Unsere zweite, gemeinsame, dreimonatige Interrailreise starteten wir mit einem Servasbesuch in Salzburg. Wir fuhren daher von Stefans Mutter in Zorneding aus mit dem Bayernticket nach Salzburg, um unser Interrailticket noch zwei Tage länger nutzen zu können und die Outboundfahrt aufzusparen. Man darf bei Interrail nur einmal in Deutschland fahren, um das Land zu verlassen, und einmal, um wieder nach Hause zu kommen. Darüber hinaus ist es nur in den meisten Ländern des europäischen Auslands gültig.
Mittwoch, 22.3.23 Salzburg/ Österreich
Wir kamen gut in Salzburg an und hatten eine nette Servas Gastgeberin, mit der wir uns bis spät abends interessant über Politik, Reisen, Gendern, Coronagegner und Impfschäden ausgetauscht. Sie Sie war leider ein Opfer davon, allerdings bereits vor der Coronaimpfung. Sie bot uns an, falls wir auf unserem Rückweg nochmals durch Salzburg führen, wieder zu ihr zu kommen. Wir scheinen ja ganz angenehme Gäste zu sein, was uns freut
Ich hatte jedoch ein großes Problem seit wir in Österreich waren, ich kam nicht mehr ins Netz mit meinem Handy, obwohl Roaming eingeschaltet und es auch in meinem Vertrag enthalten war. Weder mobile Daten noch Telefon griffen auf das österreichische Netz zu, d.h. wir mussten am nächsten Morgen versuchen, bei einem Telefonladen Hilfe zu bekommen und ggf nochmal über die Grenze fahren, um einen Freenetladen zu finden. Nur mit WLAN war es zu kompliziert, per Interrail unterwegs sein.
Donnerstag, 23.3.23 Salzburg
Gerettet! Beim zweiten Telefonladen konnte man mir helfen. Es war aber auch äußerst dubios: meine Sim- Karte funktionierte in Stefans Handy und meine in seinem, in meinem war sie jedoch tot! Die Mitarbeiterin hat irgendwas auf ihrem Laptop eingetippt, bei mir erschien, dass ich meine Netzwerkeinstellungen zurücksetzen und neu starten sollte und dann war ich drin. Gott sei Dank, denn mit meinem Interrailpass auf dem Handy hätte ich bei den sporadischen W-Lan Verbindungen ein echtes Problem bekommen.
Nachdem das Problem gelöst war, machten wir uns auf den Weg durch die Stadt über die Imbergstiege auf den Kapuzinerberg. Es waren einige Stufen zu erklimmen, aber wir kamen über den „Stefan Zweig Weg“ zu einigen Aussichtspunkten, von wo wir einen schönen Blick auf Salzburg mit seinen vielen ansehnlichen Kirchtürmen und Schlössern genießen konnten. Bei 20?C und Sonne fragten wir uns nicht zum ersten Mal seit unserer Abfahrt aus Bad Harzburg, warum wir eigentlich überhaupt warme Sachen eingepackt hatten. Vielleicht würden wir den Grund ja am kommenden Wochenende wissen, wenn es nochmal kalt werden sollte. Ich hätte es schon nett gefunden, wenn sich meine jährliche Prophezeiung, dass es an meinem Geburtstag immer schneit, nicht erfüllen würde.
Freitag, 24.3.23 Fahrt über Attlang- Puchheim, Hallstatt Bahnhof, Stainach-Irdning nach Graz
Heute war unser erster richtiger Interrailtag, d.h. heute aktivierten wir unseren zweiten 1. Klasse – Interrailpass, den wir im Vorjahr für den halben Preis zum 50-jährigen Interrailgeburtstag erworben hatten. Wir fuhren eine schöne Strecke entlang an Seen und hohen Bergen nach Graz. Vor der Fahrt genossen wir den Luxus der First Class Lounge mit heißem Kakao und Snack. Im ersten Zug wurde uns klargemacht, dass wir mit der West-Bahn, die privat ist, mit unserem 1. Klasse Ticket nur in der zweiten fahren dürften. Die sah aber nicht viel anders aus, außer dass es dort kein kostenloses Wasser zu trinken gab. In Hallstatt fuhren wir nicht wie geplant mit der Fähre zum Ort über den Hallstätter See, wie eine ganze Anzahl vornehmlich asiatischer Touristen, sondern wanderten entlang des Sees bis zum nächsten Bahnhof in Obertraun, was wir ganz nett und vor allem sicherer fanden, um unseren weiteren Zug zu bekommen. In Obertraun begaben wir uns in einen sogenannten Supermarkt. Die Regale waren größtenteils nahezu leer, dafür waren die Preise einfach unglaublich. Ein normales Fladenbrot für ca. 5€, ein anderes kleines Brot 6€, kleine Limo ca. 2,5€ etc. Die Preise übertrafen noch locker japanische. Wir haben uns daraufhin ein 500 ml Glas Apfelmus für 2,30€ gemeinsam geleistet. Auf dem Weg zum Bahnhof fing es an zu regnen, also hatten die Rucksackhüllen heute bereits ihren ersten Einsatz. Das letzte Wegstück durften wir komfortabel in der 1. Klasse eines Eurocitys nach Graz verbringen. Unterwegs fuhren wir durch einen wunderschönen und riesigen Regenbogen, der linkerhand in den Bergen begann und rechterhand endete. In Graz fanden wir ohne Probleme unser Appartement und kauften noch beim Billa für das Abendessen ein. Man musste teuflisch aufpassen mit den Preisen. Die, die am Regal waren, stimmten fast nie mit denen auf der Verpackung überein. Am Vortag z.B. stand am Regal für eine Packung mit zwei Teilchen 3,20€, nachher stellte sich raus, dass das der Stückpreis für eines ist. Man konnte aber nur zwei zusammen kaufen! Sehr verwirrend und ärgerlich, was auch unsere Gastgeberin schon festgestellt hatte
Samstag, 25.3.23 Graz
Heute erkundeten wir Graz zu Fuß und kamen natürlich wieder nicht an Second Hand Läden vorbei, ohne etwas zu kaufen. Wir wurden jeder um ein dünnes Shirt und eine leichte kurze Hose reicher. So durfte es natürlich nicht weitergehen, sonst kämen wir in drei Monaten wie Packesel nach Hause.
Wir gingen auf Entdeckungstour durch die Altstadt, fanden ein nettes Restaurant für das Abendessen am kommenden Tag, um meinen Geburtstag würdig abschließen zu können und buchten gleich Plätze Dann wanderten wir auf den Schlossberg und bestaunten „Kunst in der Landschaft“ beim Joanneumsviertel. Insgesamt wanderten wir um die 12 km und hatten bis auf ganz wenige Tropfen den ganzen Tag schönes Wetter.
Sonntag, 26.3.23 Mein 61.Geburtstag
Der Tag begann etwas durchwachsen. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof, um unsere Semmering Tour zu unternehmen. Als wir ankamen, hatte unser erster Zug bereits gut 30 Minuten Verspätung. War das schon ein Vorbote des Streiks in Deutschland? Wie auch immer, wir wagten es nicht, eine spätere Variante zu wählen, da wir befürchteten, abends nicht mehr oder zumindest nicht mehr früh genug für unseren Restaurantbesuch wieder in Graz zu sein. Die Umsteigezeiten waren zu knapp, nicht viele Züge am Sonntag unterwegs, es war zu gewagt. Schnell planten wir um und wählten unser alternatives Tagesprogramm: wir fuhren mit der Straßenbahn in Richtung Rettenbachklamm. Wir wanderten durch die unspektakuläre aber ganz nette kleine Klamm und da das nach einer guten 1/2 Std erledigt war, folgten wir dem Wanderweg zur Stephanienwarte. Unterwegs haderte ich etwas mit unserer Entscheidung, weil es nur noch bergauf ging, aber der Blick von oben über Graz bis zu den schneebedeckten Bergen war die Belohnung. Wir entschieden uns, Richtung Botanischem Garten abzusteigen und uns dort noch umzugucken. Als wir nach ein paar steilen Kilometern bergab dort ankamen, hatten die Gewächshäuser gerade geschlossen. Da uns das Außengelände nicht sehr attraktiv erschien, machten wir uns auf die Suche nach einem Café, einem von mir gewählten „must do“ an meinem Geburtstag. Auch wenn laut Internet angeblich fast alle Cafés in der Umgebung geschlossen hatten, fanden wir im Univiertel recht schnell eines und ließen uns Kuchen und einen „Gestreckten“ bei gutem Wetter draußen schmecken. Ein Gestreckter ist ein verdünnter Espresso, den wir uns noch ein weiteres Mal verdünnen ließen, weil er so stark war. Danach begaben wir uns zu einer ausgedehnten Pause in unser Apartment. Wir hatten immerhin seit morgens ca. 13 km hinter uns gebracht.
Als wir uns abends dann auf den Weg zum asiatischen Restaurant Koko machten, begann es zu regnen und meine feine neue Regenjacke kam in Einsatz. Das „All you can eat“ Royal Buffet, war seinen Namen und Preis wert. Sushi, asiatische Suppen und Gemüse, Fisch, Garnelen, Salate und eine große Auswahl an Desserts boten für jeden von uns etwas und wir kamen satt und zufrieden wieder nach Hause. Bald war nun mein Geburtstag schon wieder vorbei, da man mir unfairer Weise mal wieder eine Stunde durch die Umstellung auf Sommerzeit klaute. Am kommenden Tag sollte unsere Reise weiter nach Maribor in Slowenien gehen.
Montag, 27.3.23 Maribor/ Slowenien
Wir erreichten unser nächstes Ziel und damit auch Land, wir waren in Maribor in Slowenien. Auf unserer Wohnmobiltour nach Albanien hatten wir hier zwar schon Mal einen Zwischenstopp eingelegt, aber waren damals nur an der Drau entlang gewandert und hatten etwas gegessen. Nun bezogen wir ein nettes Zimmer mit Küchenzeile und Bad mitten in der Fußgängerzone und durchschlenderten zu Fuß die Altstadt mit Theater, Uni und anderen historischen Gebäuden. Der osteuropäische Einschlag war sowohl sprachlich als auch bei den Gebäuden deutlich zu bemerken. Es gab mehr Verfall als in Österreich, dafür hatten wir dort, besonders in Salzburg, erschreckend viele bettelnde Obdachlose überall in der Innenstadt gesehen. Die Preise für Lebensmittel bzw. in Cafés waren hier fast ebenso hoch wie in Österreich, nur Kaffee war ab 1,70€ zu bekommen, der in Österreich mindestens 3,50€ kostete. Bei Torte oder Teilchen schlugen sie in beiden Ländern ordentlich zu, unter 4€ war kaum was zu bekommen. Für unsere Unterkunft zahlten wir aber deutlich weniger als in Graz, sie war allerdings auch kleiner.
Dienstag, 28.3.23 Maribor
Am Morgen wachten wir bei sonnigem, aber kalten Wetter auf. In der Sonne konnte man es bei ca. 6-8? gut aushalten, aber sobald es etwas windig wurde, zog die Kälte durch alle Ritzen der Kleidung. Wir nutzten das gute Wetter für eine Wanderung durch den sogenannten Stadtpark, der aber riesig und mit einem Wanderweg durchzogen war. Vorbei an einem See und einem Springbrunnen ging es bergauf durch Wald zur Kalvarija Kirche. Sie wurde nach der Pest den Schutzheiligen gebaut aus Dank, verschont geblieben zu sein und dass das Leiden ein Ende gefunden hatte. Von der Kirche aus hatten wir einen herrlichen Blick über Maribor, die Weinberge ringsum und bis zu den schneebedeckten Spitzen der Alpen. Wir wanderten bergab zum Ort Kamnica und weiter zur Drau, dem Fluss durch Maribor. Den Weg entlang der Drau waren wir bereits 2018 gewandert, als wir mit dem Wohnmobil nach Albanien unterwegs waren. Wir fanden dasselbe Restaurant wieder, das Gasthaus Koblarjev, in dem wir damals gut gegessen hatten und genossen fantastische Palatschinken dort. Das tolle bei diesem Restaurant war, dass man dort mit Womit kostenlos übernachten konnte, es Strom und Wasser gab und man nur angehalten wurde, etwas dort zu verzehren. Dieses Mal brauchten wir den Womiplatz nicht, aber das gute Essen haben wir uns trotzdem erlaubt. Gestärkt wanderten wir zurück nach Maribor zu unserer Unterkunft und machten es uns gemütlich. Wir stellten fest, dass wir fast einen Tag zu früh am kommenden Morgen abgereist wären, man, waren wir trottelig …oder doch schon alt???
Mittwoch, 29.3.23 Ausflug Semmering von Maribor
Wir nahmen es doch noch in Angriff, mit der Semmeringbahn zu fahren. Die als Welterbe anerkannte Strecke ist Teil der Verbindung Wien – Adria und führt über den Semmering Pass. Am Morgen war es in Maribor recht kalt und nebelig, aber trocken. In Österreich schneite es auf der Südseite der Alpen, während auf der Nordseite keinerlei Schnee mehr zu sehen war. Die Strecke von Muerzuschlag nach Payerbach -Reichenau über Semmering war schön, aber bei weitem nicht so spektakulär wie unsere Touren in der Schweiz oder im schottischen Hochland im Jahr zuvor. Ich muss natürlich zugeben, dass vor allem in der Schweiz das Wetter viel besser mitgespielt hat. Wenn alles grau in grau ist, sehen Berge und Täler eben nicht so toll aus, aber die Architektur der Strecke mit Brücken und Tunneln war in der Schweiz deutlich spektakulärer. Weil das Wetter nicht doll war und wir, als wir in Payerbach -Reichenau ankamen, den Semmering Pass bereits hinter uns hatten, fuhren wir das letzte Stück über Gloggnitz nach Wien-Neustadt nicht mehr, sondern auf demselben Weg zurück, wie wir gekommen waren. In Graz erfreuten wir uns beim Umstieg noch für ein halbes Stündchen an den Annehmlichkeiten der Lounge und erreichten am frühen Abend wieder Maribor. Hier schien inzwischen wieder die Sonne und es war viel wärmer geworden. Stefan wollte noch zur Piramida, einer weiteren Kapelle in dem Stadtpark, in dem wir Vortags schon waren. Ich hatte nicht recht Lust, wollte aber auch nichts verpassen. Ich hatte gehofft, dass sie nicht so hoch gelegen sein würde, obwohl ich wusste, dass es auch ein Aussichtspunkt ist. Auf den letzten Metern habe ich aufgegeben. Es wurde mir einfach zu steil und meine Knie taten mir schon bei dem Gedanken weh, dort wieder runter laufen zu müssen, also setzte ich mich schnaufend auf die Bank im Weinberg und ließ Stefan die letzten 200 m alleine hochkraxeln. Als er wieder da war, gingen wir über einen viel flacheren Weg als beim Aufstieg durch den Wald zurück zu unserem Apartment. Es hatte eine wirklich ideale Lage mitten in der Fußgängerzone. Stefan kaufte noch ein paar Lebensmittel fürs Abendessen und die morgige Fahrt nach Rijeka und wir genossen unsere Spaghetti und hörten dabei ein Hörspiel.
Donnerstag, 30.3.23 Rijeka/Kroatien
Den Tag verbrachten wir zwischen ca. 11:30 Uhr – ca. 18:30 Uhr in zwei Zügen, die uns einmal fast quer durch Slowenien bis nach Rijeka in Kroatien ans Mittelmeer brachten. Am einzigen Umsteigebahnhof in Plivka, kurz vor der Grenze, fing es an zu regnen. Wir wollten dennoch nicht eine ganze Stunde in dem langweiligen Bahnhof sitzen und gingen Richtung Ort, der aber nicht minder öde erschien. Es sollte hier wohl irgendwo interessante Höhlen geben, aber das half uns nun auch nicht weiter. Unser zweiter Zug hatte in der 1. Klasse 6 er Abteile mit gemütlichen Stoffsitzen, wie man es eigentlich nur noch selten findet. In so einem Abteil würden wir es auch mal eine Nacht aushalten, vorausgesetzt wir hätten es für uns alleine. Man wusste aber nie, welche Art Zug man zu erwarten hatte und schon gar nicht, wie voll er würde.
Wir kamen gegen 19:00 Uhr bei unserer Ferienwohnung an. Sie war groß, hatte Schlaf-, Wohnzimmer, Küche und Bad und sogar einen kleinen Balkon. Wir wollten hier eine Woche bleiben und das konnten wir uns gut vorstellen. Nur die Lage war nicht so zentral, wie es auf den ersten Blick schien, aber wir planten auch, uns für 4 Tage ein Auto zu mieten, um auf die Insel Krk und in die Umgebung zu kommen, da machte das dann nicht so viel aus.
Freitag, 31.3.2023 Rijeka
Das schöne Wetter hatte uns verlassen. Wir liefen dennoch eine Runde zu Fuß durch die Innenstadt, bis zu der es schon allein 2 km zu laufen war. Sah es erst so aus, als würde das Wetter noch etwas halten, begann es ein paar Meter nach der Haustür bereits zu regnen. Bestückt mit Regenjacke und Schirm boten wir dem Regen Paroli. Die Strecke bis zur Altstadt ging an einer Hauptverkehrsstraße vorbei, was dem Eindruck der Stadt nicht gerade zum Guten verholfen hat. Rijeka war eine typische Hafenstadt, in der wir bisher nur in der Altstadt mit Fußgängerzone ein paar prächtige Gebäude und einen Markt gesehen hatten. Es gab haufenweise verfallene Gebäude unterwegs. Im Yachthafen lagen die größten und protzigsten Yachten, die ich je gesehen habe. Sie waren gleich mehrstöckig und gehörten Deutschen, Maltesern und irgendeinem Besitzer eines Commonwealth Landes. Ich habe mich gefragt, wie oft die wirklich aufs offene Meer hinaus fahren. Wahrscheinlich werden sie nur von Bediensteten in Schuss gehalten, um auf der nächsten Party des Besitzers zu strahlen und zum Bestaunen durch Vorbeigehende wie wir. Wir wollten eigentlich beim Bahnhof noch eine Reservierung für unsere übernächste geplante Zugfahrt nach Sibelnik am 8.4. machen, aber die Frau am Schalter verstand uns nicht richtig. Sie berichtete uns mit Händen und Füßen von Zügen, die nicht führen, aber auf der aktuellen Seite der Bahngesellschaft gab es unsere Verbindung, also waren wir noch guter Hoffnung, dass alles klappte. Wäre doof gewesen, wenn nicht, denn wir hatten schon Unterkünfte gebucht, weil wir Angst vor Engpässen über Ostern hatten. Nachdem wir uns ein leckeres Langos geteilt hatten, stiefelten wir im Regen wieder unseren Hügel zur Unterkunft hoch und machten einen faulen Tag Zuhause. Wenn alles grau in grau ist, hat auch das Mittelmeer keine Anziehungskraft, aber Rijeka hatte ja noch die Chance, uns in den nächsten Tagen noch positiv zu überraschen. Für den nächsten Tag planten wir einen Kurztrip mit dem Zug nach Matuli, ca. 15 Min Zugfahrt nördlich an der Küste entlang. Es sollte tagsüber für ein paar Stunden aufklaren, also hofften wir das Beste.
Samstag, 1.4.23 Rijeka – Ausflug Opatja
Wieviel schöner kann die Welt sein, wenn die Sonne scheint? ?? An diesem Morgen erwachten wir bei tollem Wetter, nachdem es die letzte Nacht gewittert hatte. Genau dieses Wetter hatten wir uns für unseren Ausflug gewünscht. Wir fuhren eine Viertelstunde mit dem Zug entlang der Küste nach Norden zum Bahnhof Matuli. Ein hübsches Bahnhofsgebäude erwartete uns und besonders rundherum sah es wirklich nett aus. Ein kleiner Garten, wie man sich ein Bahnwärtergärtchen vorstellen kann, an dem entlang ein Fußweg Richtung Ort führte. Wir gingen immer bergab Richtung Meer und mir wurde es schon heiß und kalt bei dem Gedanken, dass ich abends die 19% Steigung, die ich gerade als Gefälle hinunterlief, wieder hoch musste. Am Wasser angelangt, genossen wir den herrlichen Blick über die Bucht bei einer Tasse Kaffee, bevor wir den wunderschönen Promenadenweg entlang des Wassers nach Opatja wanderten. Er ist mit dicken Steinen gepflastert und es befanden sich die schönsten Villen und Hotels entlang des Weges. Hier herrschte kein Verfall, sondern liebevoll gepflegte Pracht. Bereits im 19. Jahrhundert war die Kvarner Bucht bereits ein Ziel für Badegäste. Unterwegs klärte ein Schild über “ Drazica“ die kleine Meeresbucht von Draga, über eine der ersten Süßwasserquellen Opatjas, die ins Meer fließt, auf. Hier baute man einen überdachten Waschzuber, wo die Wäscherinnen, die „Lavanderke“ mühevoll die Wäsche anderer Leute wuschen und als Zubrot morgens um vier mit ihren „Brenten“, Holzgefäßen, die sie auf dem Rücken trugen, Wasser in die nahegelegene Badeanstalt für die Fässer der Duschen trugen. Welch eine Knochenarbeit!
In Opatja aßen wir je ein Sandwich in einem der wenigen bezahlbaren Restaurants. Die Preise begannen ansonsten bei ca. 14€ für einen Appetizer in der Gastronomie entlang der Küste. Auf demselben netten Weg, auf dem wir gekommen waren, wanderten wir auch wieder zurück zum Bahnhof. Unterwegs fing es leider kurz vorm Ziel wieder an zu regnen, aber wir schafften es mit Regenjacken gerade noch einigermaßen trocken in die Bahnhofsgaststätte zu gelangen, wo wir unsere Wartezeit bis zur Abfahrt verbrachten. Als der Zug kam, war es schon wieder trocken und schönstes Licht. Insgesamt hatte ich abends auf meinem persönlichen Tacho 24570 Schritte. Die Wanderung schlug allein mit 12,2 km und 220 Höhenmetern zu Buche, hinzu kamen die ca. 3 km Weg zum und vom Bahnhof Rijeka zur Unterkunft. Es war ein wunderschöner Ausflug, der den Regentag zuvor wieder wett machte.
Sonntag, 2.4.2023 Rijeka – Ausflug zur Insel Krk
Heute waren wir zur Abwechslung mal auf 4 Rädern unterwegs. Wir hatten ein Auto gemietet, das Stefan am Morgen abgeholt hatte. Bei schönem Wetter machten wir uns auf den Weg zur Insel Krk. Unterwegs begann es zu tröpfeln, aber als wir unser erstes Ziel, den Ort Omišali erreichten, war es bereits wieder trocken. Der Ort begrüßte uns mit einem Park mit Denkmal, was laut Internet den Antifaschistischen Kämpfern des Ortes gewidmet war. Der Ort selber war klein, aber fein, mit netten engen Gässchen, hübschen Häusern mit bunten Fensterläden, einem Glockenturm und gemütlichen Plätzen.
Unser nächster Stopp war Uvala ?avlena, ein wunderschöner Naturstrand mit kleiner Hütte, die wohl Anglern gehörte und Tischen und Bänken unter Bäumen zur Rast. Um hierhin zu kommen, mussten wir ein Stück von der Hauptstraße abbiegen und über eine Schotterstraße zur Küste fahren. Von hier aus ging es weiter zum Hauptort der Insel Krk mit gleichem Namen. Wie auch in Omišali stellte man das Auto vor der Altstadt ab und schlenderte dann, vorbei am kleinen Hafen, durch die mittelalterlichen Gassen. Hier war schon einiges an Besuchern unterwegs, was aber an einem Sonntag mit inzwischen sonnig-warmem Wetter auch nicht verwunderlich erschien. Die Stadt selber erschien gerade erst aus dem Winterschlaf zu erwachen. Längst noch nicht alle Restaurants, Unterkünfte und Souvenirläden hatten geöffnet, manche Besitzer konnte man beim Frühjahrsputz beobachten und sich vorstellen, dass zu Ostern, in einer Woche, hier sicher viel mehr Trubel sein würde. Die Altstadt war sehr hübsch, hatte auch ein Kastel und ebenfalls viele kleine Gassen. Uns trieb aber der Hunger und die Restaurantpreise waren uns zu hoch, also kauften wir uns bei Lidl etwas für ein Picknick, das wir an einer netten Bucht mit Strandbad und Restauration, die aber noch nicht geöffnet hatte, verzehrten. Wir konnten problemlos die Bänke und Tische im Schatten der Pinien nutzen. Auf der Weiterfahrt wurde es gebirgig und an der Straße standen sogar Schilder mit Schneeketten. Die brauchten wir zum Glück nicht, aber in der Ferne konnten wir noch Bergspitzen mit Schneeresten entdecken. Von einer Kirche mit Friedhof aus, neben der Ruine des Kastels Baska, hatten wir einen traumhaften Blick über die blauen Buchten zu den Inseln und Bergen auf dem Festland. Es war atemberaubend! Auf dem Weg dorthin lernten wir am Straßenrand den ersten Buchstaben des glagolitischen, des ältesten slawischen Alphabets, das A. Unterwegs begegneten uns noch weitere Buchstaben dieser Schrift aus Stein gehauen am Wegesrand. Letzter Stopp der Inselrundfahrt war in Vrbnik. Der kleine Ort gefiel uns fast noch besser als Krk. Es gab die schmalste „Straße“der Welt mit gerade mal 45cm zu sehen, viele kleine Gassen und tolle Ausblicke. Mir hat der Süd-östliche Teil der Insel aufgrund seiner Berge und phänomenaler Ausblicke besser gefallen als der Nord-Westen.
Der Ausflug war super schön und hat sich gelohnt, was wir auch dem Wetter zu verdanken hatten, das zwar zwischenzeitlich schwächelte, aber immer, wenn wir ausstiegen, wieder gut wurde.
Montag, 3.4.2023 Rijeka – Ausflug Nationalpark Risnjak
Auch heute machten wir einen Ausflug mit dem Mietwagen. Wir fuhren zum Nationalpark Risnjak. Der Nationalpark ist eine natürliche Verbindung zwischen den Alpen und dem Balkangebirge und eine Wetterscheide zwischen der kroatischen Küste und dem Inland. Letztere haben wir heute deutlich gemerkt. Auf der Küstenseite schien die Sonne, aber es war starker Wind, als wir über den Scheitel waren, wurde es bewölkt, aber es war fast windstill. Die Temperaturen waren bereits morgens in Rijeka ziemlich niedrig, so um die 8? und sie fielen im Nationalpark nochmals um ca. 5?. Der Name Risnjak bezieht sich auf einen Bewohner des Parks, nämlich den Luchs (Ris in kroatisch). Außerdem lebten hier Bären, Wölfe, Wildschweine, Gämsen, Hirsche und zahlreiche Vogelarten inkl. Adler. Der mit 1528 m höchste Berg Veliki Risnjak bietet einen Ausblick zum Mittelmeer und auf die Berge Sloweniens, an deren Grenze der Park verläuft. Den Risnjak haben wir natürlich nicht bestiegen, aber wir sind an zwei Stellen gewandert. Als erstes die Wölferunde bei Bela Vodica, bei der wir zwar keine Wölfe gesehen haben, aber viel Wald mit einigem an Windbruch. Die Baumreste, Stümpfe und herumliegenden Äste waren alle schon mit Moosen und Farnen bewachsen und begrünt und boten Lebensraum für Insekten und kleineres Getier. Nach dieser knapp 5 km langen Runde fuhren wir zu einer weiteren Stelle nach Razloge, um zur Quelle Izvor Kupe zu wandern. Da die Straße bereits ca. 2 km vor dem Beginn des eigentlichen Parkplatzes gesperrt war, musste ich lange überlegen, ob ich die Tour wagen sollte. In Rezensionen bei Google wurde immer wieder erwähnt, wie anstrengend und z.T. steil der Weg zur Quelle, aber wie schön es wiederum auch am Ziel sei. Stefan markierte das vermeintliche Ziel bei Komoot und es stellte sich heraus, dass das steilste Stück eigentlich die restliche Straßenstrecke bis zum Beginn des Wanderwegs würde und zwar zuerst bergab und auf dem Rückweg bergauf mit bis zu 14% Steigung. Ich kämpfte mit mir, die türkisblaue Quelle wollte ich schon gerne sehen. Wir wanderten los und die Beschreibung von Komoot und die Wegweiser passten ganz gut, bis wir den Fluss Kupa überquert hatten. Ich hatte zuvor ein Schild 1 Std. bis zur Quelle gesehen, nun waren es ca. 10 Min später plötzlich 1Std.15 und Komoot führte uns in eine andere Richtung als das Schild??. Stefan überprüfte nochmal die Richtung auf Komoot, aber sie schien richtig und wir folgten den Anweisungen ca. weitere 500 m bergauf, bis Stefan plötzlich ins Grübeln kam, ob das Ziel, das er bei Komoot eingegeben hatte, auch wirklich die Quelle war. Es stellte sich heraus, dass dem nicht so war. Ich war nicht gerade begeistert davon, nun auch noch 1 km umsonst gelaufen zu sein bei einer Wanderung, die mich wohl eh an meine Grenzen bringen würde. Wir gingen zurück zum Schild an der Brücke und ich überschlug, was uns an Zeit zum Ziel und zurück zum Auto noch in etwa bevorstand und entschied, dass mir ca. 2,5 bis 3 Std weitere Wanderung mit unabsehbarer Schwierigkeit, da wir Komoot nicht auf die richtige Strecke umstellen konnten, und dem Wissen, dass ich zum Schluss noch die steile Straße gehen musste, zu viel waren. Ich war ziemlich frustriert über meine begrenzte körperliche Verfassung und dass ich mich immer wieder dazu hinreißen ließ, es doch zu probieren und dann scheiterte, wie auch auf Stefan, der nicht aufgepasst hatte, was er bei Komoot eingegeben hatte. Letztlich entschieden wir, dass er zügig alleine zur Quelle gehen und ich mich langsam auf den Rückweg zum Auto machen sollte. Erst unterwegs fiel mir ein, dass es ja Wölfe, Luchse und Braunbären hier gab und ich sogar Essen im Rucksack bei mir hatte. Es schauderte mich etwas, aber wirklich befürchtet habe ich eigentlich keine Begegnung. Wenn, dann hätte ich zum Lebensende noch ein aufregendes Erlebnis zu verzeichnen gehabt, aber wie erwartet passierte nichts. Als ich am Auto ankam, musste ich nur ca. 30 Minuten warten, bis Stefan auch ankam. Auch er hatte es nicht bis zur Quelle geschafft, weil nach ca. 3/4 des Weges die Brücke über die Kupa zusammengebrochen war und es kein Überquerungsmöglichkeit gab. So musste auch er umkehren, ohne das Ziel erreicht zu haben. Die Landschaft mit dem tosenden Fluss und den Bergen und Wäldern war aber auch so sehenswert. Wir machten uns auf den Rückweg zum Appartement und kauften noch etwas zum Essen ein.
Am kommenden Tag stand eine Unterbrechung unserer Reise bevor, weil wir zurück nach München fahren mussten, um unsere Tochter zu einer OP zu begleiten.
Dienstag, 4.4.2023 Rijeka -Zorneding
Die Unterbrechung unserer Interrailtour, um unserer Tochter zur Seite zu stehen, führte Mal wieder zu einem Bahnerlebnis ganz besonderer Güte??. Das frühzeitige Abgeben unseres Mietwagens klappte ohne Probleme und wir genossen noch einmal ein Langos zusammen beim Imbiss, in dem wir zuvor schon einmal waren. Wir waren rechtzeitig beim Bahnhof, um dort gesagt zu bekommen, dass der Zug nach Ljubljana nicht fahren könnte wegen Arbeiten am Schienennetz in Slowenien und deshalb ein Bus als Schienenersatzverkehr eingesetzt würde. Man beruhigte uns bzgl. unserer weiteren Verbindung damit, dass, der Bus schneller als der Zug ankäme, weil er weniger Stopps einlegte. Das erwies sich schnell als großer Blödsinn und noch dazu ließ man uns in Plivka dann doch in den eigentlichen Zug einsteigen, mit ca. 30 Minuten Verspätung. Das Vergnügen der 1 Klasse war auch hier nicht gegeben. Wir erreichten dann doch noch unseren Anschluss in Ljubljana, da der Zug auch zu spät war. Nun hatten wir ein 1.-Klasse Abteil und die Landschaft war nett, bis auf der Strecke kurz vor unserem Ziel Villach plötzlich gar nichts mehr ging. Ein Stromausfall auf der ganzen Strecke – Ende nicht absehbar. Irgendwann setzte der Zug sich dann wieder in Bewegung und kam mit erheblicher Verspätung in Villach an. Es erfolgte keinerlei Durchsage, weder im Zug noch im Bahnhof, welche Anschlüsse nun möglich wären, dabei waren wir bei weitem nicht die Einzigen, die noch bis Deutschland kommen wollten. Im Reisezentrum bemühte sich eine einzelne Mitarbeiterin, die lange Schlange der Hilfesuchenden abzuarbeiten. Wie wir uns schon gedacht hatten, mussten wir statt um 17:08 zu fahren, nun bis 19:16 warten. Unsere Hoffnung auf eine 1.-Klasse Lounge mit gutem Kaffee zerschlug sich schnell, denn im Bahnhof gab es nur ein „Backwerk“, das bereits um 18:00 seine Türen geschlossen hatte und ansonsten außer der Reiseinfo, einem winzigen Warteraum und den Toiletten nur noch eine Zahnklinik statt irgendwelcher Geschäfte. Da das Café gegenüber eher eine Saufkneipe war, holten wir uns kalten Kaffee bei Billa und aßen draußen auf der Bank in der Sonne unsere Brote. Dort wurde es schnell kalt, weil die Temperaturen in den letzten Tagen merklich gefallen waren. Pünktlich ging es weiter nach Salzburg und dieses Mal hatten wir echt Glück, das 1.-Klasse Ticket zu haben, denn in der 2. Klasse standen die Leute schon. Endlich konnten wir auch unsere Handys wieder aufladen und mussten nicht befürchten, irgendwann unsere Tickets nicht mehr vorzeigen zu können. In Salzburg schafften wir es, obwohl wir nur knapp 30 Minuten Umstiegszeit hatten, in der Lounge noch einen heißen Kakao und einen Snack zu genießen. Wieder etwas mit der Welt versöhnt, fuhren wir das letzte Stück nach Grafing und von dort mit der S-Bahn nach Zorneding per Bayern-Ticket in der zweiten Klasse. Unsere zwei Fahrten In-bound/ out- bound Deutschland im Interrail Ticket wollten wir für das kurze Stück Salzburg – Zorneding nicht verschleudern. Gegen 1:00 nachts standen wir endlich bei Stefans Mutter vor der Tür und fielen nur noch todmüde ins Bett.
Samstag, 8.4.23 Zagreb
Nach langer, aber angenehmer Fahrt ab Zorneding erreichten wir gegen 20:45 Zagreb. Ausnahmsweise waren alle Züge pünktlich und es hat sich wirklich gelohnt, ein 1.Klasse Ticket zu haben. Nicht nur, dass wir in unserer Stamm-Lounge in Salzburg unsere Wartezeit sehr angenehm verbringen knnten, wir hatten auch ein gutes 1.Klasse Abteil im EC von Salzburg bis Zagreb, was wir umso mehr schätzten, weil die 2.Klasse überfüllt war. Bei einer Fahrt von 6,5 Std ist das schon sehr schön, einen angenehmen Platz in einem Viererabteil zu dritt zu haben, am Fenster mit Tisch, Strom und verstellbaren Sitzen die Fahrt genießen zu können. In Salzburg kauften wir uns noch schnell ein paar Lebensmittel ein, falls die Kroaten es mit den Feiertagen sehr ernst nehmen würden. In Zagreb fanden wir unser Apartment ohne Probleme in ca. 10 Minuten Fußweg vom Bahnhof, also wirklich in angenehmer Nähe. Es war ein recht kleines Zimmer mit Küchennische, wo wir erstmal lernen mussten, uns nicht auf die Füße zu treten, aber es war ja nur für 2 Nächte.
Sonntag, 9.4.2023 Zagreb
Ostersonntag in Kroatien. Stefan lief heute Morgen seinen monatlichen Halbmarathon, sodass ich genug Zeit hatte, zu duschen und mich bei Duolingo aus der Abstiegszone herauszuarbeiten. Noch hatte ich die Hoffnung auf ein Osterfrühstück, das seinen Namen verdiente, aber Stefans Erkenntnisse nach seiner Joggingtour sprachen dagegen. Es gab keine offenen Geschäfte, noch nicht einmal im Bahnhof, also begnügten wir uns mit Brot, Marmelade, Haferflocken, Preiselbeeren aus dem Glas, Brie und Kaffee. Kein Osterei zum Osterfrühstück ?????. Danach begaben wir uns zum Bahnhof, um endlich unsere Reservierung für unseren Zug am Folgetag um 7:00 zu bekommen. Statt 1€, wie im Interrailticket angegeben, bezahlten wir nichts dafür. Wie sinnlos ist es, dafür jemanden am Schalter sitzen zu lassen? Nun ja, uns sollte recht sein. Danach schlenderten wir durch die Stadt, die viele prachtvolle Gebäude hatte, aber leider auch sehr viele davon eingerüstet, darunter auch die beeindruckende Kathedrale. Auffallend waren die vielen Bronzeskulpturen überall in der Stadt. Außerdem hatte auch Zagreb, wie viele osteuropäische Städte, nette Parks mit Springbrunnen und Blumenschmuck. An diesem Tag waren letztere, wohl aufgrund der Ostertage, besonders nett in Form von Blumenkübeln überall zu bewundern. Das zog auch die Touristen an, um davor für Selfies zu posieren. Zagreb schien ein beliebtes Ziel für Asiaten zu sein, die vielerorts in Grüppchen auftauchten. Den Nachmittag verbrachten wir gemütlich in unserem Apartment. Als unsere Sehnsucht nach etwas Süßem mit einer Tasse Kaffee zu groß wurde, machte sich Stefan noch einmal auf die Suche nach einem Café und brachte zwei Stücke sündhaft teure Torte zu je 4,50€ mit. Ich muss zugeben, sie waren auch wirklich sehr lecker. Danach planten wir unsere Weiterreise zu unserem nächsten Ziel und tippten uns die Finger wund auf der Suche nach Verbindungen per Bus nach Albanien oder Serbien. Inzwischen hatten auch wir begriffen, dass wir mit dem Zug da keinerlei Chancen haben würden. Letzte Verbindungen nach Serbien gab es 2016. Auch nach Montenegro läuft jetzt, im Jahre 2023 nichts in dieser Richtung und in Kroatien endet der Zugverkehr in Split. Unglaublich, dass selbst eine Stadt wie Dubrovnik keine Anbindung ans Schienennetz hat und da stöhnen wir in Deutschland schon über unsere Verknappung von Bahnhöfen? Der Balkan setzt auf Fernbusse, aber wie ich es schon bei uns festgestellt hatte, fuhren sie auch hier teils zu unmöglichen Zeiten bzw. kamen um diese an und fuhren auch nicht unbedingt dorthin, wohin man sie brauchte. So richtig klug wurden wir trotz ausgiebiger Recherche noch immer nicht. Wir entschieden uns erstmal dafür, noch ein paar Tage von Sibelnik nach Knin zu fahren und wieder mit Mietwagen die Natur zu erkunden. Dafür ging es am folgenden Morgen mit 10-stündiger Fahrt inkl. Umstieg nach Sibelnik nördlich von Split. Wir durften zum Glück unser Apartment dort umbuchen, als wir wegen unserem kurzen Notaufenthalt in Deutschland absagen mussten.
Montag, 10.4.2023 Zagreb – Šibenik
Heute ging es bei uns früh los. Als um 6:15 Uhr der Wecker ging, riss er mich aus dem Tiefschlaf, aber es half nichts, um 7:03 ging unser Zug, für den wir uns so mühevoll die Reservierung geholt hatten, weil wir sie weder in Deutschland noch in Österreich bekommen hatten. 5 Std 45 dauerte die Fahrt bis Perkovic, wo sich die Strecke teilte in Split und Šibenik. Perkovic war ein gottverlassenes Kaff im Inland mit einer Hand voll Häusern einen Kilometer links vom Bahnhof und ungefähr genauso vielen zur rechten Seite, dazu ein paar Ziegen, ein paar Hunde, ansonsten Büsche und steinige Landschaft. Hier hatten wir 3Std.48 Aufenthalt. Der Bahnhof bestand nur aus Bahnwärterbüro, Toilette und einem Warteraum mit einer Bank. Nicht gerade das Highlight für so einen langen Aufenthalt. Die einzige bei Google verzeichnete Bar hatte geschlossen. Wir liefen zuerst nach links, bis wir zum vermeintlichen Ort kamen, aber da gab es absolut nichts außer einem Basketballkorb und den paar Häusern. Man hätte hier vielleicht etwas wandern können, aber mit dem ganzen Gepäck war das suboptimal, also liefen wir zurück zum Bahnhof und gingen nach rechts. Die Infrastruktur war genauso spannend wie auf der anderen Seite, bis darauf, dass es einen kleinen Laden gab, der aber natürlich am Feiertag geschlossen hatte. Erst jetzt bemerkten wir gegenüber des Bahnhofs eine weitere Bar, wo ein paar junge Leute draußen saßen. Wir bekamen zwar nichts zu essen, aber wenigstens einen Kaffee und vertrieben uns die Zeit mit Würfelspielen, bis endlich unser Zug nach Šibenik kam. Er hatte gerade mal zwei Wagen und es handelte sich um einen in die Jahre gekommenen Dieselzug mit Holzverkleidung. Am Ziel angekommen fanden wir nach ein paar Minuten problemlos unser schönes Apartment, in dem unser nettes Vermieter Pärchen uns empfing. Wir wurden sogar mit einer Flasche selbstgemachtem Olivenöl beschenkt. Da wir beide mächtigen Hunger hatten und die Sonne wunderbar schien, gingen wir gleich in die Altstadt und waren sofort begeistert. Šibenik war für uns die bisher schönste Stadt Kroatiens, da kamen Krk und die anderen Örtchen auf der gleichnamigen Insel nicht mit. Die Altstadt war ähnlich eng und verwinkelt wie ein arabischer Suk. Umgeben mit einer wuchtigen Stadtmauer, führten immer wieder Treppen und Winkel in eine weitere Gasse und zu Kirchen, heimeligen Plätzen und einer Burganlage, die über allem thront. Restaurants, Cafés, Eisläden und Geschäftchen rundeten das Bild ab, ohne, dass man gleich das Gefühl hatte, dass sie überhandnahmen. Natürlich waren heute am Ostermontag einige Touristen unterwegs, aber auch viele Einheimische. Es musste irgendein Event stattfinden, auf jeden Fall feierten an mehreren Stellen vornehmlich junge Männer mit Musik und Alkohol. Es könnte sich um einen Fußballsieg oder ähnliches gehandelt haben. Nachdem wir uns mit Pizza gestärkt hatten, konnten wir gar nicht genug davon bekommen, die Gassen und auch die Hafenpromenade bei warmem Abendlicht zu fotografieren. Nach Sonnenuntergang schlenderten wir zurück zum Apartment. Kaum waren wir dort, startete ein Feuerwerk, wobei ein Teil direkt von einem Dach bei uns gegenüber gezündet wurde. Es dauerte nicht lange, war aber sehr überraschend. Ich hielt es für den Abschluss des Osterfestes, war mir aber nicht sicher. Eines wussten wir schon sicher, an diesem Ort würden wir uns nicht sattsehen können, so schön war er??.
Dienstag, 11.4.2023, Šibenik
Wir hatten ein riesiges Glück, denn auch heute war das Wetter super. Wir entschieden uns, eine Wanderung zu machen und suchten uns eine nette Strecke bei Komoot. Ein Stück war Stefan morgens schon beim Joggen in die Richtung gelaufen und hatte eine super moderne Joggingbahn mit 500 m Länge entdeckt. Diese zeigte er mir dann unterwegs auch. Es ging auf gut gezeichneten Wanderwegen den Berg hoch, durch Wald, Büsche, vorbei an einer Sendestation und alten Bunkern und immer wieder schönen Ausblicken über die Küste und die vorgelagerte Inselwelt. Es war ein etwas steiniger und steiler Weg, aber landschaftlich wunderschön. Zum Schluss kamen wir zum Denkmal für Dražen Petrovi?, einem Basketballspieler, der als einer der größten Europas und heute noch als Legende als einer der erfolgreichsten Europäer in der NBA verehrt wird. Er starb 1993 mit nur 29 Jahren. Wieder zurück in der Zivilisation, kauften wir ein, und Stefan machte in unserer Wohnung einen wunderbaren bunten Salat. Wir hatten schon seit Tagen keinen mehr gegessen und riesigen Hunger darauf. Mit gefülltem Magen erwischte mich die Müdigkeit und ich legte mich für ein Stündchen aufs Ohr. Später schlenderten Stefan und ich ein weiteres Mal durch die Altstadt, hoch zu einem Friedhof, von dem wir wieder einen tollen Ausblick hatten. Unten am Hafen beobachteten wir Ruderer, die mit enormer Geschwindigkeit vom Ruderclub aus durchs Wasser schossen. Später sahen wir ganze Fischschwärme direkt am Hafen. Es war wieder ein richtig toller Tag.
Mittwoch, 12.4.2023 Šibenik
Der heutige Tag führte uns zum Wanderweg am „Kanal des heiligen Antons“ oder wie es hier hieß „Kanal sv. Ante sednica ulaz“. Wir fuhren dafür mit dem Bus bis auf die vorgelagerte Halbinsel und suchten uns dort den wunderschönen Weg entlang der Küste. Unser erster Versuch, direkt an der Küste entlangzugehen, scheiterte, weil der Weg endete. Er brachte uns aber Ausblicke auf Traumvillen der Reichen, die zum Teil aber auch touristisch vermietet wurden. Wir liefen wieder ein Stück zurück und verließen uns ab jetzt auf Komoot und kamen an einem kleinen See entlang, der bereits ein netter Vorbote war. Als wir dann aber auf den eigentlichen Wanderweg kamen, verblasste alles zuvor Gesehene. Wir hatten einen herrlichen Blick auf die Festung St. Nikolaus. Ein von der EU geförderter Steg führte zur Festung auf der Insel gegenüber. Wir wussten, dass wir zu Fuß die Festung nicht betreten konnten, denn Zutritt erhielt man nur mit gebuchter Schiffstour. Uns war das egal, wir wollten nur die beeindruckenden Mauern von nahem auf uns wirken lassen. Nach unserem kleinen Ausflug übers Wasser wanderten wir auf dem ausgezeichnet angelegten Wanderweg entlang der Küste. Wir hatten super Wetter mit ca. 18? und Sonne, wurden aber fast den ganzen Weg gut geschützt durch Pinien am Wegesrand, dennoch bekamen wir einen ersten leichten Sonnenbrand. Zahlreiche bildschöne Buchten, die schwedischen Schären Konkurrenz machen konnten, glasklares Wasser und Ausblicke auf die vorgelagerten Inseln versüßten uns die fast 14 km lange Wanderung, bei der es auch gelegentlich etwas auf und ab mit tollen Aussichten ging. Das Gebiet war ehemals militärisches Gebiet und ein Teil war immer noch in militärischer Hand. Es gab noch alte Bunker und lustigerweise eine alte Toilette, die einfach so oberhalb der Küste thronte und von der aus der wachhabende Soldat während seines Geschäfts weiterhin auf feindliche Angriffe zu achten hatte. Auf der Erklärungstafel wurde sie als „die Toilette mit der weltbesten Aussicht beschrieben“. Ich kenne keine andere in ähnlichem Ambiente, aber es mag stimmen ??. Wir entschieden uns, zurück zur Stadt nicht wieder den Bus zu nehmen, denn ich hatte entdeckt, dass unterwegs noch ein kleiner Vorstadtbahnhof war namens Mandarina. Wir waren mit dem Bus ein ganzes Stück neben den Schienen hergefahren, was mich darauf brachte, dass wir auch den Zug nehmen könnten. Der Bahnhof war vom Ende des Wanderwegs aus nur unwesentlich weiter als die nächste Bushaltestelle. Das letzte Wegstück war dann zwar hässlich und durch Industriehafen, Tankstelle etc. geprägt, aber wir konnten unser Ticket nutzen und waren in drei Minuten wieder in Šibenik. Es war ein richtig schöner Ausflug.
Donnerstag, 13.4.23 Šibenik – Trogir – Knin
Dieser Tag war kein wahres Highlight für mich, denn ich war erkältet. Ich hatte das bereits bei der Wanderung gemerkt, dass eine dünne Jacke bei Bewegung zwar ausreichte, aber es ging immer ein Wind und ich hatte keine Kaputze, dafür nun aber eine Triefnase. Ich war froh am Morgen, dass wir die nächsten Tage ein Auto und eine Unterkunft für 4 Nächte haben würden. Da konnte ich mich etwas erholen und steckte keine anderen Leute an. Wir versuchten in den Apartments eh möglichst in getrennten Betten und falls möglich auch Räumen zu schlafen, da Stefan immer früh seine Übungen für seinen vor dem Urlaub bei einem Sturz verletzten Arm machte und ich hingegen oft später abends ins Bett ging und unruhiger schlief. Wenn wir dann nur eine Matratze und eine Bettdecke hatten, störten wir uns auf jeden Fall. So bekam er jetzt auch nicht meine Viren/ Bakterien ins Gesicht gepustet.
Wir fuhren am Morgen mit dem Mietwagen Richtung Süden, zuerst zum „Wall von Oštrica,(Bedem Grebastica). Der Wall wurde 1497 zum Schutz gegen die Türken gebaut, im 17. Jahrhundert wurde Pestkranke dort isoliert und heute wird er von Touristen besucht. Da man von der Straße aus noch ca. 2 km ins Land laufen musste, ließ ich Stefan den Wall alleine besuchen. Ich sparte mir meine Kraft für die Altstadt von Trogir, die wir danach besuchten. Sie hatte ähnlich wie in Šibenik Steinhäuser, enge Gässchen und lag an einer Uferpromenade, dennoch gefiel sie uns nicht so gut wie Šibenik. Nicht nur, dass sie viel kleiner war und nicht in Hanglage mit vielen Treppchen und diverse Kirchen lag und Festungsanlagen zu bieten hatte, sie war viel mehr auf Tourismus getrimmt. Souvenirläden, teure Restauration und protzige Jachten im Hafen und dazu an jeder Ecke deutsche Stimmen. Zur absoluten Hochsaison im Juni, musste es hier furchtbar sein. Wir genossen die Vorsaison in allen Zügen (nicht nur in denen ??). Die Temperaturen waren klasse, die Vermieter*innen entspannt, es gab noch mehr Einheimische als Touristen und die Preise waren niedriger. Stefan aß in Trogir ein Spaghetti Eis, wo man das Eis unter der Sahne nur vermuten konnte, ich hatte mir 3 Rafiolis bestellt. Es handelte sich um ein Gebäck, das von der Form etwas an Ravioli Pasta erinnert, aber in der dünnen Teighülle war reines Mandelmus. Sie waren sehr lecker, aber auch mächtig und ich konnte sie gut mit Stefan teilen. Dazu gab es einen Cappuccino zum fit werden. Wir schlenderten etwas durch die Altstadt und fuhren danach über eine Brücke auf die vorgelagerte Insel ?iovo. Hier gab es zwei kleine Ortschaften und darüber hinaus zahlreiche Strände und die typische Vegetation aus Büschen und Gestein. Von einem Aussichtspunkt hatte man einen Blick über die Küste bis Split. Leider war der Himmel heute nicht so schön klar blau wie am Vortag, sodass die Farben verwaschener wirkten, aber man konnte nicht alles haben. Dafür hatte das Wasser eine tolle Farbe in Richtung türkis. Als Stefan noch zum Leuchtturm wandern wollte, blieb ich wieder im Auto. Das war mir heute zu anstrengend. Gegen späten Nachmittag machten wir uns auf den mehr als einstündigen Weg nach Knin. Ist man erst mal von der Küste weg, ist das Land fast unbesiedelt. Vereinzelte Dörfchen mit wenigen Häusern, sonst nur Hügel aus dem typischen Kalkstein und Bäumchen und Büsche. Die aus den Steinen gebauten Mauern – sie scheinen nur geschickt aufgestapelt zu sein, ohne Zement – fand man überall im Land als Zäune für Grundstücke oder Weiden. Sie sahen nach viel Arbeit und Geschick aus. Am Abend erreichten wir unsere Ferienwohnung in Knin und richteten uns für die kommenden Tage ein.
Freitag, 14.4.23 Knin – Ausflug Grenze
Nachdem es letzte Nacht ein Gewitter gab, hatten nun auch wir nicht mehr das tolle Wetter. Der Himmel tropfte ebenso wie meine Nase. Nachdem wir es am Morgen noch im Trockenen geschafft hatten, beim Bahnhof um die Ecke, unseren nächsten Zug für Montag zu reservieren, fuhren wir mit dem Auto bis zum Grenzort Strmica. Über die Grenze nach Bosnien Herzegowina durften wir nicht, weil wir dafür keine Extraversicherung bezahlt hatten. Unterwegs gab es einige schöne Ausblicke auf die Dinarischen Alpen, die sich vom südlichen Ende der Ostalpen bis zum Pindos in Nordalbanien und zur Šar Planina im Kosovo erstrecken. Der Dinar, mit 1831m Höhe der höchste Berg Kroatiens, lag direkt an der Grenze zu Bosnien – Herzegowina und gab dem Gebirge den Namen. Nachdem wir uns in den letzten Tagen einen leichten Sonnenbrand geholt hatten, guckte ich nicht schlecht, als wir heute Morgen auf den Bergspitzen Schnee entdeckten. Wir gingen ein kleines Stück im Grenzgebiet spazieren. Vereinzelte verlassene, größtenteils verfallene Häuser, nicht mehr genutzte Schienen von Kroatien ins Nachbarland und der Fluss Butiznica, ein Seitenarm der Krka, die wegen der bekannten Wasserfälle im gleichnamigen Nationalpark bekannt ist, prägten das Bild. Sonst nur Büsche, Gestein und hin und wieder ein paar wilde Hunde. Wie schön wäre es, wenn die ehemalige Bahnstrecke Novi Grad – Knin noch betrieben würde, aber laut Wikipedia fuhren nur noch Züge auf dieser Strecke innerhalb Bosnien – Herzegowinas zwischen Novi Grad und Bihac. Schade! Im Nachbarland galt unser Ticket auch, nur kamen wir mit dem Zug nicht rein. Es war dasselbe wie mit Serbien. Wie einfach muss das vor dem Krieg gewesen sein in dem riesigen Jugoslawien! Uns überraschte auf dem Rückweg unseres kleinen Spaziergangs der Regen und wir entschieden, noch ein wenig die Umgebung mit Auto zu erkunden. Vielleicht würde es ja wieder aufhören, tat es aber nicht, also ließen wir uns ein paar interessante Stellen für hoffentlich besseres Wetter an den kommenden Tagen und einer nicht mehr so tropfenden Nase bei mir und tranken Kaffee in unserem Appartement.
Samstag, 15.4.2023 Knin – Autorundfahrt in nord-östlicher Richtung
Da das Wetter am Morgen besser aussah als am Vortag, die Wettervorhersage jedoch Regen anzeigte, unternahmen wir eine Autorundfahrt mit mehreren Highlights. Unser erstes Ziel war bereits in Sichtweite unserer Unterkunft, die Festung Knin. (https://www.dalmatiasibenik.hr/de/entdecke/kultur-und-erbe/die-festung-knin/)
Im Internet waren die Angaben etwas verwirrend, denn sie war angeblich die zweitgrößte, bzw. eine der größten in Kroatien und die zweitgrößte militärische Festung Europas. Egal wie, sie war groß, aber für uns war der Ausblick das Wesentliche. Der Blick auf die Stadt war nicht so überwältigend, da Knin keine besonders schöne Stadt war und man auf blaue Dächer irgendwelcher Hallen blickte. Schön dagegen war die Aussicht auf die Berge dahinter, wiederum die Dinarischen Alpen und zur anderen Seite auf die Hügellandschaft mit Fluss, Brücke und ein paar Häusern. Danach fuhren wir tendenziell Richtung Nord-Ost, immer auf kleinen Straßen entlang der bosnischen Grenze, stets durch eine Landschaft, die geprägt war durch Hügel, Berge, Büsche, Gestein und einzelne Orte, die zum Teil ganz oder zumindest zum Teil verlassen waren. Zerstörte oder zerfallene Häuser, von denen häufig nur noch Reste von Wänden standen, begegneten uns überall. Kriegsschäden? Verfall wegen Verlassen? Unser zweiter Stopp war bei der Quelle des Flusses Una (Vrelo Une). Ein kurzer, steiler Wanderweg führte vom Parkplatz zum Ziel. Das merkwürdige war, dass uns erstaunlicherweise keine ruhige Quelle erwartete, sondern ein tosender Wasserfall über die Steine sprang und sich zu allen Seiten verteilte. Das war doch keine Quelle!? Der Weg ging aber noch weiter und da war sie, die Quelle, aber direkt danach hatte sich gleich der erste Wasserfall gebildet! So Etwas hatten wir bisher noch nicht gesehen. Später fanden wir die Legende zu dieser Quelle, die, so die englische Übersetzung auf einem Schild, sauer war, dass ihr Geburtstag nirgendwo festgehalten wurde und sich nicht mal die ältesten Tannen und Eichen daran erinnern konnten. Das brachte Una dazu, wild zu mäandern und aus immenser Höhe auf Gestein zu fallen, sodass mitgerissener Sand, gebrochene Steine und Klippen ihre Geschichte für immer und überall hintrugen.
Der Fluss Una entsprangt hier in Kroatien, floss dann aber nach Bosnien Herzegowina und dort in die Save. Er hatte eine Länge von 212 km und nach ihm war der größte Nationalpark Bosniens benannt. Unsere weitere Fahrt brachte uns immer wieder beeindruckende Aussichten auf Berge, Hügel, Seen und Gewässer, bis wir kurz vorm Ende der Tour noch den Wasserfall sozusagen vor unserer Haustür besuchten, den Kr?i?- Wasserfall. Hier bot die Krka, der Fluss, der dem Krka Nationalpark seinen Namen gab und dessen Wasserfälle uns bei unserer Wohnmobiltour 2018 bereits begeisterten, wiederum ein wunderschönes Naturschauspiel. Entlang der Krka führte eine alte, ungeteerte Straße, die jetzt vornehmlich als Rad- und Wanderweg fungierte und noch weitere Highlights zu bieten hatte. So kamen wir bei unserer Erkundung zu einer Lagune mit türkisblauem Wasser, sowie weiteren Wasserfällen und einer alten Brücke. Es wären sogar noch zwei historische Mühlen an dem Weg gewesen, aber es wurde uns zu spät, um weiterzufahren. Auch wenn es zwischenzeitlich mal regnete, hielt sich das Wetter doch erstaunlich gut für einen angesagten Regentag und wir konnten viele Eindrücke sammeln. Die Gegend hier war beeindruckend, aber auch sehr verlassen. Ob die Menschen wegen des ehemaligen Balkankrieges hier weggezogen waren, oder weil sie hier keine Lebensgrundlage mehr fanden, weiß ich nicht. Selbst hier in Knin, einer Stadt mit rund 11800 Einwohnern, standen die meisten Gebäude, die ehemalige Firmen vermuten ließen, als lost Places mit leeren oder mit Brettern vernagelten Fensterhöhlen, teils eingestürzten Dächern, ungenutzt herum. Viel gab es hier anscheinend nicht, wovon die Menschen leben könnten.
Sonntag, 16.4.2023 Knin
Unseren letzten Tag in Knin nutzten wir zu einer Entdeckungstour südlich von Knin und dann im Bogen Richtung Küste nach Sibenik, wo wir am Abend das Auto wieder abgaben und mit dem Zug zurück nach Knin fuhren. Die Strecke führte entlang des Flusses Cetina und wir machten immer wieder Abstecher zu Fuß zur Quelle, zu einer kleinen Badestelle und einer alten Brücke. Weiter ging die Fahrt zum See Peruko Jezero, wo wir einen Kaffee tranken, und Palatschinken aßen. Auf der Weiterfahrt kamen wir nach Trilj, wo wir wiederum einen super Blick über den Fluss Cetina hatten, der sich durch die begrünten Felsen schlängelte. An dieser Stelle wurde der Film „Der Ölprinz“ von Winnetou gedreht. Nun wurde es allmählich Zeit, sich auf den Weg zurück zur Autovermietung zu machen. Wir sollten den Wagen zu einem Parkplatz im Gewerbegebiet von Šibenik bringen und der Mitarbeiter hatte uns versprochen, uns dann in die Stadt zum Bahnhof zu fahren. Genauso geschah es dann auch. Wir sprachen unterwegs mit ihm über Mietpreise und Löhne und erfuhren, dass er bei Sixt in Kroatien dasselbe verdiente wie in Deutschland, sein Apartment in Šibenik aber sehr günstig war, mit Nebenkosten von nur 60€. Er hatte noch ein Apartment in Split, was hingegen 1200€ im Monat kostete, inkl. 200€ für Nebenkosten. Die Preise in Split schienen vergleichbar mit denen in Bayern zu sein. Für 40000€ bekam man laut ihm gerade noch einen Parkplatz. Es war interessant mit ihm zu reden. Er konnte super Englisch und hatte schon mal ein Jahr in Deutschland gelebt. Von ihm erfuhren wir auch, dass die Feierlichkeiten und das Feuerwerk am Ostersonntag in Šibenik nichts mit Ostern zu tun hatten, sondern die 40- Jahrfeier des Fußball- Fanvereins der Stadt waren. Er meinte, dass die Fans sich immer mehr radikalisierten und bei fast allen kroatischen Vereinen weit politisch rechts stünden. Bei ihnen gäbe es leider keine Fans wie beim FC St. Pauli in Hamburg.
Für uns ging am nächsten Morgen unsere Reise weiter nach Karlovac für eine Übernachtung.
Montag, 17.4.2023 Karlovac
Unser Zwischenstopp in Karlovac für eine Nacht war ehr dem Umstand geschuldet, dass eine durchgehende Verbindung von Knin nach Osijek mit einem zu großen Risiko verbunden gewesen wäre, irgendwo in der Pampa zu stranden, da die Umsteigezeiten extrem kurz gewesen wären. Karlovac bot sich an, da wir in Zagreb bereits waren und diese Stadt auf dem Weg war und nicht gänzlich langweilig klang. Nun ja, ich würde mal sagen, hätten wir nicht hier gehalten, hätten wir nichts verpasst, zumindest war das der erste Eindruck. Das ganze Zentrum war eine Baustelle, von der aufgerissenen Fußgängerzone bis hin zu vielen eingerüsteten Gebäuden, so als wär man jetzt mit der Restaurierung aller wichtigen Orte an der Küste und der Hauptstadt Zagreb fertig und hätte sich nun für diese Stadt entschieden. Es war auch bitter nötig, denn hier war Verfall und Leerstand wirklich überall gegenwärtig. Wie es hier in ein paar Jahren aussieht, könnte schon interessant sein. Dass wir gerade graues, regnerisches Wetter hatten, machte das Ganze hier nicht ansehnlicher. Hinzu kam am Abend noch, dass die meisten Leute wohl noch mit Ofen heizen und die Luft draußen nach meinem Empfinden furchtbar verraucht war. Man musste schon Pfadfinder sein, um das Schlafen im Rauch zu mögen. Unser Apartment war schön nahe am Bahnhof und an sich nicht schlecht, Problem war nur, dass wir einen Kachelofen hatten und unser Vermieter wohl meinte, gut für uns einheizen zu müssen. Jetzt hatten wir einen richtig heißen Ofen direkt neben dem Bett, den wir nicht ausbekamen! Da es sicher um die 30? im Zimmer war, blieb uns nichts anderes übrig, als gleichzeitig die Klimaanlage zum Kühlen zu nutzen, denn durchs Fenster kam nur verqualmte Luft. Energietechnisch war das wirklich eine Schande, aber wir hatten nun mal keine arktischen Temperaturen, die den Ofen nötig machten.
Die 4 Stunden Fahrt von Knin hierhin waren sehr unterhaltsam. Die erste Klasse war gut gefüllt und wir waren zuerst nicht gerade begeistert, aber wir kamen ins Gespräch mit dem Ehepaar, das uns direkt gegenüber saß. Ich hatte sie Englisch reden hören und angesprochen und so kam raus, dass sie aus England und ebenfalls auf Interrailtour waren. Es waren die ersten „Oldies“ wie wir, die wir auf diese Art reisend kennenlernten, so gab es interessanten Gesprächsstoff. Noch dazu waren beide ebenso Vielreisende wie wir und die Frau hatte sich ebenfalls vorzeitig in den Ruhestand begeben. Im Gespräch verflogen die Stunden angenehm schnell, ansonsten waren die kroatischen Züge schon sehr langsam. Für die rund 200 km brauchten wir mit dem IC immerhin 4 Stunden.
Dienstag, 18.4.2023 Fahrt nach Osijek
Ca 7 Std Zugfahrt können interessant sein, wenn sie durch schöne Landschaften führt, gibt es unterwegs aber nur Felder, Brachland und vereinzelte Dörfer, kann sie ziemlich öde werden. Das Hinterland Kroatiens, zwischen Bosnien Herzegowina, Ungarn und Serbien bot den Augen sehr wenig Abwechslung und unser Regionalzug kroch mit ca. 50 km/h von „Milchkanne zu Milchkanne“. Eine Internetverbindung bestand, zumindest bei meinem Handy, das in letzter Zeit immer wieder Probleme hatte, sich nach einem Funkloch wieder ins Netz einzuloggen, nur rudimentär. Da blieb nur noch Lesen oder gelegentlich Stefan beim Würfelspiel zu besiegen. Letzteres durfte ich auch nicht übertreiben, sonst spielte er wohlmöglich nicht mehr mit mir und außerdem hatten wir unseren 32. Hochzeitstag und da musste man lieb zueinander sein, oder???
Endlich kamen wir an und die Stadt machte gleich einen viel besseren Eindruck. Unser Apartment und unsere Vermieterin waren nett und wir gingen zur Feier des Tages am Abend essen.,??
Mittwoch, 19.4.2023 Osijek
Wir erkundeten zu Fuß Osijek und mein erster Eindruck am Vorabend hatte mich nicht getrogen. Osijek hatte etwas zu bieten. Es gab zwar auch hier noch viel Verfall und etliche Häuser mit Spuren von Einschüssen, aber das Gesamtbild der Innenstadt war freundlich. Es gab liebevoll bepflanzte Parks, wo derzeit Tulpen und Bäume in unterschiedlichen Farben blühten, entlang der Drau, des Flusses durch Osijek, standen unterschiedliche, interessante Büsche und Bäume, Spielplätze mit bunten Geräten brachten Farbe ins Bild und junge Familien zusammen und es gab ein paar sehr imposante Gebäude wie die neugotische Peter und Paul Kirche mit 90 m hohem Turm, viele Paläste, in denen jetzt teilweise Museen untergebracht waren und das Wassertor und die Citadelle einer Festungsanlage, wo derzeit noch restauriert bzw. die Wege gestaltet wurden. Leider war die beeindruckende, weiße Fußgängerbrücke über die Drau wegen Bauarbeiten gesperrt. Sie ist 210 m lang und hätte uns einen genialen Rundgang ermöglicht, so mussten wir erst das ganze Stück bis zur Autobrücke laufen und über denselben Weg zurück. Als wir an der am weitesten von unserer Unterkunft entfernten Stelle, bei einem Gedenkpark an die Opfer Osijeks im kroatisch -serbischen Krieg waren, begann es zu regnen. Gut, dass wir Schirme und Regenjacke mithatten. Auf dem Rückweg kamen wir durch das Studentenviertel und genossen den wohl besten Palatschinken, den wir je gegessen haben. Wir konnten ihn selbst zusammenstellen und wählten Schokosoße, Vanillepudding, Walnüsse und Blaubeeren, superlecker! Wir teilten uns einen, mehr der Gesundheit als dem Geldbeutel zuliebe. Wir schafften es an diesem Tag auch, Tickets für den Bus nach Novi Sad in Serbien für den übernächsten Tag zu besorgen und eine Unterkunft dort zu buchen. Wir sollten sogar von Busbahnhof abgeholt werden, war super war, da in Serbien unsere SIM-Karten nicht galten und somit die Orientierung schwierig würde. In Serbien wollten wir dann wieder unser Glück per Zug versuchen.
Am Abend kochte Stefan eine Gemüsesuppe. Leider gab es in diesem Apartment kein Salz und wir hatten nur eine Mischung aus Kurkuma, Chili etc. mit, weil meistens Salz und Pfeffer vor Ort sind. Die Suppe wurde damit scharf, aber es fehlte eindeutig Salz. Ich kam auf die Idee, ein paar gesalzene Erdnüsse hineinzugeben, das bewirkte aber auch nicht viel. Stefan warf daraufhin noch den Rest unserer Ziegenkäserolle hinein. Es schmeckte etwas untypisch, aber man konnte die Suppe essen. Gesünder als mit Salz war sie allemal, aber wenn sich der Geschmackssinn über Jahrzehnte an Salz gewöhnt hat, ist er leider nur schwer davon abzubringen.
Donnerstag, 20.4.2023 Osijek – Ausflug nach Vinkovci
Wir haben heute unser Interrailticket für eine Fahrt nach Vinkovci, ca 1 Std südlich von Osijek, genutzt. Am Bahnhof setzte man uns gleich in den Bus als Schienenersatzverkehr, der aber glücklicherweise direkt durchfuhr und nicht zig Mal anhielt. Bereits im Bus war ich erstaunt, dass wir nicht die einzigen Touristen waren, sondern noch andere deutsche Stimmen zu hören waren. Wir hatten zuvor nie etwas von dem Ort gehört und ihn nur ausgewählt, weil er bei Google Maps interessant erschien. Wir staunten nicht schlecht, welch nettes, lebhaftes und besonders altes Städtchen sich uns darbot. Vinkovci wurde bereits zu neolithischer Zeit, vor über 7000 Jahren, besiedelt und durchlief seitdem eine ganze Reihe unterschiedlicher Herrscher. (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Vinkovci)
Im Krieg gegen Serbien wurde laut Wikipedia mehr als die Hälfte der Stadt zerstört. Inzwischen sind zahlreiche Bauten der vorherrschenden barocken Architektur, ein Park in der Innenstadt und viele Geschäfte und besonders Café- Bars wieder restauriert oder neu gebaut und besonders heute, bei sonnig- warmen Wetter, herrschte rege Geschäftigkeit und die Straßencafés, deren Anzahl wirklich erwähnenswert ist, waren gut besucht. Auch wir genossen einen Kaffee mit Blick auf den Gradski Park, schlenderten durch die Stadt und zum Fluss Bosut. Die Rückfahrt konnten wir dann angenehm im Zug zurücklegen. Vincovici dürfte die letzte Stadt gewesen sein, die wir auf dieser Reise und vielleicht auch für die nächsten Jahre in Kroatien kennenlernten. Wir hatten das Land inzwischen auf mehreren Reisen mit Auto, Wohnmobil und nun mit dem Zug ziemlich ausgiebig durchforstet. Wir lernten seine wunderschönen Wasserfälle und Flüsse, die Küstenlandschaft mit ihren Inseln und Schären und einige schöne Städte lieben und mussten feststellen, dass das Hinterland sehr wenig besiedelt und an vielen Stellen der Krieg auch nach 30 Jahren noch sichtbar war. Es könnte lohnend sein, Städte wie Karlovac und sicher auch noch andere, die nicht direkt an der Küste und als erste restauriert worden sind, in vielleicht fünf Jahren noch einmal zu besuchen. Es herrschte überall rege Bautätigkeit und z.B. Karlovac hatte viel Potential. Da würde noch viel neues entstehen können.
Freitag, 21.4.2023 Osijek (Kroatien)- Novi Sad (Serbien)
Der Tag verlief so, dass es besser nicht hätte sein können. Wir durften bis 13 Uhr in unserer Unterkunft in Osijek bleiben, d.h. wir konnten noch einmal Wäsche waschen und draußen trocknen, da wir wussten, dass wir in Novi Sad keine Waschmaschine haben würden. Es blieb Zeit zum entspannten Frühstück und Packen. Da wir erst um 15:45 Uhr mit dem Bus nach Serbien fuhren, hatten wir auch noch genügend Zeit, um in unserem Lieblingsrestaurant ausgiebig zu schlemmen: einen Salat fürs gute Gewissen und je einen Palatschinken für die süße Seele????. Danach trappelten wir gemütlich zum Busbahnhof, wo unser Bus pünktlich nach Novi Sad abfuhr. An der Grenze mussten zur Aus- und Einreise alle aussteigen und zur Einreise ins Nicht-EU-Land Serbien bekamen wir sogar noch einen Einreisestempel in den Pass gedrückt. Mit einer halben Stunde Verspätung trafen wir am Ziel ein. Wir wussten, dass uns unser Vermieter abholen wollte und hatten schon Befürchtungen, weil wir so spät waren. Es war aber alles kein Problem, er stand direkt am Bahnsteig und sprach sogar super Englisch. Er fuhr uns die ca. 1,5 km zum Apartment, erklärte uns alles in und um das Apartment und verschwand. Unsere Unterkunft war zwar klein, aber wir hatten glaube ich noch nie eine derart perfekte Ausstattung. Von Schuhcreme bis zur Zahncreme und von Gewürzen über Orangen bis zum Mineralwasser, es war einfach an alles gedacht worden. Wir machten uns gleich auf den Weg in die Fußgängerzone, die gerade mal ca. 200 m entfernt war und es dauerte keine Viertelstunde und wir hatten SIM-Karten für unsere Handys und somit Orientierung und Kontakt zum Rest der Welt. Novi Sad machte auf den ersten Blick einen sehr guten Eindruck auf uns. Die Häuser sahen längst nicht so kaputt aus wie viele Häuser in Kroatien, es hatte hübsche, gut restaurierte Häuser in der Innenstadt und Bars und Restaurants waren modern, gemütlich, hip und gut besucht.
Samstag, 22.04.2023 Novi Sad
Unser erster Eindruck von Novi Sad hatte uns nicht getäuscht. Wir konnten ihn an diesem Tag bestätigen und ich machte dabei über 26000 Schritte, denn wir haben uns einige Kilometer der Stadt erlaufen. Am Morgen war unser erstes Ziel der Bahnhof, denn wir wollten checken, ob es am folgenden Montag klappen würde, mit unserem Ticket per Zug nach Belgrad zu fahren. Dass die Strecke befahrbar war, wussten wir bereits aus dem Internet, denn dieses Teilstück der ehemaligen Verbindung bis Budapest wurde als Hochgeschwindigkeitsstrecke von Belgrad- Novisad am 20.3.22 mit Präsident Alexander Vu?i? und Victor Orban wiedereröffnet. Am Montag wollten auch wir die Strecke fahren, mussten aber noch eine Reservierung für ca. 1€ pro Person kaufen. Wenn es weiter nichts war, sollte es uns recht sein. Als das klar war, bummelten wir zur Stadtmitte, besuchten ein paar Second Hand Shops, die hier, je nach Land, aus dem die abgegebenen Sachen kamen, die Straße säumten. Wir fanden aber nichts Interessantes und mussten uns auch sehr zurückhalten, damit wir bis zum Ende unserer Reise unser Gepäck auch noch tragen konnten. Wir schlenderten durch die Altstadt mit den hübschen pastellfarbenen und mit Stuck verzierten Häuser und genossen auf einer Parkbank ein sehr leckeres Eis. Das Wetter war warm und sonnig, was, kombiniert mit dem Wochenende, ganze Horden von Menschen in die Stadt spülte. Auffallend war, dass viel mehr Familien mit kleinen Kindern und junge Leute hier unterwegs waren als bei uns üblich, obwohl der Altersdurchschnitt laut Internet bei 43 Jahren im Vergleich zu Deutschland bei 44,7 Jahren sich nicht sehr unterschied und die Geburtenrate sogar knapp unter unserer lag. Es herrschte überall reges Treiben: Straßenmusik an allen Ecken, Ballonverkäufer und besonders kleine Stände, die Popcorn verkauften. Letzteres schien hier der große Renner zu sein. Die Kinder fütterten im Park sogar die Enten damit. Wir überquerten die Donau über die Varadin Brücke, die die Innenstadt von Novi Sad mit den Stadtteil Petrovaradin und der gleichnamigen Festung verbindet. Die Brücke wurde 1999 bei einem Nato-Luftangriff zerrstört und 2000 neu errichtet. Es war erstaunlich, wie wenig man hier in Novi Sad noch von den Zerstörungen, bei denen sich im Rahmen vom Natoeinsatz auch deutsches Militär schuldig machte, zu sehen war. Folgender Artikel aus der Berliner Zeitung von 2021 gibt eine kleine Vorstellung davon, zu welchem Grauen es hier in Novi Sad damals kam: https://www.berliner-zeitung.de/open-source/der-ungesuehnte-chemiekrieg-gegen-serbien-wer-verurteilt-endlich-die-nato-li.165044.
Wir wanderten rund um die Festung und genossen den Blick auf die Donau. Danach machten wir erstmal eine Pause im Apartment. Wir hatten bereits 13 km erlaufen. Am Abend mussten wir uns aber nochmals auf den Weg machen, denn wir wollten zum einen herausfinden, ob es eine Möglichkeit gab, per Zug nach Nordmazedonien zu kommen – gab es nicht -, zum anderen mussten wir noch etwas zum Essen einkaufen. Für den nächsten Tag planten wir einen Ausflug in den Nationalpark Fruska Gora, der vor den Stadttoren lag. Er schien hauptsächlich aus Klöstern und Weinbergen in verschiedenen Orten zu bestehen und wir fanden bei der Tourist-Info heraus, dass wir zu einem Ort sogar mit dem Zug fahren konnten und von dort zu einem anderen laufen. Ich war sehr gespannt, ob und wie das klappen würde. In unserer Interrail-App, in der wir unsere Fahrten immer zusammenstellten und sich daraus dann das gültige Ticket für die jeweilige Fahrt entwickelte, war kein einziger Fahrplan Serbiens hinterlegt, obwohl es im Ticket eingeschlossen war. Wir mussten unsere Fahrten somit per Hand eintippen mit Uhrzeit, Ort, Zugnummer etc. Sonst gaben wir immer nur in die Maske ein, von wo nach wo wir wann fahren wollten und die App spuckte uns die möglichen Fahrten aus, von der wir eine wählten. Nun war das natürlich alles etwas unsicherer. Wir sahen nicht, ob der Zug wirklich fuhr, ob wir eine Reservierung brauchten und ähnliches. Wir suchten uns im Internet auf der Seite der Serbischen Bahn die Verbindung, was nicht einfach war, weil wir nirgends eine Übersicht fanden, von wo nach wo überhaupt Züge fuhren. Wir gaben also Orte ein nach dem Prinzip Try & Error und das Programm sagte uns dann, da fährt was oder Error, alles auf Serbisch, aber netterweise wenigstens in lateinischen Buchstaben, während der Plan im Bahnhof nur in Kyrillisch war. Am Schalter konnte man uns auch nur sagen, welche Züge von Novi Sad aus fuhren, nicht, wohin wir von Belgrad aus fahren könnten. Das war schon sehr gewöhnungsbedürftig. Man merkte, dass das System gerade erst wieder aufgebaut wurde und noch in den Kinderschuhen steckte. Man hatte in den letzten Jahren fast ausschließlich auf Busse gesetzt.
Sonntag, 23.4.2023 Novi Sad – Ausflug Nationalpark Fruska Gora
Unser Zugabenteuer klappte prima. Der Zug fuhr pünktlich zum Ort Sremski Karlovci, unserem Startpunkt in den Nationalpark Fruska Gora. Es handelte sich um einen super modernen Regionalzug, der laut digitaler Anzeige Geschwindigkeiten bis zu 150 km/h erreichte. So schnell kam er mir nicht vor, aber er schaffte es immerhin mit einem Zwischenhalt in 9 Min dort zu sein, wofür ein Auto laut Google 20 Min. gebraucht hätte.
Es war die Strecke, die auch nach Belgrad führte, eine andere gab es hier nicht. Wir würden also am nächsten Tag wieder das Vergnügen mit dem angenehmen Zug haben, der sogar eine 1.Klasse hatte. Der Schaffner konnte unseren QR Code des Interrailtickets zwar nicht einscannen, kannte INTERRAIL aber und schien sich regelrecht zu freuen. Er erkannte uns auf der Rückfahrt sogar wieder. Vielleicht musste er morgen ja auch wieder arbeiten?
Wir fuhren nach Sremski Karlovci, wie uns im Tourist Center geraten wurde. Fruska Gora war ein kleines Gebirge südlich von Novi Sad das bereits die Römer „Fruchtbarer Berg“ nannten. Das Gebiet bestand zum Großteil aus Wald, beherbergte aber auch eine Reihe von Klöstern aus dem 15.- 18. Jahrhundert, und auf dem auch heute noch fruchtbaren Land wurde seit der Antike Wein angebaut. Außerdem fand man fand Obstplantagen und saftige Weiden. Der höchste Berg war der Crveni ?ot mit 539 m. 1960 wurde das Gebiet zum Nationalpark erklärt. Man hatte hier außer den Wanderwegen auch Sportevents wie den jährlichen Marathon angesiedelt. Auf unserem Weg Richtung Strazilovo von Sremski Karlovci aus, das durch sein Kloster, ein herrschaftliches altes Gymnasium und mehrere andere sakrale, orthodoxe Gebäude bekannt war und wahre Scharen an Touristen anzog, kamen wir durch Weinberge und Obstplantagen und hatten weite Ausblicke bis Novi Sad. Der Weg, den wir bei Komoot gefunden hatten, war schön und wir hatten ihn nahezu für uns alleine. Er endete nur leider an einer Stelle vor einem privaten Zaun. Wir versuchten das Gelände zu umrunden, aber ganz gelang uns das nicht und wir mussten ein Stückchen über Privatgrund. Ich hatte Bammel, dass von irgendwo ein Wachhund oder der Besitzer käme, aber außer einem Schuppen war da nix und niemand, bis wir wieder auf einen offiziellen Weg kamen. Nach ca. 6 km kamen wir zur Mountain Lodge Strazilovo, wo reges Treiben herrschte. Es gab zahlreiche Picknicktische unter den Bäumen und man konnte in der einfachen Lodge Getränke bekommen. Wir genossen unseren mitgebrachten Kuchen mit Getränken aus der Lodge. Da eine Mountainbike-Strecke hier endete, waren einige Mountainbiker vor Ort, aber auch etliche Familien und Paare. Gestärkt machten wir uns auf den Rückweg, aber dieses Mal folgten wir Google. Von nun an ging es wieder bergab und Scharen von Leuten waren hier unterwegs. Immer wieder gab es Picknicktische, Familien hatten sogar Grills mitgebracht und verbrachten einen vergnügten Sonntag hier. Es gab einen Platz mit großen Plastik- Kuppelzelten, die anscheinend an Gruppen vermietet wurden. Da hier auch Mountainbike Events stattfanden, denke ich, waren sie die Zielgruppe, denn es gab eine Apparatur zum Rad aufpumpen und reparieren vor Ort. Wir liefen weiter und kamen zum offiziellen Eingangs- für uns nun Ausgangsschild des Nationalparks und mussten nun den Rest des Weges entlang einer zwar wenig befahrenen Straße laufen, wobei die Autofahrer hier aber leider nicht sehr rücksichtsvoll fuhren und eher wir als sie auswichen. Wir kamen zurück nach Sremski Karlovci, konnten noch einen Blick in die Kirche werfen und fuhren dann mit dem nächsten Zug zurück nach Novi Sad. Nun mussten wir noch zurück zur Unterkunft und endlich konnte ich meine Beine hochlegen. Wieder hatten wir einen zwar anstrengenden, aber auch erfüllten Tag bei super Wetter und netter Natur und rund 18 km Fußweg hinter uns gebracht.
Montag, 24.4.2023 Belgrad
Der Tag begann mit Regen, was per se an Reisetagen schlecht war, wenn wir mit Gepäck zum und vom Bahnhof zur Unterkunft laufen mussten. Darüber hinaus war ich müde, weil ich in der letzten Nacht nicht einschlafen konnte. Netterweise hörte der Regen pünktlich zur Abreise auf und wir erreichten problemlos unseren Zug, der uns schnell und angenehm nach Belgrad brachte. Man muss wissen, dass der schöne alte Bahnhof, wo wir genau gegenüber unser Zimmer hatten, nicht mehr in Betrieb war. Ein neuer war im Bau und wurde angefahren. Ganz entgegen seinem Namen „Belgrad Central“ ist er alles andere als das. Erst einmal kam man wie bei der U-Bahn unter der Erde an. Wollte man zum Schalter, musste man sein Gepäck Treppen hochschleppen. Am Schalter war laut Rezensionen im Internet meist eine Schlange und beide Mitarbeiterinnen nicht fähig Englisch zu sprechen oder wenigstens zu verstehen, was bei einer europäischen Hauptstadt eigentlich am Info- und Fahrkartenschalter ein NoGo war. Die Schlangen hielten sich bei uns heute in Grenzen, aber unsere Ansprechpartnerin sprach wirklich kein Englisch. Wir hatten mit Erstaunen auf einem Fahrplanaushang festgestellt, dass wir von Belgrad mit dem Nachtzug nach Podgorica, Hauptstadt Montenegros bzw. nach Bar an der Küste von Montenegro fahren könnten. Die Fahrt war mit Interrailticket möglich, aber man brauchte eine Reservierung für die Schlafplätze, und die wollten wir hier erstehen. Nach etwas hin- und her und Hilfe vom Übersetzungsprogramm schafften wir es, unsere Reservierungen für den 3.5. zu bekommen, wenn wir Serbien wieder Goodbye sagen wollten. Wir hatten zwar keine Ahnung, in welcher Art von Schlafwagenabteil wir landen würden, da wir gar nicht wussten, dass es unterschiedliche gab und die Dame uns auch nicht gefragt hatte, aber ein bisschen Spannung gehörte halt zum Reisen dazu. Wir suchten uns den Weg aus dem Untergrund an die Oberfläche und stellten fest, dass wir ab vom Schuss zwischen großen Ausfallstraßen gelandet waren. Zu allem Überfluss fing es nun an zu regnen und wir mussten mehrmals treppauf, treppab mit dem Gepäck die Straßen unterqueren. Bis in die Stadt zu unserer Unterkunft waren es 2,4 km Fußweg in den Abgasen der großen Straßen. Als wir endlich bei unserer Unterkunft „Business Apartments“ Waterfront“ ankamen, waren wir erstmal vom Zustand des Hauses geschockt und blieben noch dazu im Aufzug stecken. Erst nach mehrmaligem Drücken schaffte er es, uns ordnungsgemäß in der 4 Etage abzusetzen. Er musste funktionieren, denn wir hatten gerade noch einen Mechaniker ihn reparieren sehen. Nun hatten wir das Problem, in unser Zimmer zu kommen. Schon vor Tagen hatte die Zimmervermietung uns aufgefordert, über die Booking.com Seite unsere Pässe in Kopie zu schicken, dann bekämen wir den Code vom Schlüsselkasten. Der Ablauf war nicht ungewöhnlich hier, denn Touristen mussten sich innerhalb von 24 Std anmelden am Aufenthaltsort, was in der Regel von der Unterkunft erledigt wurde, die auch die Tourismusabgabe kassierte. Nur hatte der Vermieter trotz mehrmaliger Nachfrage den Code für den Schlüsselkasten nicht geschickt und wir standen vor verschlossener Tür. Erst nach einiger Nachfrage schickte er uns eine SMS, dass wir eine Mitarbeiterin (wahrscheinlich die Reinigungskraft) anrufen sollten, die würde alles erledigen. Irgendwann klappte das auch wirklich und wir kamen in unser Zimmer, was im Gegensatz zum Treppenhaus und Flur davor ganz OK aussah. Die Miniküche war sehr spartanisch bestückt, das Klopapier für 2 Tage und zwei Personen nur ein kleiner Stapel Einzelblätter und die Bettdecken lagen nicht auf dem Bett sondern im Schrank, aber es schien sauber zu sein und war ganz gemütlich. Wir waren allerdings nicht die Einzigen, die vor der Tür standen. Ein russischer Gast, der kein Serbisch und kein Englisch konnte, hatte dasselbe Problem, aber nicht so viel Glück wie wir. Wir versuchten mit Hilfe von Google Translate zwischen ihm und der Mitarbeiterin, die uns am Telefon den Code gegeben hatte, zu vermitteln, aber ihm wurde einfach gesagt, dass für ihn kein Apartment da wäre, bzw. keine Buchung vorläge, obwohl er ein Bestätigung von Booking.com hatte und sagte, er hätte bereits bezahlt. Die Mitarbeiterin vermutete, dass es zu einer Doppelbuchung gekommen war, und nun wurde der Herr einfach ausquartiert. Wir konnten natürlich nicht prüfen, ob seine Buchung vielleicht für ein anderes Objekt war, aber beim nachträglichen lesen der Rezensionen zu dieser Apartment Vermietung erschien die Doppelbuchung sehr wahrscheinlich. Wir zogen ein und machten uns dann auf den Weg, die Umgebung zu erkunden. Unseren Hunger stillten wir bei einem chinesischen Fast Food Restaurant mit riesigen Portionen Nudeln mit Tofu und Gemüse. Es regnete immer noch, was die Stadt nicht gerade attraktiv machte. Nach Novi Sad war der erste Eindruck: groß, viel Verfall und Verkehr. Die Fußgängerzone hob das Ansehen schon etwas, aber auch, wenn es da ebenfalls ein paar herausragende und guterhaltene oder restaurierte Gebäude gab, kam sie an die schmucke Innenstadt von Novi Sad nicht heran. Vielleicht hatte ich auch zu viel erwartet, denn man las überall, dass Belgrad sich zu einer der hippesten Städte Europas, vergleichbar mit Berlin, entwickelt hätte, aber das konnte ich nach dem ersten Eindruck nicht bestätigen. Ja, es gab dieselben Modegeschäfte wie in allen Großstädten und eine supermoderne Mall, aber das machte sie nun nicht gerade besonders. Auffallend war, dass es sehr viele Buchläden dort gab, was ggf. auch an der Universität nebenan lag. Schön war der Park Kalemegdan mit der Bastion Svetog Jakova. Die Festung war von beeindruckender Größe und beherbergte heute ein Militärmuseum mit militärischen Geräten seit Beginn der slawischen Besiedlung. Das Museum ließen wir links liegen, aber der Ausblick von der Festung auf den Zusammenfluss von Donau und Save, sozusagen das „Deutsche Eck“ Serbiens, war sehr schön. Auf dem Rückweg zur Unterkunft kauften wir noch ein paar Lebensmittel und ließen danach die Seele in unserem Zimmer baumeln. Der abendliche Blick aus dem Fenster auf den beleuchteten alten Bahnhof und das Denkmal davor entschädigte für den Trouble zuvor. Der war wirklich „erste Sahne“.
Dienstag, 25.4.2023 Belgrad
Bei Sonnenlicht sah doch alles viel freundlicher aus. Belgrad stieg zwar nicht zu meinen Favoriten auf, aber es hatte auch ganz nette Ecken. Das Problem bei Großstädten ist immer, dass man sie eigentlich mehrmals oder über längere Zeit „entdecken“ müsste. Bei kleineren Städten konzentrieren sich die Sehenswürdigkeiten und netten Gassen meist um einen mehr oder weniger großen Altstadtkern. Bei Städten wie Belgrad oder z.B. auch bei uns in Berlin verteilen sie sich. Da bietet der eine Stadtteil diese Besonderheit, der andere etwas anderes und man weiß nie, wo man anfangen soll und wo es noch das ein oder andere Highlight, was ja vielleicht auch von Geschmack zu Geschmack und von Alter zu Alter unterschiedlich ist, zu finden ist.
Wir waren am Morgen, bewaffnet mit Regenjacken und Schirmen losmarschiert und das Wetter dankte es uns und blieb trocken, zum Teil sogar sonnig. Unser erster Stopp war Novi Dvor, ehemalige königliche Residenz und heute Sitz des Präsidenten. Er befand sich mitten in der Stadt und hatte einen kleinen Park mit Blumenrabatten und dem im Balkan obligatorischen Springbrunnen. Von hier aus gingen wir weiter zur Kosancicev Venac, einem Teil der Altstadt, der noch Kopfsteinpflaster hatte und nette Bars und Cafés und bemalte Häuser. Danach wanderten wir auf der Donaupromenade um die Festung herum. Viele Hausboote, teils mit Restauration, säumten den Weg und auf der anderen Seite des Weges, der immer auch einen extra gezeichneten Radweg hatte, waren unterschiedliche Sportanlagen von Fitnessgeräten im Park bis zu mehreren zeltartig überdachten Tennisplätzen, die mit Flutlichtern von außen angestrahlt werden konnten. Nach einigen Kilometern wurden die Beine schwer und wir begaben uns in Richtung Unterkunft, wobei wir unterwegs noch bei einem indischen Schnellimbiss Reis mit Kichererbsen Curry verspeisten und Mango Lassi dazu genossen. Nach einer Erholungspause im Zimmer machten wir uns auf den Weg zur Bushaltestelle, von wo wir am nächsten Tag zum Flughafen kommen sollten. Wir wollten checken, ob wir das Ticket heute schon kaufen konnten und wie lange wir dorthin liefen. Nein, wir wollten nicht fliegen, sondern am Morgen dort unseren Mietwagen abholen. Unterwegs ließen wir uns noch je einen Palatschinken zum Abendessen schmecken. Ab dem nächsten Tag sollte es dann wieder mehr in die Natur und zu einem längeren Aufenthalt in Kruševac, von wo aus wir die Umgebung erkunden wollten, gehen.
Mittwoch, 26.4.2023 Belgrad nach Kruševac
Unser neuer und diesmal längerer Standort war Kruševac im Süden Serbiens. Wir wollten hier bis zum 1. Mai bleiben und per Auto die Gegend erkunden, wie wir es auch von Rijeka und von Osijek aus gemacht hatten. Es war einfach schön, mal eine längere Zeit in einer Unterkunft zu leben und da der Ort kein Tourismuszentrum war, waren die Unterkunftspreise moderat. Wir zahlten für eine große, moderne Neubauwohnung mit Balkon und allem Drum und Dran pro Nacht 36€, da konnte man wirklich nicht meckern. Die Wohnung war eine der besten, die wir bei unseren Reisen je hatten. Kruševac hatte ca. 60000 Einwohner und war Eparchie der Serbisch- orthodoxen Kirche, was wohl in etwa einem Bistum in der katholischen Kirche gleichkommt. Was sie sonst zu bieten hatte, würden wir in den nächsten Tagen sehen, sie war für uns einfach recht zentral im Süden gelegen und nicht aufgrund irgendwelcher Besonderheiten ausgewählt worden.
Der Tag bestand heute also vornehmlich aus Fahrerei. Erst ging es mit dem Bus zum Flughafen, wo wir unser Auto abholen wollten. In der Anweisung stand, dass wir in der Ankunftshalle von einem Mitarbeiter erwartet würden. Wir hatten das schon häufiger, wenn die Vermietung nicht direkt ein Büro am Flughafen hatte. Wir waren etwas zu früh da, also wunderten wir uns nicht, dass noch niemand dort war. Als es dann aber 10:00 wurde gingen wir immer wieder in der sehr übersichtlichen Ankunftshalle umher und sahen uns die Leute, die Schilder hochhielten, genau an. Es kam und kam niemand. Wir versuchten die Autovermietung anzurufen, aber niemand ging ans Telefon. Irgendwann hatten wir die Nase voll und nahmen Kontakt mit Check 24, über die wir das Auto gebucht hatten, auf. Der Herr war sehr nett und rief wie vereinbart nach kurzer Zeit zurück. Er hatte ausfindig gemacht, dass die Autovermietung mit einer Untervermietung zusammengearbeitet hatte, diese Kooperation aber geplatzt war und damit auch die Verträge. Es tat ihm sehr leid und da es nicht unsere Schuld war, bekamen wir schriftlich, dass wir ein Auto gleicher Größe bei einer anderen Vermietung mieten konnten und CHECK24 uns das Geld erstattete, wenn wir die Unterlagen nach unserer Heimkehr zusendeten. Wir hofften, dass das auch klappte. Wir hatten Glück, dass wir ein passendes Auto mieten konnten und machten uns auf den Weg. Eigentlich wollten wir noch zu einem Naturschutzgebiet fahren, aber die Straßen, in die uns das Navi schickte, waren so katastrophal, dass selbst Stefan einsah, dass die nicht mit Mietwagen befahrbar waren. Auf dem Weg in den Süden gaben wir im Navi ein, dass wir Mautstraßen vermeiden wollten, aber wir wurden dennoch auf die Autobahn geleitet. Letztlich waren es für 90 km aber nur 440 Dinar (3,75€), was noch erträglich war. Es sollte laut Internet, Strecken mit 29 ct pro km geben, da hörte der Spaß dann auf. Wir wurden von unserer Vermieterin erwartet und konnten in unsere schöne Wohnung einziehen.
Donnerstag, 27.4.2023 Kruševac – Ausflug Kloster Manasija und Grza-Quelle
Die Natur hatte uns wieder. Wir machten unseren ersten Ausflug von Kruševac aus. Zuerst besuchten wir die Grza Quelle. Ein wunderschöner See, umgeben von Picknicktischen und Wanderwegen und ein Stück weiter ein tosender Wasserfall, der über Steine mit leuchtend grünem Moos ins Tal rauschte. Das Grün der Natur leuchtete so prächtig, dass wir uns kaum daran satt sehen konnten. Man hätte auch noch zu einem Aussichtspunkt wandern können, aber wir hatten keinen Handyempfang und somit keine Karte und die dort hing, machte uns auch nicht klüger, weil sie zum Einen in Kyrillisch war und zum Anderen nicht gekennzeichnet war, wo wir gerade waren. Außerdem gingen die Wege sehr steil bergauf und waren teils rutschig und matschig. Wir fuhren deshalb weiter zum nächsten Ort, dem Kloster Manasija. Es erinnerte uns an unsere Reisen in Rumänien und Bulgarien. In zumeist schöner Landschaft befanden sich beeindruckende Orthodoxe Klosteranlagen. In diesem Fall war das Kloster, das aus dem Jahre 1418 stammte, mit einer trutzigen Festungsmauer umgeben und lag in einer grünen Wald- und Hügellandschaft.
Wir lernten an diesem Tag, dass wir für die Strecken erheblich mehr Zeit einplanen mussten, weil man häufig nur mit 30-40 km/h unterwegs sein konnte und viele Baustellen Umwege und Wartezeiten verursachten. Einige Straßen waren auch ungeteert und erforderten sehr vorsichtige Fahrweise, sodass wir den geplanten Besuch in einer Höhle verwarfen, weil es viel zu spät geworden wäre. Wir hielten auf dem Rückweg noch in einem Ort an zum Palatschinken mit Eis essen und begaben uns dann nach Kruševac zurück, wo wir gerade so zum Sonnenuntergang eintrafen. Das Wetter meinte es heute gut mit uns, es war trocken und sonnig, wenn auch recht frisch. Wir bewegten uns hier tagsüber so zwischen 10-13? und nachts gingen die Temperaturen runter bis auf 1?. Solange es nicht ewig regnete, war das ok für unsere Zwecke. Auf 39? wie in Spanien konnten wir getrost verzichten.
Freitag, 28.4.2023 Kruševac – Ausflug Vrnika Banja, Zika und Studenica Klöster, sowie Nationalpark Kopaonik
Unsere Rundreise begannen wir heute mit einem Bade- , also Kurort und zwar mit Vrnika Banja. Es war wunderschön, bei herrlichem Wetter in dem schönen Kurpark mit Wasserfällen, japanischem Garten, einem Amphitheater und einer netten Fußgängerzone, wo derzeit gerade in kleinen Buden Handwerkskunst, Produkte wie hausgemachter Honig und Schnaps und Souvenirs verkauft wurden, umherzulaufen.
Natürlich besuchten wir auch heute wieder Klöster, denn sie waren hier so zahlreich, gehörten untrennbar zu Serbien und waren meist auch so beeindruckend, dass man davon gut mehrere auf einer Reise besuchen konnte. Am ersten, dem Zi?a Kloster kamen wir ungeplant vorbei. Es lag in Ortsnähe von Kraljevo, umgeben von Weinanbau und Landwirtschaft. Es hatte mehrere Türmchen und war hübsch verziert mit Ornamenten. Blühende Bäume und Blumen machten es zum Vergnügen, durch den Garten zu schlendern und die Sonne zu genießen. Die Kirche war mit Ikonen als Wandmalereien verziert, die im Laufe der Jahrhunderte schon an einigen Stellen abgeblättert waren.
Das Kloster Studenica hingegen lag eingebettet in Hügeln, Bergen und Wiesen und es war wunderschöne grüne Natur ringsum. Auch hier gab es wieder einen schönen, blühenden Garten, wo wir auf Tisch und Bank ein Picknick mit mitgebrachtem Kuchen machten. Die Kirche hatte wiederum leuchtende Wandmalereien und es fiel uns auf, dass die orthodoxen Kirchen hier in Serbien eine hellere und freundlichere Ausstrahlung hatten als wir sie in Bulgarien erlebt hatten, wo die Ikonen häufig erschreckend grausame Motive hatten und die Kirchen dunkel und Angst einflößend wirkten.
Unser letztes Ziel war der Nationalpark Kopaonik, nicht weit entfernt vom Kosovo. Hier ging die Fahrt bergauf und plötzlich tauchte rechts und links der Straße Schnee auf und wir kamen durch ein Skiresort. Es lag natürlich nicht mehr genug Schnee zum Skifahren dort, aber doch noch recht große, weiße Flecken. Bei ca. 1600 m über dem Meeresspiegel hatten wir von einem Aussichtspunkt einen tollen Blick auf die bewaldeten Berge und Hügel der Umgebung. Nach einem kleinen Spaziergang mussten wir uns auf den Heimweg machen, denn uns standen nochmals mehr als eine Stunde Fahrt bevor. Die Runde, die wir an diesem Tag gedreht haben, war zwar lang, aber genau richtig für einen Tag mit vielen unterschiedlichen und wunderbaren Eindrücken bei herrlichem Wetter.
Samstag, 29.4.2023 Kruševac – Ausflug Dunis Kloster und Niš
Dieser Tag war etwas durchwachsen. Wir hatten für den letzten Tag in der Gegend, an dem vor dem langen Wochenende noch Geschäfte geöffnet waren, die Stadt Niš im Süden ausgewählt. Auf dem Weg dorthin statteten wir dem Nonnenkloster Dunis einen Besuch ab, dessen Kirche wirklich eine beeindruckende Decken- und Wandmalerei aufwies. Schade, dass man sie nicht von innen fotografieren durfte, aber ich machte eh schon einen Fehler, da ich nicht begriffen hatte, dass am Eingang des Klosters Tücher bereitgestellt wurden, um sie als Kopftuch und Rock zu nutzen. Natürlich fiel uns auf, dass die Frauen alle Kopftücher trugen, aber ich hielt sie für hier lebende Nonnen. Peinlich. Ich wurde im kleinen Souvenirläden am Schluss drauf angesprochen, was ich auch erst nicht verstand, weil die Dame nur Serbisch sprach. Es wurde mir aber später klar.
Unser erster Stopp in Niš war nichts Vergnügliches, sondern mal wieder Konfrontation mit deutscher Geschichte. Wir besuchten das „Rote Kreuz Konzentrationslager“ in einem Ortsteil von Niš. Es war vornehmlich ein Durchgangslager für ca. 35000 Juden, Roma und politische Gegner gewesen, kostete aber dennoch ca. 10000 Menschen das Leben. Besonders hier war, dass es einen großen Ausbruchsversuch gab, bei dem es immerhin 147 Menschen schaften, zu fliehen. Danach kam es zu Massenerschießungen auf dem nahegelegenen Hügel Bubanj wo heute ein Gedenkpark an die Toten erinnerte. Den Part dominierten drei Betonobelisken, die erhobene Hände mit geballten Fäusten symbolisierten. Jede der drei Fäuste war unterschiedlich groß und stellte Männer-, Frauen- und Kinderhände dar, die dem Feind trotzten, symbolisch für die Tatsache, dass ganze Familien in Bubanj getötet wurden.
Danach gingen wir zu Fuß in die Innenstadt und kamen dabei durch die Festungsanlagen, in der u.a. ein Geschichtsarchiv, eine historische Moschee und Ruinen aus der byzantinischen Zeit zu sehen waren. Diese Parkanlage war ganz nett, die Innenstadt dagegen gefiel uns gar nicht. Ein nichtssagendes Gemisch unterschiedlicher Epochen, riesige moderne Spielhallen und Einkaufsmall, nichts, was das Auge wirklich fesselt. Ganz gut gefallen hat uns eine Eisdiele im Ambiente einer Tram. Hier machten wir Stopp für ein Eis, weil sie gemütlich wirkte und es draußen mal wieder begann zu tröpfeln. Es fing dann aber glücklicherweise nicht wirklich an zu regnen.
Als letztes besuchten wir den Schädelturm, der von den Osmanen nach einer Schlacht gegen serbische Rebellen aus deren Schädel gebaut wurde.
Auf der Rückfahrt wollten wir eine andere Strecke als auf der Hinfahrt nehmen und dabei noch einen See besuchen. Den fanden wir auch, aber die Straße wurde immer schmaler, ungeteert und letztlich zu einer solchen Stein- und Schlaglochpiste, dass wir sie nicht weiterfahren konnten. Das Navi schickte uns aber immer wieder in diese Richtung und wir irrten ziemlich lange herum und fürchteten, dass es dunkel würde, bevor wir aus dem Labyrinth wieder heraus fänden. Letztlich schafften wir es aber doch und fuhren einen endlos erscheinenden Umweg und kamen erst gegen 21:00 wieder bei unserem Apartment an. Hier zeigte sich, dass es doch einen entscheidenden Unterschied machen kann, ob man ein Navi hat, in das man eingeben kann, dass man nur geteerte Straßen haben will, oder Google Maps, wo es zwar gelbe und weiße Straßen gibt, die Beschaffenheit aber sehr unterschiedlich sein kann bei gleicher Farbe
Sonntag, 30.4.2023 Kruševac – Ausflug Jastrebac
An diesem Abend war ich platt! Wir wollten nicht wieder so viel Zeit im Auto verbringen und waren deshalb zum nahegelegenen Jastrebac Lake Resort gefahren. Es lag in herrlicher Natur nur ca. 30 Min Fahrt südlich von Kruševac. An einem See lagen Hotel, ein Kletterpark und ähnliches und, was für uns wichtig war, starteten hier mehrere Wanderwege. Wir machten uns auf den Weg zu einem, laut Angabe, einfach zu erreichenden Ziel. Zu Beginn des Weges konnten wir serbisches Sonntagsvergnügen beobachten. Entlang eines Flusses im Wald hatten sich zahlreiche Grüppchen, Familien ebenso wie Männergruppen und Jugendliche regelrecht eingerichtet. Tische, Stühle, Pavillons, Verstärkeranlage, Grills und kistenweise Bier, das im Fluss gekühlt wurde. Laute Musik schallte uns entgegen und man vergnügte sich sichtlich. Es hatte etwas von unseren Vatertagsgruppen zuhause. Umso höher wir aber kamen, umso stiller wurde es, und hoch ging es die ganze Zeit. Nach fast 2 Stunden bergauf, 420 Höhenmetern auf 4,2 km Strecke kam eine tolle Aussicht, die wir zu unserem Wendepunkt erklärten. Wir hatten zuvor ein Paar gefragt, wie weit es zu unserem Ziel „Sokolov Kamen“ (Falkenstein) noch sei und bekamen 1/2 Std gesagt, zumindest haben wir das so übersetzt. Das war mir zu viel Steigung, so gerne ich noch bis dort gegangen wäre. Wir gaben uns mit dem Ausblick zufrieden, der uns als ein würdiger Umkehrpunkt erschien und stiegen wieder bergab. Im Hotel erfrischten wir uns bei Eis und Cola, bevor wir wieder zurück nach Kruševac fuhren. Wir hatten Glück, gerade als wir das Haus betraten, fing es heftig an zu regnen. Nach einem Stündchen kam die Sonne wieder heraus und wir besuchten zu Fuß noch zwei „Highlights“ von Kruševac, die ich noch nicht gesehen hatte, Stefan natürlich schon beim morgendlichen Joggen. Das erste Ziel war der archäologische Park „Lazar’s Stadt“. Reste einer mittelalterlichen Stadt des Prinzen Lazar, dem in der Stadt gleich zwei Monumente gewidmet waren, boten sich uns zur Besichtigung an. Die Lazarica Kirche von 1376 wurde als besondere Leistung serbischer Architektur als Kulturdenkmal besonderer Wichtigkeit erklärt. Reste des Palastes, ein Turm und das Nationalmuseum im Gebäude eines ehemaligen Gymnasiums von 1863 waren auf dem Areal noch erhalten. Von hier gingen wir weiter zum Miniatur Freilichtmuseum in einem netten Park. Hier waren in Miniatur einige der wichtigsten Klöster des Landes ausgestellt. Die wesentlichen Hot Spots unseres Aufenthaltsortes dürften wir damit besichtigt haben, bevor wir am folgenden Tag unsere Tour fortsetzen wollten nach Šabac, wo wir noch zwei Nächte einplanten, um am Mittwoch morgens unseren Mietwagen wieder beim Belgrader Flughafen abgeben zu können. Die Fahrt von hier aus wäre reiner Stress geworden. Kruševac stellte sich um Nachhinein als guter Ort für einen längeren Aufenthalt heraus, besonders durch die tolle Wohnung. Wir hatten zwar längst nicht all das gesehen, was wir gerne besucht hätten, z.B. den Tara Nationalpark und den Derdap Nationalpark, aber die waren einfach zu weit entfernt, wenn man nur mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 40 km/h durch die Gegend fahren konnte. Natürlich hätten wir mehrere Orte zur Übernachtung wählen und rund reisen können, aber es war auch mal sehr angenehm, über mehrere Tage ein festes Zuhause zu haben. Man verlor ja auch viel Zeit bei dem ständigen Organisieren neuer Unterkünfte und häufigen An- und Abreisen. Manchmal war weniger eben doch mehr auf einer Reise.
Montag, 1.5.23 Kruševac – Šabac
Wir erreichten unseren letzten Unterkunftsort und waren nun in Šabac, westlich von Belgrad, südlich von Novi Sad, zu beiden Städten ca. eine Stunde Fahrtzeit. Der Abschied von unserer schönen Wohnung in Kruševac fiel schwer, aber wir hatten inzwischen dort auch alle erreichbaren Ziele abgegrast. Für die heutige Strecke nahmen wir uns Zeit, um unterwegs noch ein paar Stellen anzuschauen. Wir fuhren durch die Ovcarsko- Kablarska Schlucht, die wir uns aber spannender vorgestellt hatten. Wahrscheinlich sieht man sie nur richtig, wenn man dort wandern geht. Richtig begeistert hat uns hingegen das Kloster ?elije. Nicht nur, dass es wunderschön inmitten grüner Berge lag, es war auch als Bauwerk eine absolute Pracht. Auch wenn ich mit sakraler Malerei nicht viel anfangen kann, die Wand- und Deckenbemalung dieser Klosterkirche, die noch dazu lichtdurchflutet war, hat mich begeistert und in den Bann gezogen. Leider durften wir die ganze Anlage nur von außen fotografieren. Die enge und steile Anfahrt hat sich auf jeden Fall gelohnt und es gab außer uns auch etliche Autos dort oben, deren Besitzer das Kloster und wohl auch die Wanderwege besuchten. Es bot sich von oberhalb des Klosters ein schöner Blick auf einen fotogenen Viadukt.
Gegen 18:00 erreichten wir Šabac und zogen in unser neues Apartment. Es war wiederum recht groß mit Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer, Bad und großem Balkon, wirkte aber im Vergleich zur letzten Wohnung ehr billig und lieblos. Im Gegensatz zur letzten Vermieterin, die sehr bemüht und nett war, schien es sich hier nur um einen Verwalter zu handeln und zum ersten Mal, wollte er die Wohnung bei Abreise abnehmen. Da wir am Abreisetag möglichst früh und pünktlich abreisen wollten, um das Auto rechtzeitig am Flughafen abzugeben, passte uns das gar nicht, aber so war es nun einmal. Für 27€ pro Nacht durfte man auch nicht meckern und die Wohnung hatte außerdem einen Balkon, der schon eher eine große Terrasse war. Wir hofften für den nächsten Tag, entgegen des Wetterberichts, noch einmal auf Sonne, um sie nutzen zu können. An diesem Abend konnten wir bei lauen Temperaturen draußen bei einer Pizzeria eine Pizza genießen und zum Nachtisch in der Fußgängerzone ein Eis. Es gab auch hier den 1. Mai Feiertag und der schien sogar bis auf den 2. ausgeweitet zu werden, aber es gab keine gesetzlichen Öffnungszeiten. Klar waren öffentliche Gebäude an Feiertagen dicht, aber Geschäfte und Gastronomie öffneten und schlossen, wie sie lustig waren. An diesem Abend konnte man um 20:00 in der Fußgängerzone z.B. noch Schuhe kaufen, während z.B. manche Restaurants geschlossen hatten.
Dienstag, 2.5.2023 Šabac – Ausflug Kloster Kaona
Letzter Tag Auto, letzter voller Tag Serbien, wenn alles nach Plan lief. Nachdem Stefan sich morgens auf seiner Joggingstrecke erst gegen ein paar streunende Hunde wehren musste, hatte er sie später als Beschützer gegen andere freilaufende gewonnen. Sie begleiteten ihn und schreckten die anderen Hunde ab. Nach dem Frühstück gingen wir einer unserer Lieblingsbeschäftigungen nach, wir bummelten durch Second Hand Shops hier in Šabac und waren danach um ein Adidas Laufshirt und ein Unterhemd von Odlo reicher zum Preis von 5,12€ – zusammen! Danach verbrieten wir das gesparte Geld in einem zuckersüßen Café mit ebenso leckerer Torte wieder ??. Ein paar Kalorien mussten wir danach loswerden und sind zu den Resten der Festung von Šabac gelaufen, deren Errichtung 1471 begann, aber später von mehreren Herrschern umgebaut und erweitert wurde. Sehr viel war nicht mehr von ihr erhalten. Vor dem Bau der Festung war hier bereits ein Handelsplatz mit dem Namen Zaslon. Direkt bei der Festung wurde von der Stadt an der Save eine Promenade mit Sandstrand angelegt. Vom Sand konnte man aber heute nichts erkennen. Die Save führt gerade ziemlich viel Wasser. Wahrscheinlich war der Sand derzeit überspült. Man konnte jedoch ganz gut ein Stück am Fluss entlang laufen. Nachdem wir uns im Apartment umgezogen hatten, weil es uns bei 23? zu warm wurde mit langen Oberteilen, unternahmen wir noch eine letzte Tour mit dem Auto zum Kloster Kaona. Wie schon die letzten Klöster, die wir besichtigt hatten, lag es wunderschön mitten in der Natur. Was bei Kaona besonders war, war, dass der Glockenturm separat von der Kirche stand und sich mit Klostergebäude und Kapelle auf einem größeren, leicht hügeligen Areal mit Teich befand. Es wirkte sehr idyllisch und strahlte mit dem Quaken der Frösche eine unheimliche Ruhe aus. Die Kirche war, wie die gestrige, wunderbar von innen bemalt. Nach diesem Ausflug genossen wir unseren riesigen Balkon und die angenehme Temperatur. Uns stand ein langer und spannender Tag bevor. Wir mussten bis 11:00 das Auto am Belgrader Flughafen (ca. 1 Std Fahrt) abgeben und danach hatten wir endlos viele Stunden Zeit, bis abends um 20:20 unser Nachtzug nach Montenegro fuhr. Hoffentlich würden wir ein Schlafabteil für uns haben, sicher waren wir da nicht.
Mittwoch, 3.5.2023 Belgrad
Die Abreise aus Šabac, die Fahrt zum Flughafen und die Abgabe des Autos klappte problemlos. Wir waren gegen Mittag per Bus im Zentrum und verbrachten erstmal zwei Stunden auf einer Café- Terrasse bei Tee und Kaffee. Irgendwie mussten wir die vielen Stunden ja rumbekommen und mit Rucksack und Koffer war man im Allgemeinen in Museen nicht willkommen. Nach dem Café liefen wir etwas in der Innenstadt herum und wollten eigentlich Verpflegung für unterwegs einkaufen, aber dann kamen wir bei unserem chinesischen Wok Restaurant vom ersten Tag in Belgrad vorbei und Stefan hatte Lust, dort noch einmal zu essen. Ich fand es jetzt nicht soooo überwältigend dort, aber auch nicht schlecht und es hatte mehrere Vorteile: große Portionen, die Möglichkeit, sich lange dort aufzuhalten, weil es über drei Etagen ging und nie komplett gefüllt war, und der letzte Vorteil zeigte sich uns erst am Platz: es gab eine Steckdose, um unsere Handys nochmal aufzuladen. Die Akkus mussten evtl. bis zum Abend drauf halten, falls es im Zug keine Steckdose gäbe. Da wir sie für Tickets, Orientierung und Unterhaltung brauchten, wäre es ein Drama gewesen, wenn sie zwischendrin den Geist aufgegeben hätten. Gegen 16:30 machten wir uns auf den Weg, um noch Reiseverpflegung einzukaufen und liefen dann den langen Weg über 3 km zum Bahnhof „Belgrad Central“. Dort erkundigten wir uns nach dem Abfahrtsgleis und danach, was für eine Kabine wir eigentlich gebucht hatten. Hurra, es war eine Zweibett-Kabine und nicht so ein 6-er Liegeabteil, vor dem ich schon vorher Albträume hatte. Nun konnten wir getrost im „super gemütlichen“ Wartebereich im Untergrundbahnhof auf unseren Zug warten.
Donnerstag, 4.5.2023 Nachtfahrt mit Zug nach Podgorica/Montenegro, Weiterfahrt mit Bus Tirana/Albanien
Wir waren rund 36 Std unterwegs, morgens mit Auto von Šabac nach Belgrad, abends mit Nachtzug nach Podgorica in Montenegro, wo wir heute Morgen von einer wunderschönen Bergwelt begrüßt wurden. Der Zug hatte mehr Stil als der Nachtzug von Budapest nach Bukarest, den wir im letzten Jahr zweimal genommen hatten. Er erinnerte ein kleines bisschen daran, wie man sich den Orientexpress vorstellt: Innen mit Holz verkleidet, roter Plüsch als Rückenlehne und Hockerbezug und rote Gardine im Schlafwagenabteil. Ein Waschbecken und ein Einbauschränkchen aus Holz gab es auch. Zu zweit war es echt nett, damit zu fahren und es war toll, dass wir das Fenster selber öffnen konnten. Zum einen war gut eingeheizt und definitiv zu warm zum Schlafen und außerdem konnten wir so heute Morgen gut fotografieren. Bei der Landschaft war es eigentlich schade, dass wir nicht den Tageszug genommen hatten, aber da sich der schönste Teil der Strecke wohl in Montenegro befand, war es eigentlich auch egal. Dieses Land faszinierte uns nun schon zum zweiten Mal durch seine unglaubliche Natur. Wir waren 2018 bereits einmal mit dem Wohnmobil dort und ganz begeistert. Um 5:00 ging der Wecker und ab da konnten wirauch draußen die Schönheit bewundern. Wir kamen mit ca. 1,5 Std Verspätung in Podgorica an, was aber wegen der Grenze wohl normal war. Diese Grenzabfertigung mitten in der Nacht war eigentlich das Einzige, was bei Nachtzügen richtig nervig und anstrengend war.
In Podgorica kauften wir uns direkt Bus Tickets nach Tirana für den 13:00 Bus. Danach tranken wir einen Kaffee zum Wachwerden und gingen dann noch etwas auf Stadtbesichtigung. Ich fand die Stadt ganz ok, wenn auch nicht vergleichbar mit anderen Hauptstädten. Sie hatte nette Parks und die Festungsreste am Zusammenfluss von Mora?a und Zeta boten einen herrlichen Rückzugsort. Podgorica war nun sicher keine hippe Hauptstadt mit vielen Sehenswürdigkeiten, aber sie war echt entspannt und entspannend gegenüber dem quirligen Gewühl normaler Großstädte. Der Bus brachte uns ab Mittag dann mit mehr als einer Stunde Verspätung nach Tirana. Uns war zuvor nicht klar, welchen Schlenker er noch nach Durres an der Küste macht. Ziemlich platt kamen wir erst gegen 19:00 am Ziel an, schafften es dann aber gleich, uns noch SIM-Karten zu kaufen und unsere gigantisch große Wohnung mit 100 qm zu finden. Hier hätten wir auch als ganze Familie noch Platz finden können.
Freitag, 5.5.2023 Tirana
Tirana war für uns auf dieser Reise eine wirkliche Entdeckung im Gegensatz zu anderen Hauptstädten. Tirana wurde zwar bereits 1372 unter diesem Namen erwähnt und älteste Funde auf dem Stadtgebiet waren sogar aus der Römerzeit, aber an Bedeutung als Stadt hat sie erst 1920 gewonnen, als sie zur Hauptstadt ernannt wurde. Zu der Zeit begannen erste städtebauliche Maßnahmen, wobei man sich der Unterstützung Italiens bediente. Seit der Zeit nahm die Bevölkerung stetig zu und lag nun bei ca. 600000 Einwohnern. Sie erwies sich als eine quirlige, moderne Stadt, wo unterschiedlichste Architektur aufeinander trafen, was aber nicht abstoßend wirkte, sondern ihr einen geradezu lebendigen Charme verlieh. Man wusste häufig gar nicht, wo man zuerst hingucken sollte. Da stand die prachtvolle Et’hem-Bey-Moschee aus 18. Jahrhundert neben dem 1948 zum Kulturdenkmal erklärten Uhrturm aus dem 19. Jahrhundert und dahinter reckte sich ein wie aus blauen Schachteln gebauter, riesiger Hochhausturm in den Himmel, der oben breiter war als unten. Davor befand sich der riesige, geflieste Skanderbeg Platz mit Reiterstandbild, der umgeben von öffentlichen Gebäuden wie der Oper und dem Nationalmuseum mit gigantischem, 440 qm großen Mosaik aus dem sozialistischen Realismus war. Nicht weit von hier fand man Mauerreste einer osmanischen Burg aus dem Mittelalter, die heute den Rahmen für Cafés und Handwerksläden bot. Dahinter erhob sich der TID Tower, bis 2019 mit 85 m Höhe Albaniens höchstes Gebäude. Er beherbergte ein 5* Hotel und war ebenfalls ein architektonischer Hingucker. Wiederum verjüngte sich der Turm nach unten und änderte dabei seine Form von rechteckig zu oval. Das Straßenbild war lebendig, überall waren Menschen unterwegs oder relaxten in Cafés, Radfahrer suchten sich ihren Weg und fuhren auf z.T. gut ausgebauten Radwegen so zügig, dass man aufpassen musste, ihnen nicht in die Quere zu kommen. Autos fuhren durch die kleinsten Gassen und waren das einzig Nervige und eine wahre Gefahr in der Stadt. Viele kleine Geschäfte, zumeist Elektronikläden oder Boutiquen, aber auch kleine Lädchen, die alles führten von Stecknadel bis Gießkanne, sowie zahlreiche Obst- und Gemüseläden, wie auch Bäckereien, deren Preise häufig besser waren als in den Supermärkten, reihten sich aneinander. Supermärkte hatten z.T. horrende Preise. Sie waren für gleiche Produkte teils 2-3 mal so teuer wie in Deutschland, so wollten sie z.B. für Bio- Haferflocken umgerechnet über 5€, für normale rund 2,50€, für Hummus 5€ und Marmelade bis zu 6€. Auch Brot hatte astronomische Preise. Obst hingegen war bezahlbar und ebenso Käse aus dem Kühlregal. Am Käsestand hingegen konnte man einheimischen, angemachten Ziegenkäse wiederum günstiger bekommen. Das gastronomische Angebot war hier in Tirana viel breiter als wir es in Serbien erlebt hatten. In Serbien galt der Satz „Fleisch ist unser Gemüse“. Man konnte diverseste Fleisch- meist Grillgerichte bekommen, aber für Vegetarier blieb häufig nur süßer Palatschinken oder mit Glück Pizza. Hier in Albanien war die Auswahl um einiges größer. Einflüsse italienischer und türkischer Küche, auch mit vegetarischen Angeboten, machten es uns leichter, wenn auch wie immer mein bester Koch mein lieber Mann war????.
Außer architektonischen und kulinarischen Eindrücken konnten wir auch etwas über die grausige Geschichte Albaniens unter dem sozialistischen Diktator Enver Hoxha von 1944-1990 erfahren. Wir besuchten das Museum BunkArt 2, untergebracht in einem unterirdischen Atombunker mit Durchgang zum Innenministerium, dass vornehmlich die Geschichte Albaniens nach dem Rückzug der Wehrmacht 1944 zum Thema hatte. Die sozialistische Diktatur vertrat nach außen hin den Kampf gegen den Faschismus und schottete sich gegen den Rest der Welt ähnlich extrem ab wie heute Nord-Korea. Es gab Verfolgung von Regimegegnern, Konzentrationslager und die Geheimpolizei Sigurimi, die ähnlich perfide Methoden hatte wie Stasi und Gestapo. Eine Ausreise von Bürgern war nicht möglich und eine Einreise von Ausländern nur unter folgenden Bedingungen:
DIE ANWEISUNG NR. 7, Datum 25.04.1975
„ZUR EINFÜHRUNG AUSLÄNDISCHER BÜRGER IN DIE VOLKSREPUBLIK ALBANIEN“
- Die Grenzbehörden des Innenministeriums verweigern die Einreise in die Volksrepublik Albanien all jenen Ausländern, die mit ihrem Aussehen gegen die Normen der sozialistischen Ästhetik verstoßen, wie Männer mit langen Haaren wie Frauen, mit übertriebene Koteletten, mit unregelmäßigen Bärten und unangemessener Kleidung und Frauen mit Mini- und Maxiröcken.
- Personen mit extravaganter Kleidung und unregelmäßigem Aussehen (mit Ausnahme von diplomatischen Vertretern, geladenen Regierungsvertretern und Sportmannschaften) ist der Zutritt zu den Durchgangs- oder Wartehallen gestattet. Dort teilt ihnen ein Vertreter der Grenzbehörden mit, dass sie nur dann in die Volksrepublik Albanien einreisen dürfen, wenn sie sich für eine Anpassung entscheiden (Haare schneiden, normale Kleidung). Wenn sie so etwas akzeptieren, dürfen sie in die Volksrepublik Albanien einreisen.
- Zoll- und Grenzbehörden erlauben keinen Durchgang konterrevolutionärer Literaturinhalte. Technische, kulturelle und künstlerische Literatur ist gemäß den Bestimmungen des Ministerratsbeschlusses Nr. 8, datiert 01.08.1975..
- Das Handelsministerium an den Grenzkontrollstellen (zu Land, zu Wasser, in der Luft) muss Lokale öffnen und das notwendige Personal zuweisen, damit Ausländer die Möglichkeit haben, normale Kleidung zu kaufen und sich zurechtzumachen.
- Das Handelsministerium muss Maßnahmen in Bezug auf Fahrzeuge, Hotels und Strände ergreifen
etc., dürfen Personen, die dieser Anweisung nicht Folge leisten, nicht aufgenommen werden.
(Erklärung aus dem Museum)
Die Hotelzimmer, in denen ausländische Gäste, zumeist Diplomaten, aufgenommen wurden, wurden abgehört und beobachtet.
Die Grenztruppen Albaniens waren hauptsächlich dazu da, eine illegale Ausreise der eigenen Bürger zu verhindern. Auf beides, Flucht und illegale Einreise, stand die Todesstrafe.
„Nach den 1990 vom Innenministerium verbreiteten Daten wurden ab 1949 etwa 1.000 Albaner von den Grenztruppen getötet, als sie versuchten, die Landesgrenzen illegal zu überqueren. Allein 1990 gab es 54 Morde an den Grenzen, der letzte am 20. Dezember 1990 in Shkodra. Laut offiziellen Statistiken des Innenministeriums über die Verhaftungen aus politischen Gründen in der Zeit von 1949 bis 1990 war der Hauptgrund der Verhaftungen in den Jahren 1953 bis 1961 der Fluchtversuch über die Grenze. Dies war ein Rekord, der auch in den Zeiträumen 1962-1967 und 1983-1989 wiederholt wurde.“ (Text aus dem Museum)
Als wir dem Bunker wieder entstiegen und ins Sonnenlicht traten, kamen wir uns vor wie der Unterwelt entkommen. Stefan durfte im Übrigen heute zum ersten Mal einen Seniorenrabatt genießen, der hier schon ab 60 gewährt wurde. Ich kam mit Behindertenausweis umsonst rein.
Samstag, 6.5.2023 Tirana
Nachdem wir beide stundenlang wie die Wilden gegoogelt hatten, welche Weiterreisemöglichkeiten sich uns boten, waren wir ziemlich entnervt. Zug fahren ging in Albanien anscheinend gar nicht, weil es keine Züge gab. Man hatte die Infrastruktur zu Zeiten des Kommunismus verfallen lassen. Hier fuhren nur Busse. Wir hätten unser Interrailticket auch nicht in Albanien nutzen können. In den Nachbarländern Griechenland und Nordmazedonien gab es Züge, aber es war partout nicht herauszufinden, wo sie fuhren und schon gar nicht wann. Über die Grenze mussten wir eh mit dem Bus und alle Versuche herauszufinden, ob es auch von grenznahen Orten noch öffentlichen Verkehr über die Grenze gab, scheiterten. Am Folgetag wollten wir erstmal drei Tage nach Berat, einer Stadt weiter im Süden Albaniens, wo wir mit dem Bus hinfahren wollten. Idiotischerweise fuhren nicht alle Busse vom Busbahnhof in der Innenstadt ab. Der wäre in unserer Nähe gewesen. Die Inlandbusse fuhren von Vororten ab, je nachdem, in welche Himmelsrichtung man fahren wollte. Wir mussten also erst noch einen innerstädtischen Bus finden, der uns zu dem Busbahnhof brachte, von dem aus wir dann nach Berat fahren konnten. Zum Glück fuhren anscheinend regelmäßig Busse dorthin. Ob wir dann danach wieder zurück nach Tirana kommen würden, um dann entweder per Bus nach Sofia und von dort mit Nachtzug nach Istanbul zu fahren, um unser Interrailticket zu nutzen, oder gleich mit dem Bus nach Istanbul, oder ob sich von Berat aus noch andere Möglichkeiten auftaten, stand noch in den Sternen. Es war halt ärgerlich, das Interrailticket zu haben und es eigentlich sowohl in Nordmazedonien als auch in Griechenland nutzen zu können und dass sich dann rausstellte, dass es keine internationalen Verbindungen (mehr) gab und die Inlandsverbindungen nicht mal auf der Webseite der Zuggesellschaften zu finden waren. Wie einfach musste das noch zu Zeiten gewesen sein, als es nur Jugoslawien gab und es anscheinend auch kein Problem war, in Griechenland mit dem Zug zu fahren.
Wir schlugen uns natürlich nicht nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln herum, sondern besichtigten auch noch etwas. Wir schafften es, einen Stadtbus zu finden, der uns zu dem zweiten Bunkermuseum, dem Bunk’Art 1 fuhr. Enver Hoxha ließ in den 70-igern und 80-igern rund 180000 Bunker bauen, geplant waren sogar weit über 200000. Nachdem er sich mit den anderen kommunistischen Staaten überworfen hatte und nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei sogar aus dem Warschauer Pakt ausgetreten war, sah er rund um sich nur noch Feinde und die große Gefahr einer Invasion. An die hunderte von zivilen Opfern, die beim Bau all dieser Bunker über ganz Albanien verteilt zu beklagen waren, erinnerte ein Raum im Bunk’Art1. In diesem Bunker, der gegen chemische, biologische und atomare Waffen sicher sein sollte, war unter anderem die Unterkunft, d.h. Schlaf- und Wohnzimmer für Hoxha untergebracht welche er zum Glück nie nutzen musste. Hauptthema der Ausstellung war die Entwicklung Albaniens von der Besetzung Albaniens durch erst die faschistischen Italiener, nach deren Kapitulation die deutschen, faschistischen Besatzer, hin zur Befreiung und Entwicklung der sozialistischen Volksrepublik. In Kreisen der Intellektuellen gab es auch Zuspruch für die deutschen Faschisten, die eigentlich kein großes Interesse an dem Territorium hatten und an den Nationalstolz der Albaner appellierten, wie die Erklärungen des Museums erkennen ließen.
Als wir nach ca. zwei Stunden wieder aus dem Bunker ans Tageslicht traten, hatten wir wieder Gänsehaut. Nun erhofften wir uns etwas Natur und fuhren mit der Gondelbahn auf den Hausberg Dajti. Die Bahn endete bei ca. 1050 Meter, der Dajti hatte insgesamt 1613 m. Wir konnten also nicht gerade so mal auf den Gipfel steigen. Das Gebiet war Nationalpark, aber auf der Höhe der Bergstation der Gondel war es mehr ein Vergnügungspark mit Hotel, Minigolf, Skaterbahn, Pony- bzw. Eselreiten, Schießständen und Quadfahren. Nicht nur, dass wir Vergnügungen dieser Art für unpassend in einem Nationalparks hielten, lag an einigen Stellen auch haufenweise Müll herum wie nach Saufgelagen. Es gab allerdings auch ein Schild mit Wanderwegen, aber zum einen erschloss es sich uns nicht und zum Anderen hatten wir bis zur letzten Gondel nach unten nur noch ca. 1 Std. Zeit, zu wenig, um wandern zu gehen. Den Rückweg zu laufen, kam auch nicht infrage, da die Strecke mit 4 Std und 8 km angegebenen war und wirklich steil war. Wir schlenderten herum und waren etwas enttäuscht, weil der Blick nach unten trotz Sonne und blauem Himmel oben, zu diesig war und nicht wirklich toll. Rechtzeitig vor der letzten Bahn machten wir uns wieder auf den Heimweg.
Sonntag, 7.5.2023 Tirana -Berat
Heute Morgen verließen wir unsere 100 qm Traumwohnung in Tirana und machten uns auf den Weg zum Busstop „Terminali“ beim Naturhistorisches Museum. Dort erfuhren wir, dass wir den Bus Richtung Kamzar nehmen müssten. Stefan machte ihn schnell ausfindig und er fuhr auch direkt ab. Wir mussten zum Nord-Süd Terminal bzw. auf Albanisch Terminali I Autobusave t? jugut she Verlut. Die Durchsage war aber auch auf Englisch und der Busbahnhof gar nicht zu verfehlen. Dort standen diverse Busse und Kleinbusse in unterschiedliche Orte, jeweils mit einem Schild im Fenster. Außerdem liefen Fahrer herum und fragten die Leute, wo sie hin wollten. Es war also ganz einfach, den richtigen Bus ausfindig zu machen. Nach ca. 2,5 Std Fahrt waren wir am Ziel und dort nicht die einzigen deutschen Backpacker in gehobenem Alter (hab ich das Wort Grufti nicht schön umschrieben???). Berat schien Leute wie uns anzuziehen. Deutsche mögen anscheinend Welterbe Städte mit Kopfsteinpflaster und Charme. Berat wurde auch die Stadt der 1000 Fenster genannt. Man ernannte sie 1961 zur Museumsstadt und seit 2007 war sie Weltkulturerbe. In der Altstadt lagen ihre typischen weißen Häuser mit den vielen Fenstern wie an den Berg geklebt beidseitig des Flusses Ossum und überblicken das Flusstal. Über der Stadt erhob sich die Burg, dahinter, mit 2400 m Höhe, der Tomorr, der mit schroffen Felsen und mit Schnee bedeckter Spitze majestätisch wirkte. Mit den grünen Hügeln ringsum ließ es sich leicht erahnen, wie schön die Natur in dem zum Nationalpark erklärten Gebiet ringsum sein musste. Berat galt als eine der schönsten, manche Reiseführer schrieben die schönste Stadt Albaniens. In den drei historischen Bezirken war so gut wie kein Neubau erlaubt, um das Häuserbild zu erhalten. Die Straßen jedoch waren bzw. wurden gerade erneuert und es gab eine großzügige gepflasterte Fußgängerzone mit zahlreichen Restaurants und Cafés und einem Park, die Wohlfühlatmosphäre vermittelte. Wir wohnten direkt in der Altstadt und als wir vom Bus kamen, kam uns unser Vermieter bereits entgegen, damit wir das Haus auch fanden. Es war im Gegensatz zu den bisherigen Wohnungen, wo wir häufig die Vermieter nie kennenlernten und mit Code ins Haus kamen, eher familiär. Die Familie wohnte neben uns, der Balkon ging ums Haus herum und war gleichzeitig Zugang zu den Wohnungen. Wir hatten einen Tisch und Stühle vor unserer Tür und konnten bei schönem Wetter morgens früh unser Frühstück draußen serviert bekommen. Ja, dieses Mal war sogar Frühstück (auch vegetarische Variante) im Preis von 30€ pro Nacht enthalten für eine Wohnung mit Küche, Schlafzimmer, Wohnflur mit Esstisch, Bad und Balkon. Die Preise sind waren ein Stück niedriger als in Tirana und besonders als in Serbien. Nicht unbedingt in den Lebensmittelläden, aber z.B. beim Bäcker zahlten wir für zwei Ringe mit Sonnenblumenkernen und zwei käsegefüllte Blätterteigstücke zusammen ca. 70 Cent. Ein preiswertes Abendessen. Für unser Essen in einem guten Restaurant, gegrillter Seebrass für mich, gefüllte Aubergine für Stefan, 1 Portion Pommes, 1 griechischer Salt, eine 0,7 l Flasche Wasser, 1 x Cappuccino und 1 x Dessert zahlten wir zusammen 18,50€. Da lohnte es sich kaum noch zu kochen, denn so reichhaltig aßen wir natürlich nicht immer. Die Busfahrten in den Städten waren immer nur Centbeträge und die lange Fahrt Tirana-Berat kostete uns zusammen gerade mal 8,81€, nur mal so zur Info, um eine Vorstellung zu bekommen.
Am nächsten Tag nahmen wir uns vor, zur Burg hochzusteigen und den Blick über die Stadt und das Tal zu genießen. Ich freute mich schon darauf.
Montag, 8.5.2023 Berat
Wie geplant besuchten wir heute die Burganlage und stiegen die 10% ige Steigung dort hoch. Von oben bot sich, wie erwartet, ein toller Ausblick. Man konnte ein Stück auf der Festungsmauer der aus dem 13. Jahrhundert erbauten Burg laufen. Es gab noch Reste einer alten Zitadelle, eine byzantinische Kirche, Wohngebäude und Reste zweier zerstörter Moscheen. Die Anlage war also recht groß. Auf dem Rückweg aßen wir im Restaurant ein für Albanien typisches Essen. Ich hatte gebackenen Schafskäse mit Tomaten und Paprika und Stefan gefüllte Champignons, dazu Pommes Frites. Nach einer Siesta in unserer Unterkunft genossen wir auf unserem Balkon frische Erdbeeren vom Stand um die Ecke mit Schokoladeneis von der Eisdiele. Als wir gerade fertig waren, kam unser Vermieter und brachte uns je ein Stück selbstgebackenen Kuchen. Hätten wir so weitergemacht, hätten wir demnächst einen Ticketaufschlag für Übergewichtige zu zahlen. Von weitem hörten wir Lautsprecher und unser Vermieter entschuldigte sich für den Lärm, aber sie hätten bald Wahlen und der Präsident hielte gerade eine Wahlrede im Ort. Wir hatten uns zuvor schon über ein erhöhtes Polizeiaufkommen gewundert, im Anbetracht dessen aber, dass gerade der Staatspräsident eine Rede auf einem öffentlichen Platz hielt, war die Absicherung nur ein Bruchteil von dem, was bei uns bei Politikern häufig so aufgefahren wird. Wir guckten kurz beim Platz vorbei, konnten aber nicht viel sehen außer Menschen, die mit albanischer Flagge wedelten und Applaus spendeten, alles sehr sittsam. Dann machten wir uns auf die Suche nach einem Friseur für Stefan, den wir aber nicht fanden. Von einem Berber, was wohl so viel wie Barbier hieß und von dem wir den typischen arabischen Haarschnitt erwarteten, der ja auch bei uns immer mehr kommt, wollte er sich nicht verunstalten lassen. Wir beide fanden diesen Schnitt mit rasierten Seiten und Haarschopf auf dem Kopf – mal davon abgesehen, dass er dafür gar nicht genug Haare gehabt hätte – hässlich. Erfolgreicher waren wir auf der Suche nach einem Geldautomaten, und wir fanden ein Reisebüro, wo wir uns bereits unsere Bustickets von Tirana nach Istanbul kaufen konnten, so gingen wir keine Gefahr ein, am Sonntag leer auszugehen. Unsere Planung war jetzt also, am übernächsten Tag von Berat nach Gjirokaster, einer Stadt weiter im Süden, die auch sehr nett sein sollte, zu fahren, am Samstag von dort mit dem Bus zurück nach Tirana und am Sonntag dann über Nacht ca. 18 Std per Bus über Griechenland in die Türkei zu fahren. Dort konnten wir dann wieder auf den Zug umsteigen.
Wie viel lieber wäre ich die Strecke dorthin auch mit dem Zug fahren, aber es war einfach unmöglich.
Dienstag, 9.5.2023 Berat
Der heutige Tag war Wandertag. Ich hatte eine Wanderung bei Komoot gefunden, die zwar hoch hinausgehen sollte, aber unter „leicht“ angegeben war. Wir liefen also auf die andere Flussseite und von da an hätte ich eine halbe Stunde lang denjenigen, der die Tour eingestellt hatte, den Berg runter schubsen mögen. Es ging schnurstracks auf einem zum Teil kaum noch erkennbaren Single Trail aus Schotter steil den Berg hoch! Nach den ersten 50 Metern bin ich nur noch weitergelaufen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, heile auf diesem Weg wieder runterzukommen und wusste, dass der Abgang woanders wohl nicht so steil sein würde. Von der Natur her war der Weg aber eigentlich schön mit Bäumen und blühenden Blumen. Oben angekommen standen wir vor einem unscheinbaren Denkmal aus sozialistischen Zeiten. Ab hier wurde der Weg wirklich schön. Er blieb etwa auf einer Höhe, wir hatten einen tollen Blick auf das Tal mit Berat und der Burg auf dem Hügel gegenüber und besonders schön war, dass es rund um uns in allen Farben grünte und blühte. Der Weg fiel langsam ab auf einem Fahrweg, der aber höchstens mit Allradantrieb zu bewältigen war. Unten kamen wir nach Velabisht und der gleichnamigen uralten Steinbrücke von 1774. Entlang des Flusses Osum wanderten wir zurück nach Berat. Hier, wie auch bei uns im Ort, herrschte überall rege Bautätigkeit. Wie bereits bei der sehr gelungenen Fußgängerzone, wurde auch hier die Straße gepflastert. Hier in Berat verstand wirklich jemand was davon, einen Ort lebenswert zu gestalten. Die Arbeit ging auch voran und man sah, wie aktiv hier gearbeitet wurde. Albanien und das Schmuckstück Berat wird in ein paar Jahren sicher aus der Tourismusbranche nicht mehr wegzudenken sein.
Eine lustige Sache muss ich aber noch erwähnen: Albanien ist mit 57% Muslimen, 2% Aleviten und 17% orthodoxen und katholischen Christen ein islamisches Land. Wir hatten es hier also mit den Rufen der Muezzine zu tun, die mich aber bisher weder gestört noch geweckt hatten. Anders ging es wohl einem Straßenhund vor unserer Tür. Ihm schien der Gesang nicht zu gefallen, denn sobald der Ruf erschallt, heulte er herzzerreißend mit, solange, bis der Ruf beendet war. Als wir das zum ersten Mal hörten, mussten wir echt lachen.
Mittwoch, 10.5.2023 Berat – Gjirokaster
Heute Morgen bekamen wir zu unserem letzten Frühstück außer dem bisherigen aus Brot, Spiegelei, Marmelade, Gurken, Tomaten und Oliven noch ein Gebäck, das wie ein dicker Pfannkuchen aussah, vergleichbar mit Pickert, wie ich ihn aus Bielefeld kannte. Dazu gab es Feigen, echt lecker. Gegen Mittag begaben wir uns zum Busbahnhof und fuhren mit einem Kleinbus nach Gjirokaster, ca. 2,5 Std Fahrtzeit südlich von Berat. Unterwegs kamen wir an einer wunderschönen Flusslandschaft des Flusses Lumi Drino, hinter dem sich grüne Hügel erhoben, entlang. Leider begann es dann zu gießen, sodass wir in strömendem Regen in Gjirokaster ankamen. Zum Glück holte uns unser Hostelbesitzer vom Busbahnhof ab. Ich lernte das noch mehr zu schätzen, als ich die Strecke kennenlernte. Es ging die ganze Zeit bergauf, zumeist auf Kopfsteinpflaster, was meinem Rollkoffer-Rucksack sicher nicht gut bekommen wäre. Der Ort schien wunderschön zu sein, aber auf regennassem Kopfsteinpflaster bergauf, bergab zu laufen, war eine recht rutschige Angelegenheit. Nach dem Einchecken begaben wir uns noch auf die Suche nach einem Restaurant, um zu Abend zu essen, liefen aber zuerst in die falsche Richtung und alle Restaurants hatten geschlossen. Letztendlich fanden wir das Basarviertel und dort hatte alles geöffnet und wir konnten dem Regen entfliehen. Nach dem Essen erwischten wir eine Regenpause, um nach Hause zu gehen. Wir hofften, am kommenden Tag die Stadt noch bei trockenem Wetter erkunden zu können.
Donnerstag, 11.5.2023 Gjirokaster
Unser Tag war voller Gedanken an unsere Tochter Antigone, denn zum ersten Mal auf unseren Reisen waren wir ständig umgeben von ihrem Namen. Wir frühstückten bei einem Bäckerei-Imbiss namens „Antigonea“. Sie boten die leckersten Torten, Teilchen und Kekse, sowie gefüllte Pita oder Sandwiches an. Danach erklommen wir den Berg zur Festung von Gjirokaster. Hier gab es , so schien es, keine Stadt ohne Festung und natürlich ging es immer steil bergauf auf Kopfsteinpflaster. Das sah super aus, war aber echt anstrengend, denn es ging erst steil bergab von unserem Hostel und danach steil bergauf zur Burg. Ein super Ausblick belohnte uns dafür. Er wäre zwar bei klarem Wetter noch besser gewesen, aber wir wollten nicht meckern, denn es war bis ca. 14:30 trocken entgegen der Vorhersage des Wetterberichts. Die Festung hatte riesige Ausmaße und stammte vornehmlich aus osmanischer Zeit. (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Burg_von_Gjirokastra). In der Nähe der Burg befand sich der „Tunnel des kalten Krieges“ was natürlich nichts anderes war, als wieder ein Bunker für die wichtigsten Mitglieder der ehemaligen kommunistischen Diktatur. Der Tunnel hatte Verbindung zur Festung und politische Gefangene, die dort einsaßen, konnten so zum Verhör in den Tunnel geschafft werden. Der Bunker hatte wiederum alle Vorkehrungen gegen atomare und chemische Angriffe. Bis zu 3 Monaten war sichergestellt, dass die kommunistische Elite hier leben und herrschen konnte. Danach ging der Strom aus, der durch Diesel betrieben wurde. Ich denke, nach drei Monaten dort unter der Erde, hätten die meisten noch andere Probleme gehabt, als dass es nur dunkel geworden wäre. Das Militär hatte zur damaligen Zeit dort jährlich drei Wochen Wehrübung.
Da es nicht zum Kriegsfall kam, konnte die kommunistische Führung getrost in der Moschee residieren, denn alle religiösen Stätten waren zur kommunistischen Zeit verboten. In Berat hatten wir bei einer Führung mithören können, dass sogar die Universität geschlossen wurde. Man wollte sich der Intellektuellen entledigen. Heute war in dem Gebäude ein Edelhotel. Als wir es in Berat zum ersten Mal sahen, hielt ich es für eine Kathedrale aufgrund seiner würdigen Ausstrahlung.
Auf dem Weg zur Festung in Gjirokaster war in die Bodensteine ein Spruch eingepägt, der in etwa bedeutete, dass Gjirokaster von solch wunderbarer Landschaft umgeben ist, dass Künstler, strengten sie sich auch noch so an, ob ihrer eigenen Unfähigkeit wütend würden, weil sie eine derartige Perfektion nie erreichen könnten. Ja, die Stadt hat mit ihrer Lage und ihrer wunderbaren Architektur wirklich eine 1 mit * verdient, wohnen wollte ich hier dennoch nicht. Für alte Menschen, Gehbehinderte und Autofahrer mussten diese steilen und noch dazu engen Kopfsteinpflasterstraßen, die sicher 10% und mehr Steigung hatten, ein Albtraum sein.
Zum Mittagessen gingen wir wieder zu unserer Antigonea und aßen ein Pitabrot. Wir rungen lange mit uns, ob wir für den Rest des Tages noch ein Auto mieten oder ein Taxi anheuern sollten, denn vor der Stadt lag die Ausgrabungsstelle einer der größten antiken Städte Albaniens mit dem Namen ANTIGONEA! Wie gesagt, unsere Tochter verfolgte uns den ganzen Tag. Wir entschieden uns dennoch dagegen, einen Mietwagen zu nehmen. Zum einen sah die Strecke auf der Karte so aus, als könnte es sich um Schotterpiste handeln, die ggf nicht mit normalem PKW befahrbar war und außerdem fanden wir mindestens 30€ für einen halben Tag, der uns noch blieb, zu teuer. Ein Ausflug mit Guide hätte uns sogar 90€ gekostet. Ein bisschen viel für ein paar alte Steine, auch wenn es schade war.
In unserem Hostel lernten wir einen älteren türkischen Professor kennen, der ein Sabbat-Jahr machte und sich seinen Lebenstraum erfüllte, mit dem Rad von Istanbul nach Spanien zu reisen. Den Anfang über Bulgarien, Mazedonien bis hier hatte er geschafft, er wirkte dennoch nicht so, als würde er die Tour bis August, wie geplant, schaffen. Er machte seine erste größere Tour und sein Equipment erschien nicht besonders hochwertig zu sein. Er war mindestens in unserem Alter, also auch kein junger, sportlicher Mensch. Wir unterhielten uns mit ihm auch über die Wahl in der Türkei und fragten ihn, ob er am Wochenende, wenn wir nach Istanbul führen, mit Demonstrationen rechnete, wenn Erdogan nicht gewinnen sollte, aber er verneinte das. Von ihm bekamen wir auch die interessante Info, dass es in der Türkei unterschiedliche Pässe gab. War man im öffentlichen Dienst beschäftigt, bekam die ganze Familie einen grünen Passe und mit dem braucht er für kaum noch ein Land auf der Welt (außer USA/Kanada) ein Visum. Der schien also fast noch besser zu sein, als unser europäischer Pass, mit dem sich ja bereits viele Türen öffnen.
Freitag, 12.5.2023 Fahrt Gjirokaster -Tirana
Von diesem Tag gab es nicht viel zu berichten. Unsere Busfahrt zurück klappte ohne Probleme und unser Zimmer direkt neben dem internationalen Busbahnhof konnten wir pünktlich beziehen. Für die letzte Nacht hatten wir nun wieder ein Zimmer mit eigenem Bad. Das Hostel war zwar ganz OK und man lernte so auch enmal ein paar Leute kennen, aber nur einen Waschraum für alle Geschlechter ohne jede Abtrennung fand ich dann doch nicht so toll. Die Duschen waren ok, wenn es auch immer eine Kunst war, sich unter der Dusche seine trocknen Klamotten anzuziehen. Entweder tropft es von oben, oder die Hose berührte den nassen Boden oder gleich beides und nachts der Toilettengang durchs ganze Haus war auch nicht schlaffördernd. Vor einer 18-stündigen Busfahrt sollte man sich da schon lieber etwas mehr Komfort erlauben, vor allem wenn es nur 8€ teurer war, dafür aber für jeden ein Frühstück enthielt. Wir wollten heute eigentlich in Tirana noch ein Glaubenshaus der Bektashi, des größten alevitisch-islamischen Derwischordens laut Wikipedia, besuchen, scheiterten aber am Bussystem. Die Busnummer laut Internet war nicht zu finden und die Buskontrolleure, die wir fragten, konnten mit dem Ziel nichts anfangen. Für etwas anderes war es auch bereits zu spät, daher kosteten wir noch ein letztes Mal die albanische Back- und Kochkunst aus und begaben uns zurück zu unserer Unterkunft. Der nächste Tag versprach sehr lang zu werden bis wir am Tag drauf morgens gegen 5:00 in Istanbul ankommen sollten.
Samstag, 13.5.2023 Tirana- Istanbul
Unsere letzte Unterkunft in Tirana hatte eine geniale Lage, direkt neben dem Busbahnhof. Wir mussten um 10:00 beim Bus sein und es reichte, 5 Minuten zuvor loszugehen, wobei ich meine Sicherheitsminuten durchsetzte und wir 10 Minuten zuvor losgingen ?? Das Frühstück war hingegen eine Enttäuschung: ein Croissant und ein Espresso für Jeden, ohne Geschirr, sondern noch in der Bäckertüte. Stefan ging gleich nochmal los zu unserem am Vortag bereits ausgekosteten Bäckerei- Patisserie- Imbiss und holte noch gut belegte Sandwiches. Am Busbahnhof lief alles wie geplant und wir hatten einen großen und guten Bus und das sogar mit nur 6 weiteren Fahrgästen und 4 Personen Personal. Die Landschaft, besonders in Albanien, zeigte sich unterwegs noch einmal in aller Schönheit: grüne Berge, türkiser Fluss, im Hintergrund sogar noch einmal Bergspitzen mit Schnee. Gegen die Fahrt konnte man eigentlich auch überhaupt nichts sagen, bis darauf, dass die zwei Busfahrer beide rauchten und der eine so viel, dass er sich jede neue Zigarette an der anderen anzündete. Wir saßen vorne in der zweiten Reihe und bekamen die ganze Zeit den Rauch und die Musik ab, auch nachts. Der ältere Busfahrer war noch erträglich, aber sein Kollege fuhr neben dem Rauchen auch noch wie ein Verrückter und hupte, sobald er auch nur etwas abbremsen musste. Als wir gegen zwei Uhr morgens, drei Stunden zu früh, in Istanbul ankamen, sah Stefan, dass er sogar eine rote Ampel überfuhr. Bei beiden Grenzen, sowohl Albanien-Griechenland als auch Griechenland-Türkei mussten wir aussteigen und zu Fuß zum Grenzschalter gehen. Bei der Ausreise aus Albanien sogar mit allem Gepäck, wofür sich aber niemand interessierte. Wir kamen ohne Probleme durch und das Buspersonal kaufte munter in den Duty-Free Shops ein, sicher weit mehr, als erlaubt war. Wenn wir es richtig gedeutet haben, ließen sie die türkischen Fahrgäste auch auf deren Ausweis noch die erlaubten Mengen zusätzlich kaufen. Uns behelligte niemand.
Da wir viel zu früh in Istanbul am gigantischem Busbahnhof Otogar in Esenler ankamen und unsere gebuchte Unterkunft erst ab 14:00 verfügbar war, mieteten wir uns beim „Otel Lider“, direkt am Busbahnhof, für die folgenden Stunden bis 12:00 mittags noch ein Zimmer. Für 50€ hatten wir schon bessere Unterkünfte, aber wir waren halt in Istanbul und mitten in der Nacht, direkt am Busbahnhof, konnte man wohl nicht mehr erwarten. Das Zimmer war ziemlich in die Jahre gekommen und das Bett sehr schmal und für Stefan zu kurz, aber wir hatten eine heiße Dusche und WLAN, um mit unseren Lieben Kontakt aufnehmen zu können. Gestört hat hauptsächlich, dass auch hier der Geruch von abgestandenem Rauch in der Luft hing. Wir hatten allerdings beim Check-in auch nicht explizit nach Nichtraucherzimmer gefragt. Der Rezeptionist sprach eh nur türkisch und russisch. Gegen das Frühstück konnte man nichts sagen, es war rein vegetarisch, ohne jede Wurst, wobei wir nicht wussten, was für eine Suppe im Topf war. Es gab Käse, Tomaten, Gurken, Oliven und Portionspackungen Marmelade, Honig, Butter und einen süßer Aufstrich mit Tahini (Sesam). Kaffee war leider nur in Nescafé Version zu haben und schwarzer Tee war natürlich auch da. Alles in allem war es also ok und wir gespannt, was uns der Tag so bringen würde.
Sonntag, 14.5.2023 Istanbul
Viel zu berichten gibt es über diesen Tag nicht. Nachdem wir unser „Stundenhotel“, was natürlich keines war, aber sicher häufig nur für Stunden von Leuten genutzt wird wie uns, die mitten in der Nacht auf dem Busbahnhof ankommen oder abfahren müssen. Wir machten uns nach dem Frühstück auf den Weg, um Sim-Karten zu besorgen, bekamen aber keine, obwohl sie überall von Vodafone, Turkcell und Telecom angeboten wurden. Das Problem war, dass die kleinste Karte 20 GB hatte und einen Monat gültig war, dafür aber mindestens 600 TL ( 28€) rund um den Busbahnhof sogar 850 TL (fast 40€) kosten sollte. Wir wollten aber keinen ganzen Monat in der Türkei bleiben und so viel Datenvolumen brauchten wir auch nicht. Außerdem hatten wir über viel günstigere Angebote im Internet gelesen und auch der Vermieter unserer Unterkunft meinte, dass wir nicht über 400 TL zahlen müssten. Er versprach, am kommenden Morgen mit uns zu einem Laden um die Ecke zu gehen und uns beim Kauf zu unterstützen, echt nett! In den Läden wurde aber, abgesehen von Sim Karten der Verfall der Lira schon sehr deutlich. Bei Restaurants waren die Preise oft durchgestrichen oder weggekratzt und neue drübergeschrieben. Ein Telefonladenverkäufer bestätigte uns auch, dass vor vier Monaten die Karten, die jetzt 600 TL kosteten, noch für 300 TL über den Tisch gegangen waren. Die Inflation war wirklich krass. Wir waren gespannt, wie sich das auf die an diesem Tag stattfindende Wahl auswirken würde. Gäbe es danach eine Türkei ohne Erdogan an der Spitze? Bezüglich Internet behalfen wir uns vorerst mit WLAN im Apartment, aber ohne Karte konnte es auf Dauer nicht gehen, allein schon für die Orientierung in der Stadt und in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Für letztere hatten wir direkt aufladbare Karten beim der Metrostation am Busbahnhof besorgt. Ein Mitarbeiter half uns, wobei man sagen muss, dass wirklich sehr wenig Englisch hier gesprochen oder verstanden wurde. Stefan meinte sich erinnern zu können, dass das damals, bei unserem Besuch 1987, noch besser war. Wir fanden unseren Weg zum Taksim Platz, in dessen Nähe wir unsere Unterkunft hatten, indem wir vorher die Karte downloadeten. Unser Apartment war klein, aber ok für drei Nächte. Ein bisschen blöd war die Wascherei der Klamotten im Waschbecken, aber ohne ging es nun mal nicht. Bei einem Rundgang durch die Umgebung konnten wir feststellen, dass es in Deutschland einfacher zu sein schien, vegetarisches Essen zu bekommen. Wir waren in mehreren Dönerläden, aber das Einzige vegetarische was zu finden war, war Linsensuppe und Salat. Es dauerte eine Weile, bis wir ein käsegefülltes Blätterteiggebäck in einem Imbiss fanden und es mit Ayran zusammen genießen konnten. Die Lebensmittelgeschäfte ringsum hatten ebenfalls keine besonders große Auswahl und hohe Preise. Viel selbst kochen war allerdings auch mit unserer Küchenausstattung kaum möglich. Am Abend gab es Nudeln mit Pesto Soße, die Stefan mit frischen Tomaten, Paprika und Kichererbsen aus der Dose verfeinerte. An diesem Tag hatten allerdings auch etliche Geschäfte wegen der Wahl geschlossen, das war aber bisher das Einzige, was wir diesbezüglich beobachten konnten. Wir hofften, dass es so blieb, wenn die Ergebnisse ausgezählt wurden. Es war vielleicht ganz gut, dass Erdogan in Ankara war und nicht wie geplant in Istanbul. Am Nachmittag schlief ich noch eine Runde und das so gut, wie schon seit langem nicht mehr. Die letzte Nacht in dem kalten Rauchgeruch im Hotel und im Bus verlangte ihren Tribut. Am Abend verfolgten wir die Auszählungen der Wahlzettel. Es sah sehr knapp aus für Erdogan.
Montag, 15.5.2023 Istanbul
Am Morgen erfuhren wir durch das Fernsehen, dass es zu einer Stichwahl kommen würde zwischen Erdogan und K?l?çdaro?lu. Wir begannen unsere Unternehmungen erst gegen Mittag, weil wir beide lange schliefen und es hier in der Türkei noch dazu eine Stunde später war als in Mitteleuropa. Unser Vermieter half uns, eine SIM-Karte für 500 TL/15 GB zu kaufen, sodass wir jetzt wieder unterwegs online waren. Danach begaben wir uns auf den Weg zum Hauptbahnhof Sogutlucesme, der nicht wie erwartet im europäischen Teil der Stadt war, sondern auf der asiatischen Seite. Wir fuhren dafür mit der Metro vom Taksim Platz bis zur Haltestelle Yenikapi und stiegen dort in die Mamaray Metro, eine Art Schnellmetro, die nur selten hielt und zwischen Europa und Asien pendelte. Das tolle war, dass wir mit einer Karte alle öffentlichen Verkehrsmittel in Istanbul nutzen konnten, natürlich ohne Taxis. Jede Fahrt auf einer Linie, egal wie lang, kostete laut Reiseführer 10 TL, also 50 Cent. Musste man umsteigen, kostete es nochmal dasselbe. (Im Nachhinein kann diese Angabe aber nicht ganz stimmen, denn uns wurden unterschiedliche Summen abgebucht, wobei wir nicht erkennen konnten, wonach die Berechnung ging). Diese Karte konnten wir am Automaten immer wieder mit Geld aufladen. Man musste abschätzen, wie oft man vorhatte zu fahren. Es war somit besser, häufiger kleine Beträge draufzuladen, als am Schluss nicht alles zu verbrauchen. Es stellte sich aber später heraus, dass man eh immer nur kleine Beträge draufladen konnte.
Im Bahnhof war es für uns dann ziemlich enttäuschend. Wir wollten eigentlich mit dem Lake View Express (Van Gölü Ekspresi) von Ankara nach Tatvan fahren, was eine ganz besonders schöne Strecke in den äußersten Osten der Türkei mit Ausblicken auf Berge, Seen, Klöster etc. sein sollte. Er fuhr ca. 25 Std und hatte Schlafwagen. Leider war die einzige Möglichkeit nur noch am folgenden Tag und nur Sitzplätze in der zweiten Klasse, statt Schlafwagenabteil. Zum einen hatten wir unsere Unterkunft bis für drei Nächte gebucht und außerdem wollten wir Schlafwagen fahren. Auch den Eastern Express (Dogu Ekspresi) nach Kars hätten wir nur noch mit 4 Liegen buchen können. Wir hatten uns aber nun mal ein Zweibettabteil in den Kopf gesetzt, also ging das auch nicht. Wir mussten ja auch wieder zurückkommen und die Züge waren extrem begehrt. Wir buchten daher erstmal für Mittwochabend den Nachtzug von Ankara nach Izmir und planten dann morgens von Istanbul nach Ankara zu fahren. Für diese Nachtfahrt bekamen wir noch eine Zweibett-Kabine in der zweiten Klasse. Es war leider keine der Panoramastrecken, aber zumindest ein Highspeedzug.
Nachdem wir mindestens eine Stunde mit der Buchung im Bahnhof beschäftigt gewesen waren, gingen wir erstmal einen Kaffee trinken und suchten danach eine Moschee, die es aber gar nicht dort gab, wo sie laut Google sein sollte. Was wir aber dabei fanden, war das Viertel Kadiköy auf der asiatischen Seite, das für seine Gassen mit Streetart, alternativen, trendigen Cafés und Boutiquen bekannt war, die sich hier aneinanderreihten und wo es viel entspannter war, als im normalen Großstadtgewühl. Es fuhren weniger Autos, Menschen relaxten in Cafés oder arbeiteten an Laptops und man fand mehrere Restaurants und Läden, die vegane und vegetarische Mahlzeiten anboten. Das nutzten wir aus und stellten uns je einen Teller mit unterschiedlichen Salaten zusammen für je 3€. Das Viertel gefiel uns gut und wir bereuten, unsere Unterkunft nicht im asiatischen Teil gebucht zu haben. Vielleicht konnten wir das noch auf der Rückreise nachholen. Weiter ging’s zur Sakirin Moschee. Sie war sehr neu, von 2009, und modern und laut Internet von einer Frau gestaltet worden. Sie hatte innen einen leuchtend blauen Boden und einen gleichfarbigen Bogen, in dem beim Gebet wahrscheinlich der Imam als Vorbeter stand. Im Hof war ein Springbrunnen. Die Moschee befand sich auf dem größten Friedhof der Türkei und einem der größten der Welt, dem Karacaamet Friedhof. Als wir dort waren, kamen gerade sehr viele Menschen aus der Moschee und wir vermuteten, dass es sich um eine Beerdigung handelte, denn der Iman hielt auch draußen noch eine Rede und wir sahen große Gestecke. Mir wurden allmählich die Beine schlapp, so begaben wir uns auf Umwegen in Richtung einer Metrostation. Dabei kamen wir an einer großen Mall vorbei, die von außen aber mehr hermachte als von innen. Irgendwie sehen Malls alle gleich aus und haben dieselben Geschäfte. Etwas weiter kamen wir ans Wasser des Bosporus, genauer gesagt dorthin, von wo die Fähren abfuhren zum europäischen Teil der Stadt. Da wir wussten, dass wir mit unserer Karte auch die Fähre nutzen konnten, fanden wir es eine super Idee, auf diese Weise zurück in den anderen Teil der Stadt zu fahren. Wir wussten nicht, wie der Fähranleger auf der europäischen Seite hieß, aber da gerade eine Fähre kam und alle Leute durch die Drehkreuze eilten, taten wir es ihnen gleich. Ich äußerte zwar noch meine Bedenken, ob wir richtig wären, aber Stefan meinte „egal, wenigstens Schiff fahren“. Unterwegs bemerkten wir dann, dass wir nicht auf die andere Seite, sondern entlang der Küste fuhren und inzwischen ging die Sonne schon unter. Nach geschätzten 20 Min legte der Kapitän an und wir fanden heraus, dass heute auch keine Fähre mehr nach Europa rüber führe. Es war trotzdem schön, auch mal dort mit dem Schiff gefahren zu sein. Wie gut, dass wir mit dem Handy eine Alternative rausfinden konnten. Wir fuhren dieselbe Strecke mit dem Bus zurück und vom Fähranleger wieder mit der Metro nach Hause. Inzwischen war es dunkel und die Taksim Moschee strahlte uns schön beleuchtet entgegen als wir aus dem Metroschacht kamen.
Dienstag, 16.5.2023 Istanbul
Wir begaben uns heute ins Touristengewimmel. Auf dem Weg dorthin benutzten wir nun auch die Straßenbahn. Unser erstes Ziel war die Cisterna Basilica, die auch der „Versunkene Palast“ genannt wurde und wobei es sich um eine spätantike Zisterne handelte. Man stieg in die Unterwelt und hatte einen palastartigen Raum mit beeindruckenden Säulen im Wasser vor sich. Durch unterschiedliche Beleuchtung gewann der Raum eine faszinierende Atmosphäre. Zur Zeit unseres Besuches fand im Wasser eine Kunstausstellung statt, deren Bedeutung folgendermaßen erklärt wurde:
„Die Werke, die unsere Seelen widerspiegeln, die jeden Tag mehr mit den Auswirkungen des ökologischen, soziologischen, politischen und ethischen Verfalls zu kämpfen haben, sprechen das Publikum aus einer Atmosphäre magischer Realität an. Diese Figuren verlassen die Landschaften von Traumuniversen, in denen wir uns unter der Decke verstecken und manchmal entkommen, wenn die Wahrheit wehtut.“(Schautafel)
Den Besuch der Zisterne fanden wir beide sehr beeindruckend. Sie befand sich nur wenige Meter von der bekannten Moschee Hagia Sophia, die wir dieses Mal nur von außen anschauten, da wir 1987 bereits drinnen waren und der Sultan Ahmed Moschee und dem Sultan Ahmed Mausoleum, die wir beide besichtigten. Beide Gebäude und auch der Park mit den Wasserspielen fanden wir sehr schön gestaltet. Dieses Gebiet war natürlich sehr stark touristisch besucht, aber es war noch gut zu ertragen. Es dürfte sich gerade um die schönste Zeit gehandelt haben: sonnig, aber nicht zu heiß und die Touristenströme noch überschaubar.
Weiter ging’s zum Großen Bazar, der uns aber nicht mehr so faszinierte wie damals. Vielleicht hatten wir inzwischen schon zu viele Bazare gesehen und waren von dem orientalischen Flair marokkanischer, ägyptischer und osmanischer verwöhnt. Schmuck, Textilien und Teppiche interessierten uns nicht und Gewürze und Handwerkskunst kamen uns an dieser Stelle etwas zu kurz, Obst, Gemüse und Essensstände sahen wir gar keine. Was mich jedoch immer, egal ob im Bazar oder in Geschäften völlig begeistern konnte, war die Auswahl und die hervorragende Präsentation von Patisserie Produkten und türkischen Süßwaren. Ich meine damit nicht unbedingt so süße Sachen wie Baklava, sondern Gebäck aus oder mit Nüssen, Datteln, Pinienkernen etc. Das sind alles kleine Kunstwerke und ich hätte mich dort täglich durchschlemmen können. Leider oder vielleicht auch zum Glück waren sie zu teuer, um sich damit einzudecken.
Nach dem Bazar kamen wir durch ein Viertel, was anscheinend fast ausschließlich von Farbigen bewohnt wurde. Zeitweise waren wir die einzigen Weißen auf der Straße. Obwohl es sehr bunt und geschäftig war, fanden wir es totlangweilig und eintönig. Es reihten sich auf beiden Straßenseiten unendlich viele Klamottengeschäfte aneinander. Es hatte leider weder einen Touch Afrika, noch waren die Geschäfte auch nur irgendwie interessant dekoriert. Es waren einfach zig gleichartige Shirts, Hosen, Kleider etc. in mehreren Farben und in unendlicher Menge neben- und übereinander aufgehängt. Was aber die Sache am eintönigsten machte, war, dass außer ein paar Hotels absolut nichts anderes dort war. Keine Restaurants, Cafés oder irgendwas, was diese Textilwelt mal unterbrochen hätte. Umso länger wir die Straße herunterliefen, umso mehr bekamen die Geschäfte Boutique-Charakter und die Hautfarbe der Verkäufer wurde erst gemischt und dann wieder nur noch weiß. Als dann endlich wieder Gastronomie auftauchte, waren wir bereits in der gehobenen Preisklasse angekommen und erreichten unsere Haltestelle, um zum Pierre Loti Hill zu fahren. Man konnte auf den Hügel per Gondelbahn fahren, aber die Schlange war so lang, dass wir es vorzogen, die ca. 900 m den Berg hochzulaufen. Der Weg ging entlang eines Friedhofs mit vielen alten Grabsteinen mit arabischer Schrift. Eigentlich hatte ich ehr einen Park hier erwartet, aber da hätte ich wohl die Beschreibung vorher besser lesen müssen. Was aber zutraf war, dass sich oben Cafés und Stände terrassenartig am Hügel befanden und man einen schönen Blick auf einen Teil der Stadt hatte. Hinunter ging es ebenfalls zu Fuß und dann zurück mit dem Bus zu unserer Unterkunft.
Mittwoch, 17.5.2023 Istanbul -Ankara- Izmir (Nachtzug)
Yeah, es klappte alles, wir waren in unserem ersten türkischen Nachtzug und hatten wirklich eine Zweibett-Kabine für ~26€. Um die Mittagszeit checkten wir bei unserer Unterkunft aus und gingen im Regen zur Metro. Zum Glück war der Weg nur kurz. Dann ging es mit Metro und Mamaray Metro zum Istanbuler Hauptbahnhof Sügütlecesme, was wir ja zuvor bei der Reservierung schon einmal testen konnten. Wir hatten noch Zeit für einen Kaffee und dann ging es mit modernem Hochgeschwindigkeitszug nach Ankara. Er war von innen vergleichbar mit unseren ICEs würde ich sagen. Was anders war, war, dass man zum Bahnsteig durch eine Sicherheitskontrolle ging wie beim Flughafen. Das Gepäck wurde durchleuchtet und man lief durch Metalldetektoren. Danach wurden die Tickets und Pässee gecheckt und dann konnte man einsteigen. So ersparte sich die Bahn die Fahrkartenkontrolleure im Zug. Nach 4 Stunden und 51 Minuten fuhren wir in Ankara ein mit 7 Minuten Verspätung. Das gab es also auch hier. Dort wurde es etwas unübersichtlich, weil der Bahnhof dort auf mehreren Ebenen war und auf der Anschlagtafel unser Zug nicht auftauchte. Mit Englisch kamen wir nicht weiter, aber mit Händen und einer Ladung Türkisch wurde uns klargemacht, dass wir vom anderen Bahnhof abfahren müssten. Das war erstmal eine Schreckminute, aber uns wurde bald klar, dass wir auf dem Highspeed-Bahnhof angekommen waren und auf der anderen Seite der Gleise der herkömmliche Bahnhof zu finden war. Dort im alten Bahnhofsgebäude hatte Kemal Atatürk nach dem Besuch der Landwirtschaftsschule an seinen ersten Tagen in Ankara gewohnt. Heute befand sich in dem Gebäude ein Eisenbahnmuseum und der Wagon, in dem er aufs Land gefahren war, war neben dem Bahnsteig zu bewundern mit seinem Konterfei in einem Fenster. Um kurz vor 8:00 fuhr unser Zug ein und wir freuten uns nun über das komfortablere Abteil im Vergleich mit dem Nachtzug zwischen Budapest und Bukarest. Hier hatten wir einen ausziehbaren Tisch, einen Kühlschrank mit Wasser und Snacks, eine Waschbecken und sogar Hotelschlappen. Dieses Mal wurden wir auch nicht von irgendwelchen Zöllnern in der Nacht geweckt, also hofften wir auf eine ruhige Nacht.
Donnerstag, 18.5.2023 Izmir
Wir kamen mit 2,5 Std Verspätung in Izmir an, aber wenn man sowieso erst um 12:00 das Gepäck abgeben und um 14:00 in der Unterkunft einchecken kann, war es ehr eine Freude, statt gegen 8:30 erst gegen 11:00 anzukommen. Wir genossen unser gemütliches Abteil und hatten uns etwas zu essen fürs Frühstück mitgenommen, sodass wir entspannt der Ankunft entgegen sehen konnten. Wir ließen uns im Speisewagen noch einen Kaffee geben, wobei der Service wirklich katastrophal war. Man drückte uns einfach Nescafé-Beutelchen und einen Pappbecher mit heißem Wasser in die Hand. Nach der Ankunft suchten wir uns unseren Weg zu unserer Airbnb Wohnung in einem 150 Jahre alten Steinhaus in Izmir. Es waren gut zwei Kilometer zu laufen und ich war froh über meine Rollkoffer -Rucksack-Kombi. Wir stellten unser Gepäck ab und die Reinigungskraft gab uns den Schlüssel, aber sie hatte noch Zeit bis 14:00 zum Putzen. Wir gingen derweil gefüllte Pide essen und schafften es gerade noch vor einem Gewitter wieder in der Wohnung zu sein. Endlich hatten wir wieder eine Waschmaschine, die ich gleich ausnutzte. Stefan holte seinen Jogginglauf vom Morgen nach als die Sonne wieder schien, aber unterwegs erwischte ihn ein erneutes Gewitter mit Starkregen, sodass er sich erst eine Weile unterstellen musste und dann durch knöcheltiefes Wasser auf der Straße zurückkommen musste. Wie gut, dass wir einen Fön hatten, sonst wäre er wegen nasser Schuhe für einen Tag ans Haus gefesselt gewesen. Wir genossen ein sehr leckeres Törtchen und machten uns auf den Weg zum historischen Aufzugsturm Asansör. In Izmir warent viele Häuser steil am Hang gebaut und 1907 kam ein jüdischer Händler, und wie am Aufzug vermerkt wurde, Philanthrop auf die Idee, einen Aufzug zu bauen, damit die Menschen aus den oberen Gebieten nicht immer 155 Stufen hochlaufen mussten. Hauptsächlich ging es aber wohl auch darum, Waren von der Küste zu den auf dem Hügel wohnenden Menschen zu bringen. Jetzt war der Hügel ein beliebtes Ausflugsziel, denn man hatte von oben einen schönen Blick über die Stadt und die Bucht und außerdem befanden sich in dem Gebiet sehr nette Cafés, Kneipen und Lädchen, so wurde einem der Weg bis zum Aufzug bereits versüßt, denn bis zu diesem gingen schon einige Treppen hoch, wo die Lädchen entlang der Treppe für nette Verschnaufpausen sorgten.
Freitag, 19.5.2023 Izmir
Wir schliefen wieder wie die Toten. Das war der Vorteil an einer durchwachten oder nicht so optimal geschlafenen Nacht: man hörte in der nächsten nicht mal mehr den Muezzin rufen, was bei dessen Lautstärke wirklich erstaunlich war. Zum Frühstück aßen wir zum ersten Mal Maulbeeren, die wir beim Kauf für Brombeeren gehalten hatten. Es war ein merkwürdiger Geschmack, oder besser ein merkwürdiges Gefühl, wenn man nicht darauf eingestellt war, denn sie sahen zwar aus wie Brombeeren, waren aber viel weicher und zergingen ehr wie Schaum auf der Zunge. Mit Erdbeeren und Haferflocken zusammen ergaben sie ein leckeres Frühstück. Danach machten wir uns auf den Weg in Richtung Bazar. Wir kamen am Hafen vorbei, von wo Fähren zur anderen Seite der Bucht abgingen, wie auch nach Griechenland. Das Wasser war sehr aufgewühlt und richtig dreckig. Uns fiel schon am Vortag auf, dass es nach Abwässern roch, trotzdem angelten die Leute hier noch. Wir kamen wieder zum Konak Maydani, ein berühmter Platz mit Uhrenturm, der kleinen, 250 Jahre alten Konak Moschee und der Kommunalverwaltung. Hier herrschte bunte Ausgelassenheit. Verkäufer von bunten Ballons, Rollifahrer, die Futter für die Tauben verkauften, Menschen, die sich vor dem Springbrunnen fotografieren ließen und fast reinfielen oder einfach nur auf einer der Bänke verweilten. Man merkte, dass hier politisch ein anderer Wind wehte. Zahlreiche Häuser hatten die Flagge von Atatürk aus dem Fenster hängen und auch Kemal K?l?çdaro?lu, Erdogans Herausforderer, hing auf Plakaten und Flaggen in Fenstern und an Wänden.
Im Kemeralti Bazar war an diesem Tag richtig viel los. Man schien am Freitag nicht nur vermehrt in die Moschee, sondern auch shoppen zu gehen. Ich fand den Bazar abwechslungsreicher als den in Istanbul, aber vielleicht hatten wir dort auch nur die falsche Ecke erwischt. Zur Stärkung vor dem Getümmel einverleibten wir uns ein sehr leckeres Schokoladentörtchen mit Banane und natürlich Kaffee in einer der zahlreichen Patisserien/Cafés. Die türkische Backkunst war wirklich hervorragend, was ich der Bedienung auch sagte und sie damit beglückte. Nach den vielen Eindrücken im Bazar stand uns der Sinn mehr nach Natur und wir begaben uns zum Kulturpark. Es handelte sich dabei um einen heute 420000 m² großen Park, der 1936 nach dem großen Brand von Izmir an der Stelle eines ehemaligen Wohngebietes errichtet und 1939 nochmal auf die heutige Größe erweitert wurde. Hier fand die internationale Messe, sowie Musik- und Sportveranstaltungen statt, es war ein Vergnügungspark mit Riesenrad und mehreren anderen Fahrgeschäften integriert und es gab viel Platz zum Entspannen, sowie für Sport und Spiel auf Rasen, Bänken, vor Springbrunnen und auf Sport- und Spielplätzen. Außerdem schlenderten wir vorbei an Bühnen und einer Kunsthalle, die leider geschlossen hatte. Draußen fanden wir ein interessantes Kunstwerk aus mehreren, jeweils aus zwei Steinklötzen gebauten Säulen mit geöffneten alten Koffern und Taschen. Weil ich gerne wissen wollte, was es bedeutete, fragte ich einen Parkwächter, aber er konnte mir auch nur sagen, dass es ein Kunstwerk sei. Als letzte Sehenswürdigkeit besuchten wir die Agora Ören Yeri, die Ausgrabungsstätte eines griechisch-römischen Marktplatzes und Stadtzentrums, die darauf hinwies, dass die Stadt Ende des 4. Jahrhunderts und zu Beginn des 3. Jahrhunderts v. Chr., direkt nach Alexander dem Großen, gegründet wurde.
Nachdem wir die Ausgrabungsstätte verlassen hatten, gerieten wir in einen älteren Teil des Bazars, der noch recht ursprünglich und chaotisch war, d.h. zwischen den Ständen fuhren Autos und Motorräder herum, die Geschäfte wirkten weniger modern und die Restaurants sahen aus, wie wir sie von früher kannten, bzw. wie wir sie in Deutschland manchmal auch heute noch finden: Dönerstand, Plastikstühle und -Tische und Neonlicht. Wir konnten sonst mit Freude feststellen, dass selbst die kleineren Dönerläden, Restaurants und Cafés bedeutend gemütlicher geworden waren. Kurz hinter dem Bazar fanden wir einen kleinen Imbiss, wo wir draußen sitzen und nicht von Autoabgasen eingenebelt wurden und teilten uns einen Teller mit Pommes mit Auberginengemüse und einen mit Tomaten-Auberginengemüse und Reis. Dazu wurde Brot und eine riesige Zwiebel zum Essen serviert. Ich habe sie nicht probiert, weil ich bei Zwiebeln meist Magenschmerzen bekomme, aber Stefan meinte, sie wäre überhaupt nicht scharf gewesen. Danach erstanden wir in einem kleinen Lädchen noch Käse, Brot und eine Marmelade aus Kürbis, Hasel- und Erdnüssen für unser morgiges Frühstück. Sie war sehr süß wie alles Süße hier in der Türkei, aber sehr lecker! Die Besitzerin des Ladens sprach sogar Deutsch. Danach gingen wir zu unserer Unterkunft und hatten gute 14,5 km hinter uns gebracht.
Samstag, 20.5.2023 Izmir – Ausflug nach Selçuk (Ephesos)
Wir nutzten unser Interrailticket aus und fuhren zwei Stunden südlich nach Selçuk. Bereits als wir aus dem Bahnhof kamen, wurden wir von antiken Säulen und Torbögen begrüßt. Selçuk befand sich ganz in der Nähe der riesigen Ausgrabungsstätte Ephesos, die wir besuchen wollten. Da es sehr warm und sonnig war und ich die Nacht zuvor miserabel geschlafen hatte, plädierte ich dafür, die fast 4 km dorthin mit dem Taxi zu fahren. Ich wäre sonst dort schon fertig angekommen. Die Ausgrabungen des in den Jahrhunderten durch Griechen und Römer geschaffenen Handelszentrums mit Amphitheater, Wohnanlage in Terrassenbauweise, wo sogar noch die Wandzeichnungen und Schriftzeichen zu sehen waren, sodass Archäologen noch heute Preise für z.B. Zwiebeln, Besuch des Bades, Kümmel etc. ablesen konnten und die Marmorwände waren sehr beeindruckend. Wir verbrachten bei der Ausgrabungsstelle, die uns entfernt etwas an Pompei in Italien erinnerte, einen interessanten, wenn auch durch die lange Fahrt, Wärme und viel Touristen rundherum ziemlich anstrengenden Tag. Zum Glück fuhren ab dem Eingang, der auch der Ausgang war, Minibusse ins Zentrum zurück. Hätten wir das ehr gewusst, hätten wir uns das Taxi sparen können Leider fuhren die Züge so selten, dass wir erst um 19:48 zurückfahren und nicht vor 22: 00 wieder in unserer Wohnung hätten sein können, aber dann kam alles doch anders. Wir waren in einem Café und ich hatte Crêpes mit Obst und Schokolade und eine Eiskugel bestellt. Stefan bestellte sich einen Fruchtshake namens Schwarzwald und aß meine Eiskugel. Irgendetwas hatte er davon wohl nicht vertragen, denn gerade als wir uns die Zeit bis zur Rückfahrt damit vertrieben, Tanzvorführungen von Volkstanzgruppen aus Serbien, Ukraine, Moldawien und anderen Ländern vor dem Café gegenüber des Bahnhofs zu gucken, wurde ihm speiübel und er erbrach sich in hohem Bogen und konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, war sogar kurz bewusstlos. Liebe Einheimische, eine Englisch sprechende Tochter mit ihrer Mutter, die glücklicherweise auch noch Krankenschwester war, kamen uns zur Hilfe. Sie brachten uns Tücher und ich reinigte ihn erstmal grob. Er meinte, er wolle mit dem Zug und nicht mit Taxi nach Izmir zurückfahren, letztendlich landeten wir aber doch noch im Taxi, dessen Fahrer ich hätte auf der Stelle erwürgen mögen. Ich hatte extra gesagt, er solle ganz vorsichtig fahren, weil es Stefan nicht gut wäre, aber er fuhr durchgehend zu schnell und telefonierte ständig mit Handy am Ohr, obwohl ich ihm gesagt hatte, dass ich das bei der Fahrt zu gefährlich fände. Diese dauerte immerhin rund eine Stunde. Izmir war 80 km entfernt von Selçuk. Wie schafften es gerade bis in unsere Wohnung und zum Klo, als es Stefan noch einmal oben und unten rauskam. Danach konnten seine Verdauungsorgane eigentlich nur noch leer sein und er legte sich geduscht in ein mit Handtüchern präpariertes Bett. Wie gut, dass wir eine Waschmaschine und einen äußerst funktionsfähigen Ventilator hatten! Alle Klamotten inkl. Schuhe wurden gewaschen und geschleudert und mussten bis zum Mittag am kommenden Tag wieder einsatzfähig sein, denn dann mussten wir auschecken. Wir mussten am Abend wieder mit dem Nachtzug nach Ankara fahren, von wo aus wir am darauffolgenden Mittag mit dem Bus nach Göreme in Kappadokien fahren wollten. Wir hofften, dass wir mit einem Schrecken davon kämen und nichts ernstes mehr passierte. Ich fand es ziemlich beruhigend, dass wir direkt neben einem gutaussehenden Krankenhaus wohnten, so für alle Fälle. Kennenlernen wollten wir es aber beide nicht. Ach ja, das erste Unglück oder besser Missgeschick passierte eigentlich bereits bei der Hinfahrt. Man muss beim Bahnhof wieder seine Sachen durch ein Röntgengerät laufen lassen. Ich hatte meinen liebsten Fleece Pulli oben auf den Tagesrucksack und unsere Bauchtaschen gelegt. Stefan nahm alles schnell entgegen und mir fiel erst im Zug auf, dass der Pulli nicht mitgekommen war. Wir hatten noch Probleme herauszufinden, wo unser Zug abfuhr und waren abgelenkt. Der Pullover musste im Röntgengerät hängengeblieben sein. Da wir abends nun nicht mit dem Zug zurückgefahren waren, konnte ich ihn wohl abschreiben. Bis zum nächsten Tag würde er kaum noch da sein, denn am Röntgengerät arbeitete niemand als wir durch die Schleuse gingen, was nebenbei den Sinn und Zweck dieses Gerätes in Frage stellte.
Sonntag, 21.5.2023 Nachtzug Izmir- Ankara
Stefan ging es am Morgen besser, dafür hatte ich Durchfall. Unser Vermieter war so nett, uns bis abends, als wir zum Bahnhof losgehen mussten, in der Wohnung zu lassen. Wir konnten also richtig ausschlafen und uns ausruhen. Stefan scharrte nachmittags schon wieder mit den Füßen und wollte am liebsten joggen. Er ging dann eine Stunde spazieren. Mir war nicht danach und ich hätte es dem Vermieter gegenüber auch unfair gefunden. Er hätte denken können, wir wollten uns nur einen längeren Aufenthalt erschleichen. Gegen 17:00 machten wir uns auf den Weg, die fast 4 km zum Bahnhof mit Gepäck zu laufen. Wir hatten genügend Zeit, daher war es von der Anstrengung her auszuhalten mit meinem rollenden Gefährten. Stefan wollte mein Gepäck immer auch noch nehmen, aber was hätte ich davon gehabt, wenn er zusammen gebrochen wäre? Ich ließ ihn immer nur kurz auf Treppen meinen Rollkoffer-Rucksack tragen oder bei Steigungen ziehen, wenn es mir zu viel wurde.
Endlich saßen wir im Zug und warteten, dass die Reservierungen kontrolliert wurden und wir abfuhren. Ich hatte etwas Bammel, weil der Schalterbeamte die Reservierung auf meinen Mädchennamen statt auf Dyckhoff ausgefüllt hatte, meine Interrail-App aber natürlich auf Dyckhoff lautet. Laut Schalterbeamten war das kein Problem. Ist war zum Glück ja auch keine Fahrt über die Grenze, nur zurück nach Ankara.
Montag, 22.5.2023 Ankara- Göreme
Viel mehr als Fahren war an diesem Tag nicht, aber in Ankara erlebten wir noch eine interessante Begebenheit. Als wir dort mit zweistündiger Verspätung im Bahnhof einrollten, fanden wir zuerst die Metro nicht, auch keinerlei Ausschilderung. Wir versuchten es beim Schnellzugbahnhof gegenüber und dort sah ich vom Eingang aus ein rotes Metroschild. Wir machten uns also auf den Weg dorthin und sobald wir mit der Rolltreppe in den Untergrund gefahren waren, war alles um uns ruhig und wir waren ganz alleine! Was war das? Wir waren in der Millionenhauptstadt Ankara bei der Metro am Hauptbahnhof und niemand war da außer uns? Da waren aber die Drehkreuze, man hörte die Bahn fahren, aber wir hatten noch keine aufladbare Karte. Wir machten uns auf die Suche nach einem Automaten, fanden aber keinen. Als wir einen Mann fragten, verstand er uns immer falsch und dachte, wir suchten den Bahnhof. Englisch sprach mal wieder niemand. Als Stefan ihm per Übersetzer unser Problem nannte, ging er mit uns zur Metro und wir erfuhren, dass der Automat, den wir für einen Bankautomat hielten, denn er hieß Bancomat, die Metrokarten verkaufte. Eine Mitarbeiterin, die die Drehkreuze überwachte, sagte unserem Helfer aber auch gleich, dass er nicht funktionierte. Kurzerhand holte der Mann seine eigene Metrokarte heraus und ließ uns damit durchs Drehkreuz. Er wollte noch nicht mal das Geld dafür, bekam es aber natürlich in die Hand gedrückt. Er war uns wirklich eine große Hilfe. Als wir mit der Metro beim Busbahnhof ankamen, kauften wir uns dort gleich eine Karte und ließen sie aufladen, denn wir planten Ankara nach Göreme noch einen längeren Besuch abzustatten. Beim Busbahnhof hatten wir noch einige Zeit, bis der Bus kam, der uns dann nach Göreme Kappadokien brachte. Schon vor dem Ort begann die Landschaft sich in eine Phantasiewelt zu verwandeln. Die „Feenkamine“, Gesteinsformationen, für die Kappadokien berühmt war, umgaben uns. Der Ort Göreme war voll davon und die Menschen lebten zum Teil in diesen Gesteinen bzw. die Unterkünfte, Geschäfte und Gastronomie waren darin oder in nachgebauten untergebracht. Es sah alles so nach Märchenwelt aus, dass man verstehen konnte, dass der Tourismus hier boomte wie verrückt. Alle möglichen Angebote von Ballonfahrten, Jeep Touren, Ausritten auf Pferden und Kamelen, Sonneneauf- und -untergangstouren; es wimmelt nur so von Anbietern. Wir waren gespannt, was wir hier alles erleben würden. Ein Problem hatten wir allerdings: seit unserer Ankunft, hatten wir keinen Empfang mehr über mobile Daten. Sollten die uns mit den SIM-Karten in Istanbul beschissen haben? Sie sollten einen Monat lang gültig sein und es gab keine Vorwarnung, dass die Daten verbraucht wären oder ähnliches. Wir waren eh schon sauer, denn nach dem Wahlwochenende hatten wir Karten für fast 1/5 des bezahlten Preises in Geschäften gesehen! Hoffentlich bekamen wir das wieder hin.
Dienstag, 23.5.2023 Göreme
Es war ein wunderbarer Tag! Wir hatten bereits im Vorfeld eine Ballonfahrt gebucht. Am Vorabend sah es so aus, als dürfte heute aus Wettergründen nicht geflogen werden, das stimmte auch für Göreme und ein weiteres Startgebiet, nicht aber für das Sorganlital 50km entfernt in Richtung Kayseri, wo unser Ballon starten sollte. Wir durften fliegen oder fahren, wie es im Deutschen hieß! Um 3:30, also mitten in der Nacht, wurden wir abgeholt. Als erstes gab es im Restaurant bei der Abflugstelle einen Frühstücksimbiss, nix dolles, nur Käsetoast mit Apfeltee oder türkischem Kaffee, aber so hatten wir wenigstens etwas im Magen und der Tee tat gut. Dann ging es in Gruppen von maximal 18 Personen, wir waren glaube ich 16 inkl. zwei Piloten, zu den Ballons. Neben uns startete noch ein Ballon, aber nachher waren ein paar mehr in der Luft. Der rechteckige Korb war in 5 Fächer unterteilt, in der Mitte die Piloten am Gashebel, auf beiden Seiten zwei Fächer mit bis zu 4 Personen. Man konnte sich gut bewegen und munter fotografieren. Zum Einsteigen half man uns mit Leiter über die 1,30 m hohe Korbwand zu klettern. Nach einer kurzen Einweisung, dass wir beim Kommando „Landung“ Kameras wegstecken müssten, uns an den Schlaufen der Korbwand festhalten, in die Knie gehen und dabei mit dem Rücken gegen die Innenwand zum anderen Korbabteil drücken sollten, ging es los. Zuvor war der Ballon bereits mit Gas gefüllt und startklar gemacht worden, jetzt lösten Helfer von außen die Leinen und schon schwebten wir in die Höhe. Etwas makaber spielte die Crew die Filmmusik vom Untergang der Titanic dazu ab, aber ich glaube, keiner hatte wirklich Angst. Es war ein sehr sanftes Schweben. Bei einem Sessellift wurde es einem sicher ehr übel als beim Ballonfahren. Unter uns tauchten bizarre Felsformationen auf und dann das Sorganlital, was der Pilot als den Grand Canyon der Türkei bezeichnete, zumindest in seiner Entstehungsgeschichte. Wir flogen über Bäume hinweg und waren mal höher oder tiefer als die Ballons in unserer Nähe. Einen Ballon kann man nicht in eine Richtung steuern, wohin die Fahrt geht, entscheidet der Wind. Die Piloten können ihn nur mit mehr oder weniger Gas höher oder tiefer fliegen und mit einem Seil ihn sich um sich selbst drehen lassen. Unser Flug war so früh, weil er zum Sonnenaufgang sein sollte, aber leider war es recht diesig und man konnte nur einmal kurz eine Ahnung von der Sonne zwischen zwei Wolken bekommen. Nach einer Stunde war das Vergnügen wieder zu Ende und wir schwebten zum Boden zurück. In der vorgeschriebenen Haltung holperten wir ein paar Meter über den Boden, was aber absolut nicht schlimm war. Die Hilfscrew war inzwischen mit Fahrzeugen zur Landestelle gefahren, wir wurden noch einmal vom Ballon kurz mit etwas Gas hochgehoben und ein Pritschenwagen fuhr unter den Korb. Dann konnten wir mit Hilfe von Tritten in der Korbaußenwand wieder herausklettern und der Kleinbus fuhr uns zurück zum Hotel. Ich würde die Ballonfahrt als ein unvergessliches Erlebnis einstufen und auch die Landschaft war toll, aber ich glaube, ein Flug direkt bei Göreme hätte spektakulärere Ausblicke geboten. Die holten wir uns dann zu Fuß am Nachmittag bei einer tollen Wanderung. Die Gesteinsformationen waren einfach umwerfend toll und man konnte zum Teil in den Feenkaminen herumlaufen, durch Naturbögen und über Naturbrücken wandernt und hatte faszinierende Aussichten, weil nicht nur die bizarren Formen malerisch waren, sondern sie auch an verschiedenen Stellen grünlich und rötlich schimmerten. Dazwischen fanden sich immer wieder auch Bäume und blühende Blumen. Es waren total begeistert! Die Wege waren gut gezeichnet und unterwegs kamen immer wieder Stände mit frisch gepresstem Orangensaft oder in den Felsen befindliche einfache Cafés, wo man außen unter einem gespannten Stoffdach Getränke oder auch eine Suppe zu sich nehmen konnte. Uns hat ein solches Café am Nachmittag gerettet, denn es gab ein Gewitter mit heftigem Regen. Ohne den Schutz hätten wir uns höchstens schnell eine Steinhöhle suchen können, aber so fühlten wir uns schon besser aufgehoben. Wir fürchteten nur sehr um unseren Rückweg, da durch den Regen nicht nur Wege zu kleinen Flüssen mutierten, sondern auch die mit Sand bedeckten Steinwege zu einer Rutschbahn wurden, besonders weil es an manchen Stellen steil war. Als der Regen nachließ, versuchten wir einen möglichst kurzen Weg zu einer Straße zu finden. Da auch Quads- und Jeep Touren dort angeboten wurden, gab es an einigen Stellen ungeteerte Fahrwege, die uns auf jeden Fall sicherer vorkamen als der Wanderweg. Wir kamen an einen Aussichtspunkt und ein Auto mit einem Pärchen fuhr vor. Ich erkannte, dass es ein Mietwagen war, also Touristen. Wir sprachen sie an und erfuhren, dass sie aus Polen kamen. Wir versuchten unser Glück und fragten sie, ob sie wohl in nächster Zeit nach Göreme fahren würden und uns mitnehmen könnten, weil wir ein weiteres Gewitter befürchteten. Wir hatten Glück, sie nahmen uns mit und wir konnten mit der Navigation helfen, weil ich die Karte bei Google Maps heruntergeladen hatte. Den erlebnisreichen Tag beschlossen wir mit einem Essen beim Inder, weil wir mal wieder was anderes als türkische Kost essen wollten. Unser Besuch bei Turkcell in Göreme war leider weniger erfolgreich. Der Mitarbeiter kannte unsere SIM-Karte nicht und vermutete, dass Sie Fake wäre und wir sie vernichten könnten. Die Hoffnung starb aber zuletzt und ich hoffte noch immer, dass sie in Konya, der nächsten großen Stadt, die wir besuchen wollteen, wieder funktioniert, nur hier fernab in der Natur nicht. Er wollte uns nämlich eine 20 GB Karte für über 1000 TL anbieten! Man erinnere sich, wir hatten 500 TL bezahlt und am kommenden Tag fielen die Preise, nach dem was wir bei Geschäften gesehen hatten, auf 150-200 TL. Erst lag aber noch ein Tag hier in Göreme vor uns und den wollten wir mit Ausschlafen und gemütlich im Hotel frühstücken verbringen, und danach planten wir wieder unsere Beine zu bemühen, um weitere Ecken im Land der Naturschönheiten zu entdecken.
Mittwoch, 24.5.2023 Göreme
Wie geplant machten wir noch einmal einen Wandertag und nach gut 14 km und 440 Höhenmetern war ich dann ziemlich kaputt. Wir hatten das „Tal der Liebe“, eine Gegend, in die auch Touren angeboten wurden, erwandert, mit dem Unterschied, dass die Tour Teilnehmer mit dem Bus oder Jeep hingefahren wurden, wahrscheinlich mehrmals einen Blick von oben ins Tal warfen, „ah“ und „oh“ sagten und vor Metall-Herzen, auf Schaukeln oder anderen Sitzgelegenheiten ihre Selfies vor faszinierendem Hintergrund schossen. Wir haben das Tal nicht nur vom Panoramapunkt aus gesehen, sondern sind mittendurch gewandert. Stefan suchte immer wieder bei Komoot nach Alternativwegen zur Straße, was unterwegs gar nicht so einfach war, da wir ja nicht mehr online waren, die Wege aber auch nicht alle begehbar, zumindest nicht für meine Wackelknie waren. Die Felsformationen dort in dem Tal wurden von den Einheimischen „Pilze“ genannt, aber es kann sich gerne Jeder sein eigenes Bild darüber machen. Für uns hatten sie weitaus mehr mit dem Tal der Liebe zu tun, als es Pilze haben, sie sahen eindeutig nach riesigen Penissen aus.
Wir waren gerade ins Tal abgestiegen, als wieder eine schwarze Wolke nahte und es zu tröpfeln begann, deshalb taten wir es einem jungen Paar gleich, das es sich in einer Aushöhlung eines dieser Steingebilde gemütlich gemacht hatte. Wir saßen eine ganze Weile gemeinsam dort drinnen, aber es wurde zum Glück nicht langweilig, denn die Beiden kamen aus Frankreich und zumindest Loris ( keine Ahnung, ob er sich so schieb), sprach super Englisch. Er hatte zuvor ein paar Monate in Neuseeland als WOOFER (Willing Workers on Organic Farms) gejobbt. Er erzählte von einer Radtour von Frankreich zum Nordkap und über Finnland zurück, wir hörten etwas von seiner Freundin über Bolivien und erzählten auch von unseren Reisen. Es war sehr kurzweilig und nach vielleicht einer Stunde konnten wir unsere Wanderung fortsetzen. Vereinzelt sahen wir andere Wanderer, aber längst nicht so viele wie tags zuvor und es gab auch keinen gezeichneten Weg oder Erfrischungsstände. Eine Weile mussten wir durch ein nicht mehr ganz ausgetrocknetes Flussbett laufen, aber es war nicht so nass, dass wir mit durchweichten Schuhen rauskamen. Am Ende des Tales wurde es dann teilweise recht steil und besonders wenn es über seitliche Schrägen ging, auch mal etwas rutschiger. Eigentlich waren meine Wanderschuhe ganz gut griffig, aber nicht so besonders gut auf seitlichen Schrägen, besonders wenn es sandig auf Felsen war. Wir schafften es wieder aus dem Tal heraus und tranken bei einem kleinen Stand oben einen frischgepressten Orangensaft. Der Verkäufer machte uns einen „guten“ Preis von 2€ für den 0,2 l Becher, weil das Geschäft an dem Tag gar nicht gut lief. Die meisten Touristen machten nur die Bustouren und wurden an den immer gleichen Stellen abgesetzt, wo sie etwas verzehrten. Da er weder an der Hauptstraße noch an einem vielbesuchten Wanderweg stand und noch dazu das Wetter nicht beständig war, sah es für ihn schlecht aus mit dem Geschäft. Wir versuchten erst wieder auf einem Alternativweg zur Straße nach Göreme zurückzulaufen, standen aber nach ein paar hundert Metern am Ende eines Weges, rechts und links nur Täler. Wir waren ins Aus gelaufen und mussten zurück bis zum Saftverkäufer. Er hatte uns vorher schon gesagt, wir sollten nach rechts gehen, aber der Ort war genau in der Gegenrichtung von Göreme, deshalb hörten wir nicht auf ihn. Hätten wir wohl besser getan. Wir mussten nun doch ein ganzes Stück an einer stark befahrenen Straße entlang laufen. Es war dennoch interessant. Als erstes entdeckten wir ein Polizeiauto in Originalgröße als Pappaufsteller an der Einfahrt zum Ort Uçhisar zur Warnung der Autofahrer. Es war aber eine sehr geschickte Warnung, denn hinter dem Pappblaulicht war gleich eine Kamera montiert! Bei der türkischen Fahrweise dürften die Einnahmen der Polizei das Staatssäckel gut füllen. Ein Stück weiter war eines der Restaurants, wo alle Busse zum Panoramablick anhielten und die Fahrgäste natürlich möglichst was verzehren sollten. Den Blick genossen wir auch, aber wir waren inzwischen zu dritt. Ein Straßenhund, der zuvor wenig Intelligenz bewies, weil er mindestens dreimal die große Straße überquerte und jedes Mal fast unter ein Auto gekommen wäre, hatte sich uns angeschlossen. Er war ganz lieb, bettelte nicht, lief nur immer mit uns mit, sodass selbst ich Schisshase ihn schon fast in mein Herz schloss. Zu Straßenhunden und besonders Katzen muss man sagen, dass es sie hier zu Millionen gab, wir sie aber bisher nie aggressiv erlebt hatten. Man rechnete mit ca. 4 Millionen streunender Tiere. Viele sahen auch nicht verkommen aus und waren oft gut im Futter. Wir hatten auch schon häufig an Straßen Behältnisse gefunden, die für Futter oder Wasser bestimmt waren. Außerdem fütterten wirklich viele Leute, Touristen wie auch Einheimische, die Tiere mit ihren Essensresten. Im Internet fand ich einen Artikel über die bekannten Straßenkatzen von Istanbul und die freilaufenden Tiere in anderen Orten. Da sich die Menschen in den großen Städten in ihren zumeist kleinen Wohnungen kaum Haustiere halten können, werden sie sozusagen Paten dieser freilaufenden Tiere, was auch von der Regierung für gut gehalten wird, weil man es für eine Art Förderung von Sozialverhalten sieht. Daher gibt es auch offizielle Futterstellen in den Städten, wo auch die Stadtverwaltungen die Tiere füttern.
Unser „Köpek“ – Stefan nannte seit Nord-Zypern jeden türkischen Hund so, weil das die Übersetzung von Hund ist – lief also eine ganze Weile mit uns an der Straße entlang, besuchte jeden Aussichtspunkt, von denen es alle paar hundert Meter einen mit Restaurant oder Verkaufsständen gab, bis er plötzlich irgendwohin verschwunden war. Wahrscheinlich waren wir aus seinem Gebiet herausgelaufen. Rund 4 km nach unserem Verlassen des Canyons erreichten wir dann auch unseren Zielort und unsere Unterkunft und verpflegten uns heute mal selbst auf der Dachterrasse unseres Hotels mit Brot und Tomaten.
Donnerstag, 25.5.2023 Göreme -Konya
Unsere Fahrt von Göreme nach Konya mit dem türkischen Kooperationspartner von Flixbus „Kamilkoc“ verlief wieder so angenehm wie auch bei der Hinfahrt. Die Qualität war weitaus höher als bei den anderen Unternehmen, die wir zuvor hatten. Die Busbegleiter sprachen Englisch, es gab angenehmere Sitze mit Fußrasten und Liegefunktion, natürlich nicht weit, aber doch etwas. Im Gegensatz zu dem Bus, der uns in die Türkei gebracht hatte, funktioniert der Bildschirm für Film, Musik und Spiele, der an jedem Platz angebracht war wie im Flugzeug, bei diesem Bus auch. Zwischen den Sitzen befand sich eine Steckdose zum Laden des Handys und einmal während der Fahrt wurden kostenlos Kaltgetränke und Snacks verteilt. Bei der langen Fahrt von Albanien gab es nur einen halben Becher scheußlichen Nescafé.
Als wir den großen Busbahnhof von Konya erreicht hatten, wurde es jedoch schwieriger. Wir nutzten noch das WLAN dort für eine Routenplanung zu unserer Airbnb Unterkunft, aber danach musste es ohne Netz klappen. Es war schon nicht einfach, die richtige Bushaltestelle für den ersten Bus zu finden weil keinerlei Angaben dort waren über Busnummern und wohin sie fuhren. Wir fragten Jemanden, der sprach zwar kein Englisch, aber nickte, also warteten wir und irgendwann kam auch der Bus, den wir zuvor bei Google gefunden hatten und brachte uns in die Innenstadt zum Kulturpark. Wir wollten vorne beim Fahrer zahlen, aber er winkte uns nach hinten durch. Der erwartete Schaffner kam jedoch nie, so fuhren wir unfreiwillig eine gute halbe Stunde schwarz. Beim Kulturpark war es absolut lebhaft. Die Bushaltestelle wurde von einer Reihe von Bussen angefahren und man musste durch ein Drehkreuz. Wir brauchten also wieder mal so eine aufladbare Karte, aber aus dem Automaten wurden wir wieder nicht schlau, weil die Anweisungen nur auf Türkisch waren. Zum Glück gab es noch einen Kartenkiosk, der Automat war vielleicht eh nur zum Aufladen? Wir stellten uns in die lange Schlange und bekamen eine Karte, die für eine Fahrt für uns beide reichte. Nun kamen wir durchs Drehkreuz, aber die zuvor gespeicherte Verbindung klappte nicht mehr, weil der zuvor ausgewählte Bus weg war. Es fuhren dauernd Busse vor, aber die Nummer, die wir brauchten, war nicht dabei. Wir fragten den Mitarbeiter, der die Drehkreuze bewachte, der aber auch kein Englisch verstand und keine Ahnung zu haben schien, wohin wir wollten. Es bildete sich eine Traube um uns und versuchte aus meiner Karte auf dem Handy klug zu werden. Jemand meinte, die Adresse wäre gar nicht in Konya, aber irgendwann einigte man sich und ein englisch sprechender Mann sagte uns die Busnummern zu unserem Ziel. Wenig später kam die Nummer, die wir zuvor verpasst hatten und brachte uns dann nach wiederum 20 Minuten zu unserem Ziel im Vorort von Konya. Von dort war es ein Klacks zu dem Haus, in dem wir eine kleine, einfache aber wohl authentische Wohnung über unserer Vermieterin gemietet hatten. Wir kauften im Laden um die Ecke ein paar Lebensmittel und Stefan kochte Spaghetti mit leckerer Soße a la Arrabiata. Unsere Vermieterin fand heraus, dass wir die Busfahrkarte, die wir am Kiosk bekommen hatten, nicht aufladen, aber tags drauf wohl in der Nähe eine richtige erwerben und laden könnten. Wir waren gespannt, ob das wohl klappte. An sich waren die Karten ja praktisch, aber bis man erst mal eine hatte, konnte man als Tourist schon verzweifeln.
Freitag, 26.5.2023 Konya
Ich schlief die Nacht prima, obwohl ich dieses Mal wieder das Sofabett genommen hatte in einem scheußlich grünen, wohl ehemaligem Jugendzimmer. Stefan hatte das Doppelbett für sich im Schlafzimmer, weil jetzt er so erkältet war, dass ich keine Lust auf Ansteckung hatte. Außerdem hatte ja eh gerne jeder von uns viel Platz und etwas Raum für sich. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zu einem Geschäft, in dem wir hofften, unsere Fahrkarte wieder aufladen zu können. Wo wir auch hinkamen: Kopfschütteln. Die Aussagen waren, dass die Karte hier nicht gültig wäre oder, dass wir sie eigentlich gar nicht hätten bekommen können, weil wir keine Einheimischen wären. Ein sehr netter und hilfsbereiter Apotheker, der endlich auch mal Englisch sprach, half uns herauszufinden, dass wir ganz einfach unsere Kreditkarten an die Lesegeräte im Bus halten könnten und damit zahlen. Das hörte sich ja spannend an. Dann suchten wir uns eine Bushaltestelle, von der voraussichtlich ein Bus in die Innenstadt fuhr. Ein junger Mann bestätigte das, aber der Bus ließ auf sich warten, an die 40 Minuten! In der Zeit machten wir jedoch eine interessante Entdeckung. Um die Ecke war anscheinend ein Nest von Fahrschulen, denn es kamen sicherlich an die 100 Fahrschulautos, meist Fahrlehrerin mit Fahrschülerin, aber auch einmal mit männlichem Fahrschüler, die mehr oder weniger unsicher in unsere Straße einbogen. Die Zahl ist keine Dyckhoffsche Übertreibung, es war wirklich wie eine Ameisenstraße! So viele Fahrschulautos hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht mal zusammen gesehen!
Endlich kam auch unser Bus und wir fuhren bis zum Atatürk Denkmal, dort gingen wir zum Bahnhof, um unsere Fahrt am Sonntag nach Ankara zu reservieren. Leider war auch das nicht so problemlos, denn war nur eine Fahrt früh oder spät möglich, nicht mit dem Zug gegen 12:00. Nun mussten wir kurz nach 9:00 fahren und zusehen, wie wir so zeitig von unserer Unterkunft zum Bahnhof gelangen konnten. Außerdem würden wir viel zu früh in Ankara ankommen, um in unserer Unterkunft dort einchecken zu können. Bei der Reservierung gab es dann noch das Problem, dass ich zwar mein Ticket aufrufen konnte, bei Stefan es aber ohne Internet nicht klappte. Da wir beide ohne Netz waren, konnte ich ihm auch keinen Hotspot geben. Zum Glück war der Bahnmitarbeiter so nett, ihm mit seinem Handy eine Wlan-Verbindung zu ermöglichen, sodass er auch Stefans Ticket sehen konnte. Es zeigte uns wieder, dass wir dringend eine funktionierende SIM-Karte benötigten. Wir liefen weiter ins Zentrum und klapperten zig Türkcell, Telecom und Vodafone Läden ab, aber niemand konnte uns mit unserer Karte helfen, wir mussten da wirklich einem Beschiss zum Opfer gefallen sein. Wir wollten uns dann neue Karten kaufen, was bei den angeschlagenen Preisen ab ca. 5€ kein Thema gewesen wäre, aber denkste, das waren nur die Preise zum Aufladen und die günstigen Karten so um 10€ konnten nur Einheimisch erwerben! Nach sicher 2 Std waren wir so weichgekocht, dass wir entschieden, zumindest eine neue Karte zu kaufen, die ich dann in mein Handy machte und Stefan einen Hotspot unterwegs gab. Dann begaben wir uns auf Entdeckungsreise durch die Stadt. Den Kulturplatz hatten wir am Ankunftstag schon kurz beim Umsteigen kennengelernt. Es war ein großer, gepflasterter Platz mit sehr schönen Springbrunnenanlagen, Moschee, Amphitheater und Verpflegungsmöglichkeiten. Wir aßen an einem Stand Pilav, ein aus Asien kommendes Reisgericht, dass es vegetarisch mit Kichererbsen, oder auch mit Hähnchen und wahrscheinlich Fleisch gab. Ich konnte leider nicht alles richtig übersetzen. Das war mal eine nette Alternative zu den verschiedenen Brotarten (Börek, Pita..) mit Käse, die wir bisher für uns in der Türkei fanden. Nicht weit von hier war der Allaadin Hill Park mit alter Moschee. Es war ein netter grüner Hügel unter Bäumen, um dem Verkehrsgewühl zu entfliehen. In die Moscheen auf beiden Plätzen konnten wir nicht rein wegen des Freitagsgebets, sie waren aber auch von außen prächtig. Wir ließen die Eindrücke auf uns wirken und ich fand, dass Konya eine andere Atmosphäre hatte als Istanbul oder Izmir. Es war eindeutig religiöser. Eine deutliche Mehrheit der Frauen allen Alters trug mindestens Kopftuch, einige aber auch Abaya oder sonstige lange Mäntel und wir sahen auch voll verschleierte Frauen. Der Gebetsruf erlangte in der Innenstadt eine Lautstärke, die in den Ohren vibrierte und die Anzahl der Moscheen pro Quadratkilometer schien die der anderen Städte zu übertreffen. Letzteres war aber nur eine Schätzung, ich konnte dazu keine Zahlen finden. Hinzu kamen die Medressen, islamisch-juristische theologische Hochschulen. Touristen nahmen wir außer bei unserer nächsten Sehenswürdigkeit, dem Mevlana Museum, keine wahr. Es schienen hier noch weniger Menschen Englisch zu sprechen als an allen Orten zuvor, dafür war die Kontaktfreudigkeit der Einheimischen groß. Wir wurden heute einige Male angesprochen, woher wir kämen, und man wünschte uns eine gute Reise und das waren keine Händler, die etwas verkaufen wollten, sondern von Menschen auf der Straße, im Bus oder Geschäft. Häufig hatten sie irgendwelche Bezüge zu Deutschland und sprachen ein paar Worte. Leider waren an Stellen, wo wir sie brauchten, wie z.B. bei Fahrkartenschaltern, in Geschäften oder unter den Busfahrern selten Fremdsprachenkenntnisse zu finden.
Nach einem Päuschen im Allaadin Hill Park wanderten wir zum Mevlana Museum. Konya war die ehemalige Hauptstadt des Sultanats der Rum Seldschuken. Ein bedeutender persischer Sufi-Mystiker, Dichter und Gelehrter namens Rumi gründete hier die Mevlevi- Derwischbruderschaft. Sein Mausoleum war jetzt Wahrzeichen Konyas und islamischer Wallfahrtsort. Neben seinem wahrhaft prächtigen Grab waren weitere Gräber, eine Ausstellung diverser, alter und prächtiger Korane, Gedichte, Kleidungsstücke und andere Reliquien der Derwischkultur und die Lounge der Derwisch Bruderschaft in dem Museumskomplex zu finden. Von hier aus kamen wir in eine Fußgängerzone, die aussah, als wäre es mal der alte Bazar der Stadt gewesen. Eine alte Moschee, kleine Geschäftchen, in netten, kleinen, restaurierten Häusern, wirklich angenehm zum Durchschlendern. Auffällig war, dass das Bedrängen von Kunden, wie man es aus orientalischen Ländern kennt und wie wir es auch noch vor 13 Jahren in Antalya mit den Kindern erlebt hatten, nicht mehr stattfand. In touristischen Ecken standen höchstens noch Werber vor Restaurants wie auch an europäischen Tourismuszielen, aber es lief einem nicht gleich ein Händler entgegen, wenn man mal einen Blick auf seine Auslagen warf. Wir fanden das eine sehr angenehme Entwicklung.
Samstag, 27.5.2023 Konya
An unserem letzten Tag in Konya wollten wir etwas Natur genießen, was aber nur teilweise funktionierte. Wir fuhren mit zwei Bussen nach Konya Meran Baglary, einem Picknickgebiet am westlichen Rand von Konya. Dort fanden wir einen ganz nett angelegten Park, ein Restaurant mit Springbrunnen und eine schöne Brücke über einen entweder künstlichen Fluss oder er war extrem begradigt und eingefasst. Er war grün und dreckig. Der Platz beim Café am Springbrunnen war schön, aber die Bedienung völlig unfähig. Erst verstand der Kellner überhaupt nicht, dass wir den Preis für Cappuccino wissen wollten, dann versuchte er Stefans noch halbvolle Tasse abzuräumen, und selbst als Stefan seine Hand darüber hielt, kapierte er nicht, dass er sie stehenlassen sollte. Erst als er die Untertasse mit der Tasse drauf griff und Stefan ihm letztere runter nahm und trank, schien er zu begreifen. Noch dazu war der Kaffee scheußlich. Dennoch war es nett, dort eine Weile zu sitzen. Ich fand auf der Karte einen als ökologisch bezeichneten Park ca. 5 km südlich von dort und wir planten dorthin zu laufen. Zu Beginn war der Weg ganz nett. Wir kamen durch ein hügeliges, baumbestandenen Gebiet mit Picknicktischen und Grills, wo sich bereits einige Familien und Grüppchen niedergelassen hatten. Gegenüber stand an einem Areal etwas von Friedhof, aber entweder waren dort anonym Menschen begraben, oder es gab dort noch keine Gräber. Was es aber gab, war eine Schildkröte. Ich dachte erst, ich sähe nicht recht, aber beim näheren Hinsehen saß dort wirklich eine und ließ sich von uns fotografieren. Nun mussten wir weiter an der Straße entlang. Das war vorher klar, aber, dass das auf der Karte grüne Gebiet rechts von uns über Kilometerlänge ein Militärgebiet war, hatten wir nicht geahnt. Wir brauchen die Aktion ab und fuhren mit dem nächsten Bus in die Stadt zu einer weiteren Sehenswürdigkeit, dem Selschukischen Turm. Es war ein Hochhaus mit 42 Stockwerken, das derzeit mit 163 m Höhe das höchste in Zentralanatolien und das elfthöchste in der Türkei war. Es beherbergte eine Mall und in den zwei oberen Etagen, die sich gegeneinander drehten, befand sich ein Restaurant. Man konnte jedoch auch so hochfahren und den Ausblick genießen, bezahlte dann aber einen kleinen Obolus. Wir betrachteten die Stadt eine Weile von oben und beschlossen hiermit unser Erlebnis Konya.
Zur Stadt Konya und den Derwischen fand ich noch einen interessanten Artikel in einer bayrischen Zeitung, der meiner Meinung nach lesenswert ist und meinen Eindruck von Konya unterstreicht: https://www.nordbayern.de/2.234/reise/turkische-derwische-wirbeln-fur-den-frieden-1.7382096
Am kommenden Morgen stand unsere Fahrt nach Ankara bevor, wo wir unseren 38. Beziehungstag verbringen würden. Mir wurde morgens mit Schrecken bewusst, dass wir 100 werden müssten, um noch Mal so lange beisammen sein zu können. Da müssen wir uns aber anstrengen…
Sonntag, 28.5.2023 Konya – Ankara
38. Beziehungstag und uns fiel nichts Besseres ein als heute weiterzureisen? Hätten wir auch besser planen können!
Die Fahrt nach Ankara verlief noch ganz gut, aber im Bahnhof kam dann schon die erste Enttäuschung. Wir wollten mal wieder einen Nachtzug nehmen, dieses Mal nach Malatya, wenn schon die zwei interessantesten Strecken nicht klappten, aber der erste hatte angeblich keine Schlafwagen, obwohl er ganz über Nacht fuhr, und beim zweiten wollten sie Interrailer nicht in Schlafabteile reinlassen. Da die Zugpreise spottbillig waren, entschieden wir uns, dann halt ein Ticket mit Schlafwagenreservierung zu kaufen, bis wir hörten, dass wir nachts um 3:00 ankämen. Davon nahmen wir dann doch Abstand. Da es draußen goss wie aus Eimern, kauften wir uns noch Backwaren im Supermarkt im Bahnhof und ließen uns beim Kaffeestand Kaffee geben. Als ich gerade herzhaft in ein Käsegebäck gebissen hatte, stellte Stefan fest, dass an einer Stelle grüner Schimmel war. Ich spuckte also in eine Serviette und beförderte sie mit dem Rest in den Müll. Endlich konnten wir in unserer Airbnb Wohnung einchecken und mussten feststellen, dass wir in eine dreckige, verrauchte Bude kamen, in der maximal ein Bett frisch bezogen war, keine Handtücher bereitlagen, Asche im Aschenbecher und Wäsche in der Waschmaschine war! Es begann ein hin und her per Chat mit dem Vermieter und Airbnb, weil wir dort nicht bleiben wollten, aber bei einer Stornierung unsererseits für eine Nacht und für die Vermittlungsgebühr hätten zahlen müssen, was wir nicht einsahen. Nach ca. 4 Std hin und her erklärte sich Airbnb endlich bereit zu einer kostenfreien Stornierung und wir suchten uns ein Hotel. Nun landeten wir genau nebenan vom Bahnhof, was praktisch war, hatten Frühstück inklusive, aber dafür natürlich viel weniger Platz und nicht einmal einen Wasserkocher, um uns heißes Wasser zu kochen. Dennoch war ich sehr froh, aus der Räucherkammer raus zu sein. Als wir dann abends zur Feier des Tages in ein Restaurant gehen wollten, scheiterten wir wieder an der Fleisch lastigen Küche und daran, dass wegen der Stichwahl wieder viele Restaurants geschlossen hatten. Uns blieb nur eine Pizza bei Dominos, aber dafür ließen wir uns noch eine Schachtel mit süßen Leckerlies in der Patisserie zusammenstellen, die wir danach in unserem Zimmer genießen konnten, während draußen Autokolonnen hupend Erdogans Sieg feierten. Wir kamen uns vor wie beim Fußball.
Montag, 29.5.2023 Ankara
Heute war mal wieder ein richtig guter Tag. Stefan fand nach dem Joggen den Weg wieder zum Hotel, obwohl sowohl GPS als auch Bluetooth immer wieder ausfielen. Er vermutete, dass es mit dem nahen Regierungsviertel und ggf. noch der Stichwahl am Vortag zu tun haben könnte, dass extra Störsender eingesetzt wurden. Dann begann der Tag mit einem überraschend guten Frühstücksbuffet im Hotel, sodass wir frisch gestärkt Ankara in Angriff nehmen konnten. Wir genossen den schön gestalteten Gençlik Park, der fast vor unserer Haustür war und nicht einen Springbrunnen, sondern eine ganze Reihe unterschiedlicher mit einem richtig großen Wasserbecken, was sich durch den Park zog, zu bieten hatte. Wir schlenderten entlang duftender Rosen und im Schatten von Bäumen und Büschen. Der Park hatte, wie auch in Izmir, einen Freizeitpark mit Riesenrad und ähnlichem zu bieten, aber den ließen wir links liegen. Unsere nächste Sehenswürdigkeit war die Mehlika Sultan Moschee, die wir uns auch von innen ansehen konnten. Sie war von innen und außen sehr schön, mit vielen Bögen, einer von innen hübsch verzierten Kuppel, einem Marmorspringbrunnen im Innenraum und einem leuchtend türkisen Teppich. Sie war mit ihren vier Minaretten von weitem sichtbar und wirkte sehr prachtvoll. Hinter der Moschee kamen wir in ein Gebiet, wo wir das Gefühl hatten, wieder in der Türkei der 80iger gelandet zu sein. Ein Bazar mit gebrauchten Artikeln, sozusagen ein riesiger Dauerflohmarkt. Im ersten Teil waren Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Herde und vieles mehr, danach wurde es dann richtig interessant, denn hier gab es alles, was gastronomische Betriebe so brauchten (oder anscheinend nicht mehr brauchten). Wir fühlten uns sofort in unsere Jugendherbergszeit zurückversetzt, als wir Wärmebehälter, Buffets und reihenweise Gastronormbehälter aufgestapelt sahen. Wir konnten es nicht lassen, unserer ehemaligen Mitarbeiterin und Freundin ein Bild davon zu schicken und zu fragen, ob sie was für die JH brauchen könnte. Nachdem wir auch alte Klamottenständen hinter uns gelassen hatten, erreichten wir bald unser nächstes Ziel, das Museum für anatolische Zivilisation, was uns von Stefans Mutter dringend zum Besuch ans Herz gelegt worden war. Es war in der Tat sehr interessant und gut gestaltet und zeigte Ausgrabungsgegenstände aus ganz Anatolien seit der Altsteinzeit. Es hatte Weltruhm und wurde 1997 zum Europäischen Museum des Jahres gewählt. Die hethitischen Keilschrifttexte aus Bogazköy waren Weltdokumentenerbe der UNESCO. Ich fand das Gebäude, das ehemals überdachter Bazar und Karawanserei war und mehrfach umgebaut wurde, bis es heute wieder ein Gefühl davon vermittelte, wie hier die Menschen im 15.Jahrhundert lebten und Handel trieben, besonders beeindruckend. Um die archäologischen Artefakte besser einordnen zu können, wurde zu Beginn ein Film mit englischen Untertiteln gezeigt und auch zwischen den Ausstellungen kurze Szenen eingeblendet, was sehr hilfreich war. Es hat uns gut gefallen und noch dazu durften wir aufgrund meines Schwerbehindertenausweises kostenlos hinein. Das Geld steckten wir dann später in einen sehr leckeren Salat mit unterschiedlichen grünen Salatblättern, Kräutern wie Petersilie, Lollo Rosso, Walnüssen, Erdbeeren und Essig mit fruchtiger Note, den wir in einem gemütlichen Innenhof der Zitadelle genossen. Rund um uns waren Antiquitätenlädchen, und es war ein tolles Ambiente. Wir hatten noch dazu Glück, denn es begann wieder mal zu regnen und wir saßen trocken unter einem Schirm. Beim Ausblick von der Zitadelle auf die Stadt konnten wir in weiter Ferne den Präsidentenpalast sehen. Neben uns erklärte ein junger Mann auf Deutsch voraussichtlich seinen Eltern, dass die wenigen übriggebliebenen Grünflächen Ankaras den Universitäten gehörten, die versuchten, sie als letzte grüne Oasen zu erhalten. Da die Unis auch staatlich waren, hatte natürlich der Präsident dennoch Zugriff und konnte so seinen umstrittenen Palast dort auf den grünen Hügel in ein Naturschutzgebiet bauen.
„Der Prachtbau kostete rund 270 Millionen Euro und hat rund 1000 Zimmer. Er trägt den Namen Ak Saray, was so viel wie weißer Palast heißt.“ ((https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_71583174/bilder/neuer-tuerkischer-praesidentenpalast-fuer-erdogan.html)
Nach der Zitadelle besuchten wir noch ein Gebiet mit restaurierten Häusern aus osmanischer Zeit. Auf einem Schild wurde es als das „Herz“ Ankaras angekündigt und es war auch wirklich sehr hübsch. Viele schöne restaurierte Häuser mit Geschäftchen, Cafés und Restaurants fanden wir dort vor. Da Ankara laut Internet 17 Universitäten hatte, verwunderte es nicht, dass sich in den Cafés viele Studenten wohlfühlten. Wir fanden ein urgemütliches, wo an fast allen Tischen Grüppchen mit Laptops oder Kladden saßen und offensichtlich fürs Studium lernten. Wir fanden gerade noch ein Tischchen mit gemütlichen Sesseln und verzehrten ein Stück Torte gemeinsam. So gesund der Salat zuvor war, so bunt und süß war unser 10-schichtiges Tortenstück:). Zum wiederholten Mal hatten wir genau den richtigen Moment erwischt, um dem nächsten Regenguss zu entfliehen. Zwischendrin schien immer schön die Sonne. Von dort suchten wir uns einen Rückweg zum Hotel, der nicht besonders schön war, da er mitten in der Rush Hour an stark befahrenen Straßen verlief, aber er führte zum Ziel. Bevor wir unsere müden Beine jedoch hochlegen durften, stand noch die Entscheidung aus, wohin die Reise am übernächsten Tag weitergehen soll. Nach viel Überlegungen hatten wir uns Mersin am Mittelmeer ausgeguckt, wo laut unserer Interrail-Übersichtskarte auch ein Bahnhof sein sollte. Wir stoppten also noch beim Bahnhof, der kurz vor unserem Hotel war und wollten reservieren, aber das war wohl wieder nichts. Es fuhren keine Züge dorthin. Wir hätten bis Adana fahren können, rund 90 km entfernt und von dort dann mit dem Bus nach Mersin, aber diese Alternative war eigentlich auch keine, da wir erst abends um kurz vor 22:00 in Adana angekommen wären. Wir hatten Mersin ja deshalb ins Auge gefasst, weil wir Zug fahren wollten und nicht doch wieder auf Busse ausweichen. Letztendlich guckten wir, wohin man sicher von Ankara fahren konnte und buchten Eskesehir auf der Schnellstrecke nach Istanbul. Es schien nur so herum zu funktionieren, wenn man in der Türkei Zug fahren wollte. Als wir wieder in unserem Hotel ankamen, brach das nächste Gewitter aus. Wir hatten jetzt seit Göreme täglich mindestens eins davon, aber zum Glück war es zwischendrin immer schön.
Dienstag, 30.5.2023 Ankara
Nach dem Frühstück waren wir mal wieder beim Bahnhofschalter. Wir fühlten uns inzwischen als Stammgäste dort. Wir kauften uns eine Reservierung für die Fahrt am Freitag von Eskisehir nach Istanbul und zwei Tage später für die Nachtfahrt von Istanbul/Halkali nach Plovdiv in Bulgarien. Für 30€ sollten wir im 2-Bettabteil schlafen können, auch wenn schlafen übertrieben sein würde, da wir mitten in der Nacht an der Grenze mit Gepäck aus dem Zug steigen müssten, soweit wir wussten und gegen kurz vor 6:00 in Plovdiv ankommen sollten. Von dort planten wir dann in die Berge Richtung Bansko zu fahren und dabei die schöne Strecke Septembri-Dobrinishte mitzunehmen, die unsere Tochter schon gefahren war. Nach der Erledigung des Organisatorischen waren wir gegen Mittag beim Atatürk Mausoleum und es fing aus allen Löchern an zu schütten. Wir sahen Bilder und Reliquien aus Atatürks Leben, konnten in nachgebauten Szenen vor großen Panoramazeichnungen die türkischen Schlachten 1915 und 1920 „nachempfinden“ und manches Grauen der Kriege und heldenhafte Siegesposen auch auf großen, realitätsnahen Gemälden „bestaunen“. Interessant waren die Veränderungen, die er in fast allen Bereichen des türkischen Lebens durchgesetzt hatte, von der Abschaffung religiöser Schulen, der Schließung von Medressen, der Gleichberechtigung der Frau bis hin zur Kleiderordnung, die der westlichen zivilisierten Welt angepasst wurde. Er teilte seinem Volk folgendes mit:
„Zivilisierte und westliche Kleidung ist für uns sehr wertvoll und angemessen für unsere Nation. Wir werden sie tragen.“
„Die türkische Republik kann kein Land der Scheiche, Derwische, Jünger und Anhänger religiöser Orden sein.“
„Der richtige und authentischste Weg ist die Ordnung der Zivilisation. 30. AUGUST 1925“
(Zitate Atatürks 1925)
Als wir das Gebäude verließen, dachten wir erst noch, unsere Schirme würden uns schützen, aber während wir die endlos lange Einfahrt zum Ausgang des Geländes hinunter gingen, wurde es immer schlimmer mit dem Regen. Wir stellten uns noch kurz unter, aber es war kein Ende in Sicht und die Straßen und Gehwege verwandelten sich immer mehr in Flüsse, sodass wir in das erstbeste Taxi sprangen und das kurze Stück zum Hotel fuhren, dennoch kamen wir mit durchnässten Schuhen und Hosen dort an. Wir verbrachten einen faulen Nachmittag im Hotelzimmer und holten uns nur kurz am Abend noch etwas essbares aus dem Supermarkt gegenüber. Da hatte es inzwischen aufgehört zu regnen.
Mittwoch, 31.5.2023 Ankara – Eskisehir
Wir erreichten unser neues Ziel: Eskisehir, was so viel wie „Alte Stadt“ heißt, ca. 300 km südöstlich von Istanbul, 790000 Einwohner und im 1. Jahrtausend vor Christi gegründet. Schnell konnten wir feststellen, dass sie angenehm viele kleine, ruhigere Straßen hatte mit wenig Verkehr und eine recht lange und abwechslungsreiche Fußgängerzone mit Wasserspielmöglichkeiten für Kinder. Außerdem befanden sich in letzterer überall Tische und Stühle, wobei wir nicht feststellen konnten, dass sie irgendeinem Restaurant oder Imbiss zugeordnet zu sein schienen. Man konnte sich da wohl einfach hinsetzen und etwas verzehren, was man mitgebracht oder in einem der Imbisse, Nussgeschäfte oder Patisserien gekauft hatte. Manche Leute hatten auch Teegläser vor sich und ein Sesamkringelverkäufer lief herum. Auffallend war, wie viele Männer überall saßen und sich unterhielten. Ob an dem Tag arbeitsfrei war oder waren die alle arbeitslos? Keine Ahnung. Wer eine Einkaufszone ganz ohne die typischen westlichen Geschäfte von HM bis Tacco erleben will, wurde hier fündig. Wir wollten aber weder Klamotten noch Möbel oder Hauswaren shoppen, sondern hatten Hunger und waren mal wieder auf der Suche nach etwas vegetarischem und fanden wiederholt die immer wieder anzutreffenden Döner, Börek, Köfte und höchstens mal eine Pizza ohne Fleisch, bis wir auf ein kleines Restaurant trafen, was Cig Börek oder auch Tschebureki, was ursprünglich aus der Küche der Krimtataren stammte, anbot. Es handelte sich um frisch frittierte Teigtaschen, die wir mit Weißkäse gefüllt bekamen. Ursprünglich wurden sie wohl mit Lamm oder Rind gefüllt. Sie waren auf jeden Fall lecker. Wir trafen unterwegs auf mehrere Statuen, die am Geschmack des Aufstellern zweifeln ließen. Eine ein goldener, röhrender Hirsch, eine andere mit kitschig wirkenden Pferden, die über einen Springbrunnen sprangen und von Tauben belagert wurden und eine weitere, ehr heroische mit Kämpfern aus hellem Beton, die übereinander angeordnet waren, sodass man von weiten erst einen Springbrunnen vermutete. Den Fluss Porsuk Çayi, was Google als Dachs -Tee übersetzte :), hatten wir bereits auf dem Weg vom Bahnhof zur Unterkunft kennengelernt. Das schönste an ihm schienen die Brücken zu sein, die wir inzwischen in rot, grün und blau gesehen hatten. Er selbst war eklig dreckig, was aber auch mit starken Regenfällen zusammenhängen konnte, denn wir fanden auch große Pfützen, die auf ebensolche Güsse schließen ließen, wie wir sie in Ankara erlebt hatten. Laut Internet konnte man auf dem Fluss, ähnlich wie in Venedig, mit Gondeln fahren. Das wollten wir am nächsten Tag herausfinden, wenn das Wetter mitspielte. Bisherwar es trocken, wenn es auch bei unserer Entdeckungstour nicht danach aussah und wir zügig in unser nicht besonders gemütliches „Studio“ zurückgekehrt waren. Wir hatten zwei winzige Schlafzimmer, also genug Platz, um uns nachts in je einem französischen Bett ausbreiten zu können, und im Flur dazwischen war eine Art Studentenküche mit Herd, Kühlschrank und Spüle auf minimalem Raum und ein Tisch. Von hier ging auch ein kleines Bad ab. An Lampen hatte man gespart, es hingen überall nur Glühbirnen. Nett war, dass die Schlafzimmerfenster zum kleinen Garten hinterm Haus rausgingen. Für zwei Nächte war es voll ok, wenigstens wir konnten uns selbst verpflegen, wobei das Frühstück im Hotel in Ankara auch nicht zu verachten war. Wir bekamen es kostenlos, weil wir Genius Level bei Booking hatten.
Donnerstag, 1.6.2023 Eskisehir
Wir waren froh, dass wir Eskisehir als Ziel gewählt hatten. Manchmal musste man halt dorthin reisen, wohin man fahren konnte, wenn man nicht dorthin fahren konnte, wohin man reisen wollte.
Am Morgen waren wir zum Anleger der Gondeln geschlendert. Wir kamen wieder durch die Fußgängerzone vom Vortag und sie begeisterte uns noch mehr. Entlang der ganzen Strecke waren überall Spielmöglichkeiten für Kinder unterschiedlichen Alters. Kleine Trampoline im Boden eingelassen, Spielgeräte zum Klettern und Rutschen etc. Und die bunten Steinblöcke im Wasser, um von einem zum anderen zu hüpfen, an denen auch der große Stefan nicht vorbei kam, ohne sie zu nutzen. Überall gab es Sitzgelegenheiten verschiedener Art, damit Eltern ihre Kinder beobachten konnten.
Wir kamen zur Anlegestelle und die Gondeln sahen wirklich aus wie in Venedig. Wir verzichteten letztlich auf eine Fahrt, weil wir schon eine ganze Strecke entlang des Flusses gegangen waren und somit nichts neues erwarteten, aber auch, weil wir ausschließen wollten, mit der braunen Brühe des Flusses näher in Kontakt zu kommen, auch wenn kentern wohl nur eine geringe Gefahr dargestellt hätte. Wir steckten das Geld in Cappuccino und Mokka in einem Café mit wunderschönem Ambiente und taten gut daran, denn kurz drauf zeigte der Himmel mal wieder, zu was er fähig war. Wir warteten den Regen ab und gingen zurück zur Unterkunft, denn es war noch mehr Regen angesagt und der kam auch kurz nachdem wir im Trockenen waren. Wir lasen, guckten Comedysendungen etc. und faulenzten ein paar Stunden. Gegen Spätnachmittag schien wieder einladend die Sonne und wir machten uns auf den Weg in das Museum für Moderne Kunst (Odunpazari Modern Museum OMM). Es war in einem faszinierenden Gebäude aus schräg versetzten Holzlatten, sehr modern und offen gestaltet. Auch die derzeitige Ausstellung „Trauer und Freude“, in der sich internationale Künstler in unterschiedlichsten Facetten mit dem menschlichen Wesen, der Identität, Sexualität, dem Verhältnis Mensch Natur und dem Verhältnis zu gesellschaftlichen Erwartungen auseinandersetzten, fanden wir erstaunlich offen und freizügig. Sie war nicht groß, aber sehr interessant und gut präsentiert.
Direkt bei dem Museum fanden wir das sehr hübsche Viertel „Odunpazari“, was laut Rezensionen im Internet so viel wie „Zeitreise“ bedeutet. Jedes Sträßchen hat bunte, schön restaurierte Häuschen, die heute als Kunsthandwerksgeschäfte dienten. Besonders häufig wurden hier Produkte aus Meerschaum angeboten, nicht nur Pfeifen, sondern auch Schmuck und andere Gegenstände. Das sehr leichte Material aus Magnesiumselikat sollte hier den Besuchern nahegebracht und berühmt gemacht werden. Im Internet fand ich heraus, dass in Anatolien, nahe der Stadt Eski?ehir unweit von Ankara, Meerschaum in Knollenform bergmännisch abgebaut wurde. Vor dem Trocknen war die Meerschaumknolle wachsweich und fühlte sich fettig an. Durch die Berührung mit Wasser schäumte sie wie Seife und wurde deshalb schon von den Griechen für Reinigungszwecke verwendet.
Inmitten des Gebietes des lag der Kur?unlu- Komplex mit der osmanischen Kur?unlu-Moschee aus dem 16. Jahrhundert. Der Name Kur?unlu stammte von der Blei gedeckten Kuppel der Moschee.
In diesem Viertel versöhnten wir uns auch wieder mit der türkischen Küche, die es uns Vegetariern in der letzten Zeit so schwer gemacht hatte, was für uns zu finden. Wir gingen in das stilvolle Restaurant „Ayten Usta“, von dem wir im Internet bereits die Speisekarte gefunden und das auch vegetarische Angebote hatte. Es war ein voller Erfolg. Nicht nur, dass uns unerwarteterweise kostenlos vor der Mahlzeit verschiedene Brotsorten mit zwei verschiedenen Dips und Essiggurken und jedem eine Flasche Wasser serviert wurden, auch unsere Wahl der Gerichte war sehr lecker. Stefan hatte:
„Halluzination“, Kaukasische Ravioli gefüllt mit würzigen Kartoffeln, serviert mit Joghurt, Walnüssen und Tomatensauce, und ich:„Kaukasische Nudeln“, hausgemachte Makkaroni mit Walnüssen, Käse, Butter und Granatapfel. Beides war ein Traum! Es war die 15€ zusammen! definitiv wert.
Es war ein schöner Abschluss unserer Zeit in Eskisehir. Am nächsten Morgen stand die Rückfahrt nach Istanbul bevor, dieses Mal für drei Nächte auf die asiatische Seite in eine Ferienwohnung.
Freitag, 2.6.2023 Eskisehir – Istanbul
Wir schafften es bis Istanbul und fanden sogar eine nette Unterkunft, was plötzlich gar nicht mehr so sicher war. Wir saßen im Schnellzug nach Istanbul, als plötzlich die Meldung von Booking kam, dass die Unterkunft unsere Kreditkarte nicht akzeptierte. Wir sollten eine andere nehmen, sonst würde die Buchung storniert. Na toll! Eine Stunde zuvor hatte der Vermieter noch geschrieben, alles wäre fertig und sie würden uns erwarten. Da gerade eine Menge Phishing Mails, besonders auch bei Buchungsportalen, im Umlauf waren, wollten wir das nicht. Bisher hatten wir immer mit Stefans Karte ohne Probleme bezahlt. Außerdem stand in der Anzeige der Unterkunft auch, dass man vor Ort bezahlte. Ich schrieb dem Vermieter, anscheinend ein kommerzieller Anbieter, wir kämen in ca. 2S td. und würden dann bar bezahlen. Daraufhin kam die Antwort, vor Ort Zahlung sei nicht möglich und die Unterkunft wäre somit nicht mehr für uns verfügbar! Wir könnten bei Booking stornieren, was wir natürlich nicht gemacht haben, weil wir sonst hätten zahlen müssen. Wir nahmen mit Booking Kontakt auf und schrieben dem Vermieter, dass wir überhaupt kein Verständnis für sein Verhalten hätten und auf die Buchung bestünden. Zwei Minuten später bekamen wir die Stornierung durch ihn. Ich schätze, er hatte eine Doppelbuchung und wir wurden Opfer. Wir standen nun aber ohne Unterkunft da und mussten in Istanbul-Pendik aussteigen, dem östlichen Bahnhof, da wir unsere Zug- Reservierung nur bis hier gebucht hatten, denn die Wohnung wäre in der Nähe gewesen. Wir guckten uns dort in Bahnhofsnähe um, aber was wir uns ansahen, war für das, was geboten wurde, viel zu teuer. 45€ pro Nacht für höchstens 8 qm, französisches Bett, also schmal und verraucht, das wollten wir uns nicht für drei Nächte antun. Wir fanden eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern, Küche, Wohnzimmer, Bad und Balkon für dasselbe Geld bei Booking und buchten direkt. Auf dem Weg dorthin stellten wir wieder fest, wie riesig Istanbul war. Wir fuhren über eine Stunde mit der Mamaray Metro und einem Bus. Es kam uns ewig vor, besonders weil die Busfahrt wegen Rush Hour ein einziges Stop&Go war. Nun landeten wir also doch wieder auf der europäischen Seite, allerdings weit im Westen in Bahçelievler, in der Nähe des Mamara Meeres. Der Vermieter war ein sehr netter, deutschtürkischer Schauspieler, der halb in Frankfurt/Main und halb hier lebte und sowohl in der Türkei, als auch in Deutschland in Theatern spielte. Wir hatten ein sehr nettes und interessantes Gespräch bei einer Tasse Kaffee.
Nach dem Hin- und Her wegen der Unterkunft waren wir hungrig und kaputt, als hätten wir viel getan, dabei saßen wir die meiste Zeit in irgendwelchen Verkehrsmitteln. So ärgerliche Zwischenfälle wie mit der ersten Ferienwohnung stressten uns auch ziemlich.
Samstag, 3.6.2023 Istanbul
An diesem Morgen habe mal ich für das Frühstück eingekauft und statt Marmelade, Honig gewählt. Marmelade war hier einfach zu süß. Man schien statt Gelierzucker dickflüssigen Sirup zu verwenden, auf jeden Fall schmeckte man vor lauter klebrig- flüssiger Süße kaum noch den Geschmack des Obstes heraus, obwohl sogar Stücke drin waren. Wenn schon süß, dann konnte man auch gleich Honig essen. Zu unseren Haferflocken kaufte ich noch Walnüsse, Äpfel, Multivitaminsaft, Brot und Käse. So konnten wir uns ausgiebig laben für einen nächsten spannenden Entdeckertag. Vor dem Entdecken lag allerdings wieder eine ewig lange Bus- und Straßenbahnfahrt in sehr vollen Fahrzeugen. Diese Stadt war mir einfach zu groß. Obwohl alle öffentlichen Verkehrsmittel sehr gut ausgelastet waren, quälte sich der Verkehr in endlos langen Fahrzeugschlangen durch die Stadt. Die Nerven der Fahrer lagen blank, was sich durch ewiges Hupen, plötzliches auf die Tube drücken und nicht selten auch Überfahren von roten Ampeln ausdrückte. Fußgänger gingen selbst mit kleinen Kindern über rote Ampeln, weil sie sonst immer nur Standen. Das sahen wohl auch die Polizisten so, denn sie guckten unbeteiligt zu. Zebrastreifen wurden von Autofahrern, besonders von Taxis, fast nie als Grund zum Halten angesehen. Es kam eher vor, dass ein Taxifahrer von weitem hupte, wenn er Fußgänger witterte und dann aufs Gas trat. Vor der katastrophalen türkischen Fahrweise hatte uns der nette Apotheker in Konya sogar schon gewarnt. Manchmal musste man regelrecht aufpassen, dass sie einem nicht noch am Bordstein die Füße platt fuhren. Istanbul platzte einfach aus allen Nähten und wart mit seinen 15,2 Millionen die größte Megacity Europas. Sie hatte aber auch viel Interessantes zu bieten. Wir waren heute als erstes beim „Tünel“ und sind mit der Standseilbahn den Hügel hochgefahren. Es war aber nicht einfach nur eine Standseilbahn, sondern eine unterirdisch verlaufende Standseilbahn im europäischen Teil Istanbuls. Sie wurde 1875 eröffnet und galt damit als die älteste dauernd bestehende Standseilbahn Europas, da die ältere in Budapest zeitweilig außer Betrieb war. Sie galt außerdem, nach der Londoner „Tube“, als zweitälteste U-Bahn der Welt. Der Tünel stieg in einer parabolischen Kurve 61,55 m in die Höhe und fuhr auf einer Entfernung von 606,50 m. Eine U-Bahn war sie nur in dem Sinne, dass sie unterirdisch geführt wurde, die Antriebstechnik aber die einer reinen Standseilbahn war. Nach der Fahrt liefen wir über eine steile, schmale Straße wieder bergab zum „Istanbul Modern“, dem, oder ich sollte sagen einem der Museen für Moderne und zeitgenössische Kunst. Wie in Eskisehir waren wir begeistert von der Architektur, der Lage direkt am Galata Hafen und besonders der Ausstellung. Eine ganze Ausstellung „Always here“, war von Künstlerinnen, die seit 2016 vom Istanbul Modern gegründeten Women Artists Fond unterstützt wurden, zum Thema, warum es bisher keine bekannten, großartigen Künstlerinnen in der Türkei gab. Eine feministische Kunsthistorikerin hatte hierzu ein Essay geschrieben mit der Schlussfolgerung, dass Frauen in der Geschichte nie dieselben Möglichkeiten zur Bildung und Ausbildung hatten wie Männer und erst in langem Kampf ihre gesellschaftlich zugewiesene Rolle um die als Künstlerin erweitern und durchsetzen mussten. Art Modern förderte mit seinen Sammlungen von Anfang an die künstlerische Vielfalt und hatte Künstlerinnen damit zur Berühmtheit geführt.
Außer dieser Ausstellung gab es eine sehr interessante Fotoausstellung eines Künstlers, der Personen verschiedener, zumeist sehr armer Länder, bei ihrer alltäglichen Arbeit zeigte und damit versuchte, ihre Menschenwürde und ihren Stolz in den Vordergrund zu rücken, statt Mitleid hervorzurufen. Es waren hervorragende Bilder.
Darüber hinaus gab es Filme zum Thema Homosexualität und deren Verfolgung, Missbrauch und ähnliches, Installationen, die sich mit der Erde und vielem mehr auseinander setzten und neben den hauptsächlich türkischen Künstlern auch ein paar internationale wie z.B. Werke von Baselitz. Zu guter Letzt hatte das Museum noch eine Aussichtsterrasse mit schönem Blick auf Stadt und Hafen. Zum Abschluss des Tages besuchten wir bewusst noch ein veganes Restaurant, das wir bei Google Maps gefunden hatten. Karaköy, das Gebiet beim Hafen, war touristisch, hat hippe Cafés und Geschäfte und damit auch eine größere Auswahl an Gastronomie. Das Restaurant war sehr klein, nur 5 Tische, hatte aber eine große Auswahl an veganen Speisen. Man konnte zwischen unterschiedlichen Komponenten wählen. Wir nahmen jeder vier, sodass wir eine große Auswahl hatten von Falafel, Linsen, vegan gefüllter Pasta, Möhren-Rote-Beete Salat, frittierten Linsenbällchen mit Minze und Hummus und alles war sehr lecker und das für nur rund 7€! Nicht so schön war, dass von der Terrasse der Zigarettenqualm der Raucher reinzog, aber seit Albanien waren wir in der Richtung schon einiges gewöhnt, auch Rauchen in Cafés und Geschäften. Gesättigt traten wir unsere ca. einstündige Rückfahrt zur Ferienwohnung an.
Sonntag, 4.6.2023 Istanbul
Heute war uns nach Natur, also fuhren wir morgens zu einem so ungefähr einzigen größeren, naturnahen Park, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar war, zum Atatürk Kent Ormani. Nach ca. 1,5 Std Metrofahrt erreichten wir die Haltestelle und kamen uns plötzlich furchtbar alt vor. Außer uns war fast niemand in der Metro, der über 25 war und alle stiegen an der Endhaltestelle aus. Die wollten doch sicher nicht alle in den Park?! Ihr Ziel war aber anscheinend eine Veranstaltung, denn irgendwelche Leute versuchten die Masse von der Haltestelle in eine Richtung zu lenken. Es war zum Glück nicht unsere und kurz drauf betraten wir wunderbare Natur. Es war zwar ein angelegter Park und wohl nicht natürlich gewachsen, aber auf einem hügeligen Gelände gab es Wald, Seen, Wanderwege, Vogelgezwitscher und Schildkröten im Wasser. Es war wie eine andere Welt nach dem dauerhaften Trubel auf den Straßen. Es waren nur wenig Leute dort, aber ein paar junge Frauen und ein Pärchen hatten sich Campingstühle und Tisch mitgebracht und genossen ein Picknick. Groß war das Gelände nicht, besonders wenn man daran dachte, dass über 15 Millionen Menschen sonst kaum Rückzugsraum vor ihrer Tür haben, aber schön angelegt war der Park auf jeden Fall. Als wir ihn durchquert hatten, liefen wir bergab zum Fähranleger Büyükdere und nahmen die Fähre zurück zur Innenstadt. Wir fuhren dabei eine ganze Stunde lang fast durch die ganze Wasserstraße zwischen Schwarzem Meer und Mamarameer. Die Fähren in Istanbul waren ganz normale Verkehrsmittel wie Bus und Bahn und ließen sich mit derselben Chipkarte bezahlen. Vom Fähranleger Eminömü fuhren wir dann mit Straßenbahn und Bus in unsere Gegend, aßen eine Pizza und gingen dann nach Hause. Der kommende Tag war unser letzter in Istanbul, bevor es am Abend mit dem Nachtzug nach Plovdiv in Bulgarien ging. Netterweise durften wir bis abends in der Wohnung bleiben, sodass wir noch eine kleine Unternehmung planen konnten und nicht auf unserem Gepäck festsaßen
Montag, 5.6.2023 Istanbul – Nachtzug nach Plovdiv/ Bulgarien
Wir nutzten die Gelegenheit, unser Gepäck in der Ferienwohnung zu lassen und fuhren mit dem Bus zum Barkirköy Sahil Parki, einer Promenade beim Mamarameer. Es handelte sich um einen Grünstreifen mit Maulbeerbäumen über einer präparierten Joggingstrecke, Radweg, Fußweg und Rasenflächen mit Spiel- und Sportgeräten. Er verlief gut einen Kilometer am Segelyachthafen und dem Wasser entlang. Es war ein schöner Weg, aber den Lärm der mehrspurigen Straße nebenan konnte man nicht ausblenden. Wir sahen die Warteschlange der Güterschiffe, die auf die Durchfahrt zum Schwarzen Meer warteten. Nachdem wir einmal hin und zurück gelaufen waren, gingen wir zum Abschluss in einem arabisch aussehenden, aber doch türkischen Restaurant essen. Wir fanden auf der Karte türkische Pfannkuchen mit Käse und Champignons und eine Art Omelett mit Gemüse, beides sehr lecker. Nun hatten wir fast alle türkischen Lira verbraucht, aber das war auch das Ziel, denn wir hatten noch einmal Geld auf unsere Karte für Bus und Bahn geladen und gingen davon aus, nichts mehr zu brauchen. Selbst wenn wir notfalls Taxi fahren müssten nach Halkali zum Bahnhof, würde der Fahrer sicher Karte oder Euros akzeptieren. Wir machten uns 2 3/4 Stunden vor Zugabfahrt auf den Weg und hatten bei Google einen Bus ausgeguckt, der nach Halkali fahren sollte. Er kam auch bald und erst sah alles planmäßig aus, auch wenn die Fahrt ein nerviges Stop&Go war. Dann fuhr er auf die Stadtautobahn und bog nicht dort ab, wo er es unserer, bzw. Googles Meinung nach tun sollte. Wir saßen im falschen Bus, im Stau auf der Autobahn! Nach einer halben Ewigkeit hielt er endlich an und wir versuchten von dort wegzukommen, aber es wäre nur ein Dolmus, d.h. so ein Minibus, die überall halten und nur fahren, wenn sie voll sind und deren System wir gar nicht durchblickten, gefahren. Uns lief die Zeit weg, also fragten wir ein Taxi. Der Fahrer nahm keine Karte und keine Euros und eigentlich hätte es 5 Tl mehr gekostet als wir noch hatten, aber der Fahrer hatte Mitleid mit uns und nahm uns trotzdem mit. Eine Höllenfahrt zwischen Stau und 130 km/h wo 30 km/h erlaubt waren. Hinter uns heulte die ganze Zeit ein Rettungswagen, aber es gab effektiv keine Chance für ihn durchzukommen. Spätestens zu dem Zeitpunkt war ich froh, aus Istanbul wegzukommen. Bei einem Notfall, der nicht mitten in der Nacht stattfand, stieg das Risiko noch im Rettungswagen das Zeitliche zu segnen, hier wohl erheblich. Wir erreichten den Bahnhof Halkali rund eine ¾ Std vor Abfahrt. 30 Minuten vorher durfte man in den Zug einsteigen. Der Bahnhof war neu, aber bot außer Gleisen, Fahrkartenschalter, WC und Warteraum absolut nichts. Unser Nachtzug war wie die vorherigen, also mit Waschbecken, Schrank und Kühlschrank mit Snack, also für ca. 15€ Gebühr pro Person für die Reservierung wirklich super im Vergleich zu den horrenden Preisen im westlichen Europa.
Nun warten wir ab, was in der Nacht auf uns zukam. Soweit wir gelesen hatten, mussten alle Fahrgäste samt Gepäck an der Grenze aussteigen. Ankunft gegen 1:00 nachts, Abfahrt ca. 2:00. Gute Nacht!
Dienstag, 6.6.2023 Bansko/ Bulgarien
Wir kamen fast pünktlich in Plovdiv kurz vor 6:00 an. Das war keine wirklich gute Zeit, es sei denn, man wollte die ersten Sonnenstrahlen genießen. Wir liefen mit unserem Gepäck erst quer durch die ganze Stadt auf der Suche nach einem Geldautomaten und dann nach einem geöffneten Café. Wir kamen auch an unserer FeWo von vor zwei Jahren vorbei, die auch unsere Tochter und ihr Freund zuvor gemietet hatten. Unsere Suche nach einem Café war erst um 7:30 erfolgreich. Wir hätten zwar vorher Kaffee aus Automaten und Gebäck aus Lädchen haben können, aber wir hatten zum Einen kein bulgarisches Geld und ich musste blöderweise auch noch auf Toilette. Vom Café aus ging es weitere 15 Minuten zu Fuß weiter zur Autovermietung, die dummerweise noch keine Meldung von Check 24 hatte, dass wir das Auto statt um 12:00 um 8:30 abholen wollten. Tja, kein Auto da, also warteten wir auf einer Parkbank in der Hoffnung, dass es wenigstens etwas früher als 12:00 klappen würde. Stefan war recht fit, aber ich todmüde. Ich hatte zwischen dem ständigen Geweckt werden an den Grenzen nicht einschlafen können und mein Fitnesstracker zeigte die sagenhafte Schlafpunktzahl von 21 Punkten! Vielleicht hätte ich lieber wach bleiben sollen? Ganze 20 Min Leichtschlaf, na super und dafür hatten wir ein Schlafwagenabteil bezahlt!
Um 16:00 hatten wir es endlich geschafft! Nach einer Nachtfahrt ohne Schlaf, 6 Stunden Warten aufs Auto und einer rund dreistündigen Fahrt kamen wir in der Bergidylle Bulgariens, in Bansko, im Südwesten des Landes, an. Wir fanden eine wunderschöne Wohnung mit einem traumhaften Blick auf die Berge vor. Dieses Mal blieben wir 4 Nächte und ich schlief in der Nacht wie eine Tote
Mittwoch, 7.6.2023 Bansko- Wanderung Pirin Nationalpark
Dieser Tag war ein voller Erfolg, auch wenn wir unsere geplante Wanderung nicht ganz durchführen konnten, weil uns ein breiter Fluss in die Quere kam. Aber vom Anfang: nach ausgiebigem Frühstück fuhren wir eine wunderschöne Strecke in den Pirin Nationalpark bis zur Berghütte Wichren. Von dort startete die Wanderung und das gleich über alpines Gelände: dicke Steine, feuchter Untergrund durch Schneeschmelze. Schon bald ging es richtig steil hoch und manchmal reichten meine Stöcke nicht, um genügend Halt zu finden, und ich musste mich an dickeren Zweigen von Latschenkiefern festhalten, oder Stefan reichte mir die Hand, wenn meine Beine kaum von einem Tritt zum anderen reichten. Wir überquerten mehrmals Bäche, bis sich ein Wasserlauf genau unseren Wanderweg als Strecke ausgesucht hatte. Wir hangelten uns von Stein zu Stein den Berg hoch. Das alles fand vor fantastischer Kulisse statt. Hohe Berge ringsum und umso höher wir kamen, auch Schneefelder und wunderschöne, lila Teppiche aus Krokussen. Als wir an der höchsten Stelle der Wanderung ankamen, hätten wir eigentlich einen Fluss überqueren müssen. Man hatte auch aus Steinen eine Spur gelegt, nur dass sie inzwischen einige Zentimeter unter Wasser waren und der Fluss, angepeitscht durch das Tauwasser von den Bergen, ganz schön kraftvoll dahin rauschte. Stefan meinte, es wäre zu gefährlich und wenn er das schon sagte, dann folgte ich lieber dem Rat meines privaten Bergführers;). Wir liefen noch ein paar Hundert Meter zu einem anderen See, der auch traumhaft aussah und machten uns dann auf den Rückweg. Es ging über denselben Weg wie beim Aufstieg, nur dass die Sonne noch mehr Schnee zum Schmelzen gebracht hatte als zuvor. Entsprechend war die Erde und besonders die verschneiten Stücke noch rutschiger und einmal setzte ich mich auch auf den Hintern. Es war nicht schlimm, die Hose trocknete im Nu. Mehr Sorgen bereitete uns allerdings der Wasserlauf auf unserem Weg. Hin war er noch so, dass man relativ gut von Stein zu Stein kam, nun war er aber zu einem regelrechten Fluss angewachsen, und ich war höllisch froh, meine Stöcke zur Hilfe zu haben. Hätte es jetzt noch begonnen zu regnen, wären wir in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Wir kamen heile den Berg wieder hinunter und stärkten uns auf bulgarische Art in der Wanderhütte: Shopska Salat und Pommes (waren ehr sehr dünne geschnittene Bratkartoffeln) mit geriebenem Käse. Beides war sehr lecker, wenn auch letztere sicher nicht das Gesündeste waren. Nach der Rückkehr sahen wir uns noch in unserem Urlaubsort Bansko um. Man konnte sich gut vorstellen, dass zur Wintersportsaison hier der Teufel los war, so viele Unterkünfte und Skiverleihe wie es hier gab. Momentan schien allerdings absolut keine Saison zu sein. Viele Geschäfte und Restaurationsbetriebe hatten total dicht, andere waren gerade in der Renovierungsphase. Auch die Straßenbauarbeiten liefen in vollem Gange. Wir fuhren zu Lidl, das erste Mal seit sicher einem Monat konnten wir mal wieder bei einem Discounter einkaufen, die Preise waren aber, wie in allen anderen Ländern, höher als bei uns bei vielen Sachen. Wir kauften zum Abendessen Kartoffeln, Pilze, Möhren, Tsatsiki und Fischstäbchen ein, sodass Stefan uns daraus ein leckeres Essen zauberte.
Wir nahmen uns vor am nächsten Tag mit der Rodophenbahn zu fahren. Es sollte ein sehr schönes landschaftliches Erlebnis sein, wenn auch sehr langsam.
Donnerstag, 8.6.2023 Bansko – Zugfahrt mit der Rodophenbahn
Rattataram rattataram…ich hörte es noch abends in meinen Ohren, und das Auf und Ab und hin und her schaukeln war genauso, wie man sich als Kind Zugfahren vorstellte, wenn man Jim Knopf las. Die Rodophenbahn fuhr zwar nicht mehr mit Dampflokomotive, sondern mit Diesel, aber sonst kam sie noch deutlich aus einem anderen Jahrhundert. Wie geplant, machten wir einen langen Ausflug mit dieser 1926 in Betrieb genommenen und bis 1945 auf die heutige Fahrstrecke von 125 km Länge ausgebauten Schmalspurbahn. Die Strecke verlieft eigentlich von Dobrinischte bis Septiemvrie, wir fuhren allerdings nur von Bansko bis Velingrad und zurück. Schon diese Strecke dauerte ca. 6 Stunden, denn der Zug fuhr mit durchschnittlich gerade mal 25 km/h. durch das Rodophengebirge und das Rillagebirge und endete kurz vor dem Piringebirge, wo unsere Unterkunft lag . Die meiste Zeit durchquerte er bewaldete Hügel, stieg dabei von 238 m auf 1267 m über dem Meeresspiegel. Der Bahnhof Awramowo war damit der höchste auf der Balkanhalbinsel. Um diesen enormen Höhenunterschied zu bewältigen, waren zahlreiche Tunnel, Kurven und Kehren notwendig. Die Strecke galt als ein Zug-Highlight in Bulgarien, wurde aber auch von Skitouristen im Winter gerne genutzt, wenn sie in Plovdiv landeten und ins Piringebirge wollten. Wir hatten Glück, unsere Züge waren auf beiden Strecken nur wenig besetzt, wir hatten gemütliche Plätze, konnten die Fenster zum Fotografieren öffnen und hatten noch dazu super Wetter. Der Zug war ein wirklich altes Schätzchen. Zwischen den Wagons gab es keinen geschlossenen Übergang wie in heutigen Zügen, sondern man ging durchs Freie, nur geschützt durch zwei Ketten rechts und links und konnte die Räder über die Schienen rattern sehen. Auf der Rückreise fuhr der Zug sogar die ersten paar hundert Meter mit geöffneter Außentür, bis der Schaffner sie schloss. Die Bahnhöfe waren nette kleine Gebäude, meist außen mit Bäumen, Bänken, Blumen und einem Kiosk oder zumindest einem Kaffeeautomat. Zu den Bahnsteigen lief man einfach über Absenkungen zu den Gleisen. Es wirkte alles wie aus vergangenen Zeiten, inklusive der Stationsvorsteher. Da wir zuvor schon ähnliche Fahrten in gebirgigen Regionen in der Schweiz, in Österreich und im schottischen Hochland gemacht hatten, faszinierte uns die Fahrt nicht ganz so sehr. Die Landschaft war schön, die Technik faszinierend und zum Schluss bei der Rückfahrt genossen wir auch den Ausblick auf die vor uns liegenden Berge des Piringebirges, aber im Vergleich zu den Vorerfahrungen fehlte es etwas an spektakulären Ausblicken. Wir freuten uns dennoch, die Tour unternommen zu haben. Schade war, dass wir am Schluss nicht bis Dobrinischte durchfahren und zurück, vorbei an einem Wasserfall, nach Bansko laufen konnten, aber es zog eine dermaßen dunkle Wolkenwand über die Berge und der Wetterbericht zeigte auch Gewitter an, sodass wir den Ausflug cancelten.
Freitag, 9.6.2023 Bansko – Autoausflug nach Melnik
Das Wetter blieb uns treu, auch wenn es zwischendrin donnerte und gar nicht so aussah, als würde es trocken bleiben, regnete es bisher immer nur außerhalb unseres Radius. Super Voraussetzungen also für unsere heutige Autotour. Wir hatten uns Melnik ausgeguckt, die kleinste Stadt Bulgariens mit rund 160 Einwohnern (Dez 2020). Sie lag ganz im Süden, nur ca. 35 km von der griechischen Grenze und war bekannt für ihren Weinanbau. Es gab sogar ein Museum dazu, was uns aber nicht interessierte. Wir hatten lange genug im Weingebiet Rhein/Mosel/Nahe gelebt. Unser Ziel war es, das Örtchen zu entdecken und dabei stießen wir auf einen Wanderweg zu den Pyramiden von Melnik. Wie vor zwei Jahren bei Stolp in Bulgarien, gab es auch um Melnik faszinierende Sandsteinformationen, die häufig spitze Formen wie Pyramiden hatten. Wir wanderten auf einem Wanderweg, der lange durch ein ausgetrocknetes Bachbett und dann steil hoch führte. Unterwegs begegneten uns Geckos, Schmetterlinge und eine Schildkröte, die bei uns ein Casting als Model absolvierte. Oben angelangt hatten wir einen phänomenalen Ausblick und ein idyllisches Rastplätzchen auf einem Ast, geschützt vom Baum vor der prallen Sonne. Der Weg hoch war anstrengend, 280 Höhenmeter auf 2,3 Kilometer Länge, aber runter war dagegen echt schwierig mit meinen Wackelknien. Sand auf Steinen und Geröll bei steilem Abgang boten den optimalen Untergrund zum Wegrutschen. Ich hatte dummerweise auch meine Stöcke im Auto gelassen, weil wir uns auf Ort eingestellt hatten, so musste Stefan mir häufiger die Hand reichen. Wir kamen heile wieder im Ort an, aßen etwas und fuhren auf einem anderen Weg wieder Richtung Bansko. Unterwegs ließ uns Google auf eine Straße abbiegen, die als Umleitung ausgeschildert war. Ob wir sie hätten nehmen müssen, weiß ich nicht, aber sie brachte uns fast an die Grenze des Möglichen mit unserem Mietwagen. Eine derartige Schlaglochpiste, mit zumeist komplett zerbrochener Straßendecke waren wir zuvor noch nie gefahren. Das ging über 3 km so und ich stieg an den schlimmsten Stellen aus und winkte Stefan an den dicksten Steinen und Löchern vorbei so gut es ging. Das war ziemlich haarig, aber wir kamen letztendlich wieder auf die normale Straße und die führte durch wunderschöne Wald- und Felsenlandschaft mit ein paar kleineren Orten. Der Ausflug hatte uns wieder bestätigt, dass es eine sehr gute Idee war, Bulgarien noch ein zweites Mal einen Besuch abzustatten.
Samstag, 10.6.2023 Bansko- Pamporowo
Wir verließen unser gemütliches Zuhause in Bansko und fuhren 165 km weiter nach Osten, nach Pamporowo. Es war wieder ein Skiresort, aber auf 1650 m Höhe, also fast 700 m höher als Bansko, was man auch deutlich an den Temperaturen merkte. Waren es in Bansko in den letzten Tagen so um die 23-25?, hatten wir hier gerade mal 11?. Brrrr, kalt. Wir schalteten direkt die Heizung in unserem neuen Apartment an. Wir wohnten in einem gigantischen Resorthotel in der 5. Etage. Es war das größte im Rodophengebirge, allerdings laut Internet gerade geschlossen. Das galt aber wohl nur für den Hotelbereich mit Pool, Bowlingbahn, Skischule etc. Wir konnten unser Apartment buchen und es gab auch einen Portier oder Parkplatzwart (anscheinend war er derzeit beides), der uns den Weg zu unserer Unterkunft zeigte. Außer uns war kaum noch jemand hier. Es war daher ruhig und störte uns nicht weiter. Solange sie nicht den Lift sperrten oder Strom abschalteten, war alles ok. Im Winter kostete dasselbe Apartment 90€, wofür wir jetzt fast drei Nächte hier wohnen konnten. Wir hatten wieder eine Küchenzeile und eine Waschmaschine, was wollten wir mehr? Der Ausblick war nicht so super wie in Bansko, aber uns erschien der ganze Ort auch nur aus irgendwelchen Skiunterkünften zu bestehen, wohingegen Bansko ein gewachsener Ort mit kleiner Altstadt war. Rund um unser Resort befanden sich Skischulen, weitere Hotels, Restaurants und Geschäfte, aber alles hatte geschlossen. Hier schien wirklich nur im Winter etwas los zu sein, obwohl es direkt vor der Tür einen Mountainbikepark gab, der jedes Jahr ein großes Bikefest feierte, das zu den größten Bulgariens gehörte, wie wir in der Werbung feststellen konnten. Wahrscheinlich war hier nur im Juli/August Sommersaison.
Auf dem Weg hierher hatten wir in Goze Deltschew gehalten und einen kleinen Spaziergang durch die Innenstadt gemacht. Danach gab es an der Strecke, die sich fast ausschließlich durch Wald- und Felsgebiete und häufig entlang eines Flusses schlängelte, zahlreiche Picknickplätze. Diese waren wirklich toll, mit Trinkwasserquelle mit frischem Gebirgswasser, einer nach vorne hin offenen Hütte, wo man vor Regen geschützt auf Tischen mit Bänken sein Essen genießen konnte, und teilweise sogar mit WC und Spielgeräten. Zuletzt machten wir noch einen Abstecher zur Trigader Schlucht, wo man mit dem Auto zwischen den Felsen durchfuhr. Wir machten einen Stopp zum Essen, um von dem Restaurant aus beobachten zu können, wie Leute sich in Gurtsitzen am Seil 88 m in die Tiefe sausen ließen. Eigentlich wären wir gerne irgendwo noch etwas gewandert, aber es fing an zu regnen.
Sonntag, 11.6.2023 Pamporowo Ausflug Smoljan und Wanderungen
Da das nächste geöffnete Lebensmittelgeschäft erst im Ort Smoljan, 16 km von unserem Hotel entfernt zu finden war und wir etwas zum Essen brauchten, fuhren wir als erstes dorthin und beehrten den Lidl mit einem Besuch. Schon einmal dort, machte es Sinn, auch gleich eine Wanderung in der Umgebung zu machen. Der Waterfall Canyon stand sowieso auf unserer Liste, also begaben wir uns auf den Wanderweg. Wie immer bei Wasserfällen ging der Weg bergauf. Es waren letztendlich 350 Höhenmeter, also einige mehr als bei unserer Wanderung in Bansko, aber es ging nur am Ende richtig hoch und auch von der Begehbarkeit war der Weg nur zum Ende hin teils sehr heftig für mich, da die Reparaturarbeiten an Brücken und Stufen noch nicht bis oben hin abgeschlossen waren. Im Großen und Ganzen war der Weg super erhalten, gut markiert und mit Picknickplätzen und Unterständen, die sogar mit Erste Hilfe Kästen versehen waren, wirklich lobenswert. Auf dem letzten Stück nach oben waren allerdings einige Holzstufen weggebrochen, Bretter von Brücken über den Wasserfall durchgemodert etc. und ich musste größere Schritte machen, als meine Beine hergaben. Mit Stefans Hilfe und meinen Stöcken schaffte ich aber auch das. Wie schön, wenn man einen so verlässlichen und lieben Partner hat! Der Wasserfall bzw. die Fälle waren nett, aber nicht absolut überragend. Wir hatten auf unseren Reisen schon sehr viele gesehen und häufig glichen sie sich. In den osteuropäischen Ländern hatte wohl Kroatien die schönsten und spektakulärsten zu bieten, da kamen diese nicht mit. Schön war die Wanderung dennoch, besonders weil wir uns zu Beginn nicht vom Regen abschrecken gelassen hatten und es dann auch kurz drauf trocken wurde.
Nach dieser Tour schauten wir uns den 28000 Seelen Ort Smoljan an, den wir ziemlich stillos fanden, seine Lage in den Rodophen war jedoch herrlich.
Auf dem Weg zu unserer Unterkunft fiel uns ein weiteres Wanderschild auf, und zwar zum Nevyastata Eco Trail. Der Weg war eine reine Wohltat zu dem steinigen Gekraxel zuvor, ein schöner Waldweg und inzwischen sogar mit vereinzelten Sonnenstrahlen. Nur zuletzt wurde es alpin. Es gab sogar ein Warnschild, dass Jugendliche unter 16 Jahren dort nicht wandern dürften. Es war felsig und ging hoch zu Klippen. Ich fand das Stück zwar etwas schwieriger, aber gut zu meistern. Der Ausblick von oben war super und bei der Plattform gab es ein Seil, wo Geschulte mit richtigem Equipment sich in die Tiefe zum anderen Felsvorsprung am Seil entlang rutschen lassen konnten. Wir konnten leider keinem dabei zusehen. Am Felsen waren Sicherungshaken für Kletterer. Ich denke mal, dass diese Dinge der Grund waren, warum unter 16 Jährige dort nicht alleine rauf durften. Wir freuten uns, diesen Weg noch gemacht zu haben und entschieden kurzerhand beim Parkplatz, auch noch den weiteren, nur ein paar Hundert Meter langen Weg zu den Resten einer Festung aus dem 6 Jahrhundert zu machen. Auch der Weg war schön und bot tolle Ausblicke. Gut gelaunt nach einem Tag in der Natur kehrten wir wieder heim, wo Stefan ein leckeres Abendessen aus Pellkartoffeln mit Tsatsiki und einer Gemüsepfanne mit Zucchini, Paprika, Tomaten, Knoblauch, Zwiebel und Ingwer zauberte. Es war toll, zwischendurch selber kochen zu können und bei beiden Wohnungen in Bulgarien hatten wir ausnahmsweise mal eine gut ausgestattete Küche. In der Türkei war das furchtbar, es fehlte immer an allem und besonders an Messern. Gut, dass wir immer eine Grundausstattung an superleichtem Titan- Geschirr inkl. meiner nicht mehr wegzudenkenden French Press Kaffeemaschine, ebenfalls aus Titan, deren Becher man auch als Tasse oder Topf für ein Süppchen nutzen konnte, bei uns hatten. Bei dieser Art der Ausstattung lohnte es sich wirklich, Geld zu investieren für etwas Gescheites, was man bei unterschiedlichen Reiseformen nutzen konnte.
Montag, 12.6.2023 Pamporowo – Ausflug Slatograd
Unseren letzten Tag im Süden Bulgariens nutzten wir zu einem Ausflug nach Slatograd, rund 70 km südöstlich von Pamporowo an der griechischen Grenze, was aber dennoch mehr als 1,5 Std Fahrt bedeutete, denn es ging wieder durchs Gebirge mit unzähligen Kurven. Gut, dass Stefan solche Strecken gerne fuhr! Wir machten unterwegs eine Wanderung zur Festung Momchilowa. Der Weg zur Festung war einfach, da sehr gut gesichert und an den meisten Stellen mit perfekter Treppe ausgestattet. Er war auch nicht so anstrengend, wie er von unten aussah, es waren halt einige Stufen bergauf. Von der Festung selbst war nicht mehr viel erhalten, der Ausblick war jedoch wunderbar und die Bewachsung der Felsen mit Moosen und Flechten eine Augenweide! Es gab an mehreren Stellen Podeste außerhalb der Brüstung und wir rätselten, ob sich da wohl Vogelmenschen den Berg runterstürzten und auf die Funktion ihrer Flügel hofften. Für Bungee Jumping waren zu viele Bäume und Felsen im Wege. Ich las jedoch später, dass die Sitzbänke dort oben auf der Plattform als Amphitheater genutzt wurden und die Beleuchtungsanlage dort oben sprach auch sehr dafür. Vielleicht wurden dann auf die Podeste Boxen gestellt? Keine Ahnung.
Die Rodophen wurden in historischen Quellen die „Heiligen Berge der Thraker“ genannt und der Hügel Momchilowa sollte auch eine Kultstätte gewesen sein. Um Geschichte lebendig zu halten und Touristen anzuziehen hatte die Region, sowohl auf bulgarischer als auch auf griechischer Seite mit Unterstützung der EU dort ein Projekt mit dem Namen „Mädchenfestung- Mythen werden lebendig“ entwickelt. Ich schätzte, dass dort oben geschichtliche Events veranstaltet wurden.
Wir machten uns gerade auf den Rückweg, als es anfing zu tröpfeln und begaben uns schnellstens wieder zum Auto. Der Ort Slatograd, den wir danach besuchten, war ein Tipp unserer Airbnb Gastgeberin von vor zwei Jahren, mit der wir uns so gut verstanden hatten, dass wir sogar zweimal gemeinsam essen gingen. Sie hatte uns erzählt, dass es dort schöne alte Häuser gäbe. Wir fuhren also direkt zur Altstadt, die gerade eine riesige Baustelle war. Gleich mehrere Straßen waren aufgerissen und wir kamen gerade so zu Fuß durch. Es gab ein paar nette historische Häuser inkl. Museen als ethnografischen Komplex. Wir durchgeschlenderten den Bereich, das war aber nach kurzer Zeit erledigt, denn in die Museen wollten wir nicht, da wir beim letzten Besuch bereits ein ganzes Museumsdorf ausführlich besucht hatten. Also ließen wir uns von unserem Kaffeedurst in ein Café verführen und da verbrachten wir letztendlich über zwei Stunden, weil es einen heftigen Wolkenbruch gab. Als es einigermaßen ging, lief Stefan zurück zum Auto und ich passte im Trockenen auf unsere Papiere auf, bis er mich abholte. Irgendwie hatte es ins Auto reingeregnet, auf jeden Fall war mein Sitz feucht und ich bekam auf der Rückfahrt eine nasse Hose. Wir hofften, dass der Sitz am kommenden Mittag wieder trocken sein würde, wenn wir den Wagen wieder in Plovdiv abgeben mussten. Von dort ging es dann mit dem Zug weiter nach Sofia, wo wir noch einmal eine Nacht vor der Weiterreise übernachten wollten.
Dienstag, 13.6.2023 Pamporowo nach Sofia
1,5 Std Autofahrt und ca. 3 Std Zugfahrt brachten uns nach Sofia. Wir waren jetzt also wieder Zugfahrende und planten am kommenden Tag nach Widin, in die Nord- westlichste Ecke Bulgariens, weiterzufahren. In Pamporowo war am Morgen dichter Nebel, den wir aber mit jedem verlorenen Höhenmeter mehr hinter uns ließen. In Plovdiv schien die Sonne und es war merklich wärmer. Wir gaben unser Auto ab und kamen auf dem mehr als 3 km langen Fußweg zum Bahnhof gut ins Schwitzen. In Sofia wurden wir mit Regen empfangen, der leider auch nach langem Anstehen für Reservierungen noch nicht aufgehört hatte. Zum Glück lag unser Hotel nur 700 m vom Bahnhof entfernt, sodass wir nicht ganz durchnässt wurden. Im Hotel warteten wir darauf, dass es endlich aufhörte und wir uns auf die Suche nach Abendessen machen konnten.
Mittwoch, 14.6.2023 Sofia – Widin
Wieder verbrachten wir die meiste Zeit im Zug. Es ging gegen 12:00 los, nachdem wir im Hotel gefrühstückt hatten. Das Angebot auf dem Büffet war ok, aber sowohl das Brot, als auch die süßen Gebäckstücke waren so trocken, als hätten sie seit dem Vortag auf dem Büffet gelegen. Dennoch war es nett, sich sozusagen an den gedeckten Tisch zu setzen. Danach kamen dann wieder 5 Stunden Zugfahrt. Zum Glück hatten wir uns tags zuvor noch eine Reservierung für den enormen Preis von ca. 50 Cent geholt, obwohl sie nicht vorgeschrieben war. Es waren aber selbst in der ersten Klasse fast alle Plätze belegt, so war es doch schön, feste Plätze zu haben, statt bei jeder Station zittern zu müssen, seinen Platz wieder aufgeben zu müssen. Es war eine lange, aber ganz angenehme Fahrt. Wir hatten ausnahmsweise mal wieder ein 1. Klasseabteil und die Sitze waren längst nicht so durchgesessen wie auf der Fahrt nach Sofia. Wir konnten ausgiebig lesen und zeitweise sogar mit Duolingo Sprache lernen, wenn es Netz gab. Unser Hotel in Widin war nur 350 m vom Bahnhof entfernt, was unser Rekord war. Es war moderner und qualitativ besser als das in Sofia und noch dazu um ca. 9€ preiswerter, aber natürlich nicht in der Hauptstadt. Widin ist eine richtig typische, ehemals sozialistische Stadt mit ihren Brutalismusbauten und -denkmälern, ein paar historischen Gebäuden, die man schon restauriert hatte, einer Fußgängerzone, die man mit Springbrunnen und Blumen ganz nett gestaltet hatte und viel Verfall. Es handelte sich um eine Grenzstadt an der Donau. Die gegenüberliegende Seite der Donau war bereits in Rumänien, sodass die Donaukreuzfahrer durch die Grenzstation an Land gehen mussten. Es gab auch wieder eine Festung, aber die hatte bei unserer Ankunft in Widin bereits geschlossen, sodass wir sie uns nicht angesehen haben, auch nicht von außen, denn unterwegs wurden wir von Mücken überfallen, sodass wir flüchteten.
Donnerstag, 15.6.2023 Widin (Bulgarien) – Craiova (Rumänien)
Wieder fuhren wir über eine Grenze, dieses Mal nach Craiova in Rumänien, wo wir wieder etwas länger bleiben wollten. Auch in diesem Land gab es noch Ecken, die wir noch nicht gesehen hatten, auch wenn wir im letzten Jahr auf der Interrailtour schon einmal in Rumänien waren und vor ein paar Jahren mit dem Auto sogar für mehrere Tage. Da wir auf dem Weg zurück in Richtung Deutschland sowieso über Rumänien und Ungarn fahren mussten, konnten wir uns auch noch ein paar vermeintlich nette Stellen näher ansehen. Ob Craiova nett würde, konnten wir noch nicht sagen, laut Internet sollte es interessante Gebäude und Parks geben. Wir ließen uns überraschen. Die Hinfahrt hierher dauerte 3 Std, was eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 30 km/h bedeutete. Zumindest war der Zug pünktlicher als deutsche Züge. Er glich unseren InterRegios, nur, dass hier anscheinend versucht wurde, jede zweite Scheibe mit Steinen einzuschlagen. Von innen war der Zug völlig ok und der Schaffner sehr bemüht. In Widin auf dem Bahnhof hatte ich erst noch gedacht, was ist das denn für ein Typ, der sich da im Unterhemd mit den Grenzen unterhält? Als sein Job jedoch begann, hatte er Ruckzuck ein Hemd an und sein Käppi auf und siehe da: Kleider machten Leute! Die Fahrt bis Craiova war wirklich erschreckend im Anbetracht all der Armut bzw. Verödung des ganzen Landstrichs hier im Süden Rumäniens. Nahezu kein Bahnhof hatte mehr Scheiben, Türen oder sah auch nur annähernd brauchbar aus. Auch sonst kamen wir fast ausschließlich an verfallenen Gebäuden vorbei. Eine extrem trostlose Gegend. Einzig ein paar riesige Lagerhallen aus Metall standen noch heile herum. Riesige Äcker, wo ich nicht herausfinden konnte, was da wuchs, waren im Vorbeifahren zu sehen. Im Spiegel fand ich einen Artikel, der sich mit den großen Klimaproblemen gerade im Süden um die Donau herum befasste. Trockenheit und Starkregen hatten die vornehmlich sandige Gegend immer weiter erodieren und veröden lassen, sodass man das Gebiet bereits „Sahara an der Donau“ nannte. Vom typischen Maisanbau ist man vielerorts wohl zu Wassermelonenanbau übergegangen. Unsere Wohnung in Craiova war in einem dieser typischen, ehemals sozialistischen Blocks, wo man von außen und im Treppenhaus nichts Gutes erwartete, die Wohnungen aber meist ganz in Ordnung waren, so war es auch bei dieser: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad und Wintergarten zum Wäschetrocknen, nicht besonders hübsch, aber völlig in Ordnung und sauber. Nach dem Einzug machten wir uns auf den Weg, etwas zum Abendessen zu suchen und wurden fündig in einem Restaurant, wo wir gemeinsam eine Platte frittiertes Gemüse mit Tsatsiki und dazu Rosmarinkartoffeln verspeisten. Danach gingen wir im Eilschritt nach Hause, da sich der Himmel mal wieder verdunkelte. Wir schafften es wie schon so häufig, nicht nass zu werden.
Freitag, 16.6.2023 Craiova
Es sah so aus, als hätten wir nicht so furchtbar viel verpasst, hätte uns die Rückfahrt nicht nach Craiova gebracht. Es gab in der Altstadt ein paar wenige alte, restaurierte Häuser, aber im Großen und Ganzen war die Stadt ein Sammelsurium aus verfallenen bis Shabby Chic Bauten verschiedener Epochen, Blöcken aus sozialistischer Zeit, ein paar modernen Gebäuden, die aber häufig bereits am Verfallen waren, obwohl nicht nicht einmal fertig gebaut, einer Mall mit mehreren Stockwerken und Geschäften wie Starbucks und HM im Erdgeschoss, darüber aber ca. 1/3 Leerstände. Vor den Rathaus, einem guterhaltenen historischen Gebäude, war um den Springbrunnen davor die World Press Fotoausstellung 2023 ausgestellt. Es waren die Ergebnisse eines Wettbewerbs, der jährlich die weltweit besten Pressefotos des vergangenen Jahres prämierte. Sie zeigte die Schmerzen der Welt, von den Folgen des Klimawandels, des Krieges bis hin zur Unterdrückung der Frauen im Iran. Sehr gute Fotos mit sehr deprimierender Aussage. Nach der Altstadt besuchten wir das Kunstmuseum, von dem uns aber nur das Gebäude gefiel. Es handelte sich um eine würdige alte Villa. Die Bilder waren alte Ölgemälde von Personen oder Landschaften und unseres Ermessens auch nicht gut. Danach kamen wir zum botanischen Garten, der uns gut gefiel. Außer Blumenarrangements gab es dort auch natürliche Habitate wie Waldstücke, eine Bach- Teichlandschaft und eine Anpflanzung von Apfelbäumen. Wir konnten mindestens ein Dutzend Schildkröten beobachten und es war ein lebendiges Gezwitscher um uns herum. Auf dem Rückweg stärkten wir uns auf einer Bank mit Strudel und gingen danach zurück zu unserer Unterkunft. Mir tat mein Knie und durch Vermeidungshaltung dann auch noch mein Fußgelenk weh, außerdem war unangenehm schwüle Luft. Am Abend gab es dann auch einen starken Regenguss.
Samstag, 17.6.2023 Craiova
Am Morgen ließen wir uns Zeit mit dem Aufbrechen, denn es gab hier eigentlich nur noch den Park Romanescu zu besichtigen. Wir frühstückten und übten Sprachen mit Duolingo, bevor wir uns auf den Weg machten. Es hatte aufgehört zu regnen, aber dem Wetter war auch weiterhin nicht zu trauen. Wir liefen rund 40 Min bis zum Park. Dort kamen wir zuerst über einen Friedhof, dann durch einen kleinen, kostenlosen Zoo zu einem See, wo man zu anderer Zeit wohl auch Boote ausleihen konnte. Es gab ein Restaurant mit Seeterrasse, wo wir einen Kakao tranken, bevor wir uns wieder auf den Rückweg machten, denn es war schon wieder Regen angesagt. Wir kamen dabei an einem kleinen Schloss vorbei, ob echt oder nachempfunden kann ich nicht sagen, in dem sich ein Restaurant befand. Bei einem weiteren Gebäude, dem historischen Casa Bibescu, fand gerade eine Hochzeit statt. Seit zwei Jahren konnten sich hier Paare trauen lassen. Wir gingen über eine Hängebrücke wieder dem Ausgang zu. Was wir ausließen, war das Hippodrom, was Stefan bereits beim Joggen entdeckt hatte und für ausgesprochen langweilig hielt. Was sollte es auch ohne Pferderennen hier zu sehen geben? Trockenen Fußes gelangten wir wieder zu unserer Unterkunft. Stefan ging noch einmal kurz los zum Friseur und kam kurz drauf mit akzeptablen Haarschnitt wieder. Ich hatte ihn in der Türkei immer von den Barbershops ferngehalten, damit man ihm nicht so einen typischen türkisch- arabischen Schnitt verpasste.
Sonntag, 18.6.2023 Craiova – Timisoara
Wir waren 6,5 Stunden mit dem Zug unterwegs und erreichten Timisoara. Die Fahrt war schöner und interessanter als unsere letzte, wenn sie auch zuletzt wirklich lang wurde. Wir fuhren an landwirtschaftlich genutzten Flächen vorbei, die vielerorts unter Wasser standen, kamen dann ein ganzes Stück an der Donau entlang, die ebenfalls recht hoch stand und konnten auf der anderen Seite Serbien sehen. Da der Zug im Grenzort Drobeta Turnu- Severin hielt, stiegen Polizisten ein und wollten wohl sichten, ob irgendwelche Migranten im Anmarsch waren. Danach fuhren wir durch oder zumindest entlang des Nationalparks Cheile Nerei Beusnita, von dem wir aber leider nur grüne Hügel und Wälder sehen konnten. Bereits als wir in Timisoara ankamen war klar, dass diese Stadt nicht mit Craiova vergleichbar war. Kein Wunder, dass sie in diesem Jahr auch eine der drei Kulturhauptstädte Europas neben Elefsina in Griechenland und Veszprem in Ungarn war. Was gleich auffiel, war eine lange, verkehrsberuhigte Zone, in der auf gekennzeichneten Spuren auch Radfahrer unterwegs sein konnten, außerdem durfte die Straßenbahn durchfahren. Außerdem gab es noch eine lange Fußgängerzone mit dem schmucken Piata Uniri, dem Union Square, umgeben mit Barockvillen, Jugendstilpalästen und der sehr schönen orthodoxen Kathedrale. An vielen weiteren historischen Gebäuden wurde noch restauriert. Auf dem Piata Victoriei hatte man einen 5 stöckigen Turm aus Gerüsten aufgestellt, der mit über 1200 Pflanzen auf allen Etagen rundherum bepflanzt wurde und den man besteigen konnte. Wir waren oben und durch das Grün hatte man einen schönen Blick auf die Umgebung. In einem vegetarischen Restaurant haben wir hervorragend gegessen. Stefan hatte eine mit Tofu und Gemüse gefüllte Süßkartoffel mit Avocadocreme und ich Reis mit Gemüse, Pilzen und Cranberrys, dazu eine hausgemachte, leckere Minz-Zitronen-Limonade, alles Bio. Wir bezahlten dafür 20€, nicht billig, aber die war es auf jeden Fall wert. Danach liefen wir noch durch einen Park und ein Stückchen am Fluss Bega entlang. Wir waren uns sicher, dass wir am nächsten Tag noch viele weitere nette Stellen ausfindig machen würden. Es kam hinzu, dass wir ein nettes Studio mitten in der Fußgängerzone hatten, was das Stadterlebnis doch sehr vereinfachte und angenehmer machte, als wenn man erst immer noch 2-3 km in die Innenstadt entlang großer Straßen, verfallener Wohnblöcke etc. laufen muss,
Montag, 19.6.2023 Timisoara
Sonne, blauer Himmel, 27?-30? den Tag über – solch ein Wetter hatten wir schon seit langem nicht mehr. Wir ließen uns dennoch am Morgen Zeit, bevor wir uns auf eine weitere Besichtigungstour machten. Gegen frühen Mittag schlenderten wir durch die Stadt und stöberten in Second Hand Läden. Wir kamen dabei an weiteren schönen, alten Häusern vorbei, zum Teil gut erhalten, zum Teil nach Restaurierung schreiend. Als wir des Laufens müde wurden und die Sonne zu stark brannte, kauften wir etwas zum Abendessen und eine Packung Macarons beim Lidl und begaben uns zurück in unser klimatisiertes Studio. Die Klimaanlage war hier wirklich wichtig, denn wir hatten unser Zimmer im Dachgeschoss mit zwei Dachfenstern ohne Rollos, wo ab Nachmittag die Sonne draufstand. Wir machten Kaffeestündchen, legten die Beine hoch und machten uns dann gegen 16:30 wieder auf den Weg zum Revolutionsmuseum. Es zeigte den Lauf der Rumänischen Revolution vom 16.-27.12.1989, die in Timisoara ihren Anfang nahm, als 20 bis 30 Gemeindemitglieder sich vor der reformierten Kirche in Temeswar und dem Pfarrhaus versammelten, in dem Pfarrer László Tokes wohnte, der eine Kerze anzündete. Sicherheitsbeamte erschienen sofort, um das Geschehen zu überwachen und bei Bedarf einzugreifen. Als zwei Tage später eine Menschenmenge den Straßenbahnverkehr blockierte, erste Forderungen gegen das kommunistische Regime laut wurden und Forderungen nach Licht, Wärme und Essen für die Kinder artikuliert wurden, griffen die Repressionskräfte noch nicht ein. Der Pfarrer forderte die Menschenmenge auf, das Gebäude zu verlassen und der Bürgermeister versprach eine günstige Lösung für die Situation des reformierten Pfarrers, aber die Demonstranten gingen nicht, was dazu führte, dass Soldaten, die mit Schilden, Helmen und Schlagstöcken ausgerüstet waren, anrückten. Die Feuerwehr griff mit Wasserwerfern ein. Milizsoldaten und Sicherheitskräfte in Zivil nahmen Hunderte von Demonstranten fest. Patrouillen der Armatel, der Sicherheitstruppen und des Grenzschutzes kamen den Repressionskräften zu Hilfe.
Ähnlich wie in Timisoara verliefen die Proteste und die Repressalien gegen die Demonstranten überall im Land. Andere Städte hatten von dem Aufstand in Timisoara erfahren und schlossen sich den Forderungen nach dem Sturz des Ehepaares Ceausescu und dem Ruf nach Freiheit und besseren Lebensbedingungen an. Wer sich an meinen Bericht vom letzten Jahr über die Villa des Diktatoren- Ehepaares und die Beschreibung der Armut und Unterdrückung des Volkes erinnert, kann diese Forderungen gut nachvollziehen. Bevor das Volk jedoch das Regime entmachtet hatte, kam es im Gegensatz zur friedlichen Revolution in der DDR zu heftigen Kämpfen, Misshandlungen, Inhaftierungen und Erschießungen der Demonstranten in Rumänien. Die Leichen wurden nicht zur Obduktion freigegeben, sondern verbrannt und verscharrt. Man wollte es so aussehen lassen, als wären sie außer Landes getürmt. In den folgenden Tagen gelang es der Opposition die Regierung zu stürzen und es kam am 24.12.1989 zu einer Verhandlung gegen die Ceausescus vor einem außerordentlichen Militärgericht, das sich selbst „Volkstribunal“ nannte. In einem der Hubschrauber des „außerordentlichen Gerichtshofes“ befanden sich bereits die Planen, in denen die Leichen des Ehepaares später weggeschafft werden sollten. Am 25.12., in nur 1 Stunde und 10 Minuten, kam es im Prozess in der Garnison von Târgovi?te zu einer Anklage wegen Völkermord an über 60.000 Opfern, Untergrabung der Staatsmacht durch die Organisation bewaffneter Aktionen gegen das Volk und die Staatsmacht. Das Verbrechen der Zerstörung öffentlicher Güter, von Zerstörung und Beschädigung von Gebäuden, Explosionen in Städten usw. Außerdem wegen Untergrabung der Volkswirtschaft und dem Versuch, aus dem Land zu fliehen, basierend auf Geldern in Höhe von über einer Milliarde Dollar, die bei Banken im Ausland hinterlegt waren.
Diese Anschuldigungen wurden nicht bewiesen, sondern von den Anklägern lediglich benannt und die Beschreibungen einiger Verbrechen in der Presse dem Präsidentenpaar Ceau?escu zugeschrieben. Die dem Paar zugewiesenen Anwälte beschuldigten sie, anstatt sie zu verteidigen.
Das Todesurteil wurde um 14:45 Uhr verkündet, und obwohl gegen das Urteil hätte Berufung eingelegt werden können, wurde es fünf Minuten später im Garnisonshof in der Nähe des Wachgebäudes vollstreckt. Einer der Anwälte argumentierte, dass es keine Möglichkeit gab, gegen das Urteil Berufung einzulegen, da die Angeklagten das Gericht nicht anerkannten und die Entscheidung daher rechtskräftig sein musste. Kurz nach der Hinrichtung des Ceau?escu-Ehepaars wurde sie im nationalen Fernsehen verlesen.
Außer der Beschreibung des geschichtlichen Ablaufs der Revolution in den verschiedenen Städten Rumäniens, zeigte das Museum auf einem Zeitstrahl die wichtigsten politischen Geschehnisse weltweit im Spannungsfeld des kalten Krieges und es gab eine Dokumentation zum geteilten Deutschland und der anschließenden friedlichen Revolution in der DDR. Dem Axel Springer Verlag, der damals sein Verlagshaus direkt an der Mauer baute und sich stets für ein vereintes Deutschland einsetzte, wurde in dieser Dokumentation dafür Lob gezollt.
Dienstag, 20.6.2023 Timisoara -Arad
Wir genossen noch bis Mittag unser gemütliches Dachapartment und begaben uns dann zum Bahnhof. Da die Züge meist gut ausgelastet waren, machten wir eine Reservierung für den übernächsten Tag, für die Strecke Arad- Mosonmagyarovar in Ungarn. Eigentlich war sie nicht verpflichtend, deshalb ärgerten wir uns schon ein wenig, dass wir dafür 6€ zahlen mussten und der Zug noch nicht mal über eine 1. Klasse verfügte und sie nur für den ersten Zug bis Budapest galt, aber wir wollten ja nicht riskieren, stundenlang auf dem Flur zu stehen. Um 13:00 fuhr dann unser Zug nach Arad. Wir teilten ein 6-er Abteil mit zwei Österreicherinnen. Der Zug war ziemlich in die Jahre gekommen, besonders die Toilette, aber dennoch fand ich es auf den plüschigen Stoffsitzen bei der Hitze angenehmer als auf den moderneren mit Kunststoffbezügen. Außerdem konnte man im Abteil das Fenster öffnen, auch wenn es sich bei der Fahrt immer wieder von selber verschloss. Die Fahrt selber war nicht besonders komfortabel. Es war das erste Mal, dass ich beim Zugfahren die Befürchtung hatte, reisekrank zu werden. An Lesen war kaum zu denken, schaukelte und ruckelte der Zug hin und her. Schön war, dass die Fahrt nicht lang war, sodass wir gegen halb drei schon in Arad eintrafen. Dieses Mal war der Weg zum Apartment nur 900 m, aber von dort zur Stadt waren es fast 3 km. Wir erwarteten von unserer Unterkunft nicht viel, denn sie war laut der Adresse wieder in einem Block. Wir staunten nicht schlecht, als wir vor ganz neuen Apartmenthäusern standen, der Aufzug in den wieder mal 5. Stock das Neuste vom Neusten war und das Apartment sich als ein super neues, modernes und komfortables erwies. Hier wären wir gerne länger geblieben. Wir kühlten uns ein wenig mit Hilfe der Aircondition ab und gingen dann auf Entdeckungstour. Erstes Ziel war ein Charity-Shop, der zum ersten Mal bei dieser Reise gut sortiert war und auch hochwertigere Sachen hatte. Dann suchten wir das Zentrum, in dem wir irgendwie schon waren, aber wo uns so etwas wie eine Fussgängerzone fehlte und wir daher glaubten, den Stadtkern wohl doch noch nicht ganz gefunden zu haben. Wir fanden ein paar sehr beeindruckende Gebäude wie den Kulturpalast und die Universität, beobachteten im sehr schönen Park am Flussufer des Mures die Feierlichkeiten zum Studienabschluss und gingen entlang einer der Hauptstraßen der Stadt. Wir gingen immer noch davon aus, dass es irgendwo noch so etwas wie eine Fußgängerzone, eine Geschäftsstraße oder ähnliches geben musste, aber für heute machten wir kehrt. Wir aßen eine Pizza und liefen zurück zur Unterkunft. Es war sehr anstrengend an dem Tag draußen zu sein, denn je weiter wir in den Norden kamen, je heißer wurde es. Eigentlich hatten wir es andersrum erwartet, aber zum Glück hatten wir die restliche Zeit sehr angenehme Temperaturen. Heute war das aber anders. Selbst um 17:00 zeigte das Thermometer einer Apotheke noch 36? im Schatten. Ich mochte den Wasserkanister kaum abstellen, weil ich gar nicht so schnell trinken konnte, wie ich schwitzte. Da das Wasser in den Balkanländern überall stark gechlort war und es auch noch viele alte Rohre in den Häusern oder Zuleitungen gab, sollte man tunlichst vermeiden, das Leitungswasser zu trinken. D.h., wir mussten Wasser schleppen. Zum Glück war der Lidl nur ein paar hundert Meter entfernt. Wir waren gespannt, was wir hier am kommenden Tag noch so Spannendes zu sehen bekamen. Arad war immerhin Kreisstadt und hatte 145000 Einwohner. Die Lage am Fluss war schön und man merkte hier inzwischen die nahe Grenze zu Ungarn. Man hörte zwischendrin mal deutsche bzw. österreichische Stimmen und sah Nummernschilder aus Deutschland oder anderen europäischen Ländern. Wir waren eindeutig auf dem Weg nach Hause.
Mittwoch, 21.6.2023 Arad
Arad hatte wirklich keine Fußgängerzone, jedoch war die Hauptstraße durch die Stadt mit Bäumen bestanden und in der grünen Mitte fuhr die Straßenbahn. Es hatte ein wenig Ähnlichkeit mit der Kö in Düsseldorf, war aber keinesfalls so mondän. Die Geschäfte waren einfache Läden, Apotheken, Second Hand Läden, Arztpraxen, einfache Boutiquen, nichts Hochpreisiges. Sie führte aber immer wieder zu oder entlang prächtiger Gebäude: Kathedrale, Villen, Paläste. Auch in manchen Nebenstraßen gab es viele sehenswerte Gebäude. Es war sehr schade, dass das Potenzial nicht voll ausgeschöpft und zumindest ein Stück zur verkehrsberuhigten Zone oder Fußgängerzone umgestaltet wurde. Wir konnten in Timisoara am eigenen Leib spüren, wie entspannend sich die ruhige Atmosphäre ohne Autos, mit Café- Terrassen, gelegentlichen Kunstwerken etc. auswirkte. Arad hatte mit viel Grün und Blumenbepflanzung schon einen guten Schritt gemacht. Besonders der Park entlang des Flusses mit Bäumen, Blumenbepflanzung, vielen Spielplätzen, Tischen zum Spielen, Sportanlagen wie Kletterwand, Rampen für Skater und Kunstwerken war sehr gelungen und bei der Hitze ein willkommener Schutz. Wir schlenderten durch diesen Park, shoppten in Second Hand Läden, ich ging zum Friseur, wir genossen ein Eis in einer im Internet hochgelobten Eisdiele – es war wirklich lecker – und verkrümelten uns am Nachmittag, als es in der Hitze gar nicht mehr erträglich war, in unserem Apartment. Nun ging auch in Rumänien unsere Zeit zu Ende und wir hatten nur noch eine Fahrt nach Ungarn und eine Nacht dort in Mosonmagyarova, bevor es unweigerlich wieder nach Deutschland ging.
Donnerstag, 22.6.2023 Arad – Mosonmagyarova
Nun waren wir also am letzten Ort unserer Reise, in Mosonmagyarova. Diesen Namen werde ich ich mir nie merken können und der Ort wurde auch nicht aus touristischen Gründen gewählt, sondern weil wir nicht die gesamte Strecke von Arad bis Zorneding an einem Tag hinter uns bringen wollten. Das wäre ätzend lang geworden und hätte die Gefahr in sich geborgen, Anschlüsse zu verpassen und ggf nachts irgendwo im Nichts zu enden. Wir mussten also einen Stopp an einer sinnvollen Stelle auswählen, d.h. irgendwo in der Mitte, wo wir weder in der Nacht abfahren noch am späten Abend oder früh morgens ankommen würden, denn beides war stressig bzgl. der Unterkünfte. Da wir im letzten Jahr bereits in Györ waren, entschieden wir uns, einen Bahnhof weiter auszuwählen und das war Mosonmagyarova. Es handelte sich um eine Kleinstadt mit rund 33000 Einwohnern, sie wirkte aber viel kleiner. Hier gab es ein Thermalhotel und man schien sich auf Gesundheitstourismus eingestellt zu haben. Es gab etliche Werbung für Zahnkliniken auf Plakaten und im Internet.
Wir hatten ein kleines Zimmer mit Bad, Wasserkocher und Mikrowelle, sodass wir am letzten Morgen vor der Heimfahrt hier frühstücken konnten. Am Abend gingen wir noch die rund 3 km bis zur Fußgängerzone und aßen dort Salat und Palatschinken und schauten uns ein wenig um. Es sah nicht besonders spannend aus, aber wir fuhren eh morgens früh weiter, unsere letzte Fahrt mit dem Interrailticket. Wir hatten sogar das Glück, noch Plätze in der ersten Klasse reservieren zu können, was auf einer 6-stündigen Fahrt auch sehr vom Vorteil war. Auf der Fahrt nach Mosonmagyarova hatten wir in Budapest noch einmal die 1. Klasse Lounge genießen können und uns mit Kaffee und Toasts verwöhnen lassen. Ob wir uns den Luxus der 1. Klasse noch einmal in unserem Leben leisten würden, war ehr unwahrscheinlich, auf jeden Fall nicht in osteuropäischen Ländern, wo nur wenige Züge überhaupt eine 1. Klasse hatten. Es war aber mal eine tolle Erfahrung und besonders bei unserer ersten Interrailtour zu Coronazeiten auch sicher vernünftig.
Freitag, 23.6.2023 – Mosonmagyarova – Zorneding
Nun war der Tag also gekommen, unser Interrailticket lief unweigerlich am Ende dieses Tages aus und dieses Mal lag kein weiteres Zuhause in der Schublade. Wir durften noch einmal im Luxus der 1. Klasse in einem durchgehenden IC bis nach München fahren, wo wir auch problemlos ankamen. Nun noch ein paar Stationen in der S-Bahn und dann war das Leben auf der Schiene zu Ende. Schade, aber es musste ja nicht das letzte Mal gewesen sein und wir brachten einen ganzen Rucksack voller schöner und interessanter Erinnerungen mit nach Hause, von denen wir sicher noch über Jahre zehren können.