griffig, aber nicht so besonders gut auf seitlichen Schrägen, besonders wenn es sandig auf Felsen war. Wir schafften es wieder aus dem Tal heraus und tranken bei einem kleinen Stand oben einen frischgepressten Orangensaft. Der Verkäufer machte uns einen „guten“ Preis von 2€ für den 0,2 l Becher, weil das Geschäft an dem Tag gar nicht gut lief. Die meisten Touristen machten nur die Bustouren und wurden an den immer gleichen Stellen abgesetzt, wo sie etwas verzehrten. Da er weder an der Hauptstraße noch an einem vielbesuchten Wanderweg stand und noch dazu das Wetter nicht beständig war, sah es für ihn schlecht aus mit dem Geschäft. Wir versuchten erst wieder auf einem Alternativweg zur Straße nach Göreme zurückzulaufen, standen aber nach ein paar hundert Metern am Ende eines Weges, rechts und links nur Täler. Wir waren ins Aus gelaufen und mussten zurück bis zum Saftverkäufer. Er hatte uns vorher schon gesagt, wir sollten nach rechts gehen, aber der Ort war genau in der Gegenrichtung von Göreme, deshalb hörten wir nicht auf ihn. Hätten wir wohl besser getan. Wir mussten nun doch ein ganzes Stück an einer stark befahrenen Straße entlang laufen. Es war dennoch interessant. Als erstes entdeckten wir ein Polizeiauto in Originalgröße als Pappaufsteller an der Einfahrt zum Ort Uçhisar zur Warnung der Autofahrer. Es war aber eine sehr geschickte Warnung, denn hinter dem Pappblaulicht war gleich eine Kamera montiert! Bei der türkischen Fahrweise dürften die Einnahmen der Polizei das Staatssäckel gut füllen. Ein Stück weiter war eines der Restaurants, wo alle Busse zum Panoramablick anhielten und die Fahrgäste natürlich möglichst was verzehren sollten. Den Blick genossen wir auch, aber wir waren inzwischen zu dritt. Ein Straßenhund, der zuvor wenig Intelligenz bewies, weil er mindestens dreimal die große Straße überquerte und jedes Mal fast unter ein Auto gekommen wäre, hatte sich uns angeschlossen. Er war ganz lieb, bettelte nicht, lief nur immer mit uns mit, sodass selbst ich Schisshase ihn schon fast in mein Herz schloss. Zu Straßenhunden und besonders Katzen muss man sagen, dass es sie hier zu Millionen gab, wir sie aber bisher nie aggressiv erlebt hatten. Man rechnete mit ca. 4 Millionen streunender Tiere. Viele sahen auch nicht verkommen aus und waren oft gut im Futter. Wir hatten auch schon häufig an Straßen Behältnisse gefunden, die für Futter oder Wasser bestimmt waren. Außerdem fütterten wirklich viele Leute, Touristen wie auch Einheimische, die Tiere mit ihren Essensresten. Im Internet fand ich einen Artikel über die bekannten Straßenkatzen von Istanbul und die freilaufenden Tiere in anderen Orten. Da sich die Menschen in den großen Städten in ihren zumeist kleinen Wohnungen kaum Haustiere halten können, werden sie sozusagen Paten dieser freilaufenden Tiere, was auch von der Regierung für gut gehalten wird, weil man es für eine Art Förderung von Sozialverhalten sieht. Daher gibt es auch offizielle Futterstellen in den Städten, wo auch die Stadtverwaltungen die Tiere füttern.
Unser „Köpek“ – Stefan nannte seit Nord-Zypern jeden türkischen Hund so, weil das die Übersetzung von Hund ist – lief also eine ganze Weile mit uns an der Straße entlang, besuchte jeden Aussichtspunkt, von denen es alle paar hundert Meter einen mit Restaurant oder Verkaufsständen gab, bis er plötzlich irgendwohin verschwunden war. Wahrscheinlich waren wir aus seinem Gebiet herausgelaufen. Rund 4 km nach unserem Verlassen des Canyons erreichten wir dann auch unseren Zielort und unsere Unterkunft und verpflegten uns heute mal selbst auf der Dachterrasse unseres Hotels mit Brot und Tomaten.

https://youtu.be/8n0N9caUZgY

Donnerstag, 25.5.2023 Göreme -Konya
Unsere Fahrt von Göreme nach Konya mit dem türkischen Kooperationspartner von Flixbus „Kamilkoc“ verlief wieder so angenehm wie auch bei der Hinfahrt. Die Qualität war weitaus höher als bei den anderen Unternehmen, die wir zuvor hatten. Die Busbegleiter sprachen Englisch, es gab angenehmere Sitze mit Fußrasten und Liegefunktion, natürlich nicht weit, aber doch etwas. Im Gegensatz zu dem Bus, der uns in die Türkei gebracht hatte, funktioniert der Bildschirm für Film, Musik und Spiele, der an jedem Platz angebracht war wie im Flugzeug, bei diesem Bus auch. Zwischen den Sitzen befand sich eine Steckdose zum Laden des Handys und einmal während der Fahrt wurden kostenlos Kaltgetränke und Snacks verteilt. Bei der langen Fahrt von Albanien gab es nur einen halben Becher scheußlichen Nescafé.
Als wir den großen Busbahnhof von Konya erreicht hatten, wurde es jedoch schwieriger. Wir nutzten noch das WLAN dort für eine Routenplanung zu unserer Airbnb Unterkunft, aber danach musste es ohne Netz klappen. Es war schon nicht einfach, die richtige Bushaltestelle für den ersten Bus zu finden weil keinerlei Angaben dort waren über Busnummern und wohin sie fuhren. Wir fragten Jemanden, der sprach zwar kein Englisch, aber nickte, also warteten wir und irgendwann kam auch der Bus, den wir zuvor bei Google gefunden hatten und brachte uns in die Innenstadt zum Kulturpark. Wir wollten vorne beim Fahrer zahlen, aber er winkte uns nach hinten durch. Der erwartete Schaffner kam jedoch nie, so fuhren wir unfreiwillig eine gute halbe Stunde schwarz. Beim Kulturpark war es absolut lebhaft. Die Bushaltestelle wurde von einer Reihe von Bussen angefahren und man musste durch ein Drehkreuz. Wir brauchten also wieder mal so eine aufladbare Karte, aber aus dem Automaten wurden wir wieder nicht schlau, weil die Anweisungen nur auf Türkisch waren. Zum Glück gab es noch einen Kartenkiosk, der Automat war vielleicht eh nur zum Aufladen? Wir stellten uns in die lange Schlange und bekamen eine Karte, die für eine Fahrt für uns beide reichte. Nun kamen wir durchs Drehkreuz, aber die zuvor gespeicherte Verbindung klappte nicht mehr, weil der zuvor ausgewählte Bus weg war. Es fuhren dauernd Busse vor, aber die Nummer, die wir brauchten, war nicht dabei. Wir fragten den Mitarbeiter, der die Drehkreuze bewachte, der aber auch kein Englisch verstand und keine Ahnung zu haben schien, wohin wir wollten. Es bildete sich eine Traube um uns und versuchte aus meiner Karte auf dem Handy klug zu werden. Jemand meinte, die Adresse wäre gar nicht in Konya, aber irgendwann einigte man sich und ein englisch sprechender Mann sagte uns die Busnummern zu unserem Ziel. Wenig später kam die Nummer, die wir zuvor verpasst hatten und brachte uns dann nach wiederum 20 Minuten zu unserem Ziel im Vorort von Konya. Von dort war es ein Klacks zu dem Haus, in dem wir eine kleine, einfache aber wohl authentische Wohnung über unserer Vermieterin gemietet hatten. Wir kauften im Laden um die Ecke ein paar Lebensmittel und Stefan kochte Spaghetti mit leckerer Soße a la Arrabiata. Unsere Vermieterin fand heraus, dass wir die Busfahrkarte, die wir am Kiosk bekommen hatten, nicht aufladen, aber tags drauf wohl in der Nähe eine richtige erwerben und laden könnten. Wir waren gespannt, ob das wohl klappte. An sich waren die Karten ja praktisch, aber bis man erst mal eine hatte, konnte man als Tourist schon verzweifeln.

Freitag, 26.5.2023 Konya
Ich schlief die Nacht prima, obwohl ich dieses Mal wieder das Sofabett genommen hatte in einem scheußlich grünen, wohl ehemaligem Jugendzimmer. Stefan hatte das Doppelbett für sich im Schlafzimmer, weil jetzt er so erkältet war, dass ich keine Lust auf Ansteckung hatte. Außerdem hatte ja eh gerne jeder von uns viel Platz und etwas Raum für sich. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zu einem Geschäft, in dem wir hofften, unsere Fahrkarte wieder aufladen zu können. Wo wir auch hinkamen: Kopfschütteln. Die Aussagen waren, dass die Karte hier nicht gültig wäre oder, dass wir sie eigentlich gar nicht hätten bekommen können, weil wir keine Einheimischen wären. Ein sehr netter und hilfsbereiter Apotheker, der endlich auch mal Englisch sprach, half uns herauszufinden, dass wir ganz einfach unsere Kreditkarten an die Lesegeräte im Bus halten könnten und damit zahlen. Das hörte sich ja spannend an. Dann suchten wir uns eine Bushaltestelle, von der voraussichtlich ein Bus in die Innenstadt fuhr. Ein junger Mann bestätigte das, aber der Bus ließ auf sich warten, an die 40 Minuten! In der Zeit machten wir jedoch eine interessante Entdeckung. Um die Ecke war anscheinend ein Nest von Fahrschulen, denn es kamen sicherlich an die 100 Fahrschulautos, meist Fahrlehrerin mit Fahrschülerin, aber auch einmal mit männlichem Fahrschüler, die mehr oder weniger unsicher in unsere Straße einbogen. Die Zahl ist keine Dyckhoffsche Übertreibung, es war wirklich wie eine Ameisenstraße! So viele Fahrschulautos hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht mal zusammen gesehen!
Endlich kam auch unser Bus und wir fuhren bis zum Atatürk Denkmal, dort gingen wir zum Bahnhof, um unsere Fahrt am Sonntag nach Ankara zu reservieren. Leider war auch das nicht so problemlos, denn war nur eine Fahrt früh oder spät möglich, nicht mit dem Zug gegen 12:00. Nun mussten wir kurz nach 9:00 fahren und zusehen, wie wir so zeitig von unserer Unterkunft zum Bahnhof gelangen konnten. Außerdem würden wir viel zu früh in Ankara ankommen, um in unserer Unterkunft dort einchecken zu können. Bei der Reservierung gab es dann noch das Problem, dass ich zwar mein Ticket aufrufen konnte, bei Stefan es aber ohne Internet nicht klappte. Da wir beide ohne Netz waren, konnte ich ihm auch keinen Hotspot geben. Zum Glück war der Bahnmitarbeiter so nett, ihm mit seinem Handy eine Wlan-Verbindung zu ermöglichen, sodass er auch Stefans Ticket sehen konnte. Es zeigte uns wieder, dass wir dringend eine funktionierende SIM-Karte benötigten. Wir liefen weiter ins Zentrum und klapperten zig Türkcell, Telecom und Vodafone Läden ab, aber niemand konnte uns mit unserer Karte helfen, wir mussten da wirklich einem Beschiss zum Opfer gefallen sein. Wir wollten uns dann neue Karten kaufen, was bei den angeschlagenen Preisen ab ca. 5€ kein Thema gewesen wäre, aber denkste, das waren nur die Preise zum Aufladen und die günstigen Karten so um 10€ konnten nur Einheimisch erwerben! Nach sicher 2 Std waren wir so weichgekocht, dass wir entschieden, zumindest eine neue Karte zu kaufen, die ich dann in mein Handy machte und Stefan einen Hotspot unterwegs gab. Dann begaben wir uns auf Entdeckungsreise durch die Stadt. Den Kulturplatz hatten wir am Ankunftstag schon kurz beim Umsteigen kennengelernt. Es war ein großer, gepflasterter Platz mit sehr schönen Springbrunnenanlagen, Moschee, Amphitheater und Verpflegungsmöglichkeiten. Wir aßen an einem Stand Pilav, ein aus Asien kommendes Reisgericht, dass es vegetarisch mit Kichererbsen, oder auch mit Hähnchen und wahrscheinlich Fleisch gab. Ich konnte leider nicht alles richtig übersetzen. Das war mal eine nette Alternative zu den verschiedenen Brotarten (Börek, Pita..) mit Käse, die wir bisher für uns in der Türkei fanden. Nicht weit von hier war der Allaadin Hill Park mit alter Moschee. Es war ein netter grüner Hügel unter Bäumen, um dem Verkehrsgewühl zu entfliehen. In die Moscheen auf beiden Plätzen konnten wir nicht rein wegen des Freitagsgebets, sie waren aber auch von außen prächtig. Wir ließen die Eindrücke auf uns wirken und ich fand, dass Konya eine andere Atmosphäre hatte als Istanbul oder Izmir. Es war eindeutig religiöser. Eine deutliche Mehrheit der Frauen allen Alters trug mindestens Kopftuch, einige aber auch Abaya oder sonstige lange Mäntel und wir sahen auch voll verschleierte Frauen. Der Gebetsruf erlangte in der Innenstadt eine Lautstärke, die in den Ohren vibrierte und die Anzahl der Moscheen pro Quadratkilometer schien die der anderen Städte zu übertreffen. Letzteres war aber nur eine Schätzung, ich konnte dazu keine Zahlen finden. Hinzu kamen die Medressen, islamisch-juristische theologische Hochschulen. Touristen nahmen wir außer bei unserer nächsten Sehenswürdigkeit, dem Mevlana Museum, keine wahr. Es schienen hier noch weniger Menschen Englisch zu sprechen als an allen Orten zuvor, dafür war die Kontaktfreudigkeit der Einheimischen groß. Wir wurden heute einige Male angesprochen, woher wir kämen, und man wünschte uns eine gute Reise und das waren keine Händler, die etwas verkaufen wollten, sondern von Menschen auf der Straße, im Bus oder Geschäft. Häufig hatten sie irgendwelche Bezüge zu Deutschland und sprachen ein paar Worte. Leider waren an Stellen, wo wir sie brauchten, wie z.B. bei Fahrkartenschaltern, in Geschäften oder unter den Busfahrern selten Fremdsprachenkenntnisse zu finden.
Nach einem Päuschen im Allaadin Hill Park wanderten wir zum Mevlana Museum. Konya war die ehemalige Hauptstadt des Sultanats der Rum Seldschuken. Ein bedeutender persischer Sufi-Mystiker, Dichter und Gelehrter namens Rumi gründete hier die Mevlevi- Derwischbruderschaft. Sein Mausoleum war jetzt Wahrzeichen Konyas und islamischer Wallfahrtsort. Neben seinem wahrhaft prächtigen Grab waren weitere Gräber, eine Ausstellung diverser, alter und prächtiger Korane, Gedichte, Kleidungsstücke und andere Reliquien der Derwischkultur und die Lounge der Derwisch Bruderschaft in dem Museumskomplex zu finden. Von hier aus kamen wir in eine Fußgängerzone, die aussah, als wäre es mal der alte Bazar der Stadt gewesen. Eine alte Moschee, kleine Geschäftchen, in netten, kleinen, restaurierten Häusern, wirklich angenehm zum Durchschlendern. Auffällig war, dass das Bedrängen von Kunden, wie man es aus orientalischen Ländern kennt und wie wir es auch noch vor 13 Jahren in Antalya mit den Kindern erlebt hatten, nicht mehr stattfand. In touristischen Ecken standen höchstens noch Werber vor Restaurants wie auch an europäischen Tourismuszielen, aber es lief einem nicht gleich ein Händler entgegen, wenn man mal einen Blick auf seine Auslagen warf. Wir fanden das eine sehr angenehme Entwicklung.

Samstag, 27.5.2023 Konya
An unserem letzten Tag in Konya wollten wir etwas Natur genießen, was aber nur teilweise funktionierte. Wir fuhren mit zwei Bussen nach Konya Meran Baglary, einem Picknickgebiet am westlichen Rand von Konya. Dort fanden wir einen ganz nett angelegten Park, ein Restaurant mit Springbrunnen und eine schöne Brücke über einen entweder künstlichen Fluss oder er war extrem begradigt und eingefasst. Er war grün und dreckig. Der Platz beim Café am Springbrunnen war schön, aber die Bedienung völlig unfähig. Erst verstand der Kellner überhaupt nicht, dass wir den Preis für Cappuccino wissen wollten, dann versuchte er Stefans noch halbvolle Tasse abzuräumen, und selbst als Stefan seine Hand darüber hielt, kapierte er nicht, dass er sie stehenlassen sollte. Erst als er die Untertasse mit der Tasse drauf griff und Stefan ihm letztere runter nahm und trank, schien er zu begreifen. Noch dazu war der Kaffee scheußlich. Dennoch war es nett, dort eine Weile zu sitzen. Ich fand auf der Karte einen als ökologisch bezeichneten Park ca. 5 km südlich von dort und wir planten dorthin zu laufen. Zu Beginn war der Weg ganz nett. Wir kamen durch ein hügeliges, baumbestandenen Gebiet mit Picknicktischen und Grills, wo sich bereits einige Familien und Grüppchen niedergelassen hatten. Gegenüber stand an einem Areal etwas von Friedhof, aber entweder waren dort anonym Menschen begraben, oder es gab dort noch keine Gräber. Was es aber gab, war eine Schildkröte. Ich dachte erst, ich sähe nicht recht, aber beim näheren Hinsehen saß dort wirklich eine und ließ sich von uns fotografieren. Nun mussten wir weiter an der Straße entlang. Das war vorher klar, aber, dass das auf der Karte grüne Gebiet rechts von uns über Kilometerlänge ein Militärgebiet war, hatten wir nicht geahnt. Wir brauchen die Aktion ab und fuhren mit dem nächsten Bus in die Stadt zu einer weiteren Sehenswürdigkeit, dem Selschukischen Turm. Es war ein Hochhaus mit 42 Stockwerken, das derzeit mit 163 m Höhe das höchste in Zentralanatolien und das elfthöchste in der Türkei war. Es beherbergte eine Mall und in den zwei oberen Etagen, die sich gegeneinander drehten, befand sich ein Restaurant. Man konnte jedoch auch so hochfahren und den Ausblick genießen, bezahlte dann aber einen kleinen Obolus. Wir betrachteten die Stadt eine Weile von oben und beschlossen hiermit unser Erlebnis Konya.
Zur Stadt Konya und den Derwischen fand ich noch einen interessanten Artikel in einer bayrischen Zeitung, der meiner Meinung nach lesenswert ist und meinen Eindruck von Konya unterstreicht: https://www.nordbayern.de/2.234/reise/turkische-derwische-wirbeln-fur-den-frieden-1.7382096
Am kommenden Morgen stand unsere Fahrt nach Ankara bevor, wo wir unseren 38. Beziehungstag verbringen würden. Mir wurde morgens mit Schrecken bewusst, dass wir 100 werden müssten, um noch Mal so lange beisammen sein zu können. Da müssen wir uns aber anstrengen…

https://youtu.be/8Bi30RuU0AA

Sonntag, 28.5.2023 Konya – Ankara

38. Beziehungstag und uns fiel nichts Besseres ein als heute weiterzureisen? Hätten wir auch besser planen können!
Die Fahrt nach Ankara verlief noch ganz gut, aber im Bahnhof kam dann schon die erste Enttäuschung. Wir wollten mal wieder einen Nachtzug nehmen, dieses Mal nach Malatya, wenn schon die zwei interessantesten Strecken nicht klappten, aber der erste hatte angeblich keine Schlafwagen, obwohl er ganz über Nacht fuhr, und beim zweiten wollten sie Interrailer nicht in Schlafabteile reinlassen. Da die Zugpreise spottbillig waren, entschieden wir uns, dann halt ein Ticket mit Schlafwagenreservierung zu kaufen, bis wir hörten, dass wir nachts um 3:00 ankämen. Davon nahmen wir dann doch Abstand. Da es draußen goss wie aus Eimern, kauften wir uns noch Backwaren im Supermarkt im Bahnhof und ließen uns beim Kaffeestand Kaffee geben. Als ich gerade herzhaft in ein Käsegebäck gebissen hatte, stellte Stefan fest, dass an einer Stelle grüner Schimmel war. Ich spuckte also in eine Serviette und beförderte sie mit dem Rest in den Müll. Endlich konnten wir in unserer Airbnb Wohnung einchecken und mussten feststellen, dass wir in eine dreckige, verrauchte Bude kamen, in der maximal ein Bett frisch bezogen war, keine Handtücher bereitlagen, Asche im Aschenbecher und Wäsche in der Waschmaschine war! Es begann ein hin und her per Chat mit dem Vermieter und Airbnb, weil wir dort nicht bleiben wollten, aber bei einer Stornierung unsererseits für eine Nacht und für die Vermittlungsgebühr hätten zahlen müssen, was wir nicht einsahen. Nach ca. 4 Std hin und her erklärte sich Airbnb endlich bereit zu einer kostenfreien Stornierung und wir suchten uns ein Hotel. Nun landeten wir genau nebenan vom Bahnhof, was praktisch war, hatten Frühstück inklusive, aber dafür natürlich viel weniger Platz und nicht einmal einen Wasserkocher, um uns heißes Wasser zu kochen. Dennoch war ich sehr froh, aus der Räucherkammer raus zu sein. Als wir dann abends zur Feier des Tages in ein Restaurant gehen wollten, scheiterten wir wieder an der Fleisch lastigen Küche und daran, dass wegen der Stichwahl wieder viele Restaurants geschlossen hatten. Uns blieb nur eine Pizza bei Dominos, aber dafür ließen wir uns noch eine Schachtel mit süßen Leckerlies in der Patisserie zusammenstellen, die wir danach in unserem Zimmer genießen konnten, während draußen Autokolonnen hupend Erdogans Sieg feierten. Wir kamen uns vor wie beim Fußball.

Montag, 29.5.2023 Ankara
Heute war mal wieder ein richtig guter Tag. Stefan fand nach dem Joggen den Weg wieder zum Hotel, obwohl sowohl GPS als auch Bluetooth immer wieder ausfielen. Er vermutete, dass es mit dem nahen Regierungsviertel und ggf. noch der Stichwahl am Vortag zu tun haben könnte, dass extra Störsender eingesetzt wurden. Dann begann der Tag mit einem überraschend guten Frühstücksbuffet im Hotel, sodass wir frisch gestärkt Ankara in Angriff nehmen konnten. Wir genossen den schön gestalteten Gençlik Park, der fast vor unserer Haustür war und nicht einen Springbrunnen, sondern eine ganze Reihe unterschiedlicher mit einem richtig großen Wasserbecken, was sich durch den Park zog, zu bieten hatte. Wir schlenderten entlang duftender Rosen und im Schatten von Bäumen und Büschen. Der Park hatte, wie auch in Izmir, einen Freizeitpark mit Riesenrad und ähnlichem zu bieten, aber den ließen wir links liegen. Unsere nächste Sehenswürdigkeit war die Mehlika Sultan Moschee, die wir uns auch von innen ansehen konnten. Sie war von innen und außen sehr schön, mit vielen Bögen, einer von innen hübsch verzierten Kuppel, einem Marmorspringbrunnen im Innenraum und einem leuchtend türkisen Teppich. Sie war mit ihren vier Minaretten von weitem sichtbar und wirkte sehr prachtvoll. Hinter der Moschee kamen wir in ein Gebiet, wo wir das Gefühl hatten, wieder in der Türkei der 80iger gelandet zu sein. Ein Bazar mit gebrauchten Artikeln, sozusagen ein riesiger Dauerflohmarkt. Im ersten Teil waren Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Herde und vieles mehr, danach wurde es dann richtig interessant, denn hier gab es alles, was gastronomische Betriebe so brauchten (oder anscheinend nicht mehr brauchten). Wir fühlten uns sofort in unsere Jugendherbergszeit zurückversetzt, als wir Wärmebehälter, Buffets und reihenweise Gastronormbehälter aufgestapelt sahen. Wir konnten es nicht lassen, unserer ehemaligen Mitarbeiterin und Freundin ein Bild davon zu schicken und zu fragen, ob sie was für die JH brauchen könnte. Nachdem wir auch alte Klamottenständen hinter uns gelassen hatten, erreichten wir bald unser nächstes Ziel, das Museum für anatolische Zivilisation, was uns von Stefans Mutter dringend zum Besuch ans Herz gelegt worden war. Es war in der Tat sehr interessant und gut gestaltet und zeigte Ausgrabungsgegenstände aus ganz Anatolien seit der Altsteinzeit. Es hatte Weltruhm und wurde 1997 zum Europäischen Museum des Jahres gewählt. Die hethitischen Keilschrifttexte aus Bogazköy waren Weltdokumentenerbe der UNESCO. Ich fand das Gebäude, das ehemals überdachter Bazar und Karawanserei war und mehrfach umgebaut wurde, bis es heute wieder ein Gefühl davon vermittelte, wie hier die Menschen im 15.Jahrhundert lebten und Handel trieben, besonders beeindruckend. Um die archäologischen Artefakte besser einordnen zu können, wurde zu Beginn ein Film mit englischen Untertiteln gezeigt und auch zwischen den Ausstellungen kurze Szenen eingeblendet, was sehr hilfreich war. Es hat uns gut gefallen und noch dazu durften wir aufgrund meines Schwerbehindertenausweises kostenlos hinein. Das Geld steckten wir dann später in einen sehr leckeren Salat mit unterschiedlichen grünen Salatblättern, Kräutern wie Petersilie, Lollo Rosso, Walnüssen, Erdbeeren und Essig mit fruchtiger Note, den wir in einem gemütlichen Innenhof der Zitadelle genossen. Rund um uns waren Antiquitätenlädchen, und es war ein tolles Ambiente. Wir hatten noch dazu Glück, denn es begann wieder mal zu regnen und wir saßen trocken unter einem Schirm. Beim Ausblick von der Zitadelle auf die Stadt konnten wir in weiter Ferne den Präsidentenpalast sehen. Neben uns erklärte ein junger Mann auf Deutsch voraussichtlich seinen Eltern, dass die wenigen übriggebliebenen Grünflächen Ankaras den Universitäten gehörten, die versuchten, sie als letzte grüne Oasen zu erhalten. Da die Unis auch staatlich waren, hatte natürlich der Präsident dennoch Zugriff und konnte so seinen umstrittenen Palast dort auf den grünen Hügel in ein Naturschutzgebiet bauen.
„Der Prachtbau kostete rund 270 Millionen Euro und hat rund 1000 Zimmer. Er trägt den Namen Ak Saray, was so viel wie weißer Palast heißt.“ ((https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_71583174/bilder/neuer-tuerkischer-praesidentenpalast-fuer-erdogan.html)
Nach der Zitadelle besuchten wir noch ein Gebiet mit restaurierten Häusern aus osmanischer Zeit. Auf einem Schild wurde es als das „Herz“ Ankaras angekündigt und es war auch wirklich sehr hübsch. Viele schöne restaurierte Häuser mit Geschäftchen, Cafés und Restaurants fanden wir dort vor. Da Ankara laut Internet 17 Universitäten hatte, verwunderte es nicht, dass sich in den Cafés viele Studenten wohlfühlten. Wir fanden ein urgemütliches, wo an fast allen Tischen Grüppchen mit Laptops oder Kladden saßen und offensichtlich fürs Studium lernten. Wir fanden gerade noch ein Tischchen mit gemütlichen Sesseln und verzehrten ein Stück Torte gemeinsam. So gesund der Salat zuvor war, so bunt und süß war unser 10-schichtiges Tortenstück:). Zum wiederholten Mal hatten wir genau den richtigen Moment erwischt, um dem nächsten Regenguss zu entfliehen. Zwischendrin schien immer schön die Sonne. Von dort suchten wir uns einen Rückweg zum Hotel, der nicht besonders schön war, da er mitten in der Rush Hour an stark befahrenen Straßen verlief, aber er führte zum Ziel. Bevor wir unsere müden Beine jedoch hochlegen durften, stand noch die Entscheidung aus, wohin die Reise am übernächsten Tag weitergehen soll. Nach viel Überlegungen hatten wir uns Mersin am Mittelmeer ausgeguckt, wo laut unserer Interrail-Übersichtskarte auch ein Bahnhof sein sollte. Wir stoppten also noch beim Bahnhof, der kurz vor unserem Hotel war und wollten reservieren, aber das war wohl wieder nichts. Es fuhren keine Züge dorthin. Wir hätten bis Adana fahren können, rund 90 km entfernt und von dort dann mit dem Bus nach Mersin, aber diese Alternative war eigentlich auch keine, da wir erst abends um kurz vor 22:00 in Adana angekommen wären. Wir hatten Mersin ja deshalb ins Auge gefasst, weil wir Zug fahren wollten und nicht doch wieder auf Busse ausweichen. Letztendlich guckten wir, wohin man sicher von Ankara fahren konnte und buchten Eskesehir auf der Schnellstrecke nach Istanbul. Es schien nur so herum zu funktionieren, wenn man in der Türkei Zug fahren wollte. Als wir wieder in unserem Hotel ankamen, brach das nächste Gewitter aus. Wir hatten jetzt seit Göreme täglich mindestens eins davon, aber zum Glück war es zwischendrin immer schön.

Dienstag, 30.5.2023 Ankara
Nach dem Frühstück waren wir mal wieder beim Bahnhofschalter. Wir fühlten uns inzwischen als Stammgäste dort. Wir kauften uns eine Reservierung für die Fahrt am Freitag von Eskisehir nach Istanbul und zwei Tage später für die Nachtfahrt von Istanbul/Halkali nach Plovdiv in Bulgarien. Für 30€ sollten wir im 2-Bettabteil schlafen können, auch wenn schlafen übertrieben sein würde, da wir mitten in der Nacht an der Grenze mit Gepäck aus dem Zug steigen müssten, soweit wir wussten und gegen kurz vor 6:00 in Plovdiv ankommen sollten. Von dort planten wir dann in die Berge Richtung Bansko zu fahren und dabei die schöne Strecke Septembri-Dobrinishte mitzunehmen, die unsere Tochter schon gefahren war. Nach der Erledigung des Organisatorischen waren wir gegen Mittag beim Atatürk Mausoleum und es fing aus allen Löchern an zu schütten. Wir sahen Bilder und Reliquien aus Atatürks Leben, konnten in nachgebauten Szenen vor großen Panoramazeichnungen die türkischen Schlachten 1915 und 1920 „nachempfinden“ und manches Grauen der Kriege und heldenhafte Siegesposen auch auf großen, realitätsnahen Gemälden „bestaunen“. Interessant waren die Veränderungen, die er in fast allen Bereichen des türkischen Lebens durchgesetzt hatte, von der Abschaffung religiöser Schulen, der Schließung von Medressen, der Gleichberechtigung der Frau bis hin zur Kleiderordnung, die der westlichen zivilisierten Welt angepasst wurde. Er teilte seinem Volk folgendes mit:

„Zivilisierte und westliche Kleidung ist für uns sehr wertvoll und angemessen für unsere Nation. Wir werden sie tragen.“

„Die türkische Republik kann kein Land der Scheiche, Derwische, Jünger und Anhänger religiöser Orden sein.“
„Der richtige und authentischste Weg ist die Ordnung der Zivilisation. 30. AUGUST 1925“
(Zitate Atatürks 1925)

Als wir das Gebäude verließen, dachten wir erst noch, unsere Schirme würden uns schützen, aber während wir die endlos lange Einfahrt zum Ausgang des Geländes hinunter gingen, wurde es immer schlimmer mit dem Regen. Wir stellten uns noch kurz unter, aber es war kein Ende in Sicht und die Straßen und Gehwege verwandelten sich immer mehr in Flüsse, sodass wir in das erstbeste Taxi sprangen und das kurze Stück zum Hotel fuhren, dennoch kamen wir mit durchnässten Schuhen und Hosen dort an. Wir verbrachten einen faulen Nachmittag im Hotelzimmer und holten uns nur kurz am Abend noch etwas essbares aus dem Supermarkt gegenüber. Da hatte es inzwischen aufgehört zu regnen.

Mittwoch, 31.5.2023 Ankara – Eskisehir
Wir erreichten unser neues Ziel: Eskisehir, was so viel wie „Alte Stadt“ heißt, ca. 300 km südöstlich von Istanbul, 790000 Einwohner und im 1. Jahrtausend vor Christi gegründet. Schnell konnten wir feststellen, dass sie angenehm viele kleine, ruhigere Straßen hatte mit wenig Verkehr und eine recht lange und abwechslungsreiche Fußgängerzone mit Wasserspielmöglichkeiten für Kinder. Außerdem befanden sich in letzterer überall Tische und Stühle, wobei wir nicht feststellen konnten, dass sie irgendeinem Restaurant oder Imbiss zugeordnet zu sein schienen. Man konnte sich da wohl einfach hinsetzen und etwas verzehren, was man mitgebracht oder in einem der Imbisse, Nussgeschäfte oder Patisserien gekauft hatte. Manche Leute hatten auch Teegläser vor sich und ein Sesamkringelverkäufer lief herum. Auffallend war, wie viele Männer überall saßen und sich unterhielten. Ob an dem Tag arbeitsfrei war oder waren die alle arbeitslos? Keine Ahnung. Wer eine Einkaufszone ganz ohne die typischen westlichen Geschäfte von HM bis Tacco erleben will, wurde hier fündig. Wir wollten aber weder Klamotten noch Möbel oder Hauswaren shoppen, sondern hatten Hunger und waren mal wieder auf der Suche nach etwas vegetarischem und fanden wiederholt die immer wieder anzutreffenden Döner, Börek, Köfte und höchstens mal eine Pizza ohne Fleisch, bis wir auf ein kleines Restaurant trafen, was Cig Börek oder auch Tschebureki, was ursprünglich aus der Küche der Krimtataren stammte, anbot. Es handelte sich um frisch frittierte Teigtaschen, die wir mit Weißkäse gefüllt bekamen. Ursprünglich wurden sie wohl mit Lamm oder Rind gefüllt. Sie waren auf jeden Fall lecker. Wir trafen unterwegs auf mehrere Statuen, die am Geschmack des Aufstellern zweifeln ließen. Eine ein goldener, röhrender Hirsch, eine andere mit kitschig wirkenden Pferden, die über einen Springbrunnen sprangen und von Tauben belagert wurden und eine weitere, ehr heroische mit Kämpfern aus hellem Beton, die übereinander angeordnet waren, sodass man von weiten erst einen Springbrunnen vermutete. Den Fluss Porsuk Çayi, was Google als Dachs -Tee übersetzte :), hatten wir bereits auf dem Weg vom Bahnhof zur Unterkunft kennengelernt. Das schönste an ihm schienen die Brücken zu sein, die wir inzwischen in rot, grün und blau gesehen hatten. Er selbst war eklig dreckig, was aber auch mit starken Regenfällen zusammenhängen konnte, denn wir fanden auch große Pfützen, die auf ebensolche Güsse schließen ließen, wie wir sie in Ankara erlebt hatten. Laut Internet konnte man auf dem Fluss, ähnlich wie in Venedig, mit Gondeln fahren. Das wollten wir am nächsten Tag herausfinden, wenn das Wetter mitspielte. Bisherwar es trocken, wenn es auch bei unserer Entdeckungstour nicht danach aussah und wir zügig in unser nicht besonders gemütliches „Studio“ zurückgekehrt waren. Wir hatten zwei winzige Schlafzimmer, also genug Platz, um uns nachts in je einem französischen Bett ausbreiten zu können, und im Flur dazwischen war eine Art Studentenküche mit Herd, Kühlschrank und Spüle auf minimalem Raum und ein Tisch. Von hier ging auch ein kleines Bad ab. An Lampen hatte man gespart, es hingen überall nur Glühbirnen. Nett war, dass die Schlafzimmerfenster zum kleinen Garten hinterm Haus rausgingen. Für zwei Nächte war es voll ok, wenigstens wir konnten uns selbst verpflegen, wobei das Frühstück im Hotel in Ankara auch nicht zu verachten war. Wir bekamen es kostenlos, weil wir Genius Level bei Booking hatten.

https://youtu.be/I20WMbVab8c

Donnerstag, 1.6.2023 Eskisehir
Wir waren froh, dass wir Eskisehir als Ziel gewählt hatten. Manchmal musste man halt dorthin reisen, wohin man fahren konnte, wenn man nicht dorthin fahren konnte, wohin man reisen wollte.
Am Morgen waren wir zum Anleger der Gondeln geschlendert. Wir kamen wieder durch die Fußgängerzone vom Vortag und sie begeisterte uns noch mehr. Entlang der ganzen Strecke waren überall Spielmöglichkeiten für Kinder unterschiedlichen Alters. Kleine Trampoline im Boden eingelassen, Spielgeräte zum Klettern und Rutschen etc. Und die bunten Steinblöcke im Wasser, um von einem zum anderen zu hüpfen, an denen auch der große Stefan nicht vorbei kam, ohne sie zu nutzen. Überall gab es Sitzgelegenheiten verschiedener Art, damit Eltern ihre Kinder beobachten konnten.
Wir kamen zur Anlegestelle und die Gondeln sahen wirklich aus wie in Venedig. Wir verzichteten letztlich auf eine Fahrt, weil wir schon eine ganze Strecke entlang des Flusses gegangen waren und somit nichts neues erwarteten, aber auch, weil wir ausschließen wollten, mit der braunen Brühe des Flusses näher in Kontakt zu kommen, auch wenn kentern wohl nur eine geringe Gefahr dargestellt hätte. Wir steckten das Geld in Cappuccino und Mokka in einem Café mit wunderschönem Ambiente und taten gut daran, denn kurz drauf zeigte der Himmel mal wieder, zu was er fähig war. Wir warteten den Regen ab und gingen zurück zur Unterkunft, denn es war noch mehr Regen angesagt und der kam auch kurz nachdem wir im Trockenen waren. Wir lasen, guckten Comedysendungen etc. und faulenzten ein paar Stunden. Gegen Spätnachmittag schien wieder einladend die Sonne und wir machten uns auf den Weg in das Museum für Moderne Kunst (Odunpazari Modern Museum OMM). Es war in einem faszinierenden Gebäude aus schräg versetzten Holzlatten, sehr modern und offen gestaltet. Auch die derzeitige Ausstellung „Trauer und Freude“, in der sich internationale Künstler in unterschiedlichsten Facetten mit dem menschlichen Wesen, der Identität, Sexualität, dem Verhältnis Mensch Natur und dem Verhältnis zu gesellschaftlichen Erwartungen auseinandersetzten, fanden wir erstaunlich offen und freizügig. Sie war nicht groß, aber sehr interessant und gut präsentiert.
Direkt bei dem Museum fanden wir das sehr hübsche Viertel „Odunpazari“, was laut Rezensionen im Internet so viel wie „Zeitreise“ bedeutet. Jedes Sträßchen hat bunte, schön restaurierte Häuschen, die heute als Kunsthandwerksgeschäfte dienten. Besonders häufig wurden hier Produkte aus Meerschaum angeboten, nicht nur Pfeifen, sondern auch Schmuck und andere Gegenstände. Das sehr leichte Material aus Magnesiumselikat sollte hier den Besuchern nahegebracht und berühmt gemacht werden. Im Internet fand ich heraus, dass in Anatolien, nahe der Stadt Eski?ehir unweit von Ankara, Meerschaum in Knollenform bergmännisch abgebaut wurde. Vor dem Trocknen war die Meerschaumknolle wachsweich und fühlte sich fettig an. Durch die Berührung mit Wasser schäumte sie wie Seife und wurde deshalb schon von den Griechen für Reinigungszwecke verwendet.

Inmitten des Gebietes des lag der Kur?unlu- Komplex mit der osmanischen Kur?unlu-Moschee aus dem 16. Jahrhundert. Der Name Kur?unlu stammte von der Blei gedeckten Kuppel der Moschee.
In diesem Viertel versöhnten wir uns auch wieder mit der türkischen Küche, die es uns Vegetariern in der letzten Zeit so schwer gemacht hatte, was für uns zu finden. Wir gingen in das stilvolle Restaurant „Ayten Usta“, von dem wir im Internet bereits die Speisekarte gefunden und das auch vegetarische Angebote hatte. Es war ein voller Erfolg. Nicht nur, dass uns unerwarteterweise kostenlos vor der Mahlzeit verschiedene Brotsorten mit zwei verschiedenen Dips und Essiggurken und jedem eine Flasche Wasser serviert wurden, auch unsere Wahl der Gerichte war sehr lecker. Stefan hatte:
„Halluzination“, Kaukasische Ravioli gefüllt mit würzigen Kartoffeln, serviert mit Joghurt, Walnüssen und Tomatensauce, und ich:„Kaukasische Nudeln“, hausgemachte Makkaroni mit Walnüssen, Käse, Butter und Granatapfel. Beides war ein Traum! Es war die 15€ zusammen! definitiv wert.
Es war ein schöner Abschluss unserer Zeit in Eskisehir. Am nächsten Morgen stand die Rückfahrt nach Istanbul bevor, dieses Mal für drei Nächte auf die asiatische Seite in eine Ferienwohnung.

Freitag, 2.6.2023 Eskisehir – Istanbul
Wir schafften es bis Istanbul und fanden sogar eine nette Unterkunft, was plötzlich gar nicht mehr so sicher war. Wir saßen im Schnellzug nach Istanbul, als plötzlich die Meldung von Booking kam, dass die Unterkunft unsere Kreditkarte nicht akzeptierte. Wir sollten eine andere nehmen, sonst würde die Buchung storniert. Na toll! Eine Stunde zuvor hatte der Vermieter noch geschrieben, alles wäre fertig und sie würden uns erwarten. Da gerade eine Menge Phishing Mails, besonders auch bei Buchungsportalen, im Umlauf waren, wollten wir das nicht. Bisher hatten wir immer mit Stefans Karte ohne Probleme bezahlt. Außerdem stand in der Anzeige der Unterkunft auch, dass man vor Ort bezahlte. Ich schrieb dem Vermieter, anscheinend ein kommerzieller Anbieter, wir kämen in ca. 2S td. und würden dann bar bezahlen. Daraufhin kam die Antwort, vor Ort Zahlung sei nicht möglich und die Unterkunft wäre somit nicht mehr für uns verfügbar! Wir könnten bei Booking stornieren, was wir natürlich nicht gemacht haben, weil wir sonst hätten zahlen müssen. Wir nahmen mit Booking Kontakt auf und schrieben dem Vermieter, dass wir überhaupt kein Verständnis für sein Verhalten hätten und auf die Buchung bestünden. Zwei Minuten später bekamen wir die Stornierung durch ihn. Ich schätze, er hatte eine Doppelbuchung und wir wurden Opfer. Wir standen nun aber ohne Unterkunft da und mussten in Istanbul-Pendik aussteigen, dem östlichen Bahnhof, da wir unsere Zug- Reservierung nur bis hier gebucht hatten, denn die Wohnung wäre in der Nähe gewesen. Wir guckten uns dort in Bahnhofsnähe um, aber was wir uns ansahen, war für das, was geboten wurde, viel zu teuer. 45€ pro Nacht für höchstens 8 qm, französisches Bett, also schmal und verraucht, das wollten wir uns nicht für drei Nächte antun. Wir fanden eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern, Küche, Wohnzimmer, Bad und Balkon für dasselbe Geld bei Booking und buchten direkt. Auf dem Weg dorthin stellten wir wieder fest, wie riesig Istanbul war. Wir fuhren über eine Stunde mit der Mamaray Metro und einem Bus. Es kam uns ewig vor, besonders weil die Busfahrt wegen Rush Hour ein einziges Stop&Go war. Nun landeten wir also doch wieder auf der europäischen Seite, allerdings weit im Westen in Bahçelievler, in der Nähe des Mamara Meeres. Der Vermieter war ein sehr netter, deutschtürkischer Schauspieler, der halb in Frankfurt/Main und halb hier lebte und sowohl in der Türkei, als auch in Deutschland in Theatern spielte. Wir hatten ein sehr nettes und interessantes Gespräch bei einer Tasse Kaffee.
Nach dem Hin- und Her wegen der Unterkunft waren wir hungrig und kaputt, als hätten wir viel getan, dabei saßen wir die meiste Zeit in irgendwelchen Verkehrsmitteln. So ärgerliche Zwischenfälle wie mit der ersten Ferienwohnung stressten uns auch ziemlich.

Samstag, 3.6.2023 Istanbul
An diesem Morgen habe mal ich für das Frühstück eingekauft und statt Marmelade, Honig gewählt. Marmelade war hier einfach zu süß. Man schien statt Gelierzucker dickflüssigen Sirup zu verwenden, auf jeden Fall schmeckte man vor lauter klebrig- flüssiger Süße kaum noch den Geschmack des Obstes heraus, obwohl sogar Stücke drin waren. Wenn schon süß, dann konnte man auch gleich Honig essen. Zu unseren Haferflocken kaufte ich noch Walnüsse, Äpfel, Multivitaminsaft, Brot und Käse. So konnten wir uns ausgiebig laben für einen nächsten spannenden Entdeckertag. Vor dem Entdecken lag allerdings wieder eine ewig lange Bus- und Straßenbahnfahrt in sehr vollen Fahrzeugen. Diese Stadt war mir einfach zu groß. Obwohl alle öffentlichen Verkehrsmittel sehr gut ausgelastet waren, quälte sich der Verkehr in endlos langen Fahrzeugschlangen durch die Stadt. Die Nerven der Fahrer lagen blank, was sich durch ewiges Hupen, plötzliches auf die Tube drücken und nicht selten auch Überfahren von roten Ampeln ausdrückte. Fußgänger gingen selbst mit kleinen Kindern über rote Ampeln, weil sie sonst immer nur Standen. Das sahen wohl auch die Polizisten so, denn sie guckten unbeteiligt zu. Zebrastreifen wurden von Autofahrern, besonders von Taxis, fast nie als Grund zum Halten angesehen. Es kam eher vor, dass ein Taxifahrer von weitem hupte, wenn er Fußgänger witterte und dann aufs Gas trat. Vor der katastrophalen türkischen Fahrweise hatte uns der nette Apotheker in Konya sogar schon gewarnt. Manchmal musste man regelrecht aufpassen, dass sie einem nicht noch am Bordstein die Füße platt fuhren. Istanbul platzte einfach aus allen Nähten und wart mit seinen 15,2 Millionen die größte Megacity Europas. Sie hatte aber auch viel Interessantes zu bieten. Wir waren heute als erstes beim „Tünel“ und sind mit der Standseilbahn den Hügel hochgefahren. Es war aber nicht einfach nur eine Standseilbahn, sondern eine unterirdisch verlaufende Standseilbahn im europäischen Teil Istanbuls. Sie wurde 1875 eröffnet und galt damit als die älteste dauernd bestehende Standseilbahn Europas, da die ältere in Budapest zeitweilig außer Betrieb war. Sie galt außerdem, nach der Londoner „Tube“, als zweitälteste U-Bahn der Welt. Der Tünel stieg in einer parabolischen Kurve 61,55 m in die Höhe und fuhr auf einer Entfernung von 606,50 m. Eine U-Bahn war sie nur in dem Sinne, dass sie unterirdisch geführt wurde, die Antriebstechnik aber die einer reinen Standseilbahn war. Nach der Fahrt liefen wir über eine steile, schmale Straße wieder bergab zum „Istanbul Modern“, dem, oder ich sollte sagen einem der Museen für Moderne und zeitgenössische Kunst. Wie in Eskisehir waren wir begeistert von der Architektur, der Lage direkt am Galata Hafen und besonders der Ausstellung. Eine ganze Ausstellung „Always here“, war von Künstlerinnen, die seit 2016 vom Istanbul Modern gegründeten Women Artists Fond unterstützt wurden, zum Thema, warum es bisher keine bekannten, großartigen Künstlerinnen in der Türkei gab. Eine feministische Kunsthistorikerin hatte hierzu ein Essay geschrieben mit der Schlussfolgerung, dass Frauen in der Geschichte nie dieselben Möglichkeiten zur Bildung und Ausbildung hatten wie Männer und erst in langem Kampf ihre gesellschaftlich zugewiesene Rolle um die als Künstlerin erweitern und durchsetzen mussten. Art Modern förderte mit seinen Sammlungen von Anfang an die künstlerische Vielfalt und hatte Künstlerinnen damit zur Berühmtheit geführt.
Außer dieser Ausstellung gab es eine sehr interessante Fotoausstellung eines Künstlers, der Personen verschiedener, zumeist sehr armer Länder, bei ihrer alltäglichen Arbeit zeigte und damit versuchte, ihre Menschenwürde und ihren Stolz in den Vordergrund zu rücken, statt Mitleid hervorzurufen. Es waren hervorragende Bilder.
Darüber hinaus gab es Filme zum Thema Homosexualität und deren Verfolgung, Missbrauch und ähnliches, Installationen, die sich mit der Erde und vielem mehr auseinander setzten und neben den hauptsächlich türkischen Künstlern auch ein paar internationale wie z.B. Werke von Baselitz. Zu guter Letzt hatte das Museum noch eine Aussichtsterrasse mit schönem Blick auf Stadt und Hafen. Zum Abschluss des Tages besuchten wir bewusst noch ein veganes Restaurant, das wir bei Google Maps gefunden hatten. Karaköy, das Gebiet beim Hafen, war touristisch, hat hippe Cafés und Geschäfte und damit auch eine größere Auswahl an Gastronomie. Das Restaurant war sehr klein, nur 5 Tische, hatte aber eine große Auswahl an veganen Speisen. Man konnte zwischen unterschiedlichen Komponenten wählen. Wir nahmen jeder vier, sodass wir eine große Auswahl hatten von Falafel, Linsen, vegan gefüllter Pasta, Möhren-Rote-Beete Salat, frittierten Linsenbällchen mit Minze und Hummus und alles war sehr lecker und das für nur rund 7€! Nicht so schön war, dass von der Terrasse der Zigarettenqualm der Raucher reinzog, aber seit Albanien waren wir in der Richtung schon einiges gewöhnt, auch Rauchen in Cafés und Geschäften. Gesättigt traten wir unsere ca. einstündige Rückfahrt zur Ferienwohnung an.

Sonntag, 4.6.2023 Istanbul
Heute war uns nach Natur, also fuhren wir morgens zu einem so ungefähr einzigen größeren, naturnahen Park, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar war, zum Atatürk Kent Ormani. Nach ca. 1,5 Std Metrofahrt erreichten wir die Haltestelle und kamen uns plötzlich furchtbar alt vor. Außer uns war fast niemand in der Metro, der über 25 war und alle stiegen an der Endhaltestelle aus. Die wollten doch sicher nicht alle in den Park?! Ihr Ziel war aber anscheinend eine Veranstaltung, denn irgendwelche Leute versuchten die Masse von der Haltestelle in eine Richtung zu lenken. Es war zum Glück nicht unsere und kurz drauf betraten wir wunderbare Natur. Es war zwar ein angelegter Park und wohl nicht natürlich gewachsen, aber auf einem hügeligen Gelände gab es Wald, Seen, Wanderwege, Vogelgezwitscher und Schildkröten im Wasser. Es war wie eine andere Welt nach dem dauerhaften Trubel auf den Straßen. Es waren nur wenig Leute dort, aber ein paar junge Frauen und ein Pärchen hatten sich Campingstühle und Tisch mitgebracht und genossen ein Picknick. Groß war das Gelände nicht, besonders wenn man daran dachte, dass über 15 Millionen Menschen sonst kaum Rückzugsraum vor ihrer Tür haben, aber schön angelegt war der Park auf jeden Fall. Als wir ihn durchquert hatten, liefen wir bergab zum Fähranleger Büyükdere und nahmen die Fähre zurück zur Innenstadt. Wir fuhren dabei eine ganze Stunde lang fast durch die ganze Wasserstraße zwischen Schwarzem Meer und Mamarameer. Die Fähren in Istanbul waren ganz normale Verkehrsmittel wie Bus und Bahn und ließen sich mit derselben Chipkarte bezahlen. Vom Fähranleger Eminömü fuhren wir dann mit Straßenbahn und Bus in unsere Gegend, aßen eine Pizza und gingen dann nach Hause. Der kommende Tag war unser letzter in Istanbul, bevor es am Abend mit dem Nachtzug nach Plovdiv in Bulgarien ging. Netterweise durften wir bis abends in der Wohnung bleiben, sodass wir noch eine kleine Unternehmung planen konnten und nicht auf unserem Gepäck festsaßen

Montag, 5.6.2023 Istanbul – Nachtzug nach Plovdiv/ Bulgarien
Wir nutzten die Gelegenheit, unser Gepäck in der Ferienwohnung zu lassen und fuhren mit dem Bus zum Barkirköy Sahil Parki, einer Promenade beim Mamarameer. Es handelte sich um einen Grünstreifen mit Maulbeerbäumen über einer präparierten Joggingstrecke, Radweg, Fußweg und Rasenflächen mit Spiel- und Sportgeräten. Er verlief gut einen Kilometer am Segelyachthafen und dem Wasser entlang. Es war ein schöner Weg, aber den Lärm der mehrspurigen Straße nebenan konnte man nicht ausblenden. Wir sahen die Warteschlange der Güterschiffe, die auf die Durchfahrt zum Schwarzen Meer warteten. Nachdem wir einmal hin und zurück gelaufen waren, gingen wir zum Abschluss in einem arabisch aussehenden, aber doch türkischen Restaurant essen. Wir fanden auf der Karte türkische Pfannkuchen mit Käse und Champignons und eine Art Omelett mit Gemüse, beides sehr lecker. Nun hatten wir fast alle türkischen Lira verbraucht, aber das war auch das Ziel, denn wir hatten noch einmal Geld auf unsere Karte für Bus und Bahn geladen und gingen davon aus, nichts mehr zu brauchen. Selbst wenn wir notfalls Taxi fahren müssten nach Halkali zum Bahnhof, würde der Fahrer sicher Karte oder Euros akzeptieren. Wir machten uns 2 3/4 Stunden vor Zugabfahrt auf den Weg und hatten bei Google einen Bus ausgeguckt, der nach Halkali fahren sollte. Er kam auch bald und erst sah alles planmäßig aus, auch wenn die Fahrt ein nerviges Stop&Go war. Dann fuhr er auf die Stadtautobahn und bog nicht dort ab, wo er es unserer, bzw. Googles Meinung nach tun sollte. Wir saßen im falschen Bus, im Stau auf der Autobahn! Nach einer halben Ewigkeit hielt er endlich an und wir versuchten von dort wegzukommen, aber es wäre nur ein Dolmus, d.h. so ein Minibus, die überall halten und nur fahren, wenn sie voll sind und deren System wir gar nicht durchblickten, gefahren. Uns lief die Zeit weg, also fragten wir ein Taxi. Der Fahrer nahm keine Karte und keine Euros und eigentlich hätte es 5 Tl mehr gekostet als wir noch hatten, aber der Fahrer hatte Mitleid mit uns und nahm uns trotzdem mit. Eine Höllenfahrt zwischen Stau und 130 km/h wo 30 km/h erlaubt waren. Hinter uns heulte die ganze Zeit ein Rettungswagen, aber es gab effektiv keine Chance für ihn durchzukommen. Spätestens zu dem Zeitpunkt war ich froh, aus Istanbul wegzukommen. Bei einem Notfall, der nicht mitten in der Nacht stattfand, stieg das Risiko noch im Rettungswagen das Zeitliche zu segnen, hier wohl erheblich. Wir erreichten den Bahnhof Halkali rund eine ¾ Std vor Abfahrt. 30 Minuten vorher durfte man in den Zug einsteigen. Der Bahnhof war neu, aber bot außer Gleisen, Fahrkartenschalter, WC und Warteraum absolut nichts. Unser Nachtzug war wie die vorherigen, also mit Waschbecken, Schrank und Kühlschrank mit Snack, also für ca. 15€ Gebühr pro Person für die Reservierung wirklich super im Vergleich zu den horrenden Preisen im westlichen Europa.
Nun warten wir ab, was in der Nacht auf uns zukam. Soweit wir gelesen hatten, mussten alle Fahrgäste samt Gepäck an der Grenze aussteigen. Ankunft gegen 1:00 nachts, Abfahrt ca. 2:00. Gute Nacht!

Dienstag, 6.6.2023 Bansko/ Bulgarien
Wir kamen fast pünktlich in Plovdiv kurz vor 6:00 an. Das war keine wirklich gute Zeit, es sei denn, man wollte die ersten Sonnenstrahlen genießen. Wir liefen mit unserem Gepäck erst quer durch die ganze Stadt auf der Suche nach einem Geldautomaten und dann nach einem geöffneten Café. Wir kamen auch an unserer FeWo von vor zwei Jahren vorbei, die auch unsere Tochter und ihr Freund zuvor gemietet hatten. Unsere Suche nach einem Café war erst um 7:30 erfolgreich. Wir hätten zwar vorher Kaffee aus Automaten und Gebäck aus Lädchen haben können, aber wir hatten zum Einen kein bulgarisches Geld und ich musste blöderweise auch noch auf Toilette. Vom Café aus ging es weitere 15 Minuten zu Fuß weiter zur Autovermietung, die dummerweise noch keine Meldung von Check 24 hatte, dass wir das Auto statt um 12:00 um 8:30 abholen wollten. Tja, kein Auto da, also warteten wir auf einer Parkbank in der Hoffnung, dass es wenigstens etwas früher als 12:00 klappen würde. Stefan war recht fit, aber ich todmüde. Ich hatte zwischen dem ständigen Geweckt werden an den Grenzen nicht einschlafen können und mein Fitnesstracker zeigte die sagenhafte Schlafpunktzahl von 21 Punkten! Vielleicht hätte ich lieber wach bleiben sollen? Ganze 20 Min Leichtschlaf, na super und dafür hatten wir ein Schlafwagenabteil bezahlt!
Um 16:00 hatten wir es endlich geschafft! Nach einer Nachtfahrt ohne Schlaf, 6 Stunden Warten aufs Auto und einer rund dreistündigen Fahrt kamen wir in der Bergidylle Bulgariens, in Bansko, im Südwesten des Landes, an. Wir fanden eine wunderschöne Wohnung mit einem traumhaften Blick auf die Berge vor. Dieses Mal blieben wir 4 Nächte und ich schlief in der Nacht wie eine Tote

Mittwoch, 7.6.2023 Bansko- Wanderung Pirin Nationalpark
Dieser Tag war ein voller Erfolg, auch wenn wir unsere geplante Wanderung nicht ganz durchführen konnten, weil uns ein breiter Fluss in die Quere kam. Aber vom Anfang: nach ausgiebigem Frühstück fuhren wir eine wunderschöne Strecke in den Pirin Nationalpark bis zur Berghütte Wichren. Von dort startete die Wanderung und das gleich über alpines Gelände: dicke Steine, feuchter Untergrund durch Schneeschmelze. Schon bald ging es richtig steil hoch und manchmal reichten meine Stöcke nicht, um genügend Halt zu finden, und ich musste mich an dickeren Zweigen von Latschenkiefern festhalten, oder Stefan reichte mir die Hand, wenn meine Beine kaum von einem Tritt zum anderen reichten. Wir überquerten mehrmals Bäche, bis sich ein Wasserlauf genau unseren Wanderweg als Strecke ausgesucht hatte. Wir hangelten uns von Stein zu Stein den Berg hoch. Das alles fand vor fantastischer Kulisse statt. Hohe Berge ringsum und umso höher wir kamen, auch Schneefelder und wunderschöne, lila Teppiche aus Krokussen. Als wir an der höchsten Stelle der Wanderung ankamen, hätten wir eigentlich einen Fluss überqueren müssen. Man hatte auch aus Steinen eine Spur gelegt, nur dass sie inzwischen einige Zentimeter unter Wasser waren und der Fluss, angepeitscht durch das Tauwasser von den Bergen, ganz schön kraftvoll dahin rauschte. Stefan meinte, es wäre zu gefährlich und wenn er das schon sagte, dann folgte ich lieber dem Rat meines privaten Bergführers;). Wir liefen noch ein paar Hundert Meter zu einem anderen See, der auch traumhaft aussah und machten uns dann auf den Rückweg. Es ging über denselben Weg wie beim Aufstieg, nur dass die Sonne noch mehr Schnee zum Schmelzen gebracht hatte als zuvor. Entsprechend war die Erde und besonders die verschneiten Stücke noch rutschiger und einmal setzte ich mich auch auf den Hintern. Es war nicht schlimm, die Hose trocknete im Nu. Mehr Sorgen bereitete uns allerdings der Wasserlauf auf unserem Weg. Hin war er noch so, dass man relativ gut von Stein zu Stein kam, nun war er aber zu einem regelrechten Fluss angewachsen, und ich war höllisch froh, meine Stöcke zur Hilfe zu haben. Hätte es jetzt noch begonnen zu regnen, wären wir in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Wir kamen heile den Berg wieder hinunter und stärkten uns auf bulgarische Art in der Wanderhütte: Shopska Salat und Pommes (waren ehr sehr dünne geschnittene Bratkartoffeln) mit geriebenem Käse. Beides war sehr lecker, wenn auch letztere sicher nicht das Gesündeste waren. Nach der Rückkehr sahen wir uns noch in unserem Urlaubsort Bansko um. Man konnte sich gut vorstellen, dass zur Wintersportsaison hier der Teufel los war, so viele Unterkünfte und Skiverleihe wie es hier gab. Momentan schien allerdings absolut keine Saison zu sein. Viele Geschäfte und Restaurationsbetriebe hatten total dicht, andere waren gerade in der Renovierungsphase. Auch die Straßenbauarbeiten liefen in vollem Gange. Wir fuhren zu Lidl, das erste Mal seit sicher einem Monat konnten wir mal wieder bei einem Discounter einkaufen, die Preise waren aber, wie in allen anderen Ländern, höher als bei uns bei vielen Sachen. Wir kauften zum Abendessen Kartoffeln, Pilze, Möhren, Tsatsiki und Fischstäbchen ein, sodass Stefan uns daraus ein leckeres Essen zauberte.
Wir nahmen uns vor am nächsten Tag mit der Rodophenbahn zu fahren. Es sollte ein sehr schönes landschaftliches Erlebnis sein, wenn auch sehr langsam.

Donnerstag, 8.6.2023 Bansko – Zugfahrt mit der Rodophenbahn
Rattataram rattataram…ich hörte es noch abends in meinen Ohren, und das Auf und Ab und hin und her schaukeln war genauso, wie man sich als Kind Zugfahren vorstellte, wenn man Jim Knopf las. Die Rodophenbahn fuhr zwar nicht mehr mit Dampflokomotive, sondern mit Diesel, aber sonst kam sie noch deutlich aus einem anderen Jahrhundert. Wie geplant, machten wir einen langen Ausflug mit dieser 1926 in Betrieb genommenen und bis 1945 auf die heutige Fahrstrecke von 125 km Länge ausgebauten Schmalspurbahn. Die Strecke verlieft eigentlich von Dobrinischte bis Septiemvrie, wir fuhren allerdings nur von Bansko bis Velingrad und zurück. Schon diese Strecke dauerte ca. 6 Stunden, denn der Zug fuhr mit durchschnittlich gerade mal 25 km/h. durch das Rodophengebirge und das Rillagebirge und endete kurz vor dem Piringebirge, wo unsere Unterkunft lag . Die meiste Zeit durchquerte er bewaldete Hügel, stieg dabei von 238 m auf 1267 m über dem Meeresspiegel. Der Bahnhof Awramowo war damit der höchste auf der Balkanhalbinsel. Um diesen enormen Höhenunterschied zu bewältigen, waren zahlreiche Tunnel, Kurven und Kehren notwendig. Die Strecke galt als ein Zug-Highlight in Bulgarien, wurde aber auch von Skitouristen im Winter gerne genutzt, wenn sie in Plovdiv landeten und ins Piringebirge wollten. Wir hatten Glück, unsere Züge waren auf beiden Strecken nur wenig besetzt, wir hatten gemütliche Plätze, konnten die Fenster zum Fotografieren öffnen und hatten noch dazu super Wetter. Der Zug war ein wirklich altes Schätzchen. Zwischen den Wagons gab es keinen geschlossenen Übergang wie in heutigen Zügen, sondern man ging durchs Freie, nur geschützt durch zwei Ketten rechts und links und konnte die Räder über die Schienen rattern sehen. Auf der Rückreise fuhr der Zug sogar die ersten paar hundert Meter mit geöffneter Außentür, bis der Schaffner sie schloss. Die Bahnhöfe waren nette kleine Gebäude, meist außen mit Bäumen, Bänken, Blumen und einem Kiosk oder zumindest einem Kaffeeautomat. Zu den Bahnsteigen lief man einfach über Absenkungen zu den Gleisen. Es wirkte alles wie aus vergangenen Zeiten, inklusive der Stationsvorsteher. Da wir zuvor schon ähnliche Fahrten in gebirgigen Regionen in der Schweiz, in Österreich und im schottischen Hochland gemacht hatten, faszinierte uns die Fahrt nicht ganz so sehr. Die Landschaft war schön, die Technik faszinierend und zum Schluss bei der Rückfahrt genossen wir auch den Ausblick auf die vor uns liegenden Berge des Piringebirges, aber im Vergleich zu den Vorerfahrungen fehlte es etwas an spektakulären Ausblicken. Wir freuten uns dennoch, die Tour unternommen zu haben. Schade war, dass wir am Schluss nicht bis Dobrinischte durchfahren und zurück, vorbei an einem Wasserfall, nach Bansko laufen konnten, aber es zog eine dermaßen dunkle Wolkenwand über die Berge und der Wetterbericht zeigte auch Gewitter an, sodass wir den Ausflug cancelten.

Freitag, 9.6.2023 Bansko – Autoausflug nach Melnik
Das Wetter blieb uns treu, auch wenn es zwischendrin donnerte und gar nicht so aussah, als würde es trocken bleiben, regnete es bisher immer nur außerhalb unseres Radius. Super Voraussetzungen also für unsere heutige Autotour. Wir hatten uns Melnik ausgeguckt, die kleinste Stadt Bulgariens mit rund 160 Einwohnern (Dez 2020). Sie lag ganz im Süden, nur ca. 35 km von der griechischen Grenze und war bekannt für ihren Weinanbau. Es gab sogar ein Museum dazu, was uns aber nicht interessierte. Wir hatten lange genug im Weingebiet Rhein/Mosel/Nahe gelebt. Unser Ziel war es, das Örtchen zu entdecken und dabei stießen wir auf einen Wanderweg zu den Pyramiden von Melnik. Wie vor zwei Jahren bei Stolp in Bulgarien, gab es auch um Melnik faszinierende Sandsteinformationen, die häufig spitze Formen wie Pyramiden hatten. Wir wanderten auf einem Wanderweg, der lange durch ein ausgetrocknetes Bachbett und dann steil hoch führte. Unterwegs begegneten uns Geckos, Schmetterlinge und eine Schildkröte, die bei uns ein Casting als Model absolvierte. Oben angelangt hatten wir einen phänomenalen Ausblick und ein idyllisches Rastplätzchen auf einem Ast, geschützt vom Baum vor der prallen Sonne. Der Weg hoch war anstrengend, 280 Höhenmeter auf 2,3 Kilometer Länge, aber runter war dagegen echt schwierig mit meinen Wackelknien. Sand auf Steinen und Geröll bei steilem Abgang boten den optimalen Untergrund zum Wegrutschen. Ich hatte dummerweise auch meine Stöcke im Auto gelassen, weil wir uns auf Ort eingestellt hatten, so musste Stefan mir häufiger die Hand reichen. Wir kamen heile wieder im Ort an, aßen etwas und fuhren auf einem anderen Weg wieder Richtung Bansko. Unterwegs ließ uns Google auf eine Straße abbiegen, die als Umleitung ausgeschildert war. Ob wir sie hätten nehmen müssen, weiß ich nicht, aber sie brachte uns fast an die Grenze des Möglichen mit unserem Mietwagen. Eine derartige Schlaglochpiste, mit zumeist komplett zerbrochener Straßendecke waren wir zuvor noch nie gefahren. Das ging über 3 km so und ich stieg an den schlimmsten Stellen aus und winkte Stefan an den dicksten Steinen und Löchern vorbei so gut es ging. Das war ziemlich haarig, aber wir kamen letztendlich wieder auf die normale Straße und die führte durch wunderschöne Wald- und Felsenlandschaft mit ein paar kleineren Orten. Der Ausflug hatte uns wieder bestätigt, dass es eine sehr gute Idee war, Bulgarien noch ein zweites Mal einen Besuch abzustatten.

Samstag, 10.6.2023 Bansko- Pamporowo
Wir verließen unser gemütliches Zuhause in Bansko und fuhren 165 km weiter nach Osten, nach Pamporowo. Es war wieder ein Skiresort, aber auf 1650 m Höhe, also fast 700 m höher als Bansko, was man auch deutlich an den Temperaturen merkte. Waren es in Bansko in den letzten Tagen so um die 23-25?, hatten wir hier gerade mal 11?. Brrrr, kalt. Wir schalteten direkt die Heizung in unserem neuen Apartment an. Wir wohnten in einem gigantischen Resorthotel in der 5. Etage. Es war das größte im Rodophengebirge, allerdings laut Internet gerade geschlossen. Das galt aber wohl nur für den Hotelbereich mit Pool, Bowlingbahn, Skischule etc. Wir konnten unser Apartment buchen und es gab auch einen Portier oder Parkplatzwart (anscheinend war er derzeit beides), der uns den Weg zu unserer Unterkunft zeigte. Außer uns war kaum noch jemand hier. Es war daher ruhig und störte uns nicht weiter. Solange sie nicht den Lift sperrten oder Strom abschalteten, war alles ok. Im Winter kostete dasselbe Apartment 90€, wofür wir jetzt fast drei Nächte hier wohnen konnten. Wir hatten wieder eine Küchenzeile und eine Waschmaschine, was wollten wir mehr? Der Ausblick war nicht so super wie in Bansko, aber uns erschien der ganze Ort auch nur aus irgendwelchen Skiunterkünften zu bestehen, wohingegen Bansko ein gewachsener Ort mit kleiner Altstadt war. Rund um unser Resort befanden sich Skischulen, weitere Hotels, Restaurants und Geschäfte, aber alles hatte geschlossen. Hier schien wirklich nur im Winter etwas los zu sein, obwohl es direkt vor der Tür einen Mountainbikepark gab, der jedes Jahr ein großes Bikefest feierte, das zu den größten Bulgariens gehörte, wie wir in der Werbung feststellen konnten. Wahrscheinlich war hier nur im Juli/August Sommersaison.
Auf dem Weg hierher hatten wir in Goze Deltschew gehalten und einen kleinen Spaziergang durch die Innenstadt gemacht. Danach gab es an der Strecke, die sich fast ausschließlich durch Wald- und Felsgebiete und häufig entlang eines Flusses schlängelte, zahlreiche Picknickplätze. Diese waren wirklich toll, mit Trinkwasserquelle mit frischem Gebirgswasser, einer nach vorne hin offenen Hütte, wo man vor Regen geschützt auf Tischen mit Bänken sein Essen genießen konnte, und teilweise sogar mit WC und Spielgeräten. Zuletzt machten wir noch einen Abstecher zur Trigader Schlucht, wo man mit dem Auto zwischen den Felsen durchfuhr. Wir machten einen Stopp zum Essen, um von dem Restaurant aus beobachten zu können, wie Leute sich in Gurtsitzen am Seil 88 m in die Tiefe sausen ließen. Eigentlich wären wir gerne irgendwo noch etwas gewandert, aber es fing an zu regnen.

Sonntag, 11.6.2023 Pamporowo Ausflug Smoljan und Wanderungen
Da das nächste geöffnete Lebensmittelgeschäft erst im Ort Smoljan, 16 km von unserem Hotel entfernt zu finden war und wir etwas zum Essen brauchten, fuhren wir als erstes dorthin und beehrten den Lidl mit einem Besuch. Schon einmal dort, machte es Sinn, auch gleich eine Wanderung in der Umgebung zu machen. Der Waterfall Canyon stand sowieso auf unserer Liste, also begaben wir uns auf den Wanderweg. Wie immer bei Wasserfällen ging der Weg bergauf. Es waren letztendlich 350 Höhenmeter, also einige mehr als bei unserer Wanderung in Bansko, aber es ging nur am Ende richtig hoch und auch von der Begehbarkeit war der Weg nur zum Ende hin teils sehr heftig für mich, da die Reparaturarbeiten an Brücken und Stufen noch nicht bis oben hin abgeschlossen waren. Im Großen und Ganzen war der Weg super erhalten, gut markiert und mit Picknickplätzen und Unterständen, die sogar mit Erste Hilfe Kästen versehen waren, wirklich lobenswert. Auf dem letzten Stück nach oben waren allerdings einige Holzstufen weggebrochen, Bretter von Brücken über den Wasserfall durchgemodert etc. und ich musste größere Schritte machen, als meine Beine hergaben. Mit Stefans Hilfe und meinen Stöcken schaffte ich aber auch das. Wie schön, wenn man einen so verlässlichen und lieben Partner hat! Der Wasserfall bzw. die Fälle waren nett, aber nicht absolut überragend. Wir hatten auf unseren Reisen schon sehr viele gesehen und häufig glichen sie sich. In den osteuropäischen Ländern hatte wohl Kroatien die schönsten und spektakulärsten zu bieten, da kamen diese nicht mit. Schön war die Wanderung dennoch, besonders weil wir uns zu Beginn nicht vom Regen abschrecken gelassen hatten und es dann auch kurz drauf trocken wurde.
Nach dieser Tour schauten wir uns den 28000 Seelen Ort Smoljan an, den wir ziemlich stillos fanden, seine Lage in den Rodophen war jedoch herrlich.
Auf dem Weg zu unserer Unterkunft fiel uns ein weiteres Wanderschild auf, und zwar zum Nevyastata Eco Trail. Der Weg war eine reine Wohltat zu dem steinigen Gekraxel zuvor, ein schöner Waldweg und inzwischen sogar mit vereinzelten Sonnenstrahlen. Nur zuletzt wurde es alpin. Es gab sogar ein Warnschild, dass Jugendliche unter 16 Jahren dort nicht wandern dürften. Es war felsig und ging hoch zu Klippen. Ich fand das Stück zwar etwas schwieriger, aber gut zu meistern. Der Ausblick von oben war super und bei der Plattform gab es ein Seil, wo Geschulte mit richtigem Equipment sich in die Tiefe zum anderen Felsvorsprung am Seil entlang rutschen lassen konnten. Wir konnten leider keinem dabei zusehen. Am Felsen waren Sicherungshaken für Kletterer. Ich denke mal, dass diese Dinge der Grund waren, warum unter 16 Jährige dort nicht alleine rauf durften. Wir freuten uns, diesen Weg noch gemacht zu haben und entschieden kurzerhand beim Parkplatz, auch noch den weiteren, nur ein paar Hundert Meter langen Weg zu den Resten einer Festung aus dem 6 Jahrhundert zu machen. Auch der Weg war schön und bot tolle Ausblicke. Gut gelaunt nach einem Tag in der Natur kehrten wir wieder heim, wo Stefan ein leckeres Abendessen aus Pellkartoffeln mit Tsatsiki und einer Gemüsepfanne mit Zucchini, Paprika, Tomaten, Knoblauch, Zwiebel und Ingwer zauberte. Es war toll, zwischendurch selber kochen zu können und bei beiden Wohnungen in Bulgarien hatten wir ausnahmsweise mal eine gut ausgestattete Küche. In der Türkei war das furchtbar, es fehlte immer an allem und besonders an Messern. Gut, dass wir immer eine Grundausstattung an superleichtem Titan- Geschirr inkl. meiner nicht mehr wegzudenkenden French Press Kaffeemaschine, ebenfalls aus Titan, deren Becher man auch als Tasse oder Topf für ein Süppchen nutzen konnte, bei uns hatten. Bei dieser Art der Ausstattung lohnte es sich wirklich, Geld zu investieren für etwas Gescheites, was man bei unterschiedlichen Reiseformen nutzen konnte.

Montag, 12.6.2023 Pamporowo – Ausflug Slatograd
Unseren letzten Tag im Süden Bulgariens nutzten wir zu einem Ausflug nach Slatograd, rund 70 km südöstlich von Pamporowo an der griechischen Grenze, was aber dennoch mehr als 1,5 Std Fahrt bedeutete, denn es ging wieder durchs Gebirge mit unzähligen Kurven. Gut, dass Stefan solche Strecken gerne fuhr! Wir machten unterwegs eine Wanderung zur Festung Momchilowa. Der Weg zur Festung war einfach, da sehr gut gesichert und an den meisten Stellen mit perfekter Treppe ausgestattet. Er war auch nicht so anstrengend, wie er von unten aussah, es waren halt einige Stufen bergauf. Von der Festung selbst war nicht mehr viel erhalten, der Ausblick war jedoch wunderbar und die Bewachsung der Felsen mit Moosen und Flechten eine Augenweide! Es gab an mehreren Stellen Podeste außerhalb der Brüstung und wir rätselten, ob sich da wohl Vogelmenschen den Berg runterstürzten und auf die Funktion ihrer Flügel hofften. Für Bungee Jumping waren zu viele Bäume und Felsen im Wege. Ich las jedoch später, dass die Sitzbänke dort oben auf der Plattform als Amphitheater genutzt wurden und die Beleuchtungsanlage dort oben sprach auch sehr dafür. Vielleicht wurden dann auf die Podeste Boxen gestellt? Keine Ahnung.
Die Rodophen wurden in historischen Quellen die „Heiligen Berge der Thraker“ genannt und der Hügel Momchilowa sollte auch eine Kultstätte gewesen sein. Um Geschichte lebendig zu halten und Touristen anzuziehen hatte die Region, sowohl auf bulgarischer als auch auf griechischer Seite mit Unterstützung der EU dort ein Projekt mit dem Namen „Mädchenfestung- Mythen werden lebendig“ entwickelt. Ich schätzte, dass dort oben geschichtliche Events veranstaltet wurden.
Wir machten uns gerade auf den Rückweg, als es anfing zu tröpfeln und begaben uns schnellstens wieder zum Auto. Der Ort Slatograd, den wir danach besuchten, war ein Tipp unserer Airbnb Gastgeberin von vor zwei Jahren, mit der wir uns so gut verstanden hatten, dass wir sogar zweimal gemeinsam essen gingen. Sie hatte uns erzählt, dass es dort schöne alte Häuser gäbe. Wir fuhren also direkt zur Altstadt, die gerade eine riesige Baustelle war. Gleich mehrere Straßen waren aufgerissen und wir kamen gerade so zu Fuß durch. Es gab ein paar nette historische Häuser inkl. Museen als ethnografischen Komplex. Wir durchgeschlenderten den Bereich, das war aber nach kurzer Zeit erledigt, denn in die Museen wollten wir nicht, da wir beim letzten Besuch bereits ein ganzes Museumsdorf ausführlich besucht hatten. Also ließen wir uns von unserem Kaffeedurst in ein Café verführen und da verbrachten wir letztendlich über zwei Stunden, weil es einen heftigen Wolkenbruch gab. Als es einigermaßen ging, lief Stefan zurück zum Auto und ich passte im Trockenen auf unsere Papiere auf, bis er mich abholte. Irgendwie hatte es ins Auto reingeregnet, auf jeden Fall war mein Sitz feucht und ich bekam auf der Rückfahrt eine nasse Hose. Wir hofften, dass der Sitz am kommenden Mittag wieder trocken sein würde, wenn wir den Wagen wieder in Plovdiv abgeben mussten. Von dort ging es dann mit dem Zug weiter nach Sofia, wo wir noch einmal eine Nacht vor der Weiterreise übernachten wollten.

Dienstag, 13.6.2023 Pamporowo nach Sofia
1,5 Std Autofahrt und ca. 3 Std Zugfahrt brachten uns nach Sofia. Wir waren jetzt also wieder Zugfahrende und planten am kommenden Tag nach Widin, in die Nord- westlichste Ecke Bulgariens, weiterzufahren. In Pamporowo war am Morgen dichter Nebel, den wir aber mit jedem verlorenen Höhenmeter mehr hinter uns ließen. In Plovdiv schien die Sonne und es war merklich wärmer. Wir gaben unser Auto ab und kamen auf dem mehr als 3 km langen Fußweg zum Bahnhof gut ins Schwitzen. In Sofia wurden wir mit Regen empfangen, der leider auch nach langem Anstehen für Reservierungen noch nicht aufgehört hatte. Zum Glück lag unser Hotel nur 700 m vom Bahnhof entfernt, sodass wir nicht ganz durchnässt wurden. Im Hotel warteten wir darauf, dass es endlich aufhörte und wir uns auf die Suche nach Abendessen machen konnten.

Mittwoch, 14.6.2023 Sofia – Widin
Wieder verbrachten wir die meiste Zeit im Zug. Es ging gegen 12:00 los, nachdem wir im Hotel gefrühstückt hatten. Das Angebot auf dem Büffet war ok, aber sowohl das Brot, als auch die süßen Gebäckstücke waren so trocken, als hätten sie seit dem Vortag auf dem Büffet gelegen. Dennoch war es nett, sich sozusagen an den gedeckten Tisch zu setzen. Danach kamen dann wieder 5 Stunden Zugfahrt. Zum Glück hatten wir uns tags zuvor noch eine Reservierung für den enormen Preis von ca. 50 Cent geholt, obwohl sie nicht vorgeschrieben war. Es waren aber selbst in der ersten Klasse fast alle Plätze belegt, so war es doch schön, feste Plätze zu haben, statt bei jeder Station zittern zu müssen, seinen Platz wieder aufgeben zu müssen. Es war eine lange, aber ganz angenehme Fahrt. Wir hatten ausnahmsweise mal wieder ein 1. Klasseabteil und die Sitze waren längst nicht so durchgesessen wie auf der Fahrt nach Sofia. Wir konnten ausgiebig lesen und zeitweise sogar mit Duolingo Sprache lernen, wenn es Netz gab. Unser Hotel in Widin war nur 350 m vom Bahnhof entfernt, was unser Rekord war. Es war moderner und qualitativ besser als das in Sofia und noch dazu um ca. 9€ preiswerter, aber natürlich nicht in der Hauptstadt. Widin ist eine richtig typische, ehemals sozialistische Stadt mit ihren Brutalismusbauten und -denkmälern, ein paar historischen Gebäuden, die man schon restauriert hatte, einer Fußgängerzone, die man mit Springbrunnen und Blumen ganz nett gestaltet hatte und viel Verfall. Es handelte sich um eine Grenzstadt an der Donau. Die gegenüberliegende Seite der Donau war bereits in Rumänien, sodass die Donaukreuzfahrer durch die Grenzstation an Land gehen mussten. Es gab auch wieder eine Festung, aber die hatte bei unserer Ankunft in Widin bereits geschlossen, sodass wir sie uns nicht angesehen haben, auch nicht von außen, denn unterwegs wurden wir von Mücken überfallen, sodass wir flüchteten.

https://youtu.be/n1ZMAPISZyI

Donnerstag, 15.6.2023 Widin (Bulgarien) – Craiova (Rumänien)
Wieder fuhren wir über eine Grenze, dieses Mal nach Craiova in Rumänien, wo wir wieder etwas länger bleiben wollten. Auch in diesem Land gab es noch Ecken, die wir noch nicht gesehen hatten, auch wenn wir im letzten Jahr auf der Interrailtour schon einmal in Rumänien waren und vor ein paar Jahren mit dem Auto sogar für mehrere Tage. Da wir auf dem Weg zurück in Richtung Deutschland sowieso über Rumänien und Ungarn fahren mussten, konnten wir uns auch noch ein paar vermeintlich nette Stellen näher ansehen. Ob Craiova nett würde, konnten wir noch nicht sagen, laut Internet sollte es interessante Gebäude und Parks geben. Wir ließen uns überraschen. Die Hinfahrt hierher dauerte 3 Std, was eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 30 km/h bedeutete. Zumindest war der Zug pünktlicher als deutsche Züge. Er glich unseren InterRegios, nur, dass hier anscheinend versucht wurde, jede zweite Scheibe mit Steinen einzuschlagen. Von innen war der Zug völlig ok und der Schaffner sehr bemüht. In Widin auf dem Bahnhof hatte ich erst noch gedacht, was ist das denn für ein Typ, der sich da im Unterhemd mit den Grenzen unterhält? Als sein Job jedoch begann, hatte er Ruckzuck ein Hemd an und sein Käppi auf und siehe da: Kleider machten Leute! Die Fahrt bis Craiova war wirklich erschreckend im Anbetracht all der Armut bzw. Verödung des ganzen Landstrichs hier im Süden Rumäniens. Nahezu kein Bahnhof hatte mehr Scheiben, Türen oder sah auch nur annähernd brauchbar aus. Auch sonst kamen wir fast ausschließlich an verfallenen Gebäuden vorbei. Eine extrem trostlose Gegend. Einzig ein paar riesige Lagerhallen aus Metall standen noch heile herum. Riesige Äcker, wo ich nicht herausfinden konnte, was da wuchs, waren im Vorbeifahren zu sehen. Im Spiegel fand ich einen Artikel, der sich mit den großen Klimaproblemen gerade im Süden um die Donau herum befasste. Trockenheit und Starkregen hatten die vornehmlich sandige Gegend immer weiter erodieren und veröden lassen, sodass man das Gebiet bereits „Sahara an der Donau“ nannte. Vom typischen Maisanbau ist man vielerorts wohl zu Wassermelonenanbau übergegangen. Unsere Wohnung in Craiova war in einem dieser typischen, ehemals sozialistischen Blocks, wo man von außen und im Treppenhaus nichts Gutes erwartete, die Wohnungen aber meist ganz in Ordnung waren, so war es auch bei dieser: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad und Wintergarten zum Wäschetrocknen, nicht besonders hübsch, aber völlig in Ordnung und sauber. Nach dem Einzug machten wir uns auf den Weg, etwas zum Abendessen zu suchen und wurden fündig in einem Restaurant, wo wir gemeinsam eine Platte frittiertes Gemüse mit Tsatsiki und dazu Rosmarinkartoffeln verspeisten. Danach gingen wir im Eilschritt nach Hause, da sich der Himmel mal wieder verdunkelte. Wir schafften es wie schon so häufig, nicht nass zu werden.

Freitag, 16.6.2023 Craiova
Es sah so aus, als hätten wir nicht so furchtbar viel verpasst, hätte uns die Rückfahrt nicht nach Craiova gebracht. Es gab in der Altstadt ein paar wenige alte, restaurierte Häuser, aber im Großen und Ganzen war die Stadt ein Sammelsurium aus verfallenen bis Shabby Chic Bauten verschiedener Epochen, Blöcken aus sozialistischer Zeit, ein paar modernen Gebäuden, die aber häufig bereits am Verfallen waren, obwohl nicht nicht einmal fertig gebaut, einer Mall mit mehreren Stockwerken und Geschäften wie Starbucks und HM im Erdgeschoss, darüber aber ca. 1/3 Leerstände. Vor den Rathaus, einem guterhaltenen historischen Gebäude, war um den Springbrunnen davor die World Press Fotoausstellung 2023 ausgestellt. Es waren die Ergebnisse eines Wettbewerbs, der jährlich die weltweit besten Pressefotos des vergangenen Jahres prämierte. Sie zeigte die Schmerzen der Welt, von den Folgen des Klimawandels, des Krieges bis hin zur Unterdrückung der Frauen im Iran. Sehr gute Fotos mit sehr deprimierender Aussage. Nach der Altstadt besuchten wir das Kunstmuseum, von dem uns aber nur das Gebäude gefiel. Es handelte sich um eine würdige alte Villa. Die Bilder waren alte Ölgemälde von Personen oder Landschaften und unseres Ermessens auch nicht gut. Danach kamen wir zum botanischen Garten, der uns gut gefiel. Außer Blumenarrangements gab es dort auch natürliche Habitate wie Waldstücke, eine Bach- Teichlandschaft und eine Anpflanzung von Apfelbäumen. Wir konnten mindestens ein Dutzend Schildkröten beobachten und es war ein lebendiges Gezwitscher um uns herum. Auf dem Rückweg stärkten wir uns auf einer Bank mit Strudel und gingen danach zurück zu unserer Unterkunft. Mir tat mein Knie und durch Vermeidungshaltung dann auch noch mein Fußgelenk weh, außerdem war unangenehm schwüle Luft. Am Abend gab es dann auch einen starken Regenguss.

Samstag, 17.6.2023 Craiova
Am Morgen ließen wir uns Zeit mit dem Aufbrechen, denn es gab hier eigentlich nur noch den Park Romanescu zu besichtigen. Wir frühstückten und übten Sprachen mit Duolingo, bevor wir uns auf den Weg machten. Es hatte aufgehört zu regnen, aber dem Wetter war auch weiterhin nicht zu trauen. Wir liefen rund 40 Min bis zum Park. Dort kamen wir zuerst über einen Friedhof, dann durch einen kleinen, kostenlosen Zoo zu einem See, wo man zu anderer Zeit wohl auch Boote ausleihen konnte. Es gab ein Restaurant mit Seeterrasse, wo wir einen Kakao tranken, bevor wir uns wieder auf den Rückweg machten, denn es war schon wieder Regen angesagt. Wir kamen dabei an einem kleinen Schloss vorbei, ob echt oder nachempfunden kann ich nicht sagen, in dem sich ein Restaurant befand. Bei einem weiteren Gebäude, dem historischen Casa Bibescu, fand gerade eine Hochzeit statt. Seit zwei Jahren konnten sich hier Paare trauen lassen. Wir gingen über eine Hängebrücke wieder dem Ausgang zu. Was wir ausließen, war das Hippodrom, was Stefan bereits beim Joggen entdeckt hatte und für ausgesprochen langweilig hielt. Was sollte es auch ohne Pferderennen hier zu sehen geben? Trockenen Fußes gelangten wir wieder zu unserer Unterkunft. Stefan ging noch einmal kurz los zum Friseur und kam kurz drauf mit akzeptablen Haarschnitt wieder. Ich hatte ihn in der Türkei immer von den Barbershops ferngehalten, damit man ihm nicht so einen typischen türkisch- arabischen Schnitt verpasste.

Sonntag, 18.6.2023 Craiova – Timisoara
Wir waren 6,5 Stunden mit dem Zug unterwegs und erreichten Timisoara. Die Fahrt war schöner und interessanter als unsere letzte, wenn sie auch zuletzt wirklich lang wurde. Wir fuhren an landwirtschaftlich genutzten Flächen vorbei, die vielerorts unter Wasser standen, kamen dann ein ganzes Stück an der Donau entlang, die ebenfalls recht hoch stand und konnten auf der anderen Seite Serbien sehen. Da der Zug im Grenzort Drobeta Turnu- Severin hielt, stiegen Polizisten ein und wollten wohl sichten, ob irgendwelche Migranten im Anmarsch waren. Danach fuhren wir durch oder zumindest entlang des Nationalparks Cheile Nerei Beusnita, von dem wir aber leider nur grüne Hügel und Wälder sehen konnten. Bereits als wir in Timisoara ankamen war klar, dass diese Stadt nicht mit Craiova vergleichbar war. Kein Wunder, dass sie in diesem Jahr auch eine der drei Kulturhauptstädte Europas neben Elefsina in Griechenland und Veszprem in Ungarn war. Was gleich auffiel, war eine lange, verkehrsberuhigte Zone, in der auf gekennzeichneten Spuren auch Radfahrer unterwegs sein konnten, außerdem durfte die Straßenbahn durchfahren. Außerdem gab es noch eine lange Fußgängerzone mit dem schmucken Piata Uniri, dem Union Square, umgeben mit Barockvillen, Jugendstilpalästen und der sehr schönen orthodoxen Kathedrale. An vielen weiteren historischen Gebäuden wurde noch restauriert. Auf dem Piata Victoriei hatte man einen 5 stöckigen Turm aus Gerüsten aufgestellt, der mit über 1200 Pflanzen auf allen Etagen rundherum bepflanzt wurde und den man besteigen konnte. Wir waren oben und durch das Grün hatte man einen schönen Blick auf die Umgebung. In einem vegetarischen Restaurant haben wir hervorragend gegessen. Stefan hatte eine mit Tofu und Gemüse gefüllte Süßkartoffel mit Avocadocreme und ich Reis mit Gemüse, Pilzen und Cranberrys, dazu eine hausgemachte, leckere Minz-Zitronen-Limonade, alles Bio. Wir bezahlten dafür 20€, nicht billig, aber die war es auf jeden Fall wert. Danach liefen wir noch durch einen Park und ein Stückchen am Fluss Bega entlang. Wir waren uns sicher, dass wir am nächsten Tag noch viele weitere nette Stellen ausfindig machen würden. Es kam hinzu, dass wir ein nettes Studio mitten in der Fußgängerzone hatten, was das Stadterlebnis doch sehr vereinfachte und angenehmer machte, als wenn man erst immer noch 2-3 km in die Innenstadt entlang großer Straßen, verfallener Wohnblöcke etc. laufen muss,

Montag, 19.6.2023 Timisoara
Sonne, blauer Himmel, 27?-30? den Tag über – solch ein Wetter hatten wir schon seit langem nicht mehr. Wir ließen uns dennoch am Morgen Zeit, bevor wir uns auf eine weitere Besichtigungstour machten. Gegen frühen Mittag schlenderten wir durch die Stadt und stöberten in Second Hand Läden. Wir kamen dabei an weiteren schönen, alten Häusern vorbei, zum Teil gut erhalten, zum Teil nach Restaurierung schreiend. Als wir des Laufens müde wurden und die Sonne zu stark brannte, kauften wir etwas zum Abendessen und eine Packung Macarons beim Lidl und begaben uns zurück in unser klimatisiertes Studio. Die Klimaanlage war hier wirklich wichtig, denn wir hatten unser Zimmer im Dachgeschoss mit zwei Dachfenstern ohne Rollos, wo ab Nachmittag die Sonne draufstand. Wir machten Kaffeestündchen, legten die Beine hoch und machten uns dann gegen 16:30 wieder auf den Weg zum Revolutionsmuseum. Es zeigte den Lauf der Rumänischen Revolution vom 16.-27.12.1989, die in Timisoara ihren Anfang nahm, als 20 bis 30 Gemeindemitglieder sich vor der reformierten Kirche in Temeswar und dem Pfarrhaus versammelten, in dem Pfarrer László Tokes wohnte, der eine Kerze anzündete. Sicherheitsbeamte erschienen sofort, um das Geschehen zu überwachen und bei Bedarf einzugreifen. Als zwei Tage später eine Menschenmenge den Straßenbahnverkehr blockierte, erste Forderungen gegen das kommunistische Regime laut wurden und Forderungen nach Licht, Wärme und Essen für die Kinder artikuliert wurden, griffen die Repressionskräfte noch nicht ein. Der Pfarrer forderte die Menschenmenge auf, das Gebäude zu verlassen und der Bürgermeister versprach eine günstige Lösung für die Situation des reformierten Pfarrers, aber die Demonstranten gingen nicht, was dazu führte, dass Soldaten, die mit Schilden, Helmen und Schlagstöcken ausgerüstet waren, anrückten. Die Feuerwehr griff mit Wasserwerfern ein. Milizsoldaten und Sicherheitskräfte in Zivil nahmen Hunderte von Demonstranten fest. Patrouillen der Armatel, der Sicherheitstruppen und des Grenzschutzes kamen den Repressionskräften zu Hilfe.
Ähnlich wie in Timisoara verliefen die Proteste und die Repressalien gegen die Demonstranten überall im Land. Andere Städte hatten von dem Aufstand in Timisoara erfahren und schlossen sich den Forderungen nach dem Sturz des Ehepaares Ceausescu und dem Ruf nach Freiheit und besseren Lebensbedingungen an. Wer sich an meinen Bericht vom letzten Jahr über die Villa des Diktatoren- Ehepaares und die Beschreibung der Armut und Unterdrückung des Volkes erinnert, kann diese Forderungen gut nachvollziehen. Bevor das Volk jedoch das Regime entmachtet hatte, kam es im Gegensatz zur friedlichen Revolution in der DDR zu heftigen Kämpfen, Misshandlungen, Inhaftierungen und Erschießungen der Demonstranten in Rumänien. Die Leichen wurden nicht zur Obduktion freigegeben, sondern verbrannt und verscharrt. Man wollte es so aussehen lassen, als wären sie außer Landes getürmt. In den folgenden Tagen gelang es der Opposition die Regierung zu stürzen und es kam am 24.12.1989 zu einer Verhandlung gegen die Ceausescus vor einem außerordentlichen Militärgericht, das sich selbst „Volkstribunal“ nannte. In einem der Hubschrauber des „außerordentlichen Gerichtshofes“ befanden sich bereits die Planen, in denen die Leichen des Ehepaares später weggeschafft werden sollten. Am 25.12., in nur 1 Stunde und 10 Minuten, kam es im Prozess in der Garnison von Târgovi?te zu einer Anklage wegen Völkermord an über 60.000 Opfern, Untergrabung der Staatsmacht durch die Organisation bewaffneter Aktionen gegen das Volk und die Staatsmacht. Das Verbrechen der Zerstörung öffentlicher Güter, von Zerstörung und Beschädigung von Gebäuden, Explosionen in Städten usw. Außerdem wegen Untergrabung der Volkswirtschaft und dem Versuch, aus dem Land zu fliehen, basierend auf Geldern in Höhe von über einer Milliarde Dollar, die bei Banken im Ausland hinterlegt waren.
Diese Anschuldigungen wurden nicht bewiesen, sondern von den Anklägern lediglich benannt und die Beschreibungen einiger Verbrechen in der Presse dem Präsidentenpaar Ceau?escu zugeschrieben. Die dem Paar zugewiesenen Anwälte beschuldigten sie, anstatt sie zu verteidigen.
Das Todesurteil wurde um 14:45 Uhr verkündet, und obwohl gegen das Urteil hätte Berufung eingelegt werden können, wurde es fünf Minuten später im Garnisonshof in der Nähe des Wachgebäudes vollstreckt. Einer der Anwälte argumentierte, dass es keine Möglichkeit gab, gegen das Urteil Berufung einzulegen, da die Angeklagten das Gericht nicht anerkannten und die Entscheidung daher rechtskräftig sein musste. Kurz nach der Hinrichtung des Ceau?escu-Ehepaars wurde sie im nationalen Fernsehen verlesen.
Außer der Beschreibung des geschichtlichen Ablaufs der Revolution in den verschiedenen Städten Rumäniens, zeigte das Museum auf einem Zeitstrahl die wichtigsten politischen Geschehnisse weltweit im Spannungsfeld des kalten Krieges und es gab eine Dokumentation zum geteilten Deutschland und der anschließenden friedlichen Revolution in der DDR. Dem Axel Springer Verlag, der damals sein Verlagshaus direkt an der Mauer baute und sich stets für ein vereintes Deutschland einsetzte, wurde in dieser Dokumentation dafür Lob gezollt.

Dienstag, 20.6.2023 Timisoara -Arad
Wir genossen noch bis Mittag unser gemütliches Dachapartment und begaben uns dann zum Bahnhof. Da die Züge meist gut ausgelastet waren, machten wir eine Reservierung für den übernächsten Tag, für die Strecke Arad- Mosonmagyarovar in Ungarn. Eigentlich war sie nicht verpflichtend, deshalb ärgerten wir uns schon ein wenig, dass wir dafür 6€ zahlen mussten und der Zug noch nicht mal über eine 1. Klasse verfügte und sie nur für den ersten Zug bis Budapest galt, aber wir wollten ja nicht riskieren, stundenlang auf dem Flur zu stehen. Um 13:00 fuhr dann unser Zug nach Arad. Wir teilten ein 6-er Abteil mit zwei Österreicherinnen. Der Zug war ziemlich in die Jahre gekommen, besonders die Toilette, aber dennoch fand ich es auf den plüschigen Stoffsitzen bei der Hitze angenehmer als auf den moderneren mit Kunststoffbezügen. Außerdem konnte man im Abteil das Fenster öffnen, auch wenn es sich bei der Fahrt immer wieder von selber verschloss. Die Fahrt selber war nicht besonders komfortabel. Es war das erste Mal, dass ich beim Zugfahren die Befürchtung hatte, reisekrank zu werden. An Lesen war kaum zu denken, schaukelte und ruckelte der Zug hin und her. Schön war, dass die Fahrt nicht lang war, sodass wir gegen halb drei schon in Arad eintrafen. Dieses Mal war der Weg zum Apartment nur 900 m, aber von dort zur Stadt waren es fast 3 km. Wir erwarteten von unserer Unterkunft nicht viel, denn sie war laut der Adresse wieder in einem Block. Wir staunten nicht schlecht, als wir vor ganz neuen Apartmenthäusern standen, der Aufzug in den wieder mal 5. Stock das Neuste vom Neusten war und das Apartment sich als ein super neues, modernes und komfortables erwies. Hier wären wir gerne länger geblieben. Wir kühlten uns ein wenig mit Hilfe der Aircondition ab und gingen dann auf Entdeckungstour. Erstes Ziel war ein Charity-Shop, der zum ersten Mal bei dieser Reise gut sortiert war und auch hochwertigere Sachen hatte. Dann suchten wir das Zentrum, in dem wir irgendwie schon waren, aber wo uns so etwas wie eine Fussgängerzone fehlte und wir daher glaubten, den Stadtkern wohl doch noch nicht ganz gefunden zu haben. Wir fanden ein paar sehr beeindruckende Gebäude wie den Kulturpalast und die Universität, beobachteten im sehr schönen Park am Flussufer des Mures die Feierlichkeiten zum Studienabschluss und gingen entlang einer der Hauptstraßen der Stadt. Wir gingen immer noch davon aus, dass es irgendwo noch so etwas wie eine Fußgängerzone, eine Geschäftsstraße oder ähnliches geben musste, aber für heute machten wir kehrt. Wir aßen eine Pizza und liefen zurück zur Unterkunft. Es war sehr anstrengend an dem Tag draußen zu sein, denn je weiter wir in den Norden kamen, je heißer wurde es. Eigentlich hatten wir es andersrum erwartet, aber zum Glück hatten wir die restliche Zeit sehr angenehme Temperaturen. Heute war das aber anders. Selbst um 17:00 zeigte das Thermometer einer Apotheke noch 36? im Schatten. Ich mochte den Wasserkanister kaum abstellen, weil ich gar nicht so schnell trinken konnte, wie ich schwitzte. Da das Wasser in den Balkanländern überall stark gechlort war und es auch noch viele alte Rohre in den Häusern oder Zuleitungen gab, sollte man tunlichst vermeiden, das Leitungswasser zu trinken. D.h., wir mussten Wasser schleppen. Zum Glück war der Lidl nur ein paar hundert Meter entfernt. Wir waren gespannt, was wir hier am kommenden Tag noch so Spannendes zu sehen bekamen. Arad war immerhin Kreisstadt und hatte 145000 Einwohner. Die Lage am Fluss war schön und man merkte hier inzwischen die nahe Grenze zu Ungarn. Man hörte zwischendrin mal deutsche bzw. österreichische Stimmen und sah Nummernschilder aus Deutschland oder anderen europäischen Ländern. Wir waren eindeutig auf dem Weg nach Hause.

Mittwoch, 21.6.2023 Arad
Arad hatte wirklich keine Fußgängerzone, jedoch war die Hauptstraße durch die Stadt mit Bäumen bestanden und in der grünen Mitte fuhr die Straßenbahn. Es hatte ein wenig Ähnlichkeit mit der Kö in Düsseldorf, war aber keinesfalls so mondän. Die Geschäfte waren einfache Läden, Apotheken, Second Hand Läden, Arztpraxen, einfache Boutiquen, nichts Hochpreisiges. Sie führte aber immer wieder zu oder entlang prächtiger Gebäude: Kathedrale, Villen, Paläste. Auch in manchen Nebenstraßen gab es viele sehenswerte Gebäude. Es war sehr schade, dass das Potenzial nicht voll ausgeschöpft und zumindest ein Stück zur verkehrsberuhigten Zone oder Fußgängerzone umgestaltet wurde. Wir konnten in Timisoara am eigenen Leib spüren, wie entspannend sich die ruhige Atmosphäre ohne Autos, mit Café- Terrassen, gelegentlichen Kunstwerken etc. auswirkte. Arad hatte mit viel Grün und Blumenbepflanzung schon einen guten Schritt gemacht. Besonders der Park entlang des Flusses mit Bäumen, Blumenbepflanzung, vielen Spielplätzen, Tischen zum Spielen, Sportanlagen wie Kletterwand, Rampen für Skater und Kunstwerken war sehr gelungen und bei der Hitze ein willkommener Schutz. Wir schlenderten durch diesen Park, shoppten in Second Hand Läden, ich ging zum Friseur, wir genossen ein Eis in einer im Internet hochgelobten Eisdiele – es war wirklich lecker – und verkrümelten uns am Nachmittag, als es in der Hitze gar nicht mehr erträglich war, in unserem Apartment. Nun ging auch in Rumänien unsere Zeit zu Ende und wir hatten nur noch eine Fahrt nach Ungarn und eine Nacht dort in Mosonmagyarova, bevor es unweigerlich wieder nach Deutschland ging.

https://youtu.be/uWYfIcTvH0E

Donnerstag, 22.6.2023 Arad – Mosonmagyarova
Nun waren wir also am letzten Ort unserer Reise, in Mosonmagyarova. Diesen Namen werde ich ich mir nie merken können und der Ort wurde auch nicht aus touristischen Gründen gewählt, sondern weil wir nicht die gesamte Strecke von Arad bis Zorneding an einem Tag hinter uns bringen wollten. Das wäre ätzend lang geworden und hätte die Gefahr in sich geborgen, Anschlüsse zu verpassen und ggf nachts irgendwo im Nichts zu enden. Wir mussten also einen Stopp an einer sinnvollen Stelle auswählen, d.h. irgendwo in der Mitte, wo wir weder in der Nacht abfahren noch am späten Abend oder früh morgens ankommen würden, denn beides war stressig bzgl. der Unterkünfte. Da wir im letzten Jahr bereits in Györ waren, entschieden wir uns, einen Bahnhof weiter auszuwählen und das war Mosonmagyarova. Es handelte sich um eine Kleinstadt mit rund 33000 Einwohnern, sie wirkte aber viel kleiner. Hier gab es ein Thermalhotel und man schien sich auf Gesundheitstourismus eingestellt zu haben. Es gab etliche Werbung für Zahnkliniken auf Plakaten und im Internet.
Wir hatten ein kleines Zimmer mit Bad, Wasserkocher und Mikrowelle, sodass wir am letzten Morgen vor der Heimfahrt hier frühstücken konnten. Am Abend gingen wir noch die rund 3 km bis zur Fußgängerzone und aßen dort Salat und Palatschinken und schauten uns ein wenig um. Es sah nicht besonders spannend aus, aber wir fuhren eh morgens früh weiter, unsere letzte Fahrt mit dem Interrailticket. Wir hatten sogar das Glück, noch Plätze in der ersten Klasse reservieren zu können, was auf einer 6-stündigen Fahrt auch sehr vom Vorteil war. Auf der Fahrt nach Mosonmagyarova hatten wir in Budapest noch einmal die 1. Klasse Lounge genießen können und uns mit Kaffee und Toasts verwöhnen lassen. Ob wir uns den Luxus der 1. Klasse noch einmal in unserem Leben leisten würden, war ehr unwahrscheinlich, auf jeden Fall nicht in osteuropäischen Ländern, wo nur wenige Züge überhaupt eine 1. Klasse hatten. Es war aber mal eine tolle Erfahrung und besonders bei unserer ersten Interrailtour zu Coronazeiten auch sicher vernünftig.

Freitag, 23.6.2023 – Mosonmagyarova – Zorneding
Nun war der Tag also gekommen, unser Interrailticket lief unweigerlich am Ende dieses Tages aus und dieses Mal lag kein weiteres Zuhause in der Schublade. Wir durften noch einmal im Luxus der 1. Klasse in einem durchgehenden IC bis nach München fahren, wo wir auch problemlos ankamen. Nun noch ein paar Stationen in der S-Bahn und dann war das Leben auf der Schiene zu Ende. Schade, aber es musste ja nicht das letzte Mal gewesen sein und wir brachten einen ganzen Rucksack voller schöner und interessanter Erinnerungen mit nach Hause, von denen wir sicher noch über Jahre zehren können.

Interrail III 2+1

1.Teil

Österreich,

Warum um Himmels Willen 2+1? Es ist doch kein Baby unterwegs oder bereits geboren worden! Nein, aber mein lieber Mann hat die Reise „Interrailtour III“ genannt, weil er bereits vor langen Jahren, als er noch unter 20 und Single war, zweimal per Interrail unterwegs war. Ich dagegen bin noch ein Neuling, obwohl ich mit meinen gerade erlangten 60 Jahren nun schon zu den Senioren auf der Schiene gehöre und im Gegensatz zu ihm sogar ermäßigt reise. Damit dieser Bericht nun also auf uns beide passt, habe ich aus Stefans Interrail III, 2+1 gemacht, ich war ja schließlich auch dabei.

Wie kommen denn so Oldies wie wir eigentlich auf die Idee, per Interrail durch Europa zu fahren? Das sind doch eigentlich immer diese jungen Leute, die mit ihren Rucksäcken in den Sommermonaten auf den Bahnhöfen hängen oder nachts irgendwo auf den Sitzen schlafen, oder? Geht das denn überhaupt für Senioren und können die das überhaupt?

Ein klares „Ja“, die können das auch! Seit ein paar Jahren wird das Interrailticket auch für alle über 27-Jährigen angeboten, allerdings für einen höheren Preis. Man hat inzwischen auch viel mehr Auswahlmöglichkeiten, so kann man zwischen 1-3 Monatstickets wählen, mit dem Global Ticket nahezu alle Länder Europas bereisen, oder nur bestimmte Ländertickets erstehen, oder statt täglich zu fahren auswählen, dass man nur an einer bestimmten Anzahl von Tagen pro Monat fährt. Seit einiger Zeit spielten wir schon mit dem Gedanken, mal umweltfreundlicher zu reisen, aber ich muss zugeben, auch ich war in dem Gedanken gefangen, dass das eventuell nicht mehr die richtige Art zu reisen ist in unserem Alter. Außerdem lag uns der doch recht hohe Preis von 902€ pro Person für drei Monate in der zweiten Klasse auf dem Magen. Dann kam Corona und an eine derart intensive Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nur zum Vergnügen war überhaupt nicht mehr zu denken.

Im Frühjahr diesen Jahres aber, als wir beide geimpft und geboostert waren und überall Lockerungen bei der Einreise beschlossen wurden, feierte gerade zur rechten Zeit das Interrailticket seinen 50. Geburtstag. Aus diesem Anlass brachte die Bahn für nur wenige Tage das super Angebot heraus, einen dreimonatigen Global Pass für den halben Preis anzubieten und durch Zufall stieß ich gerade noch rechtzeitig auf das Angebot. Wir brauchten nicht lange zu überlegen, wir griffen umgehend zu, und das nicht nur einmal, sondern wir bestellten für jeden von uns gleich zwei Dreimonatstickets. Da Corona aber immer noch nicht vorbei ist und wir uns wenigstens etwas sicherer sein wollten, nicht unbedingt in überfüllten Zugabteilen eng an eng sitzen zu müssen, wählten wir 1. Klasse Tickets. Wir waren zuvor erst einmal in der 1. Klasse gefahren und das war bei einer betrieblich bezahlten Reise. Niemals hatten wir uns diesen Luxus bisher gegönnt. Im Anbetracht der Coronasituation erschien uns das aber eine sinnvolle Lösung.

Nun begannen wir das Internet zu durchforsten nach interessanten Strecken, Möglichkeiten, auch in den teuren Ländern bezahlbare Übernachtungen zu finden, denn wir konnten uns nicht wirklich vorstellen, ganze Nächte mit Maske im gefüllten Abteil zu übernachten. Wir überlegten hin und her, wann wir den ersten Trip beginnen wollten und in welche Richtung. Ein paar Eckpunkte waren klar, und zwar hatten wir zwei Termine in Deutschland, zu denen wir noch einmal zwischenzeitlich nach Hause mussten, sowie eine Verabredung mit unseren amerikanischen Freunden in Frankreich, die eingebaut werden musste. Wir entschieden uns, mit Osteuropa anzufangen. Unser Plan war eigentlich, entweder über Ungarn, Serbien runter nach Griechenland zu fahren, oder in die Türkei. Wir lernten aber schnell, dass bei einer solchen Reise Flexibilität gefordert ist und nicht alles ganz so einfach ist, wie die Werbung der Bahn es verspricht. Aber dazu später. Jetzt geht es erst einmal los:

Donnerstag, 19.5.2022 Abfahrt nach Österreich

Heute war unser erster Tag Interrailreise. Am Morgen ging es los ab Zorneding mit der S-Bahn nach Grafing, von dort mit Zug nach Rosenheim und mit einem weiteren Zug nach Salzburg. Bis dort fuhren wir per Bayern-Ticket, um uns die zwei erlaubten Fahrten innerhalb Deutschlands noch aufzuheben. In Salzburg haben wir dann das Interrailticket zum ersten Mal eingesetzt bis Linz. Wir fuhren 1.Klasse in einem Railjet der Österreichischen Bahn, was aber nicht besonders komfortabel war. In Linz haben wir einen kleinen Stadtbummel gemacht und uns erinnert, dass wir dort schon mal waren. Ich hatte es mit Graz verwechselt, weil mir meine Freundin damals eine Eisdiele empfohlen hatte und sie häufiger mit ihrem Mann in Graz ist. Der letzte Zug nach Wien war von der Westbahn und hier war die 1. Klasse ganz nett. Sie war über der 2.Klasse, nicht so überfüllt und es gab kostenlos Kekse und Mineralwasser zur Begrüßung. So konnte es weitergehen ;). Bemerkenswert war, dass alle Züge Verspätung hatten. Bei der Westbahn sagten sie durch, dass es an einer Verspätung der Verbindung der Deutschen Bahn läge.

Zu unserer Unterkunft war es ca. 30 Minuten Fußweg. An die Rucksackschlepperei musste ich mich erst gewöhnen. Ich hatte denselben Kofferrucksack mit, den ich immer für Ryanair nehme und er hatte auch nur 5,4 kg, aber trug sich nicht so super. Wir hatten wirklich sehr sparsam gepackt. Stefan hatte auch nur um die 6 kg mit. Die Unterkunft war ein 2-Bettzimmer in einer 3- Zimmer Wohnung. Alle drei Zimmer wurden touristisch vermietet, wie es schien. Ein Bad und eine Küchenzeile konnten gemeinschaftlich genutzt werden. Sie erwies sich als ganz ok, obwohl die Bewertungen bei Airbnb ziemlich mies waren. Vorab bekamen wir noch harsche Regeln mit Strafandrohungen zugeschickt, z.B. dass die Handtücher auch nur als solche zu nutzen und wie hoch die Strafe für Lärm etc. wären. Wir mussten Passkopien online schicken, so verlangten es die Behörden. Am folgenden Tag wollten wir die Stadt erobern. Wir waren beide zwar schon mehrfach in Wien, aber das war lange her.

Freitag, 20.5.22 Wien

Ein Tag Wien, das waren 26460 Schritte und diverse Fahrten mit U-Bahn, Straßenbahn und Bus. Wir kauften uns morgens ein 24 Std-Ticket für 8€ p.P. für die öffentlichen Verkehrsmittel, da bei Interrail leider nur S-Bahnen inkludiert sind und die innerhalb von Wien uns nicht weiterbrachten. Unser erstes Ziel waren zwei Straßen, die laut Google sehr abwechslungsreich sein sollten, die Reindorf-Gasse und die Mariahilfer Straße. Letztere liefen wir zuerst westlich vom Westbahnhof hoch und fragten uns, wo hier die Fußgängerzone sein sollte und was besonders an der Straße war, später erwies sie sich in Richtung Donau aber doch als ganz abwechslungsreich. Danach fuhren wir raus auf den Zentralfriedhof und bestaunten die Grabsteine von Beethoven, Schubert und anderen Musikern, Schauspielern und Persönlichkeiten. Die werden wohl noch einige Generationen die Nachwelt an sie erinnern. Es gab hier aber auch bereits etliche alte Grabsteine, die markiert waren, weil sie den Sicherheitsbestimmungen nicht mehr genügten und demnächst abgebaut werden. Der Friedhof ist gigantisch, der größte Europas, und hat sogar einen Bezahlparkplatz auf dem Friedhofsgelände und man kann sich mit Pferdekutsche oder Führung die wichtigsten Gräber zeigen lassen. Wir sind auf eigene Faust herumgelaufen und Stefan konnte es sich nicht verkneifen, als wir auf der Bank saßen, Wolfgang Ambros‘ bissig- böses Lied über den Zentralfriedhof abzuspielen. Ich konnte ihn aber schnell daran hindern.

Wieder in der Einkaufsstraße besorgte er sich second hand ein neues Laufshirt und wir kühlten uns bei einem Café mit einem Eiskaffee etwas ab. Die Sonne schien den ganzen Tag und wir hatten ca. 25-27Grad. Abends entdeckten wir nahe dem Museumsquartier Zelte mit wissenschaftlichen Mitmachaktionen. Wir hatten das Glück, die Nacht der Wissenschaften zu erleben und außer den Ständen hatten auch etliche Museen ab 18 Uhr ihre Tore kostenlos geöffnet. Ins Mumox, dem Museum für moderne Kunst, konnten wir ebenfalls kostenfrei, weil gerade Ausstellungseröffnung von Wolfgang Tillmanns Ausstellung „Schall ist flüssig“ war. Hungrig begaben wir uns danach zum Naschmarkt in der Hoffnung, ein paar Kostproben naschen zu können, aber das war nichts. Es hatten zwar zahlreiche Restaurants geöffnet, aber die meisten Stände hatten schon geschlossen und es sah auch nicht so aus, als könnte man da sonst etwas testen. Wir holten uns bei der Kebabbude gegenüber zwei gefüllte Teigtaschen und stärkten uns für den letzten Programmpunkt, den Prater. Wie zu erwarten, war überall war viel los, denn es war ein lauer Freitagabend, ideal, um auszugehen. Wir fotografierten die bunt erleuchteten Fahrgeschäfte, beobachteten Leute und machten uns gegen 21:00 auf den Rückweg zu unserer Unterkunft.

Ungarn I

Samstag, 21.5.22 Ungarn

Heute war wieder ein Fahrtag, d.h., wir verließen  kurz vor 10 Uhr das Zimmer in unserem Appartement, fuhren mit unserem 24 Std Ticket vom Vortag zum Hauptbahnhof und schlossen für 2€ unsere beiden Rucksäcke dort im Schließfach ein. Davon können sich deutsche Bahnhöfe eine Scheibe abschneiden. Nicht nur, dass wir zuhause deutlich teurere Schließfächer haben, sie sind auch gerade mal halb so groß. 2€ pro Tag in Wien fand ich doch überaus fair. Es bot uns die Möglichkeit, unser 24-Std Ticket voll auszunutzen und am Morgen noch zum Stephansdom zu fahren. Auf der Rückfahrt schafften wir eine Punktlandung. Wir kamen genau in der Sekunde aus dem U-Bahn Bereich, als es auslief. Ich weiß nicht, ob wir das Risiko bei elektronischer Schranke gewagt hätten, aber so etwas hat Wien nicht. Da wir etwas zu früh wieder am Hauptbahnhof ankamen für unsere Fahrt nach Budapest, nutzten wir das tolle Angebot der Lounge für 1. Klasse Fahrgäste. Das hat sich gelohnt. Dort konnten wir uns kostenlos Kaffee/Tee/Kakao, Saft und Mineralwasser, sowie Obst und Käsebrötchen nehmen und fanden eine kostenlose, saubere Toilette und gemütliche Sitzecken. Pünktlich um 12:42 verließ der EC 145 mit uns den Wiener Hauptbahnhof. Wir hatten ein 6-er 1. Klasse Abteil für uns, aber weder Strom, um die Handys zu laden, noch WLAN funktionierte. Die meiste Zeit hatten wir unterwegs gar keinen Empfang, aber das Leiden kennt man ja aus Deutschland auch. Wir leben halt nicht in Asien, wo Digitalisierung selbstverständlich ist. Um 15:19 fuhren wir in Budapest-Keleti, dem wohl größten der drei Bahnhöfe der Hauptstadt ein. Als wir in die Eingangshalle kamen, war ich zuerst begeistert, weil das Kuppeldach eine recht majestätische Wirkung ausstrahlte, beim näheren Hinsehen konnten wir aber erkennen, wie fertig das Gebäude war. In den Nebenflügeln kam überall der Mörtel von der Decke, die Infoschalter, immerhin 4 oder 5, waren in einem kleinen Räumchen untergebracht, vor dem man Wartetickets am Automaten ziehen musste, je nach Auskunftsbereich. Da wir Nr. 225 hatten und wir gerade mal Nr. 124 aufgerufen sahen, erwarteten wir eine horrende Wartezeit. Es standen auch etliche Leute vor der Tür. Wir entschieden uns, uns erstmal um einen Tagespass o.ä. für öffentliche Verkehrsmittel in Budapest zu kümmern. Nachdem wir den Automaten dafür gefunden hatten und auch wussten, dass wir ein 72 Std Ticket wollten, weigerte der sich aber unsere Forint anzunehmen, die wir von einer früheren Reise mitgenommen hatten. Wir zahlten mit Karte die 4150 Forint (rd. 10,80€), um die nächsten Tage frei in der Stadt herumfahren zu können. Wieder zurück beim Infoschalter der Bahn begriffen wir, dass die Nummern wild durcheinander aufgerufen wurden, je nach Auskunftswunsch, und wir waren ruckzuck dran. Sehr schnell wurde uns klar, dass eine Verbindung nach Serbien nicht möglich war, wir also nicht über Belgrad nach Griechenland würden fahren können. Im Angebot war Bukarest. Von dort sollte es eine Verbindung über Sofia nach Thessaloniki geben. Wir entschieden uns für den Nachtzug nach Bukarest am 24.5. um 19:10, der uns am 25.5. ausgeschlafen ans Ziel bringen sollte. Für alle Züge nach Bukarest waren zuschlagspflichtige Reservierungen nötig. Da wir sowieso noch etwas draufzahlen mussten, entschieden wir uns für den ganz angenehmen Weg und buchten eine Zweibettkabine im Schlafwagen, allerdings 2. Klasse. Das war zwar echt teuer mit über 40€ pro Person, aber wir ersparten uns eine Nacht eine Unterkunft in Bukarest und würden hoffentlich frisch und ausgeschlafen und voller Tatendrang dort ankommen. Nachdem wir endlich die Formalitäten erledigt hatten, fuhren wir per Bus direkt bis vor unsere Unterkunft. Google sei Dank, dass diese Dinge mit Hilfe von Maps so einfach herauszufinden sind. Wir hatten ein Zimmer mit Küchenzeile, Bad und Balkon in eindeutigem Ost-Charme. Unser erster Eindruck von Budapest war, dass es baufälliger wirkte als Sofia, aber wir waren ja auch noch nicht in irgendwelchen touristischen Prachtstraßen. Genial fanden wir, dass ein Lidl 50 m entfernt war und wir uns so gleich eindecken und am Abend kochen und auf dem Balkon essen konnten.

Sonntag, 22.5.22 Budapest

Wir waren wandern im Pilisi Parkerd, einem National- oder Naturpark in der Umgebung Budapests. Wir konnten unser 72 Stunden-Budapest Ticket nutzen, um dorthin zu kommen, was wir absolut erstaunlich fanden, denn wir waren über eine Stunde mit Bussen unterwegs. Mit Hilfe von Komoot und Google Maps hat die An- und Rückfahrt super geklappt. Wir sind durch sehr schöne Natur mit vielen blühenden Blumen, Hagebuttenbüschen auf zumeist bewaldeten, schattenspendenden Waldwegen bergauf und bergab gewandert, vorbei an Resten einer Burganlage, die ein Nachbau der Burg von Eger darstellt und als Filmkulisse für eine Serie diente. Wir kamen an Felsen vorbei und erreichten auf 570 Metern einen schönen Ausblick auf die Landschaft rund um Budapest. 350 Höhenmeter mussten dafür überwunden werden. Es war sonnig, aber ein leichter Wind machte das Wetter ideal zum Wandern. Wieder zurück im Apartment ließen wir es uns bei einem Teilchen und Kaffee gutgehen. Wir hatten tags zuvor Teilchen beim Lidl gekauft, die nicht nur echt billig waren mit ca. 60 ct, sondern auch sehr lecker. Sie schienen landestypisch zu sein, denn wir haben sie zuvor noch nie beim Lidl gesehen.

Am Abend planten wir Langos essen zu gehen.

Montag, 23.5.22 Budapest

Ich lief fast 23000 Schritte kreuz und quer durch Budapest, obwohl wir gefühlt die meiste Zeit in öffentlichen Verkehrsmitteln verbracht haben. Unser Plan war, gleich am Morgen nach Szentendre im Norden von Budapest zu fahren, um Ort und Marzipanmuseum zu besuchen. Als wir bereits im Zug saßen, stellten wir fest, dass weder unser 72 Std Budapest Ticket noch unser Interrailpass für diesen Zug gültig war, zumindest nicht so weit draußen vor der Stadt. Wir stiegen also gleich wieder aus und fuhren zurück. Wir planten, uns am kommenden Tag uns ein Erweiterungsticket für den Außenbereich Budapests zu kaufen und die Tour nachzuholen. Wieder in der Stadt machten wir uns auf den Weg zum Burgviertel in Buda, wir selbst wohnten in Pest, auf der anderen Donauseite. Das Burgviertel ist die Altstadt und liegt auf einem Hügel. Wir brachten die Stufen zu Fuß hinter uns, statt die Standseilbahn zu nutzen. Von oben hat man einen schönen Blick über die Donau auf das Parlamentsgebäude und die Stadt. Es war allerdings sehr voll und touristisch dort oben. Dann machten wir uns auf die Odyssee, unsere alten Forint in neue zu tauschen. Man hatte uns gesagt, das ginge bei Post und Banken, die erste Post machte uns aber gleich klar, dass nur die Nationalbank den Umtausch durchführe. Sie gaben uns eine Adresse, aber ohne Hausnummer, weswegen wir auf Google zurückgriffen. Das hätten wir lieber gelassen, denn Maps führte uns zwar zur Bank, aber die war komplett eingerüstet und hatte geschlossen. Eine andere Bank gab uns dann die komplette Adresse und wir fuhren nochmals ein ganzes Stück mit öffentlichem Verkehr, bis wir endlich am Ziel waren und unsere neuen Scheinchen in Empfang nehmen konnten. Unterwegs wurden wir am Eingang der Metro zum ersten Mal kontrolliert. Stefans 72 Std Ticket war ein Fehldruck, aber man konnte die 72 Std und das Datum gut erkennen, sodass uns bei unserer ersten Fahrt vorgestern der Busfahrer sagte, das wäre so ok. Die Kontrolle an der Metro fand das heute nicht und schickte uns zwei Stationen weiter, um dort bei der Zentrale zu fragen. Dort war aber niemand und kein Bus- oder Straßenbahnfahrer schickte uns weg. Nun würde das Ticket wohl auch noch am kommenden Tag bis zur Abreise so ok sein. Wir erholten uns bei Palatschinken mit Hüttenkäse und Kirschen, bevor wir wiederum ein ganzes Stück mit dem Bus zum Memento Park fuhren. Hier hatte man alte Denkmäler aus der kommunistischen Zeit zusammengetragen und in einem Park aufgestellt. Interessanter als die Heldenstatuen war aber die Ausstellung mit einer Dokumentation von Beginn bis Ende des Kommunismus in Ungarn. Besonders beeindruckend, wenn auch bedrückend waren die Aufstände 1956/57, die letztendlich mit Moskaus Hilfe niedergeschlagen wurden und die viele Tote, Verletzte und Repressalien für die zumeist jungen Freiheitskämpfer brachte. Weiterhin wurde ein Lehrfilm gezeigt, der damals nur jungen Polizisten in der Ausbildung gezeigt wurde. Es war ein Lehrfilm darüber, wie Geheimagenten der Staatssicherheit und ihre IMs arbeiteten, also wie man richtig spioniert.

Vom Memento Park fuhren wir wieder in die Innenstadt, guckten uns von außen die Synagoge, die größte Europas, an und schlenderten durch ein nettes Viertel mit Ruin Bar und vielen veganen, koscheren und internationalen Bars und Restaurants. Ruin Bars sind in Budapest Trend. Es handelt sich um alte, heruntergekommene Häuser, die zu Bars umgebaut werden und mit alten Möbeln, Graffitis etc. ihren unkonventionellen Style erhalten. Damit endete unser zweiter und vorletzter Tag in Budapest. Am kommenden Abend würde unser Nachtzug nach Rumänien fahren und ich war schon sehr gespannt.

https://youtu.be/tIsIKSueJHU

Rumänien I,

Dienstag, 24.5.22 Nachtzugfahrt nach Bukarest

Gegen 10:20 Uhr verließen wir unser Zimmer in Budapest und begaben uns zum Bahnhof. Die kommende Nacht würden wir auf der Schiene in einem hoffentlich bequemen Bett verbringen. Viel schlechter als das Hotelbett konnte es nicht werden, da ich hier alle Federn im Rücken spürte. An sich war das Zimmer ok, aber es wurde abends unglaublich schnell stickig heiß darin, wenn wir nicht die Balkontür aufließen. Das bedeutete aber leider auch gelegentlich Rauch im Zimmer, weil unsere Zimmernachbarn auf ihrem Balkon qualmten. Die Lage des Hotels war hingegen spitze. Der Bus hielt genau vor unserer Tür und Lidl war 50m entfernt. Wir fuhren zum Bahnhof und schlossen unser Gepäck für ca. 2,50€ im Schließfach ein. Nun konnten wir nochmal auf Entdeckungsreise gehen.

Unser 72 Std Ticket hat sich vollkommen gelohnt. Wir sind in den drei Tagen kreuz und quer durch Budapest damit gefahren. Manchmal war es nicht ganz einfach herauszufinden, bis wohin wir mit dem Ticket fahren durften, da nirgends Pläne mit der Tarifgrenze ausgehängt waren. Ebenso erging es uns mit unserem Interrailticket nach Szentendre. Dass wir den Zug H5 der Vorortzuggesellschaft nicht nutzen durften, war klar, aber eine S-Bahn bis Rakos, auf der halben Strecke? Die Zugbegleiterin wusste es selber nicht. Für den Rest kauften wir uns noch Einzeltickets. Die Preise waren mit 1,80€ erträglich. Wir schlenderten durch den netten kleinen Ort Szentendre an der Donau. Nette kleine Häuschen und Geschäfte und vor allem Gastronomie. Es war ziemlich touristisch, aber zum Glück waren keine großen Touristenströme unterwegs. Zum Abschluss besuchten wir das Marzipanmuseum mit Konditorei. Man konnte beobachten, wie ein Marzipankunstwerk kunstvoll verziert wurde, besonders konnten wir aber super Kunstwerke bestaunen wie die Houses of Parliament, Märchenszenen, einen lebensgroßen Michael Jackson aus Marzipan und ein Tisch mit Stühlen mit feinster Spitze mit einer Etagentorte und Bildern von Chopin, Strauss und einer Dame (Sissi?), alles aus Marzipan! Das waren echte Kunstwerke.

Auf dem Rückweg beabsichtigten wir eigentlich noch das 3D- Museum zu besuchen, aber das hatte wegen einer privaten Veranstaltung geschlossen. Wir aßen ein letztes Mal Langos, kauften etwas Verpflegung für die Nachtfahrt und kehrten zum Bahnhof zurück. Unser Gepäck wartete brav im Schließfach. Mit Sack und Pack begaben wir uns in die Business Lounge mit unseren 1. Klasse Interrailtickets. Diese Möglichkeit erwies sich wirklich als ein toller Vorteil. Die Zugplätze waren bisher nicht so besonders, aber sich in einer gemütlichen Lounge verwöhnen zu lassen mit Snack und Getränken, das war schon toll. Kurz vor Abfahrt begaben wir uns zu unserem Zug. An jeder Tür stand ein Schaffner und wies einem den Weg zum richtigen Wagen. Dort gab man beim Einstieg sein Reservierungticket ab und das Interrailticket wurde erfasst, dann konnten wir in unsere Kabine. Stefan war enttäuscht. Er hatte etwas anderes erwartet für 40€ pro Person, aber ich war dennoch froh, ein Bett und eine Kabine für uns allein zu haben, besonders zu Zeiten von Corona. Drin ist auch noch ein Waschbecken, das zugeklappt ein Tisch ist und ein Spiegelschrank mit Stromanschluss, Licht und zwei Flaschen Wasser. Ich war gespannt, wie ich schlafe würde, wenn ich die ganze Zeit sanft geschüttelt würde. Ob wohl an der Grenze bei Loekoeshaza und Curtici die Pässe kontrolliert würden zwischen 22:45Uhr und 23:55Uhr? So lange sollten wir laut Fahrplan dort halten. Wir ließen uns überraschen.

Mittwoch, 25.5.22 Bukarest

Es dauerte in der Nacht etwas, bis ich einschlafen konnte, aber das lag zum einen daran, dass tatsächlich Passkontrollen durchgeführt wurden und das von Grenzern beider Länder. Außerdem wurden nochmals die Tickets kontrolliert und mit Spiegel und Licht in unserer kleinen Kabine rumgeguckt, ob wir auch niemanden versteckt hatten. Danach dauerte es noch eine ganze Weile, bis das Umkoppeln und sonstiges Gerumpel vorbei war. In Rumänien wurde die Zeit um eine Stunde vorgestellt, sodass ich erst gegen 1:30, als der Zug wieder gleichmäßig durch die Landschaft ruckelte, in den Schlaf fiel. Der war dann aber recht gut bis gegen 8:30Uhr. Am Morgen machten wir uns ein bescheidenes Frühstück mit unserer mitgenommenen Marmelade, Zopfbrot und Butter. Das erhoffte Frühstück, oder wenigstens Kaffee durch das Zugpersonal, das es wohl bei anderen Night Trains laut Internet gibt, blieb leider aus. Schade! Mit ca. 1 Std Verspätung zur angekündigten Ankunftszeit – ggf hing das mit der Zeitumstellung zusammen – erreichten wir Bukarest. Berichte im Internet darüber, dass man unterschiedliche Tickets für U- Bahnen und Busse/Straßenbahnen braucht, Stationen nicht angezeigt würden etc., erwiesen sich als Humbug. Der Nordbahnhof Bukarests war moderner als in Budapest. Wir fanden schnell einen Geldautomaten und konnten auch wieder ein 72 Std Ticket (7.09€) für alle Verkehrsmittel innerhalb der Stadt kaufen. Inzwischen gingen WhatsApps zwischen unserer Vermieterin und mir hin und her, wann wir beim Appartement ankämen und wie wir hereinkämen. Sie hinterließ uns einfach den Schlüssel im nicht verschlossenen Briefkasten. Mit Bussen erreichten wir ohne Probleme das Ziel, was fast am anderen Ende der Stadt lag. Wir fanden ein nettes Appartement in einem typischen Ost-Wohnblock vor mit kleiner Küche, Bad und Schlafzimmer. Wir hatten sogar wieder eine Waschmaschine und zahlten für zwei Nächte knapp 44€. Nach einem Kaffee machten wir uns auf den Weg zum Naturschutzgebiet Parcul Natural Väcäresti. Erst bekamen wir einen Schock. Vor uns tauchte ein riesiges, rundherum mit Betonwänden versehenes Auffangbecken auf, indem eine Grünfläche von Wegen durchzogen wurde. Im Hintergrund ein Industriegebiet mit rauchenden Schornsteinen und Hochhäuser. Was war das denn?! Als wir jedoch ins Grüne hinabgestiegen waren, erwies sich das Gebiet als außerordentlich abwechslungsreich mit unterschiedlichen Habitaten für Vögel und andere Tiere wie Schildkröten, Insekten und ich wäre sogar fast auf eine Ringelnatter getreten. Gerade in dem Augenblick, als ich darüber nachsann, dass hier zwar das Klima für Schlangen stimmte, aber sicher nicht innerhalb dieser städtischen Umgebung, da bewegte sich plötzlich die vermeintliche Schnur zwischen meinen Füßen! Nach dem Ausflug in die grüne Oase fuhren wir in die Innenstadt, um irgendwo etwas zu trinken. Dort am Stadtrand war die Umgebung zu hässlich und die Getränke hatten Preise wie bei uns an touristischen Stellen. Damit hätten wir nicht gerechnet. Wir landeten in der Altstadt, die uns mit historischen Bauten und vielen hippen Bars und Restaurants etwas an Plovdiv in Bulgarien erinnerte. Überhaupt erschien es uns, dass die Länder mehr Gemeinsamkeiten haben als mit Ungarn. Budapest hatte dort, wo wir waren, zumeist ein recht einheitliches Bild alter, häufig herrschaftlicher Gebäude, die wohl so aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts stammten. Reste der ehemaligen Monarchie, manchmal sehr prächtig, häufig aber auch mit hohem Renovierungsbedarf. Die typischen Plattenbauten sozialistischer Art fanden wir kaum. Hier in Bukarest mischten sich hypermoderne Gebäude mit klassischen Prachtbauten und Ost-Wohnblocks zu einem bunten Bild. Typisch waren hier auch wieder die vielen Parks innerhalb der Stadt, zumeist mit Wasserspielen. Die gab es hier sogar entlang einer scheußlich stark befahrenen, mehrspurigen Straße. Vielleicht sollten sie die Gemüter derjenigen abkühlen, die hier im Stau standen? Zumindest halfen sie etwas gegen den Feinstaub. Wir gingen Pizzaessen, kauften bei Lidl etwas ein und verbrachten den Abend im Appartement mit rauchenden Köpfen über Fahrplänen. Die Organisation der Fahrten von A nach B war alles andere als easy. Da ließen sich Züge, die es laut Google gab, nicht in der Interrail APP finden, weil anscheinend einige Länder ihre Züge nicht oder zu kurzfristig einstellten. Fast alle Züge waren kostenpflichtig zu reservieren und man musste immer wieder über irgendwelche Knotenpunkte fahren und häufig gab es nur Nachtzüge oder sie fuhren nur an bestimmten Tagen. Dummerweise hatte ich am 15.6. einen Termin in Göttingen und wir mussten Ende Juni pünktlich in Frankreich in Boulogne Sur Mer sein, um unsere amerikanischen Freunde zu treffen. Das vorzuplanen war wirklich knifflig. Wir wollten ja eigentlich runter bis Griechenland, aber fanden keine vernünftige Verbindung, da serbische Züge nicht angezeigt wurden. (erst später fanden wir heraus, dass das serbische Schienennetz anscheinend derartig marode ist, dass derzeit keinerlei internationale Verbindungen per Zug möglich sind) Nunja, wir würden sehen. Erst nahmen wir uns vor, einen Abstecher nach Moldawien zu machen.

Donnerstag, 26.5.22 Bukarest

26060 Schritte durch Bukarest! Der Tag begann mit einem Besuch in Ceaucescous Villa. Wir nahmen an der englischen Führung teil und konnten nur staunen, wie es der Diktator Nicolae Ceaucescou und seine Frau Elena während seiner 24-jährigen Herrschaft geschafft haben, ihre feudale Lebensweise vor ihrem bitterarmen Volk zu verstecken. Das Paar und ihre drei Kinder hatten nicht nur jeder ein Büro, ein Schlafzimmer, Ankleidezimmer, und ein äußerst exquisites Bad – Elena’s war sogar mit goldbelegen Wänden und Armaturen -, sondern es gab dasselbe auch für private Gäste. Es gab prächtige Aufenthaltsräume, in den 70-gern bereits einen überall begehrten Farbfernseher und einen Kinoraum im Keller, wo alle westlichen Filme zu sehen waren, während das Volk pro Tag nur ganze 2 Std Staatsfernsehen zu sehen bekam und meist nur Propaganda, oder eventuell mal einen Comicfilm. Abends wurde der Bevölkerung auch über Nacht der Strom abgestellt, und zu essen hatten die meisten nur einen Teil einer normalen Portion. Ceaucescous durften sich hingegen an allem Luxus erfreuen, schmückten ihre Villa mit hocherlesenen Geschenken anderer Staaten, die als Gastgeschenke mitgebracht wurden. Vasen, Orientteppiche, Leuchter und vieles mehr wanderte in ihren Besitz. In Deutschland kommen diese Gastgeschenke in ein Museum und es wird genau darüber Buch geführt, was private und was Staatsgeschenke sind. Im Keller der Villa war ein Wellnessbereich inklusive medizinischer Massagen. Das beeindruckendste fand ich aber das Schwimmbad, dessen Wände rundherum mit Bildern aus Millionen kleiner Mosaiksteine gestaltet waren. Von hier ging es direkt in einen sehr schönen Garten im Innenhof. Die Villa war während der kommunistischen Ära rundherum von der Staatssicherheit abgeschirmt. Als 1989 das Volk bei der Revolution die Villa stürmte, konnten die Menschen ihren Augen kaum trauen. Während Ceaucescous nur in erlesenen Möbeln und Kleidung von weltberühmten Designern lebten, gingen Bilder von den grauenhaften Zuständen in Rumäniens Kinderheimen um die Welt. Beim Umsturz kamen über 1000 Menschen uns Leben, über 3000 wurden verletzt. In einem Scheinprozess wurde das Ehepaar zum Tode verurteilt und erschossen. Von den drei Kindern lebt heute nur noch ein Sohn in normalen Verhältnissen in Bukarest. Ihm konnte keinerlei Mitschuld nachgewiesen werden. Bruder und Schwester starben an Krebs.

Nach unserem Weg in die kommunistische Zeit Rumäniens, besuchten wir den Bordei Park. Eigentlich ist es ein ganzes Gebiet aus verschiedenen Parks mit einem Wasserlauf und einem großen See. Um den See sind wir fast komplett herumgewandert. Es ist ein sehr schönes Naherholungsgebiet zum Wandern, Radfahren, mit Badestelle und Fähre, Yachtclub, Restaurants und Buden und dem Freilichtmuseum „Muzeul National Al Satului „Dimitrie Gusti“ mit vielen typischen Gebäuden aus den 19. Und 20. Jahrhundert, aus verschiedenen Gegenden Rumäniens. Ganz in der Nähe kamen wir zum rumänischen Arc de Triumph, der dem französischen nachempfunden ist. Bukarest galt ehemals als Paris des Ostens. Von hier fuhren wir zum Gara de Nord, dem Hauptbahnhof und reservierten unseren Zug nach Iasi für den kommenden Tag. Dafür mussten wir in einer von vier Schlangen lange warten. Die Frau am Ticketschalter kam mit unseren Online-Tickets nicht klar und holte erstmal Hilfe. Für diese idiotische Reserviererei bezahlten wir zusammen 1,42€! und angeblich hätte der Zug keine 1. Klasse, obwohl es im Internet stand. Da fast für jeden Zug eine Reservierung in Rumänien benötigt wurde, war das die reinste Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und für die Fahrgäste nur nervig. Auf der Suche nach einer 1. Klasse Lounge mussten wir feststellen, dass sämtliche Warteräume im Bahnhof für ukrainische Flüchtlinge reserviert waren. Die brauchten das zugegebenermaßen auch mehr als wir, schade war es dennoch.

Mit der Metro fuhren wir zum Athenaeum, dem Opernhaus der Stadt und landeten nach dem Durchqueren der Macca- Villacross Passage wieder an einer Ecke der Altstadt, die wir vom Vortag wiedererkannten. Damit schloss sich der Kreis, und wir machten uns auf den Heimweg.

Freitag, 27.5.22 Fahrt nach Iași

Pünktlich um 9:45 Uhr kam unsere Vermieterin zur Wohnungsübergabe. Wir fuhren zwar erst um 12.07 Uhr ab Gara de Nord, aber um dahin zu kommen, mussten wir schon eine gute Stunde einrechnen, und wir wollten nochmals versuchen, doch noch Sitze in der 1. Klasse zu reservieren. Da wir uns zum ersten Mal in Bukarest auch noch verfuhren, war unsere Zeitplanung ganz passend. Erste Klasse durften wir dann aber doch nicht reisen, sie war laut Aussage der Bahnbeamtin ausgebucht. Der Zug Richtung Iasi war insgesamt sehr gut gebucht, zu Beginn standen sogar Leute in der zweiten Klasse. Vielleicht hatten wir also sogar Glück, überhaupt noch Plätze bekommen zu haben. Wir ließen fast durchgängig unsere Masken auf, weil immer wieder jemand hustete. Der Zug war der IR1663, vergleichbar mit unseren Interregios: Großraumwagen, Polstersitze nicht verstellbar, automatisch belüftet und er hielt relativ oft. Die Geschwindigkeit war bei uns zwischen 90-130, was auch angezeigt wurde. Er gehörte also schon zu den schnelleren Zügen und IR-Züge mussten meist reserviert werden. Die Strecke zwischen Bukarest und Iasi war nicht besonders aufregend. Zumeist führte sie an landwirtschaftlichen Flächen vorbei, kleine Dörfer am Wegesrand und das 6 ¼ Std lang. Die Stadt Iasi schien es jedoch in sich zu haben. Sie galt laut Internet als Brutstätte der organisierten Kriminalität. Es sollte sogar regelrecht eine Schule für Taschendiebe dort geben, die dann in Berlin und anderen Großstädten ihr Handwerk ausüben.

Inzwischen waren wir angekommen, hatten für zwei nächste Züge in drei Tagen Reservierungen für die erste Klasse! Das war aber auch wichtig, weil der eine ein Nachtzug zurück nach Bukarest war und wir danach noch weiter nach Brasov fahren wollten und alles in Sitzabteilen. Daher sollten die Sitze wenigstens bequem sein. Hoffentlich würden die Züge nicht wieder so voll sein, damit wir uns im Nachtzug wenigstens etwas ausbreiten könnten. Wir hatten fürs erste Türkei und Griechenland gestrichen. Die Zeit war einfach zu kurz für so eine lange und umständliche Fahrt, wenn wir spätestens am 12.6. wieder In Zorneding ankommen und nach Bad Harzburg fahren mussten. Wir beabsichtigten, uns im Anschluss an Moldawien, nach Brasov zu begeben und dort zu entspannen und zu versuchen, Abstecher in die Berge der Umgebung zu machen. Nach all der Stadt musste dann mal etwas Natur sein.

https://youtu.be/I5WoJp2vZEI

Moldawien

Samstag. 28.5.22 Fahrt per Bus nach Chisinau in Moldawien

Bevor wir unsere Pension in Iasi heute Morgen verließen, lud uns unsere Vermieterin Kristina zu einem Kaffee ein, und wir hatten ein sehr interessantes Gespräch. Da sie selber ähnlich reisebegeistert war wie wir, unterhielten wir uns über unsere Reise und was Corona für ein Einschnitt war, aber noch interessanter war, mit ihr über den Krieg zu reden. Sie hatte im Februar/März einige Flüchtlinge aus der Ukraine. Als die erste Frau mit Kind kam, bot sie ihr an, ihnen eine Pizza auszugeben und war zuerst recht konsterniert, als die Frau antwortete, dass sie lieber ein Bier und eine Maniküre hätte. Später realisierte Kristina, dass die Frau voll unter dem Fluchtschock stand und das Bier zur Beruhigung brauchte. Die Frau erklärte ihr später auch, dass sie sich eine Maniküre gewünscht hätte, um sich wieder sauber und als Mensch zu fühlen nach all dem Horror. Sie hatte mit Kind tagelang vor der Flucht im U-Bahn Tunnel ausgeharrt, bevor sie aufbrach. Sie bestätigte darüber hinaus Berichte aus dem Fernsehen, wo Geschwister in Russland und Ukraine telefonieren und die Russen ihrer eigenen Familie nicht glauben, dass das, was in der Ukraine gerade geschieht, ein Krieg ist und Putins Sprüche von der Niederschlagung der Nazis nachbeten. Eine ukrainische Stewardess wurde irgendwo im Ausland von einer Russin im Toilettenraum angemacht, dass sie, bzw. ihre Leute, Schuld hätten, dass alle jetzt schlecht über Russen redeten. Welche eine Verdrehung von Tatsachen, und wie muss es für die Ukrainerin gewesen sein, diesen Vorwurf von einer Russin zu hören! Kristina erzählte auch, dass ihre Großeltern, die den 2. Weltkrieg miterlebt und den Einmarsch der Deutschen und dann der Russen erlebt hatten, das heutige Drama kommen gesehen hätten. Sie glaubten nie an dauerhaften Frieden in Freundschaft mit Russland, weil es nicht nur einen Putin gäbe, sondern Millionen Russen, die hinter ihm stünden. Als die Deutschen damals Rumänien besetzten, hätten die Soldaten sich trotz Krieg in den meisten Fällen zivilisiert verhalten, die Russen dagegen hätten sich wie die Barbaren verhalten, zerstört und Frauen vergewaltigt. Über das Verhalten der deutschen Soldaten gibt es sicher auch andere Meinungen und Erfahrungen.

Leider haben wir selber auch nicht nur positive Erfahrungen mit Russen gemacht, sondern haben, während der 10 Tage in Russland 1988/89, mehrfach brutale Schlägereien beobachtet und ich selber fing mir grundlos eine Ohrfeige in der Straßenbahn ein.

Wir merkten hier in den ehemaligen Ostblockländern schon verstärkt die Angst vor dem russischen Nachbarn und die Solidarität mit den Ukrainern.

Uns führte der Weg dennoch heute weiter Richtung Osten, nach Chisinau in Moldawien. Moldawien war nicht im Interrailticket enthalten, daher fuhren wir mit einem Kleinbus, der mehrmals täglich Iasi in Rumänien mit der moldawischen Hauptstadt verband. Wir wollten nur Chisinau besuchen und auch nur für zwei Nächte. Noch vor einem halben Jahr war uns Transnistrien, ein russischer Scheinstaat innerhalb der moldawischen Grenzen, der laut Internet das frühere kommunistische Russland wie im Bilderbuch nachahmt, eigenes Geld und Pässe, sowie Grenzkontrollen hat, der aber von keinem Land der Welt anerkannt, sondern ehr als verschroben belächelt wird, als kurioses Reiseziel erschienen. Heute besteht die Gefahr, dass Putin diesen Scheinstaat als Grund für einen Einmarsch in ein weiteres Land der ehemaligen Sowjetunion zum Anlass nimmt.

An der Grenze wurden von beiden Seiten die Pässe eingesammelt und wir bekamen einen moldawischen Einreisestempel. Es ist ja auch eine EU Außengrenze, vielleicht ist das der Grund, dass ein deutscher Zöllner die rumänischen Kollegen unterstützte. Während LKWs Schlange standen, ging es für Autos und uns zügig. Wir hatten niemanden vor uns, aber die Passkontrolle dauerte insgesamt dann doch ca. 30 Minuten. Unsere Fahrt ging fast ausschließlich durch eine Landschaft mit bewaldeten oder grasbewachsenen Hügeln, Ackerland und Weinanbau. Die Gegend schien sehr fruchtbar zu sein. Die Orte bestanden meist nur aus ein paar Häusern und es sah noch ärmer aus, als das Hinterland Rumäniens. Chisinau zeigte sich dann plötzlich als lebhafte Stadt mit einem Busbahnhof, der einem südostasiatischen in nix nachstand. Zig Busse, buntes Gewusel von Marktständen, Betrunkene, die rumkrakelten, Armut. Ein paar Straßen weiter Universitäten, schöne Parks mit Wasserspielen, hypermoderne Malls, dann wieder zerfallenen Bruchbuden und Wohnblocks mit hunderten von Wohnungen. In einem gerade mal zwei Jahre alten haben wir jetzt für zwei Tage unsere Unterkunft. Sie ist super ausgestattet, der Stil ist aber der krasseste, den wir je hatten. Die Farben von Tapeten, Möbeln, Gardinen bissen sich nicht nur, sie hatten auch alle verschiedene Muster. Beleuchtet wurde das Ganze von einem unglaublichen Kronleuchter mit rosa Glasrosen. Wäre es nachts nicht dunkel, ich könnte bei dem Anblick kein Auge zu tun. Dennoch war die Wohnung klasse, weil sie sauber, geräumig und komfortabel ausgestattet war. Zum Abschluss dieses interessanten Tages, der gleichzeitig unser 37. Beziehungstag war, gingen wir lecker essen. Stefan schlug sich den Bauch mit Salat, Pizza und Grillgemüseplatte und anschließendem Käsekuchen voll. Eigentlich alles, was vegetarisch auf der Karte zu haben war. Ich hatte eine sehr leckere Grillplatte mit Gemüse und Lachs und ebenfalls Käsekuchen. Für das alles, inklusive zwei Cola und Trinkgeld zahlten wir 30€. Da die Lebensmittel im Geschäft uns nicht besonders billig vorkamen, konnte man schon auf ziemlich niedrige Löhne schließen. Am kommenden Tag wollten wir sehen, was die Stadt so zu bieten hat.

Sonntag, 29.5.22 Chisinau

Dieser Tag war unser „Park-Tag“. Angefangen mit dem Stefan Park zu Ehren von Stefan III oder auch Stefan dem Großen, einem der großen Herrscher des Landes, in dem sich genussvoll herumschlendern, ein Kaffee trinken und/oder live einem Orchester zuhören ließ, ging es weiter zum Kathedralen Park. Er war nicht sehr groß, bot aber auf kleiner Fläche eine Kathedrale und andere Bauwerke, unter anderem wieder mal einem Triumphbogen in bescheidenem Ausmaß. Von hier liefen wir weiter zum Valea Morilor Park, der zahlreiche Freizeitvergnügen ermöglichte. Ein großer See bot sich zum Angeln, baden, Bootfahren oder drumherum joggen, schlendern oder Radfahren an. Viele Familien mit Kindern waren hier unterwegs mit Rollern oder ausgeliehenen Kinderautos, Kettcars etc. Auch hier konnte man leckeren Genüssen frönen wie Eis oder Kaffeegetränken. Wir liefen einmal um den See und kamen zu einem kleinen Vergnügungspark mit Live-Musik, wo die Caritas ein Programm für ukrainische Flüchtlinge anbot. Es war natürlich gut, zu versuchen, gerade die Kinder mal für ein paar Stunden das Erlebte vergessen zu lassen, aber ob den Frauen und Kindern nach lauter Musik mit Polonaise zumute war, erschien mir fraglich. Es schien mir ehr eine gequälte Fröhlichkeit hervorzurufen. Wir steuerten von hier unseren letzten und größten Park, den Dendrarium Park an. Hier musste man Eintritt zahlen, was aber mit 50 ct pro Person ein Witz war. Nach all den lebhaften, auf Freizeitvergnügen ausgelegten Parks mit hübschen Blumenrabatten, Springbrunnen etc. erschien dieser ehr langweilig. Das Besondere waren hier wohl die unterschiedlichen Bäume. Es war uns zuvor nicht bekannt, dass es sich bei dem Park um eine Art Arboretum handelte und er auch eine wissenschaftliche Funktion hatte. Zwischen all den Parks kamen wir am Parlamentsgebäude, dem Präsidentenpalast und anderen Regierungsgebäuden vorbei, u.a. auch der Deutschen Botschaft. Die Gegenden waren teils sehr unterschiedlich, vom Villenviertel über ein ärmeres Gebiet mit Straßenhändlern, eine Straße mit kleineren bunten Häusern mit Geschäften und Ärzten, zu hochmodernen, verglasten Fassaden von Unternehmen und historischem Bauten von Theatern und Universität. Nachdem wir mit über 20000 Schritten die Stadt erkundet hatten, begaben wir uns auf die Suche, zu welchem Busbahnhof wir am kommenden Tag mussten. Der Bus sollte nämlich nicht dort abfahren, wo wir angekommen waren. Wir wollten vorsichtshalber bereits jetzt Tickets für die Rückfahrt nach Iasi kaufen, nicht dass wir am kommenden Tag hier festsäßen und unser reservierter Nachtzug nach Bukarest und von dort nach Brasov ohne uns führe. Herauszufinden, wo wir abfahren und wie wir dorthin kommen, war gar nicht so einfach. Wir hatten uns zwar bei Google Maps die Karte und die Verbindung zum Busbahnhof Süd in unserem Appartement mit WLAN heruntergeladen, aber gleich der erste Bus fuhr uns vor der Nase weg. Nun hatten wir kein Internet und konnten keine neue Verbindung herausfinden. Letztlich schafften wir den Hin- und Rückweg mit Umsteigen und ca. 30 Haltestellen bei überfüllten Bussen, indem wir einmal zwischendrin einen Kaffee trinken gingen, um WLAN zu bekommen. Trolleybusse fuhren hier häufig, waren aber dennoch immer voll. Man zahlte im Bus, wo sich eine arme Schaffnerin zum Kassieren durch den Gang quälte. Eine Strecke in der Stadt, egal wie viele Haltestellen, kostete immer 2 Lei pro Person, das sind nicht mal ganz 10 ct. In den Bussen fuhren gelegentlich auch Ukrainerinnen mit, mit einer Mappe mit Bildern von ihren Babys oder Kleinkindern und bettelten um Geld. Es gab kaum jemanden, der nichts gab, auch wir nicht. Gegen Abend hatten wir endlich unsere Tickets und kamen wieder bei unserer Unterkunft an. Wir überprüften, wieviel moldawisches Geld wir noch übrig hatten, legten ausreichend Kleingeld für tags drauf für die Fahrt zum Busbahnhof zurück und ließen uns für den Rest noch einmal eine Grillgemüseplatte und Kartoffelvariationen im Restaurant schmecken. Nun mussten wir gut vorschlafen, denn uns stand ein langer Tag mit 4 Std Busfahrt und danach eine Nachtfahrt von 6,5 und 2,5 Std in normalen Zug- Sitzabteilen bevor. Hoffentlich würde der lange Zug nach Bukarest leer sein.

https://youtu.be/ZcULPOCQU-Y

Rumänien II

Montag. 30.5.22 Fahrt nach Brasov/Rumänien

Es klappte alles wie am Schnürchen. Wir verließen unser Appartement um 12:00 Uhr, fuhren endlos lang, sprich über eine Stunde mit zwei Trolleybussen zum Busbahnhof Süd von Chisinau und pünktlich um 15 Uhr starteten wir mit einem Kleinbus in Richtung Iasi. An der Grenze wieder das etwas grummelige Gefühl im Magen wie immer, wenn es um eine „echte“, d.h. kontrollierte Grenze geht, und dann waren wir wieder in Rumänien, in der EU. Nun hatten wir noch 4 Std Zeit bis zur Abfahrt unseres Zuges nach Bukarest. Wir liefen mit Rucksäcken in die Innenstadt von Iasi. zur Metropolitan Kathedrale und von dort, durch eine sehr schöne Fußgängerzone mit viel Blumenschmuck, zum prächtigen Kulturpalast. Er wirkte fast wie ein Schloss, besonders, als er abends beleuchtet wurde. Dahinter erstreckte sich ein Park mit Springbrunnen, künstlichem Wasserfall, leicht in Terrassen angelegtem Rasen, Trampolin und Karussell für Kinder. Daneben fanden wir Essensstände und eine hochmoderne und edel wirkende Einkaufsmall mit Kongresscenter. Wir kauften uns Brot, Käse und etwas Süßes und ließen es uns auf einer Bank bei lauer Abendstimmung und tollem Licht gutgehen. Gut 1 1/2Std vor Abfahrt gingen wir zum Bahnhof und saßen danach in der ersten Klasse Großraumabteil, das wahrscheinlich von Deutschland ausgemustert wurde. Es sah für erste Klasse echt fertig aus. Die Wagen der zweiten Klasse waren moderner. Nun hofften wir, dass wir wenigstens möglichst allein blieben, um Platz und Ruhe zum Schlafen zu finden. Lang würde die Nacht nicht, da wir um 5:13 Uhr in Bukarest umsteigen mussten nach Brasov. Dann mal gute Nacht.,

Dienstag, 1.6.22 Nachtfahrt Iasi – Bukarest

Die Nachtfahrt fand ich total doof. Unser Erste Klasse Abteil war ein Großraumabteil mit abwechselnd 3er und 2er Sitzen gegenüberliegend und dann wieder 2×2 gegenüber und auf der anderen Gangseite 2×1 gegenüberliegend. Wir hatten 2 Plätze am Fenster in einer 2×2 Nische. Erst war es fast leer in unserem Abteil, sodass sich Stefan eine Reihe weiter auf Dreiersitze legte zum Schlafen. Sein Rucksack, Schuhe etc lagen bei mir. Da ich kein direktes Gegenüber hatte und wir es geschafft hatten ein Fenster zu öffnen, wagte ich es, ohne Maske zu versuchen zu schlafen. Es gelang mir auch ca. 1Std mit Kopf auf dem Rucksack über zwei Sitzen liegend, Schlafmaske und Ohrenstöpsel. Als ich bei irgendeinem Halt wach wurde – der Zug hielt an jeder Milchkanne – saß mir plötzlich ein fremdes Paar gegenüber ohne Maske, auf dem Einzelsitz am Gang ein Mann mit OP-Maske unter der Nase, das Fenster war zu, das Licht blieb die ganze Zeit an, und es war ätzend warm. Ich versuchte, mit Maske weiterzuschlafen, aber es ging einfach nicht. Ich wechselte den Platz zu Stefans Nische, ließ aber seinen Rucksack und Schuhe unter meinem reservierten Sitz. Nun konnte ich wegen Luftnot nicht mit Maske, aber aus Angst mir etwas einzufangen auch nicht ohne Maske schlafen. Aus der Klimaanlage vorm Fenster blies mich heiße Luft an, die auch, nachdem ich darum gebeten hatte, nicht wirklich kühler gestellt wurde. Auf dem Klo gab es nicht mal Licht. Wie gut, dass das Handy eine Lampe hat! Ich wagte es ohne Maske wieder einzuschlafen und hoffte nun, mir nichts einzufangen. Tags zuvor gab es bereits im Bus eine kritische Situation. Mir setzte sich eine Mutter mit zwei kleinen Kindern gegenüber, natürlich ohne Masken. Der kleine Junge war total rot im Gesicht, was mir schon komisch vorkam, es hätte aber auch Sonnenbrand sein können. Dann fing er an zu husten, aber nicht in die Ellenbeuge, sondern voll in die Gegend. Stefan machte das Fenster auf und ich versuchte mir einen Stehplatz zu ergattern und drehte dem Jungen den Rücken zu. Viel Platz war nicht. Die Busse in Chisinau waren immer voll besetzt inkl. Stehplätzen. Nun konnten wir nur hoffen, dass unsere Masken uns gut geschützt hatten.

Gegen 5:13 Uhr erreichten wir Bukarest, und unser Anschlusszug war erfreulicherweise schon da. Wir teilten ein 1. Klasse 5-Personen Abteil mit einer Dame, die auch eine Maske trug, eine absolute Seltenheit. Stefan besorgte noch Kaffee und gegen 6:08 Uhr zuckelten wir ab nach Brasov, was auch Kronstadt genannt wird. Eine Erklärung dazu aus Wikipedia:

„Kronstadt wurde von den Ritterbrüdern des Deutschen Ordens im frühen 13. Jahrhundert als südöstlichste deutsche Stadt in Siebenbürgen unter dem Namen Corona gegründet (später auch Krunen genannt). 1225 mussten die Deutschordensritter ihre Komturei Kronstadt verlassen und ließen sich im Baltikum nieder. Kronstadt war über Jahrhunderte neben Hermannstadt das kulturelle, geistige, religiöse und wirtschaftliche Zentrum der Siebenbürger Sachsen, die seit dem 12. Jahrhundert auf Einladung des ungarischen Königs in der Region siedelten und bis ins 19. Jahrhundert hinein die Mehrheit der Stadtbevölkerung bildeten.“

Wir fanden den richtigen Bus zu unserer Unterkunft, die wir freundlicherweise schon am Morgen beziehen durften. Wir haben wieder ein kleines Apartment mit Küche, Bad und Balkon für 75€ für 3 Nächte. Während Stefan eine Runde schlief, bastelte ich erneut an unserer kommenden Strecke herum, weil er gerne noch nach Constanza am Schwarzen Meer wollte. Danach gingen wir einkaufen und machten uns etwas zu Mittag. Bevor wir uns auf Erkundungstour in die Stadt begaben, erwischte mich die Müdigkeit mit Wucht, sodass ich beschloss, doch erst einen Mittagsschlaf zu halten. Stefan nutzte die Zeit zum Joggen, Wäsche waschen und leckere Erdbeeren auf dem Markt vor unserem Haus zu kaufen, die wir dann gemeinsam auf dem Balkon genossen. Dann konnte es losgehen. Wir fuhren in die Altstadt und stellten fest, dass wir die letzte Bahn auf den Burghügel verpasst hatten. Um dort hochzuwandern, hatte ich aber nicht die richtigen Schuhe an und auch nicht genug Elan. Wir erkundeten also die Altstadt. Es war deutlich zu erkennen, dass an einigen Stellen schon Fassaden restauriert und Geld für touristische Infrastruktur in die Hand genommen worden war, es blieb aber noch einiges zu tun außerhalb der Fußgängerzone. Die Lage der Stadt am Rande der Karpaten ist sehr schön. Stefan durfte beim Joggen auch gleich um die 300 Höhenmeter hinter sich bringen. In dieser Gegend schienen die Menschen einen süßen Zahn zu haben. Die Anzahl an Bäckereien, Patisserien und Eisdielen war überwältigend, noch mehr der Geschmack der Strudel. Ich aß dort wohl den leckersten Quarkstrudel meines bisherigen Lebens. Sie wurden hier wie andere Gebäckstücke durch kleine Fenster von Bäckereien verkauft. Was uns sowohl in Ungarn, als auch Rumänien und Moldawien aber auch begeisterte, war der öffentliche Stadtverkehr. Niemand scherte sich hier groß um Abfahrtszeiten, wenn sie auch häufig durch digitale Anzeigen an den Haltestellen angezeigt wurden. Man wartete nie lange, um zu seinem Ziel zu kommen und es war fast immer mit ein bis zwei Bussen erreichbar, egal wo man war und wo innerhalb der Stadtgrenze man hin wollte. Die meisten Busse fuhren an Oberleitungen und fast alle hatten mindestens ein bis zwei Gelenke, waren also wirklich lang und dennoch gut gefüllt. Letzteres besonders in Moldawien. Da hatte man selten Glück, einen Sitzplatz zu erwischen, nicht wie bei uns, wo häufig Busse fast leer fahren. Mit Internet war es auch unkompliziert, sich Verbindungen zu suchen und im Bus die Strecke zu verfolgen. Wieviel einfacher ist das zu früheren Zeiten, wo man sich erst durchfragen, Busfahrpläne entziffern und dann im Bus jemanden finden, der einem Bescheid sagte wo man aussteigen musste

Mittwoch, 1.6.22 Wandertag Busteni

Auf unserem Weg von Bukarest nach Brasov kamen wir durch die Karpaten und sahen den kleinen Bahnhof von Busteni. Hier wollten wir hin zum Wandern. Wir begaben uns also an diesem Morgen zum Bahnhof und befürchteten, dass uns durch die dumme Reservierungspflicht der Zug vor der Nase wegfahren würde, er hatte aber 1 Std Verspätung und die Schalterbeamtin schickte uns zu einem anderen Zug auf Gleis 1. Erst kam keiner, dann sahen wir einen der Privatbahn ASTRA, den wir nicht nehmen durften. Wir fragten beim Busbahnhof, aber die schickten uns wieder zum Zug. Inzwischen war die Stunde Verspätung zusammengeschmolzen auf 20 Minuten, wir reservierten doch den ursprünglichen Zug und fuhren damit nach Busteni. Im Zug war eine ganze Reisegruppe Deutscher. Als wir in Busteni ankamen, war der Ort voll von wandernden Schulklassen oder Kinder-, Jugend- und Familiengruppen. Alle waren auf dem Weg in den Nationalpark. Stefan hatte eine Wanderung zum Wasserfall Urlatoarea bei Komoot ausgeguckt. Entgegen vorheriger Wetteraussichten hielt sich auch an diesem Morgen das Wetter. Es war sonnig und mit 27Grad fast zu warm. Der Weg war steil und teils rutschig, weil es wohl in den letzten Tagen geregnet hatte, aber er war noch gut zu bewältigen. Einen Bären haben wir leider (oder zum Glück) nirgendwo erblickt, was aber bei dem Aufkommen kreischender Kinder auch nicht zu erwarten war. Der Wasserfall war nett, wenn auch nicht überragend, es tat aber gut, mal wieder in der Natur zu sein. Der Ort lag sehr schön eingebettet in den Bergen, war aber auch sehr touristisch. Gerade als wir auf den letzten Metern zum Bahnhof waren, begann es zu regnen. Da wir nicht bis zum nicht reservierungspflichtigen Zug warten wollten, fragten wir bei dem gerade einfahrenden Privatzug nach dem Preis. Für 10 Lei (2,02€) konnten wir beide direkt nach Brasov fahren. 8 Lei hätten wir sonst schon für die Reservierung bezahlt und noch dazu fast 2 Std warten müssen. Wieder in Brasov kauften wir nochmals Gemüse auf dem Markt für unser Abendessen. Der Markt war wirklich groß und duftete verführerisch nach Kräutern. Es gab sogar ein ganzes Areal für Schnitt- und Topfblumen. Blumensträuße schienen hier sehr beliebt zu sein. Am letzten Sonntag gab es kaum eine Frau, die nicht mit einem Strauß unterwegs war, und auch sonst sah man häufig Leute mit Blumen im Bus oder auf der Straße. Was ebenfalls auffiel war, dass Rumänien sehr sauber ist. Da lag selten irgendwo Müll auf der Straße oder in Parks herum und man sah häufig die Müllabfuhr und auch Leute, die z.B. im Park Müll mit Saugern wegsaugten. Wie in Bulgarien und natürlich Asien zog man auch bei Unterkünften sofort die Schuhe aus. Meist standen bereits Badelatschen bereit.

Donnerstag, 2.6.22 Brasov

Wir ließen uns Zeit, bevor wir uns mit dem Bus wieder Richtung Zentrum aufmachten. Wir hatten noch zwei Punkte auf unserer To Do-Liste, das Landschaftsschutzgebiet Tampa auf dem Hügel in der Stadt und die Schnurgasse. Da Stefan beim Joggen am Morgen bereits mit dem steilen Aufstieg Erfahrung gemacht hatte, wählten wir die Gondelbahn zur Auffahrt auf den Tampa. Wir hatten 27Grad und von der Bergstation waren es noch ein paar Höhenmeter bis zur Spitze, sodass mir trotz bequemer Auffahrt der Schweiß lief. Ich war sehr froh, dass wir es nicht versucht hatten, zu laufen. Meine Knie waren noch von der Wanderung am Vortag wackelig. Von oben hatte man einen guten Blick auf die Stadt. Noch schöner wäre er vielleicht bei Sonnenauf– oder -untergang, aber da fuhr die Bahn nicht. Als wir wieder unten waren, besuchten wir die Schnurgasse, so genannt, weil sie sehr schmal war. Laut Schild war sie die drittengste Gasse in Europa. Die, für Notfälle wie Feuerbekämpfung im 17. Jahrhundert gebaute Gasse in der Kronstädter (Brasov) Festung, wurde in den letzten Jahren als Kunstobjekt initiiert und von jungen einheimischen Künstlern gestaltet. Wir liefen noch etwas durch die Stadt auf der Suche nach Crêpes oder ähnlich leckerer Süßspeise, aber für 180 gr. 6€ und mehr zu zahlen, fanden wir übertrieben und fuhren zu unserem Apartment zurück. Ich fühlte mich kaputt und sprang erstmal unter die Dusche, während Stefan Teilchen und leckere Erdbeeren besorgte. Es war echt fein, einen fest installierten Markt, der jeden Tag geöffnet hatte, vor der Haustüre zu haben. Wir schlemmten die Leckereien und machten uns einen faulen Nachmittag. Am kommenden Tag wollten wir weiterfahren ans Schwarze Meer nach Constanta.

Freitag, 3.6.22- Fahrt nach Constanta

Ca. 12:30 Uhr ging es von Brasov nach Constanta, also vom Gebirge ans Meer. Wir freuten uns, denn die zwei Züge konnten ohne Reservierung genutzt werden. Lange dauerte die Freude nicht an, denn „kann“ heißt nicht, dass auch niemand sonst reserviert! Es dauerte nicht lange, da mussten wir unsere Plätze zum ersten Mal verlassen, weil jemand sie reserviert hatte. Leider wurde das in rumänischen Zügen nicht angezeigt, also tappte man immer im Dunklen. Beim nächsten Stopp dasselbe Spiel, bis wir irgendwann getrennt voneinander irgendwo im 1. Klasse Wagen saßen. Immerhin fanden wir aber bis zum Zugwechsel in Bukarest immer einen Sitzplatz, und es gab auch ein 1 Klasse Großraumabteil, was mehr Beinfreiheit und bessere Federung bedeutete. In Bukarest überlegten wir erst, ob wir für den Anschlusszug noch schnell reservieren sollten, aber im Bahnhof war die Hölle los. Ob Pfingstverkehr oder bereits Ferien, keine Ahnung. Wir stiegen also wieder ohne Reservierung ein, mussten diesmal aber nur einmal weichen. Dafür fuhr der Zug erst mit 50 Minuten Verspätung ab. Leute stiegen ein und aus, es sammelten sich immer mehr auf dem Bahnsteig, im Zug wurde es heiß und die Luft zum Durchschneiden, weil keine Aircondition funktionierte wenn der Motor nicht lief. Draußen waren es um die 30Grad. Es muss wohl ein technisches Problem gegeben haben, denn irgendwann gab es einen kräftigen Ruck und kurz drauf ging es endlich los. Ich schätze, wir haben eine andere Lok bekommen. Als die Belüftung lief, ging es dann auch mit dem Klima und es war kein Schweißbad mehr hinter der Maske. In Constanta war im und vor dem Bahnhof ein Betrieb wie in Asien. Selbst die Taxifahrer versuchten, uns zu sich zu locken. Wir wussten aber von unseren Vermietern, welche Busnummer wir nehmen konnten. Zum ersten Mal auf der Reise fuhren wir erst in die falsche Richtung, merkten es aber gleich und stiegen an der nächsten Haltestelle wieder aus. Mit über einer Stunde Verspätung zur vereinbarten Check- in Zeit erreichten wir unsere Unterkunft. Gut, dass es möglich ist, die Vermieter per Handy einfach zu kontaktieren. Wir hatten wieder ein nettes Studio, also Schlafraum, Küche und Bad und auch wieder eine Waschmaschine. Wir nutzen sie bisher immer ohne Waschpulver, denn meist waren immer noch kleinere Reste in der Maschine und außerdem waren unsere drei/vier Teile eh in der Regel nur verschwitzt. Draußen auf dem Balkon in der Sonne getrocknet waren sie danach immer frisch. Wir gingen noch Pizzaessen und einkaufen und damit war der Tag dann auch zu Ende. Erfreulicherweise hatten wir es morgens in Brasov sogar noch geschafft, alle drei Züge für Montag zu reservieren, wobei wieder ein Zug ein Nachtzug mit Schlafabteil ist, voraussichtlich derselbe Zug wie beim letzten Mal, nur in die Gegenrichtung von Bukarest nach Budapest. Dieses Mal sollte es dann aber noch weiter nach Bratislava in der Slowakei gehen.

https://youtu.be/WXrJWlUR33o

Samstag, 4.6.22 Constanta

11,5 km zu Fuß erwanderten wir an diesem Tag Constanta. Zuerst ging es am Schwarzen Meer entlang bis in die Innenstadt zum Ovidiu Platz, auf dem ein sportliches Fest für Kinder und Jugendliche stattfand. Ein Kletterturm mit Sicherung, diverse Ballspielangebote und Geschicklichkeitsspiele wurden angeboten. Das Ganze wurde von Kaufland gesponsert. Ich hatte bisher gefühlt nirgendwo so viele Spielplätze und auch kleine Vergnügungsparks innerhalb von Parks gesehen wie hier in Rumänien und sie waren immer gut besucht. Auch viele Eltern schienen sich dort zu treffen. Ebenso fielen uns die vielen Kindergruppen auf, entweder wandernd in der Natur bei Busteni oder auch in den Städten.

Wir gingen weiter bis zur Carol-I.- Moschee, auf deren Minarett man gegen Eintritt steigen konnte. Von dort bot sich einem ein guter Ausblick über die Stadt und den Hafen. Constanta hat Rumäniens größten Hafen und war nun auf Grund des Krieges im Gespräch, die Abwicklung der Getreidelieferungen nach Afrika zu übernehmen. In einem Internetbericht darüber las ich über die große Anforderung, weil weder der Hafen, noch der Schienenverkehr auf diese Kapazitäten vorbereitet waren.

Unser Weg führte uns weiter zum Casino, einem an sich sehr prächtigem Bau, an dem aber der Zahn der Zeit erheblich genagt hatte und das vorübergehend geschlossen war. Es schienen Bautätigkeiten begonnen aber noch lange nicht fertiggestellt zu sein. Vor dem Casino oberhalb der Küste fand das internationale FIBA 3×3 Europacup Basketballspiel Ungarn gegen UK statt. (https://www.fiba.basketball/3x3europecup/2022/romania/about) statt. Etwas ganz Besonderes kann das aber nicht gewesen sein, denn es guckten kaum Leute zu.

Durch die Stadt ging unser Weg dann zurück zur Unterkunft. Unterwegs stärkten wir uns mit einer lecker gefüllten Bubble Waffel, die wir uns teilten. Über unsere Unterkunft, die eigentlich ganz nett war, ärgerten wir uns an diesem Tag. Die im Angebot aufgeführte und auch vorhandene Waschmaschine konnten wir nicht nutzen. Sie durfte nur von Langzeitgästen über Winter genutzt werden. Wir wuschen unsere Wäsche also auf herkömmliche Art im Waschbecken.

Constanta hatte ein paar schöne Stellen, zeigte aber insgesamt viel Verfall. Die Strände waren enorm breit und noch sehr leer, aber irgendwie auch ohne Charakter. Dafür fehlte der Stadt aber auch der typische Tourismustrubel mit zig Geschäften an der Promenade, was eher positiv anzumerken ist. Aber auch hier reihte sich ein Privatstrand mit seinen Liegen an den anderen, nette schattige Stellen, die frei nutzbar waren, suchte man vergebens. Ich glaube, den einzigen wirklich schönen Strand am Schwarzen Meer haben wir im Jahr zuvor in Bulgarien gefunden und der war Naturschutzgebiet.

Sonntag, 5.6.22 Fahrt Richtung Bratislava

Wir verließen Constanta um 12:30 Uhr mit einem angenehmen Interregio in der ersten Klasse. Im Großraumabteil waren immer Vierersitzgruppen mit Tisch und auf der anderen Seite des Ganges Zweiersitze gegenüber mit Tisch. Man hatte viel Beinfreiheit, die Sitze waren gemütlich, wenn auch nicht verstellbar und die Klimaanlage funktionierte hervorragend, was man besonders merkte, als wir in Bukarest den Zug verließen. Wir hatten 2,5 Std Wartezeit und verdrückten uns schnell im schattigen Park gegenüber des Bahnhofs. Es waren draußen 33Grad und es war eklig schwül. Bevor wir uns ca. 45 Min vor Abfahrt wieder in den Bahnhof begaben, deckten wir uns noch mit leckerem Gebäck zum Abendessen und fürs nächste Frühstück ein. Wir hatten erneut eine Nachtfahrt vor uns, dieses Mal aber wieder im Schlafabteil. 16 Std Fahrt und Schlafen mit Maske ging einfach nicht. Ich fand so ein Zweibettabteil auch ganz gemütlich, wenn es mit 40€ pro Person Zuschlag im Gegensatz zu ca. 3€ im Sitzabteil auch total überteuert ist. Unsere Unterkünfte waren bisher immer erheblich preiswerter.

Unterwegs bekamen wir plötzlich eine furchtbar laute Unwetterwarnung auf Rumänisch auf unser Handy. Verstanden haben wir erst nichts, konnten dann aber die schriftliche Meldung übersetzen. Zwischen 18-19 Uhr waren schwere Gewitter mit starken elektrischen Entladungen zu erwarten, man sollte Reisen unterlassen. Wir saßen aber im Zug und es war bereits nach 19:00 Uhr und draußen nur leicht bewölkter Himmel. Erst jagte uns das aber schon einen Schreck ein. Nun zuckelten wir bis zum nächsten Morgen durch die Landschaft. Es war dieselbe Strecke, die wir schon einmal im Nachtzug verbracht hatten. Dass immer alle großen Züge über die Hauptstädte fahren und nicht direkt, war schon manchmal nervig.

https://youtu.be/tPVlbrNrYDM

Slowakei

Montag, 6.6.22 Bratislava

Nach 20,5 Std reiner Fahrzeit und knapp 3 Std Aufenthalten bei zwei Stopps rollten wir zur Mittagszeit gut in Bratislava ein. Die Nacht im Schlafwagen des Nachtzuges „Ister“ war recht kurz, denn ich war erst gegen Mitternacht in einen etwas unruhigen Schlaf gefallen, weil ich das Gefühl hatte, dass meine Liege etwas nach vorne abschüssig war, und dann kamen gegen 5 Uhr die Grenzer zur Passkontrolle. Ich war todmüde, aber anstatt beide Länder ihre Zollbeamten gleichzeitig reinschickten, dauerte es mindestens nochmal eine Dreiviertelstunde, bis der Zug die paar hundert Meter weiterfuhr und die Ungarn zur Passkontrolle anrückten. Dann waren wir uns immer noch nicht sicher, ob, wie beim letzten Mal, nochmal unsere Tickets geprüft würden, sodass ich es erst nach sechs Uhr nochmal wagte, einzuschlafen. Immerhin bescherte mir das Ganze einen schönen Sonnenaufgang. Zum Frühstück haben wir unsere leckeren, gefüllten Strudelteilchen gegessen und kamen fast pünktlich um 9:00 Uhr in Budapest an. Hier mussten wir mit dem Bus zu einem anderen Bahnhof fahren. Dort gab es leider nicht so eine feine Erste Klasse-Lounge wie in dem anderen, also begaben wir uns zu Starbucks und tranken einen riesigen Kaffee zusammen und aßen einen Muffin. Damit hielten wir uns die 1,5 Std Wartezeit bis zum nächsten Zug auf. Um 11:40 Uhr ging es weiter per EC, der wirklich bequem war, die meiste Zeit WIFI hatte und wo wir sogar jeder eine Flasche Wasser bekamen. Gegen 14:00 Uhr waren wir endlich am Ziel. Wie schön, dass unsere Airbnb Unterkunft nur ein paar hundert Meter vom Bahnhof entfernt lag. Das war aber auch das einzig Gute an ihr. Unser Vermieter P., ein Schwarzer, der meiner Meinung nach autistische Züge hatte, begrüßte uns mit einer ganzen Litanei an Erklärungen, wobei er zwar gut, aber sehr schnell Englisch redete und uns dabei überhaupt nicht anguckte. Wenn er erklärte, welches Kühlschrankfach oder welche Räume nicht für uns seien, redete er immer in der dritten Person, also das ist P‘s Reich oder „P. mag seine Lebensmittel gerne selber essen“. Unser Zimmer hatte höchstens 9 qm. Darin stand ein Doppelbett, dass es zur Hälfte füllte, ein Plastikcampingschrank, den man mit Reißverschluss verschloss, zwei Plastikklappstühle mit kaputten Sitzen, ein Minischreibtisch und ein Ventilator. Die Wände waren zig Mal ausgebessert und die Kopfkissen so dick und unförmig wie von meiner Oma. Die Luft war trotz offenem Fenster und Ventilator heiß und stickig. Gut, dass es vergittert war, so konnten wir es nachts wenigstens geöffnet lassen, sonst hätte man leicht von draußen einsteigen können. Dafür zahlten wir 61€ für zwei Nächte, wobei unser Gastgeber nur 52€ bekam, der Rest war Steuer und Airbnb-Gebühr. Wir konnten die Küche und natürlich Bad und Toilette mitbenutzen. Für zwei Nächte war es ok, es war zumindest sauber, aber Airbnb war doch immer wieder gut für Überraschungen.

Wir brachen gleich auf in die Altstadt Bratislavas, die wirklich sehr schöne Häuserfassaden zu bieten hatte. Man hatte an Verzierungen nicht gespart. Wir liefen bis zur Donau und dem UFO Tower, einem Brückenturm mit Panoramarestaurant, mit der Form eines UFOs. Von dort oben hatte man sicher einen tollen Blick über die Stadt, aber 9,50€ pro Person war uns das nicht wert. In der Stadt merkte man die Nähe zu Wien. Cafehäuser, Palatschinken und andere süße Leckereien waren überall zu finden Man hörte auch erstaunlich häufig deutsche Stimmen. Nach 10 km kreuz und quer durch die Stadt packte mich Müdigkeit und Erschöpfung mit Macht. Die Hitze und die lange Fahrt machten sich bemerkbar. Stefan brachte mich nach Hause und ging dann nochmal alleine los zum Einkaufen für unser Abendessen.

Dienstag, 7.6.22 Ausflug Trencin/ Slowakei

Trotz der stickigen Luft in unserem Zimmer schliefen wir ganz gut. Bei offenem Fenster und laufendem Ventilator war es auszuhalten. Morgens hat Stefan beim Joggen einen Braunbären gesichtet, der aber zum Glück Reißaus genommen hatte, sodass ich nicht als Witwe weiterreisen musste. Beim Frühstück haben wir dann weitere Gäste unserer Unterkunft kennengelernt. Ein Pärchen oder Geschwister von den Philippinen. Sie arbeitete seit letztem Herbst in Bremerhaven als Krankenschwester und er in einem Altenheim auf Malta.

Da wir am Vortag bereits über 10 km zu Fuß Bratislava erkundet hatten, nutzten wir unser Interrailticket für einen Ausflug nach Trencin, 130 km nord-östlich von Bratislava. Unser Zug und die Fahrt durch die Landschaft mit Gebirgen am Horizont waren sehr schön. In der 1. Klasse hatte das Großraumabteil zwischen den Sitzgruppen Glasabtrennungen, die sowohl mehr Privatsphäre, als auch Schutz gegen Viren boten, sodass wir hier auch mal ohne Maske fuhren. Der Komfort wurde noch gesteigert durch eine Flasche Wasser, die es pro Person kostenlos gab. In Trencin war besonders die Burg sehenswert, die oberhalb der Stadt lag. Umso näher wir kamen, umso mehr erkannten wir ihre Ausmaße. Man hatte vom Turm einen sehr schönen Ausblick auf die Umgebung und es gab innen drin sogar noch Räume mit Einrichtung, allerdings war vieles neu und nur dem Ursprünglichen nachempfunden. Durch einen schönen Waldpark kamen wir zur Altstadt. Der Schatten der Bäume war sehr angenehm, denn die Sonne knallte teils unerbittlich auf uns nieder. Die Stadt war im Gegensatz zu dem, was man von oben erwartet hatte, nicht besonders schön. Zwischen die paar netten historischen Gebäude hatte man ein super hässliches Betonrathaus gebaut, und auch sonst waren ein paar hässliche Überreste des Sozialismus präsent. An Pizzerien und Restaurants mangelte es nicht, aber die Preise kamen hier locker an die bei uns zuhause heran. Gegen späten Nachmittag fuhren wir mit dem gleichen Zug wieder zurück nach Bratislava, wo es sich merklich abgekühlt hatte und windete. Es begann sogar zu regnen. Solange es am kommenden Morgen wieder trocken wäre, sollte es uns recht sein. Vielleicht wäre es danach nicht mehr ganz so schwül.

https://youtu.be/9wecUtUayAI

Ungarn II

Mittwoch 8.6.22 Weiterreise nach Györ/Ungarn

Von diesem Tag gibt es nicht viel zu schreiben. Wir brachen morgens um 10:00 Uhr unsere Zelte in Bratislava ab und fuhren zurück nach Ungarn. Hier im Dreiländereck Slowakei, Österreich, Ungarn war alles nur ein Katzensprung entfernt. Nach kurzer Fahrt hatten wir einen Zwischenstopp in Wien. So riesig war mir bei unserem ersten Aufenthalt der Wiener Hauptbahnhof gar nicht vorgekommen. In der First Class Lounge wurden nun auch hier Flüchtlinge betreut, aber sie war trotzdem auch geöffnet für Reisende. Das Spielzimmer war voll mit Kindern und Müttern und auch im Sitzbereich waren etliche Familien, Alleinerziehende und auch behinderte Flüchtlinge. Neben uns saß eine blinde Familie, die von einer Frau mit Getränken und Essen versorgt wurde. Allen merkte man Stress und Erschöpfung deutlich an. Was hatten sie bereits hinter sich? Wo führte ihr Weg hin?

Eine Stunde später fuhr unser Zug nach Györ, einer 130000 Einwohnerstadt nordwestlich von Budapest. Wir hatten gelesen, dass sie schön sein sollte und am Zusammenfluss der Raab in einen Arm der Donau läge. Wir wohnten ziemlich weit draußen in einem gemütlichen Stadtteil mit kleinen Häusern, vollen, verlockenden Kirschbäumen, in einem 1- Zimmerapartment mit Küchenzeile, Schlafsofa und Bad und direktem Eingang zum Garten. Wir kochten und lauschten ansonsten stundenlang einem Hörspiel und relaxten in unserer Unterkunft. Das musste auch mal sein.

Donnerstag, 9.6.22 Györ

Wir erkundeten Györ. Die sehr schöne Altstadt mit zahlreichen barocken Gebäuden, gemütlichen Cafés, zweistöckigen, pastellfarbenen Häusern mit farblich abgesetzten Fenstern, kleinen Pavillons, die Imbisse oder Souvenirläden beherbergen, Springbrunnen und dem angenehm entspannten Flair einer Kleinstadt, obwohl sie das mit 130000 Einwohnern nicht war, gefiel uns sehr gut. Es gab sogar eine Universität. Der Zusammenfluss der Raab und des Donauarms ist von einer Brücke gut zu beobachten. Vielleicht lag es am Wind oder dem Regen am Morgen, auf jeden Fall war das Wasser des Donauarms sehr aufgewühlt, hingegen das Wasser der Raab klar. Wo sie zusammenflossen, entstanden interessante Muster der aufgewühlten Sedimente. Wir hatten Glück, es begann erst ein wenig zu regnen, hörte dann aber schnell auf, sodass wir bei angenehmen Temperaturen und bedecktem Himmel entspannt die Stadt genießen konnten. Gegen Mittag ließen wir es uns bei Kaffee und Kuchen auf einer Cafeterrasse gut gehen und entschieden dann, dass wir die Flexibilität unseres Interrailtickets ausnutzen und noch einen Ausflug per Zug ins 100 km entfernte Sopron machen wollten. Sopron ist an der Grenze zu Österreich, laut Internet zweisprachig, auch wenn nach unserer Beobachtung das Ungarische stark überwog. Auf Deutsch heißt die Stadt Ödenburg. 1921 fand eine Volksabstimmung statt, die ergab, dass die Bevölkerung mehrheitlich zu Ungarn und nicht Österreich gehören wollte. Wegen des Ergebnisses der Volksabstimmung wurde der Stadt vom ungarischen Staat der Titel Civitas Fidelissima („die treueste Stadt“) verliehen.

Soprons Geschichte reicht bis in die Eisenzeit. In den Trümmern des Zweiten Weltkrieges fand man Reste einer alten römischen Stadtmauer, auf die im Mittelalter und wohl auch später noch gebaut wurde. Heute kann man Teile der archäologischen Reste in der Stadt ansehen.

Bei Sopron fand am 19. August 1989 das Paneuropäische Picknick statt, bei dem 661 DDR-Bürger über die Grenze nach Österreich flohen. Am Ort dieses Ereignisses werden jährlich Gedenkfeiern veranstaltet. (https://www.budapest.com/ungarn/stadte/sopron/geschichte.de.html).

Die Stadt hat heute rund 60000 Einwohner und die Nähe zu Wien beeinflusst ihre Wirtschaft positiv, wenn sie auch auf uns etwas baufälliger wirkte als Györ.

Freitag, 10.6.22 Keszthely am Plattensee

Die letzten 2 Tage unseres ersten Teils dieser Interrailreise verbrachten wir entspannt am Plattensee oder Balaton, wie er auf Ungarisch heißt. Vor ein paar Jahren waren wir auf der südöstlichen Seite des Sees, bei Siófok. Hier hatten unsere Kinder ihre erste Jugendgruppenreise ins Ausland hin gemacht, deshalb wollten wir dort vorbeifahren auf dem Rückweg von Rumänien. Es hatte uns dort damals gar nicht gefallen, aber wir wollten der Gegend dennoch eine erneute Chance geben. Wie gut! Wir kamen am Mittag mit dem Zug von Györ. Dieses Mal waren wir im Nordwesten des Sees im Ort Keszthely (wie immer das auch ausgesprochen werden mag) und die gemütliche Atmosphäre konnten wir schon vom Zug aus wahrnehmen, der ein paar Stationen am See entlang fuhr. Wir sahen viele Radfahrer, Campingplätze ohne viel Halligalli, nur mit Spiel- oder Minigolfplätzen und kleine Pensionen mit vielen Blumen. In einer dieser netten Pensionen hatten auch wir ein großzügiges Zimmer mit Balkon und Bad. Im Eingangsbereich gab es Mikrowelle, Kühlschrank und Wasserköcher und mehrere Tische, an denen man sein selbstzubereitetes Essen gemütlich genießen konnte. Sofort meldete sich unser Magen und wir besorgten uns Brot, Marmelade etc. für das Frühstück am kommenden Morgen und Teilchen für eine nachmittägliche Stärkung, bevor wir auf Entdeckungstour gingen. Letztere führte uns durch eine großzügige Fußgängerzone mit zahlreichen Restaurants und Eisdielen, die aber nicht touristisch aufdringlich wirkten, sondern einfach sommerlich entspannt. Die kleine Stadt hatte sage und schreibe 7 Museen, von Marzipanmuseum (schien in zu sein) bis Spielzeugmuseum und von Nostalgiemuseum bis zu einem historisch erotischen Wachsfigurenkabinett. Uns war aber das Wetter viel zu schön, um uns in Museen zu verkriechen, wir zogen es vor, zum beeindruckenden barocken Palast zu schlendern, der von einem schönen Park umgeben war. Dort gab es auch einen Palmengarten mit Vogelpark, aber der schloss gerade seine Tore als wir ankamen. Nachdem wir die Innenstadt, die schön verkehrsberuhigt war, durchwandert hatten, liefen wir zur Uferpromenade. Es blies ein heftiger Wind und ein Kiter hatte merklich Probleme, sich auf dem Wasser zu halten. Wir teilten uns zum Abendessen eine Portion Langos, die uns völlig ausreichte und beendeten damit unseren Spaziergang. Der Ort gefiel uns beiden gut und wir freuen uns darauf, am nächsten Tag einen kleinen Ausflug mit dem Zug weiter östlich an den Balaton zu machen nach Becehegy. Es sah so aus, als gäbe es dort ein Gebiet, das sich zum Wandern anböte.

Samstag,11.6.22 Keszthely

Wie geplant, wanderten wir an diesem Tag. Von uns aus ging es erst lange Zeit durch Wohngebiete mit hübschen Häusern und blühenden, sehr gepflegten Gärten. An einer Straße befand sich eine Art breiter Graben und ich hielt ihn erst für einen Abwassergraben, er stellte sich aber als sehr belebtes Biotop dar. Als erstes sah ich eine Schildkröte, die aber schneller untertauchte als wir unsere Handykameras zücken konnten. Dann begann ein Froschkonzert, und wir konnten auch welche sehen. Nach ein paar Kilometern ging die Strecke in einen Waldweg über, der anstieg, und nach einer Weile lag die Vadlany Höhle unter uns. Von hier liefen wir weiter Richtung des nächsten Ortes, Vonjarcvashegy. Mir taten die armen Kinder leid, die solche Namen schreiben lernen müssen. Auch hier gab es wunderbare Gärten mit noch wunderbareren Kirschen, die uns rot anstrahlten. Als vor einem Haus gerade welche aussortiert wurden, fragte ich, ob wir ein paar kaufen könnten und so kamen wir zu einem Pfund Kirschen, die wir unterwegs genossen. Nun kamen wir zu einem Kreuzweg, der zur St.Michaelskapelle auf gleichnamigen Hügel führte. Darüber findet man im Internet folgende Informationen:

„Die 136 Meter hohe Dolomitformation war einst eine Insel. Im 13. Jahrhundert wurde auf der Bergkuppe eine kleine Burg errichtet, die bis auf die kleine Kapelle im Sturm der Geschichte fast vollständig zerstört wurde. Der Folklore zufolge wurde die Kapelle 1729 von 40 Fischern erbaut, die glücklicherweise einem verheerenden Sturm auf dem Plattensee entkommen waren. Die Legende der Kapelle ist eine Mischung aus Märchen und Realität.

Neben dem Gebäude befindet sich ein alter Friedhof. Die Umgebung des denkmalgeschützten Gebäudes bietet eine schöne Aussicht auf das Keszthelyer Gebirge und den Plattensee, von der Bucht von Keszthely bis zum Ufer von Berényi, aber die Aussicht auf die „Zeugenberge“ von Szigliget bis Badacsony ist wunderbar.

Die erstaunliche Schönheit dieser Landschaft, der Kapelle und ihrer Legende haben viele Schriftsteller und Dichter inspiriert“(https://vonyarcvashegy.hu/szent-mihaly-domb-es-szent-mihaly-kapolna)

Da die Sonne inzwischen ganz schön wärmte und wir auch schon über 8 km hinter uns gebracht hatten, entschied ich, dass wir es damit gut sein lassen und zum nächsten Bahnhof gehen sollten, der auch noch einmal 3 km entfernt war. Wir fuhren mit dem Zug zurück nach Keszthely, wobei Stefan eine Haltestelle eher ausstieg, um noch für den nächsten Tag Reiseverpflegung einzukaufen. Wir würden zwar mehrere Umstiege haben, aber alle nur recht knapp bemessen und würden unsere erste Erfahrung mit dem 9€ Ticket ab deutscher Grenze machen. Nach dem, was wir bisher darüber gehört hatten, graute es mir vor der Fahrt nach Zorneding. Hoffentlich schafften wir es überhaupt bis dort und blieben nicht unterwegs auf der Strecke, weil uns ein Zug nicht mehr reinließ. Gut, dass unsere Rucksäcke nicht allzu groß waren, aber beliebt machten wir uns damit sicher nicht.

Zum Abschluss unseres ersten Reiseabschnitts und von Ungarn genossen wir an der Mole noch einmal leckere Langos von einem Imbissstand, an dem bereits eine lange Schlange auf diese Köstlichkeit wartete.

Sonntag,12.6.22 Rückfahrt nach Deutschland

Nun ging also unser erster Teil der ersten gemeinsamen Interrailreise zu Ende. Da wir früh am Bahnhof Keszthely waren, versuchten wir noch einmal für den Zug von Györ bis Salzburg eine Reservierung für die erste Klasse zu bekommen, aber auch diese zwei Bahnmitarbeiterinnen schienen sowohl überfordert als auch zu unmotiviert, wenigstens nachzusehen. Sie teilten uns einfach mit, dass wir keine Reservierung benötigten, obwohl es in unserer APP anders angezeigt wurde. Wir fuhren also wie bei der Hinreise mit dem Regionalzug FT9690 zurück nach Györ. Ab dort ging es weiter im Railjet 62, einem international verkehrenden Schnellzug, wohl vergleichbar mit unserem ICE, nach Salzburg. Auf dem Bahnsteig und im Zug stand gleich fest, dass wir froh sein konnten, überhaupt Plätze in der 2.Klasse zu haben. Es wurde richtig voll und viele standen mit großen Koffern in den Gängen. Eine Frau mit Kind, einem gigantischen Rollkoffer und einem Hamsterkäfig in der Hand zeigte sich begründet besorgt, ob sie es bis zum nächsten Bahnhof schaffen würde, bis zur Tür vorzudringen, um aussteigen zu können. In Wien, dem einzigen Bezirk Österreichs, der die Maskenpflicht nicht für die kommenden drei Monate ausgesetzt hatte, zog kaum jemand den ungeliebten Mundschutz an, obwohl es dichtes Gedränge war. Wir trugen durchgehend Maske, was bei der Enge und Dauer schon sehr anstrengend war, uns aber hoffentlich, trotz wieder steigender Inzidenzen, schützte. Irgendwann sagte Stefan voller Schreck, dass er gerade einen Stromschlag bekommen hätte. In der 230 Volt Steckdose am Sitz steckte ein spitzer Metallgegenstand, an den er mit seiner Hand gestoßen war. Anscheinend war einem Fahrgast ein Stecker dort kaputt gegangen und ein Stück drin geblieben. Ich bekam einen Schreck und hatte Angst, dass das gesundheitliche Folgen haben könnte. Ich beobachtete ihn genau, aber er wurde nicht bleich und sein Puls schien auch nicht auffällig zu sein, als er ihn mit seiner Uhr kontrollierte. Wir machten Fotos zur Dokumentation. Als der leitende Zugbegleiter im Wagen erschien, rief ich ihn gleich zu uns. Er klebte die Steckdose notdürftig ab und bot uns mehrmals an, einen Arzt zu kontaktieren. Später schaffte er es, die Stromzufuhr für die Steckdose auszustellen. In Salzburg stiegen wir um in einen Regionalzug nach München Ost, den wir glücklicherweise ohne Gedränge erreichen konnten und der auch nicht überfüllt war trotz 9€ Ticket und Sonntag. Wir hatten zuvor online für das Stück bis zur Grenze gezahlt und für jeden ein 9€-Ticket in Deutschland. An der Grenze, also vielleicht 5 Minuten nach Abfahrt, kam es zum ersten längeren Halt und einer Verspätung von 15 Min. weil die deutschen Grenzer so lange kontrollierten. Darüber hinaus, dass man sich über den Sinn der Kontrolle im vereinten Europa streiten konnte, stellte sich die Frage, ob sie immer stattfand und wenn ja, warum sie nicht in die Zeitplanung des Zuges eingeplant wurde. Auf der weiteren Strecke kam es zu mehreren weiteren ungeplanten Halts über mehrere Minuten. Die Durchsagen liefen völlig durcheinander, sodass auf die Zugangaben außen am Zug während der Fahrt hingewiesen und noch nach Rosenheim als nächster Halt Rosenheim angesagt wurde. Zeitweise konnte man den Gesprächen im Führerhaus zuhören, weil das Mikrofon wohl unbeabsichtigt angeschaltet wurde. Getoppt wurde diese, mit heftiger Verspätung in München Ost ankommende Fahrt dann mit der Durchsage, dass der Zug heute wegen Bauarbeiten nicht bis zum Hauptbahnhof weiterführe, am Bahnsteig aber noch der Hauptbahnhof angezeigt wurde. Wie planlos war das denn, und wie sollten fremdsprachige Fahrgäste das durchblicken, wenn diese wichtige Mitteilung nicht auch auf Englisch durchgesagt wurde? Was für ein peinliches Bild gab da bloß die Deutsche Bahn ab? Wir waren froh, nur noch die S-Bahn erreichen zu müssen, während zahlreiche Fahrgäste den ICE nach Stuttgart abschreiben mussten. Wir zuckelten also gemächlich mit der S6 nach Zorneding und wurden in unserer letzten Unterkunft dieses Reiseabschnitts mit einer herzlichen Umarmung und einem leckeren Essen von Stefans Mutter begrüßt.

https://youtu.be/qEF72Ihki9A

Schweiz I

Sonntag, 19.6.22 Luzern

Es ging weiter mit unserer Interrailreise. Wir schafften es, trotz 40 Minuten Verspätung beim ICE aufgrund von Leuten auf den Schienen bei Darmstadt, dennoch einen IC Richtung Luzern und einen Regionalzug nach Horw zum Campingplatz bekommen. Als wir in Basel ankamen, kam es uns vor, als wären wir in den Tropen gelandet. Auch in Horw bei Luzern waren es laut Internet 32Grad und wir hatten großes Glück, dass die Dame an der Rezeption uns noch einen anderen, schattigeren Platz gesucht hat. Eigentlich hätten wir wohl in der vollen Sonne unser Zelt aufbauen müssen. Neben dem Campingplatz war gleich der Vierwaldstättersee mit einem Seebad, für das wir Eintrittskarten bekamen. Nach dem Zeltaufbau konnten wir uns in dem 21Grad kühlen Wasser gut abkühlen. Danach haben wir uns auf die Suche nach was essbarem gemacht und sind dabei beinahe gescheitert. Dass Geschäfte sonntags um 19:00 Uhr geschlossen haben, ist ja noch verständlich, aber hier hatten auch alle Restaurants und Cafés dicht! Ein einziger Dönerladen hatte geöffnet und uns dennoch nahezu zum Verhungern verdammt. Ich sag nur: Pommes für 7 Schweizer Franken (=€)! Wir haben uns für 14€ eine Pizza Margherita geteilt und Stefan kochte sich beim Zelt noch ein Süppchen. Gut, dass ich Tütensuppen mitgenommen hatte. Unser Frühstück am kommenden Morgen würde dann wohl aus Keksen von meiner Freundin Heike, ein paar Stücke Schokolade und Nüsse, sowie ein Käsebrötchen, das ich mir von der Fahrt aufgespart hatte, bestehen. Ich war gespannt, wie die Preise in den Supermärkten seien würden.

Die Fahrt an diesem Tag war trotz Verspätung sehr angenehm. Der Campingplatz war OK und sehr international. Der See und die Berge gefielen uns sehr, der Ort Horw erschien ehr hässlich. Viele nicht zueinanderpassende Häuser, alles recht nichtssagend. Wir waren gespannt, ob wir am kommenden Tag unsere Panoramazugfahrt machen würden, oder ehr am Tag drauf. Es sah nach Gewitter aus.

Wir hatten bei dieser Tour in der Schweiz immer nur auf dem Campingplatz WLan, woran wir uns sehr gewöhnen mussten. Leider inkludierten unsere Telefonverträge in der Schweiz kein kostenloses Roaming und wir hatten schon immer im Zug Panik, dass wir unser Ticket nicht aufrufen konnten und Orientierung war auch nicht so einfach, bis Stefan die Region bei Google gedownloadet hatte.

Montag, 20.6.22 Panoramafahrt, Schifffahrt und Luzern

Die erste Nacht in der Schweiz war, wie beim ersten Mal zelten seit Jahren und dann auch noch im Minizelt zu erwarten, nicht super, aber auch nicht so schlecht wie erwartet. Es hatte sich abends etwas abgekühlt, sodass wir in unserem Zelt nicht sauniert wurden. Am Morgen haben wir uns wie geplant auf den Weg gemacht, um die Golden Pass Route zu fahren. Ein örtlicher Nahverkehrszug brachte uns nach Luzern, und von dort genossen wir die Fahrt im Panoramazug, in einer nicht zu vollen ersten Klasse, während in der zweiten Klasse eine Schulklasse und viele andere Leute zum Teil stehend fahren mussten. Stefan hatte vor der Fahrt noch schnell Teilchen und kalten Latte Macchiato gekauft, sodass auf der fast zweistündigen Fahrt für unser leibliches Wohl gesorgt war. Wir fuhren durch eine wunderschöne Berglandschaft bis hoch auf den Haslibergpass auf 1013m Höhe. Um dort hochzukommen, wurde Zahnradtechnik eingesetzt. Die Strecke führte entlang des Vierwaldstättersees, des Wichelsees, des Samersees und Lungernsees bis zum Brienzer See in Interlaken Ost, wo wir in den Zug nach Zweisimmen umsteigen wollten. Da wir noch etwas Zeit hatten, verließen wir den Bahnhof und gingen zum See hinüber. Mehr durch Zufall sah ich dort ein Schild, dass mitteilte, dass Inhaber von Schweizer-, Euro- oder Interrailpässen kostenlos an Bord gehen könnten für eine Schifffahrt auf dem Brienzersee! Wahrscheinlich war das möglich, weil das Schiff auch ein reguläres Transportmittel war, um an andere Orte des Sees zu gelangen. Da konnten wir natürlich nicht nein sagen und schmissen erstmal unsere weitere Route über den Haufen. Wir fanden letztlich zwar doch noch eine Möglichkeit, die Tour inkl. Zweisimmen und Montreux laut Fahrplan am selben Tag durchzuführen, aber dann kam es doch anders. Wir fuhren nach der Schifffahrt über den wunderschönen Brienzer See nach Spiez, um von dort dann nach Montreux und über Zweisimmen zurück nach Luzern zu fahren. In Spiez wurde durchgesagt, dass es bei Zweisimmen derzeit eine Störung aufgrund eines defekten Gleises gäbe und nicht klar wäre, wie lange die Strecke gesperrt wäre. Na, da hatten wir ja wahrscheinlich ein riesiges Glück, dass wir uns so spontan für die Schifffahrt entschieden hatten! Andernfalls hätten wir ggf. auf der Strecke festgesessen. So machte es dann auch keinen Sinn, nach Montreux weiterzufahren, weil wir von dort ja nicht auf der Panoramastrecke zurückgekommen wären. Wir fuhren also zurück nach Interlaken Ost und wiederum die schöne Strecke nach Luzern. Dort bummelten wir durch die Stadt, besuchten eine Brücke, an die Stefan sich meinte noch erinnern zu können von einem Ausflug mit seinen Eltern als er ca. 5 Jahre alt war. Später stellten wir fest, dass es eine ganz ähnliche Holzbrücke mit Dach ca. 200m entfernt noch einmal gab. Nun ist er sich nicht mehr sicher, welche er denn nun als Kind gesehen hatte. Wir besuchten die Jesuitenkirche von innen, die beeindruckend viel Marmor hatte und reich verziert war, wie im Barock üblich. Luzern hatte eine sehr schöne und lebendige Altstadt mit mehreren Brücken über die Reuss. Zwei davon waren wie erwähnt aus Holz und überdacht und mit Malereien und Sprüchen aus der Bibel und Landesgeschichte verziert. Es gab bis zum 19.Jahrhundert sogar noch eine dritte Brücke der Art, die aber den Seeaufschüttungen weichen musste. Gebaut wurden die Brücken im 13./14.Jahrhundert.

Inmitten der Stadt hatte Luzern ein uraltes Wasserkraftwerk. Bereits seit 1178 wurden Mühlen durch die Wasserkraft des Flusses Reuss betrieben. 1878 baute man ein Turbinenkraftwerk und seit 1926 erzeugte hier ein Generator aus Wasserkraft Strom. Das Wasserkraftwerk war jetzt ein Vorzeigeobjekt für Natur- und Umweltschutz, denn es wurde strengstens auf seine Verträglichkeit für Umwelt und Tiere geachtet, so hatte man z.B. extra eine Bibertreppe eingebaut, damit sein gewohnter Lebensraum nicht zerstört wurde.

Zum Abschluss unseres Rundgangs kauften wir noch Nudeln und eine Melone ein, die wir zum Abendessen aßen.

Dienstag, 21.6.22 Wanderungen Aareschlucht und Brünig-Häsliberg- Lungern

Heute forderten wir uns mal wieder selber ein wenig und ließen uns nicht nur durchschaukeln. Wir fuhren nach dem Frühstück zuerst bis Innertkirchen-Grimseltor und wollten dann mit dem Postbus hoch zum Grimselpass. Der Spaß an dem Vorhaben verging uns aber schlagartig als wir hörten, dass die Fahrt uns per Strecke/Person 31€ gekostet hätte. Schnell entschieden wir uns um und wanderten zum Osteingang der Aareschlucht. Diese Entscheidung haben wir auf keinen Fall bereut. Die Schlucht war absolut sagenhaft und die Aare schoss mit gewaltiger Kraft durch die Felsen. Teils wurden wir durch Tunnel geführt, wobei wir immer wieder Ausblick auf den Fluss und die gewaltigen Felsmassive hatten. Als wir am Westausgang ankamen, hätten wir von dort weiterfahren können, aber wir entschlossen uns, auch den Rückweg zu wandern und dieses tolle Erlebnis ganz auszukosten. Am Bahnhof Aareschlucht mussten wir dann eine ganze Zeit warten, bis unser Zug kam. Der Bahnhof war dort wie eine U-Bahn in den Felsen gebaut und kurz bevor er kam, öffnete sich eine automatische Tür im Gestein zum Bahnsteig. Wir fuhren nur eine Station bis Brünig-Häsliberg und wanderten durch eine bezaubernde, hügelige Landschaft mit Blick auf die hohen Berge von der Passhöhe zum nächsten Bahnhof in Lungern. Der Weg führte parallel zu der Zugstrecke, wo Zahnradtechnik den Zug bei dem starken Gefälle bremste. Einmal kam auch einer an uns vorbei. Die Wanderung war sehr schön, wurde jedoch von einem drohenden Gewitter in unserem Nacken etwas überschattet. Gewitter in den Bergen können bekanntlich schnell, unerwartet und heftig und besonders gefährlich sein. Wir schafften es aber trockenen Fußes in Lungern anzukommen und hatten dort dann fast eine Stunde Zeit, um dem Namen des Ortes alle Ehre zu machen, nämlich herumzulungern. Wir gingen einmal in den Ort und zurück, bis unser Zug einrollte. Über Sarnen ging es zurück nach Horw und in Sarnen gab es dann den ersten richtigen Schauer unserer Reise, während wir trocken am Bahnhof standen und hofften, dass es in Horw nicht regnete. Es wäre wirklich blöd, wenn wir kommenden Tag ein nasses Zelt einpacken und mit nassen Klamotten zu unserer Servasgastgeberin müssten. Es hatte während unserer Abwesenheit in Horw geregnet, aber anscheinend nicht sehr stark. Wenn wir Glück hätten und es nachts nicht regnete, könnten wir evtl. tags drauf mit trockenem Zeit abreisen.

Mittwoch, 22.6.22 Horw- Aubonne

Ein langer, schöner aber auch etwas anstrengender Tag lag hinter uns als ich an diesem Tag im Bett lag und zu aufgekratzt war, um schlafen zu können. Morgens hatte es, gerade als wir das Zelt abbauten, angefangen zu regnen, aber wir konnten es noch einigermaßen trocken zusammenpacken. Dann begann eine fast 10-stündige Zugreise von Horw nach Aubonne über Luzern, Olten, Spiez bis Zweisimmen, wo wir unseren zweiten Teil der Golden Pass Route begannen. Wir hatten wieder einen Panoramazug und es bot sich uns gleich ein Blick auf beeindruckende Felsspitzen. Im Gegensatz zum ersten Teil, der ja vornehmlich entlang wunderschöner Seen führte, ging es dieses Mal durch Almenlandschaften. Rechts und links gingen die grünen Hänge steil neben unserer Zugstrecke hoch, Almen verteilten sich mit einigem Abstand in allen Höhen und obwohl man eigentlich nicht von Dörfern reden konnte, gab es alle paar Kilometer kleine Bahnhöfe. Oberhalb der grünen Weiden guckten bizarr die Felsen der hohen Berge hervor. Die Strecke war sehr beeindruckend. Zum Schluss führte sie runter fast bis zum Genfer See und endete in Montreux. Hier hatten wir eine Stunde Zeit, um ein wenig herumzulaufen. Die Stadt hatte eine herrliche Lage am See, wirkte aber sehr mondän auf mich. Während unterwegs der Baustil vorwiegend aus netten Holzhäusern bestand, war nun wieder eine Mischung aus unterschiedlichsten Bauten von Hochhaus, dem von vorne sehr reich aussehenden, schlossartigen Palasthotel direkt am See, was im Übrigen von hinten ziemlich bruchreif wirkte, und Häusern ohne besonderem Charakter. Ich muss natürlich dazusagen, dass wir auch nur einen winzigen Ausschnitt von der Stadt gesehen haben, aber der wirkte mir zu sehr auf reich aufgetakelt und der See zu groß. Da haben mir die kleineren Seen auf der ersten Fahrt, wie der Briegersee, besser gefallen. Für uns ging die Fahrt dann noch weiter mit dem Zug nach Aleman und von dort per Bus nach Aubonne. Wir hatten riesiges Glück, dass wir trotz all der Umstiege die Anschlüsse alle bekamen, denn unsere Servasgastgeberin erwartete uns an der Bushaltestelle. Leider begann es pünktlich bei Ankunft zu regnen. Zum Glück wohnten unsere Gastgeber nicht weit von der Haltestelle, denn aus dem Regen wurde heftiger Hagel. Wir wohnten bei einem schweizerisch- schottischen Paar. Er war 72 und aus Schottland, sie 65 und Schweizerin. Wir unterhielten uns auf Englisch, obwohl wir in der französischen Schweiz waren, aber mit Englisch alle einen gemeinsamen Nenner hatten. Unsere Gastgeberin schien bei ihren Reisen mit anderen Hospitility Organisationen und mit Reisenden schon mehrfach schlechte Erfahrungen gemacht zu haben und stand unserem Besuch kritisch und mit Vorsicht gegenüber. Wir kamen aber gut klar und bemühten uns sehr, ganz angenehme Gäste zu sein, um beiden auch positive Erfahrungen mit Servas zu verschaffen. Bisher hatten sie nur Gäste von anderen Organisationen gehabt, die wohl sehr fordernd waren und auch versuchten zu stehlen. Wir wurden zu leckerem Raclette eingeladen und unterhielten uns über Reisen und Politik in GB und der Schweiz. Beide zeigten ziemlich konservative Ansichten was Sozialsystem, Gewerkschaften und Zuwanderung anging. Am kommenden Tag wollten sie uns die Stadt Aubonne, die nur gut 3000 Einwohner, aber aufgrund ihres historischen Wertes Stadtrechte hatte, zeigen. Hoffentlich würde das Wetter mitspielen.

Donnerstag, 23.6.22 Servas Aubonne/ Ausflug Rolle

Am heutigen Tag zeigten uns unsere Gastgeber Silvianne und Edward mit ihrem absolut süßen und lieben Hund Chester ihre Umgebung. Nach dem Frühstück machten wir einen Spaziergang durch Aubonne. Gerade mal 230 m von ihrem Haus entfernt war ein Schloss, das heute eine Schule beherbergte. Bis vor ein paar Jahren befand sich ebenso ein Gefängnis in dem Gebäude und man konnte den Gefangenen von oberhalb bei der Gartenarbeit zusehen. Jetzt war es der Musiksaal der Schule . Es gab auch noch einen Waschplatz, wo die Leute in der Dorfmitte ihre Wäsche bis in die 60iger gewaschen haben, bevor es Waschmaschinen gab. Der Ort, der aufgrund seiner historischen Bedeutung und weil es eine Stadtmauer und ein Schloss gab Stadtrecht hatte, war wirklich sehr reizvoll und absolut gemütlich. Auch unsere Gastgeber wohnten in einem denkmalgeschützten Haus, das sich über vier Etagen ausdehnte. Nach Aubonne fuhren sie mit uns nach Rolle VD, einem Nachbarort am Genfer See mit einer sehr schönen Promenade mit Blumen und Spielplatz. Auch hier gab es ein mittelalterliches Schloss und einen Yachthafen, wo die Reichen ihre Boote stehen hatten, laut unseren Gastgebern meist nur zum Angeben, statt sie zu nutzen. Rolle hatte auch nette bunte Häuser mit farblich abgesetzten Fensterläden. Die Gegend hier war wirklich sehr schön und man konnte fast nach Frankreich hinüberspucken.

Zum Mittagessen gab es leckere Toasts mit Frischkäse und einer Mischung aus Gruyerkäse, Mehl, Tomaten und Gewürzen überbacken. Eigentlich wird statt Tomaten Wein genommen, aber Silvianne hatte es geändert weil sie dachte, wir nähmen auch zum Kochen keinen Alkohol. Es war sehr lecker. Nachmittags fuhren sie mit uns noch zu einem Park, den Migros, der größte Markt in der Schweiz, der Bevölkerung spendiert hatte. Er hatte einen Kletterpark, Tiere, Sportanlagen, große Rasengebiete, Spielplatz und ähnliches. Dort erwischte uns ein Regenguss. Wir fuhren zu einem Einkaufscenter, wo wir unsere Gastgeber im Restaurant zu Kaffee und Kuchen einluden. Wieder zuhause zeigte uns Silviane Bilder, die sie gemalt hatte. Sie waren wirklich beeindruckend. Sie hatte einen dreiwöchigen Kurs zu einer bestimmten Technik gemacht und ihre Bilder waren wirklich gut. Sie hatte darüber hinaus ein Händchen für Handarbeiten und überall hingen gestickte Bilder. Zum Abendessen gab es vegetarische Paella und wir waren wirklich begeistert von ihren Kochkünsten. Am kommenden Morgen würden wir weiterfahren nach Dijon in Frankreich und zurückkehren in unser kleines Zelt. Ich hoffte, dass es dort nicht solche Regengüsse gab, wie wir sie in den letzten zwei Tagen erlebt hatten. Immerhin hatten wir aber den Großteil des Tages in herrlicher Sonne verbracht.

Frankreich I

Freitag, 24.6.22 Fahrt nach Dijon

Am Morgen mussten wir uns von unseren Gastgebern verabschieden. Entgegen unseres ersten Eindrucks, stellten sie sich als sehr nett heraus. Wir frühstückten gemütlich gemeinsam und Silviane rief für uns beim Campingplatz an und bestätigte noch einmal unsere Ankunft. Diese dämliche Erfindung von Rückbestätigungen waren wirklich nervig, besonders wenn man keine Telefonkarte hatte und die Sprache nicht sprach. Beide plus Hund brachten uns mit dem Auto nach Allaman, damit wir für den Postbus nicht noch zahlen mussten. Das war wirklich total nett, sowie auch die ganzen Unternehmungen am Vortag, die sie mit uns gemacht hatten. Vielleicht konnten wir auch Edward davon überzeugen, dass es nett sein kann, Servasgäste aufzunehmen und zu Gastgebern zu reisen. Durch miese Erfahrungen mit Gästen anderer Gastgeberorganisationen wie Hospitility.com, wo Gäste statt alleine gleich zu viert auftauchten, sich haushalten ließen und auch noch um Geld baten und Gäste sich an ihrer Geldbörse vergriffen und im Haus herumschnüffelten, war Edward ganz gegen Gastgeberorganisationen eingestellt und auch nicht Servasmitglied. Er hatte aber am Vorabend ebenfalls sichtlich Spaß und Interesse am Austausch und an gemeinsamen Unternehmungen gehabt.

Wir fuhren als erstes nach Lyon und lernten gleich, dass in bzw. nach Frankreich mit einem größeren Aufkommen von Reisenden zu rechnen war und das auch in der ersten Klasse. Wir waren rechtzeitig vor Abfahrt am Bahnsteig, aber der Zug stand schon dort und wir bekamen nur deshalb Plätze nebeneinander, weil ich eine Familie gebeten habe, den Platz zu tauschen. In Lyon auf dem Bahnhof war es wuselig wie im Wespennest. Auch hier wurden anscheinend Flüchtlinge aus der Ukraine erwartet, denn Leute vom Roten Kreuz standen schon mit Schildern mit ukrainischer Flagge bereit. Wir hatten eine Stunde Aufenthalt und suchten erstmal einen Weg raus aus dem Bahnhof und dem Gedränge. Draußen bekamen wir einen Anruf aus Deutschland und damit war unsere Zeit für die Erkundung der Umgebung dahin. Wir gingen bereits 30 Min vor Abfahrt zum Bahnsteig, mussten auch durch eine Zollkontrolle, wurden aber nicht kontrolliert. Auch dieser Zug war gut belegt. Beide Züge, weder der RE noch der TER waren besonders gut. Beim RE hatten wir wenigstens noch eine Steckdose, um unsere Handys zu laden, aber das hatte der TER noch nicht mal. Er sah ehr aus wie ein in die Jahre gekommener Intercity mit Gardinen. Zwei weitere Stunden Zugfahrt standen uns bevor, aber nach kurzer Zeit waren wir über die französische Grenze und konnten endlich wieder online gehen und uns die Zeit mit Spanischlernen verkürzen, solange wir nicht durch die Pampa fuhren und kein Netz hatten. Als wir in Dijon aus dem Zug stiegen, fing es an zu regnen, erst etwas, dann wurde es immer stärker, sodass wir uns unter ein Bushäuschen flüchteten. Als der Regen nachließ, stellten wir fest, dass wir nur noch ein paar Schritte vom Campingplatz entfernt waren. Er war hübscher, mit von Hecken umgebenen Parzellen, wo unser Zeltchen fast verloren wirkte. Hier wäre ich gerne mit Womi gewesen! Wir nutzten ein Regenloch zum Zeltaufbau und gönnten uns bei der Rezeption einen Kaffee, da der Platz noch ca.10€ billiger war als gedacht. Wir hatten mit Strom gebucht, aber wir konnten mit den großen Steckdosen für Wohnmobile ja gar nichts anfangen. Handys würden wir wohl beim Spülen im Waschraum laden müssen. Was wirklich dämlich war, war, dass man eigenes Klopapier mitbringen musste. Wir kauften stattdessen Tempos, denn wir brauchten weder 4 Rollen noch wollten wir dafür 3-6€ zahlen. Wo sollten wir denn damit hin? Wir eilten zum Supermarkt und schlüpften in den letzten Minuten hinein. Mit unserem Einkauf wartete ich in einem netten Park auf dem Weg zum Campingplatz, während Stefan Kochgeschirr und Kocher besorgte. Hier konnten wir uns gemütlich auf Bänke an Tischen setzen, statt vorm Zelt auf dem nassen Rasen hocken zu müssen. Wir machten noch einen kleinen Spaziergang, bevor es ins Bett ging.

Samstag, 25.6.22 Dijon

Nachts hatte es geregnet, dementsprechend war unser Zelt am Morgen nass. Von außen vom Regen, von innen von hoher Luftfeuchtigkeit. Mein einziges Verlangen war nur noch ein Waschsalon mit Trockner, denn Handwäsche zu trocknen erschien nahezu unmöglich. Nach dem Frühstück, das wir auf Stefans Regencape vor dem Zelt einnahmen, wanderten wir los. Wir gingen entlang der L’Ouche, einem Fluss mit Staustufe, der in den Lac neben unserem Campingplatz floss. Dort wurde ein netter Strand angelegt. Wir gingen aber heute in die andere Richtung, auf der Promenade zur Stadt. Es war ein netter Weg, bewaldet, mit Sportgeräten, Spielplätzen und Bänken. Mit einem Torbogen, wieder einer Miniversion des Arc der Triumph, empfing uns die Stadt. Von Anfang an waren wir begeistert. Schöne alte Gebäude, viele kleine und besondere Lädchen, häufig mit Spezialitäten der Region wie Senf und Wein. Die leckersten Sachen in den Patisserien wie Törtchen und Maccarons. Durch Zufall standen wir auch plötzlich vor der schönen alten Markthalle, in der an zahlreichen Ständen alles was Landwirtschaft und Fischerei zu bieten hatte, angeboten wurde und auch die Möglichkeit zum Weintrinken und Essen geboten wurde. Draußen vor der Halle wurden an ein paar Ständen ebenfalls Obst und Gemüse verkauft, was wohl nicht mehr den höchsten Ansprüchen gerecht wurde. Unser Pfund Kirschen war aber hervorragend und kostete nur einen Bruchteil von dem Preis in der Halle. Nicht weit von der Markthalle entfernt, fanden wir unsere Levanderie. Wir steckten unsere Wäsche in die Maschine und nutzten die Zeit dazu, uns die Kathedrale Notre Dame von innen anzusehen. Leider wussten wir zu der Zeit noch nicht, dass die Eule von Dijon (Chouette der Dijon) an der Außenfassade angeblich beim Streicheln Wünsche erfüllt. Ich hätte mir gutes Wetter gewünscht. Den ganzen Tag war es super, aber abends, als ich diese Erlebnisse niederschrieb, regnete es in Strömen und gewitterte. Wir saßen unter einem Pavillondach bei der Rezeption des Campingplatzes und hofften, dass es bald aufhörte und wir ins – hoffentlich von innen noch trockene – Zelt könnten.

Zurück zur Stadterkundung: Wir kauften uns Eis und Cappuccino während unsere Wäsche im Trockner herumwirbelte und genossen beides im Park beim Palais des Dukes, dem Herzogenpalast, Stefan das Eis, ich den Kaffee. Ich kaufte mir im 2€ Shop eine Alutrinkflasche, damit wir nicht immer mit 2l Plastikflasche rumlaufen mussten. Durch den Botanischen Garten wanderten wir zurück zum Campingplatz. Ich fragte an der Rezeption, ob ich dort mein Handy an der Steckdose im Wartebereich laden dürfte, aber das wurde mir versagt. Also stellte ich mich mit unseren beiden Smartphones in den Wasch- und Spülraum und verbrachte dort mindesten 20 Minuten wartend bei den Geräten neben einer Steckdose. Was für eine blöde Situation! Die hätten doch z.B. so ein Laderegal mit Schließfächern aufstellen können, wie man es manchmal in Städten oder bei Geschäften findet. Es wäre ja ok dafür zu zahlen, aber diese Warterei im Waschhaus war total blöd. Man konnte noch nicht mal duschen oder auf Toilette gehen, weil man dann die Geräte nicht im Blick hatte. Stefan kochte derweil und wir setzten uns vorne unter das Pavillondach zum Essen. Der Imbiss hatte sowieso an dem Tag geschlossen, also konnte keiner meckern. Während des Essens deutete sich schon ein Wetterwechsel an und es begann heftig zu regnen. Ich verzog mich wieder in den Waschraum , weil es dort wärmer war und ich weiter Strom nutzen konnte. Stefan harrte unter dem Pavillondach aus. Wir hofften und warteten auf ein Regenende oder wenigstens eine Pause, sonst hätten wir uns auswringen können wenn wir beim Zelt ankamen. Hoffentlich würde es morgen früh nicht beim Abbau regnen. Das wäre ein Supergau, denn noch war keine feste Unterkunft in Sicht. Erst hatten wir noch zwei weitere Nächte in Amiens im Zelt vor uns. Dort sollte es aber laut Webseite einen Aufenthaltsraum geben. Wir würden sehen.

Sonntag, 26.6.22 Fahrt nach Amiens

Die Nacht war Horror pur. Zum Glück hatte es nicht die Nacht hindurch gewittert, sonst wäre ich wohl im Waschhäuschen angewachsen. Ich hätte mich nicht ins Zelt getraut, denn es krachte ordentlich und wir konnten in unserem Zelt keine der Regeln befolgen, die wir für Gewitter im Zelt im Internet fanden. Wir konnten definitiv nicht nebeneinander hocken mit geschlossenen Füßen ohne uns zu berühren! Wir stießen ja schon ans Dach, wenn wir mit angezogenen Beinen auf der Luftmatratze und die Daunenschlafsäcke auf uns lagen! Es wäre also von all den Ratschlägen nur der vernünftigste übriggeblieben, nämlich in einem festen Gebäude Schutz zu suchen. Das wäre das Wasch-/Toilettenhaus gewesen. Dann hätte uns auch von oben kein Ast treffen und auch keine reißende, plötzlich sich bildende Überschwemmung wegspülen können. Da es aber aufhörte zu gewittern und „nur“ noch goss, rannte ich bei einer schwächer werdenden Phase zurück zum Zelt. Nun lagen wir möglichst platt auf unseren Matten und versuchten zu schlafen. Mitten in der Nacht musste ich so dringend auf Toilette, dass ich mit mir kämpfte, ob ich in eine unserer Plastikdosen pinkeln oder es wagen sollte, klitschnass und dreckig zurück ins Zelt zu kommen. Letztendlich meisterte ich es ganz gut mit Schirm, konnte dann aber stundenlang nicht einschlafen. Völlig übermüdet begannen wir am Morgen schon vor 7 Uhr zusammenzupacken. Da das im engen und nassen Zelt unmöglich zu zweit ging, packte ich alles Mögliche in meinen Rucksack und lief mit Schirm zum Waschhaus. Stefan packte den Rest und brachte mir etappenweise Sachen. Er hatte seinen Regenponcho an und baute dann zuletzt auch noch das Zelt ab. Alles was klatschnass war, mussten wir außen an den Rucksäcken befestigen. Ich hatte außer meiner Regenjacke, die ich um meinen Schlafsack wickelte, damit er noch geschützter war, noch einen 1€ Poncho mit, und der passte auch über meinen Rucksack. Wir gingen eigentlich viel zu früh los zum Bahnhof, aber es war mal einigermaßen trocken und wir brauchten nicht zu hetzen. Unser TER 17756 war wieder eine heruntergekommene Plüschschaukel mit Abteilen und Gardinen, dafür keinen Strom. Wir waren zu fünft im Abteil, also war 3 Stunden Maskentragen nötig bis Paris Bercy. Es war nicht verpflichtend, aber wir wollten nicht riskieren, unseren Interrailtrip wegen Corona abbrechen zu müssen. Dann fand der blödsinnige Bahnhofswechsel statt. Wir hatten gut eine Stunde Zeit für den Umstieg und mussten mit zwei Metros zum Gare du Nord am anderen Ende der Stadt. Dieses Procedere wäre uns auch nicht erspart geblieben, hätten wir den teureren und schnelleren TGV genommen. Wir standen erstmal in langen Schlangen vor Ticketautomaten bzw. einem Schalter, um Fahrscheine für die Metro zu kaufen, die nicht vom Interrailticket abgedeckt wurde. Wir fanden recht schnell die richtigen zwei Züge, die immer schon einfuhren als wir kamen. In Gare du Nord angekommen folgten wir den Piktogrammen für Züge, gingen durch die Metroschranke, und…saßen fest! Wir sahen hinter den automatischen Ticketschranken Züge auf den Gleisen stehen, kamen aber nicht dorthin, weil wir anscheinend einen falschen Ausgang mit unseren Metrotickets genommen hatten und sie nun nicht mehr funktionierten. Die Zeit wurde knapp, wir fuhren Rolltreppe auf und ab, aber wir waren gefangen. Wir suchten Personal, aber der Infoschalter war nicht besetzt. Nach einiger Suche sahen wir vier SNCF Mitarbeiter zusammenstehen und quatschen. Wir fragten, schon merklich genervt, wie wir nun zu unserem Zug kämen. Man wies uns auf eine Aufzug hin. Im zweiten Untergeschoss wäre ein Schalter besetzt, und man könne uns durchlassen. Wir liefen zum Aufzug, aber er war außer Betrieb. Jetzt waren wir echt sauer und bestanden bei den 4 Mitarbeiter*innen mit der super Servicehaltung darauf, uns zu begleiten, damit wir schnellstens zu unserm Zug kämen. Genervt brachte uns eine zu einem anderen Aufzug, und wir wurden aus dem Gewirr der Schranken entlassen. Nun mussten wir unseren Zug finden. Wir orientierten uns auf der elektronischen Anzeige an der Abfahrtszeit, da wir den Endbahnhof unseres Zuges nicht wussten. Der Zug, den wir fanden, war aber ein Vorortzug und wir mussten zu den Gleisen für Fernzüge. Endlich erklärte uns mal ein Schaffner, wie wir dorthin kämen und dass der Endbahnhof unseres Zuges Calais wäre. Wir schafften es gerade noch pünktlich und fanden gute Plätze mit Tisch in einem modernen Großraumabteil des TER 16368 in der zweiten Klasse, da er keine erste Klasse führte. Wir fuhren angenehm bis Amiens. Laut Internet sollte die Stadt nett sein, ein weiterer Grund, sie zu wählen, war für mich jedoch, dass sie ohne TGV in erträglicher Zeit erreichbar und es von hier nur noch eine kurze Fahrt nach Boulogne Sur Mer war, wo wir uns am übernächsten Tag mit unseren amerikanischen Freunden Luis und Janine treffen und sie mit fertigem Abendessen begrüßen wollten und natürlich, dass es einen bezahlbaren und mit dem Bus vom Bahnhof erreichbaren Campingplatz gab. Letzteres erwies sich dann als nur zum Teil richtig: die Busse fuhren, aber nicht am Sonntag! Da es keinen Sinn machte, bei der Unterkunft zu sparen und dann mit dem Taxi hinzufahren, mussten wir also die gut 5 km mit unserem Gepäck zu Fuß hinter uns bringen. Stefan nahm mir noch etwas Gewicht ab, aber ich war danach dennoch kaputt. Meine Knie mochten es gar nicht, wenn sie außer mich auch noch Gepäck zu schleppen hatten, besonders nicht, wenn sie tags zuvor viele Kilometer gelaufen waren und ich außerdem auch ziemlich übermüdet war. Zum Glück war das Wetter hier bisher gut und wir hatten einen schönen Wiesenplatz nahe der Rezeption. Hier gab es auch Tische und Bänke draußen und einen tollen Aufenthaltsraum mit Heizung, Fernseher und Mikrowelle, der Tag und Nacht geöffnet war. So etwas hätten wir die Nacht zuvor gebraucht! Amiens hatte uns auf den ersten Blick nicht so sehr gefallen, aber der Weg zum Campingplatz ging immer an einem Fluss entlang, an Gemeinschaftsgärten und einem Grüngebiet vorbei, also einer guten Joggingstrecke für Stefan.

Montag, 27.6.22 Amiens

Ich musste meine Meinung über Amiens revidieren. Die Stadt hatte eine sehr beeindruckende Kathedrale, die natürlich auch wieder Notre Dame hieß und Straßenzüge in der Innenstadt, die an Amsterdam erinnerten. Es floss die Somme durch die Stadt und bildete Verästelungen, an denen nette fotogene Häuschen standen und Bars und Restaurants, die zum Verweilen einluden. Stefan hatte diese Ecke bereits am Morgen beim Joggen entdeckt. Nach einem ausgiebigen Frühstück und noch etwas Relaxen mit Spanisch lernen in unserem tollen Aufenthaltsraum mit Wasserkocher, Herd etc. und richtigem Tisch, machten wir uns gemeinsam mit dem Bus auf den Weg ins Zentrum. Es war zwar bequemer zu fahren, aber für die ca. 5km in die Innenstadt benötigte der Bus 50 Minuten. Das hätten wir zu Fuß fast gleichschnell geschafft. Kurz nachdem wir ausgestiegen, aber noch nicht bei der Kathedrale waren, verwandelte sich die Sonne in einen heftigen Regenguss. Eigentlich waren wir extra spät losgefahren, weil ab Mittag kein Regen mehr angesagt war, aber das wusste der Himmel wohl nicht. Wir quetschten uns zwar in einen Hauseingang, aber unsere komplette Vorderseite wurde bis auf die Haut nass. Als der Regen nachließ, rannten wir zur Kathedrale. Da war es trocken, aber uns war kalt in den nassen Klamotten. Wir begaben uns in der Hoffnung auf Händetrockner in die Toiletten der Touristinfo. Leider gab es dort nur Papierhandtücher, aber die taten auch ihren Dienst. Nach einigem Abreiben und noch etwas Sonne draußen war unsere Outdoor-Kleidung wieder trocken, das war schon wirklich super gut. Wir schlenderten durch die hübschen Gassen und begaben uns auf die Suche nach etwas zu essen. Nach dem Essen suchten wir die Bushaltestelle für den Bus zurück, fanden aber dann heraus, dass wir auch zwei Stationen mit einem Zug fahren konnten und dann 2 km zurücklaufen zum Campingplatz. Das dauerte auch nicht länger als mit dem Bus, und mit dem Zug konnten wir kostenlos fahren. Inzwischen hatten wir schönsten Sonnenschein und so genossen wir den Abend auf der Terrasse des Campingplatzes. Wir freuten uns darauf, am kommenden Tag nach Boulogne Sur Mer zu fahren und endlich unsere Freunde wiederzusehen. Für eine Woche im Apartment zu wohnen, war ebenfalls eine schöne Aussicht, obwohl wir die letzte Nacht in unserem Zelt geschlafen hatten wie die Murmeltiere. Nach der durchwachten Nacht davor war das aber auch kein Wunder.

https://youtu.be/f4tIPrveFK4

England

England

https://youtu.be/t3m-sh_wdPg

London

London

Schweiz I

Sch

Italien

Heute startet unsere Reise in den Süden, nach Italien. Hört man die Corona – Nachrichten, kann einem Angst und bange werden. Hoffentlich geht es uns in Italien nicht wie den Reisenden in Portugal und wir müssen wegen der D-Variante des Coronaviruses wieder vorzeitig zurück nach Deutschland oder 14Tage in Quarantäne.
Wir kommen bis Golling an der Salzach. Unterwegs machen wir einen Spaziergang im Naturschutzgebiet Eggstätt-Hemhofer Seenplatte, kurz vor dem Chiemsee. Eine sehr schöne Ecke, da müssen wir nochmal länger hin. Stefan ist früher dort als Jugendlicher mit seinem Bruder Paddelboot gefahren, was heute natürlich nicht mehr möglich ist. Umweltschutz und Lebenslust passen leider nicht immer gut zusammen 🤷‍♀️.
An der Grenze werden auch wir nicht kontrolliert .In Golling laufen wir etwas durch den Ort, bis uns der Regen überrascht. Wir entscheiden uns, in eine Gaststätte zu gehen und das Europapokalspiel gegen England anzusehen, was die deutsche Mannschaft leider verdient verliert. Da dürfen sie nun mit ihren Fans schon wieder nach Hause fahren und hoffentlich nicht zuviele Coronaviren mit D-Variante mitbringen. Ich finde das ziemlich unverantwortlich, die Zuschauerränge so zu füllen und dann noch nicht mal mit Masken, obwohl da alle rumbrüllen und sich in die Arme nehmen. Abstand? – das war gestern😡.

30.6.21

Stefan hat letzte Nacht schlecht geschlafen, weil mal wieder ein Wasserrohrbruch in Bielefeld uns erreichte. Folge: er ist heute ziemlich müde und dementsprechend langsam kommen wir nach Italien, aber wir sind ja auch nicht auf der Flucht. Kurz nach der Grenze entscheiden wir uns, an einem kleinen Rastplatz an der Landstraße zu halten und im Imbiss Pommes Frites zu bestellen. Was wir bekommen, ist eine Art Bratkartoffel mit körnigem Salz. Es schmeckt gut, aber satt macht die kleine Portion nicht. Danach steuern wir die Schlucht Orrido Dello Slizza an, die ich zu Hause bereits bei Google gefunden hatte. Wir unternehmen eine wunderschöne, nur 4km lange Wanderung, die wie durch eine Klamm führt. Traumhaft!
Danach machen wir uns auf die Suche nach einem Nachtplatz und wählen einen Parkplatz ganz in der Nähe, weil es extrem beginnt zu stürmen und ein Gewitter aufzieht. Nach einer Weile war aber glücklicherweise alles wieder ruhig.

1.7.21

Den Tag verbringen wir heute in Udine. Ich hoffe, etwas vom Far East Film Festival mitzubekommen, was hier über mehrere Tage läuft, aber wir können nur an mehreren Stellen in der Stadt Leinwände und Stuhlreihen sehen. Man muss Tickets vorher buchen und ich befürchte, wir verstehen eh nichts. Es war auch ein passender Markt angekündigt, der war aber wohl nur an einem Tag im Juni und Workshops sind sicher in Italienisch und zu Coronazeiten vielleicht auch noch keine gute Idee. Es ist dennoch nett, die Innenstadt zu erkunden mit ihren vielen Cafés, alten Häusern und Plätzen mit italienischem Flair. Weiter südöstlich machen finden wir einen wunderschönen Übernachtungsplatz 😍. Hoch über Cormóns ist ein Wanderparkplatz mit 4 Plätzen für Wohnmobile, kostenlos inklusive Entsorgung und Frischwasser, nur der Strom funktioniert nicht, aber das ist egal. Wir duschen gleich unterm Wasserschlauch, um Schweiß und Sonnencreme loszuwerden. Natürlich über dem Grauwasserabfluss. Von hier kann man zum Castello hochlaufen und hat einen Blick bis zur Adria und den Alpen. Traumhaft! Ein rundum gelungener Tag!

2.7.21

Die letzte Nacht war, zumindest bis 24Uhr, nicht so ruhig, wie an dem idyllischen Ort erwartet. Gegen 22:30Uhr rückte die Feuerwehr an, parkte uns ein und begann einen Baum soweit zurechtzusägen, dass er nicht mehr auf der Stromleitung lag. Deshalb hatte der Stromkasten also keinen Strom für uns und die Laternen blieben dunkel! Danach konnte ich erst eine ganze Weile nicht einschlafen und heute Morgen bin ich kaputt, was auch die 30⁰ gegen 11Uhr nicht besser machen. Wir fahren weiter zum Riserva Naturale regionale Valle Cavanata. Es liegt an einer Lagune auf dem Weg nach Grado und es soll Flamingos dort geben. Wir entdecken zwar Kormorane und andere Vögel dort, aber Flamingos lassen sich leider nicht blicken. Weiter führt uns der Weg nach Grado, vor dessen Toren wir das Womi auf einem großen Parkplatz abstellen und mit den Rädern reinfahren. Die Lage in der Lagune mit mehreren Wasserarmen ist toll, und der Jachthafen mit den teuren weißen Jachten, die sich von dem Blau des Wassers abheben, und dahinter schöne alte Villen, wirkt sehr fotogen. Darüber hinaus ist uns der Ort zu mondän und auch touristisch. Wir haben viel mehr Natur erwartet, nicht teure Geschäfte und Restaurants und Bezahl-Strand. Wir fahren weiter und verlassen die Lagune wieder Richtung Aquileia, wo wir es gerade noch schaffen, in der Basilika das erste frühchristliche Mosaik aus dem 4.Jahrhudert zu besichtigen. Wir übernachten in Palazzolo Dello Stella auf einem kleinen kostenlosen Stellplatz, der zwar Strom hat, aber dafür braucht man Jetons. Weiss der Himmel, wo man die bekommt, es geht auch ohne Strom.

3.7.21
Nach einer schrecklich heißen und stickigen Nacht, in der ich kaum geschlafen habe, sind wir heute Morgen ins Landesinnere zur Quelle von Gorgazo gefahren. In wunderschönem türkisblauen Wasser bietet ein Tauchverein dort Höhlentauchen an. Das machen wir nicht, sondern wandern den Wanderweg nach Mezzomonte. Als wir im Ort ankommen, bin ich völlig fertig. Hitze und 420 Höhenmeter auf 2,5km Strecke waren grenzwertig für mich, besonders weil manche Schritte so hoch waren, dass ich sie nur mit Stefans Hilfe bewältigen konnte. Im Ort laben wir uns in einer Bar an erfrischend kaltem Mineralwasser. Der Rückweg ist dann nur noch bergab über 5km. Unsere Idee, uns danach in einem Badesee abkühlen zu können, ist leider nicht durchführbar. Der erste ist nur zum Angeln und der zweite privat in Besitz eines Kanuvereins. Dort übernachten wir dann zumindest. Zum Abend machen wir noch einen Abstecher nach Pordenone, einem lebhaften und ganz netten Städtchen. Es ist Samstagabend und von Corona spürt man nicht mehr allzuviel. Alle Bars und Restaurants sind auf den Außenterrassen voll belegt. Es ist allerdings eine recht hohe Polizeipräsenz in der Geschäfts- und Gastromeile und ein paar Leute, wie auch wir, tragen wenn es zu eng wird, Masken auch draußen..

4.7.21
Wir besuchen ein sehr schönes Naturreservat, das Canal Novo Valley Nature Reserve in der Laguna di Marano. Nett angelegt mit Wegen, Brücken und Beobachtungsturm können wir zahlreiche Vögel und Wasserschildkrötenchildkröten beobachten und fotografieren. Danach schlendern wir noch durch das kleine Örtchen mit Hafen, in dem zig Boote ankern, bevor wir uns auf den Weg zu unserem Nachtstellplatz begeben. Unterwegs bekommen wir so großen Hunger, dass wir uns eine Pizza zu Mitnehmen kaufen, weil wir nicht noch 1 1/2Stunden bis zur abendlichen Öffnung der richtigen Pizzerien warten wollen. Wir fahren nach Brussa, rund 90km vor Venedig an der Küste. Hier soll es laut Park4Night eine Übernachtungsmöglichkeit geben. Wir treffen auf ein Restaurant, wo uns, als wir kommen, laute Musik entgegenschallt und eine große Wiese mit vielen abgeteilten Parzellen, auf denen Camper, Boote etc. über Nacht kostenlos stehen können. Ich habe erst einen Fluchtreflex wegen der lauten Musik, aber dann beginnt es zu regnen und alle Restaurantgäste flüchten. Danach machen uns die immer größer werdenden Pfützen Sorgen. Hoffentlich schwimmen wir nicht über Nacht weg!

5.7.21
Gestern Abend haben wir noch unser Womi umgeparkt, weil wir befürchteten, wegzuschwimmen. Letzte Nacht hat es gegossen und heute Morgen ist überall Matsch um uns herum. Nach dem Frühstück machen wir uns erstmal wieder auf aufs Festland, um Abwasser, Toilette etc zu leeren und zu tanken, dann geht die Fahrt auf die nächste Landzunge nach Lido di Jesolo, einem bekannten Touristenort. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dort war ich in meinen zweiten Semesterferien mit meiner Freundin und ihren Eltern. Wir hatten getrennte Apartments, durften uns aber auch mal ihr Auto ausleihen und kamen mit ihnen kostenlos nach Italien, mussten nur unsere Unterkunft zahlen. Stefan und ich baden in diesem Urlaub hier das erste Mal in Italien. Der öffentliche Strand ist ziemlich eingeklemmt zwischen Hotelstränden und nirgends gibt es Schatten. Man darf noch nicht mal selber einen Sonnenschirm aufstellen. Die Einheimischen wollen halt ihre Liegen mit Schirm vermieten. Uns reicht aber eine kurze Abkühlung, wir brauchen keinen Tag am Strand. Abends fahren wir nach Punta Sabioni, von wo Boote und Wassertaxis nach Venedig fahren. Wir kaufen uns je einen Tagespass für 20€ für morgen und werden nicht nur Venedig, sondern auch Burano und vielleicht noch eine weitere Insel besuchen. Wir waren beide schon vor vielen Jahren in Venedig, allerdings bevor wir uns kennenlernten. Nachdem wir die Tickets in der Tasche haben, suchen wir unser Nachtquartier auf. Auf der gegenüberliegenden Seite der Landzunge sind an einer ruhigen Straße mehrere Stellplätze entlang der Straße ausgewiesen. Schön schattig und 250m vom richtig schönen Strand. Die Adria ist hier ganz lange flach, also richtig was für mich und das Wasser ist richtig warm. Wir erleben eine super schöne Abendstimmung und die Außentemperatur ist wirklich angenehm. Zum Abendessen zaubert Stefan ganz unitalienisch Käsespätzle im Womi😂

6.7.21
Wir starten frühmorgens unsere Tour und starten mit Burano, einer Insel, die berühmt ist für ihre vielen bunten Häuser. Es ist dort wirklich traumhaft schön. Alle Häuser leuchten in bunten Farben und man kann entspannt durch die Gassen schlendern oder in den zahlreichen Bars einen Cappuccino oder Espresso genießen. Wir sind gleich mit dem ersten Boot gefahren, daher war es auch noch recht ruhig dort. Ich kann mir vorstellen, dass es später am Tag und im August, wenn in Italien die absolute Hochsaison ist, brechend voll wird. Vielleicht ist es auch noch so ruhig, weil wegen Corona noch nicht soviele Menschen reisen. Von Burano nehmen wir ein Wassertaxi nach Murano, der Insel der Glasbläsereien. Auch hier gefällt es uns sehr und wir können in zahlreichen Lädchen die Glaskunst bewundern. Vieles ist nicht unser Geschmack, besonders die bunten Kronleuchter, aber ein paar Dinge täten uns aber schon gefallen. Leider kosten die Gläser, die wir schön faiden, 60€ das Stück, das sind sie uns dann doch nicht wert. Darüberhinaus dürfen wir unser Womi auch nicht überladen. Zuletzt geht die Fahrt dann nach Venedig. Die Stadt ist wirklich zum Verlieben. Wir lassen uns rund 6 Stunden durch die Gassen treiben bis unsere Füße platt sind. Zwischendurch ruhen wir uns bei Cappuccino und Panini aus und beobachten die vorbeiziehen Menschen und die Gondelieri. Im Licht der untergehenden Sonne fahren wir zurück zum Hafen Punta Sabioni. Ein wundervoller Tag geht dem Ende zu. Wenn jetzt nicht während unserer Abwesenheit das Womi ausgeräumt oder geklaut wurde und auch unsere Räder noch am Hafen stehen, könnte er nicht besser gewesen sein. Die Räder stehen noch da, wo wir sie abgeschlossen haben und auch unser Womi ist noch an Ort und Stelle und niemand ist eingebrochen. Wir fahren noch kurz mit den Rädern zum Strand, um zu duschen und den Tag erfrischt abzuschließen.

7.7.21
Heute Morgen verlassen wir das Meer wieder und fahren ins Inland nach Treviso. Es ist bereits am Wasser um die 30Grad, aber umso weiter wir ins Inland kommen, umso heißer weht der Fahrtwind uns um die Ohren. Als wir gegen Mittag auf unserem geplanten Übernachtungsplatz in Treviso ankommen, zeigt das Thermometer für draußen 32,2Grad und im Womi haben wir satte 36,8Grad. Noch dazu müssen wir eng zwischen zwei italienischen Wohnmobilen parken, sodass die geöffneten Fenster sich fast berühren. Wir flüchten für die kommende Stunde in einen Waschsalon um die Ecke, ein wesentlicher Grund, warum wir gerade diesen Stellplatz als genial angesehen haben. Im Waschsalon ist es schön kühl Dank Ventilatoren und Air condition. Für 8Euro bekommen wir 7,5kg Wäsche wieder sauber und trocken. Als wir uns danach etwas mit unseren Campingstühlen hinters Womi setzen, ist es drinnen 38Grad und wir stellen fest, dass die Grünfläche hinter den Fahrzeugen wohl als Urinal benutzt wird. Es müffelt wie ein öffentliches Klo. Wir bleiben dennoch für eine Weile in dem bisschen Schatten, den das Womi und der Baum spendet, sitzen. Die Sonne steht so hoch, dass sie trotz Baum voll auf die Fahrzeuge prallt. Am Spätnachmittag machen wir uns zur Stadterkundung auf. Durch ein schönes altes Tor betreten wir die Altstadt, die sich besonders durch ihre vielen Arkaden auszeichnet. Die sind natürlich sowohl bei Hitze, als auch bei Regen Gold wert, weil sie die Passanten vor Nässe schützen und Schatten spenden. Unter den Arkaden befaiden sich zahlreiche Boutiquen und Schuhläden italienischen Styles. Daneben natürlich Bars und Restaurants und selbstverständlich Kirchen. Auffallend sind die zahlreichen Wasserräder. Man kann sagen, es ist ein typisches, mit rund 80000Ew. mittelgroßes, italienisches Städtchen. Als wir zum Parkplatz zurückkommen und die Sonne noch immer erbarmungslos auf unser Zuhause herunterprallt, entscheiden wir uns, noch an diesem Abend zu unserem geplanten nächsten Ziel in die gebirgige Landschaft süd-westlich von Padua, in den Regionalpark Collu Euganei zu fahren. Nach endlosem Stadtverkehr kommen wir auf die steile Passstraße, die sich kurvig auf den Roccolopass hochwinded. So richtig gut bekommt das unserem Womi, dass ja bereits heiß durch die Hitze ist, nicht. Es macht zum Schluss ein komisches Geräusch. Hoffen wir, dass es sich morgen nach einer Abkühlung in der Nacht, wieder erholt hat. Hier oben sind es jetzt um 22Uhr immerhin noch 27Grad draußen und 28 innen. Na, das verspricht ja mal wieder eine anstrengende Nacht zu werden🙄

8.7.21
Die letzte Nacht hier oben in der Natur des Regionalparks war um vieles besser als sie hätte in Treviso sein können. Wir sind über 300m höher und stehen im Schatten unter Bäumen. Hier wagte ich es auch, meine Alkovenfenster die ganze Nacht geöffnet zu lassen, sodass immer eine ganz leichte Brise das Klima erheblich verbesserte. Außer meine zahlreichen Mückenstiche und unsinnigem Glockengeläut vom Tal nachts um 3:30Uhr und gegen 4:15Uhr, was mich trotz der Entfernung aus dem Schlaf riss, konnte ich mal richtig gut schlafen. Was das Gebimmel zu sollch merkwürdigen Zeiten sollte, ist mir völlig unklar. Es waren keine Schläge, die die Uhrzeit anzeigten. Den Morgen verbringen wir mit einer recht unspektakulären, 6km langen Wandertour mit einigen Höhenmetern, die aber erfreulicherweise komplett im Schatten von Bäumen verlief. Der Weg zurück zur Küste erweist sich als sehr aufregend. Bei einer Haarnadelkurve, bei der Stefan nicht in einem Zug rumkonnt und am Hang nochmal zurücksetzen muss, sehe ich uns schon den Abhang hinunterstürzen! Danach ist eine Straße so eng, dass kaum zwei Autos aneinander vorbeikommen. Heute wird so richtig sein fahrerisches Geschick verlangt. Wir sind jetzt in Chioggia, das wie Venedig auf einer Halbinsel liegt und Kanäle und viele Brücken hat, aber nicht annähernd so schön ist. Es ist ganz nett, aber man sollte die Autos und Motorräder aus dem Ort heraushalten. So ist es zu lebhaft und laut. Die Nacht werden wir auf dem ersten kostenpflichtigen Stellplatz mit Strom verbringen, d.h. der Ventilator läuft jetzt auf vollen Touren und ich hoffe, wir bekommen es noch etwas kühler hier im Womi.

9.7.21
Der heutige Tag verläuft sehr konfus. Nach den ersten paar Kilometern wird unser Motor plötzlich heiß und das zu Beginn der Siesta. Wir parken in unserer Not in der Einfahrt eines Autogeschäfts, und es kommt natürlich auch gleich jemand raus. Er ist so nett und füllt unser Kühlwasser auf und meint, damit wäre unser Problem gelöst, ist es aber nicht, denn das Wasser ist ja zuvor ausgelaufen. Da alle Werkstätten Siesta machen, parken wir vor einer und fragen im Restaurant nebenan, wann dort wohl aufgemacht wird. Der Wirt spricht Deutsch, denn seine Frau ist Deutsche und wir können die zwei Stunden auf seiner Terrasse warten. Wir müssten noch nicht mal etwas essen, bestellen aber Spagetti, die super lecker sind. Ich esse sie mit Muscheln, Stefan mit Pesto und mit Wasser zusammen kosten sie nur 14€. Der Wirt ruft bei seinem Nachbarn, dem Werkstattbesitzer, an und erklärt unser Problem. Wir können kommen, und der Mechaniker stellt fest, dass der Kühlwasserschlauch kaputt ist. Während er repariert, trinken wir noch Cappuccino und Espresso bei unserem netten Wirt und nach insgesamt 3 1/2Std und 30€ können wir wieder fahren. Der Weg führt uns ins Po Delta, aber da die Radwege alle in der prallen Sonne liegen, geben wir das auf und fahren weiter nach Ravenna, wo wir die lebendige Innenstadt bei Pommes Frites – dieses Mal solche, wie wir sie kennen, – genießen. Beim Rundgang durch die Stadt bekommen wir Lifemusik mit, und die Fußgängerzone füllt sich zum Abend hin ganz schön. Man merkt aber, dass es noch besondere Zeiten sind. Für ein Festival und Freitagabend ist es noch absolut entspannt. Unser Parkplatz ist in ca 25Min Fußweg zur Altstadt, riesig groß und es stehen gerade mal 4 Womis und 4 Autos darauf und das in einer Stadt wie Ravenna in der Hochsaison! Auch in Venedig hat man es gemerkt. Es war weder ein Problem Plätze im Wassertaxi zu bekommen, noch musste man sich auf der Rialtobrücke oder dem Markusplatz drängeln, alles sehr angenehm. Wir haben bisher zum Glück auch noch nie ein Problem gehabt, auf dem gewünschten Stellplatz ein Plätzchen für uns zu finden und hoffen, dass es so bleibt. Wir fühlen uns auch recht sicher, obwohl wir viele Einträge bei den Kommentaren bei Park4Night finden, die vor Einbrüchen und Diebstahl warnen. Hier in Ravenna hat ein nettes französisches Paar auf dem Parkplatz hat sich gleich bereiterklärt, auf unser Womi zu achten. Sie reisen bereits seit 1 1/2 Monaten durch Italien und bisher ohne Probleme.

10.7.21
Von der Stadt wechseln wir heute wieder in die Natur und besuchen unseren ersten italienischen Nationalpark, den Parco Nazionale delle Forreste Casentinesi. Den Namen werde ich mir wohl nie merken, aber das Forreste schon, denn Wald ist hier in dem gebirgigen Park zwischen Forli und Florenz ganz viel. Wir haben eine wunderschöne Wandertour von 10.8km und 290Höhenmetern zu den Wasserfällen von Acquacheta gemacht. Die sind ansich gar nicht so überragend, aber am ganzen Weg läuft der sich aus ihnen ergießende Fluss entlang mit zahlreichen kleinen Wassertreppen, sodass man immer wieder seine Füße ins Wasser stecken kann. Einige Familien plantschen auch munter ganz im Wasser. Der ganze Weg ist schattig und sehr schön angelegt. Unterwegs findet man immer wieder Sitzgelegenheiten und Picknicktische und an einer Stelle können wir kühles, frisches Bergwasser abfüllen. Heute Nacht übernachten wir auf dem Parkplatz, sowie auch noch andere Camper. Es steht kein Verbot, auch wenn es eigentlich in Parks nicht erlaubt ist. Der Campingplatz ist aber überlaufen und wir haben bis morgen früh die Parkuhr gefüttert. Jetzt müssen wir zusehen, dass wir noch kühle Luft ins Womi bekommen, denn das stand tagsüber in der Sonne und hatte bis vor 1Std noch 36⁰. Inzwischen haben wir es aber schon auf 29⁰ runtergekühlt und liegen damit nur noch 1⁰ über Außentemperatur. Hier in Italien haben wir meist nur die Wahl zwischen ersticken in der Nacht oder Mückenterror. Ich sehe schon fast wieder so aus wie in Neuseeland! Das war mir vorher auch nicht bekannt, dass Mücken hier auch ein großes Thema sind🙄. Zum Glück haben wir wenigstens Fliegengitter vor den Fenstern, aber beim Ein- und Aussteigen ist es unvermeidbar, dass sich so ein Biest zu uns verirrt.

11.7.21
Die letzte Nacht war soooo entspannend! Ich habe mir sogar den Schlafsack über mich gezogen, weil es mir nur mit Bettlaken als Zudecke zu frisch wurde! Heute Morgen haben wir draußen 16⁰ und im Wohnmobil 18⁰, ich bin kurz davor, die Heizung einzuschalten😂 Die Temperatur ändert sich leider schnell, als wir wieder Richtung Adria fahren und an Höhe verlieren. Als wir gegen Mittag in Forli ankommen, ist die Stadt nahezu ausgestorben. Keine Ahnung, ob es während der Siesta immer so dort ist, oder ob die Italiener vorschlafen, um heute Abend ihrer Mannschaft im EM Endspiel zuzujubeln (oder sich zu grämen)🤷‍♀️ Die Stadt ist auf jeden Fall sehr schön mit vielen herrschaftlichen Gebäuden und Plätzen, Mosaike an Tunnelwänden statt Graffitis und auch hier gibt es eine Dante– Ausstellung. Es jährt sich der 700. Todestag des Dichters und Philosophen, dem die Italiener ihre Sprache zu verdanken haben. Es ist jedoch knallheiß und als wir zum Womi zurückkommen, sind es 38⁰ drinnen. Wir fahren weiter nach Cesena. Dort gibt es die Bibliothek Malatestiana von 1452, die damit als älteste bürgerlich-städtische Bibliothek Europas gilt. Leider hat sie heute nicht geöffnet. Von außen macht sie nicht viel her, aber die Plakate, die wir von ihrem Inneren gesehen haben, waren sehr beeindruckend. Auch Cesena gefällt uns gut. Der italienische Baustil der Häuser, die meist in Ockertönen gehalten sind mit andersfarbigen Fensterläden, sowie die Bogengänge wirken immer würdig und noch dazu helfen die Gassen und Gänge gegen die Hitze. Unser letztes Ziel für heute ist Verucchio. Hoch über der Landschaft tront das kleine Örtchen mit gerade Mal gut 10000 Einwohnern und ist Mitglied in der Vereinigung der schönsten Orte Italiens. Schon unser Stellplatz hat einen fantastischen Ausblick über die Gegend von Rimini bis zur Adria. Der Ort selber ist nochmal etwas höher mit Eingangstor, Kopfsteinpflaster, das sich den Berg hinauf windet bis zur Aussichtsterrasse. Wenn man wie wir gerade kurz vor Sonnenuntergang hier ankommt, ist man sprachlos ob solcher Schönheit. Morgen wollen wir ins 11km entfernte San Marino. Wir waren beide noch nie in diesem Zwergstaat und sind sehr gespannt darauf, denn die Cita de San Marino liegt ebenfalls auf einem Berg

12.7.21
🇸🇲 ein neues Land auf unserer Liste! Wir fahren heute Morgen die 11 km nach San Marino, sozusagen von einem Hügel auf den anderen. Es ist jedoch so heiß und stickig, obwohl wir auf dem Stellplatz auf ca 500m sind, dass wir bis zum Nachmittag vor unserem Wohnmobil Siesta machen. Wir stehen wunderbar unter Bäumen. Gegen 17Uhr fahren wir dann mit der Gondel hoch in die Cita de San Marino. Sie liegt wunderbar auf über 700m auf bzw im Felsen über der Landschaft. Die Lage, die Gassen und Türmchen und historischen Gebäude sind sehr beeindruckend. Leider übertreiben sie es mit Souvenirgeschäften, in denen zum Teil absoluter Kitsch verkauft wird. Wir scheinen das absolute Glück zu haben, dass es noch recht leer ist. Sonst schieben sich die Touristen wohl durch die Gassen und wir hätten sicher keinen Stellplatz gefunden. Wir durchlaufen immer wieder die Gassen bergauf, bergab, genießen die Ausblicke und den Flair der Stadt und beschließen den Tag mit einer Pizza in einem Restaurant mit Ausblick.

13.7.21

Der heutige Tag beginnt durchwachsen. Als wir gerade vom Stellplatz in San Marino aufbrechen Richtung Rimini, fängt unser Womi wieder an zu stinken. Wir fahren zur Tankstelle und finden heraus, dass es wieder dasselbe Problem mit dem Kühlwasserschlauch ist. Die Tankwartin sagt uns, dass nach der nächsten Kurve eine Werkstatt käme und wir fahren ganz vorsichtig dorthin. Sie haben nicht das richtige Ersatzteil, können aber den Schlauch kürzen und über dem Loch mit Bogenschelle wieder anbringen. Wir befürchten, dass der letzte Mechaniker es auch so gemacht hat und dass es wahrscheinlich nicht das letzte Mal sein wird, dass wir Probleme damit bekommen. Schätzungsweise ist der Schlauch schon ziemlich alt und porös und geht nun Stück für Stück kaputt. Hoffen wir das Beste. Gegebenenfalls fragen wir mal bei einer Fordwerkstatt, wenn wir eine sehen.
Wir fahren weiter nach Rimini, was mich sehr positiv überrascht. Ich habe eine typische Touristenmeile dort erwartet, weil Rimini ja schon als ich Kind war zu den Traumzielen der Deutschen zählte, aber es hat eine schöne Altstadt, mit Eingangstor, Burg, einer schönen Brücke und besonders hübsch finden wir den Teil „Il Burgo“, wo die Häuser mit netten Bildern versehen sind und auch viel Blumenschmuck die Straße ziert. Wir genießen noch zwei leckere Teilchen und trinken gemütlich Kaffee, bevor wir weiter an der Küste nach Fano fahren. Heute ist es fast den ganzen Tag bedeckt und in Rimini fallen innerhalb kürzester Zeit die Temperaturen von 36⁰ auf 28⁰, was sehr angenehm ist. Bei unserem kleinen Abendspaziergang durch Fano, überrascht uns sogar ein Gewitter. Wir werden zwar nass, haben aber noch richtiges Glück, denn als wir gerade wieder im Womi sind, fängt es richtig an zu hageln. Nach 10Minuten ist das Ganze dann aber vorbei. Nachher ist das Klima etwas angenehmer.

14.7.21
Wir wollen vom Meer wieder in die Berge, aber zuerst muss noch Wäsche gewaschen werden. Das erledigen wir zügig in Fano, dann fahren wir Richtung Parco Naturale Regionale Gola della Rossa e di Frasassi. Leider stimmen die Bilder bei Google nicht mit dem Ziel überein. Wir kommen statt zu Höhlen und einer Kapelle im Berg zum Ort Serra San Quirico, der jedoch allein schon den Weg wert gewesen ist. Wir fragen uns durch und man weist uns den richtigen Weg. Bei den Grotten von Frasassi gibt es praktischer Weise auch gleich noch einen kostenlosen Stellplatz für unser Womi. Der Besuch der Höhlen ist mit 18€ und 15€(Behinderte) nicht gerade billig, aber die Ausgabe hat sich definitiv gelohnt. Die Höhlen sind absolut faszinierend, selbst wenn man schon einige Höhlen zuvor gesehen hat. Nach 1,5Std Führung fahren wir noch ein kleines Stückchen weiter zum Fußweg zur Kapelle Tempietto di Valadier, die malerisch über einer Schlucht oben im Berg tront. Die Nacht verbringen wir auf dem Stellplatz bei den Grotten.

15.7.21
Über den heutigen Tag ist nicht viel zu schreiben. Wir bleiben bis nachmittags auf dem Stellplatz bei den Höhlen, weil es hier gutes freies WLAN gibt. Nicht, dass wir dermaßen abhängig wären, aber heute hat unser englischer Freund seine Trauerfeier in Bury St. Edmonds. Das Beerdigungsinstitut schafft die Möglichkeit, online daran teilzunehmen, da aufgrund von Corona nur eine begrenzte Anzahl Personen teilnehmen kann. Ein weiterer Grund ist aber auch, dass er Freunde rund um den Globus hatte, zum Teil gemeinsame mit uns wie unsere Freunde in Kalifornien, die alleine aufgrund der Entfernung nicht anreisen können. Wir benötigen also eine stabile Wlan- Verbindung und finden diese vor dem Ticketschalter der Höhlen. Es ist eine sehr bewegende Rede, die die Dame vom Beerdigungsinstitut hält, die alle Facetten unseres Freundes beleuchtet und noch einmal deutlich macht, wie einzigartig er war. Begleitet wird sie von Bildern und zwei Musikstücken. Er liebte Musik und wird von Pink Floyd verabschiedet. Unser Sohn ist so lieb und hat die Feier aufgenommen, sodass wir sie zuhause auch noch mal in passenderem Ambiente als auf einem belebten Platz vor einem Ticketschalter ansehen können. Wir geben sicher ein merkwürdiges Bild ab, beide mit Kopfhörern auf den Ohren, in unser Handy vertieft und bei mir tropft es gelegentlich aufs Display.
Danach haben wir einige Mühe, zurück Richtung Adria zu fahren, weil wir wegen einer Baustelle total chaotisch umgeleitet werden. Am späten Nachmittag erreichen wir unseren Stellplatz in Jesi auf einem Parkplatz für Camper und PKWs. Wir unternehmen noch einen kleinen Rundgang durch die Altstadt, deren größte Besonderheit wohl ist, dass sie hoch über der Stadt liegt und entweder über Treppen oder einen Aufzug erreichbar ist.

16.7.21
Ein wundervoller Tag! Nachdem wir uns durch Ancona gequält haben, kamen wir zu unserem Ziel, dem Parco Naturale Regionale del Conero. Unser erster Wanderweg führt uns steil bergab über den Sentiero di Mezzavalle (nord) an einen wunderschönen einsamen Strand. Wir haben kein Badezeug dabei, aber ein Mann und etwas weiter ein paar andere Badende sind nackt im Wasser, da hält uns auch nichts mehr zurück und ruckzuck sind die Klamotten aus und der Körper verdeckt von den Wellen. Es isthimmlisch dort und ich kann nur die Kommentare anderer Reisender auf Google unterstreichen: der Weg ist verflixt steil und anstrengend, aber er ist es Wert! Ein paar Kilometer weiter macheen wir wieder Halt und wandern den Sentiero Gigli zur Ruine eines historischen Farmhauses und zur Grotte Romane. Wieder geht es ziemlich auf und ab, aber heute haben wir ein himmlisches Klima mit nur rund 26⁰, da macht das Wandern richtig Spaß. Am Abend suchen wir einen Platz zum Übernachten in Sirolo, aber dort dürfen wir auf keinen Parkplatz, nicht mal zum parken. Wir fahren zurück zu einem kleinen Wanderparkplatz vor dem Ort, wo wir auch übernachten werden und schlendern dann noch zu Fuß durch das kleine, aber sehr touristische Sirolo.

17.7.21

Letzte Nacht gab es auch bei uns Mal ein Gewitter und heute regnete es bis nachmittags. Wir nutzen die Zeit für Shopping. Stefan kauft sich in einem riesigen Laden heruntergesetzte Laufschuhe (was auch sonst😂, er könnte schon eine internationale Ausstellung mit seinen Laufschuhen aus aller Welt machen.) und Wanderschuhe. Seine Wandersandalen, die er mit hat, haben nicht den richtigen Gripp. Teils sind die Wege hier sehr steil, und wenn dann noch Kiesel und Blätter darauf sind, kommt er ins Rutschen. Hoffentlich taugen die Schuhe etwas. Danach lässt er sich bei einem Elektronikladen noch einen sauteuren Displayschutz auf sein Handy machen, weil seiner einen Riss hat. Nun kann man laut Werbung mit dem Hammer draufschlagen, dafür kostet die Folie auch 25€🙄
Nach dem Shoppen haben wir vom Verkehrsgewühl und Einkaufszentren genug und fahren wieder ins Inland. Unser Ziel ist dieses Mal das historische Städtchen Macerata, das mal wieder über allem auf einem Hügel tront. Kurz nach der Einfahrt in die Stadt kommt man zu einem großen Parkhaus und daneben einem Wohnmobilstellplatz. Von dort geht es entweder zu Fuß oder per Aufzug in die Altstadt. Die Stadt hat eine besondere Ausstrahlung. Sie ist alt und jung zugleich. Historische Gebäude wie die Universität, das Theater und Rathaus, sowie Kirchen wechseln sich mit studentischen Cafés und Bars mit jungen Leuten ab, und neben auffallend vielen kleinen Buchläden, kommen hier die Nostalgiefans auf ihre Kosten. Gleich mehrere Schallplattenläden sind zu finden, daneben Vintage- und Kaffeegeschäfte. Es macht wirklich Spaß, hier auf Schaufenstertour zu gehen. Morgen wollen wir wieder ins Gebirge zum Lago di Fiastra und mir graut es schon etwas. Ich hoffe, unser Womi macht nicht wieder Probleme.

18.7.21
Mit großen Befürchtungen fahren wir heute Morgen los, denn wir wissen, es geht in die Berge, wissen aber nicht, wie die Steigungen dorthin seien werden. Unsere Sorgen erweisen sich zum Glück umsonst, unser Womi bringt uns problemlos zum Lago di Fiastra auf 641 Metern. Wir bekommen auch einen wunderbaren Platz auf dem offiziellen Stellplatz, auf dem wir ganz alleine stehen. Wir genießen bei einer Kaffeepause den Ausblick, danach wandern wir zum Örtchen San Lorenzo, das im Winter anscheinend zum Skifahren einlädt und wandern den Naturwanderweg entlang des Fiastra Sees. Eigentlich wollen wir den See umrunden, aber das ist nicht möglich, da auf der einen Seite nur eine Straße ohne Fußweg verläuft, also kehren wir auf demselben Weg zurück. Da wir einen Wasserhahn direkt an unserem Stellplatz haben, und niemand außer uns da ist, nutzen wir die Chance, uns von Kopf bis Fuß darunter zu waschen. Danach ist es mir zum ersten Mal im Urlaub kurz mal etwas frisch. Wir haben draußen 20⁰. Im Womi sind jetzt zur Schlafenszeit angenehme 25⁰, echt entspannend.

19.7.21
Von den Bergen zurück ans Meer. Ein erster Stopp in Sarnano, wieder einem Ort, der oben auf einem Hügel tront und die Altstadt fast ausnahmslos aus engen Gassen und Treppen besteht. Es ist also nicht, wie noch vor ein paar Tagen gedacht, die Ausnahme, dass Orte oben auf Hügeln sind und Aufzüge den Menschen vom Parkplatz unterhalb den Weg zur Altstadt vereinfachen, sondern eher das Typische im bergigen Inland Italiens. Sarnano macht den Eindruck, als hätte es gerade keine Zeit für Touristen, sondern macht sich schön für die kommende Saison. Überall stehen Gerüste an Kirchen und Häusern, und es ist sogar eine Gasse komplett wegen Baustelle gesperrt. Ob es hier vor nicht allzu langer Zeit ein Unwetter gab, oder ob es sich um eine Sanierungswelle handelt, weil sich das in der Pandemiezeit anbietet, kann ich nicht sagen. Es macht den Ort zumindest derzeit nicht sehr einladend. Unser nächstes Ziel ist die Stadt Ascoli Piceno, die ebenfalls landschaftlich grün eingebettet liegt. Sie hat einige herrschaftliche Gebäude, besonders um den Piazza del Popolo zu bieten. Sie wirkt auf mich irgendwie trutziger als die Orte zuvor. Die Steine der Häuser sind größer, grauer und rauher. Reste einer mittelalterlichen Festung mit Museum, das aber heute am Montag geschlossen hat, schließen an die Ponte di Cecco, eine um 25 v. Chr. unter Kaiser Augustus erbaute Bogenbrücke an. Auf dem Piazza del Popolo läd das Jugendstilcafé Meletti zum Verweilen ein. Daran kommen wir natürlich nicht vorbei☕😂. Es ist zu schön, in diesem Ambiente seinen Kaffee zu genießen und die Menschen zu beobachten. Danach erscheint die Fahrt, trotz der Pausen, irgendwie zu lang. Wir kommen in einem Stau auf der Schnellstraße, wobei die Italiener mal locker in voller Geschwindigkeit über eine gestrichelte Spur bis zu nächsten Ausfahrt heizen. Man muss dazu wissen, dass die italienischen Schnellstraßen, sie sind mit blauen Schildern gekennzeichnet und kosten keine Maut, keinen Seitenstreifen haben. Zumindest haben wir es bisher nicht anders erlebt. Zum Teil sind die Spuren ganz schön eng. Die Verkehrsführung ist hier und heute chaotisch und Google führt uns irgendwo ins Nichts, als wir zum nächsten Lidl wollen. Als der Parkplatz, den wir als Nachtplatz geplant haben dann auch noch wegen eines Festes gesperrt ist, ist ziemlich die Luft raus bei uns. Entlang der Küste Richtung Pescara ist es sehr touristisch, eine Hotelanlage nach der nächsten und teure Campingplätze mit Vergnügungspark, für uns aber kaum ein Parkplatz, auf den wir mit Wohnmobil stehen dürfen. Wir müssen noch ein paar Kilometer weiterfahren und finden letztendlich einen öffentlichen Parkplatz in Alba Adriatica zwischen Appartmentanlagen und Supermarkt, der laut Park4night OK ist. Er ist nicht schön, aber besser als nichts und nebenan ist ein Supermarkt für frische Brötchen morgen zum Frühstück.

20.7.21
Obwohl unser Übernachtungsplatz ja nicht gerade einladend aussieht, haben wir bis gegen 7Uhr eine ruhige Nacht. Nach dem Frühstück quälen wir uns weiter entlang der Adria durch einen Ferienort nach dem anderen, und obwohl wir meist nur 100-200m von Strand entfernt sind, sehen wir fast nie etwas davon. Zwischen der Straße und dem Meer verläuft die Eisenbahntrasse, die nicht nur die Sicht versperrt, sondern es uns auch unmöglich macht, näher ranzufahren, denn die Unterführungen haben immer nur eine Höhe von 1,90-2,60m und unser Womi hat nun mal 3,10m. Irgendwann finden wir dann doch mal einen Parkplatz und freuen uns auf eine kurze Runde im Wasser. Es gibt einen kleinen schattigen Park am Strand. Der Strand selber ist überall übersät ist mit Liegen von Hotels, denen das Strandstück gehört. Schön ist was anderes. Da hat man in Deutschland mit seinem Strandkorb weit mehr Platz und Intimsphäre. Ich kümmere mich nicht drum, dass es ein Hotelstrand ist, denn ich will ja nur ins Wasser und habe keine Ahnung, wo irgendwo ein öffentlicher Strand in der Nähe ist, aber beim Abduschen am Strand bereute ich es dann. Selbst die kalte Dusche funktioniert nur mit Duschmarken. Stefan verzichtet daraufhin auf seine Schwimmrunde. Das Natural Reserve Borsacchio können wir aufgrund der niedrigen Unterführungen auch nicht erreichen. Wir fahren weiter Stop&Go bis Pescara und können hier zumindest das Natural Reserve Pineta Dannunziana besuchen. Der Park ist nicht groß, aber verschafft uns wenigstens die Möglichkeit, ein wenig im Schatten spazieren gehen zu können. Es ist heute wieder richtig heiß, die angenehmen Tage mit kleinen Schauern, dafür aber niedrigeren Temperaturen scheinen wieder vorbei zu sein. Besonders blöd ist, dass ich heute unseren kleinen, wassergekühlten Ventilator runtergerissen und damit kaputtgemacht habe. Ich habe diesem kleinen chinesischen Kasten vorher nie etwas abgewinnen können, aber hier in Italien hat er uns bis heute gute Dienste geleistet, und das bei so wenig Stromverbrauch, dass wir ihn dauerhaft laufen lassen können, auch nachts, was mit dem Wohnmobilventilator nicht wagen, zumindest nicht, wenn wir nicht an Strom angeschlossen sind. Hoffentlich finden wir hier nochmal so etwas mit USB – Anschluss. Vorgestern bin ich mit meiner Sportuhr im Salzwasser gewesen, was sie mir auch nicht verziehen hat. Allmählich reicht es mit meiner Kaputtmacherei 😥.
Nachdem wir in Pessaro noch unsere Wäsche gewaschen haben, fahren wir wieder ins Gebirge. Hier ist es kühler und außer, dass wir immer Angst haben, dass das Womi die Steigungen nicht schafft, ist die Fahrerei auch angenehmer und die Landschaft viel netter. Immer wieder sieht man kleine Orte auf den und imposante Berge im Hintergrund. Da ich eine Wanderung bei Komoot im Parco Nazionale della Majella herausgefunden habe, machen wir uns auf den Weg nach Caramanico Therme in den Abruzzen, bzw darüber hinaus, auf steilen, kurvigen Straßen bis zu einem kleinen Agroturismo Campingplatz. Die Fahrt ist etwas abenteuerlich, aber sie lohnt sich. Es ist ein kleiner, netter Platz in der Natur, der zu einem Restaurant mit B&B gehört, sonst ist hier nichts als Landschaft. Der Platz ist ganz einfach, hat aber alles was man braucht. Wir haben ein eigenes Spülbecken, Strom und es gibt eine warme Dusche! Ich fühle mich gerade frisch wie ein Tautropfen😂, denn es ist die erste warme Dusche seit unserer Abfahrt vor 3Wochen! Bisher haben wir immer nur mit kalten Duschen am Strand, untern Wasserschlauch oder Wasserhahn geduscht. Bei der Hitze ist das ansich schon ok, aber die Haare werden doch besser sauber bei warmem Wasser und Shampoo. Morgen werden wir also wandern, hoffentlich wird es nicht zu heiß.

21.7.21
Nach einer super schönen kühlen Nacht, haben wir heute Morgen gegen 9:00 schon 36⁰ draußen und 29⁰ im Womi. Da wir nach Caramanico Terme im Parco Nazionale della Marjella wegen einer Wanderung in der Orfento Schlucht gefahren sind, graut es mir heute Morgen angesichts dieser Temperaturen gewaltig. Der Weg erweist sich jedoch als wunderbar schattig und immer vom Fluss begleitet, sodass man auch immer mal wieder etwas von dem kühlen Nass über Arme und ins Gesicht spritzen kann. Drin baden ist aus Umweltgründen nicht erlaubt. Im Anschluss genieße ich den kleinsten Latte Macchiato in einem Café im Ort, bevor wir zur ca 1stündigen Fahrt nach Sulmona starten. Durch Straßensperrungen und Umleitung fahren wir mindestens 30Min länger. Wir haben eine der seltenen Fordwerkstätte in dieser Region im Internet gefunden und wollen uns endlich den richtigen Kühlwasserschlauch besorgen. Leider haben wir Pech. Sie können ihn erst in 2-3Tagen besorgen. Zum Glück erweist sich die Stadt aber auch so als Prachtstück. Sie liegt eingebettet zwischen hohen Bergen inmitten des Apennin, des Gebirgszuges, der Italiens Wetterscheide bildet und in dem sich in den Abruzzen, der Region, in der wir derzeit reisen, mehrere Nationalparks befinden. Die Stadt Sulmona hatte mehrere prächtige Paläste und Kirchen und besonders beeindruckend ist der Aquädukt mitten in der Altstadt aus dem 13Jahrhundert. Das Bild dieses Gebäudes vor der Bergkulisse genießen wir bei einer leckeren Kugel Eis. Heute Nacht stehen wir auf einem nichtssagenden Parkplatz außerhalb.

Zum Autofahren in Italien muss man sagen, dass es unendlich viele Einfahrtsbeschränkungen in Städten gibt, auf die jeweils mit einer ganzen Litanei Vorschriften auf Schildern hingewiesen wird. Ich glaube, selbst wenn wir Italienisch sprächen, hätten wir Probleme, die Regeln immer gleich zu verstehen. Ich hoffe, uns erwarten Zuhause nachher nicht eine Reihe Strafzettel, weil wir etwas falsch gemacht haben. Kontrolliert werden die Regeln durch zahlreiche Kameras. Auch gibt es unendlich viele Blitzer, auf die zuvor allerdings bei Ortseinfahrten bereits hingewiesen wird. Da sind wir aber glaube ich ganz gut drin.

22.7.21
Wenn man vom Gebirge wieder ans Meer will, bieten sich häufig immer nur dieselben Wege, auf denen man auch angereist ist. Da die schnellste Route wieder über Pescara führt, planen wir, diesmal die Mautstrecke über die Autobahn zu nehmen und in Pescara den Ford-Händler aufzusuchen, den man uns gestern in Sulmona genannt hat. Letztendlich fahren wir dann aber doch nicht Autobahn, da der Händler ewig lange Siesta hat und wir nicht vor der Tür stehen wollen. So machen wir sinnvoller Weise erst noch einen Stopp bei einem Expert Laden und ich bekomme eine neue Uhr, bzw einen Fitnesstracker. Gerade hier unterwegs und bei Hitze ist es mir schon wichtig, meinen Puls immer im Blick zu haben. Dieses neuere Modell kann auch den Sauerstoffgehalt des Blutes messen, was mir sehr gut gefällt, denn mein Pulsoximeter habe ich nicht auch noch mitgeschleppt und ich muss schon zugeben, dass mich das Zählen meiner täglichen Schritte schon auch anspornt. Wir fahren dann weiter nach Popoli, ebenfalls einer kleinen Stadt im gebirgigen Inland. In einem kleinen Euroshop finden wir einen ähnlichen Ventilator mit Wasserkühlung, der über USB Anschluss läuft, wie den, den ich vor ein paar Tagen kaputtgemacht habe. Jetzt haben wir wenigstens nachts wieder einen kleinen Luftzug, auch wenn wir keine Fenster auflassen können. Da wir nach einem Rundgang durch die Altstadtgassen immer noch Zeit haben, kehren wir in einer Gelateria ein, bevor wir weiterfahren nach Pescara. Endlich dort in der Werkstatt angekommen, die wirklich groß und gut ausgestattet erscheint, haben auch sie unser Ersatzteil nicht vorrätig. Sie rufen noch bei anderen Stellen an und informieren sich auch, ob ggf ein anderes Modell infrage käme, aber alles wird verneint. Wir brauchen das Original und auch in den nächsten Werkstätten in Vasto oder Brindisi müssten sie es bestellen. Wir wundern uns etwas, warum es so schwer sein soll, einen dummen Kühlwasserschlauch zu bekommen, aber wir haben halt ein altes Schätzchen, dessen Teile nirgends auf Lager sind. Es gibt nur ein Hauptlager in Bologna, wo wir aber definitiv nicht mehr hinfahren. Leider ist diese Werkstatt nicht bereit, für uns in Brindisi das Teil vorzubestellen, damit wir es in 3-4 Tagen dort abholen können, oder die Werkstatt in Brindisi will das Risiko nicht eingehen, dass wir vielleicht nicht auftauchen. Frust! Dafür sind wir extra nochmal über Pescara gefahren und haben ein paar Stunden Zeit aufgewendet🙄. Die Hitze macht uns auch schon ganz kirre, aber die Strecke von Pescara südlich zum Riserva naturale guidata Punta Aderci erweist sich als viel schöner als die nördliche Strecke durch die Apartmentorte. Wir haben Ausblicke auf das Meer und die Orte sind viel stilvoller, auch wenn hier natürlich ebenfalls touristische Unterkünfte zu sehen sind. Unser Ziel ist das Naturreservat beim Punta Aderci zu dem auch zwei wunderschöne Naturstrände gehören. Wir halten erst auf einem Parkplatz im Norden des Reservates und gehen etwas spazieren und setzen uns an den Strand. Da auf dem Parkplatz ein Schild Campingverbot steht, trauen wir uns nicht, dort über Nacht zu bleiben, auch wenn das Schild nur Zelt und Wohnwagen zeigt. Ein paar hundert Meter weiter ist noch ein Parkplatz mit kleinem Imbiswagen und einer Treppe zum Stand. Dort werden wir diese Nacht verbringen. Komischerweise fahren alle anderen wieder als es dunkel wwird, aber es stehen hier keinerlei Verbote und wir werden auch nur brav parken und keine Stühle o.ä. auspacken. Der Strand ist traumhaft. Ich bin während des Sonnenuntergangs im Wasser und lasse mich einfach nur treiben und gucke in den wolkenlosen Himmel, der einen rötlichen Schimmer von der untergehenden Sonne bekommt. Das ist soooo schön😍 Unser heutiger Übernachtungsplatz macht alles Ungemach des heutigen Tages wett😍.

23.7.2020
Von mir aus könnte der Tag um 18:00 anfangen und um 8:00 aufhören, dazwischen ist es zu heiß zum Denken🥵

Heute Morgen erkunden wir in glühender Hitze Vasto und werden Zeuge einer Hochzeit, danach geht es auf eine längere Strecke Richtung Süden bis zum Nationalpark Gargano in Apulien. Wir sind also nun in der Region, die den Absatz des Stiefels bildet, aber lange noch nicht im Absatz selber. Apulien zieht sich ziemlich in die Länge. Während wir bisher ehr Weinberge unterwegs gesehen haben beherrschen hier Korn, Gemüse aller Art und ganz besonders Olivenbäume das Landschaftsbild. Riesige Plantagen begleiten unsere Fahrt, die heute in großen Teilen auch BSicht auf die Küste bietet. So hatte ich es mir die letzten Tage gewünscht, als die Adria immer durch Häuser bzw Bahndamm verdeckt war. Nach Vico del Gargano windet sich eine steile Straße auf über 300m hoch. Wir parken vor dem Ort beim Friedhof und gehen das letzte Stück zu Fuß zur Altstadt mit ihren engen Gassen. Der Ort wird auch der Ort der Liebenden genannt, weil Pärchen hier anreisen, um sich In der engsten Gasse, der Vicolo del Bacio, die so eng ist, dass man sich berühren muss, die Liebe erklären♥️. Im Ort fällt uns gleich auf, dass wir in den Süden kommen. Hunde streunen in den Gassen umher, die Bewohner sitzen oder stehen vor ihren Häusern oder in den Straßen, immer zu einem Pläuschchen bereit, auch mal von Fenster zu Fenster. Das Italienisch klingt anders, Gehsteige werden spärlicher und leider vermehrt sich der Abfall in den Gassen. Nach unserem Rundgang essen wir noch Pizza auf die Hand und entscheiden, dass wir die paar Kilometer bis Peschici heute noch weiterfahren können. Der Parkplatz dort verspricht einen tollen Ausblick. Schnell wird klar, dass der Weg um einiges länger werden wird als geplant, da wir die ersten zwei Straßen, in die wir abbiegen sollen, mit dem Wohnmobil nicht nehmen dürfen. Wir werden auf der „großen“ SS89 nach Peschici geführt, worüber wir nach den unendlich vielen engen Kurven auch sehr froh sind. Keine Ahnung, was uns bei den anderen Sträßchen bevorgestanden hätte! Gerade als wir ankommen, geht die Sonne als knallroter Feuerball über dem Meer unter.24.7.21
Die letzte Nacht wurde begleitet von ständigem An- und Abfahren von Autos und Motorrädern bis mindestens 3Uhr, begleitet vom Gebell aller Straßenhunde und vielleicht auch Schoßhündchen. Immer wieder fing einer an und die anderen antworteten. Trotz Hitze verrammelte ich alle Fenster, aber das half nicht, auch keine Ohrenstöpsel. Heute Morgen fühle ich mich wie gerädert und das bei 30⁰ am frühen Morgen. Wir laufen nach Peschici rein, frühstücken Hörnchen und Kaffee in einer Bar und erkunden die Altstadt. Ich dachte immer, Lissabon hat viele Hügel und Treppen, aber hier in Italien scheint fast jede Altstadt so gebaut zu sein. In den engen Gassen ist es angenehm kühl gegenüber den anderen Straßen, deshalb ist es verwunderlich, dass nicht auch heute noch so gebaut wird. Für den Verkehr stellt das natürlich ein Problem dar, besonders für die Belieferung der Restaurants. Nicht nur, dass sie versuchen müssen, mit kleinen Lieferwagen die engen und steilen Gassen zu bewältigen, auch die zeitlichen Durchfahrtsbeschränkungen grenzen ihre Anlieferung ein. Peschici ist eigentlich den weißen Städten in Andalusien ähnlicher als den meist ehr bunt oder sandfarbenen Orten, die wir zuvor gesehen haben. Die Burg und die weißgetünchten Häuser schmiegen sich an die Hügel oberhalb der Adria.
Auch Vieste ist eine weiße Stadt mit engen Gassen über wunderschönen Stränden und einer weißen Steilküste mit Höhlen und bizarren Felsen, die aus dem Wasser ragen. Die Landschaft ist wunderschön, aber es ist sehr quirlich und voll von Touristen. In Vieste werden wir gleich von der Polizei unseres Parkplatzes verwiesen, obwohl nirgends ein Verbotschild steht. Sie meinen, Camper wären nur auf Campingplätzen erlaubt, auch am Tag. Wir verziehen uns, der Franzose neben uns bekommt ein Ticket. Einsichtig ist uns das Ganze nicht, denn es sind noch einige Plätze frei, es gibt kein Verbotschild und die Parklücke ist lang genug. Wir sind nur froh, dass wir noch kein Tagesticket für 10€ gezogen hab Wir warnen noch einen Italiener, der sich auch auf den Platz stellen will. Nun haben wir aber ein Problem, wir müssen um 18:00Uhr bei einem Gashandel unsere Gasflasche wieder abholen, wollen aber definitiv nicht auf einen teuren, engen Campingplatz mit Touristengewühl, sondern abends weiterfahren. Eine von mir geplante Wanderung zerschlägt sich ebenfalls, da bereits bei Google eine Straßensperrung auf dem Anreiseweg angezeigt wird. Wir fahren in Viste herum und finden an einer Ausfallstraße noch ein Plätzchen für das Womi und verbringen den Tag dann mit Stadterkundung, Kaffeepause und Imbissbesuch, sowie mit einem Bad im lauwarmen Meer. Direkt neben dem markanten Felsen, der aus dem Wasser ragt, lassen wir uns nieder und ich genieße es, mich wieder auf dem Rücken treiben und sanft von den Wellen schaukeln zu lassen. Am Abend holen wir Stefans Fahrrad vom Womi und gehen zu unserem Gashändler. Wir haben ein etwas unsicheres Gefühl. Stefan hat morgens unsere leere Flasche dort gelassen und keinerlei Beleg bekommen. Wir wissen ja auch, dass das Befüllen von Flaschen eigentlich nicht erlaubt ist in Italien, auf der anderen Seite, muss das Gas ja auch irgendwie in die italienischen Flaschen gelangen, außerdem ist es unsere einzige Chance, wenn wir nicht in 1-2Wochen ohne Gas dastehen wollen. Nicht mehr kochen zu können wäre schon sehr schlecht, keinen Kühlschrank mehr nutzen zu können bei der Hitze, der Supergau. Wir können beim Gashändler nicht parken, deshalb müssen wir die volle Flasche zu zweit auf dem Rad schieben, denn 100m tragen gäbe verdammt lange Arme. Alles geht gut und um 5 vor 6Uhr haben wir unser Fläschchen mit 11kg Gas für satte 50€ gefüllt. Das ist mehr als doppelt so teuer als bei uns zuhause, aber wir sind froh, dieses Problem gelöst zu haben. Danach fahren wir die kurvige, aber sehr schöne Strecke entlang der Küste beim Gargano Gebirge bis zu einem Stellplatz bei einem Restaurant mit Schwimmbad und Tennisplätzen inmitten eines Olivenhains. Statt der in der App angegebenen 15€ müssen wir nur 7€ zahlen und dürfen duschen, Strom nutzen und morgens Wasser tanken und entsorgen. Würden wir im Restaurant essen, müssten wir gar nicht bezahlen, aber das Restaurant scheint nicht so unsere Preisklasse zu sein, außerdem haben sie gerade eine Feier. Wir sind hier im Kreis Foggia, was laut Internet sehr unter dem Druck der Mafia steht. 80% der Geschäftswelt wird hier demnach abgezockt. Besonders unter Druck steht wohl ein Altenheimbetreiber. Es hat bereits zwei Bombenanschläge gegen ihn gegeben. Den Ort werden wir morgen nicht besuchen.

25.7.21
Heute bringen wir eine richtig lange Strecke hinter uns. Nachdem wir auf unserem tollen Nachtplatz im Olivenhain geduscht, Wasser aufgefüllt und entsorgt haben, geht es weiter in den Süden. Zuvor plauschen wir aber noch mit dem Besitzer dieses netten Platzes. Er hat bis zum 15.Lebensjahr in Hessen gewohnt und spricht noch akzentfrei Deutsch. Dass Camper dort übernachten können, ist eigentlich nur seiner eigenen Campingbegeisterung geschuldet. Ansich leitet er mit seinem Bruder ein Restaurant und bietet die Möglichkeit, einen Pool und einen Tennisplatz zu nutzen, was zumeist von den Einheimischen genutzt wird. Wir brechen in glühender Mittagshitze auf nach Bari. Man kann es eh nur im Fahrtwind aushalten, obwohl der auch schon recht heiß ist. Die Landschaft ändert sich, wir kommen an endlosen Stoppelfeldern mit vereinzelten Olivenbäumen oder Büschen vorbei. Streckenweise sind diese auch schwarz verbrannt, ob mit Absicht, oder auf Grund eines ungewollten Feuers, wissen wir nicht. Die Hafenstadt Bari hat uns positiv überrascht. Die Altstadt besteht aus einem Gassengewirr, wie in den meisten italienischen Städten, die hier aber etwas breiter und oft mit hübschen Bögen überspannt sind. Auch hier bieten die Gassen Schutz vor der brennen Sonne. Am Hafen weht ein angenehmer Wind vom Meer her, der unser Womi wieder etwas abkühlen lässt. Als wir ankommen zeigt unser Thermometer 45,9⁰ außen, 35,4⁰ innen. Nach einem Stadtrundgang mit Kaffeepause entscheiden wir, heute noch weiter nach Lecce zu fahren, einer Stadt im Süden den Stiefelabsatzes, die überall in Reiseführern und im Internet gelobt wird. Sie hat es auch wirklich verdient. Zahlreiche unglaublich reich verzierte Barockkirchen und Paläste, ein teilweise freigelegtes, römisches Amphitheater mischt sich mit der Lebendigkeit einer Studentenstadt. Überall junge Leute, Cafés und viel Atmosphäre prägt die Stadt. Hier im Süden trifft man vermehrt auch auf Schwarzafrikaner, die versuchen, sich mit dem Verkauf von Schmuck oder ähnlichem über Wasser zu halten. Leider klappt es hier unten nicht so mit dem Müllsystem, das eigentlich im Norden hervorragend funktionierte. Überall fanden wir dort Container für Mülltrennung und es lag auch selten etwas herum. Heute haben wir an zahlreichen Stellen unterwegs weggeworfenen Müll am Straßenrand gesehen.

26.7.21
Letzte Nacht haben wir auf einem nach Lost Place anmutenden ehemaligen Campingplatz übernachtet. Der Platz liegt im Regionalpark Bosco e Paludi. Hier hat es definitiv vor nicht allzu langer Zeit gebrannt. Viel schwarze Erde, abgebrannte Bäume und Sträucher überall. Es gibt Picknicktische, überdachte Sitzgelegenheiten und Informationstafeln, die aber so mitgenommen aussehen, dass man sie kaum noch entziffern kann und denen ich entnehme, dass hier die Natur beobachtet wird. Außer uns hat noch ein junges Pärchen mit Zelt den Weg hierher gefunden, was bei der abenteuerlichen Schlaglochpiste gar nicht so zu erwarten war. Heute sind wir dann von Apulien über Basilikata nach Kalabrien gefahren, ca 280km, d.h. ca 4 1/2Std Fahrzeit. Wir wollen morgen in den Sila Nationalpark und übernachten heute in Rossano, wohin es schon wieder ganz schön hoch geht. Unterwegs machen wir Stopp für ein Stündchen baden am Golf von Tarent, d.h. auf dem Stück zwischen Absatz und Stiefelspitze. Die Gegend ist ziemlich öde. Es gibt nur Landwirtschaft, eine Öl Raffinerie und Industriegebiete. Kurz bevor die Straße hier nach Rossano abgeht, kommen wir an einer Fordwerkstatt vorbei. Dort verbringen wir dann 2 Std., weil sie eine Möglichkeit sehen, unser Kühlwasserproblem zu lösen. Danach sind wir um 120€ ärmer und hoffentlich war diese Operation nun endgültig erfolgreich. Morgen geht es wieder ins Gebirge und ich habe trotz Reparatur kein gutes Gefühl. Womi hat immerhin schon 251000km auf dem Buckel und ist ein Viertel Jahrhundert alt.

27.7.21
Die Musik hörte letzte Nacht gegen Mitternacht auf, aber es war so grässlich heiß im Womi und wir standen nicht richtig gerade, sodass ich mir einen Großteil der Nacht um die Ohren gehauen habe. Ansich ist es ja sehr lobenswert von der Gemeinde Rossano, Plätze für Camper stadtnah und dann auch noch kostenlos zur Verfügung zu stellen. Leider veranstaltete eine Pizzeria an diesem Abend aber Lifemusik auf demselben Platz. Außerdem war der Platz so doll beleuchtet, dass man im Womi hätte Zeitung lesen können. Wir konnten aber wegen der Temperaturen auch nicht die Fenster und Rollos schließen. Was super dort ist, ist der Trinkwasserbrunnen mit 4 Zapfstellen. Das Wasser schmeckt absolut super, daher kamen allerdings auch bis spät nachts Einheimische mit Kanistern und Flaschenträgern, um sich Wasser zu zapfen. Wir bedienen uns natürlich auch gut davon. Wir schlürfen derzeit so um die 6Liter täglich weg.
Nach dem Frühstück geht es dann wieder bergab bergauf in den Sila Nationalpark. Da eine Straße wieder für uns nicht möglich ist aufgrund Höhe und Breite, führt uns Google mitten durch den engen und bergigen Ort Longobucco, wo die Einheimischen gerade eine Art Weihnachtsbeleuchtung über den Straßen installieren. Ich schätze, das hat was mit einem kommenden Fest zu tun. Wir haben schon in mehreren Städten gesehen, dass dort ähnliche Beleuchtungen in den Straßen hingen und uns gewundert, warum mitten im Sommer noch weihnachtlich geschmückt ist. Nach einem kleinen Rundgang fahren wir weiter und die Strecke steigt richtig an. Stefan muss kilometerweit im ersten Gang fahren, aber dann kommen wir zum ersten Picknickplatz im Nationalpark. Schön schattig unter Bäumen, vorwiegend Pinien, stehen Picknicktische und Feuerstellen bereit und es gehen Wanderwege ab. Wir laufen ein Stück durch den wunderbar üppig grünen Wald, genießen die kühleren Temperaturen auf 1300 m Höhe und nutzen den Picknickplatz zum Mittagessen. Danach will Stefan nochmals dort wandern, ich bin aber von der letzten Nacht so kaputt, dass ich beim Womi relaxe. Weiter geht es im Park zum Lago Cecita. Auch hier ist ein toller Picknickbereich vorhanden. Ich vermute, dass ein Wanderweg am oder oberhalb des Sees entlang geht, aber das erweist sich als Trugschluss. Es ist wieder „nur“ ein Waldweg ohne Seeblick, sodass wir uns zu unserem Nachtplatz aufmachen. Wir stehen auf einem schon etwas in die Tage gekommenen Campingplatz bei einem Hotel, haben Ver- und Entsorgung, sowie Strom, aber die Sanitäranlagen sind nicht (mehr) nutzbar. Wir sind auf 1111m Höhe und freuen uns auf eine ruhige und kühle Nacht🛌💤

28.7.21
Die letzte Nacht war so angenehm wie erhofft. Heute Morgen gegen 8 Uhr ist es noch 19⁰, aber es deutet sich selbst in der Höhenlage schon an, dass es wieder ein heißer Tag wird. Zwei Stunden später fahren wir der Hitze entgegen. Als wir gegen 11Uhr in Cosenza vor dem Waschsalon stehen, haben wir 39⁰, obwohl wir immer noch auf 238m Höhe sind. Während unsere Wäsche in der Maschine kreist, flüchten wir uns ins Café der Tankstelle gegenüber, das Aircondition hat. Für eine Stadtbesichtigung ist es uns definitiv zu heiß, also setzen wir unseren Weg fort Richtung Tropea. Unterwegs wollen wir eigentlich noch zu einem Rastplatz mit Strand, der bei Park4night nett klingt, dabei maneuvrieren wir uns aber ziemlich in ein Nadelöhr. Alles istso zugeparkt, dass wir ganz vorsichtig rückwärts die ganze Straße wieder zurück müssen. Das sind Situationen, die kann man nur zu zweit lösen. Ich gucke hinten und weise Stefan den Weg, da wir ja keine Rückfahrkamera haben. Wir erreichen das Tyrrhenische Meer und Tropea. In Tropea finden wir den angegebenen Parkplatz vor dem Bahnhof, der überraschend angenehm erscheint. Wir parken sogar halbwegs im Schatten. Hoffen wir, dass er so sicher ist, wie er erscheint. Bei unserem abendlichern Rundgang in Tropea gewinnt auch die Stadt unser Herz. Auf Sandsteinfelsen liegt die Altstadt idyllisch über dem Hafen und dem Strand. Sie versprüht Mittelmeer-Flair. Überall gibt es Restaurants mit typischen Gerichten und hier scheinen, zumindest zur Zeit, Zwiebeln an erster Stelle zu stehen. Sie werden überall an Straßenständen angeboten und stehen auf jeder Speisekarte. Etwas eigentümlich klingt für mich dabei Gelato, also Eis, mit Zwiebeln oder Thunfisch 🤔

29.7.21
Die letzte Nacht war heftig, aber nachdem wir ein paar feuchte Tücher aufgehängt hatten, es wagten, unseren Womiventilator auf kleiner Stufe die ganze Nacht laufen zu lassen und außerdem noch das Wassergebläse und zusätzlich zwei kleine Akku Ventilatoren, wovon jeder einen ins Bett mitnahm, schliefen wir irgendwann dann doch ein. Heute Morgen gönnen wir uns deshalb ein italienisches Frühstück, sprich ein Schokocroissant mit Espresso bzw Cappuccino in einer Bar. Um 11:45Uhr müssen wir am Hafen sein zu einer Schiffstour zu den Inseln Panarea und Stromboli. Wir hoffen, dass aufgrund von Corona die Schiffe noch nicht voll ausgebucht werden, aber das erweist sich sehr schnell als Wunschtraum, der nicht erfüllt wird. Es herrscht zwar Maskenpflicht, aber auf sie wird zwar hingewiesen, dabei blieb es aber auch. Während der Fahrtwind übers Deck weht, setze auch ich zwischendurch die Maske ab, denn die erste Fahrtstrecke bis Panarea dauert bereits über 2Stunden und es ist heiß. Den Höhepunkt der Temperaturen haben wir dann auf der wunderschönen Insel Panarea. Ein Traum von weißen Villen mit hellblauen Türen und Fenstern schmiegt sich in engen Gassen den Hügel empor. Die Gärten der reichen Inselbewohner – viele Promis sollen laut Internet die Insel bevölkern – heben sich mit ihren bunten Blumen und blühenden Büschen von dem Weiß ab und bilden vor dem blauen Meer eine Kulisse, die man sich schöner kaum vorstellen kann. Auf den schmalen Wegen fahren kleine Elektrobuggys, wie man sie vom Golf kennt, und bringen die Besucher als Taxis zum Strand. Für Fußgänger wie uns ist das eher nervig, denn die schirßen mit ganz schön hoher Geschwindigkeit durch die Gassen und passen kaum an uns vorbei. Dazwischen gibt es dann immer auch mal Roller, die man auch mieten kann. So richtig genießen können wir die Insel nicht, weil es einfach viel zu heiß ist. Wir sind froh, als wir nach ca 45 Minuten den Strand erreichen. Das Wasser ist unglaublich klar und wunderschön. Umso schwerer fällt es, wieder durch den glühendheißen Sand zu laufen, der danach überall am Körper, vermischt mit Sonnencreme, Salzwasser und sofort auch wieder Schweiß klebt. Nach 2,5Std müssen wir wieder am Schiff sein, um auf die Insel Stromboli mit dem gleichnamigen Vulkan zu fahren. Bereits bei der Fahrt dorthin kann man am helllichten Tage am Rauch, der immer mal wieder aufsteigt, feststellen, dass der Stromboli ein aktiver Vulkan ist. Er ist das letzte Mal 2019 ausgebrochen, Glücklicherweise ist niemand dabei umgekommen, aber die Feuerwehr hatte gut zu tun, um Brände durch umherfliegendes Lavagestein zu löschen. Eine Einheimische erzählt uns, dass ihr Haus ganz unter Lavasand begraben war. Wir erkunden auch hier die Gassen, gehen aber nicht nochmal schwimmen, obwohl auch hier der Strand, dieses Mal mit schwarzem Lavasand, dazu einläd. Stromboli hat einen anderen Charakter als Panarea. Es ist ursprünglicher und hat sich auf Trekkingtouristen eingestellt. Touranbieter, Läden für Wanderbedarf, aber auch Klamottenläden, die mit ihrem Angebot eher an Hippykultur und Himalaya erinnern, darüber hinaus Health Food Gastronomie säumen die Gassen. Als wir zwei Stunden später wieder zum Hafen kommen, trauen wir unseren Augen kaum. Tausende von Touristen drängeln sich auf dem Steg zu ihrem jeweiligen Schiff. Sie kommen in ganzen Busladungen. Es ist unglaublich und macht den Charakter der Insel und die Insel ansich kaputt. Die Dame, die uns vom Vulkanausbruch erzählte, meint, dass es im July und August immer so aussähe bei ihnen und diese Art des Tourismus auch die Preise für die Einheimischen kaputt mache. Außerdem würden diese Touristen – heute gehören wir ja auch dazu, was uns etwas beschämt – den Wert und die Einzigartigkeit der Natur auf der Insel gar nicht erkennen. Sie rät uns, unbedingt im Herbst oder auch Winter wieder zukommen, wo es viel schöner wäre. Tja, gäbe es nicht Corona, hätten wir auch sicher nicht die heißeste und touristischte Zeit gewählt. Als es um 20:30Uhr dunkel wird, beginnt der letzte Teil unserer Reise. Wir fahren mit dem Schiff um die Insel zu der Seite, von der man sieht, dass der Stromboli regelmäßig kleine Eruptionen hat. Auch wir können zweimal beobachten, wie er Feuer speit und auch, wenn es nicht so grandios ist, wie unser Erlebnis damals auf Hawaii, wo die heiße Lava sich mit gewaltigem Getöse in den Pazifik ergoss, ist es dennoch beeindruckend, diese Feuersbrunst zu beobachten. Gegen 23:00Uhr laufen wir wieder in unserem Hafen ein und nach über 180 Stufen zur Altstadt hoch und etwa 30Minuten zu Fuß zum Womi, ist die Abkühlung durch die Fahrt wieder dahin. Der Tag war aber ein dennoch ein sehr schönes Erlebnis.

30.7.21
Seit heute Mittag sind wir auf Sizilien. Von der Strecke bis zur Fähre in Villa San Giovanni und auch von Messina bis hier haben wir nicht allzuviel von der Landschaft gesehen. Gefühlte 80% fuhren wir von Tunnel zu Tunnel. Was schade klingen mag, hatte aber auch eine positive Seite. Wir mussten uns bzw das Womi nicht über alle Berge quälen und im Tunnel brannte die unbarmherzige Sonne nicht auf uns runter. Am Fährhafen und als wir kurz mal gehalten haben, haute uns die Hitze schlichtweg um. Mit dem Wasser aus unserem Tank konnten wir fast direkt Kaffee aufgießen, so heiß war es. Messina, was noch dazu einen ziemlich chaotischen Verkehr aufwies, haben wir gleich verlassen. Zum Stadtbummel waren die Temperaturen unerträglich. Jetzt sitzen wir unter Olivenbäumen am Hang des Vulkans Ätna und genießen die erträglicheren Temperaturen auf rund 600m Höhe. Der Besitzer stellt im Rahmen vom Agrartourismus hier eine Fläche zur Verfügung mit Wasser, Strom und Bad und wir haben einen unglaublichen Ausblick bis nach Taormina, Catania und aufs Meer. Apropos Verkehr: hier gibt es sie noch, die Roller, und die Fahrer überholen nahezu genauso bescheuert wie in Vietnam. Auch die Autofahrer scheinen ihren Führerschein beim Scooterfahren auf der Kirmes gewonnen zu haben. Verkehrsregeln? Wozu gibt’s die denn?
Unsere weiteren Pläne sind noch etwas ungewiss. Eigentlich wollen wir ab Sonntag drei Tage Urlaub vom Reisen machen und haben eine Ferienwohnung in Ravanusa im Westen Siziliens gebucht. Beim näheren Blick auf die Karte sind wir uns jetzt aber gar nicht mehr so sicher, dass wir überhaupt zu der Wohnung mit dem Wohnmobil fahren können. Wir haben jetzt eine Anfrage an den Vermieter gestellt, ob es überhaupt auf den Parkplatz passt und auch dorthin fahren darf. Bei all den Durchfahrtsbeschränkungen ist das gar nicht so sicher.
Auch die Unternehmungen auf Sizilien und ob wir danach auf demselben Weg zurück nach Italien und damit ein ganzes Stück doppelt fahren, oder ob wir versuchen von Palermo nach Neapel rüberzusetzen, hängt noch vom Preis und den Möglichkeiten ab. Kommt Zeit, kommt Rat😅

31.7.2010

Heute besuchen wir den Ätna. Wie wir es schon häufiger gemacht haben, fahre ich mit der Gondelbahn und Stefan wandert hoch. Mit der Gondel kann man die Station La Montagnola auf 2500m Höhe erreichen. Von dort fahren 4x4Busse bis auf 2800m und mit einem Führer kann man dann bis auf 3100m wandern. Der Krater liegt auf 3357m. Soweit die Theorie. Als wir uns oben bei der Station treffen, bietet sich aber nur die Möglichkeit, mit dem Bus bis 2800m zu fahren, dann ist Schluss. Aus Sicherheitsgründen lässt man derzeit niemanden mehr höher auf den Vulkan, weil er wohl momentan sehr aktiv ist. Man muss aber dennoch einen Führer bezahlen, weil die Regierung vorgeschrieben hat, dass in jedem Bus ein Führer mitfahren muss. Zu Fuß darf man alleine nicht weiter hoch. Für uns heisst das, wir müssten zu den 30€, die das Gondelticket bereits für mich gekostet hat, noch einmal 50€ pro Person für Bus und Führer zahlen und kämen dennoch nicht bis zur maximal begehbaren Höhe von 3100m. Hinzu kommt, dass es mir bereits jetzt schon nicht so richtig gut ist. Keine Ahnung, ob die Hitze der letzten Tage zzgl. der recht schnellen Höhenveränderung und der staubigen Luft hier oben mir nicht gut bekommt, ich tendiere dazu, den Ausflug lieber hier zu beenden. Stefan denkt noch eine Weile nach, entscheidet sich dann aber auch gegen die teure Fahrt und läuft lieber eine etwas längere Strecke den Vulkan wieder hinunter und hat dabei auch ein paar interessante Aussichten. Wir treffen uns am Wohnmobil wieder. Ich bin nicht besonders gut drauf, weil ich etwas frustriert bin, dass mein Körper mir einen Strich durch das Erlebnis gemacht hat. Viel sehen außer Vulkanerde und furchtbar viel Staub, wenn die Busse mit Karacho an- und abfuhren, konnte ich nicht. Wir lassen den Tag gemütlich auf dem netten Stellplatz ausklingen, duschen, lesen und unterhalten uns etwas mit einer holländischen Studentin und ihrem Vater. Wir denken, das war es nun mit dem Vulkanerlebnis Ätna, aber denktste! Als Stefan abends noch einmal hoch zur Toilette geht, kommt er ganz aufgeregt wieder: der Ätna hat eine Eruption! Wir laufen zusammen zu einer freien Stelle, wo wir einen unverstellten Ausblick auf den Vulkan haben und bekommen unseren Mund vor Staunen kaum noch zu! Wie ein Springbrunnen spuckt der Ätna sein glühendes Lava hunderte von Metern (später erfuhren wir, dass es sogar Kilometer waren) in den dunklen Himmel. Es ist ein unglaubliches, ein zugleich schönes wie auch etwas beängstigendes Erlebnis, das mit anzusehen. Wir sind ja nur ca. 15km vom Krater entfernt, am unteren östlichen Rand des Vulkans. Fasziniert begucken wir uns mindestens eine Stunde lang das Feuerspiel an und machen Fotos, was das Zeug hält. Auch später gehen wir immer noch einmal wieder aus dem Wohnmobil, um zu gucken, ob die Eruption immer noch weitergeht. Wir liegen schon lange im Bett, Stefan schläft bereits, höre ich es auf unser Wohnmobildach tröpfeln. Ich wundere mich, freue mich schon etwas darüber, dass es nun eventuell etwas abkühlt und gehe noch einmal raus. Es regnet auf mich, aber ich werde nicht nass. Es ist getrocknete Lava, die in der Größe von Hagelkörnern bis feinem Sand vom Himmel auf mich fällt, ein unangenehmes Gefühl, es tut leicht prickelnd weh. Ich wecke Stefan und wir laufen mit Schirm noch einmal vor zum Haus, um sehen zu können, wie der Ätna nun aussieht. Der Feuerstrahl ist nicht mehr da, aber soweit man im Dunkeln sehen kann, schleudert er nun Ascheregen in die Luft. Wir gehen zurück ins Wohnmobil und haben ein nicht mehr ganz so gutes Gefühl. Selbst wenn wir nicht von Asche zugedeckt werden, ist sie auf den Straßen äußerst unangenehm, denn sie macht sie äußerst rutschig. Deshalb stehen in der Gegend überall Schilder, dass Zweiräder bei Asche gar nicht fahren dürfen. Wir hoffen, dass wir am kommenden Tag sicher zu unserer gebuchten Wohnung in Ravenusa gelangen können.

31.8.21
Wir kommen heile vom Ätna weg. Heute Morgen liegt er wieder friedlich im Dunst, auf den Straßen ist aber deutlich zu sehen, bis wo er seine Asche letzte Nacht verteilt hat. Heute ist der heißeste Tag unserer ganzen bisherigen Reise und wir fahren auch noch in die heißeste Ecke der Insel! Ravenusa ist ein wohl eher unbedeutender Ort im Südwesten Siziliens und wir fahren nur deshalb hierhin, weil wir bei Booking eine bezahlbare Wohnung mit Air Condition gefunden haben. Letzteres war das einzige Kriterium, das wir für unseren Urlaub vom Reisen hatten. Nun können wir 3 Tage und Nächte der glühenden Hitze entfliehen und nur in der erträglichen Zeit die Umgebung erforschen. Auf der Strecke nachdem wir unsere kurvige Bergwelt mit den engen, steilen Gassen verlassen haben und auf der Autobahn sind sehen wir Weinanbau,, eine Plantage mit Pfirsichen oder Nektarinen, abgemähte Kornfelder und noch andere Felder, von denen wir nicht wissen, was da darauf wuchs. Sonst nur trockene Hügel- Steppenlandschaft mit manchmal bizarren Felsen.
Von den Bränden in Catania, vor denen wir von zuhause aus immer gewarnt werden, haben wir seit wir in Messina auf der Insel gelandet sind, nichts mitbekommen. Als wir vor 2Tagen von der Fähre zu unserem Übernachtungsplatz bei der Farm am Vulkan gefahren sind, sahen wir an zwei Stellen von der Autobahn aus kleinere Brände und heute auf dem Weg in den Süd-Westen ein paar vereinzelte abgebrannte Felder. Es ist aber auch dermaßen trocken und heiß in dieser Gegend hier, das es ein Wunder ist, dass die hier überhaupt etwas anbauen können.
Am Nachmittag erreichen wir Ravenusa. Unsere Ferienwohnung, eigentlich ist es ein ganzes Haus, ist mitten in den engen Gassen der Innenstadt und dort, wo unser Navi uns hinschickt, finden wir es nicht. Wir entscheiden uns, das Womi erstmal an einer etwas breiteren Stelle der Straße abzustellen und zu Fuß weiterzusuchen. Nach einer Weile finden wir unser Ziel. Das Navi wollte uns durch eine ca. 1 1/2m breite Schneise zwischen zwei Häusern durchnavigieren! Die Vermieter sind nett, sprechen aber nur italienisch, davon aber auch gleich sehr viel. Wir haben nur Bahnhof verstanden 😅. Die Air Condition funktioniert, die Fenster und Türen kann man gegen Hitze verrammeln, wir können duschen, kochen und schlafen – was wollen wir mehr? Mit Hilfe des Vermieters, der vorfährt schaffen wir es, unser Womi auf dem Parkplatz des Hauses zu parken. Ob wir diesen Weg jemals alleine finden, steht in den Sternen. Unsere Wohnung bzw Haus hat mehrere kleine Zimmer, die ineinander übergehen, wir haben also richtig Platz und jeder ein Zimmer zum Schlafen. Abends klopft ein Nachbar, der Jahre lang in Deutschland gelebt hat und bietet uns an, bei eventuellen Problemen zu übersetzen. Ein sehr nettes Angebot!

2.8.21
Draußen 41⁰ bei uns drinnen mit Air Condition auf 17⁰ haben wir ca 23⁰ und bewegen uns bis 17:00Uhr nicht vom Haus weg. Wir nutzen die Waschmaschine in unserem Ferienhaus für große Wäsche, lesen, schlafen und naschen Tiramisu. Erst am späten Nachmittag wagen wir es, noch einen Ausflug in das ca 25 km entfernte Licata zu machen. Google hat uns natürlich mitten ins Zentrum geführt und wir müssen erst mal suchen, wo der Strand ist, dessen Bild bei Google bei der Stadt erscheint. Er liegt direkt hinterm Hafen und hat zwar einen schönen Sandstrand mit felsiger Kulisse, aber das Wasser ist längst nicht so klar wie an den Stränden zuvor. Es ist aufgewühlt und hat auch einige Algen. Meinen Kopf habe ich versucht, über Wasser zu halten. Irgendwie habe ich immer im Hinterkopf, wie viele unschuldige Menschen hier im Mittelmeer vor Sizilien bereits ihr Leben lassen mussten. Unser Heimweg wird spannend. Hoffentlich finden wir unser Domizil wieder, denn trotz Google maps ist das nicht einfach, wenn man nicht alle Straßen fahren kann. Sie sind nicht nur schmal, sie haben auch meistens überhängende Balkone, die für unser Womi gefährlich werden können. Wir finden wieder nicht direkt zum Haus und parken dort, wo wir am Vortag erst standen und gehen noch in die Fußgängerzone, um etwas zu essen. Spätabends klopft es wieder. Der Nachbar teilt uns mit, dass wir das Womi da wegfahren müssten, weil jemand nicht durchkäme. Oh, oh! Wir machen uns auf den Weg. Wir erinnern uns an ein auffälliges Haus an der Straße, die direkt zu unserem führt und an dem wir uns zu Fuß orientiert hatten. Im möglichst weiten Bogen und nur über etwas breitere Sträßchen finden wir mit dem Wohnmobil den Weg zum markanten Haus und demit auch zu uns. Es ist wieder Millimetersache, zwischen den Balkons hindurch rückwärts einzuparken.

3.8.21
Heute wagen wir uns gegen 15:30Uhr in die Hitze und fahren zu den Archäologischen Stätten von Agrigent. Da es dort auch einen nett angelegten Garten gibt mit Zitrusbäumen, Olivenbäumen, Granatapfelbäumen und vielem mehr, sind die über 30⁰ erträglich. Wir dürfen sogar aufgrund meines Behindertenausweises beide kostenlos hinein. Das hat mich doch etwas dafür entschädigt, dass ich auf dem Ätna zu kaputt zum rumlaufen war und nur für die Gondelfahrt 30€ berappt habe.
Wir fahren wieder an zahlreichen Weinfeldern, die meist mit einem Netz oder Planen abgedeckt sind, vorbei. Auch Obstplantagen, ich glaube, es handelt sich um Granatäpfel, kann es vom Auto aber nicht gut erkennen, und abgemähte Felder bestimmen das Bild. An einigen Stellen sehen wir verbrannte Felder und Grasnaben entlang der Straße und es liegt noch ein Hauch von Rauchgeruch in der Luft. Ich frage mich hier ständig, wie bei dieser Hitze und Trockenheit überhaupt etwas gedeihen kann, aber offensichtlich funktioniert es, denn Sizilien erscheint mir nur aus Agrarland zu bestehen, was ich im Internet mit 75% Anteil nahezu bestätigt finde. Wirklich scheußlich sind die Müllberge überall am Straßenrand und auf Park- oder Rastplätzen, so als würden die Leute ihre Mülltüten einfach aus dem Fenster schmeißen.
Morgen fahren wir weiter nach Salemi, ganz im Westen Siziliens. Wir haben auch dort für zwei Nächte wieder eine FeWo gebucht. Es macht keinen Sinn, wenn man sich den ganzen Tag nur irgendwo in Cafés und im Supermarkt herumdrückt, weil es draußen nicht auszuhalten ist und dann nachts nicht schlafen kann. Wir haben uns entschieden, die Fähre von Palermo nach Napoli/Neapel zu nehmen und auch bereits für Samstag gebucht. Die letzte Nacht vor der Fährfahrt am 7.8. wird hart genug werden im Womi und in Napoli sind wir uns auch nicht sicher, wie wir es am besten machen, da wir nachts ja auch einen sicheren Platz fürs Womi brauchen. Es scheint so, dass nicht so leicht eingebrochen wird, wenn man drinnen ist. Napoli ist ein heißes Pflaster, wir gehen sicher auf einen offiziellen Stellplatz.

4.8.21
„Es wird gesagt, dass Filippo Bentivegna seine bekannten Gesichter als seine Untertanen darstellte“, tatsächlich liebte er es, von den Leuten Seine Exzellenz genannt zu werden.“
Der aus einer armen Familie aus Sciacca stammende Künstler konnte aus Geldmangel nicht zur Schule gehen. Er verbrachte ab seinem 20. Lebensjahr 4Jahre bei der Navi von 1908-1912, fand aber bei seiner Rückkehr keine Arbeit und wanderte aus nach Amerika. Seine eigenwillige Kunst kam auch dort nicht gut an und seine große Liebe verlor er an einen Anderen. Krank und stark verändert kam er nach Sciacca zurück, kaufte sich einen Bauernhof und malte und schnitzte hunderte von Köpfen unterschiedlicher Charaktere. Diese waren für ihn Untertanen. Er verstarb krank in Sciacca.
Diese „Outsider Art“, wie die Kunstwerke hier im Castello Incantato in Sciacca genannt wird, besuchen wir. Es ist wirklich sehr beeindruckend, in einer Art Garten zwischen all diesen Köpfen herzugehen. Es gibt auch eine Höhle mit mehreren kleinen Eingängen, in deren Wände er Gesichter hineingemeißelt hat. Nach diesem Kunstbesuch statten wir der Stadt Sciacca noch einen Besuch ab, weil wir zu früh dran sind für unsere Ferienwohnung in Salemi. Mir wird aber gleich etwas dösig im Kopf durch die Hitze, sodass wir zum nächsten Café flüchten und nur den ganz netten Blick über den Hafen von der Stadt aus in Erinnerung behalten werden. Danach fahren wir nach Salemi, im Westen Siziliens. Unterwegs kommen wir an mehreren Stellen vorbei, wo es in der letzten Zeit augenscheinlich auf Feldern und an Straßenrändern gebrannt hat und von weitem sehen wir auch noch einen Hügel mit Qualm und an einer Stelle loderten sogar noch die Flammen. Bei Google gibt es eine Karte mit allen aktuellen Bränden in Italien und im Rest Europas. Ein Roadtrip durch Italien mutet inzwischen etwas wie eine Fahrt durch ein Labyrith an. Es wird allmählich Zeit, dass wir von Sizilien mit seinem feuersbrünstigen Ätna und all den Feuern überall wegkommen. An die Coronagefahr haben wir bei unserer Reise gedacht, aber mit Vulkanausbruch, Bränden überall im Land und Überflutungen bei den großen Seen im Norden haben wir nicht gerechnet. Wären wir in Deutschland geblieben, hätten wir aber ebenfalls mit ständigen Unwettermeldungen gelebt und würden all die schönen Orte hier nicht sehen.
Wir hatten mit unserem Vermieter ausgemacht, zwischen 15-16Uhr zu kommen. Wir sind etwas zu früh und Handwerker und Reinigungskräfte vertrösten uns für eine weitere halbe Stunde. Als wir nach 45Minuten wiederkommen, sind die Handwerker immer noch dabei, Küchenschränke aufzubauen. Es sieht definitiv nicht danach aus, als könnten wir die Wohnung gleich beziehen! Allmählich etwas entnervt warten wir mindestens noch einmal eine halbe Stunde auf dem Balkon, bis der eine Handwerker uns zu verstehen gibt, dass die Küche leider noch nicht zu benutzen sei. Er bietet uns an, eine Küche in der 5.Etage – schätzungsweise die Personalküche – zu nutzen, aber ansonsten könnten wir ja in unsere Wohnung einziehen. Das macht mich ziemlich sauer. Wir haben schließlich für eine FeWo mit Küche bezahlt und wolltn nun nicht zwischen EG und 5.Etage hin- und her rennen! Wir wollen endlich den Vermieter sprechen. Einen Schlüssel haben wir ja auch noch nicht. Unter diesen Bedingungen soll er auf jeden Fall einen Teil des Geldes zurückzahlen. Als der Vermieter nach weiteren 15Min kommt, klärtesich alles zur Zufriedenheit auf. Die Wohnung ist komplett neu, aber er hat Probleme an diesem Tag, Anschlussteile für Gas und Spüle zu bekommen und die Wohnung nicht früh genug gesperrt bei Booking Er schlägt uns vor, uns heute Abend ein Abendessen im Restaurant zu bezahlen und morgen früh könnten wir in seinem Café in der Stadt frühstücken. Die Handwerker würden dann morgen früh die Anschlüsse erledigen und danach könnten wir dann die Küche benutzen. Das Angebot klingt natürlich sehr annehmbar. Er führt uns am Abend zu einer Pizzeria, da das einzige Restaurant im Stadtkern geschlossen hat und wir nicht mehr fahren wollen. Die Pizzen sind super und ganz anders als bei uns. Meine Lachspizza z.B. ist mit heller Soße, Rucola und Balsamico und Stefan hatte eine mit Gemüse gefüllte Pizza mit noch einen runden gefüllten Teil dazu. Den Namen haben wir dummerweise vergessen. Beide sind super lecker. Danach schlendern wir durch die beleuchtete Altstadt, die wirklich etwas Besonderes ist. Inmitten steht über allem eine Burg. Die Gassen ziehen sich darum herum wie in einer Spirale und man hat wiederum Ausblicke auf die tieferliegende Umgebung. Es gibt zahlreiche Kirchen,und an mehreren Stellen tronen Heiligenfiguren auf Sockeln und sind stark beleuchtet. Im Gegensatz zu anderen Städten, in denen abends der Bär los ist, sprich alle Einwohner bevölkern die Bars und Restaurants, sitzen plaudernd auf den Bänken oder kurven mit Auto oder Roller durch die Gegend, ist es heute Abend in Salemi total ruhig. Nur wenige Menschen halten sich draußen auf und viele Bars haben bereits geschlossen. Das lässt die Stadt aber deshalb nicht langweilig erscheinen, sondern eher geheimnisvoll.

5.8.21
Mit einem guten Frühstück beginnt der Tag. Wie versprochen dürfen wir bei unserem Vermieter in seinem Café Tazze Pazze kostenlos frühstücken, während in unserer Fewo Wasser und Gas in der Küche angeschlossen wird. Das genießen wir sehr bei angenehmen 28⁰. Währenddessen beobachten wir und viele Einheimische, wie ein kleiner, vollbeladener LKW, der eindeutig größer ist als unser Womi, mit viel Mühe und mehreren Ansätzen durch die enge Gasse, rückwärts zwischen zwei Häuser einzuparken versucht. Es geht um Millimeter!
Unser erstes Ziel ist heute der Tempel und das Theater von Segesta. Man geht davon aus, dass der 500Jahre vor Christus gebaute Tempel noch gar nicht ganz fertiggestellt war, denn um die Säulen zu schützen, ist bis heute noch eine Schutzschicht vorhanden. Und da beschweren wir uns, wenn ein Flughafenbau bei uns mal etwas länger dauert?😂
Das Theater gilt als eines der schönsten griechischen Amphitheater und ist nicht einmal auf griechischem Boden.

Nach Segesta besuchen wir die Hafenstadt Trapani, dessen Innenstadt einen luftigen und noblen Eindruck machte. Nicht nur die Post im Stil des Arte Nouveau, auch die Gebäude der Regionalregierung und andere Verwaltungsgebäude sind in beeindruckenden Palazzos untergebracht. Eigentlich war noch ein Strandbesuch eingeplant, aber das wird uns zu spät. Wir vermeiden möglichst, bei Dunkelheit zu fahren wegen der engen und kurvigen Straßen und weil abends alle Italiener aus ihren Löchern kommen und die Fahrerei auf den Straßen dann noch wilder ist. In unserer Abwesenheit wurde unsere Küche fertig installiert und wir können uns unser Abendessen in einer komplett neuen Küche kochen. Morgen müssen wir die schöne Wohnung leider schon wieder verlassen und uns steht eine sicherlich heißere und unruhigere, kurze Nacht im Womi im Hafen von Palermo bevor. Wir fahren am Samstag um 8:45Uhr mit der Fähre nach Neapel und müssen spätestens 2Stunden zuvor einchecken. Dann ca 9Std Überfahrt und abends dann Übernachtungsplatzsuche in Neapel.

6.8.21
Um 12 Uhr ist Schluss mit unserem schönen Appartement, jetzt heißt es wieder Womileben, zumindest bis wir was bezahlbares und gescheites in Kampanien finden. Die ganze Ecke um Neapel, Vesuv und Amalfiküste scheint richtig teuer und gleichzeitig dennoch gefährlich, was Autoeinbrüche angeht. Naja, wir werden sehen. Heute haben wir auf dem Weg nach Palermo noch Halt an der Küste beim Naturreservat Capo Rama gemacht. Man kann dort sehr schön oberhalb der Steilküste spazierengehen, unter sich die brausenden Wellen des kobaldblauen Meeres. Das Gebiet ist seit 1968 vom WWF aufgrund seiner besonderen Vegetation geschützt. Außerdem gibt es zwei alte Wehrtürme. Weil es immer noch zu früh für Palermo uar halten wir noch für einen Kaffeestopp an der Küste, bevor wir uns in das Moloch Palermo stürzten. Der Parkplatz an der Straße ist eigenlich nur für PKWs, aber sollen wir deshalb auf unseren Kaffee verzichten? Wir wagen es und behalten das Womi im Blick. Plötzlich fährt Polizei vor und Stefan schleicht sich möglichst unmerklich aus der Bar. Ich gehe ruhig, als hätte ich alle Zeit der Welt, zum Tresen, um zu zahlen. Ich muss warten, denn die Polizisten sind gerade mit der Wirtin im Gespräch. Inzwischen fährt Stefan vor die Tür, um mich einzusammeln. Ich zahle und niemand kümmert sich um uns. Die Polizisten wollten anscheinend selbst nur etwas zu essen kaufen.

Wir erreichen Palermo und ich weiß nicht, was Menschen an dieser Stadt begeistert. Uns erscheint sie laut, verdreckt, voller chaotischem Verkehr und wohl auch mit hoher Kriminalität. Alles was einen Motor unterm Hintern oder der Motorhaube hat, fährt hier als gäbe es keine Regeln. Wenn’s nicht klappt, wird gehubt. Überall liegen stapelweise Mülltüten auf den Bürgersteigen, oder der Müll verteilt sich so überall. Es ist staubig und voller Abgase und die Altstadt besteht eigentlich nur aus Kneipen und Restaurants. Ich habe noch nirgends ein so großes Alkoholangebot gesehen wie hier. Bierkneipen, Cocktailbars, Vinotheken und Alkoholgeschäfte reihen sich aneinander. Nett ist eigentlich das Streetfoodangebot, aber für uns als Vegetarier meist nicht essbar. Also wird es wieder eine Pizza, noch dazu eine schlechte. Auf den großen Parkplatz beim Hafen lassen sie uns als Womi nicht drauf. Keine Ahnung, ob die Wärterin denkt, wir wollten eigentlich zum Hafen, auf jeden Fall winkt sie gleich drei Womis weg. Was nun? Ich pickte irgendeinen Parkplatz aus der Google Karte, der möglichst nahe erscheint. Unsere Nerven liegen von den gefährlichen Fahrmanövern schon ziemlich blank. Wir müssen morgen früh schon spätestens um 6:40 zum Fähranleger kommen, deshalb können wir nicht weit außerhalb parken. Wir finden einen Parkplatz entlang einer nicht so befahrenen Straße, der aber grottenschief ist. Keine Ahnung, wie wir da schlafen sollen. Wir holen uns Parkscheine beim nächsten Tabacci und zahlen bis 20:00Uhr pro Stunde 1€, was OK ist, danach ist frei. Ein Typ, der anscheinend zur Versicherung gehört, vor der wir stehen, versucht uns zu vermitteln, dass wir aufpassen sollen, weil es vorkommt, dass Jugendliche Autos aufbrechen. Wir gehen trotzdem eine Runde, um die Lage abzuchecken. Nach 1 1/2Std gehen wir nochmal beim Womi vorbei und alles ist ok. Der Typ steht allerdings auch noch vor der Tür der Versicherung. Da kann er gerne ein Auge auf unser Womi werfen. Wenn wir unsere Pizza fertiggegessen haben, werden wir uns dann langsam in unser Nachtdomizil wagen. Es reizt uns gar nicht, bei 31⁰ drinnen. Ich bin froh, wenn wir morgen Abend gut in Napoli ankommen und irgendwo außerhalb ein ruhiges Plätzchen finden.
Die Sizilianer scheinen wirklich verrückt zu sein. Nicht nur, das offensichtlich Bauern trotz der Dürre und all der Brände ihre Felder abfackeln, als es dunkel wir gibt es in Palermo auch noch ein Feuerwerk! Letzte Woche, als wir von überall geschrieben bekamen, dass in Catania große Brände wären, haben wir auch dort von unserem Nachtplatz am Ätna aus über der Stadt ein Feuerwerk gesehen. Das ist echt krank bei der Trockenheit!

7.8.21
Die letzte Nacht war mit Ventilatoren und einmal umparken gar nicht so furchtbar. Klar war es heiß, aber zumindest standen wir gerade und ich bin nur gelegentlich aufgewacht, aber immer wieder eingeschlafen. Umso härter ist es, als um 1/4 vor 6Uhr der Wecker schellt. Es ist aber gut, dass wir so früh losfahren, denn Google führt uns erstmal in die Irre und dann blockieren LKWs die Hafeneinfahrt und wir wissen nicht recht, ob wir überholen dürfen. Als mehrere PKWs vorbeifahren, folgen wir ihnen und sind bei den ersten auf der Fähre. Dummerweise bedeute das heute Abend, als allerletzte wieder runterfahren zu können. Das sogenannte“Sonnendeck“ ist dann sehr ernüchternd. Es gibt dort keinerlei Sitzmöglichkeiten. Alternative sind die Restaurants, aber wir haben unser Fresspaket mit, sind die Sitzecken in Nullkommanichts belagert und außerdem wollen wir uns nicht stundenlang in geschlossenen Räumen mit vielen Menschen aufhalten, die dort ja keine Maske tragen müssen, weil es Restaurant ist. Wie gut, dass wir unsere Campingstühle im Womi haben und Stefan sie auch noch rechtzeitig rausholen kann, bevor das Parkdeck verschlossen wird. Wir verbringen somit unsere Fahrt recht angenehm trotz mangelhafter Fähre. Natürlich hätten wir auch Sessel vorher für viel Geld buchen können, aber wer will schon in einer kinoartigen Bestuhlung, mit vielen anderen Leuten, stundenlang mit Maske in einem Raum sitzen? Gegen 18:30Uhr laufen wir in Napoli/ Neapel ein und finden dann auch einen bewachten Stellplatz durch unsere Park4night APP. Eine Woche nach unserem Vulkanausbruch beim Ätna stehen wir wieder unterhalb eines Vulkans. Der Vesuv

ist glücklicherweise etwas verschlafener und wird uns sicher nicht wieder mit Lavaregen überraschen.

8.8.21
Pompei kennt jeder, aber es hat damals auch andere Städte getroffen, zum Beispiel Ercolano. Die, laut einem Führer reichere Stadt, konnte nach seinen Informationen bedeutend besser aus der Lavahülle befreit werden. Tatsächlich sind viele unterschiedliche Gebäude sogar auf mehreren Stockwerken noch erhalten. Man erkennt Bodegas, ein römisches Bad für Frauen und Männer, unterschiedliche Handwerksbetriebe bis hin zu Wandgemälden in den Wohnräumen der Bewohner. Die Bilder wurden in vier Schichten auf die Wände gebracht und zum Teil besser vorgefunden, als manche Kunstwerke des Mittelalters. Römer wie auch Griechen konnten zu ihrer Zeit bereits Perspektiven in ihren Bildern darstellen und sie gaben den Kunstwerken auch Rahmen, die einfach drumherum gemalt wurden. Ich frage mich, was von unserem heutigen Leben nach solch einem vernichtenden Vulkanausbruch wohl tausende Jahre später noch erkennbar wäre. Bilder sicher nicht.
Nach dem beeindruckenden Eintauchen in die Zeit vor 2000Jahren fahren wir mit dem Vorortzug nach Napoli hinein. Nach der Erfahrung gestern Abend mit dem chaotischen Verkehr, Müll überall, Menschen, die auf den Bürgersteigen leben in Resten von Sperrmüll und Prostitution an der Straße, sind wir erstmal geschockt. Wir wollen auf keinen Fall mit Wohnmobil noch einmal in die Innenstadt, auch weil die Parksituation für uns entweder viel zu teuer (20€ /Tag) oder unmöglich ist. Wir kaufen also ein Ticket und der erste angegebene Zug fällt einfach aus. Wir warten mit Masken bei ca 36⁰ im Bahnhof. Der nächste kommt ca 1Std später. Wir kommen am Bahnhof Porta Nolan an und geraten gleich ins Viertel Mercato. Wie der Name sagt, das Marktviertel, allerdings könnte es so evtl auch in Indien sein. Die Gegend ist total runtergekommen. Der Müll und Gestank erinnerte mich an Rio. Migranten aus aller Welt verkaufen außer Fisch und Obst auch alle möglichen Ramschsachen. Ein paar Straßen weiter dann prächtige alte Bauten unterschiedlicher Epochen und Mülltonnen für Mülltrennung. Wir kommen zu der Ansicht, dass man Napoli nicht an einem Tag und nicht so,wie wir derzeit reisen, also mit Womi ansehen kann. Die Stadt ist groß und vielschichtig und hat sicher einiges zu bieten, so dass es sich lohnen könnte, eine Zugreise mit einen mehrtägigen Aufenthalt in einer Unterkunft und Metroticket zu einem anderen Zeitpunkt, also bestimmt nicht Hochsommer, zu machen. Bei der Zugfahrt zurück nach Ercolano, wo unser Womi steht, habe ich diesen Plan aber schon fast wieder verworfen, zumindest die Idee per Zug zu reisen. Als wir kommen, erhalten wir unterschiedliche Auskünfte, wo unser Zug abfahren soll und als wir dann endlich das Gleis finden, fährt uns der Zug direkt vor der Nase weg. Der nächste soll eine Stunde später kommen, wir können aber nicht mehr aus dem Bahnhof raus, weil unser Ticket an der Sperre bereits entwertet wurde, also wieder langes Warten in der Hitze. Plötzlich sehe ich, dass ein ein weiterer Zug eingesetzt wird, der nach ca 10 Min Wartezeit fahren soll und einige Leute einstieigem. Denkste, der Zugführer macht den Zug immer wieder an und der geht genauso oft wieder aus, als wäre er kaputt, bis er dann pünktlich zu der Uhrzeit, an der der nächste fahren sollte, plötzlich abfährt.🙄 Später entnehmen wir dem Internet, dass auch in Italien die Bahn streikt, leider gab es aber vor Ort keinerlei Info darüber. Nun haben wir eine weitere heiße Nacht auf einem vermüllten Parkplatz, aber umsonst vor uns. Da wir die letzte Nacht auf einem Stellplatz waren, der eigentlich auch nur ein Abstellplatz war, aber Dusche und Strom hatte und vorne jemand saß, dafür aber 20€ bezahlt haben, denken wir , dass es auch billiger geht. Unsere Batterie ist bei dieser Reise wirklich prima. Etwas unruhig schlafe ich dennoch, denn auch nachts fahren immer mal wieder Autos ab oder kommen an. Wir versuchen möglichst unbemerkt im Womi zu übernachten, weil es ja nur ein kostenfreier Parkplatz ist und kein Stellplatz. Mitten in der Nacht fährt ein Rettungswagen mit Blaulich vor und scheint auch jemanden ein paar Meter entfernt von uns einzuladen. Was da los ist, kann ich aber von meinem Alkoven nicht erkennen und Stefan schlummert wie immer und bekommt von allem nichts mit.

9.8.21
Nach Ercolano nun Pompei. Es ist schier unglaublich, wie die Menschen hier 79 nach Christi bereits gelebt haben! Beide Städte müssen einmal wunderschön gewesen sein. Die Häuser innen mit viel Stuck und Gemälden verziert, Innenhöfe mit Gärten, und sie müssen zu leben gewusst haben, denn die Anzahl der Theater, Sport- und Badeeinrichtungen, Bodegas und Restaurants ( man sieht häufig Häuser mit runden, gemauerten Öfen oder Töpfen, ein Führer nennt sie die „MC Donalds der Antike“) gibt es zahlreich und von jetzt auf gleich war alles unter Asche und Lava begraben. Besonders berühren mich die versteinerten Tiere und Menschen, denen man ihre Panik oder Hoffnungslosigkeit noch heute ansieht. So furchtbar der Ausbruch war, er gibt uns heute die Möglichkeit, einen tiefen Einblick in das Leben der Menschen von damals zu bekommen. Eine bessere Konservierungsmethode scheint es kaum zu geben. Was wird von uns einmal in 2000 Jahren erhalten bleiben und was werden die Menschen einmal zu unserer Kultur sagen?
Wir sind diese Nacht auf einem Campingplatz direkt gegenüber der historischen Stätten. Es ist hier verdammt schwer, etwas vernünftiges und bezahlbares zu finden. Wir haben auch beschlossen, den Vesuv nicht zu besteigen. Man muss vorher ein Zeitfenster buchen und wir wissen nicht, ob Womi die 1000Höhenmeter gut wegsteckt und auch mit der Bucherei eines Busses ist das schwer zu koordinieren. Außerdem wollen wir aus dieser touristischen Ecke weg, wo alles doppelt so teuer ist und wir auf einfachen Parkplätzen nachts eingehen, die teuren Stellplätze aber auch kaum mehr zu bieten haben, als Womi neben Womi wie in einer Konservendose. Wir genießen den Blick auf den Vesuv und damit ist es gut. Ebenso haben wir die Amalfiküste gerade gestrichen. Nicht nur, dass Camping unter 40€ kaum möglich ist, habe ich gerade gelesen, dass Wohnmobile nur zwischen 22Uhr und frühmorgens die Küstenstraße befahren dürfen. Was haben wir denn davon? Der Blick von dieser Straße auf die Küste ist doch der Grund, dorthin zu fahren. Ne, morgen geht es ins Landesinnere und im großen Bogen um Rom herum. Zum Einen waren wir dort schon, zum Anderen tun wir uns die Stadtfahrerei dort sicher nicht an.

10.8.21
Heute ist mehr oder weniger nur Fahrtag. Von Pompei brechen wir auf ins Landesinnere nach Caserta, das durch seinen Königspalast berühmt ist. Der barocke Palast ist eines der größten Schlösser Europas und er wirkt wirklich gigantisch, wenn man davor steht. Leider bleibt uns ein Besuch verwehrt, da heute Ruhetag ist. Wir würden wenigstens gerne den Garten ansehen, aber alles ist dicht. Da wir zur Mittagszeit ankommen, ist auch die Fußgängerzone wie ausgestorben. Bei der Hitze keine Siesta zu machen wäre ja auch ziemlich dumm von den Italienern, aber für uns gibt es ja leider nur wenig Rückzugsmöglichkeiten. Eigentlich haben wir wieder eine Stadt mit engen und somit kühleren Gassen erwartet, aber hier sind die Straßen der Fußgängerzone eher breit und mit feinen Boutiquen. Außer in der Fußgängerzone ist die Stadt sehr auf Autos eingestellt, und Fußgänger haben das Nachsehen, ebenso wie Womis. Wir entschließen uns, nicht wie geplant in der Nähe auf einen Stellplatz zu gehen, sondern noch ein paar Kilometer hinter uns zu bringen. Auf einer Karte im Internet können wir die derzeitigen Brände verfolgen, die hauptsächlich im Süden des Landes sind, bzw waren. Wir möchten nicht riskieren, irgendwo in ein brennendes Gebiet reinzugeraten bzw durch Umleitungen und Staus durch die Brände lange Umwege machen zu müssen. Wir fahren die meiste Zeit entlang der Küste und können einige nette Ausblicke genießen. Leider sind die Parkplätze bzw Haltebuchten immer auf der anderen Straßenseite und es istzu gefährlich, es mit dem Womi zu wagen, dort hinüber zu fahren. Wir würden große Probleme bekommen, wieder in unsere Spur zurück zu kommen. Die Fahrweise hier in Italien und besonders im Süden verlangt Stefan so schon die höchste Konzentration und Reaktionsgeschwindigkeit ab. Wir kommen heute bis 89 km südlich von Rom, wo wir morgen den Nationalpark Circeo an der Küste besuchen möchten. Ach ja, unterwegs lassen wir uns bei einer Fordwerkstatt noch zwei neue Abblendlichter einbauen. Sie sind vor Tagen beide auf einmal kaputtgegangen, sodass wir auf die Sicherung getippt haben, aber beide Leuchtkörper sind kaputt. Ich schätze mal, eine Folge des Gerumpels auf teilweise recht schlechten Straßen.

11.8.21
Von Nationalpark zu Nationalpark könnte man den heutigen Tag beschreiben. Am Morgen wandern wir im Nationalpark Circeo erst im Wald zu einem Fluss und danach fahren wir zu einem Aussichtspunkt oberhalb der Steilküste. Die Fahrt ist wahrhaft abenteuerlich. Die Straße ist sehr eng und kurvig, was aber für uns noch schlimmer ist, sind die Bäume und Büsche, die in die Straße hineinwuchern, sowie Mauern, die nach oben hin schief sind und die Straße noch schmaler machen. Unser armes Womi wird oben drauf und an den Seiten ganz schön gekratzt und teilweise müsseb entgegenkommende Fahrzeuge auch ein Stück zurücksetzen. Weder sie, noch die Autos und Motorräder hinter uns finden das toll, und sobald sich nur die kleinste Lücke auftut, schießen sie von hinten an uns vorbei.😱. Dass ein kleiner Smart und der darauffolgende Kastenwagen nicht aus der Spur fliegen, ist sicher nur einem ganzen Team von Schutzengeln zu verdanken.
Heute ist es wieder entsetzlich heiß. 38⁰ im Schatten und der Fahrtwind immer noch so heiß, dass er auf der Haut brennt, wenn man den Arm aus dem Fenster hält. Irgendwann wuird es Stefan zu bunt und er entscheidet, dass wir zu einem Campingplatz hoch in den Bergen in den Abruzzen fahren, um eine angenehme Nacht zu haben. Er liegt im Skigebiet auf 1149m und soll 25€ kosten. Ich freute mich schon auf Duschen und Pool, besonders, weil wir durch den staubigen Sand auf unserer Wanderung dreckige Beine bis zu den Hosenbeinen haben. Wir erhoffen uns erfrischende Kühle dort oben. Als wir gegen 18Uhr ankommen, stehen bereits 6 Camper auf einer freien Fläche vor dem Campingplatz. Der Platz ist überfüllt und laut einer italienischen Familie ist es daher OK, kostenlos auf dem Platz ohne alles, auch ohne Bäume, zu stehen. Na toll! Nix Pool oder Dusche, kein Stromanschluss, der sorgenfreien Gebrauch des Ventilators ermöglicht, und selbst in dieser Höhe zeigt das Thermometer noch 34⁰ an😥🥵. Außerdem haben wir hier oben nur sehr sporadisch mal Internetempfang, was die Planung der Weiterfahrt nicht vereinfacht. Ich bin erst ziemlich entnervt, aber nach einer Weile kühlt es sich ab. Gegen 20Uhr sind es noch 27⁰ draußen, das verspricht, dass es irgendwann nachts mal so bis 23⁰ runtergeht, eine Wohltat. Bei der exponierten Lage hier, wird die Nacht aber nicht sehr lang, weil früh um 7Uhr die Sonne schon wieder alles brät. Ach ja, zwischendurch regnet es zweimal! Letzte Nacht vielleicht 10Tropfen, gerade soviel, dass ich sie gehört und die Dachluke geschlossen habe, und heute auf der Fahrt noch ein „Guss“ von ähnlicher Stärke. Es ist hier dermaßen trocken, dass man schon Angst hat, bei einem Gedanken an Feuer eines zu entfachen.

12.8.21
Wir fahren wieder runter von unseren luftigen Höhen in den Abruzzen zum Lago del Salto auf ca 700m. Morgens unternehmen wir noch eine kleine Wanderung von fast 7km in der Bergwelt und Stefan ist ganz scharf auf die Sichtung eines Bären, die es hier gibt. Ich bin eigentlich recht froh, dass es nicht zur Life -Begegnung kommt. In Alaska, mit Rangern an unserer Seite, war das eigentlich schon spannend genug😅
Danach geht die Fahrt weiter mit obligatorischem Zwischenstopp bei Lidl, um ein Zitronen-Sorbet zu kaufen und zu genießen, zum Lago del Salto. Da es mal wieder schrecklich heiß ist, machen wir erst mal eine lange Pause auf dem Campingplatz im Schatten des Womis und schlemmern gekühlte Weintrauben. Erst nach 18Uhr gehen wir die 150m zum See runter. Mehr als einen Strand, eine Kirche und eine Pizzeria gibt es dort allerdings nicht und es ist immer noch zu heiß, um sich ans Wasser zu setzen. Der See sieht von oben schön aus, kommt uns aber nicht so richtig sauber vor. Er riecht leicht unangenehm und fordert unsere Badelust nicht heraust, also drehen wir gleich wieder um zum Campingplatz, duschen, essen zu Abend und warten, bis es kühl genug zum Schlafen ist.

13.8.21
Unser Weg führt uns heute mal wieder in ein „Borghi più belli d’Italia“, also einen zu den schönsten Orten Italiens zählenden Städtchen, nach Civita di Bagnoregio, dem ältesten Teil von Bagnoregio, in dem man noch römische und etruskische Reste findet. Er liegt wahnsinnig imposant auf einem Felsen und ist nur mit einem Fußweg verbunden. Für den Besuch zahlt man zuvor. Dorthin zu kommen bei 38⁰ ohne Schatten ist schon ziemlich anstrengend, aber wenn man schon mal dort ist, lässt man sich das sicher nicht entgehen. Es ist schon sehr schön dort in den alten Mauern, aber auch recht touristisch. In den Restaurants werden zumeist Speisen aus den landwirtschaftlichen Betrieben der Region angeboten und es gibt vor den Toren der Civita Verkaufsstände mit getrockneten Pilzen, Früchten und einem Handel heimischer Waren.
Nach dem Besuch sind wir ganz schön ausgelaucht und froh, dass unser heutiger Stellplatz am Bolsenasee liegt und sogar einen eigenen Strand hat😍. Wir parken, schließen Strom an und ab geht`s auf die Liegewiese am See und ins feuchte, (nicht kalte) Nass. Es ist ein schönes Gefühl, mal nicht im Salzwasser zu baden, was sich im Anschluss immer so klebrig auf der Haut anfühlt. Der See ist zwar nicht so klar wie die meisten Strände, an denen wir waren, aber sonst echt ok. Er ist mit seinen 114km² ziemlich groß und wird von Google mit zu Italiens schönsten Seen gerechnet. Wir finden besonders unseren Strand mit gepflegter Rasenfläche, wo man seine eigenen Campingstühle aufstellen kann und nachher nicht alles sandig ist, besonders gut. Für ein paar Stunden halten wir da auch mal Sonnenanbetertourismus aus 😂.
Wie unterschiedlich doch die kostenpflichtigen Stellplätze sind! Beim letzten, wofür wir 20€ gezahlt haben, gab es einen Container mit zwei Damen- und einer Herrentoilette, sowie zwei Duschen. Die Toiletten hatten keinen Brill und die Duschen waren sehr special. Vor der Duschwanne war ein Duschvorhang und in höchstens 20cm Abstand eine Faltschiebetür, die nicht abschließbar war. Zur Erinnerung: der Container war für beide Geschlechter! Um sich umzuziehen, musste man sich in die Duschwanne stellen und hatte hoffentlich eine Tasche für seine Sachen dabei, um diese auf den einzigen Haken zwischen Schiebetür und Vorhang aufzuhängen, sonst hatte man ein Problem, wohin mit der trockenen Kleidung. Es gab im Container zwar einige Anweisungen in Italienisch, wie man duscht, ohne den Container unter Wasser zu setzen, aber bzgl Corona nicht ein Hinweis. Weder auf Maskenpflicht an der Rezeption oder auf den Toiletten, keine Desinfektionsmittel, nix.
Der Platz heute dagegen hat die Toiletten und Duschräume gesperrt und bietet nur eine kalte Außendusche an, was bei dem Wetter völlig ausreicht. An allen Wasserstellen stehen Desinfektionsmittel für die Hände und überall hängen Hinweise auf Abstandsregeln. Tja, so unterschiedlich sind hier die Ausführungen. In Italien gilt inzwischen bei öffentlichen Gebäuden und Innenräumen von Restaurants der Green Pass, also die 3G-Regel. Bei staatlichen Einrichtungen wird immer Fieber gemessen und der Green Pass überprüft, bei Restaurants steht höchstens ein Schild, dass für Innenverzehr ein Green Pass vorliegen muss, fragen tut niemand. Leider braucht man für öffentliche Verkehrsmittel den Nachweis nicht. Ich hoffe auf jeden Fall, dass wir unbeschadet wieder nach Deutschland kommen, wo die Inzidenzen ja ebenfalls wieder ansteigen.

14.8.21
Flucht in die Berge! Heute ist definitiv der heißeste Tag unserer Reise. Bei unserem ersten Stopp im Borgo di Buonconvento geht es gerade noch so, wenn wir uns im Schatten der Häuser entlangschleichen. Als wir allerdings aus einem klimatisierten Eiscafe kommen, haut es uns fast um. Nachmittags beim Lebensmitteleinkauf in der Nähe von Florenz schaffen wir es nur noch mit der Hilfe von einer 1000gr Packung Eis, einen klaren Kopf zu behalten. Laut WetterAPP haben wir 40⁰ im Schatten. Als ich beim Lidl im Eingang durch die Fiebermessung gehe, zeigt das Fieberthermometer 43⁰, nunja, dafür fühle ich mich dann doch noch ziemlich fit😅. Das Thermometer misst wohl eher die Hitze, die durch die Tür hereinkommt. Wir fahren heute richtig lange, rund 230km, was mit Stopps den ganzen Tag dauert, obwohl wir lange Zeit Schnellstraßen mit 90 km/h fahren können und uns nicht nur von Dorf zu Dorf quälen müssen. Eigentlich ist Letzteres ja interessanter, wenn wir nicht immer bangen müssten, irgendwo nicht durch zu kommen oder durch zu dürfen. Wir kommen zum Dorf Montepiano auf ca 700m Höhe, das auf einem Appeninnenpass liegt. Wir haben es wirklich nur auf Grund der Höhe und weil es hier von der Gemeinde einen KOSTENLOSEN Womistellplatz gibt, der außer Strom und Ver- und Entsorgung sogar eine Toilette und Dusche bietet, ausgewählt! Hier wird es tagsüber zwar auch ganz schön heiß, aber nachts kühlt es richtig gut ab. Die Highlights der Toskana wie Sienna und Florenz lassen wir links liegen, denn wer will schon in einem Hitzekessel der Kultur fröhnen? Außerdem waren wir zu Beginn unserer Beziehung schon einmal mit Freunden in der Toskana und haben beide Städte im Dezember bei strömenden Regen „genossen“. In Montepiano machen wir vor dem Abendessen noch einen kleinen Spaziergang, denn um 19Uhr ist das Klima erträglich. Morgen wollen wir Richtung Küste, um möglichst am Montag die Dörfer des Nationalparks Cinque Terre zu besuchen. Es ist gar nicht so einfach, das zu planen. Man kommt dort nur per Zug oder Boot hin und erwandert sich die bunten Örtchen. Problem ist, einen Parkplatz in der Nähe des Bahnhofs und einen Stellplatz fürs Womi in Livorno oder La Spezia zu bekommen. Zum einen dürfen wir nicht jeden nehmen und nicht überall durchfahren, zum Anderen sind die Dörfer ein Touristenhighlight und jeder will natürlich parken. Nunja, wir werden sehen. Erstmal sind es wieder fast 200 km zu fahren.

15.8.21
Wir fahren heute mal ein langes Stück mautpflichtige Autobahn, dennoch wird uns die Strecke bis La Spezia ziemlich lang. Unterwegs ist es wieder richtig heiß, aber hier in der Stadt ist es recht angenehm. Es kommt immer eine leichte Brise vom Meer und wenn die Temperaturen“nur“ noch bei 32⁰ liegen, fühlt sich das inzwischen fast erträglich an. Wir kaufen uns die Eintrittskarten inkl Zugtickets für die 5 Dörfer des Cinque Terre Nationalparks für morgen und parken auf dem wohl einzigen kostenfreien und für Womis zugelassenen Parkstreifen an der Kreuzung einer Durchfahrtstraße, nicht allzu weit vom Bahnhof. Wie wir heute Nacht hier schlafen, weiß ich noch nicht, aber eine andere Möglichkeit gibt es nicht.

16.8.21
Nachdem unsere Übernachtung an der Kreuzung gut geklappt hat, begeben wir uns heute Morgen bei angenehmen 27⁰ auf unseren Tagesausflug zu den 5 Dörfern, die den Cinque Terre Nationalpark bilden. Das Womi kann an Ort und Stelle kostenfrei den ganzen Tag stehen. Das ist sowas wie ein 6er im Lotto, dass wir dort gestern einen Platz ergattert haben, denn von dort ist es nur ca 1km zum Bahnhof. Mit unserer Tageskarte für den Nationalpark brauchen wir nun nicht mehr für Tickets anstehen und können gleich in den ersten Zug nach Riomagiore steigen. Uns wird schnell klar, dass dieser Tag wieder ein Corona- Risikotag werden wird, denn halb Deutschland und halb Frankreich scheinen genau dasselbe Ziel wie wir zur haben🙄 Tja, so ist es halt, wenn man in den Ferien reisen muss, weil man nicht weiß, ob danach noch die Grenzen offen sind. Wir tragen also im Zug und in den engen Gassen der Orte brav Masken, was zwar heiß und anstrengend ist, uns aber trotzdem nicht die Begeisterung für die bunten Örtchen, die sich malerisch an die Steilküste über dem Ligurischen Meer anschmiegen, nimmt. Im ersten Ort, in Riomagiore, gibt es noch einen Aufzug den Berg hoch, in den anderen Orten sind Treppen zu laufen. In den schmalen Gassen dürfen nur noch Sonderfahrzeuge wie Taxis, Müllabfuhr o.ä. fahren, weil sie extrem eng sind und voller Touristen. In den Häusern sind Cafés und Restaurants und winzige Lädchen untergebracht, und viele Einheimische vermieten Zimmer an Urlauber. Jedes Örtchen hat auch eine Badestelle, mal mit kleinem Sandstrand, mal kleine Buchten zwischen den Felsen. Nachdem wir den ersten Ort angesehen haben, entscheiden wir uns, bis zum letzten, Monterosso, mit den Zug zu fahren und auf dem Wanderweg oberhalb der Steilküste von dort nach Vernazza und Coniglia zu wandern. Danach ist der Wanderweg gesperrt, deshalb geht es weiter nach Manarola und zurück nach La Spezia dann wieder mit dem Zug. Den Eintritt zum Wanderweg haben wir mit unserem Tagespass bereits entrichtet. Der Weg erweist sich als anstrengender als erwartet, denn statt auf einer Höhe zu bleiben, führt er ständig steil bergauf und bergab. Meistens sind Stufen aus Bruchsteinen dafür gebaut. Der Weg ist besonders für meine Knie beschwerlich, die sich sicher noch morgen mit Schmerzen rächen, aber die Ausblicke sind es allemal wert. So habe ich heute 34279 Schritte, bzw 22,8 km zu Fuß hinter mich gebracht mit ca 480Höhenmetern und endlich die Cinque Terre besucht, die schon lange auf meiner Bucket List standen.
AmAbend fliehen wir dann von unserem Stadtparkplatz in die Natur. Wir fahren nach Equi Terme auf einen kostenlosen Stellplatz mit Wasser und Abwasser oberhalb des Thermalhotels. Auf dem großen Parkplatz sind wir fast alleine und Schatten gibt es auch. Morgen müssen wir mal gucken, ob wir die Badestelle im Fluss finden, wo eine heiße Quelle hineinläuft. Je nachdem, wie das Wetter wird, nutzen wir das dann für ein Bad. Heute waren die Temperaturen zum Glück viel erträglicher und nachts kühlt das Womi inzwischen auch runter bis 25⁰. Equi Therme liegt genau am Rand der Apuanischen Alpen, deren beeindruckende felsige Bergspitzen uns heute Abend schon auf dem Weg hierhin entgegenstrahlten. Was für ein toller Tag!

17.8.21
Heute ist ein reiner Fahrtag. Vor unserer Abfahrt erkunden wir noch etwas den netten Ort Equi Therme, wo wir kostenlos unter Bäumen und oberhalb eines Flusses mit warmer Schwefelquelle hervorragend übernachten konnten. Das war ein echter Zufallstreffer und der Ort inmitten der Berge ein richtiger Geheimtipp. Er ist wie viele Orte in dieser Region auch als europäischer Geopark anerkannt. Es gibt eine Grotte, die wir aber nicht besuchen können, weil ich gefragt habe, ob es ermäßigten Eintritt für Behinderte gibt. Daraufhin macht man mir deutlich, dass Behinderte nicht reingelassen werden. Wäre ja spannend zu wissen, welch außergewöhnliche Strapazen da auf mich zugkommen wären🤔
Kurz vor Mittag machen wir uns dann auf den ca 2 1/2stündigen Weg durch die steile und kurvenreiche Bergwelt nach Parma. Wir überberqueren den Appeninn Pass Ceretto, quer durch den Parco Nazionale Appennino Tosco- Emiliano. Wie der Name schon sagt, liegt der Nationalpark in den Regionen Toskana und Emilia Romana und ist eine Hochgebirgsregion. Unterwegs macht Stefan alleine noch eine 2-stündige Wanderung, während ich eine Runde schlafe. Wir müssen einkaufen und finden keinen Lidl und gehen deshalb in ein großes Einkaufscenter, was uns aber nur nervt. Die Auswahl ist zu groß und zu teuer, andere Dinge finden wir dagegen gar nicht. Wir sind durch die Hitze, die zwar nur noch um die 33⁰ laiegt und die lange Fahrt schon etwas genervt, was sich dann bei der nächsten Tankstelle, deren Automat unsere Kreditkarten nicht akzeptiert, nochmal steigert. Eigentlich haben wir schon die Nase voll, müssen aber noch Wäsche waschen. Zum Glück finden wir den Waschsalon in Parma sofort und der kostenlose Parkplatz, den ich zuvor herausgefunden hatte, ist auch direkt davor. Schnell füllen wir eine 14kg Maschine, unter anderem mit Bettlaken, mit denen wir uns nachts zudecken. Nach 45Min ist die Wäsche gewaschen, aber wir haben gerade noch 25Min bis der Waschsalon schließt. Damit haben wir nicht gerechnet. Eine Trocknung dauert zwar nur 15Mun, aber alle Baumwollsachen sind danach noch klamm und dass betrifft gerade unsere Laken und mein Schlafshirt und unsere Handtücher. Nun sieht unser Womi aus, als hätten wir vor, es zu verlassen und hätten die Möbel abgehängt und wir müssen sehen, womit wir uns heute Nacht zudecken. Wir fahren dann auch nicht mehr auf den 20€ Stellplatz , sondern übernachten auf dem Parkplatz vorm Waschsalon. Er liegt recht ruhig neben Sport- und Spielplatz in einer kleinen Straße, da sollte es sicher und nicht zu laut des nachts werden. Morgen laufen wir dann nach Parma hinein oder fahren mit den Rädern. Letztes mache ich aber nur, wenn überall Radwege sind, sonst fahren mir die Italiener zu halsbrecherisch.

18.8.21
Wir haben hervorragend auf unserem Parkplatz geschlafen und heute Morgen sind es gerade so um die 20⁰. Es wird dann im Laufe des Tages zwar wärmer, aber alles noch sehr angenehm. Parma begeistert mich sehr. Trotz normalem Wochentag ist es unheimlich ruhig und entspannt. Es sind kaum Autos auf den Straßen, ein paar Radfahrer auf den guten, von der Straße getrennten Radwegen und wenig Müll. Es gibt ausreichend freie Parkplätze. Man merkt eindeutig, dass wir nicht mehr in Süditalien sind. Die Autos fahren nicht mehr ganz so hektisch und es ist angenehm durch die Stadt zu schlendern. Parma hat viel Grün in der Stadt und es gibt zahlreiche wunderschöne alte Palazzios. Selbst die Post ist ein beeindruckendes Gebäude. Das ist die erste Stadt Italiens, in der ich mir vorstellen könnte zu leben.
Nach Parma fahren wir nur ein paar Kilometer weiter nach Sabbionetta. Der Ort ist Weltkulturerbe und auf kleinstem Raum befinden sich innerhalb der Stadtmauern zahlreiche sehenswerte Gebäude. Das für mich faszinierendste ist das Antike Theater Olimpico, das von 1588-90 nach Plänen des Architekten Scamozzi gebaut wurde, nachdem er das bekannte olympische Theater in Vicenza beendet hatte. Herzog Gonzaga hatte ihn hierfür in die Stadt geholt und beschäftigte nach Fertigstellung auch eine theatralische Komikertruppe. Nach seinem Tode verfiel das Theater, wurde als Stall, Kino und Kaserne verwendet, bis es 1969 restauriert und mit einer Show von Monteverdi wieder eingeweiht wurde. Das Theater genießt Weltruf. Es ist laut Wikipedia „das älteste noch vorhandene freistehende und nur für den Zweck des Theaters gebaute Gebäude Europas“. Ein paar Schritte weiter können wir den Palazzo Ducale besichtigen, in dem der Herzog und Personen seiner Zeit in ihrer historischen Kleidung zu bewundern sind.
In der Chiesa die San Rocco hat man eine Kirche in eine Pinakothek verwandelt mit unserer Meinung nach zum Teil sehr gewöhnungsbedürftigen sakralen Gemälden.
Rundherum ist es also ein gelungener Tag, der mit gemütlichem Kaffee und abends Wasser vor einer Bar abgerundet wird. Er hat wieder alle schlechte Laune von gestern vertrieben.

19.8.21
In Sabbionetta fehlt uns noch der Palast des Herzog Giardino, der gestern bereits geschlossen hatte. Gleich um 10Uhr stehen wir vor der Türe, um dieses schon von außen beeindruckend lange Gebäude von innen zu besichtigen. Es ist absolut erschlagend! Alle Räume sind rundherum und an der Decke mit Gemälden versehen, mit teils mythischen, teils sakralen oder auch aus der Natur und dem Alltag entsprungenen Motiven. Darüber hinaus gibt es noch Stuckverziehrungen, die häufig Köpfe von Herrschern oder Tieren darstellen. Ich weiß nicht, wie jemand in so einer überwältigenden Kunstfülle leben und arbeiten konnte.
Nach diesem „Kulturgenuss“😅 machen wir uns auf den Weg nach Verona. Unterwegs bereue ich es schon, weil wieder zig Durchfahrtsbeschränkungen angezeigt werden, die man unmöglich im Vorbeifahren lesen kann. Ich habe bei der Wahl des Parkplatzes schon darauf geachtet, dass er nicht allzu nah an der Altstadt liegt und darüber hinaus in keinem Kommentar etwas von Rad Diebstahl vom Womi oder sonstige Einbrüche erwähnt werden. Nahezu bei allen ausgewiesenen Camperstellplätzen gibt es Berichte zu geklauten Rädern, teils sogar, wenn die Besitzer im Wohnmobil saßen am helllichten Tage! Meine Wahl fällt auf kostenfreie Parkplätze in einem Wohngebiet neben einem Spielplatz/Park. Sie erweisen sich als gut, denn uns wird nix geklaut, während wir in der Stadt sind. Wir müssen zwar ca 2km laufen, aber was ist das schon in einer Großstadt, wenn man dafür einen guten Parkplatz findet? Über Verona gehen Stefan und meine Meinung etwas auseinander. Die Stadt hat unbestritten ein paar sehr beeindruckende Bauwerke, ganz voran die Arena, in der die Opernfestspiele stattfinden. Es erscheint fast unmöglich, dass ein solches Bauwerk vor 2000 Jahren erbaut wurde und heute noch für derartige Veranstaltungen im Gebrauch ist. Darüber hinaus gibt es zahlreiche andere Gebäude und Brücken, die sehenswert sind. Mir ist aber die Altstadt zu touristisch und die Geschäfte zu extravagant. Eine Nobel-Boutique reiht sich an die andere, alle großen Marken von Armani bis Zara sind vertreten. Keine kleinen Gassen mit niedlichen, ausgefallenen Geschäftchen und wenn man um die Mittagszeit nur einen Kaffee irgendwo trinken möchte, hat man Pech. Die Restaurants, Osterias, Enotheken und was es sonst noch so gibt, bieten nur komplette Menüs oder Cocktails und Weine an, natürlich zu gehobenen Preisen. Erst etwas außerhalb werden wir fündig. Verona scheint bei unseren Landsleuten hoch im Kurs zu stehen. Wir hören mehr deutsche Stimmen als italienische. Nach ein paar Stunden Sightseeing machen wir uns wieder auf den Weg aus der Stadt und fahren etwas südwestlich auf einen Stellplatz bei Mantua. Das Städtchen ist zusammen mit Sabbionetta Weltkulturerbe und auch hier ließ der Herzog Giardino anscheinend sehr sehenswerte Gebäude entstehen, die wir uns morgen angucken wollen. Wir sind heute zwar etwas Zickzack gefahren, aber wir wollten nicht auf einen Stellplatz in Verona aus den beschriebenen Gründen und planen eh noch weiter westlich Richtung Riviera zu fahren.

20.8.21
Da wir gestern erst am Abend in Mantova oder Mantua, wie es auf deutsch heißt angekommen sind, erobern wir die Stadt erst heute Morgen. Sie liegt in der Region Lombardei und hat eine herrliche Lage im Dreieck dreier Seen. Auch hier hat das Adelsgeschlecht der Gonzaga geherrscht, was man dem riesigen Palast Ducale, der wie in Sabbionetta voller Gemälde und Stuck ist, bereits ansehen kann. Hier kommen zu den Gemälden und Stuck noch Räume mit Wandteppichen hinzu. Eins ist mal klar, der Herzog dürfte seinem Volk viel Geld gekostet haben! Wenn ich durch solche Paläste oder Schlösser gehe frag ich mich immer, wie man sich darin eigentlich wohlfühlen kann. Hier ist das natürlich besonders so, da bis auf ein paar Sitzmöbel und einem Tisch keinerlei Möbel vorhanden sind. Auch Mantova ist voller historischer Gebäude, wie fast alle alten Städte hier. Es gibt aber auch nette kleine Gassen mit Geschäften und Cafés und gäbe es keine Siesta, wären wir nach dem Stadtbummel wahrscheinlich um einige Euros ärmer und müssten uns Gedanken machen, wie wir zwei Tiffany Lämpchen und/ oder eine neue antike Wohnzimmerlampe heile nach Hause transportieren können. Aber Italien bleibt seiner Siesta treu und ein paar Stunden warten, bis der Laden wieder öffnet, wollen wir dann doch nicht.
Wir machen unser Womi abfahrtbereit, stehen dann aber vor der verschlossenen Schranke der Stellplatzes. Der Parkautomat reagiert nicht auf unsere Kreditkarten und dass er kein Bargeld will, steht bereits dran. Es kann sogar sein, dass wir einen Bedienungsfehler gemacht haben, aber der Automat steht so blöde in der Sonne, dass wir das Display des Kreditkartengerätes überhaupt nicht lesen können. Wir rufen die Notnummer an wo erst niemand erreichbar ist. Nach wiederholtem Versuch verspricht man uns, in 5Minuten jemanden zu schicken. Stefan ist schon da ziemlich entnervt. Als dann aber nach mehr als 5Min immer noch keiner kommt und der am Telefon vertröstet wird, in 15 Minuten wäre jemand vor Ort, macht er sich am Telefon ziemlich Luft, sodass ich ihn etwas bremsen muss. Wir warten dann sicher noch 30Minuten, bis endlich jemand auftauchteund uns die 15€ für die letzte Nacht in bar abnimmt. Endlich können wir unser nächstes Ziel ansteuern. Wir fahren nordwestlich nach Brescia. Ein ehemaliges Kloster und eine große Burganlage über der Stadt beherrschen das Bild hier. Um die Burg gibt es einen schönen und weitläufigen Park, den sowohl Einheimische als auch Touristen für Spaziergänge, Selfies und/ oder Einkehr in die Lokalität nutzen und den Blick über die Stadt bis zu den Ausläufern der Alpen genießen. So laufen wir an diesem Abend noch einmal 7km nachdem wir am Morgen ebensoviel bereits in Mantova herummaschiert sind. Die kommende Nacht verbringen wir auf einem normalen, kostenfreien Parkplatz ca 2km von der Altstadt entfernt liegt, was auch die gelaufenen Kilometer erklärt.

21.8.21
Wieder liegen gut zwei Stunden Fahrt vor uns zu unserem neuen Ziel. Wir fahren südwestlich bis Bobbio, das wiederum nordöstlich von Genua liegt, aber noch nicht in Ligurien, sondern wieder mal in Emilia Romana. Auch dieser Ort gehört zu der Vereinigung „borghi più belli d’Italia“. 614 wurde eine Abtei hier gegründet, die einen großen spirituellen Einfluss hatte und 1014 bekam der Ort von Heinrich II das Stadtrecht zugesprochen. Anders als die meisten Orte zuvor, findet man hier vorwiegend Bruchsteinbauten. Gleich mehrere Kirchen sind in dieser Bauweise erstellt, aber auch Privathäuser und besonders herausragend die Ponte Gobbo, eine alte Steinbogenbrücke über den Trebbia. Die Tallage macht den Ort besonders idyllisch und der glaskare Fluss zieht jährlich Tausende zum Baden in die Region. Auch wir genießen das hier wirklich kühle Wasser. Wir verbringen die kommende Nacht auf dem kostenpflichtigen Stellplatz der Gemeinde und hoffen, dass hier der Parkscheinautomat besser funktioniert als in Mantova und wir morgen nicht wieder vor verschlossener Schranke stehen.

22.8.21
Unser heutige Fahrt führt uns durch das wunderschöne Tal des Flusses Trebbia. Die Strecke ist über die ganzen 60km von Bobbio aus eine Schlangenlinie durch das Gebirgstal und ermöglicht immer wieder Blicke auf den häufig türkis schillernden Fluss. Überall baden Leute und nehmen dafür gefährliche Parksituationen und halsbrecherische Fußwege in Kauf. Da die Temperaturen heute nur bei rund 22⁰ liegen, lassen wir uns nicht verführen, hätten aber auch wohl kaum einen Platz für unser Womi an der engen Straße gefunden. Die Ausblicke lohnen sich aber auf jeden Fall und Stefan genießt das Kurvenfahren. Einziger Wunder Punkt dabei sind die vielen Motorradfahrer, die diese Strecken hier ebenso wie bei uns im Harz lieben. Man muss höllisch aufpassen, dass keiner von ihnen auf der Kühlerhaube landet. Genügend Erinnerungskreuze und Blumen gibt es bereits am Wegesrand. Wir beenden unsere heutige Fahrt in Torriglia, das ganz nett, aber nichts besonderes ist. Ich muss ja bei der Planung auch berücksichtigen, dass Stefan nicht täglich so weit fahren kann und außerdem stellt der Ort hier einen kostenlosen Parkplatz für Wohnmobile zur Verfügung. Wir könnten sogar ins Freibad direkt am Parkplatz gehen, aber weder die Temperaturen noch der Preis von 8€ pro Person für einen Pool, der nichts außer Liegen rundherum bietet, sind attraktiv genug, um uns dorthin zu locken. Lieber suchen wir uns gleich eine Pizzeria für heute Abend.

23.8.21
Uns hat die italienische Riviera gelockt und sie spuckt uns sozusagen gleich wieder aust🙄. Wir machen uns aus unseren luftigen Höhen auf den Weg Richtung Genua zu einem Waschsalon. Wir wollen auf jeden Fall vermeiden, direkt durch die City zu fahren, deshalb fällt meine Wahl auf einen der möglichst im Norden, noch in der Vorstadt liegt. Auf den Bildern bei Google kann man auch einige Parkplätze erkennen, also hoffe ich auf eine unkomplizierte Anreise und Waschaktion. Weit gefehlt! Man kommt aus den kurvigen Gebirgsstraßen sozusagen gleich ins Innenstadtgetümmel. Enge, vollgeparkte Straßen, undurchsichtige Wegführung, und als wir endlich da sind, gibt es ausschließlich Parkplätze für Autos. Wir entscheiden uns, erstmal den nächsten Lidl Richtung stadtauswärts anzufahren, denn der Kühlschrank gähnt auch schon wieder. Bei Lidl glauben wir uns sicher sein zu können, einen vernünftig großen Parkplatz zu finden, aber denkste. Er ist winzig, die Zufahrt teuflisch eng und ich glaube, wir hätten als Womi da auch nicht drauffahren dürfen. Beim Runterfahren müssen wir nämlich unerlaubt abbiegen, weil wir sonst in eine 1,90m breite Straße geraten würden😲. Ich suche einen weiteren Waschsalon raus, denn ich habe mein Bettlaken bereits abgezogen und mit Stefans verschwitzten Sportklamotten zusammen in den Sack gesteckt. Wir müssen also waschen! Wieder gibt es für uns keine Chance, da auch nur irgendwie heranzufahren, also verlassen wir Genua und denken, in einem kleineren Ort an der Riviera sähe es sicher anders aus. Denkste! Nirgendwo dürfen wir mit Womi auch nur halten! Unser Eis, das wir bei Lidl gekauft haben, schmilzt in unserem Kühlschrank allmählich vor sich hin. Wir fahren auf die mautpflichtige Autobahn und dort nach einigen Kilometern auf einen Rastplatz. Der ist zwar auch nur für PKWs und LKWs ausgeschildert, aber darüber setzen wir uns hinweg und essen erst mal Eis. Inzwischen beginnt es zu regnen, das erste Mal mehr als 10Tropfen, und es wird furchtbar schwül, weil das Wasser gleich auf der heißen Straße verdampfe. Hier unten an der Küste haben wir wieder über 30⁰. Wir geben den Gedanken an Waschsalon vorerst auf und ich finde einen kostenlosen Stellplatz bei Park4night in der Nähe des kostenfreien, öffentlichen Strandes Bouffou von dem man gut zum Strand gelangen soll. Der Platz befindet sich jedoch steil hoch auf einer Anhöhe über dem Ort und ist scheußlich. Die Parkbuchten sind so eng, dass man die Womifenster nicht öffnen kann, wenn der Nachbar seines geöffnet hat. Wir entscheiden uns, unseren Besuch an der Riviera abzukürzen. Wir lassen das Womi stehen, gehen den Berg runter und bis zum öffentlichen Strand und beide kurz ins Wasser. Mir sind die Wellen zu heftig. Sie ziehen mir die Beine unterm Körper weg, also bin ich schnell wieder draußen. Stefan findet das stürmischere Wasser zwar ganz nett, aber da ich in glühender Hitze auf ihn warten muss, kann er auch nicht lange drin bleiben. Nachdem wir den Berg wieder hochgelaufen sind zum Womi, sind wir genauso verschwitzt, wie vor dem Bad. Wir entscheiden, dass uns das genug Riviera war und wir wieder in den Norden ins Inland und in die ruhigeren Regionen flüchten wollen. Ich finde einen Waschsalon in der Nähe von Neive, einem hübschen Örtchen in der Region Piemont, was wir eh besuchen wollen. Hier schaffen wir es endlich, unsere Wäsche zu waschen, währenddessen im Womi zu Abend zu essen und danach auf den Stellplatz in Neive zu fahren. Der Ort liegt inmitten von Weinhängen, dementsprechend ist jedes zweite Haus ein Weinlokal. Da haben wir zwar nicht soviel von, weil wir ja keinen Alkohol trinken, aber der Ort ist dennoch schön und liegt wundervoll. Lustig sind die Schornsteine bei einigen Häusern. Sie sehen aus wie kleine Türmchen.

24.8.21
Nach einem kurzen Spaziergang in einem Naturschutzgebiet, bei dem uns nicht ganz klar ist, warum es als solches ausgewiesen ist, fahren wir nach Turin. Ja, das ist auch eine große Stadt mit um die 800000 Einwohnern, aber wir möchten dennoch dort hin und parken recht weit draußen beim Olympiazentrum. Der Parkplatz liegt direkt am Park, durch den wir mit dem Rad entlang des Pos in die Innenstadt fahren können. Unterwegs bietet sich uns ein netter Blick auf eine Brücke und wir kommen zu einem winzigen mittelalterlichen Dorf mitten im Park. Leider kam man in die Gebäude nur mit italienischer Führung, die uns nix brächte mangels Italienischkenntnissen. Wir können aber das Café besuchen und den Außenbereich ansehen und somit etwas von der Atmosphäre genießen. In der Stadt finden wir dann endlich auch mal ein Sozialkaufhaus von Humana und Stefan findet natürlich auch zwei Hosen. Danach schlendern wir durch beeindruckende Alleen und Marmorsäulengänge durch die schöne Stadt. Klar gibt es hier auch alle bekannten Markenstores, aber mit gefällt Turin dennoch besser als Verona. Vielleicht habe ich auch einen besseren Tag heute🤔? Wir werden heute Nacht auf dem Parkplatz übernachten, falls unser Womi nicht geklaut wird während wir in der Stadt rumlaufen, und morgen noch das Filmmuseum und evtl den Palast ansehen. Das Wetter ist sehr angenehm mit 25⁰.

25.8.21
Das Nationale Kinomuseum erweist sich als spitze! Es ist sehr informativ, was die Entwicklung vom Scherenschnitttheater bis zum heutigen Film angeht, aber besonders von der Ausstattung, dem Gebäude selbst und den Animationen her total klasse. Immer wieder wird man durch Räume in andere Zeiten versetzt, z.B. alte Kinos oder Wohnzimmer aus den 60igern, wo Nachrichten aus dem alten Fernseher kommen. Sehr interessant ist z.B. auch ein Vergleich einer Berichterstattung über Gandhis Beerdigung, einmal, wie sie filmisch in die Welt ausgestrahlt wurde und daneben, wie es wirklich aussah, wenn man das ganze durch ein Fenster beobachtet hätte. Das Gleiche auch mit der Ermordung von JF Kennedy. Schon interessant, wie filmische Effekte die Wirklichkeit verändern können. Das Highlight ist aber ein Kinosaal mit Liegesesseln inmitten dieses Turmes, den man auf einem Wandelgang durch die Ausstellung ersteigt. Auf großen Bildschirmen werden Szenen von Filmpreisverleihungen gezeigt. Wirklich hervorragend gemacht. Das gibt dem ganzen Museum einen unverwechselbaren Charakter. Danach genießen wir jeder einen Marocchino , einen Kaffee mit Nutella (eigentlich wohl heißer Schokolade) 😍 und ein Panini, also ein typisch italinisches belegtes Brötchen oder Fladenbrot. Als wir nach dem interessanten Besuch im Kinomuseum und dem Snack im Café wieder zu unseren an einen Straßenmast angeschlossenen Rädern kommen, stehen die Räder zwar noch da, aber das Zahlenschloss ist durchgeschnitten. Ich denke mal, wären wir etwas später gekommen, wären sie auf irgendeinem Transporter abtransportiert gewesen. Wir hatten eigentlich vor, noch ein laut Google interessantes Viertel zu besuchen, wollten aber nur soweit mit Rädern fahren, wo Radwege sind, um Stadtverkehr und Straßenbahn zu meiden. Das können wir nun vergessen. Wir brauchten aber dringend ein neues Schloss, nicht nur, um sie stehenlassen zu können, wenn wir irgendwas besichtigen, sondern auch, um sie auf dem Fahrradträger anzuschließen. Nun find mal mitten in der Innenstadt mit feinen Markenboutiquen einen Laden für Fahrradschlösser! Wir fahren in Richtung unseres Besichtigungsziels und finden einen Laden mit China-Artikeln. Dort haben wir Glück. Viel taugen wird das neue Schloss wohl nicht, wenn Diebe unser altes von meiner Schwiegermutter, das sicher teuer war, anscheinend problemlos durchgekniffen haben, aber besser als nix ist es allemal. Das Stadtviertel, das laut Google interessant aussehen soll, finden wir bis auf eine Kirche mit interessantem Turm nur nichtssagend. Wir fahren zurück zum Parkplatz und hoffen, dass unserem Womi nichts passiert ist, aber das steht noch unberührt an Ort und Stelle. Da fahren wir sei 8Wochen kreuz und quer durch Italien und auch in heikle Städte wie Palermo, Neapel und vor die Tore Venedigs und lassen stundenlang das Womi mit zwei Rädern drauf unbewacht stehen und nichts passiert, aber fahren wir einmal Rad, schon passierts. Nunja, wir haben ja Glück im Unglück, denn die Räder sind noch da und zum Glück hat sich niemand ans Womi rangemacht, wovor wir immer etwas Schiss haben. Bei meiner Suche nach Stellplätzen habe ich noch nie so viele Kommentare, bei denen von Einbrüchen und Womi- und Raddiebstählen berichtet wird, wie hier in Italien. Ehemaligen Kollegen wurde vor Jahren auch in Italien ein Van gestohlen.

Wir fahren weiter nach Avigliana, nicht weit von der französischen Grenze entfert und mit hohen Bergen in Sichtweite, um hier morgen eine Wanderung zu machen.

26.8.21
Heute Morgen wandern wir bei traumhaftem Wetter um den Lago Grande und den Lago Piccolo im Parco Naturale Laghi di Avigliana im Westen von Turin. Ich habe die 9km Tour zuvor auf Komoot gefunden. Vorbei an schattigen Badestellen mit Picknicktischen, auf Holzbrücken übers Wasser (eine super Idee, um die Wanderer nicht immer entlang der Straße schicken zu müssen, wenn Grundstücksbesitzer den Zugang zum See für sich abgeriegelt haben) bis zu einem See Restaurant geht es erst entlang des Lago Grandes, dann etwas entlang der Straße bis ein Waldweg am naturgeschützten Lago Piccolo vorbeiführt. Dort sind Vogelbeobachtungsstellen eingerichtet. Die Gemeinde hat wirklich Glück mit ihren zwei Seen, so kann sie den einen zum Angeln, Baden und Wassersport für Touristen anbieten und den anderen als Schutzraum für Tiere und Pflanzen nutzen und damit auch noch Naturliebhaber anziehen. Im Hintergrund sieht man von weitem bereits den Nationalpark Grand Paraiso mit Bergen bis 4000m Höhe. Das ist unser nächstes Ziel, das wir nachmittags ansteuern. Im Bogen führt uns die Route um die Berge herum erst mal wieder fast bis Turin, wo wir uns mit Lebensmitteln eindecken und beim Lidl 4 junge Holländer, die sich wohl sehr cool fühlen, aber einfach nur idiotisch benehmen, beobachten. Einer fliegt gleich aus dem Laden, weil er sich weigert, eine Maske zu tragen. Die anderen drei scheinen schon gut getankt zu haben und fragen die Kassiererin auf Englisch – sie hatten Glück, anscheinend auf eine englischsprachige Schwarze zu treffen, denn die meisten hier können oder wollen kein Englisch sprechen – ob die Fruit Condome gut wären, machen eindeutige Bewegungen und fordern sie auf, irgendeinen Blödsinn auf Holländisch nachzusprechen. Sie bleibt erstaunlich ruhig. Alles geschieht in einer Lautstärke, dass alle umstehenden Kunden mithören müssen. Mit ihrer frisch erworbenen Ladung Alkohol steigen sie dann in ihren Van und fahren weiter. Man kann nur hoffen, dass der Fahrer nicht soviel gesoffen hatte zuvor wie die Anderen.🙄
Unsere Fahrt windet sich auf vielen Kurven, durch enge Örtchen und einen langen Tunnel mit 15%Steigung bis hoch auf 1600m nach Ceresole Reale im Parco Nazionale Paraiso. Wir finden die Zufahrt zum offiziellen Stellplatz erst nicht und als wir dann zu Fuß dort ankommen, sieht er voll aus und ein Schild teilt mit, dass Anreise bis 18Uhr ist. Wir haben bereits nach 19Uhr. Jetzt stehen wir auf einem Parkplatz vorm Friedhof und hoffen, dass die Polizei uns nicht verjagt. Es stehen keine Verbotsschilder hier und es ist nicht voll. Da die Dusche auf dem Stellplatz, über die ich mich sehr gefreut hätte, wegen Corona eh gesperrt ist, finde ich es auch überhaupt nicht schlimm, wenn wir uns die 11€ für den Platz sparen können. Nur parken können wir auch hier und Entsorgung brauchen wir auch nicht. Der Blick auf die hohen Berge, wiederum über einen See, ist wunderschön! Ich freue mich auf die Wanderung um den See morgen früh.

27.8.21
Die letzte Nacht wurde es zum ersten Mal kühl während unserer Reise. Heute Morgen zeigt das Thermometer draußen 11⁰ und im Womi 14⁰, sodass ich für Stefan Wasser zum Haarewaschen nach seiner Joggingtour heiß mache. Dummerweise braucht er aber solange zum Joggent, dass es schon wieder kalt ist als er zurückkommt. Er ist einen Berg hochgelaufen und hat über 600Höhenmeter in alpinem Gelände gemacht🤷‍♀️
Nach dem Frühstück wandern wir dann gemeinsam um den See und brechen danach nach Aosta auf. Wir fahren ausnahmsweise mal Mautstraße und zahlen für ca 60km mal locker 12€! Würden wir das immer machen, wären wir schnell pleite. Als wir in Aosta auf dem gewählten Parkplatz ankommen, bin ich erst total enttäuscht von Aosta. Eine große, hässliche Stadt, aber als wir die Altstadt gefunden haben, es da außer netten kleinen Lädchen sogar noch archäologische Ausgrabungsstätten gibt, ändert sich mein Bild zusehends. Besonders die Ruine des römischen Theaters ist sehenswert. Bei einem Kaffee entscheiden wir uns, morgen mit dem Skyway auf 3466m Höhe zum Punta Hellbronner auf dem Mont Blank Massiv zu fahren. Wir kaufen die Ticket online und haben Glück, gleich für die zweite Bahn am Morgen noch Tickets zu bekommen. Wir wollen den Sonnenaufgang miterleben! Um zur Gondelbahn Skyway zu kommen, müssen wir noch ca 40km weiterfahren bis Courmayeur. Für die Fahrt dorthin zahlen wir nochmals 12€Maut und es ist eine recht aufregende Fahrt, fast ausschließlich durch Tunnel. Stefan befürchtet, dass wir falsch sind und wir uns nach dem Tunnel in Frankreich befinden. Ich bin mir sicher, dass dem nicht so ist, dann aber gibt mein Handy den Geist auf. Als wir richtig auf dem Parkplatz des Skytrains, einer Gondelbahn, ankommen, versuchte ich es zu resetten, und es geht eine Ewigkeit nicht mehr an! Ich raste schier aus, bis es dann zum Glück wieder funktioniert. Alle meine Bilder und Aufzeichnungen und vieles mehr wären futsch gewesen 😲. Nun müssen wir früh ins Bett, denn wir fahren mit der Bahn um 6:40Uhr🥱

28.8.21
Um 6:00Uhr früh klingelt der Wecker nach einer kurzen Nacht auf dem riesigen Parkplatz der Skyway Gondelbahn zum Mont Blanc. Zügig ziehen wir uns an. An diesem Morgen sind zum ersten Mal auf der Reise die warmen Klamotten gefragt: lange Hose, Fleecepulli, Fleecejacke mit Kapuze. Später merken wir, dass Handschuhe auch nicht schlecht gewesen wären. Schon der Blick vom Parkplatz aus im Dunkeln auf den an der oberen Spitze bereits sonnigen Mont Blanc entschädigt uns für eine unruhige Nacht. Wir versuchen ein Parkticket für unser Womi zu ziehen, denn ab 8:00Uhr muss man zahlen, aber der Automat will unsere Münzen nicht und wir keine italienische Parkbezahl-APP auf unserem Handy, also riskieren wir ein Parkknöllchen und machen uns auf den Weg zur Gondelbahn „Skyway“, um in den Himmel zu schweben. Etwas aufgeregt bin ich schon, denn auf 3466 Höhenmetern wird die Luft schon dünner und wir werden in wenigen Minuten gut doppelt so hoch sein wie in der Nacht. Andererseits sind wir auch in Vietnam mit der Gondelbahn zum Fansipan hinaufgefahren und das letzte Stück sogar noch die vielen Treppen zwischen den Buddhas auf 3140m hochgelaufen. Wir haben das Glück, gleich bei der allerersten Bahn mitfahren zu dürfen. Außer uns sind fast ausschließlich Bergsteiger in der Gondel, die über den Gletscher wollen. Schon auf der Fahrt sehen wir die Sonne hinter den gigantischen Bergen hochkommen. Ein berauschendes Erlebnis! Ich habe keine Luftprobleme als wir oben ankommen, ich steige nur nicht mit Stefan noch die Treppen runter zum Gletscher, um nur einmal auf darauf gestanden zu haben. Eigentlich ist es auch nur der Zugang für Bergsteiger. Das Wetter und der Sonnenaufgang spielen hervorragend mit und was wir in den kommenden zwei Stunden für Eindrücke in uns aufnehmen können, werden wir unser Leben lang nicht vergessen. Dieser Ausblick auf die Bergriesen um uns, das Farbspiel von gelb-rosa- Morgenlicht zum blauen strahlenden Himmel und über allem der Mont Blanc ist schier überwältigend!😍 Wir genießsen die Zeit in vollen Zügen und fotografieren und filmten so viel, dass die Auswahl später schwer fällt. Nach ca 2Stunden sind wir wieder beim Wohnmobil und haben kein Knöllchen. Wir versuchen noch einmal, mit Münzen ein Ticket zu kaufen, vielleicht war es zuvor ja zu früh, aber auch dieses Mal ohne Erfolg. Wir werden übermütig und frühstücken dennoch erstmal, bevor wir uns auf die Rückfahrt durch die kilometerlangen Tunnel der Autobahn zurück Richtung Aosta machen. Noch einmal zahlen wir die teure Maut von 11,80€, aber wir wissen ja nicht, was uns, bzw unserem Wohnmobil und dessen Bremsen bei der anderen Strecke blühen würde. Immerhin müssen wir rund 1200Höhenmeter wieder ins Tal und danach Richtung Cogne wieder hoch auf 1600m. Wir sind fast alleine auf der Autobahn und die Fahrt gestaltet sich recht entspannt. In Cogne, das im gleichnamigen Tal liegt und ein Nebental des Aostatals ist, finden wir auch gleich den Wohnmobilstellplatz. Er ist riesig und liegt unterhalb des Dorfes, aber wirkt dennoch sehr ruhig und entspannt. Ich habe zuvor die Wanderung zu den Wasserfällen von Lillaz bei Komoot ausgeguckt und die unternehmen wir auch. Unterwegs werden wir Zeuge einer Bergnotrettung. Ich schätze, jemand hatte sich böse den Fuß verletzt oder einen Schwächeanfall? Wir halten den Hubschrauber erst für ein touristisches Unternehmen und sind stinksauer über den Staub und Lärm, den er verursacht, bis wir sehen, dass es sich um eine Bergnotrettung handelt. Zwei Personen werden mit dem Seil in den Hubschrauber hochgezogen. Wenn mir das passieren würde, könnten sie mich später im Krankenhaus noch zusätzlich auf Herzinfarkt behandeln😱. Ich würde sterben, wenn ich da an dem Seil über der Welt baumeln würde! Unsere Wanderung geht zum Glück ohne Probleme vonstatten und erweist sich als sehr schön. Nach all den Wochen Ausblick auf vertrocknete Felder und Wälder, ist der Anblick der grünenden und blühenden Natur hier zum Verlieben. Wir können uns gar nicht sattsehen an türkis-blauen Seen und Flüssen, felsigen Bergen mit Schneespitze und grünen Wiesen und Wäldern. Überrascht hat uns hier allerdings, dass in der Gegend anscheinend auch normale Bergwiesen mit großen Wassersprengern gewässert werden. Nach der Wanderung machen wir uns einen geruhsamen Nachmittag und Abend und setzen uns auch mal raus auf unsere Campingstühle.

29.8.21
Letzte Nacht habe ich so gefroren, dass ich davon wach geworden bin, wollte dann aber Stefan nicht wecken, um mir warme Sachen aus dem Schrank zu holen. Wir sind in Cogne auf 1600m und heute Morgen gegen 7:00 ist es nur 5⁰ draußen und 7⁰ im Womi. Bibber! Stefan schreibt mir von seiner Joggingtour, dass es länger dauern wird, weil er auf einen Berg läuft. Ich erkunde erstmal den Wohnmobilstellplatz und finde heraus, dass im Behindertenklo ein Waschbecken mit warmem Wasser ist. Super! Endlich Haarewaschen! Da selbst auf den Stellplätzen, die eigentlich eine Dusche anbieten, diese zur Zeit fast immer wegen Corona gesperrt ist, ist das allmählich ein Problem. Das letzte Mal duschen am Strand ist schon eine Weile her und dort ging es ja auch nur kalt und ohne Shampoo. Heute ist also mein Glückstag. Danach genieße ich im Café einen Cappuccino und für besorge für unser gemeinsames Frühstück zwei Gebäckstangen. Irgendwann nach 11Uhr trudelt Stefan dann auch ein (ach nein, er war ja joggen, also läuft er natürlich ein 😉) und wir frühstücken, machen das Womi abfahrtbereit und verlassen unser schönes Bergdomizil. Über lange Zeit fahren wir immer entlang des Dora Baltea Flusses. Ich lerne gerade erst dass der Fluss im Aostatals gar nicht wie vermutet Aosta heißt, sondern Dora Baltea. Wieder etwas klüger geworden 😅. Auf jeden Fall fahren wir lange an diesem türkisfarbenen Fluss vorbei und es ist eine sehr schöne Strecke, bis wir das Aostatal endgültig verlassen und wieder in der Region Piemont ankommen. Unser Ziel für heute heißt Candelo im Kreis Biella. Wir sind wieder in etwa auf Höhe von Bad Harzburg und können die kurzen Hosen und das T-Shirts wieder anziehen, was uns gestern noch unmöglich erschien. Schnell steigt das Thermometer wieder auf 28⁰. In Candelo gibt es eine komplett erhaltene mittelalterliche architektonische Struktur, die Ricetto genannt wird. Laut Wikipedia wurde dort die Ernte für den Großgrundbesitzer gelagert und gelegentlich diente sie auch zum Schutz der Bevölkerung. Jetzt sind in diesen Gemäuern vereinzelt kleine Geschäfte und zu Museumszwecken ein Raum mit historischen Küchenutensilien und einer mit Utensilien zur Weinverarbeitung. Es ist schade, dass nicht mehr Künstler, Kunsthandwerker oder ähnliches diese Gemäuer mit Leben erfüllen. So wirkt es etwas ausgestorben. Es ist auf jeden Fall erhaltenswert und auch sehenswert.

30.8.21
Nach Candelo steuern wir das „Sondernaturschutzgebiet des Parks Burcina“ an. Warum Sonderschutzgebiet weiß ich nicht, es ist auf jeden Fall ein wirklich netter Park mit vielen unterschiedlichen Bäumen, also eine Art Arboretum. Es gibt aber auch Rhododendren und andere Pflanzen und einen Teich mit vielen Schildkröten. Die sind wirklich süß, denn es sind auch noch ganz kleine dabei. Nach diesem Naturgenuss geht es, wie sollte es auch ander sein, ins Gebirge. Ich habe bei Google den Lago Mucrone gesehen und ausfindig gemacht, dass man sich dorthin ein großes Stück Wanderung sparen kann, wenn man mit der Gondelbahn von der Wallfahrtsstätte Oropa den Berg hochfährt. Nebenbei erscheint die Wallfahrtsstätte, die riesengroß und Weltkulturerbe ist, ebenfalls einen Besuch wert. Ein bisschen unwohl ist mir nur bei dem Gedanken an die Fahrt dahin, denn es ist schon auf Maps erkennbar, dass es eine sehr kurvige und steile Straße werden wird. Wir wagen es und es ist tatsächlich ein knackiger Anstieg mit Haarnadelkurven, aber es geht zum Glück alles gut. Wir fahren als Einzige mit der Gondel in den Nebel. Oben treffen wir dann aber schon noch auf ein paar Menschen. Der Weg zum See ist nicht weit und auch nicht schwierig, von der Natur ringsum sehen wir aber leider nicht sehr viel. Der See liegt geheimnisvoll vor uns und die Nebelschwaden werden mal mehr mal weniger. Der Weg um den See ist etwas schwierig zu begehen, weil man auf Steinen herumbalancieren muss. Wieder zurück an der Seilbahnstation stellen wir fest, dass es noch einen Lift gibt, der aber nur aus runden, an Seilen hängenden Metallkörben für 1-2Personen besteht. Sie sehen aus wir nach oben offene Käfige. Er fährt auf den Monte Camino in 2388m Höhe. Rundherum das Gebäude, eigentlich alles dort oben, sieht ziemlich abgerissen und fertig aus. Sollen wir es dennoch wagen, in so ein Gefährt zu steigen? Die Fahrt ist in unserer Fahrkarte inbegriffen. Mit wackeligen Knien – zumindest bei mir – wagen wir es und stellen uns in so einen kleinen Käfig. Der Mitarbeiter verschließt das Gitter und schon schwebten wir stehend im Metallkäfig über allem den Berg hoch. Etwas mulmig ist mir schon, besonders weil Stefan immer wieder scherzt und an diverse Seilbahnunglücke in Italien, das letzte gerade zu Pfingsten am Lago Maggiore, erinnert. Es ist aber eigentlich ein ganz besonderes Gefühl, viel näher an der Natur als bei einer Gondelbahn, ehr wie im Sessellift. Die Fahrt dauerte ca 15Minuten, bis wir oben im Nebel ankommen. Viel sehen konnen wir nicht und es ist ganz schön kalt. Wir bleiben ein paar Minuten, aber die Wolken tun uns nicht den Gefallen, aufzuziehen. Auf der Rückfahrt wird es dann richtig feuchtkalt und als wir unten ankommen beginnt es zu regnen. Wir wärmen uns kurz im Womi auf und besichtigen dann noch die Wallfahrtskirche und die ganze Anlage rundherum. Sie hat schon eine beeindruckende Lage und Ausstrahlung. Diesen spannenden Tag beenden wir mit so etwas profanem wie einem Waschsalon, aber das muss halt auch zwischendurch sein. Wir erledigen unsere Wäsche und nun stehen eine weitere Nacht auf dem netten Wohnmobilstellplatz in Candelo.

31.8.21
Was für ein Tag! Nach dem Frühstück brechen wir auf in Richtung Varese, in der Lombardei, im Dreieck Lago Maggiore, Lago Varese und der Schweizer Grenze. Da wir recht früh da sind und laut Stellplatz APP das Schwimmen im Lago Varese eh nicht möglich ist, zumindest dort, wo der Stellplatz sein soll, fahren wir weiter zum Regionalpark Campo dei Fiori. Dort wollen wir zum Sacro Monte, dem Heiligen Berg, auf dem 17Kapellen auf einem steilen Pilgerweg zur Kirche, Museum und Krypta hinaufführen.
Ich lese, dass es einen Funicular, also eine Art Aufzug dorthin geben soll. Wir folgen also Google Richtung Sacro Monte und müssen in Velate, einem Ortsteil von Varese feststellen, dass unser Womi wohl zu breit für die Sträßchen ist und stelltn es beim Friedhof ab. Wir hoffen auf den Bus, aber der Busfahrer macht uns klar, dass es keinen Bus zum Sacro Monte gäbe und der Fußweg 2Std dauerte. Wir wollen ja aber nur zum Aufzug, also versuchen wir per Komoot den Weg dorthin zu finden. Erst ist es ja noch ein netter Waldweg, aber dann führt er steil bergauf über einen steinigen Hang. Ich bekomme beim Aufstieg schon Panik, wie ich da später wieder hinunterkommen soll. Als wir endlich bei dem Schrägaufzug ankommen, ist dort alles dicht. Wir entnehmen dem Fahrplan einer Bushaltestelle, dass Busse nur bis zum 28.8. dort fuhren. Wir schließen daraus, dass wir wohl drei Tage zu spät sind. Ich will auf jeden Fall über die Straße zurücklaufen und nicht den Hang wieder hinabsteigen, dabei kommen wir auf den Anfang des Pilgerweges zum Sacro Monte. Eigentlich wollen wir nur zur ersten Kapelle, denn der Weg erscheint uns ganz schön lang und steil, letztendlich „pilgern“ wir aber doch bis ganz oben und genießen traumhafte Ausblicke auf die Seen, Orte und Alpen ringsum. Auch die Kapellen und besonders die Kirche und Gebäude ganz oben sind sehr sehenswert und wir können den Ausblick sogar noch bei Kuchen und Eis auf einer Café-Terrasse genießen. Zurück zum Auto finden wir dann einen viel schnelleren Weg. Dann kommen allerdings zwei Schläge auf einmal. Zuerst teilt unser Sohn uns per WhatsApp mit, dass er eine Warnmeldung auf seiner Corona APP hat, dass er längeren Kontakt mit jemanden, der positiv getestet wurde hatte. Er hat gleich einen Schnelltest gemacht, der zum Glück negativ war. Das Gesundheitsamt in Goslar hat ihm gesagt, er soll sich auf Symptome beobachten, aber muss nicht in Quarantäne weil er geimpft ist. Er ist zur Zeit bei uns in Bad Harzburg und glaubt, dass er im Zug wohl in der Nähe von jemandem positiven saß. Dann wollen wir losfahren und das Womi springt nicht an. Wir vermuten gleich, dass es mehr als die Batterie ist, was der Straßendienst uns dann auch bestätigt. Die Lichtmaschine ist kaputt und nun warten wir auf den Abschleppdienst. Zum Glück sind wir im ADAC und die haben den ACI schon eingeschaltet, der uns gerade bestätigt hat, dass das Abschleppen übernommen wird und wir wohl heute Nacht vor der Werkstatt im Womi schlafen können. Jetzt heißt es warten auf den Abschleppdienst. Es ist schon dunkel, als der Abschleppwagen kommt. Ich befürchte schlimmes. Als wir vor Jahren einmal abgeschleppt wurden, wäre dabei fast unsere hintere Stoßstange mitsamt der ganzen Beleuchtung abgerissen worden, hätte ich nicht laut Stopp gebrüllt. Durch die Schräglage setzen wir schnell hinten auf. Ich versuche meine Befürchtungen dem Mitarbeiter des hiesigen Abschleppdienstes klarzumachen, wobei ich ihn anscheinend an seiner Berufsehre gekratzt habe. Er brabbelt die ganze Zeit vor sich hin „Don`t touch the ground“. Wir sitzen beide im Womi, als wir hochgezogen werden., aber obwohl es furchtbar knartscht, scheint er beim Draufziehen des Womis auf den Abschleppwagen hinten nichts abzureißen. Puh, dann geht es Huckepack ca 20Min durch die Stadt und ins Gewerbegebiet. Niedrig hängende Bäume und Sträucher kratzen an unserer Womihaut und wir befürchten immer, dass es an einem größeren Ast hängenbleibt und etwas abreißt. Beim Abladen hört es sich dann wieder furchtbar an, aber nach ca 10Minuten stehen wir allein im Nirgendwo und warten auf die Werkstattöffnung morgens um 8:00. Wir haben nur noch Kopflampe und Handylicht, da sich unsere hintere Batterie auch total entladen hat. Hoffentlich überlebt sie das. Zumindest können wir hier pennen, wenn wir dazu nicht zu aufgeregt sind. Morgen müssen wir dann sehen, wie wir an Essen kommen, denn hier ist nur Gewerbegebiet. Stefan kann ggf einkaufen fahren, mir hat man anscheinend einen Platten in meine Reifen gemacht. Ziemlich mistig das alles🙄

1.9.21
Wir haben die Nacht vor der Werkstatt hinter uns gebracht🔊😭! Wer meint, im Gewerbegebiet herrscht nachts Ruhe, der hat keine Ahnung! Es war grauenhaft!
Nachdem ich in der letzten Nacht kaum Schlaf bekommen habe, weil ständig Fahrzeuge vorbeifuhren, eine ganze Zeit eine Alarmanlage piepte und tausend andere Geräusche, ebenso wie meine Sorgen um unseren Sohn und um das Womi mich nicht schlafen ließen, bin ich am Morgen wie gerädert. Wir kochen uns frühzeitig Kaffee und essen Müsli, weil unser letztes Brot schon gestern Abend kaum reichte. Gegen 8:00 kommt der erste Mitarbeiter der Werkstatt und wir können wenigstens unsere Handys etc an Strom hängen. Gegen 8:30Uhr checken die Mechaniker unser Womi und kommen ebenfalls zum Schluss, dass die Lichtmaschine hin ist. Erfreulicherweise stellen sie uns in Aussicht, das Ersatzteil noch am Nachmittag zu bekommen und auch heute einbauen zu können. Auch der voraussichtliche Preis um 300€ erscheint uns besser als erwartet. Wir lassen einen Schlüssel in der Werkstatt, nehmen alle wichtigen Papiere mit und machen uns auf den ca 3km langen und ätzenden Weg in die Innenstadt von Varese. Man kann sich vorstellen, dass die Strecke vom Industrie- und Gewerbegebiet in die Altstadt nicht gerade auf einem Wanderweg verläuft. Wir müssen über Kreisel ohne Fußgängerweg und lange auf einem schmalen Seitenstreifen einer Einfallstraße, wo PKWs und LKWs mit 70km/h an uns vorbeibrettern, entlanglaufen. Es gibt aber keine Alternative, als sonst einen ganzen Tag im Womi in der Hitze zu sitzen und zu warten. Wir kommen heile im Zentrum an, essen zusammen noch ein Focaccia, weil das Frühstück doch zu dürftig war und erkunden die Innenstadt. Weil sie nichts besonderes zu bieten hat, laufen wir noch weiter, bis wir bei der Villa Menafoglio Litta Panza ankommen. Es ist eine historische Villa in einem schön angelegten Garten, die von amerikanischen, zeitgenössischen Künstlern mit Bildern und Installationen versehen wurde. Die Bilder sind eigentlich immer einfarbige Platten, die die Farben des jeweiligen Raumes der Villa aufgreifen. Darüber hinaus wurde viel mit Spiegeln gearbeitet, die die Flure doppelt so lang erscheinen ließen. Die Räume sind darüber hinaus mit Plüschsofas und – Sesseln, Klavier und anderen alten Möbeln ausgestattet und die Besitzerin hat eine Sammlung afrikanischer und kolumbianischer Figuren in ihnen aufgestellt. Im anderen Stockwerk haben die Räume nur Leuchtstoffröhren in grellen Farben und unterschiedlichen Formen und Anordnungen. Das hat schon eine Wirkung, auch wenn diese Installationen mich nicht besonders begeistern. Als wir am frühen Nachmittag zurück zur Werkstatt kommen, ist die neue Lichtmaschine noch eingetroffen. Weil wir bei Barzahlung einen besseren Preis angeboten bekommen, als bei Kartenzahlung, machen wir uns nochmals auf den Weg zum nahegelegenen Einkaufscenter mit Bankomat. Wieder geht der Weg an der Leitplanke entlang, immer in der Angst, dass ein Auto uns erwischt. Wir kaufen noch ein paar Lebensmittel ein und als wir zurück kommen, ist unser Womi fast fertig. Der Preis wird sogar noch etwas niedriger als erwartet. Gegen 17Uhr können wir uns wieder auf die Fahrt begeben. Wir wählen Como als Ziel, weil es dort einen Parkplatz mit ein paar Stellplätzen für Wohnmobile mit Strom geben soll, was hier in der Ecke nicht so häufig ist. Wir wollen unsere Batterien mal wieder eine ganze Nacht aufladen lassen. Wir haben zwar Glück, den letzten der fünf offiziellen Stellplätze noch zu ergattern, aber leider haben zwei von den fünfen keinen Stromanschluss und wir gehören zu den zweien! Zu unserem Unglück stellten wir auch noch fest, dass die totale Entladung unsere Wohnmobilbatterie, mit der wir so zufrieden waren, anscheinend kaputtgemacht😭. Nun sitzen wir also die zweite Nacht im Dunklen, können die Toilette nicht abspülen und kein Wasser laufen lassen, weil die Pumpe ja Strom zieht. Für Wasser haben wir kurz das Womi gestartet, damit wir Strom durch die Lichtmaschine bekommen, aber wir können es natürlich nicht nachts anmachen. Ab jetzt können wir also nur noch auf Plätze mit Stromanschluss. Gut, dass uns das erst kurz vor Ende unserer Reise passiert ist!
Als wir in Como ankommen essen wir schnell etwas zu Abend und laufen dann noch durch die Stadt, die ziemlich gut besucht und leider auch recht verkehrsreich ist. An der Seepromenade sind noch viele Baustellen, die wohl Folge der schlimmen Unwetter im letzten Monat sind. Zum Sonnenuntergang fahren wir mit dem Funicular, einer Zahnradbahn, auf den Berg, um die Stadt und den See von oben zu sehen. Leider bieten sich die besten Blicke während der Fahrt und nicht von der Bergstation bzw der darüberliegenden Kirche aus. Auf dem Rückweg zum Wohnmobil machen meine Knie fast schlapp. Über 35000Schritte sind doch reichlich viel an einem Tag!

2.9.21
Der Platz in Como erweist sich in der Nacht und besonders am Morgen als noch mieser, als er zu Beginn schon erschien. Er befindet sich genau an der Kreuzung einer vielbefahrenen Durchfahrtstraße, neben einer Tankstelle, und hinter der nächsten Häuserreihe verläuft die Bahnlinie, von der wir aber nicht viel mitbekommen. Die Straßen sind aber furchtbar, besonders weil die Autos an der Ampel immer wieder anfahren müssen. Das macht nicht nur noch mehr Lärm als beim Durchfahren, sondern auch erhöhte Emissionen. Ich wache regelrecht vom Abgasgestank am Morgen auft. Überhaupt scheint Como mit Verkehr und Abgasen ein echtes Problem zu haben. Schon gestern Abend fiel uns auf, dass die Luft mies war und heute Morgen bildeten sich ab 7 schon lange Autoschlangen auf den Straßen. Mich kann die Stadt, trotz Lage am See und von Bergen umgeben, nicht besonders begeistern.
Wir fahren von Como nach San Pellegrino Terme. bzw ein kleines Stückchen weiter auf einen Stellplatz inmitten der Natur. Er wird uns zwar so um die 16€ kosten, aber das ist er auch wert. Es sind große Parzellen pro Wohnmobil abgeteilt mit Kunstrasen, es gibt Strom, Biertischgarnituren, sogar überdacht, man kann grillen und das Beste: er hat Toiletten und eine warme Dusche, die auch noch geöffnet ist! Unterhalb des Platzes verläuft ein sehr gut ausgebauter Radweg durch das ganze Tal entlang des Flusses Brembo. Es gibt extra Tunnel durch die Berge nur für Radfahrer und Fußgänger! Vor unserem Stellplatz ist ein Rastplatz mit Spielplatz und ein Unterstand mit Kaffee- und Süßwarenautomaten, sowie ein Radverleih. Stefan macht sich gleich auf, zu einer mehrstündigen Radtour. Ich habe mir heute nach der vielen Lauferei in den letzten Tagen, einen Pausentag verordnet, um meine Knie etwas zu entlasten. Als Stefan am Spätnachmittag wiederkommt willich eigentlich mit ihm mit dem Rad nach San Pellegrino Terme reinfahren und lasse ganz mutig den Motor im Womi, aber als es auf der Strecke dann doch für meine Verhältnisse ziemlich hoch und runter ging, entscheiden wir uns, den Rest der Strecke zu Fuß weiterzulaufen. San Pellegrino ist auch bei uns bekannt durch das Mineralwasser, das von hier kommt. Der Ort bietet auch heute noch ein laut Prospekt sehr schönes Thermalbad, was mal locker 45-50€ Eintritt kostet und wir daher nicht von innen sehen werden. Selbst strahlt der Ort jedoch den Charme einer einst wohlhabenden Kurstadt für Sommerfrischler und Badegäste aus, der aber ein paar Jahrzehnte zurückliegt. Ein großes und beeindruckendes Grand Hotel vom Beginn des letzten Jahrhunderts, das verweist und dem Verfall ausgeliefert noch eine glorreiche Vergangenheit erahnen lässt, überblickt den Fluss. Über dem kleinen Ort tront ein Casino, das anscheinend noch betrieben wird. Nach einem kleinen Spaziergang kehren wir zurück zum Stellplatz und genießen Dusche und Abendessen.

3.9.21

Wir kommen allmählich wieder in Gefilde, in denen wir schon waren. Heute fahren wir in der Umgebung von Cislano, westlich des Iseo Sees zum Riserva naturale Piramidi di Zone. Hier stehen Gebilde herum, die sich durch Erosion, Umwelt- und menschliche Einflüsse aus einer Endmoräne entwickelt haben. Einfach gesagt, hat sich die Erdschicht der Moräne aufgelöst, aber dort, wo dicke Felsblöcke lagen, haben diese die Erde direkt unter sich geschützt. Das sieht nun heute so aus, als stünden Mensch ärgere Dich nicht Kegel in der Landschaft herum. Sie nennen sie hier Pyramiden, aber ich sehe da keine Ähnlichkeit. Der Weg von unserem Stellplatz dorthin ist ziemlich steil und sandig und daher schwer zu gehen. Besonders auf dem Hinweg zweifeln wir an dem Sachverstand Derjenigen, die ihn gestaltet haben und vermarkten, denn überall dort, wo man ggf einen Blick von oben auf die „Pyramiden“ haben könnte, sind Zäune und Büsche davor und die Bänke geben Ausblick auf Buschwerk. Erst als wir schon auf dem Rückweg, also wieder bergauf gehen, können wir die Formationen und Erklärungen genießen. Ebenso haben wir einen Blick auf den Iseosee, wobei es dafür schon schönere Stellen auf der Fahrt hierhin gab. Nun sitzen wir auf der Café-Terrasse und genießen unseren Kaffee und den Ausblick auf die Berge ringsum.

4.9.21
Eigentlich wollen wir die heutige Nacht am Gardasee verbringen, aber bei unserem ersten Stopp zum Einkaufen ist die Straße in einen der Orte am See bereits verstopft mit Autos diverser Länder, deshalb nehmen wir davon gleich Abstand. Da Stefan stimmt zu, heute ein längeres Stück fahren zu wollen, also suche ich auf der Strecke nach Trient nach einem Stellplatz mit Strom. Ich finde einen, wo man sogar nur für Strom zahlen muss und erkläre ihn unbesehen zum Ziel. Es steht etwas von nettem Ort mit Park und Einkehrmöglichkeiten in den Kommentaren, also scheint er weder in der Einöde noch an einer Hauptverkehrsstraße zu liegen, das hörte sich OK an. Wir fahren lange auf einer Schnellstraße südlich um den Gardasee herum – leider nie mit Blick auf ihn – bis wir zu den letzten ca 20km der Strecke kommen. Damit habe ich nicht gerechnet: mit 13% Steigung geht es ins Gebirge! Womi hat gut etwas zu tun, um den Berg hochzukriechen und ich bereute meine Ortswahl im Anbetracht auf sein Alter. Wir landen aber gut am Ziel, das Brentonico heißt und nordöstlich des Gardasees liegt. Es handelt sich um ein Ski- und Mountainbikegebiet. Wir machen gemeinsam einen kleinen Ortsrundgang und Stefan wandert noch ein Stündchen alleine, während ich meiner Faulheit fröhne. Morgen wollen wir nach Trient.

5.9.21
Früher fanden wir Sonntage immer doof auf Reisen, inzwischen wissen wir sie zu schätzen. Zum einen haben heute im Ausland viele Geschäfte auch sonntags geöffnet, sodass die Einkaufszonen nicht ausgestorben wirken, was uns aber wichtiger ist, ist dass es viel einfacher ist, einen erlaubten Parkplatz zu finden und der häufig, wie auch in Deutschland, kostenlos ist. Nachteil ist allerdings, dass touristische Highlights eher überlaufen sind. Wir wagen uns heute in die Südtiroler Stadt Trient, die in der Tat gut besucht ist. Dennoch finden wir problemlos einen Parkplatz direkt in der Innenstadt. Wir besuchen zuerst MART, die Galeria Civica, die eher klein ausfällt im Vergleich zu der Werbung, die dafür gemacht wird. Später finde ich heraus, dass es sich in Trient wohl nur um einen Teil des MART Kunstmuseums handelt und die Hauptausstellung wohl im Ort Rovereto ist. Nunja, wir werden es überleben, dass wir sie verpasst haben. Nach der Kunst kommt die Wissenschaft und zwar im MUSE, dem Wissenschaftsmuseum und das hält wirklich was es verspricht. Es ist groß, informativ und beeindruckend. Auf mehreren Ebenen wird man durch ausgestopfte Tiere, Dinosaurierskelette, Computeranimationen, Videos und andere multimediale Angebote vom Beginn der ersten Lebewesen bis zu heutigen Umweltkatastrophen durch die Jahrmillionen geführt. Leider ist es recht voll, trotz Einlassbeschränkungen und nach einer Weile wird es auch wirklich belastend, die FFP 2 Maske die ganze Zeit zu tragen. Es ist dennoch sehr interessant und wir bereuen es nicht, hineingegangen zu sein. Übernachten wollen wir aber nicht in der Stadt, deshalb fahren wir ein Stück nördlich zur Burg Thun, die ehr ein Schloss ist. Sie liegt auf einem Hügel, der rundherum von Apfelplantagen umgeben ist. Von weitem könnte man es für Weinberge halten, weil es gar keine richtigen Bäume, sondern eher Sträucher in Reihe und Glied, voll behangen mit Äpfeln unterschiedlicher Sorten sind. Es gibt welche, die sind schon fast schwarz rot., Die habe ich zuvor noch nie gesehen.
Die Burg können wir nicht mehr von innen besichtigen, weil es kurz vor Ende der Öffnungszeiten ist, aber durch den Garten ringsum können wir noch schlendern und danach machen wir noch einen kleinen Spaziergang macht zu einer kleinen Kirche. Ich denke mal, das wird eine ruhige Nacht, denn morgen ist hier Ruhetag. Es kann natürlich passieren, dass auf der Plantage gearbeitet wird.

6.9.21

Es war eine recht ruhige Nacht, aber heute Morgen um Punkt 7Uhr habe ich wieder das Glück, dass städtische Mitarbeiter mit Freischneidern, Motorsägen etc direkt unter meinem Alkoven beginnen, das Gras aus den Rasensteinen und die Hecke zu schneiden. Nicht nur, dass sie mir meinen Schlaf rauben, ich habe auch wieder wie in Turin die Befürchtung, dass sie sagen, ich müsste hier wegfahren. Stefan ist aber wie immer joggen. Die Sorgen erweisen sich als umsonst und wir machen uns nach dem Frühstück auf nach Bozen, um Ötzi im Museum einen Besuch abzustatten. Das wird aber leider nichts mangels Parkplatz. Wir sind froh, wieder aus der Stadt herauszukommen, weil anscheinend zu bestimmten Zeiten Fahrzeuge der Euronormen 0-3 hier nicht fahren dürfen. Ich meine aber, das bezieht sich nur auf LKWs über 3,5t, zumindest sind wir nicht während der angegebenen Uhrzeiten dort unterwegs. Puh, man muss da so aufpassen🙄. Wir fahren aus der Stadt Richtung Sterzing und bevor wir uns versehen, sind wir auf der Straße zum Penser Joch, einem Pass mit 2211Höhenmetern. Womi hat ganz schön was zu tun, meistert die Strecke aber im Faultiertempo ganz prima. Die Straße muss das Highlight aller Motorradfahrer sein. Wir sehen mindestens 50 unterwegs und oben, fast ausschließlich aus Deutschland. In Sterzing angekommen gucken wir uns ein wenig in der Fußgängerzone um und sind erstaunt, dass soviele Häuser in Südtirol nette kleine Erker haben. Das war uns zuvor nie aufgefallen. Wir gehen zum Schluss unserer Reise nocheinmal gemütlich Pizzaessen und entscheiden uns, nicht noch eine Nacht in Italien zu bleiben. Es gibt in der Ecke nur einen richtigen Stellplatz und das ist sozusagen der Autohof der Brennerautobahn. Wir wollen nicht bei Verkehrslärm schlafen und dafür Geld zahlen. Wir entscheiden, nicht die Autobahn, sondern die alte Brennerstraße zu nehmen und bis Mittenwald zu fahren. Der Brennerpass erscheint lächerlich und wir hätten uns sicher geärgert, dafür auf der Autobahn viel Maut zu zahlen. Erst später, bei Seefeld in Österreich finden wir heraus, wo die ernsten Steigungen sind. Langsam aber sicher kommen wir auch hier hoch und ohne Kontrollen nach Deutschland. Wir übernachten auf dem Parkplatz der Schanze in Garmisch Partenkirchen. Morgen geht es dann, nach genau 10 Wochen unterwegs, wieder nach Zorneding. Eine wunderschöne, spannende und manchmal auch nervenaufreibende Reise geht damit zuende. Ob wir es nun leid sind im Womi zu schlafen? Nein, das könnte noch länger so weitergehen. Außerdem hat sich erfreulicherweise unsere Batterie für den Wohnbetrieb auf dem schönen Stellplatz in San Pellegrino Terme am Stromnetz wieder so erholt, dass wir sie ohne Probleme wieder nutzen können. Es gibt aber auch ein paar Dinge, die Zuhause mal wieder erledigt werden müssen und da die Coronazahlen wieder überall steigen, wollen wir unser Glück auch nicht überstrapazieren. Die letzte Reise in diesem Jahr wird es aber höchstwahrscheinlich dennoch nicht gewesen sein🤔

Was uns in Italien aufgefallen ist:

  • es gibt Automaten, an denen man Wasser zapfen kann, sowohl mit als auch ohne Kohlensäure, kostenlos oder für 5-10ct der Liter.
  • Man kann Marihuana in kleinen Mengen am Automaten kaufen wie Zigaretten.
  • es ist häufig einfacher, kostenfreie Stellplätze oder erlaubte Parkplätze z.T. auch mit Abwasserentsorgung und Strom zu finden, als Stellplätze mit Ver- und Entsorgung gegen Geld, bzw sind sie wenn, dann zu teuer, haben miese Bewertungen, liegen doof z.B. an der Autobahn, oder man muss erst jemanden kontaktieren laut unserer Stellplatz APP .
  • es gibt unwahrscheinlich viele Kreisel. Man scheint einen Großteil der Ampeln durch sie ersetzt zu haben.
  • nirgendwo haben wir bisher soviele Blitzer gesehen wie hier, immer vorher angekündigt. Es gibt sie in jeder Stadt alle paar Kilometer. Es sind orange oder blauen Kästen am Straßenrand. Nach ein paar Tagen bin ich so fixiert darauf, dass ich sogar schon eine blaue Mülltonne dafür gehalten habe😂
  • Mülltrennung gibt es auch hier. Im Norden stehen überall Container für Plastik, Bio, Papier, Glas und Restmüll, wo die Leute ihren Müll hinbringen, oder sie haben kleine Eimerchen, die an die Straße gestellt werden zur Abholung. Was es nicht gibt, ist Flaschenpfand, zumindest nicht auf Plastikflaschen. Unsere Wasserflaschen stapeln sich im Womi und werden an den meist kostenlosen Wasserhähnen auf Stellplätzen oder in Städten wieder aufgefüllt. Im Süden hapert es überhaupt an Müllentsorgung. Da wäre man schon froh, wenn der Müll überhaupt von Straßenrändern und aus der Natur verschwände.
  • Vielleicht liegt es daran, dass viele Italiener Mal in Deutschland gelebt haben, auf jeden Fall findet man überall Würstel auf der Speisekarte. Es gibt sie auf der Pizza, auf Fladen, im Salat…
  • entgegen meiner Erfahrungen von früheren Italienreisen (in den 80gern) fahren heute kaum noch Vespas durch die Gegend, dafür findet man überall Radfahrer und häufig auch richtig gute Radwege, auch in den Städten. Im Süden und besonders auf Sizilien sieht das allerdings anders aus. Da kurven wie eh und je die abgasreichen Roller durch die Gegend.
  • Dass man in Italien in den Städten nicht mit kurzer Hose rumläuft, sondern immer addrett und modisch gekleidet, scheint sich auch nur noch in Reiseführern gehalten zu haben. Auch Italiener*innen tragen häufig legere Klamotten und kurze Hosen in der Fußgängerzone. Natürlich gibt es auch Modepüppchen oder ausgefallene Modelle, aber alles scheint möglich, solange man nicht mit richtig kurzen Hosen und Spagettiträger in die Kirche will.
  • eine Italienreise muss nicht teuer sein. Wie bereits beschrieben, gibt es zahlreiche Stellplätze und Parkplätze, die kostenlos sind und häufig sogar besser als teuere. Campingplätze hingegen sind teuer, aber wer will schon zwischen lauter Dauercampern stehen und häufig auch noch eine Art Vergnügungspark dazu bekommen? Wir jedenfalls nicht. Schwierig wird es in den super touristischen Gebieten wie rund um Neapel, Pompei, an der Amalfiküste oder italienischen Riviera. Dort ist deutlich zu merken, dass man die Wohnmobilisten möglichst auf die Campingplätze verbannen will. Wenn man meinen Bericht aber aufmerksam verfolgt, kann man erkennen, dass wir lange suchen mussten, um einen Stellplatz zu finden und das trotz Hochsaison. Italien ist für eine Wohnmobilreise auf jeden Fall hervorragend geeignet. Wir waren zuvor in keinem Land, wo es so einfach war, Ent- und Versorgungsstationen zu finden und Stellplätze und wo findet man sonst wohl gemeindliche Stellplätze, die zum Teil sogar Strom kostenlos anbieten? Fahrtechnisch muss man sich auf enge Straßen in Städten und häufige Steigungen einstellen. Bei vielen Orten sind daher aber Stellplätze unterhalb oder außerhalb der Altstädte im Angebot, von wo man gut zu Fuß die Attraktionen erreichen kann. Sehr verwirrend sind allerdings die Ein- bzw. Durchfahrtsregelungen, die inklusive Gesetzesangabe unter „Einfahrt verboten“ Schildern stehen, sogenannte ZTLZona a traffico limitato. Es ist schier unmöglich im laufenden Verkehr und ohne oder mit beschränkten Italienischkenntnissen diese Einschränkungen augenblicklich zu erfasen und sich daran zu halten. Überwacht wird die Einhaltung mit Kameras. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob wir noch ein Strafmandat zugeschickt bekommen, weil wir ggf. irgendwo zur falschen Zeit mit der falschen Euronorm oder dem falschen Fahrzeug (Wohnmobilverbot) irgendwo reingefahren sind.
  • In den Bars kostet Espresso in der Regel 1€, Cappuccino 1,20-1,50€, womit man gut leben kann. Pizza ist ähnlich teuer wie bei uns. Außerdem gibt es noch gefüllte Fladen, Paninis oder ähnliches, die auch nicht sehr teuer sind. Pommes kosten ca 2,50€ -3€. Wenn man natürlich ein mehrgängiges Menü haben will, kostet es halt seinen Preis. Es kommt natürklich auch darauf an, wann und wo man ist(s)t. In der Hochsaison auf dem Markusplatz oder ähnlichen hochtouristischen Ecken kann es natürlich teuer werden, wie überall auf der Welt, wo es Tourismus gibt. Wir haben Restaurants meist vermieden, weil wir selten ein ganzes Menü essen wollen und außerdem dort auch meist noch der Serviceaufschlag hinzukommt. Wir kochen auch unterwegs häufig selbst, wenn wir nicht gerade vermeiden wollen, dass es dadurch noch heißer im Womi wird. Wie Zuhause kaufen wir bei Lidl, wo das Angebot ähnlich wie in Deutschland ist, aber natürlich auch regionale Lebensmittel angeboten werden, so gibt es haufenweise unterschiedliche frische Pasta und immer eine eigene Gefriertruhe mit Meeresfrüchten.
  • Als letzte Anmerkung zu den Italienern muss ich noch etwas anmerken: ich kenne kein Volk, das soviel und in jeder Situation telefoniert, wie sie. Da wird lautstark ein Pläuschchen per Skype mit Mutter oder Freundin gehalten, während man den Hund ausführt, beim Joggen werden ernsthafte Diskussionen geführt, zumindest lässt das Gesicht und die Art zu reden darauf schließen, man telefoniert beim Auto- und Radfahren, meist auch per Skype und natürlich beim Essen im Restaurant oder beim Einkauf. Dabei scheint es wichtig zu sein, dass auch die Umgebung etwas davon hat, denn die Lautstärke der Stimme würde sich mancher Stadtführer oder Lehrer bei uns sicher manchmal wünschen.

10 Wochen Wohnmobiltour durch Italien – ein Fazit

Es war eine wunderschöne, erlebnisreiche und gelegentlich auch mal nervige Tour, auf jeden Fall aber unvergesslich!. Das waren für uns die Highlights:

  • Besuch der Inseln Burano und Murano, danach Venedig
  • Wunderschöne kleine Orte, die oben auf Hügeln bzw teilweise Bergen liegen mit mittelalterlichen Strukturen und einem wunderschönen Ausblick auf die Umgebung, z.B. Veruccio
  • Besuch in San Marino
  • Die Grotten von Frassati
  • Die Bucht und der Strand von Conero
  • Der Lago Fiastra im Nationalpark Monti Sibillini
  • Tropea, das wunderschön auf einem Sandsteinfelsen liegt und auf Hafen und Strand blickt
  • die Schifffahrt mit dem Besuch der wunderschönen Inseln Panarea und Stromboli
  • Das Miterleben von stundenlangen Eruptionen des Vesuvs Ätna aus nur 15km Entfernung und die Erfahrung, dass es Lavasand und Bröckchen regnet. Sehr beeindruckend, aber auch etwas gruselig
  • Die faszinierende Innenstadt von Salemi auf Sizilien
  • Die beeindruckendsten Bauwerke der Römer in Ercolano und Pompei und was das Lava davon konserviert hat
  • Die wunderschöne Wanderung von Ort zu Ort in den Cinque Terre
  • Die Fahrt mit Skyways aufs Mont Blanc Massiv und die unbeschreibliche Aussicht von dort
  • Das Kinomuseum in Turin
  • Die Erfahrung in einem metallenen Korblift über der Bergwelt zum Monte Camino zu schweben
  • Die ungeplante Wanderung auf dem Pilgerweg zum Sacro Monte di Varese
  • Die Landschaft auf der Fahrt zum Penser Joch
  • Das leckere Essen, zu dem wir von unserem Vermieter auf Sizilien eingeladen wurden, weil unsere Küche in der Ferienwohnung noch nicht fertig war
  • Italienischer Kaffee und Tiramisu 😍
  • Viele sogar kostenlose Stellplätze von Gemeinden mit Ver- und Entsorgung
  • das unser 25Jahre altes Wohnmobil uns trotz seiner über 250000km bis auf wenige Kleinigkeiten gut überall hingebracht hat
    ++++vieles mehr

Nicht so glücklich machte uns:

  • dass wir wegen Covid 19 in der heißesten und touristischten Hochsaison fahren mussten, weil nicht absehbar war, ob es im Herbst noch möglich ist
  • die zum Teil unerträgliche Hitze bis 40⁰Celsius, besonders auf Sizilien
  • die kleinen Probleme mit dem Wohnmobil, die uns mehrmals zum Besuch von Werkstätten zwang
  • die unverständlichen Verkehrsschilder der diversen Einfahrts- und Durchfahrtsverbote
  • die halsbrecherische Fahrweise vieler Italiener
  • das Fahren mit Wohnmobil auf überfüllten Küstenstraßen und in größeren Städten mit engen Gassen und z.T. niedrigen Unterführungen

Balkantour mit dem Wohnmobil Teil 2: Nordalbanien, Montenegro, Bosnien, Kroatien, Slowenien, Österreich, Rückweg

Noch ein letzter Tag Albanien

Nach 18 Tagen unterwegs von Selb in Bayern über Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro nach Albanien, war am 27.9.18 der Tag gekommen, an dem sich die Rückfahrt nicht mehr länger aufschieben ließ. Wir wollten ja auch entlang der Küste noch ein paar nette Stellen kennenlernen. Ein Ziel hatten wir uns aber noch aufgespart, wir wollten den Skodarsee auch auf der albanischen Seite besuchen. Wir fuhren, nachdem wir die interessante Burganlage in Kuja am Morgen  besichtigt hatten, also wieder Richtung Norden. Es gibt nur sehr wenig Autobahnen in Albanien und auf unserer Strecke über Lezha nach Shkodra ist nur ein kurzes Stück autobahnähnlich ausgebaut. Es geht sehr langsam voran und dennoch sieht man immer wieder Unfälle, denn der Verkehr ist einfach chaotisch, wenn auch nicht mit Asien zu vergleichen, da es zum Glück nicht so viele Autos gibt. Als wir uns, wieder in Shkodra angekommen, ein wenig die Füße vertreten wollten, hatte es gerade gekracht. Ich schätze, es hatte einen Fußgänger oder Radfahrer erwischt. Ein Krankenwagen kam uns mit Blaulicht entgegen. Die Polizei überprüfte gerade einen Mercedesfahrer, der uns selbst zuvor schon halsbrecherisch überholt hatte. Radfahrer und Fußgänger bewegen sich hier kreuz und quer durch den Verkehr, meist gegen die Fahrtrichtung, und laufen auf den paar Kilometern Autobahn oder Schnellstraße zu Fuß herum. Autos überholen halsbrecherisch, kreuzen mal kurz die Fahrbahn der „Schnellstraße“(meist 60km) um verkehrt herum in eine Einbahnstraße zu fahren, überholen in steilen Serpentinen trotz Gegenverkehr oder von rechts. Leitplanken sind nahezu unbekannt im Land. Kaum ein Fahrzeug erscheint voll verkehrstauglich. Warum das so ist, obwohl überall Polizei präsent ist und Autos rauszieht, ist mir ein Rätsel. Ich kann nur eins sagen, so viele Verkehrskontrollen wie bei dieser Balkantour habe ich noch nie zuvor in anderen Regionen erlebt.

Am Abend kamen wir am Shkodar See auf der albanischen Seite an und fanden ein sehr schönes und mit 12€ dennoch günstiges Campingresort östlich vom See, mit direktem Strandzugang. Wir hatten, seit wir Österreich auf der Hintour verlassen hatten, wunderbares Wetter und konnten nun einen traumhaften Sonnenuntergang über dem See genießen.

Nachts gingen die Temperaturen inzwischen manchmal bis 10 Grad runter, aber tagsüber hatten wir immer noch mindestens 25 Grad, also genial. Die letzten Tage und  Nächte zog manchmal stärkerer Wind auf, aber unser Wetterbericht für Montenegro und Kroatien versprach weiterhin sonnige Tage an der Küste.
Am 28.09.18 fuhren wir zurück nach Montenegro und planten, an der Küste entlang Richtung Norden zu fahren.
Bisher hatte uns Montenegro am Besten gefallen. Der Durmitor Nationalpark war einfach umwerfend. In Albanien fanden wir die Burganlagen am beeindruckendsten. Je weiter wir in den Süden kamen, je ärmer wurden die Menschen, kaputter die Straßen aber die Landschaft war überall grandios.
Durch die z.T. katastrophalen und engen Straßen, Steigungen und Serpentinen, sowie Geschwindigkeitsbegrenzungen hatten wir hier eine Durchschnittsgeschwindigkeit von höchstens 30km/h. Ich war froh, dass Stefan sich als so ein besonnener Autofahrer erwies, den so schnell nichts aus der Ruhe brachte. An der Küste entlang erwartete ich, dass die Fahrten ohne Berge nun entspannter würden.

Küste und Lovćen Nationalpark in Montenegro

Unser erster Stopp in Montenegro brachte uns nach Budva, einer netten kleinen Stadt an der Budva Riviera mit mittelalterlichem Altstadtkern. Besonders ist es aber für seine Strände bekannt und unser Ziel für die kommende Übernachtung war ein Campingplatz an der Jaz Bucht. Wir hatten das große Glück, dass der Platz wohl schon im Wintermodus war. Man durfte dort kostenfrei stehen, Rezeption und Wasserver- und entsorgung, Strom o.ä. gab es aber nicht. Am Strand waren aber noch Liegestühle und Sonnenschirme zu mieten und tagsüber wurden wohl auch noch Aktivitäten wie surfen, Bootfahrten etc. angeboten und Restaurants hatten ebenfalls noch geöffnet. Wir beschlossen unseren Abend mit einem gemütlichen Strandspaziergang.

Der kommende Tag, der 29.9.18, führte uns noch einmal von der Küste ins Inland zum Lovčen Nationalpark. Berge, Wälder und Reste alter Dörfer und tolle Ausblicke boten sich uns. Wir sind ca 9km gewandert und wieder Mal sollte der Weg nicht ansteigen, aber das tat er hier immer! Wir hatten tolle Ausblicke und es war ein netter Weg. Danach wollten wir Richtung Dubrovnik/Kroatien fahren. Zuerst führte uns das Navi über eine ganz merkwürdige Strecke, mit extrem enger Straße, sodass wir bereits in den ersten 10 Minuten mehrere kritische Situationen hatten, wo LKWs kaum an uns vorbeikamen und das, wo es rechts neben uns in die Tiefe ging. Vielfach waren die Felsüberhänge auch so, dass wir mit unseren 3,10 m Höhe nicht direkt an der Wand entlang fahren konnten. – Hatte ich nicht gedacht, die Fahrten würden nun entspannter? – Wir hätten bei Dunkelheit die Strecke nie fahren können und es war absehbar, dass es unterwegs dunkel werden würde. Die Tage wurden leider schon merklich kürzer. Also blieb uns nichts anderes übrig, als umzukehren und eine andere Strecke zu suchen. Wir kamen dann auf die wunderschöne Serpentinenstraße mit Ausblick auf die Bucht von Kotor, dem südlichsten Fjord Europas. Der Ausblick war einfach umwerfend schön. Abends wurde es dann mal wieder eng mit der Schlafplatzsuche. Wir fanden keinen Campingplatz und standen dann auf dem Parkplatz eines Restaurants. Das Ok vom Besitzer hatten wir, aber natürlich wieder keine Registrierung. Andere Camper hatten von der Regelung überhaupt noch nichts gehört und an dem Grenzübergang von Albanien nach Montenegro bekamen wir auch weder eine Broschüre, noch stand dort irgendetwas von Meldepflicht, also wagten wir es. Wir hielten es auf jeden Fall für besser, die Meldepflicht mal nicht zu erfüllen, als bei Dunkeln und müde weiterzufahren.

Am 30.9.18 besuchten wir die Altstadt der UNESCO Welterbestadt Kotor mit seinen schmalen und verwinkelten Gassen und fuhren entlang der Küste nach Perast. Die guterhaltenen Altstädte beider Orte mit ihrem mittelalterlichen Charme und die traumhafte Lage an der azurblauen Adria, mit Bergen im Hintergrund, waren ein wirkliches Highlight. Nun mussten wir Montenegro verlassen, um über Dubrovnik weiter Richtung Norden zu fahren. Unser Fazit zu Montenegro: Dieses kleine Land hat es echt in sich! Es hat wunderschöne Landschaften und Orte – mal abgesehen von der (zumindest uns) nichtssagenden Hauptstadt und versteht es, eine gesunde Mischung aus unberührter Natur und Naturabenteuer mit diversen Sportangeboten zu bieten. Wir wissen nicht, wie es in der Hauptsaison ist, aber in der Nachsaison hielt sich der Tourismus in erträglichen Grenzen.

Kroatien rund um Dubrownik

Wieder ließen wir ein Land hinter uns und überquerten die Grenze zu Kroatien. Nun also wieder EU! Der Grenzübergang Montenegro/Kroatien kostete ca. eine Std. Wartezeit, aber bereitete keinerlei Probleme. Wir bekamen auch keinen Ärger, weil wir zwei Nächte ohne Registrierung in Montenegro übernachtet haben und keine Durchsucherei beim kroatischen Zoll. Es wäre auch reine Zeitverschwendung gewesen, da wir weder rauchen noch trinken und mit Sicherheit keine Drogen oder Menschen schmuggeln.

Direkt nach der Grenze erwartete uns Dubrovnik, wiederum eine imposante Stadt mit Welterbestatus, deren Altstadt komplett von einer im 16.Jh fertiggestellten Stadtmauer umgeben ist. Um auf dieser Stadtmauer laufen zu dürfen, zahlt man 20€ pro Person, was wir recht unverschämt fanden! Sonst ist die Altstadt, insbesondere die Lage, wunderschön. Leider ist sie aber wahnsinnig voll und teuer. Es lagen 2 riesige Kreuzfahrtschiffe im Hafen und zahlreiche Busse stauten sich vor der Altstadt und die Besuchergruppen unterschiedlichster Länder bevölkerten die Sträßchen innerhalb der Stadtmauer. Es war uns zu touristisch, wobei man sich natürlich auch immer selber an die eigene Nase fassen muss, denn auch wir gehören ja dazu.

Am Nachmittag fanden wir einen Campingplatz 9 km nördlich und genossen als einzige Gäste dort den Abend. Später kamen noch ein Zelt und ein Wohnmobil hinzu. Der Preis war mit 10€ völlig ok, es gab warme Duschen, Toiletten, Waschbecken für Geschirr und Wäsche und Strom. Ich bin sicher, wir zahlten auch hier den Nachsaisonpreis.

Am kommenden Morgen ging es Stefan nicht gut, es war ihm schwindelig, er war blass und er hatten Kopfschmerzen. Bei mir kam da gleich wieder unsere Marokkoreise hoch, die uns vor Jahren einen Krankenhausaufenthalt und Krankenrücktransport aufgrund einer Lungenentzündung beschert hatte. Hoffentlich würde es ihm nach einem Ruhetag wieder gutgehen! Der Campingplatz war nett, also wenigstens machte es kein Problem, hier weiter zu bleiben. Mir ging durch den Kopf, dass wir am 12. in Augsburg sein mussten und allzu weit kam man täglich nicht, wenn die meiste Zeit 40 km/h vorgeschrieben und häufig nicht mal das möglich war. Nunja, etwas Zeit blieb uns noch und notfalls ging es dann auf Autobahnen (soweit vorhanden) gen Norden. Wichtig war, dass Stefan wieder fit genug wurde, überhaupt zu fahren. Ich kann das Womi nicht fahren. Nicht allein, dass ich es mir nicht zutraue, es ist einfach zu schwer zu lenken ohne Servolenkung. Es gibt ständig Situationen, wo man z.B. beim Einparken im Stand lenken und vor- und zurücksetzen muss. Da kommt Stefan schon manchmal an seine Grenzen.
Die Ruhe hatte wohl gut getan und Stefan ging es ab Nachmittag wieder besser, sodass wir unseren 1.Jahrestag „out of work“ würdig mit einem tollen Essen beschlossen. Wir wollten eigentlich in ein Restaurant, 10Min Fußweg laut Google, aber das hatte genau seit  diesem Tag Winterpause bis Mai. Auf dem Fußweg zurück zum Campingplatz kamen wir an einem „Agrotourismusbetrieb vorbei, was ebenfalls Messer und Gabel auf seinem Schild zeigte. Als wir das Grundstück betraten, kam uns der Besitzer entgegen und meinte, heute hätten sie eine geschlossene Gesellschaft, aber morgen könnten wir kommen. Wir teilten ihm mit, dass wir am kommenden Morgen weiterführen, da überlegte er es sich schnell anders, lud uns ein mitzukommen und bot uns draußen einen Platz an. Wir teilten ihm vorsichtig mit, dass wir aber Vegetarier seien, aber das war kein Problem. Sein Garten bot Auberginen, Zucchini, Paprika, Tomaten und wir bekamen eine Salatplatte mit Mozarella und leckerem Hartkäse, Oliven und Mandeln und selbstgebackenem Brot. Als wir dachten, das wäre es und eigentlich schon glücklich und satt davon waren, tischte uns seine Frau noch eine Platte mit gegrillten Auberginen, Zucchini, Kartoffeln und Paprika und noch einer Schüssel Salat auf. Dazu gab es frisches, selbstgepresstes Olivenöl, denn sie besaßen nicht nur einen Olivenhain sondern auch eine Ölmühle in altem Stil mit Pferdebetrieb. Eine Agentur vermittelt ihnen immer amerikanische Gruppen für eine Präsentation mit anschließender Grillmahlzeit, und so auch an diesem Tag. Wir platzten fast und hatten im ganzen Urlaub noch nicht so gut gegessen. So war es dann doch noch ein toller Tag. Seit unserem Ende der Berufstätigkeit waren wir an 214 Tagen in insgesamt 14 Ländern unterwegs gewesen, man kann also sagen, dass wir unseren Traum in diesem Jahr wirklich gelebt haben. Hoffen wir, dass es noch lange so bleibt!

So schön der Abend war, so bescheiden die Nacht. Gegen 2 Uhr begann ein Gewitter und versuchte mehr als 3 Std lang über die Berge zu kommen. Dazu Starkregen, sodass wir befürchteten, heute Morgen als Boot weiterfahren zu müssen. Er prasselte auf uns nieder und es krachte und blitzte ununterbrochen. Wir standen unter wunderschönen Olivenbäumen, die natürlich auch vom Blitz getroffen werden konnten. Klar ist man im Wohnmobil wie in einem faradayschen Käfig und damit recht sicher, wenn man nicht gerade Wasser nutzt oder an metallische Teile kommt, die mit der Karosserie in Verbindung stehen. Vor umfallenden Bäumen hilft das natürlich wenig. An Schlaf war nicht zu denken! Stefan ging noch kurz raus, um das Stromkabel abzuziehen, um Überspannungen zu vermeiden und weil unsere Verteilerdose in der Pfütze lag. Trotz Schirm war er in Sekunden nass. Als er dann laut „Farewell“ von der finischen Band Apocalyptica laufen ließ, hatte ich ein bisschen Titanicfeeling. Es erinnerte mich an die Szene, als das Orchester bis zum Schluss auf dem untergehenden Schiff spielte. Es krachte, blitzte und unser „Schiff“ wackelte hin und her.
Am kommenden Morgen mussten wir erst einmal gucken, ob es irgendwelche Schäden gegeben hatte. Wir konnten nichts erkennen und das Wasser war zumindest versickert oder vom Wind getrocknet.

Abstecher nach Bosnien-Herzegowina

Inzwischen hatten wir den 2.Oktober. Wir entschieden uns, nochmal einen kleinen Abstecher nach Bosnien-Herzegowina zu machen. Zum einen hatte ich auf der Karte das Sumpfgebiert Hutovo Blato entdeckt, was uns reizte, außerdem wollten wir auch unbedingt die Stadt Mostar noch besuchen.Wir fuhren auf ca 40km 3x über die Grenze nach Bosnien-Herzegowina! Das Land hat ein ganz kleines Stück Adriaküste abbekommen, daher fährt man auf der Küstenstraße Kroatiens gleich zweimal über die Grenze. Wir besuchten den Naturpark Hutovo Blato, eine herrliche Feuchtlandschaft mit vielen Vögeln und anderen Tieren. Leider haben wir zwar viele Vögel gehört, aber nur wenige gesehen. Einen Frosch erwischte ich in Nahaufnahme.

Mostar gefiel uns gut, es hat eine schöne Altstadt mit Kopfsteinpflaster und eine alte Bogenbrücke über den Fluss Neretwa. Von der Brücke springen Brückenspringer gegen Geld 20m in die Tiefe ins Wasser! Immer wenn sie 40€ von den umstehenden Touristen gesammelt hatten, boten Sie ihren Mutsprung. Die Brücke wurde im Balkankrieg zerstört und 2004 wieder aufgebaut. Die Gassen der Altstadt sind gesäumt von kleinen Geschäften nach türkischem Stil mit dem bekannten Angebot an Teeservice, Schmuck, Wasserpfeifen und Restaurants mit arabisch-türkischen Speisen (türk. Kaffee, Baklava, Hummus, Falafel…). Wie wir bei einer vorbeikommenden Stadtführung erlauschten, sind auch die Moscheen alle nach türkischem Stil ganz aus Stein. Bosnische sollen demnach typischer Weise aus Holz sein. Wir fragten uns, ob wir eigentlich überhaupt schon eine echte bosnische gesehen hatten. Es waren sehr viele Touristen dort und dabei erstaunlich viele Asiaten.
Nach Mostar besuchten wir Blagaj, einen Ort, der im Bosnienkrieg fast um die Hälfte der Einwohner dezimiert wurde, wenn man Google glauben kann. Als Sehenswürdigkeit war ein Derwischkloster zu besichtigen, das oberhalb eines Flusses an den Fels gebaut wurde. Seit Jahrhunderten wurde der Komplex immer wieder durch herunterfallende Felsbrocken zerstört, aber immer wieder aufgebaut.

Zurück an der Kroatischen Küste

Nun führte uns unser Weg nordwestlich Richtung Split, aber diese Nacht hatten wir noch einen besonderen Stellplatz: laut meiner „Park4night-App“ sollte hier bei einem landwirtschaftlichen Betrieb das kostenlose Übernachten im Wohnmobil möglich sein, so erwartete ich irgendeinen kleinen abgeschiedenen Bauernhof. Hier gab es allerdings eine unglaubliche Anlage, das Eco Village Selo Grabovica. In edlen Steinmauern eingefasst ein Restaurant, Appartements, Sportplätze, Reitstall etc. Auf der Webseite kann man sich ein Bild davon machen http://www.ecoselograbovica.com/hr/
Wir durften kostenlos stehen und verzehrten wunderbare Palatschinken mit Nüssen gefüllt und Weinschaumsoße für 2Personen . Ich hoffte, von dem Alkohol darin nicht 😵 Hicks 🤣… Gute Nacht!

Der 4.10.18 brachte uns nach Omiš südlich von Split an der kroatischen Adria. Dort unternahmen wir eine Bootstour in die Cetina Schlucht. Wir waren 2Std mit Pause für Restaurantbesuch unterwegs, bei dem wir uns aber ein bisschen in der Gegend umgesehen haben, statt zu essen. Wir fuhren durch eine beeindruckende, von Felsen eingefasste Flusslandschaft.
Danach besuchten wir Split, wiederum eine Stadt, die als UNESCO Welterbe anerkannt wurde. Dort haben römische Einflüsse stark das Stadtbild geprägt. Übernachtet haben wir außerhalb der Innenstadt in unserem Wohnmobil, einen offiziellen Stellplatz fanden wir keinen.

https://youtu.be/67-5x_s4ShA

Am 5.10.18 stand uns der Sinn nach all den Städten mal wieder nach Natur und es bot sich ein Besuch im Krka Nationalpark an. Er begeisterte uns mit diversen Wasserfällen. Man konnte wunderschön auf Holzstegen durch den Park wandern und zahlreiche Wasserfälle von unterschiedlichen Seiten und Höhen aus bewundern. Rundherum wieder Felsen und in einer befand sich eine Höhle, die Menschen bis ins 16.Jahrhundert zum Schutz vor Kriegen genutzt haben. Es wurden eine Feuerstelle und Kinderskelette drin gefunden. Zur Höhle musste man 517 Stufen erklimmen! Ich war echt verrückt, da hochzusteigen, aber außer dem Höhleninnern bot sich auch ein guter Ausblick auf die Landschaft rundherum, also hat sich die Mühe gelohnt.
Wir sind nach dem Park noch bis Zadar gefahren und übernachteten auf einem bezahlten Parkplatz gegenüber des Busbahnhofs. Nicht schön, aber günstig und zentral gelegen. Wir planten am kommenden Morgen die Stadt anzusehen und danach in den Paklenica Nationalpark zu fahren.

Zadar war ganz nett, aber längst nicht so beeindruckend wie Split oder Dubrovnik. Umso weiter wir in den Norden kamen, umso mehr glichen sich die Geschäfte in den Städten unseren in Mitteleuropa an. Lange Zeit hatten wir gar keine Kaufhäuser oder bekannte Marken mehr gesehen, bestand das Angebot eher aus kleinen Lädchen wie in arabischen Ländern, nun waren wir wieder in der Welt von Lidl, DM, Kaufland und bei Marken wie Zara etc. angekommen. Ich muss sagen, bis darauf, dass wir seit ca 1Woche vergeblich nach Kaffeefiltern suchten, die es nun bei DM endlich wieder gab, hat uns eigentlich nichts gefehlt. Wir machten Pause in einem gemütlichen Café in der Altstadt und mussten zum wiederholten Male zu unserem Bedauern feststellen, dass das Rauchverbot für Restaurants und andere gastronomische Einrichtungen hier leider noch nicht galt oder umgesetzt wurde. Die Nacht verbrachten wir auf einem Campingplatz direkt am Wasser dieser südlichsten Fjordlandschaft Europas. Nun ergriff auch ich die Chance, in der Adria zu schwimmen, aber das Wasser war ziemlich kalt. Selbst Stefan kam nach nicht einmal 5 Minuten wieder aus dem Wasser und der ist in der Regel längst nicht so ein fröstelndes Wesen wie ich.

Am 7.10.18 stand wieder Natur auf dem Programm mit dem Paklenica Nationalpark besucht. Laut Internet sollte es erst ab 14:00Uhr regnen, also bemühten wir uns, gegen 11Uhr dort zu sein. Wir nahmen unsere Regenjacken mit und waren noch keine 500m gelaufen, als es anfing zu regnen. Jacken raus und weiter ging’s, aber als das Ziel nur noch 30Min entfernt sein sollte, waren wir so klatschnass, dass wir aufgaben. Wir hatten Sorgen um meine Kamera, Handy und Reisepässe, denn meine Bauchtasche war inzwischen auch von innen feucht. Wir gingen schnellstmöglich zurück zum Auto, wobei sich dort, wo zuvor Kopfteinpflaster und Splitwege waren, nun Flüsse den teils steilen Weg hinunter führten. Ich war froh, Wanderstöcke mitgenommen zu haben, denn es wurde stellenweise sehr rutschig. So konnte ich etwas mehr Trittsicherheit gewinnen. Meine Wanderschuhe hatten inzwischen etwa soviel Profil, wie Tanzschuhe! Meine Knie fanden die Strecke dennoch eine Tortur. Als wir wieder beim Auto ankamen, kam die Sonne durch!
Wir aßen dann im Womi  und ich legte mich eine Stunde aufs Ohr. Mit unseren nassen Klamotten hatten wir unser Womi von außen dekoriert, dass inzwischen von der Sonne beschienen wurde😳 Wir waren nicht die einzigen Dekorations-Trockenkünstler an diesem Tag auf dem Parkplatz. Gegen 15Uhr brachen wir noch einmal auf und haben die Wanderung entlang des Flusses, zwischen beeindruckenden Felsen hindurch, zu ende gebracht. Der Weg, der zuvor einem Fluss glich, war wieder trocken, aber aus dem ausgetrockneten Flussbett ganz zu Beginn unserer ersten Wanderung, hatte sich ein reißender Fluss entwickelt. Nach Ende des Schauers herrschte reger Klettertourismus im Park und man konnte an den vielen Kletterrouten, zu denen auch extra Wege ausgeschildert waren, erkennen, dass dieser Nationalpark das Highlight vieler Kletterer sein muss. Verschiedenste Schwierigkeitsgrade waren ausgewiesen und die Wege hatten Namen aus den Winnitoufilmen, die in den 60iger Jahren mit Pierre Brice und Lex Barker hier gedreht wurden. Sie sind bis heute Kult. Insgesamt brachten wir an dem Tag zirka 18km Wanderung hinter uns.

Ein Wiedersehen mit Slowenien

Am 8.10.18 verließen wir das Land der Winnetoufilme endgültig wieder. Den Norden Kroatiens mit den Plitvicer Seen und der Stadt Pula hatten wir 2003 bereits mit unseren Kindern schon einmal besucht. Über einen winzigen Grenzübergang bei Brod na Kupi reisten wir in Slowenien ein. Seit langem mal wieder ein Tag Autobahn und dann die letzten Kilometer auf einem kleinen, schmalen Sträßchen mit vielen Schlaglöchern, auf dem man über 5km nur 20Km/h fahren durfte/konnte. So entspannend es war, mal wieder etwas schneller und auf gut ausgebauter und leerer Autobahn zu fahren, haben wir uns später doch geärgert, fast 30€ für ca 220km Autobahn zahlen zu mussten, denn wir hätten auch die Bundesstraße 1 bis Karlovac fahren können.

Für Slowenien hatte ich kurz nach der Grenze einen Parkplatz in der Park4night App ausfindig gemacht, wo man laut App auch übernachten darf. Es handelte sich um einen Schotterparkplatz vor der Schule von Fara. Ob das mit dem Übernachten ok war weiß ich nicht,denn ein Schild gab es keines, aber es wurde dunkel und da es ein winziger Ort und wir die einzigen dort waren,  weiß ich nicht, wer sich an uns hätte stören können. Wir verhalten uns in solchen Fällen, wo wir nicht auf ausgewiesenen Stellplätzen über Nacht stehen, immer so unauffällig wie möglich. Dass wir keinen Müll oder Krach verursachen, versteht sich von selbst.

Da wir 2003 den Großteil unseres Urlaubs in Slowenien verbracht hatten, machten wir dieses Mal nur einmal Stopp in Ljubljana. Diese Stadt hatte es uns bereits damals angetan und wir wollten sie unbedingt wiedersehen. Wir fanden ohne große Mühe einen Parkplatz vor der französischen Botschaft – so kam unser Womi sicher auch in den Genuss, unter Kamerabewachung zu stehen – und schlenderten gemütlich am Fluss Ljubljanica entlang durch die Stadt. Die Stadt ist so entspannend, dass man überhaupt nicht vermutet, dass es eine Hauptstadt sein kann. Blumenkästen an Brücken, Cafés entlang des Flusses und alles wirklich lieblich gehalten, einfach nur schön! Nach leckerem vegetarischem Burger in einem der zahlreichen Bistros, fand ich in einem Second Hand Laden auch noch eine Gore Tex Hose, falls ich mal wieder eine Wanderung im Regen machen möchte 😂 und Stefan ein paar T-Shirts, weil seine von Sonne, Schweiß und Rucksack allmählich sehr mitgenommen aussahen.

Auf kleinen Straßen über österreichische Pässe

Allmählich kamen wir der Heimat immer näher. Nach der Mittagspause in Ljubljana fuhren wir über die Bundesstraße 101 an der Tscheppenschlucht und einem Mahnmal zur Außenstelle des KZs Mauthausen vorbei zum Loibltunnel, der Grenze nach Österreich, Der Tunnel wurde von Gefangenen des KZs errichtet. Überall in Europa trifft man auf grausige Spuren deutscher Geschichte und trotzdem wird der rechte Mob bei uns und anderswo immer mehr😱
Die Fahrt ging dann über eine Serpentinenstraße mit 12%Steigung und Gefälle Richtung Klagenfurt.
Wir wollten versuchen, Autobahnen und Schnellstraßen zu vermeiden, um nicht nochmal eine Vignette kaufen zu müssen. D.h., wir planten am kommenden Tag über den Radstätter Tauernpass mit unserem Womi zu fahren und die Turacher Höhe stand uns bevor, vor deren 17%iger Steigung  der ADAC  Wohnmobile warnte.

Die Tour am kommenden Tag führte uns dann aber parallel zur 95 über die L63 bis Stadl an der Murr und dann über die 99 zum Radstädter Tauernpass bis Pfarrwerfen. Die Strecke durch die Gurktaler Alpen war wunderschön und wir hatten immer wieder Ausblicke auf die hohen Felsspitzen der umliegenden Berge. Den Radstädter Tauernpass fand ich eher enttäuschend. Nicht, dass ich mir für unser Wohnmobil eine schwierigere Strecke gewünscht hätte, aber ich hatte mir unter dem Pass nicht ein enorm ausgebautes Skizentrum vorgestellt. Für Skifahrer muss das im Winter eine Traumlandschaft mit all den Abfahrten und Liften sein, aber jetzt, ohne Schnee und mit dem Wunsch nach unberührter Bergwelt, fand ich es nicht so berauschend. Dafür hat mich die Aussicht auf die Berge in der untergehenden Sonne bei Pfarrwerfen wieder entschädigt.

Wir verbrachten die Nacht zum 10.10.18 in Kuchl, ca 20km vor Salzburg und übernachten auf einem Parkplatz, der nur bis Ende September kostenpflichtig ist. In Österreich ist das Übernachten auf Parkplätzen zur Wiederherstellung der Fahrtauglichkeit erlaubt wie in Deutschland, solange es Schilder nicht ausdrücklich untersagen.

Unseren letzten Tag vor Rückkehr nach Deutschland, den 11.10.18,besuchten wir Salzburg. Unsere Tochter hatte uns davon so vorgeschwärmt und wir selber waren nur in unserer Jugend einmal dort gewesen, dass dieser Stopp ein Muss bedeutete. Sie hatte uns auch zur Salzburg Card geraten und schickte uns viele Tipps, was wir uns unbedingt ansehen sollten. Salzburg und besonders seine Lage ist toll. Es ist eine Stadt der schönen Künste mit Festung, Dom, Schloss, vielen Museen etc und das Beste war, dass man mit der Salzburgcard alles kostenlos besichtigen konnte, inklusive der Nutzung des öffentlichen Verkehrs, Bootsfahrt und Bergbahn! Wir kauften uns je eine 24Std Card für 28€ und waren von 11:30-18:00 in diversen Museen, sind mit dem Funikular auf die Festung gefahren und haben uns alles von innen und außen angesehen, haben bei einer 1-stündigen Bootsfahrt auf der Salzach unsere Beine etwas ausgeruht und vieles mehr. Es ist so entspannend, sich nicht bei jeder Sehenswürdigkeit aufs Neue überlegen zu müssen, ob für einen selbst das Angebot den Preis wert ist, oder bei der Benutzung der Busse nicht befürchten zu müssen, dass der Einstieg in den falschen Bus auch gleich noch finanziell zu Buche schlägt. Man sieht sich viel entspannter um und ist viel offener auch für Dinge, die man sich ansonsten vielleicht nicht angesehen hätte.

Seitdem wir dem Tipp unserer Freunde gefolgt waren und in Graz Geissler Eis kennengelernt hatten, waren wir auch in Klagenfurt und Salzburg ebenfalls bei Geissler Eis essen – mmh, lecker! Unser Womi hatten wir etwas entfernt vom Zentrum auf einem Parkplatz für 24Std für 10€ gepackt und konnten auch die Nacht drin schlafen. Am Morgen als wir ankamen, stand ein Bus von Rühe aus Liebenburg bei Goslar, unserer alten Heimat, neben uns – die Welt ist doch klein😂.

Bevor wir dann wirklich über die Grenze nach Deutschland Richtung Augsburg zum Besuch unserer Tochter einschlugen, konnten wir in der Frühe noch mit der Bergbahn auf den Unterberg fahren. Unsere Salzburg Card war ja eine 24Std Card und somit noch etwas gültig-genial! Von dort ging es dann direkt über Augsburg und Bonn, wo wir unsere lieben „Kleinen“ wiedersahen, nach Hause nach Bad Harzburg.
Damit war unsere Balkantour – für dieses Mal – endgültig zu Ende. Es war eine wunderschöne Reise und wir hatten ein riesiges Glück mit dem Wetter. Es kam uns aber auch zu Gute, dass wir letztlich aus familiären Gründen erst 4 Wochen später als ursprünglich geplant starten konnten. Die Temperaturen, auch am südlichsten Punkt zirka in der Mitte Albaniens, wo wir die Rückfahrt starteten, waren gut erträglich. Da wir vor allem wandern und die Städte erkunden wollten und nicht unbedingt einen Badeurlaub planten, waren die Temperaturen genial. Wir hatten die meiste Zeit zwischen 25-30Grad und fast ausschließlich Sonne. Die Hinreise im Inland und erst auf der Rückreise an der Küste hochzufahren, war ebenfalls für unsere Ziele das Richtige. Ab Oktober begann die Nachsaison und der große Trubel an den Stränden, die Staus an den Grenzen, überfüllte Campingplätze, wie wir es zuvor in Kroatien erlebt hatten, waren nun vorbei. Zum Teil konnten wir Campingplätze sogar kostenfrei nutzen wie in der Jaz Bucht. Für uns wird es nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir den Balkan mit Wohnmobil heimsuchen. Das nächste Mal dann weiter östlich, man wird sehen. Unser nächstes Ziel steht bereits fest und unsere Leser dürfen sich dann auf ein etwas weiteres Ziel freuen: Neuseeland!

Balkantour mit dem Wohnmobil Teil I: Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien, Montenegro, Nordalbanien Hinweg

Reiseeinstimmung beim Festival „Mediaval“ in Selb/Bayern

Der Beginn unserer großen Tour Richtung Albanien fand in Selb im Fichtelgebirge, nahe der Grenze zu Tschechien statt. Wir wollten uns nach vielen Jahren Abstinenz mal wieder ein Festival gönnen, nachdem unser Sohn uns mit seiner Festivallaune angesteckt hatte. Weiterlesen