Polen im Nordwesten


Polen 2022/23

Mittwoch, 28.12.22 Anreise nach Police/Pölitz
Weihnachten war vorbei, kein Besuch mehr da, da konnten wir die Zeit über Silvester auch besser nutzen, als Zuhause rumzusitzen. Kurzerhand entschlossenen wir uns zu einem Kurztrip nach Polen. Damit die Fahrt nicht allzu weit ging, suchten wir uns eine FeWo in der Nähe von Szczecin (Stettin). An der See waren wir zu Silvester schon lange nicht mehr, an der Ostsee genauer gesagt waren wir das letzte Mal Silvester 1991/92 in Kühlungsborn. Diesmal fanden wir ein Appartement in Police (Pölitz) zwischen Stettiner Haff und Stettin. Wir kamen abends an und bezogen unser 1-Zimmer- Appartement mit eigenem Bad. Eine kleine, aber gemütliche Küchenecke mit Essbar, ein Sofa mit Tisch, zwei ziemlich schmale Betten, die wir auf Wunsch zusammen oder auseinander stellen konnten, Schränke und ein Duschbad mit Waschmaschine war für die kommenden 5 Tage unsere Heimat. Von hier aus wollten wir die Umgebung erkunden und fingen gleich am ersten Abend damit an. Wir liefen die paar hundert Meter ins Stadtzentrum zur Fontäne, die aber zurzeit als Weihnachtspyramide geschmückt den Abend erleuchtete. Wir kamen vorbei an einer kleinen Gedenkstätte mit alten Grabsteinen ehemaliger deutscher und polnischer Stadtbewohner, die als Friedens- und Freundschaftsprojekt aus der Umgebung zusammengetragen wurden. Zum Abschluss genossen wir eine riesige Pizza in einer Pizzeria mit alkoholfreiem Bier mit erfrischendem Minze-Lemon- Geschmack.

Donnerstag, 29.12.22 Ausflug nach Szczecin/ Stettin
Wir machten uns auf den Weg nach Stettin. Ich hatte zuvor in der Park4night App einen kostenfreien Parkplatz in der Nähe der Altstadt ausgesucht und der erwies sich als hervorragend für unsere Zwecke. Von hier aus war es nicht weit zur Hakenterrasse und dem Observationsdeck. Im Rücken das würdige Gebäude des Nationalmuseums konnten wir von oben auf die West-Oder mit Schiffsanlegern hinunterblicken und Anglern bei ihrer Tätigkeit zusehen. Wir überquerten die Oder und konnten nun von der anderen Seite einen Blick über den Fluss auf die Altstadt werfen. Leider begann es zu regnen und wir retteten uns ins nächste Café am Anlegesteg und warteten den Guss bei Kaffee und Tee im Trockenen ab. Da das Wetter keine Hoffnung bot, in den nächsten Stunden viel besser zu werden, entschieden wir uns, ins Dialog- Center (Centrum Dialogu Przelomy) zu gehen. Es handelte sich hierbei um eine sehr sehenswerte, multimediale Ausstellung, die Stettin und Umgebung während der deutschen Naziherrschaft, wie auch nach dem Krieg im Griff des kommunistischen Machtapparats beleuchtete. Es wurde weder die Vertreibung der Deutschen nach dem Krieg und die Beseitigung von allem, was noch an sie erinnerte, Straßennamen, Denkmäler bis hin zu Grabsteinen, als auch das Misstrauen, mit dem sich Deutsche und Polen in den Jahren nach dem Krieg über die Oder hinweg beobachteten verschwiegen. Erst nach der Unterzeichnung des Deutsch-Polnischen Grenzvertrages 1990 konnte mit der Entwicklung einer freundschaftlichen und auf Vertrauen basierenden deutsch-polnischen Beziehung begonnen werden.
In der Ausstellung wurde weiterhin das Thema Werftstreik und Solidarność ausführlich behandelt und der Mut und die Durchhaltekraft trotz aller Repressalien hin zur Befreiung Polens aus der kommunistischen Diktatur deutlich.
Weitere Ausstellungswände berichteten von mutigen Menschen der vom Deutschen Reich besetzten Gebiete, die Zivilcourage bewiesen und Verfolgten, zumeist Juden, beim Untertauchen oder bei der Flucht halfen. Man konnte aus diesen Erklärungen herauslesen, dass es auch bei den Polen Kollaborateure gegeben hat, was  im deutsch-polnischen Verhältnis ja immer noch ein Streitpunkt ist.
Alles in allem fanden wir beide die Ausstellung so wie auch die mediale Umsetzung für sehr gelungen und höchst interessant.
Auf dem Rückweg in unsere Ferienwohnung kauften wir noch etwas ein und verpflegten uns am Abend selber.


Freitag, 30.12.22 Sieben-Mühlen Tal, Quistorpturm, Jan-Kasprowicz-Park
Zu unserer großen Freude stellten wir am Morgen fest, dass die Sonne schien und, dass es den ganzen Tag trocken bleiben sollte. Nach dem Frühstück fuhren wir wieder Richtung Stettin, hielten aber vor der Stadt im Sieben Mühlen Tal (Dolina Siedmiu Mlynów) an und machten eine Wanderung von gut 5 km durch schönen Laubwald und an kleinen Bachläufen vorbei. Danach fuhren wir in die Nähe des Quistorpturms, eines ehemaligen Aussichtsturms, der vom Unternehmer und Wohltäter Stettins, Martin Quistorp als Andenken an seinen Vater errichtet wurde und der Umgebung als Ausflugsziel diente. Er wurde 1945 größtenteils zerstört, weil er die neuen Machthaber zu sehr an den Kaiser Wilhelm Turm in Berlin erinnerte und Gedenkstätten ihrer Meinung nach Machthabern vorbehalten sein sollten. Die Reste des Turms sind heute ein beliebter Ort für Fans von Lost Places. Auch wir machten hier ein paar nette Fotos bevor wir zum Jan-Kasprowicz-Park weiterführen. Wir fanden einen kostenlosen Parkplatz in der Nähe und schlenderten durch den schönen Park mit beeindruckendem Freilichttheater, einem See, vielen zur Entspannung dienenden Rasenflächen, Spielplatz und einem „Denkmal der Tat der Polen“. Letzteres sah typisch osteuropäisch aus: nicht unser Geschmack, aber groß. Der Weg endete am Stettiner Rathaus, welches in einem beeindruckenden, schlossartigen Gebäude untergebracht ist. Wir entschlossen uns das letzte ausgewählte Ziel „Turzyn“ zu Fuß von hier aus anzugehen, da wir kaum einen kostenlosen Parkplatz in näherer Umgebung gefunden hätten. Es sollte sich um ein bei Studenten beliebtes Viertel mit Cafés und Geschäften handeln, aber das erste was wir sahen war ein Einkaufszentrum und das auch noch hässlich. Wir hatten uns kleine Straßen mit hippen Cafés und Läden vorgestellt und dann das! Wir waren zuvor an recht netten Häuserzeilen aus der Vorkriegszeit mit gut erhaltenen oder restaurierten Fassaden vorbeigekommen, aber das Viertel hier machte nix her. Wir begaben uns in Richtung Zentrum und fanden dann doch noch ein nettes kleines Café, wo wir zur Feier des Tages – vor 29 Jahren war wir schließlich zum ersten Mal Eltern geworden – Kaffee und Kuchen in gemütlichen Ohrensesseln genossen. Als wir das Café verließen, war es bereits 16:00 Uhr und es wurde innerhalb weniger Minuten so dunkel, dass wir auf dem Rückweg durch den Park kaum noch etwas sehen konnten. Auch hier schien man mit der Beleuchtung zu sparen. Verständlich, aber schade, da wir gehofft hatten, die architektonisch interessante Freilichtbühne noch im Lichterglanz fotografieren zu können. Wir fuhren heim und verpflegten uns auch an diesem Abend wieder in unserem Appartement

Samstag, 31.12.23 Stettiner Haff und Silvester in Polen
Unser heutiger Ausflug führte uns an die Küste, genauer gesagt ans Stettiner Haff. Wir führen nach Trzebietz und machten dort eine Wanderung auf einem sehr gut ausgebauten Promenadenweg mit Aussichtsturm. Es gab einen kleinen Strand, einen Spielplatz, ein paar Imbissbüdchen, die aber wohl nur im Sommer geöffnet hatten und eine kleine Anlage, die evtl. eine Ferienunterkunft war. Alles war sehr überschaubar, ruhig und entspannt. Es erschien uns auf jeden Fall viel reizvoller als die überfüllten und mit Ständen und Jahrmarktsrummel überhäuften Strandorte, aus denen wir 2015 im Sommer geflüchtet waren. Man weiß natürlich nicht, wie belebt es im Sommer hier werden kann.
Wir fuhren weiter bis an die Spitze der Landzunge nach Nowe Warpno. Es stellte sich als hübscher kleiner Ort heraus, bei dem man wiederum von einem guten Promenadenweg den Blick aufs Haff und rüber nach Alt Warp in Mecklenburg-Vorpommern genießen konnte. In einem kleinen Restaurant ließ ich mir Fischsuppe schmecken und Stefan hatte leckere, mit Spinat und Knoblauch gefüllte Piroggen. Wir mussten schließlich auch einmal das kulinarische Polen genießen. Das Wetter war nicht super, spielte aber den ganzen Tag gut mit. Wieder zurück in unserer Ferienwohnung aßen wir unseren restlichen Stollen und schauten einen Film. Gegen 20:00 Uhr zauberte Stefan ein leckeres Abendessen. Für mich gab es gebratenen Lachs, er machte sich veganes Hähnchengeschnetzeltes, dazu Reis und Mojito. Wir erwarteten ein ziemlich heftiges Böllern und zogen es vor, den Jahreswechsel vom Dachfenster aus zu erleben. Man kennt ja die polnischen Feuerwerkskörper als nicht ganz ungefährliches Vergnügen. Es zeigte sich, dass zwar mehr Feuerwerke gezündet wurden als wir es von Zuhause gewöhnt waren, es schien aber alles sehr geordnet abzulaufen. Wir konnten ca. eine halbe Stunde lang immer wieder bunte Leuchtraketen über der Innenstadt sehen, dann wurde es ruhig und zu Stefans Erstaunen lag am Neujahrsmorgen nirgendwo der Müll der abgebrannten Raketen und Knaller herum wie bei uns.

Sonntag, 1.1.2023 Hydrierwerk Police – Lost Place
Den ersten Tag des neuen Jahres verbrachten wir zwischen historischen Ruinen. Wir besuchten das ehemals größte deutsche Hydrierwerk, in dem bis in den Krieg hinein aus Steinkohle und Erdöl Treibstoffe, Schmiermittel, Farben etc. hergestellt wurden. Um es gegen die beständigen Angriffe der Alliierten zu schützen, wurden regelrechte Festungsanlagen drumherum gebaut mit Flak, Bunkern und aufgeschütteten Hügeln, sodass die Fabrik bis zum Schluss produzieren konnte. Die Sowjets ließen nach dem Krieg die Anlagen abbauen und abtransportieren. Die Ruinen der Fabrik, Bunkeranlagen, Erdwälle und ähnliches sind aber noch heute zu sehen und der größte Lost Place, den wir kennen. Zu bestimmten Zeiten werden sogar Führungen durch Ehrenamtliche dort durchgeführt, leider nicht, als wir dort waren. Es gab aber Hinweisschilder zu den verschiedenen Gebäuden, die wir dank Google Übersetzer auch lesen konnten. Es war höchst spannend. Am Abend ließen wir uns nochmals eine Pizza schmecken, da wir beide an den nächsten Tagen nur noch sehr eingeschränkt würden essen können, da wir einen Termin zur Darmkrebsvorsorge hatten.


Montag, 2.1.23 Stargard
Unsere Wahl fiel heute auf Stargard, die einzige Stadt, die im Rahmen einer Autostunde erreichbar war. Sie muss einmal eine sehr hübsche, mittelalterliche Stadt gewesen sein. Ein paar Häuser, Kirchen, Stadttore und ein kleiner Rest der Stadtmauer zeugen noch heute davon. Leider wurde sie zum Ende des Krieges von den sowjetischen Truppen zu 70% zerstört. Wir machten einen Rundgang im Bereich der Altstadt und fuhren danach etwas enttäuscht wieder zurück. Da wir spät aufgebrochen waren, auf dem Rückweg auch noch in Staus kamen und die Sonne leider schon um 16:00 Uhr unterging, bot sich uns noch nicht mal mehr die Möglichkeit, noch ein paar Schritte in der Natur zu wandern. Wie sehr wir doch die Sommermonate schätzten und die besonders in Skandinavien, wo man fast zu jeder Zeit auf Entdeckungstour gehen konnte!
Mit diesem Tag ging unsere kurze Reise nach Polen auch schon wieder zu Ende. Am kommenden Morgen mussten wir uns bereits wieder auf den Heimweg begeben.

Dienstag, 3.1.23 Heimfahrt

Nachdem wir in Ruhe gefrühstückt und unsere Sachen zusammengepackt hatten, verließen wir gegen Mittag unsere Unterkunft und fuhren ohne großen Halt bis Bad Harzburg durch.


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