Rund um die Ostsee

Dänemark


Sonntag, 23.7.22 Bad Harzburg – Hadersleben/ Dänemark
Wir sind wieder unterwegs. Dieses Mal bringt uns unser liebgewonnenes, altes Womi wieder von Ort zu Ort. Nachdem wir mit Zwischenübernachtung in Augustdorf am 20.7. nach Bielefeld gefahren sind, wo ich am Freitag, den 21.7. ein Klassentreffen meiner Grundschule von vor 51 Jahren besucht habe, ging es am 22.7. zu Freunden nach Neumünster, wo wir dann auch die Nacht verbrachten. Nach einem ausgedehnten Frühstück am Morgen verabschiedeten wir uns dort und starteten bei Dauerregen unsere Reise in den Norden. Unseren ersten Halt machten wir in Apenrade/ Aabenraa in Dänemark. Gut eingepackt in Regenkleidung wagten wir einen Spaziergang durch die Fußgängerzone und konnten uns inmitten bunter Häuschen auf Skandinavien einstimmen. Danach ging die Fahrt weiter bis Hadersleben/ Haderslev, wo wir auf einem ruhigen Plätzchen eines privaten Stellplatzes einer Familie, etwas am Ortsrand, die kommende Nacht verbrachten Wir hatten Strom und konnten so unsere nassen Sachen trocknen. Wir hatten nicht nur nasse Regenkleidung, sondern durften morgens bei unseren Freunden auch noch Wäsche waschen, weil Stefan völlig durchweicht vom Joggen kam.

Montag, 24.7.23 Hadersleben- Fünen
Unsere letzte Nacht verbrachten wir ruhig und angenehm auf dem kleinen Hofstellplatz bei Hadersleben. Wir statteten auch der netten Altstadt mit ihren bunten Häusern einen Besuch ab, bevor wir weiterfuhren nach Kolding. Wir fanden einen guten und kostenlosen Parkplatz und waren gleich begeistert von dem daneben liegenden Spielpark. Man konnte das wirklich nicht mehr Spielplatz nennen, sondern es war ein großer Park mit See und Tretbooten, diversen Spielanlagen für unterschiedliche Altersgruppen und zahlreichen Picknicktischen. Das Angebot wurde auch gut angenommen. Der erste Blick auf die Stadt selbst fiel auf das Schloss Koldinghus. Es wirkte eher wie eine alte Backsteinburg, und als Burg wurde es auch 1268 erbaut, um über die Grenze zwischen dem Königreich Dänemark und dem Herzogtum Schleswig zu wachen. Nachdem es 1808 ausbrannte, war es lange eine Ruine, bis es zum heutigen modernen Museum zur Schlossgeschichte mit künstlerischen Ausstellungen, Angeboten und Aktivitäten umgebaut wurde. Gefallen hat mir die Ausstellung über die Königsyacht Dannebrog. Man hatte die Inneneinrichtung des Schlosses so gebaut, dass man sich wie auf dem Schiff fühlte und die Kombüse, die Mannschaftskojen und die königlichen Räumlichkeiten durchwandern konnte. Im Schloss gab es immer auch wieder Spielmöglichkeiten für Kinder wie ein Holzkugelspiel, ein Flaggenpuzzle etc., und diverse Angebote zu bestimmten Zeiten für Groß und Klein verliehen dem Museum eine lebendige Atmosphäre.
Die Innenstadt von Kolding hat uns ebenfalls gut gefallen. Auch hier wurde deutlich, welchen Stellenwert Kinder hier haben, denn es gab ein 6000m² großes Kinderkulturzentrum mit Angeboten wie Kinderzirkus, handwerklichen und musikalischen Angeboten. Die Lage am Fjord und die hübschen bunten Häuser rundeten den positiven Eindruck dieser Stadt ab. Danach ging es auf unsere erste Insel, nach Fünen/ Fyn. Leider war der angepeilte Stellplatz am Wasser mit Blick auf die kleine Insel Fænø bereits belegt. Wir fuhren ein paar Kilometer weiter und hielten auf einem Wanderparkplatz am See mit Vogelbeobachtungsturm. Laut unserer Camping-APP sprach einer Übernachtung hier nichts entgegen und wir genossen die Stille und Idylle hier.

Dienstag, 25.7.23 Fünen/ Fyn
Das Wetter hatte sich zum Besseren gewendet, daher war nun Wandertag. Wir fuhren von unserem schönen und entspannten Wanderparkplatz, von dem uns letzte Nacht niemand vertrieben hatte, in Richtung Norden, genauer gesagt nach Fyns Hoved, was soviel heißt wie Fünens Kopf. Dieser liegt auf der Halbinsel Hindsholm. Laut dänischer Werbung handelt es sich um eine der schönsten Gegenden Dänemarks. Wir umwanderten nahezu das ganze Gebiet, das ein Naturschutzgebiet ist. Der Start war am Naturhafen Korshavn, wo wir zahlreiche Kitesurfer und Windsurfer über das seichtere Wasser einer Lagune flitzen sahen. Der Wind gab ihnen richtig Schwung und einer führte meterhohe Sprünge durch. Wir hatten einen wunderschönen Blick über zwei Lagunen und die Naturlandschaft mit Hagebuttensträuchern, Brombeerbüschen, Steppengras und vielen anderen Pflanzen und Blumen. Schmetterlinge tummelten sich munter in den Blüten und ließen sich sogar recht gut fotografieren. Wir liefen bis zur südlichen und nördlichen Spitze. Auf dem Hinweg blies ein ordentlicher Wind vom Westen, auf dem Rückweg waren wir geschützt durch die hügelige Mitte der Halbinsel. Wir kamen an einen Naturstrand, wo Menschen haufenweise kleine und große Steinfiguren gebaut hatten. Hier ergab sich ein Ausblick auf das offene Meer. Nach gut 6 km kamen wir wieder bei unserem Auto an. Auf der Hinfahrt fuhren wir am Ort Kerteminde vorbei. Da ich gelesen hatte, dass der Ort nett sein soll, statteten wir ihm auf der Rückfahrt einen Besuch ab. Das erste was uns auffiel, war ein völlig überlaufener Minigolfplatz. Wir waren bisher der Meinung gewesen, dass Minigolf in den letzten Jahren kaum noch Interessenten fand, hier traf das definitiv nicht zu. Die Familien standen Schlange, um den Schläger zu schwingen. Der Yachthafen war sehr gut ausgebaut und bot den Anlegern viele Annehmlichkeiten wie Grillplätze, Picknickplätze, ein Servisgebäude mit allem drum und dran von Waschmaschine, Sanitärräumen und, wenn ich richtig gesehen habe, sogar Aufenthaltsräume. Alles aber nur für diejenigen, die mit ihren Booten im Hafen lagen. Wohnmobillisten, auf dem mit 25€/Nacht ziemlich teuren Stellplatz, konnten gegen Extragebühr Dusche/WC nutzen. Auf dem Platz standen die Wohnmobile dicht gedrängt und wer nicht in der ersten Reihe stand, hatte auch keine Chance auf einen Ausblick auf den Hafen, geschweige denn die Ostsee. Das sagte uns nicht zu. Wir schlenderten noch durch die Einkaufsstraße, die sicher hätte netter sein können, wäre sie für Autos gesperrt gewesen. Sie war recht belebt, wohl vornehmlich durch Touristen, gefiel uns aber nicht so richtig gut. Nett war eine kleinere Straße, die wieder zu unserem Auto am Ortseingang führte. Hier standen eine ganze Reihe netter, kleiner, bunter Häuser, aufgereiht wie auf einer Perlenkette.
Wir entschlossen uns, uns für die Nacht wieder einen etwas kleineren, mehr in der Natur liegenden Übernachtungsplatz zu suchen und wählten wieder ein Plätzchen bei Privatpersonen in Norderhuse und waren sehr glücklich damit. Der Besitzer war ein netter Typ, der hier auch Folkfestivals durchführte. Es gab einen Rasen für bis zu 5 Wohnmobilen und man konnte im angrenzenden Haus eine Küche zum Spülen von Geschirr, sowie eine Toilette nutzen. WLAN war ebenfalls im Preis von 15€ enthalten. Zum Strand waren es 50 m und es war ein ruhiger und relaxter Ort. Es kamen nach uns zwar noch zwei Campingbusse aus HH und Österreich, aber es war dennoch nicht mit einer Heringsbüchse, wie viele öffentliche Stellplätze, zu vergleichen. Wir hatten wirklich Glück, denn es war deutlich Saison und Plätze füllten sich schnell.

Mittwoch, 26.7.23 Fünen/Fyn
Wir genossen es am Morgen, uns im Bad unseres Stellplatzes am Waschbecken ausgiebig mit heißem Wasser, inkl. Haare, waschen zu können. Auch war es nett, Wasser im Wasserkocher kochen zu können und in der Küchenspüle zu spülen. Es war ein sehr angenehmer Platz und die zwei Camper aus HH und Österreich störten überhaupt nicht. Wir fuhren nach dem Frühstück zu einem Naturschutzgebiet mit dem Namen Svanninge Bakker. Hier wanderten wir gut 10 km durch ein hügeliges Waldgebiet mit Mischwald, unendlich vielen Brombeeren, die leider noch nicht reif waren, Lichtungen mit Farn, Wiesen mit schwarzen grasenden Kühen, die laut Infotafel zur ältesten und widerstandsfähigsten Rasse in Europa zählten, einem Seerosenteich und Tümpeln mit Fröschen. Von einem unbewaldeten Hügel hatte man einen guten Ausblick über die herrliche Landschaft. Am Spätnachmittag fuhren wir nach Faaborg, einer hübschen Stadt an der Südwestküste von Fünen. Hier verbrachten wir die Nacht auf einem ausgewiesenen Stellplatz des großen Parkplatzes am Hafen. Die Stadt war sehr hübsch. Hier konnte man wieder merken, wie viel schöner die Atmosphäre ist, wenn man durch eine Fußgängerzone geht, als wenn man ständig auf Autos achten muss. Besonders schön waren hier die kleinen Gassen, die von der Fußgängerzone abgingen. Die kleinen, bunten Häuser waren alle wunderschön mit Blumen geschmückt. Die Farben der Häuser, wobei ein orange- ocker Ton dominierte, gaben dem Stadtkern ein sehr warmes Ambiente, besonders, wenn sie auch noch von der Abendsonne beschienen wurden. Der Stellplatz lag am Hafen und Busbahnhof, direkt gegenüber der Altstadt. Die Lage war super zentral und noch dazu kostenfrei, aber es war natürlich viel lebhafter hier als unsere letzten Plätze. Vom Kai nebenan schallte Livemusik hinüber und es waren natürlich immer wieder auch Leute auf dem Parkplatz. Wir wurden bei unserer Ankunft auch gleich von Jugendlichen angequatscht, dennoch wurde es ein ruhige Nacht.

Donnerstag, 27.7.23 Fünen/Fyn
Heute war ein wunderschöner Tag! Wir waren im Schloss Egeskov trotz des happigen Preises von 35€ pro Person, hatten allerdings das Glück, dass ich mit Behindertenausweis kostenlos reinkam. Das Schloss an sich war von außen fast schöner als von innen, denn es lag wunderbar idyllisch von Wasser und Gärten umgeben und hatte mit seinen roten Backsteingiebeln den typisch nordischen Stil. Im Schloss war das Eindrücklichste ein riesiges Puppenhaus, der „Titania’s Palast„, an dem der Erbauer Neville Wilkinson 15Jahre gebaut hatte. Dieser Miniaturpalast, nach der Elfenkönigin Titania benannt, war so edel und detailgetreu bestückt in seinen vielen Zimmern und Sälen, dass er sogar über eine kleine Kapelle mit bespielbarer Orgel verfügte. Bis zum kleinsten Teller war alles aufs Feinste eingerichtet. Die Titaniastiftung sammelte in einer Spendenbox Geld für Kinder der ärmsten Länder. Darüber hinaus war das Schloss wie viele andere, mit Schlafräumen, Saal mit Geweihen u.ä. ausgestattet und ein paar Räume wurden auch noch privat genutzt. Es wurde 1534-36 mitten in einen See gebaut, um sich vor den Unruhen der Reformation und des Bürgerkriegs zu schützen. Laut Überlieferung wurde dafür ein ganzer Eichenwald gefällt, um ein stabiles Fundament zu schaffen, daher heißt das Schloss auch Egeskov (Eichenwald). Uns gefiel aber die Anlage rundherum am meisten. Außer wundervollen thematischen Gärten, die einer Bundesgartenschau Konkurrenz machen konnten, gab es zahlreiche kleine Museen. Von Oldtimerautos, – motorrädern, -fluggeräten, Camping – und Outdooraustellung vom Beginn der dänischen Camping-Kultur Mitte des letzten Jahrhunderts, bis zu modernsten Dachzeltfahrzeugen und edelsten Glampingzelten war alles vertreten. Auch Haushaltsgegenstände, alte Werkzeuge, eine historische Schmiede, eine Spielzeugausstellung inkl. einer großen Spielzeugeisenbahn, wie auch eines alten Tante Emma Ladens, fehlte es an nichts. Überall in der Parkanlage gab es Spielangebote für Kinder, und zum Teil auch für Erwachsene, wie beispielsweise einem Baumwipfelpfad, der aber nicht mit festen Stegen, sondern mit Hängebrücken in, ich glaube 15m Höhe, von Baum zu Baum führten, eine ganz schön wackelige Geschichte. Uns gefiel sehr, dass der historischen Anlage Leben eingehaucht wurde und es kein steifes Museum war, mit Garten, in dem man auf keinen Fall auf den Rasen treten darf, wie häufig bei derartigen Gebäuden. Hier picknickten die Besucher auf Rasen und Bänken überall auf dem Gelände verteilt und es herrschte eine tolle Atmosphäre. Das Einzige, was uns nicht gefiel, waren die absolut überteuerten Preise der vielen gastronomischen Angebote. Wir konnten uns gut vorstellen, was es für Familien bedeuten musste, hier mit Kindern zu sein, wenn eine Eiskugel 4,80€, Softeis 5,60€, ein Kaffee zwischen 3,50€-5,10€ und z.B. ein Kindermenü 10,60€ kostet und das dann noch zum Eintritt von 134€ für zwei Erwachsene und zwei Kinder von 4-12J. hinzukommt. Aber das nur am Rande, für uns war es ein rundherum gelungener Besuch. Wir genossen fast 6 Stunden lang bei schönstem Wetter die Schlossanlage und haben es sicher nicht bereut, den Eintritt gezahlt zu haben. Am Abend waren wir noch kurz in Svendborg fürs Abendessen einkaufen und sind dann zu unserem traumhaften Übernachtungsplatz ca. 7 km vom Ort entfernt, auf einer privaten Pflaumenfarm gefahren. Neben einem schmucken, dänischen Häuschen, waren zwei Stellplätze auf einem Rasen für Wohnmobile reserviert und man bezahlte nur für Strom und Wasser, was wir uns hier natürlich leisteten. Der Besitzer war super nett, bot uns an, von seinen Kräutern im Garten etwas fürs Essen zu ernten und seine Pflaumenfarm anzusehen. Leider erwartete er in diesem Jahr kaum etwas ernten zu können, da es eine lange Dürreperiode im Frühjahr gab. Obwohl wir direkt an der Straße standen, war es absolut ruhig. Wenn wir wollten, konnten wir in einem kleinen Häuschen nebenan selbstgemachte Marmelade erwerben, alles auf Vertrauensbasis mit Kasse daneben. Welch eine Idylle!

Freitag, 28.7.23 Fünen- Thurø- Thâsinge- Langeland
Nach dem Frühstück und Auffüllen des Wassers, verließen wir unseren Stellplatz und drehten als erstes eine Runde über die kleine Insel Thurø. Wir fanden viele gutsituierte Häuser mit gepflegten Gärten vor, und in mehreren wurden „Loppes“ , Flöhe, verkauft. Ja, auch hier hieß Trödelmarkt Flohmarkt und die Dänen liebten ihn. Überall fand man zu unserer Freude “ Genbruksbutiken“, wo man alle möglichen Sachen finden konnte. Nach Thurø fuhren wir zurück auf die Insel Fünen, die hier Fyn heißt und besuchten die Hafenstadt Svendborg. Uns schallte beim Parkplatz bereits Musik entgegen und auf dem Weg in die Fußgängerzone kamen wir am Festgelände eines Festivals vorbei. In der Fußgängerzone begrüsste uns ein kleiner Flohmarkt und es herrschte reges Treiben. Bei dem schönen, sonnigen Wetter war es kein Wunder, dass überall Leute bei Restaurants und Cafés draußen saßen und den Tag genossen. Dieses Mal suchten auch wir ein kleines Bäckerei-Café auf und ließen uns Kaffee und Kuchen gut schmecken. Ich hatte ein Stück „Brunsvigerkage“, ein mit Zuckerguss bestrichener, fester Teig, Stefan aß Mohnkuchen. Die Besitzerin war eine sehr selbstbewusste Dame, die uns gleich auf ein Handyverbotsschild in ihrem Café hinwies, als wir unsere gerade zückten. Ob sie Angst vor Strahlung hatte, oder nur vermeiden wollte, dass die Kunden zu lange verweilten? Keine Ahnung. Ein französisches Pärchen draußen hat sie entweder nicht erwischt, oder bei der Außenbestuhlung war es ok. Dieses Pärchen stoppte sie jedoch mit bestimmter Stimme, nicht zu nah an ihre Kuchenauslage auf ihrem Tresen zu treten.
Wir setzten unsere Erkundung fort und kamen an den Hafen. Hier war Feststimmung aller Orten. Es fand ein Seglerfest statt und große, wirklich prächtige Zwei- und Dreimaster luden zur Besichtigung ein. Stefan war kurz davor, als Koch anzuheuern:). Überall waren Ess- und Getränkestände, die gut besucht waren. Es herrschte sommerlich entspannte Atmosphäre. Unser Besuch im Touristenbüro ernüchterte uns allerdings bezüglich der Fährpreise. Ein Ausflug mit Womi nach Ärø hätte uns fast 220€ hin- und zurück gekostet. In Anbetracht dessen, dass wir noch mehrere Fährfahrten und Brückenmauts auf unserer Wunschstrecke vor uns hatten, entschieden wir uns mit einem weinenden Auge gegen die Fahrt. Wir setzten unsere Fahrt fort und besuchten die nächste Insel Tåsinge. Wir hielten an der Bregninge Kirke. Wir hatten von dem tollen Ausblick vom Turm aus über die Insel gelesen und den genossen auch wir nun. Davon, auf dem Parkplatz zu übernachten, wie es laut Park4Night möglich war, nahmen wir Abstand, da ein dänisches Paar bereits mit großem Wohnmobil dort stand und trotz vorhandenem Picknicktisch sich mit Campingstühlen und Tisch ausgebreitet hatte. Dieses Verhalten fanden wir so unangemessen, weil es dazu führt, dass immer mehr Plätze für Wohnmobile verboten werden, dass wir uns entschieden, weiterzufahren auf die Insel Langeland. Wir hatten außer der Kirche im Internet und Reiseführer keine weiteren interessanten Stellen auf der Insel Tåsinge gefunden. Auf Langeland fuhren wir an die westlichste Stelle, zum Wanderparkplatz Ristinge Klingt und fanden ein wunderschönes Stückchen Natur zum Übernachten für uns. Zum Sonnenuntergang kamen zwar einige Autos, aber über Nacht standen wir allein in unserer Idylle. Wir machten noch eine schöne Abendwanderung an der Steilküste und genossen die friedliche Stimmung hier.

Samstag, 29.7.23 Langeland
Nach einer ruhigen Nacht auf dem genialen Parkplatz am Meer, begannen wir diesen Tag mit einer Wanderung zu Vogelbeobachtungstürmen, wobei Türme der falsche Ausdruck ist, denn das eine Gebäude war ins Wasser gebaut, sodass man durch die Fenster gerade so ca. 20 cm über der Wasserfläche einen Ausblick hatte. Die Vögel waren leider für unsere Handykameras zu weit weg, aber wir konnten große Libellen beobachten. Der Beobachtungsraum war wirklich purer Luxus gegenüber dem, was man sonst an solchen Stellen findet. Für die Sitzbänke gab es sogar Kissen! Unterwegs fanden wir die ersten reifen Brombeeren und sammelten gleich ein Schälchen für unser nächstes Frühstück. Unterwegs kamen wir noch an einem historischen Steingrab vorbei. Unser nächster Halt war an einer Stelle, wo man wilde Pferde beobachten können sollte, die hatten wir jedoch schon zuvor gesehen. Eine ganze Herde, die sich eng aneinander kuschelte. Hier fanden wir keine vor, dafür kamen wir an ein kleines Feriendorf mit Hafen. Wir nutzten die Gelegenheit und duschten uns bei der Hafenmeisterei. Frisch wie aus dem Ei gepellt fuhren wir ganz in den Süden der Insel Langeland. Auf unserer dortigen Wanderung erwischte uns dieses Mal ein Regenguss. Zum Glück stand ein kleines Wäldchen oberhalb der Steilküste, wodurch wir etwas Schutz hatten, ganz trocken blieben wir aber nicht. Da das Wetter trotz wieder hervorkommender Sonne nicht beständig erschien und es bereits Spätnachmittag war, begaben wir uns auf den Weg nach Rudkøbing, dem größten Ort der Insel, um für das Wochenende noch ein paar Lebensmittel zu kaufen. Wir schlenderten noch kurz durch die Fußgängerzone, die sehr nett aussah, aber die meisten Geschäfte hatten bereits geschlossen, daher machten wir uns auf, um einen Nacht-Platz zu finden. Unsere gute Erfahrung vom Vortag mit abgelegenen Plätzen am Wasser statt ausgestatteten Stellplätzen in Orten, führte uns auf einen Strandparkplatz nördlich von Rudkøbing, aber dieses Mal hatten wir Glück, überhaupt noch einen Platz zu finden. Die Stelle war auch wieder sehr schön, und das fanden wohl auch andere Wohnmobil- und Camperfahrer aus Tschechien, Frankreich, Italien, Holland und Deutschland. Es war also nicht so wildromantisch wie letzte Nacht, aber alle verhielten sich ruhig und angemessen, so konnten wir auch hier eine schöne, ruhige Nacht verbringen. Einen schönen Sonnenuntergang genossen wir ebenfalls.

Sonntag, 30.7.23 Langeland – Lolland
Wir besuchten unser zweites dänisches Schloss, bzw. dessen Park und zwar den Schlosspark vom Tranekær Schloss. Er war völlig anders als der von Egeskov, aber nicht desto trotz wunderbar. Er bestand größtenteils aus natürlichem Wald mit unglaublich alten, dicken Eichen, Buchen und Kastanien, teils so dick, dass man zwei Menschen brauchte, um ihre Stämme zu umarmen. Teilweise hatten sie schon alte, morsche Äste abgeworfen, bzw waren diese bei Sturm abgeknickt, dennoch wuchsen die Bäume weiter in den Himmel und büßten nichts an ihrer grünen und gewaltigen Krone ein. Zwischen den Bäumen und auf Lichtungen waren Kunstexponate ausgestellt. Viele bestanden einfach aus Ästen, die z.B. wie ein Mensch, oder eine Art Fluss aus Baumstämmen einen Hang hinab angeordnet waren, andere bestanden aus Gebilden aus Stein. Was uns aber besonders begeisterte, waren alte Wohnwagen, die von außen mit einem Werkstoff, der festgewordenem Sand ähnelte, verkleidet waren und von innen zumeist mit alten Fotos von Menschen auf Reisen. Eins sah aus wie auf einer Hochzeitsreise, bei einem anderen, wie ein glücklicher Familienausflug. Ein Wohnwagen war aber auch von Frauen und Kindern, die geflüchtet waren gestaltet, mit Kacheln, die darstellten, was Geflüchtete mitnehmen sollten, was sie mitgenommen haben und was sie vermissten. Das Schloss selber konnte man nicht besichtigen, aber es sah auch von außen schon sehr schön aus und im Garten fand ein Flohmarkt statt. Nebenan genossen Besucher den Tag auf der Caféterrasse und im Hintergrund hörte man ein Jazzkonzert. Es war eine schöne, sommerliche Stimmung.
Danach fuhren wir an den Hafen von Lohals und schlenderten etwas durch den gemütlichen, kleinen Yachthafen, beobachteten, mit welchen Schwierigkeiten eine Familie kämpfte, um ihren Motorsegler im recht vollen Hafen einzuparken. Wir gingen bis zum Strand, aber dann zeichnete sich Regen ab, also brachen wir wieder auf und besuchten noch die nördlichste Stelle Langelands. Als es wirklich zu regnen begann, entschieden wir uns, dass es Sinn machte, noch am selben Tag die Fähre nach Lolland zu nehmen. Wir fuhren zum Anleger nach Spodsberg, mussten nur 30 Minuten warten und konnten dann für knapp 40 € zur nächsten Insel hinüberfahren. Nach ca. 45 Minuten begrüßte uns Lolland genauso regnerisch, wie wir Langeland verlassen hatten. Wir entschieden uns, dass Schietwetter für eine große Wäsche zu nutzen und begaben uns zum Waschsalon in Naskov. Wir konnten fast davor parken, aber inzwischen hatte es auch schon aufgehört zu regnen. Wir packten unsere Wäsche von einer Woche Reise in ein 12 kg Maschine und taten zum dem automatisch im Preis enthaltenen Waschmittel noch etwas eigenes hinzu. Mit dem Ergebnis waren wir allerdings nicht besonders zufrieden, noch weniger mit dem des Trockners. Die Wäsche roch weder frisch gewaschen, noch war sie nach ca. 25Min so trocken, dass wir sie in den Schrank packen konnten, nicht mal die dünnen Kunststoff-Sportsachen. Dafür ca. 14€ zu verlangen, war schon unverschämt. Soviel hatten wir noch auf keiner unserer Wohnmobil Reisen fürs Wäschewaschen ausgegeben. Dafür standen wir in der kommenden Nacht kostenfrei direkt am Hafen. Es war ein normaler Parkplatz, aber von Park4Night als legal eingestuft, natürlich ohne irgendwelches Campingverhalten.

Montag, 31.7.23 Lolland
Wir stellten am Vorabend noch fest, dass wir für das Parken im Hafengebiet, anders als bei Park4Night beschrieben, 170kr/22,80€ hätten zahlen müssen. Wir entschieden uns, auf einen Parkplatz gegenüber, ohne Beschränkungen zu wechseln. Wir versuchten möglichst unauffällig zu bleiben und standen am Morgen früh auf und verließen den Nacht-Platz und stellten uns ein Stück weiter auf einen anderen Platz. Wir frühstückten und besuchten ein paar Second Hand Läden, derer es zahlreiche in Naskov gab. Sowohl die Kirche, als auch die Salvation Army und andere boten hier in gut sortierten Charity Shops Kleidung und Krims-Krams an. Im Salvation Army Laden wurden wir fündig und erstanden einen Teller von dem dänischen Künstler Poul Pava, der uns beiden gefiel. Im Laden gab es ein gemütliches Café mit sozialen Preisen, sodass wir noch gemütlich einen Kaffee tranken. Danach ging unsere Reise in ströhmenden Regen weiter nach Kragenæs zu den Dodekalitten, was aus dem Griechischen abgeleitet „12 Steine“ bedeutet. Zwölf 7-9 m hohe Steinfiguren mit sehr ausdrucksstarken Gesichtern bildeten einen Steinkreis und schauten von einer Anhöhe über das „Smålandhavet“. Ich würde die Ausstrahlung der Figuren zwar nicht wie ein Rezensent mit der Chinesischen Mauer vergleichen, aber die Figuren haben mich schon beeindruckt. Die Wirkung wurde verstärkt durch etwas mystische Musik, die tagsüber hier erklang. Die Figuren waren noch nicht alle fertig, sollen aber bis 2025 vom dänischen Künstler Thomas Kaziola fertiggestellt werden. Die Musik wurde vom kalifornischen Musiker Wayne Siegel komponiert, der seit 1984 in Dänemark tätig ist und für sein Lebenswerk geehrt wurde. Wir hatten ein riesiges Glück, dass unsere Regenkleidung von Kopf bis Fuss nicht nötig wurde, denn der Regen hielt eine Weile inne. Da es aber auch weiterhin sehr wechselhaft war, fuhren wir nach Maribo und besuchten einen dauerhaften Loppes Market in einer großen Halle. Hier konnten Einzelpersonen oder Familien Regale mieten und ihre Flohmarktartikel auf Kommission zum Verkauf anbieten. Das Angebot war erschlagend! Alleine Nippesfiguren füllten schon einige Regale, darüber hinaus Haushaltsartikel, Klamotten, Drogerieartikel, Schuhe, Deko etc. Stefan fand eine sich ausruhende Läuferfigur, die nun mit uns nach Deutschland zurückfahren wird. Wir schlenderten durch Maribo und besuchten weitere Charity Shops, aber weder die Läden, noch die Stadt selbst gefiel uns so wie Naskov, die eine wirklich gemütliche und mit Blumen geschmückte Innenstadt zu bieten hatte. Für die Nacht entschieden wir uns wieder für die Einsamkeit und fuhren in den Süden von Lolland in den winzigen Høvænge Havn. Hier gab es nur ein paar kleine, rote Fischerhütten, dahinter Wald und in dem Hafen dümpelten ein paar Boote im Wasser. Bei der Anfahrt hüpfte ein Reh vor uns über die Straße. Es war die totale Idylle. Einmal kam kurz ein Auto und die Insassen guckten eine Weile aufs Wasser, dann waren wir wieder allein. Da es bewölkt war und wohl kaum jemand mit einem tollen Sonnenuntergang rechnete, blieben wir hier auch alleine.

Dienstag,1.8.23 Lolland – Falster
Heute Morgen weckte mich ein Fischer, der mit seinem Auto genau neben unserem Womi parkte und seine Hütte aufschloss. Da wir die Fischer auf keinen Fall stören wollten, denn es war ja nur ein geduldeter Übernachtungsort, fuhren wir zum Frühstücken an einen anderen Platz, als Stefan vom Joggen zurück kam. Es regnete in Strömen. Nach dem Frühstück schafften wir es gerade so, im Trockenen zum kleinen Steg an unserem Rastplatz zu gehen, denn wir waren wieder an einem Vogelbeobachtungspunkt. Danach fuhren wir nach Sakskøbing, das einen lustig mit einem Gesicht bemalten Wasserturm hatte. Um dem schlechten Wetter einen Streich zu spielen, besuchten wir in der Stadt wieder Second Hand Läden und leisteten uns eine Bürste für unsere Womi Eingangsmatte und waren somit im Trockenen. Im Ort hatten die Leute anscheinend noch nicht genug vom Regen, denn es gab eine Bronzestatue mit einem Regenschirm, der lustiger Weise selber wie ein Springbrunnen regnete. Wir beschlossen, dass wir genug von der Insel Lolland gesehen hatten und fuhren weiter über den Guldborgsund. Es führte eine Brücke zur Insel Falster. Wir erreichten direkt den Hauptort Nykøbing Falster, der mir mit seinen rund 17000 Einwohnern schon fast zu groß erschien. Wahrscheinlich lag es aber auch an seiner Geschäftigkeit, denn hier kamen auch viele Touristen an, die Dänemark von Rostock aus per Fähre erreichten. Die Insel war somit Durchgangsinsel Richtung Kopenhagen, sowohl für Fährpassagiere von Rostock, als auch für diejenigen, die über Rødby Havn von Lolland über die Brücke kamen. Wir gingen einmal durch die Fußgängerzone, aber sie begeisterte mich nicht . Zum Shoppen interessierten uns nur die tollen Second Hand Läden, und davon waren hier nur zwei, ansonsten HM, Intersport und ein paar andere, uns unbekanntere Boutiquen und Geschäfte. Wir machten uns mit dem Womi auf den Weg zum südlichsten Punkt der Insel, nach Gedser-Odde. Um den Regen abzuwarten und meine Müdigkeit zu bekämpfen, kochten wir uns einen Kaffee und starteten den kleinen Fußmarsch vom Parkplatz aus als die ersten Sonnenstrahlen ins Womi schienen. Am südlichsten Punkt war ebenfalls wieder ein Vogelschutzgebiet und man hatte von oben einen schönen Blick auf die Steilküste. Es führte eine Treppe an den Strand unterhalb, den wir ein Stück entlang wanderten, bis es wieder von oben nass wurde. Wir entschlossen uns daraufhin, für diesen Tag Schluss zu machen mit den Besichtigungen und einen privaten Stellplatz anzusteuern, der alles Drum und Dran wie Entsorgung, Wasser, Strom etc. anbot, um mal wieder alles Nötige zu erledigen. Als wir ankamen, fanden wir sogar eine Vorrichtung vor, um unser Womi mal von außen zu reinigen,. Das hatten wir schon seit Italien vor zwei Jahren nicht mehr gemacht. Stefan kletterte oben aufs Womi und reinigte das Dach und rundherum mit einer Bürste mit Schlauch. Wir entsorgten Wasser und WC und reinigten Bad und Böden mit Reinigungstüchern. Nun blitzte wieder alles und wir genossen es, mit Strom versorgt zu werden und nicht auf unsere Batterie Rücksicht nehmen zu müssen, sowie den Ausblick auf eine Pferdeweide hinter uns.

Mittwoch, 2.8.23 Falster – Bogø – Møn
An diesem Morgen wachten wir bei Sonne auf. Da wir über Nacht alleine auf dem privaten Stellplatz geblieben waren und er von der Straße uneinsichtig war, machte ich zum ersten Mal auf dieser Reise etwas Sport neben dem Womi. Nach dem Frühstück verabschiedete sich unsere Stellplatzbesitzerin von uns mit ein paar Tomaten aus ihrem Garten, die super lecker schmeckten. Das war wirklich eine tolle Geste und was uns hier für 15€ geboten wurde, war wirklich gut.
Wir fuhren weiter zur Gartenanlage Corselitze. Es handelte sich um einen Gutshof mit bewegter Geschichte, der heute einer gemeinnützigen Stiftung gehörte. Den schön angelegten Garten mit Teich und prächtigen Bäumen konnte man besuchen. Danach sahen wir uns auch noch das historische „Lysthus“, ein 1786 im neoklassizistischen Stil errichtetes Ferienhäuschen des General Classen an, der auch das Gutshaus Coselitz einst errichten ließ. Viel zu sehen gab es nicht, aber es war ein ganz nettes, kleines Haus in idyllischer Lage am Meer. In Stubbekøbing machten wir im Anschluss einen kleinen Spaziergang und aßen ein paar Kekse auf einer Bank. Der Ort war eigentlich ganz niedlich und viele Radfahrer machten hier halt, aber leider hatte fast alles geschlossen. Das kleine Café, das überall ausgeschildert war, hätte sicher heute ein gutes Geschäft machen können, wären die Türen nicht versperrt gewesen. Wir verabschiedeten uns von der Insel Falster und fuhren über die Brücke auf die Insel Bogø, wo wir bei der Kirche von Fanefjord Halt machten. Das Herausragende dieser Kirche waren ihre in Sandfarben gehaltenen Kalkmalereien unter der Decke und an den Bögen im Innern, die unterschiedliche Szenen aus dem Neuen Testament darstellten. Von der kleinen Insel Bogø fuhren wir weiter auf die Insel Møn. Hier besuchten wir zuerst das Städtchen Stege, was mit ca. 3800 Einwohnern der Hauptort der Insel ist. Es gab ein paar schöne Gebäude und Ecken, aber man hatte leider versäumt, den Verkehr aus der Einkaufsstraße zu verbannen, so fanden wir es eher ungemütlich und verschwanden bald wieder. Nun wurde es Zeit für einen Nacht-Platz und wir wählten Klintholm Havn, einen kleinen, touristischen Ort mit Ferienhäuschen und Hafen, der einen Vogelbeobachtungsplatz hatte und eine Art Streetfoodmarkt, der aber dauerhaft dort war. Die Atmosphäre auf dem Markt war nett, aber die Preise verschlungen uns mal wieder den Hunger. Eigentlich wollte ich bei dieser Reise nicht ständig über Preise schreiben, denn wir wussten zuvor, dass Skandinavien teuer ist, aber so zur Einordnung hier doch ein paar Preise: Fish n Chips ca. 20 €, Veggie Burger ca. 20 €, Pommes ab 5€…Wir machen uns unser Essen doch wieder selbst im Womi. Unser Stellplatz war ein Parkplatz auf einem Rasenstreifen am Ortseingang zwischen Straße und dem Vogelschutzgebiet. Als wir kamen, erwischten wir gerade noch den letzten Platz. Ich habe nicht gezählt, aber es standen hier rund 12 Wohnmobile dicht nebeneinander. Wir hatten schon schönere Plätze, aber wir wollen nicht meckern, denn er war kostenlos.

Donnerstag, 3.8.23 Møn – Nyord
Unser Wunsch erfüllte sich, wir durften bei super Wetter die Kreidefelsen Møn Klints sehen. Wir wanderten knapp 8 km oberhalb der Steilküste, Stefan lief 3x die jeweils fast 500 Stufen hinunter bis zum Wasser und wieder hoch, ich beließ es bei einem Mal und traf leider die schlechteste Wahl. Der Blick auf die Felsen war bei den anderen Abgängen wohl noch beeindruckender, wie Stefan mir aus seiner Erfahrung sagte. Für mich kostete aber dieser eine Ab- und vor allem Aufstieg schon genug Überwindung und Kraft, dass an weitere Treppenabgänge nicht zu denken war. Mein Herz und meine Knie verlangten da doch etwas Rücksicht. Die vorgeschlagene Route, an einer Treppe hinunter zu gehen und an einer anderen wieder hoch, war leider nicht möglich, da unterhalb des Geo Centers die Stufen im Algenwasser standen. Ich fand den Blick von oben aber sowieso viel schöner und den bekamen wir an mehreren Ausblickstellen oberhalb der Küste. Ich hatte dafür das Privileg, in der Zeit von Stefans Abstieg ins Geo Center zu gehen und das aufgrund meines Behindertenausweises sogar kostenlos. Wir trafen uns wieder und wanderten auf und ab durch wunderbaren Buchenwald. Wer meint, Dänemark ist nur plattes Land, der irrt sich. Es war sehr hügelig und das merkte auch unser Womi als es bei der Weiterfahrt eine 15%ige Steigung bewältigen musste. Hut ab vor den vielen Familien mit kleinen Kindern, die wir hatten Wandern und besonders Radfahren sehen.
Nach den Kreidefelsen besuchten wir den Schlosspark vom Schloss Lieselund. Der Amtmann und Gutsbesitzer Antoine de la Calmette kaufte mit seiner Frau Lisa 1783 dieses Moor und Waldgebiet und ließ einen Garten mit unterschiedlichen Gebäuden im Stil der Romantik errichten. Das Gebiet war riesig inkl. Seen und ging bis zu den Kreidefelsen an der Küste. Man konnte dort jederzeit spazieren gehen.
Als Übernachtungsplatz wählten wir dieses Mal die kleine Insel Nyord, die direkt vor Møn lag. Es gab hier einen Shelterplatz bei einem ehemaligen Bauernhof, der jetzt als Naturschutzzentrum diente. Shelterplätze gab es an mehreren Stellen Dänemarks. Es waren kleine, nach vorne hin offene Hütten, die man als Nachtplatz mit Schlafsack und Isomatte nutzen konnte. Meist gab es noch eine Feuerstelle zum Kochen bzw. Grillen. Man musste sich in der Regel vorher online anmelden, ob es was kostete, ist mir unbekannt. Hier war sogar noch ein Spielplatz dabei und beim ehemaligen Bauernhaus gab es Brombeeren zu pflücken. Wen wundert es, dass es bei uns an dem Abend Brombeerpfannkuchen gab?
Wir hofften auf eine klare Nacht, denn dieser Ort gehörte zu den Orten Europas mit der wenigsten Lichtverschmutzung, sodass bei klarem Himmel viele Sterne zu sehen sein sollten.

Schweden

https://youtu.be/LEq8OIoSM-4

Freitag, 4.8.23 Møn – Sjælland – SCHWEDEN
Nach einer ruhigen Nacht, allerdings ohne Sternegucken, weil es zu dieser Jahreszeit nachts viel zu hell war, fuhren wir am späten Vormittag weiter zu unserer letzten dänischen Insel, nach Seeland/Sjælland. Wir besuchten Stevns Klint, wieder Kreidefelsen und dort einen alten Kalksteinbruch, der inzwischen Museum war. Die Felsen waren Weltnaturerbe, weil man anhand der gefundenen Fossilien ein Massensterben von rund der Hälfte aller Tiere vor 66 Millionen Jahren nachvollziehen konnte. Wir fuhren entlang der Küste, besuchten den Leuchtturm oberhalb der Felsen und fuhren dann weiter zum Schloss Vallø bei Køge. Das Schloss war nicht zu besuchen, aber wieder fanden wir einen großen Park mit faszinierenden alten Bäumen vor. Das war unser letzter Stopp in Dänemark, danach ging es über die Ōresundbrücke nach Schweden. Wir hatten am Vorabend beschlossen, etwas mehr Gas zu geben und nicht jede Region so kleinteilig mehr anzusehen, da uns die Zeit sowieso schon weglief. Es erschien bereits unwahrscheinlich, dass wir die ganze Tour so machen würden, wie Stefan sie geplant hatte. Wir waren gespannt, wie weit wir kommen würden. Wir wollten nicht überall dran vorbeifahren, aber es musste vielleicht auch nicht jeder Vogelturm besucht werden. Wir übernachteten in unserer ersten Nacht in Schweden auf einem kostenlosen Parkplatz in Vellinge rund 20 km südöstlich von Malmö. Dieses Ziel war unserem Gasmangel geschuldet. Wir hatten wieder das Problem, dass es in Europa leider keine einheitlichen Gasflaschen gab und wir zwei deutsche, graus Propangasflaschen hatten, wovon eine bereits leer war. Stefan hatte sie bei Abreise zwar hochgehoben und war der Meinung, sie wäre noch fast voll, aber das täuschte wohl. Vor zwei Tagen war sie, nach nur zwei Wochen sparsamem Verbrauch, bereits leer. Eigentlich hatten wir ohne heizen mit mindestens 3 Wochen gerechnet. In Dänemark konnte man keine Flaschen befüllen lassen und es gab wohl auch nur sehr vereinzelt Campingplätze, die deutsche Flaschen tauschten. Hier in Schweden durften Flaschen von autorisierten Händlern laut Internet befüllt werden und zu so einem Händler hier in der Nähe machten wir uns auf den Weg. Dummerweise gab es aber nur einen Flaschenautomaten. Da eine der angebotenen Flaschen so aussah wie unsere, stellten wir unsere leere Flasche rein, zahlten und bekamen eine volle. Leider war es aber eine falsche. Sie passte nicht zu unserem Anschluss und wir hätten sie auch bei uns in Deutschland später nicht wieder gegen eine volle tauschen können. Was nun? Wir schickten eine SMS an die Notrufnummer und eine Weile später kam der Sohn des Gashändlers und teilte uns mit, dass sein Vater Flaschen befüllt, aber nur samstags und mittwochs für zwei Stunden. Wie gut, dass der nächste Tag ein Samstag war! Der Sohn holte uns unsere leere Flasche wieder raus und stellte die volle zurück in den Automaten. Das Geld konnte er uns nicht rausgeben, aber er meinte, sein Vater könnte das morgen mit der Befüllung verrechnen. So übernachteten wir im nächsten Ort und hofften, dass das am kommenden Tag problemlos klappen würde. Wäre schon blöd gewesen, wenn wir die letzten ca. zwei Wochen kein Gas mehr gehabt hätten. Kochen ging notfalls auf dem Campingkocher, aber ohne Kühlschrank sah es schlecht aus.

Samstag, 5.8.23 Vellinge – Ystad
Wir konnten wieder beruhigt schlafen, oder besser gesagt kochen. Wir bekamen ohne Probleme unsere Flasche gefüllt und noch dazu hat der Gasverkäufer uns kostenlos noch 1kg in unsere derzeit im Gebrauch befindliche Flasche nachgefüllt. Jetzt konnte uns nichts mehr in der Richtung passieren, solange uns kein Wintereinbruch überraschte und wir hätten heizen müssen, oder Stefan 5-gängige Menüs kochte:). Der Tag begann aber nicht mit Gastanken, sondern mit einem unkonventionellen Frühstück auf dem Ortsplatz von Vellinge. Hier hatten wir endlich mal wieder WLAN, das erste Mal auf unserer Reise! Wir hatten echt Probleme mit unserem Datenvolumen. Stefan war schon seit zwei Tagen ohne Internet bzw. extrem gedrosselt und ich hatte eigentlich für diesen Monat ebenfalls schon viel zu viel verbraucht und erwartete am Ende des Monats ein dickes Problem. Das Suchen von interessanten Zielen und Übernachtungsplätzen, die Navigation, WhatsApp, E-Mail und die Nutzung von Duolingo forderten ihren Preis. Ich hoffte daher sehr, dass wir in Schweden jeden Tag mindestens einmal an freies WLAN kommen würden. Am ersten Morgen hatte es also bereits geklappt und wir genossen jeder ein Blaubeerküchlein und einen Kaffee aus dem Kühlregal des Supermarkts nebenan während wir nebenbei unseren Datenhunger stillten. Danach fuhren wir zum Gas holen und dann an die Spitze der Halbinsel Falsterbo. Hier wurde es deutlich, dass wir nun in Schweden waren. Eine ganze Reihe bunter, kleiner Strandhäuschen zogen sich wie an einer Kette entlang der Küste. Dahinter Hagebuttensträucher mit leuchtenden Früchten, davor weißer Sandstrand, dann das blaue Meer. Wir hatten tolles Wetter, Sonne, ein paar Wolken und richtig schönes Licht. Wir wanderten eine Runde durch diese bezaubernde Landschaft, bevor wir weiterfuhren zu einem Park bei Albäckskogen. Der Park war nicht sehr spannend, aber wir konnten hier Trinkwasser bekommen und es gab eine brauchbare öffentliche Toilette. Unser nächstes Ziel war Trelleborg. Hier spielte im nett angelegten Stadtpark eine junge Band. Ihre Fans, schätzungsweise ein paar Freundinnen und Klassenkameradinnen und ein paar alte Leute, vielleicht die Großeltern, oder auch Senioren, die sich in ihre rockige Jugend zurückversetzen ließen, lauschten der zwar nicht guten, aber lauten Musik. Wir fanden es trotzdem gut, dass einer Nachwuchsband die Möglichkeit geboten wurde, hier mal auf großer, öffentlicher Bühne zu spielen. Nicht weit von hier leisteten wir es uns zum ersten Mal auf dieser Reise, wieder mal essen zu gehen. Wir fanden eine Pizzeria, die verschiedene vegetarische Pizzen anbot, unter anderem eine mit Banane, Ananas, Currysoße und Erdnüssen. Wir wählten eine „normale“ vegetarische Pizza und eine von dieser Sorte und teilten. Beide waren sehr lecker und gegen 17,50€ inkl einer Cola konnte man wirklich nichts sagen. In Dänemark hätten wir dafür sicher über 40€ bezahlt. Auch im Supermarkt erschienen uns die Preise wieder angemessener. Wir hatten nicht erwartet, dass Dänemark so im Preisniveau angezogen hat, dass Schweden jetzt günstiger war. Da wir in Dänemark aber häufig kostenfreie Übernachtungsplätze, oder nie welche über 15€ hatten, hielten sich die Ausgaben dennoch in Grenzen. In Schweden, zumindest hier im Süden, schien es mit den Stellplätzen nicht gerade einfacher zu werden. Das „Jedermannsrecht“ wurde häufig durch Verbotsschilder aufgehoben und in Wohngebieten gab es die Abstandsregeln von Häusern. Es ging uns eigentlich gar nicht so sehr darum, dass wir kein Geld für die Übernachtung zahlen wollten als darum, dass auf Stellplätzen und häufig noch schlimmer auf Campingplätzen die Wohnmobile wie in der Sardinenbüchse standen, die meisten in den Häfen lagen, wo von früh bis spät Hafenlärm herrschte und häufig für das Geld noch nicht mal mehr als der Parkplatz geboten wurde. Wir standen gerade auf so einem öffentlichen Stellplatz, direkt an der Straße, nur mit zwei Dixi Toiletten und Platz für 50 Camper in der Reihe. Bis nach Ystad waren es noch knapp 3 km zu Fuß, also nicht mal gerade ein Abendspaziergang. Der Platz war zwar direkt am Meer, aber nur die erste Reihe, vielleicht 10 Wohnmobile, hatten Blick auf das Wasser, bei uns war dazwischen noch ein Firmengebäude und ein Haus des hiesigen Segelclubs. Die zwei schöneren Wanderparkplätze zuvor waren nur für Autos erlaubt, wirklich schade!

Sonntag, 6.8.23 Ystad
Für diesen Tag gab es nur einen kurzen Bericht: REGEN! Es goss in Strömen und es war Sonntag, d.h. das Filmmuseum, das Schwimmbad, die Einkaufsmall und natürlich auch alle anderen Geschäfte hatten geschlossen, bis auf Supermärkte, einen Elektronikmarkt und ähnliches. Meinen Datenmangel irgendwo nett auf einem Plätzchen in der Innenstadt mit City-WLAN auszugleichen, fiel genauso ins Wasser, wie gleiches bei MC Donald zu erledigen, denn auch der hatte geschlossen! Wir verbrachten also eine Weile im Eingang des ICA Supermarktes, der WLAN hatte, bis ich ein paar wichtige Daten runtergeladen und das nette Stimmchen von Stefans Mutter abgehört hatte. Danach statteten wir dem Elektronikladen nebenan einen Besuch ab, weil unsere Handyhalterung immer abfiel, aber die hatten nicht das richtig Passende für uns, also durchforsteten wir unser Womi nach alternativen Rettungsstrategien. Die alte Halterung wurde ab sofort noch extra mit Gummis an den Lüftungsschlitzen befestigt. Dann stellte sich endgültig die Frage, was wir mit dem weiteren Tag anfangen sollten. Waschsalons schien es in weitem Umkreis auch nicht zu geben. Wir entschieden uns, ausstaffiert mit Regenkleidung, doch noch die Innenstadt von Ystad zu erkunden. Wir verbrachten etwa eine Stunde in mehr oder weniger strömendem Regen in den Gassen der Fußgängerzone, freuten uns über einen Kunsthandwerksladen, der geöffnet und auch noch nette Sachen zum Anschauen hatte und stellten ansonsten fest, dass Ystad an einem sonnigen Wochentag sicher ein sehr hübsches Städtchen war. Außerdem, dass weder Stefans Jacke, noch seine Gummiregenhose wirklich dicht waren. Ich hatte zusätzlich noch einen Schirm mitgenommen und kam mit einem feuchten Gefühl, dass wohl ehr vom Schwitzen als vom Regen kam, sowie feuchten Zehen davon. Wir entschlossen uns, weiterzufahren und evtl. noch einem Steingebilde in der Landschaft einen Besuch abzustatten, aber als der Regen immer schlimmer wurde und wir sahen, dass der erste meiner in Betracht gezogen Übernachtungsplätze bereits bis auf einen Platz voll war, nutzten wir die Chance. Wir befürchteten, dass die staatlichen Stellplätze, die näher bei der nächsten Stadt waren, erst recht voll sein würden. Viele zogen die teuren Plätze mit Strom und drum und dran und Stadtnähe vor. Nun standen wir auf einem kostenlosen Parkplatz an einer Landstraße mit Weideland und einem kleinen Hügel zwischen ein paar anderen Wohnmobilen und hofften, dass die Schlechtwetterfront bald weiterzog.

Montag, 7.8.23 Ystad – Norgersund
Die letzte Nacht war sehr stürmisch und es goss fast durchgehend. Wir waren ausnahmsweise froh, dass alle Camper eng beieinander standen und wir uns gegenseitig Schutz bieten konnten. Obwohl wir grottenschief standen und ich mit dem Kopf am Fußende schlief, habe ich schon lange nicht mehr so fest geschlafen. Vielleicht brauchte ich ja das Ruckeln seit unserer Interrailtouren?
Am Morgen brachen wir vor dem Frühstück auf, weil es einigermaßen trocken war und wir das ausnutzen wollten und fuhren zu „Ales Stenar“ (die Steine von Ale). Auf einem Hügel oberhalb der Ostseeküste bei Kåseberga befand sich eine Schiffsetzung (Urnengräber, die in Form eines Schiffes errichtet wurden) aus 59 Steinen mit bis zu 1,8t Gewicht. Man vermutete, dass sie ca. 1400 Jahre alt waren. Die Schiffsform maß 67 x19m und galt damit als eine der größten Skandinaviens. Auf dem Weg zu den Steinen befanden sich nette Häuschen mit kleinen Cafés, unter anderem auch eines mit Outdoorprodukten von einem „Vanlife“ Paar. Sie boten viele nette Dinge an, die man bei einer Reise mit einem Camper so brauchte, von Tassen bis zum großen Profifilter für Leute, die fernab aller Zivilisation sauberes Trinkwasser haben wollten. Café und Geschäft waren wirklich cool gemacht, die Preise aber auch sehr gesalzen, aber das kannten wir ja bei Outdooranbietern auch sonst. Wir schafften es gerade noch einigermaßen trocken zum Womi zu kommen, als es wieder richtig loslegte zu regnen. Wir frühstückten und fuhren dann weiter in den Ort Simrishamn. Es handelte sich um ein nettes, wenn auch nicht herausragendes Städtchen, wo wir einmal die Fußgängerzone bis runter zum Hafen und zurück liefen. Wir fanden ein süßes Café und entflohen dem Schietwetter zu Kuchen, Kaffee und WLAN. Ich musste jede Möglichkeit nutzen, um meine mobilen Daten zu sparen. Nach der netten Kaffeepause ging die Fahrt weiter zum Nationalpark Stenshuvud. Ich hatte nicht viel Hoffnung, dass uns eine längere Wanderung vergönnt sein würde, aber wir hatten Glück. Wir konnten beide Wanderwege, die zugegebenermaßen nur knapp 6 km insgesamt lang waren, einigermaßen trocken hinter uns bringen. Wir liefen durch sehr schönen, fast magisch wirkenden Wald, wo es mich nicht erstaunt hätte, wenn hinter einem Baum ein Troll hervorgeschaut hätte, über Steine einer frühzeitlichen Burg und hatten einen leider etwas verhangenen Ausblick über die Küste. Etwas klamm kamen wir schon zurück, aber im Großen und Ganzen war es nur feucht, goss aber nicht. Danach begaben wir uns auf die Suche nach einem Stellplatz mit Waschmaschine, was sich als nicht so einfach erwies. Meine erste Wahl erwies sich unterwegs als zu weit, wenn auch nach einem 1/4 des Weges noch der Forsaker Wasserfall auf der Strecke war. Bis zu diesem fuhren wir, aber nur Stefan lief schnell zum Ausguck, weil uns die Zeit weglief. Ich guckte in der Zeit erneut bei Park4Night und fand einen anderen Stellplatz an der Küste, der über Waschmaschine verfügen sollte. Der passte uns von Zeit und Richtung besser. Als wir nach 40 Minuten dort ankamen, war er nur dummerweise gesperrt, weil auf dem Gelände für ein Jazzfestival aufgebaut wurde. Unsere Suche nach der Waschmaschine war auch erfolglos, hätte aber auch nichts gebracht, da wir dafür einen Code gebraucht hätten und den gab es nur bei Bezahlung für eine Stellplatzübernachtung. Stefan fand zum Glück noch einen weiteren Hafenstellplatz mit Waschmaschine ein paar Kilometer weiter in Nogersund, wo wir uns hinstellten. Eine Waschmaschine voll Wäsche wurde schnell gewaschen und musste nun mit Heizer über Nacht in unserem Bad trocknen. Leider gab es hier nämlich keinen Trockner. Gut, dass Stromanschluss inklusive war, eine warme Dusche auch, so lohnten sich die 18€ wenigstens. Nun hofften wir nur noch, dass sich das Wetter bald wieder besserte.

Dienstag, 8.8.23 Norgersund – Karlskrona
In der Nacht hatte der Wind den Regen so gegen mein Alkovenfenster gedrückt, dass es an einer Stelle reingetropft hatte. Ich bemerkte es erst am Morgen, klebte die Lüftungsschlitze zu und trocknete mit Zeitung und Handtuch die Stelle. Es hatte zum Glück aufgehört zu regnen, aber es stürmte nahe der Küste noch immer heftig und war richtig kalt draußen. Wir kamen erst gegen 12:00 vom Stellplatz weg, weil wir soviel Haushaltskram zu erledigen hatten. Wäsche, Spülen, Entsorgung, Wasser etc. Wir fuhren zum Naturreservat Stärnö – Boön auf der durch Straße zu erreichenden Insel Stärnö und machten eine schöne Wanderung von einem idyllischen Naturstrand mit kleinem Eiskiosk aus. Für Behinderte hatten sie eine extra Rampe ins Wasser gebaut. Mir war zwar nicht klar, wie das funktionieren sollte, aber vielleicht gab es ja spezielle Rollis fürs Wasser. Wir hatten eine solche Wasserrampe schon an einem anderen Strandbad zuvor gesehen. Das Wetter war trocken, aber leider noch nicht sonnig. Der Rundwanderweg verlief durch knorrigen Mischwald mit Farnen, Moosen, Flechten, Heidegewächsen, Blaubeersträuchern, die leider nichts trugen, dafür konnten wir uns aber Himbeeren und Brombeeren auf der Zunge zergehen lassen. Immer wieder kamen wir an großen Findlingen vorbei, und liefen über Felsen, die wohl bei der letzten Eiszeit hier gestrandet waren. Unterwegs gab es etliche Picknickplätze, zum Teil sogar mit kleinen Grillunterständen. Ein Weg war extra für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen angelegt, unserer ging über Stock und Stein und Wurzeln. Er war bis auf das Ende, wo er auf einer Straße zwischen Naturreservat und militärischem Sicherheitsgebiet verlief, sehr schön und Bäume und Büsche hielten den Wind von uns ab.
Das nächste Ziel war Karlshamn, wo wir ein paar Second Hand Läden unsicher machten. Auch in Schweden standen die Leute auf „Löpes“ und man sah häufig Krimskrams vor dem Haus zum Verkauf stehen. Der letzte Laden, er schien Behinderten oder sozial Benachteiligten Arbeit zu verschaffen und hatte auch ein Café mit sozialen Preisen.
Weiter ging die Fahrt nach Haslö, wiederum einer durch Straße erreichbaren Insel. Wir fuhren einmal bis zur Spitze und liefen ein paar Schritte in einem Naturschutzgebiet, denn die Sonne war inzwischen rausgekommen und verwandelte die Landschaft mit schönstem Licht. Leider war der Wind aber so kalt, das wir uns schnell wieder zum Womi begaben und entschieden, dass wir besser über Nacht nicht auf einer windgepeitschten Insel unseren Schlafplatz suchen sollten, sondern etwas geschützter auf dem Festland. Wir verbrachten diese Nacht auf einem großen, geschotterten und kostenlosen Stellplatz im Außenbezirk von Karlskrona. Nicht hübsch, aber etwas geschützt durch einige andere Womis.

Mittwoch, 9.8.23 Karlskrona – Bröms
Unser Nachtplatz war zwar nicht schön, aber sehr praktisch, denn er war direkt neben einer Tankstelle. Hier durfte man die Toilette kostenlos benutzen und hätte gegen Geld sogar duschen können, was wir aber noch nicht wieder benötigten. Was hingegen super war, war dass es dort freies WLAN gab. Ich ging daher am Morgen direkt dort hin und erledigte alle möglichen Dinge, für die ich sonst viele Daten verbraucht hätte. Ich googelte nach sehenswerten Zielen und schrieb Servasgastgeber an. Ich hatte noch Hoffnung, dass nicht alle entweder im Urlaub oder krank waren, wie es uns in Dänemark ergangen war, wobei wir sogar eine Einladung bekamen, allerdings waren wir da schon über die Öresundbrücke nach Schweden gefahren. Schade! Zu meinem Surfen im Internet trank ich gemütlich Kaffee und lud mein Handy in der Steckdose am Tisch. Hier war an alles gedacht, einfach perfekt. Als Stefan vom Laufen kam, setzte er sich zu mir. Nach dem Frühstück besuchten wir Karlskrona. Wir schlenderten durch die Fußgängerzone, fanden etliche nette, alte Häuser und besuchten den Staksholmen, einen Steinhügel auf einer vorgelagerten Insel, den man über einen Holzsteg zu Fuß erreichen konnte. Nach der Stadt ging es raus in die Natur über mehrere kleine Inselchen zur Insel Tjurkö im Schärhafen von Karlskrona. Hier entstand Ende des 19. Jahrhunderts das Zentrum der Steinhauerindustrie, begonnen von einem deutschen Ingenieur namens Herrman Wolff. Er hatte damit die Bevölkerung und die Insel, die zuvor von Landwirtschaft und Fischerei lebte, komplett verändert in eine Industriegesellschaft mit Lohnarbeit, die auch Arbeiter aus anderen Orten anzog. Der Steinbruch war hauptsächlich zum Export von Pflastersteinen vorgesehen. Es wurden Arbeiterkasernen gebaut, und als die Wirtschaft und damit die Lebensbedingungen immer mehr aufblühten, entstanden auch Geschäfte, Gaststätten und Bierhallen. Der Staat brachte 5000 kleinkriminelle Gefangene als Zwangsarbeiter auf die Insel. Im Laufe der Zeit wurde aber immer mehr Arbeit in andere Bezirke verlegt und Steinhauer suchten sich Arbeit nahe Karlshamn, sodass die Steinbrüche der Insel Tjurkö in den 30iger Jahren des letzten Jahrhunderts immer mehr verwaisten und die Leute verarmten. In den 50iger Jahren war dann ganz Schluss mit der Steinhauerei und jetzt war das ganze Gebiet Zeuge der Geschichte, die museal dokumentiert wurde. Es waren noch Gebäude wie die Arbeiterkasernen, das Restaurationshaus mit Bäckerei, Lokal, Arztwohnung, ein Pulverhaus, Schienen etc. zu sehen und überall Steinhaufen, Löchern und Mauern aus den Steinen. Es war sehr interessant und ebenso die Kunsthandwerke, die heute in dem Restaurationshaus angeboten wurden. Nach diesem geschichtlichen Exkurs besuchten wir noch unterschiedliche Naturreservate auf den anderen Inseln, über die wir zurück ans Festland fuhren, sowie ein Vogelschutzgebiet bei Torhamn. Wie auch bei uns noch bis Ende des letzten Jahrhunderts, waren hier Naturschutzgebiet und Militär auf dem gleichen Gelände und wir gingen auf erlaubten Wegen bis zum Aussichtsturm. Es erinnerte mich sehr an die Lüneburger Heide, wo bis in die 90iger Jahre militärische Übungsgebiete im Naturschutzgebiet waren und z.T. heute noch sind. Interessanterweise erinnerte auch die Vegetation sehr an die Lüneburger Heide, bis darauf, dass hier die Heide direkt am Meer wuchs.
Nachts standen wir mit drei anderen Wohnmobilen auf einem Wanderparkplatz bei Bröms.

Donnerstag, 10.8.23 Bröms – Kalmar
Ein richtig gelungener Tag! Während Stefan joggte, bin ich auf dem Wanderweg vor unserem Übernachtungsplatz ein Stück gelaufen. Nach dem gemeinsamen Frühstück fuhren wir weiter nördlich und kamen bei Bergkvara an einem Campingplatz mit Café vorbei. Da ich dringend WLAN brauchte, tranken wir dort einen Kaffee und genossen die super süße und gemütliche Ausstattung des Cafés mit Sofa und Sesselchen. Von dort ging’s weiter zum Naturreservat Örarevet. Der Beginn des Weges war sehr schön. Ein kleiner, einsamer Badestrand mit weißem Sand, einem langen Steg, einer Sitzgarnitur und einem kleinen Spielplatz. Leider ging der Weg dann aber nicht wie erhofft am Wasser entlang mit Blick auf die Schären, sondern durch ein Waldgebiet. Ein Stück des Weges wäre am Wasser gewesen, der Weg stand aber unter Wasser. Wir drehten dennoch eine Runde und fanden auch ein paar Blaubeeren. Das nächste Ziel hieß Kalmar Dämme Sittplats und ich erwartete nicht besonders viel, aber es war ein wunderschönes Gebiet, etwas im Inland mit Seenlandschaft, Vogelbeobachtungstungstellen und wunderbar angelegt mit Pfaden übers Wasser, kleinen, geschützten Sitzecken, z.T. überdacht und viele gleich mit einem Grill dabei. Das Gebiet war direkt vom Rastplatz der Autobahn zu Fuß erreichbar, nicht wie bei uns, wo man meist vor Zäune läuft, wenn man sich die Beine vertreten will. Zum Schluss begann es wieder etwas zu regnen, hörte aber bald wieder auf. Es war zwar noch Nachmittag, aber wir fuhren von dort, nach einem kurzen Lebensmitteleinkauf, nach Kalmar auf unseren Übernachtungsplatz. Es war ein kostenloser Platz hinter einer Fabrik, von daher nicht wildromantisch, aber er hatte viele Vorteile. Er lag auf einer vorgelagerten Landzunge, von der aus man übers Wasser direkt auf das Kalmarer Schloss blicken konnte. Bis zum Kunstmuseum waren es 1,3 km, genauso weit bis in die Innenstadt, er lag also super zentral. In ca.100 m hatte man noch dazu eine Plattform mit Ausblick auf die kleine Insel Grimskär, die man leider nicht besuchen konnte. Wir schlenderten entlang des Wassers Richtung Stadt, hatten immer das Schloss im Blick und kamen durch einen netten Park, wo wir in Hängematten schaukeln konnten. Danach wurde uns erst richtig klar, wie viel Glück wir mit unserem Stellplatz hatten. Es war ab diesem Tag Stadtfest! Der Park führte uns zu einer Street Food Meile rund um das Kunstmuseum, das an diesem Tag sogar seine Tore kostenlos öffnete. Es gab drei Ausstellungen: eine einer Künstlerin, die auch Bilderbücher illustrierte, die ganz süß war, eine mit Installationen, die uns nichts sagten und eine dritte mit Bildern zum Thema Erotik. Es war ganz nett, sie anzuschauen, aber hätten wir dafür bezahlt, hätte es uns wahrscheinlich leid getan. Wir nutzten dort noch einmal das kostenlose WLAN, um unseren Lieben Bilder und Filme zu schicken und Neuigkeiten auszutauschen. Danach stürzten wir uns in das Getümmel in der Innenstadt, wo zwei Bands spielten. Zum Abschluss des schönen Tages durften wir auch noch einen tollen Sonnenuntergangshimmel mit Schlosssilhouette genießen. Wir dachten schon, die Schweden hätten die Sonne abgeschafft, aber es schien sie doch noch zu geben. Das ließ auf einen weiteren schönen Tag in dieser netten Stadt hoffen.

Freitag, 11.8.23 Kalmar – Rockneby
Wir schauten uns heute Kalmar bei Tage an. Dem Schloss statteten wir nur von außen einen Besuch ab, aber im Park dahinter waren Sand-Kunstwerke ausgestellt, die wir besuchten. Einige waren vom schlechten Wetter etwas lädiert, aber man konnte die künstlerische Arbeit noch gut erkennen. Von hier gingen wir in die Fußgängerzone, die ein nettes, altes Tor und Kopfsteinpflaster aufwies. Sie war schön groß und hatte auch ein paar nette Häuser zu bieten, wenn auch nicht durchgängig. Gefallen an der Stadt hat uns besonders ihre Lage auf mehreren Inseln im Kalmarsund, der Anblick der Burg im Wasser und die vielen Grünanlagen. Es machte Spaß, sie zu Fuß zu erkunden. Auf der Weiterfahrt machten wir einen Stopp in einem Naturschutzgebiet unter der Brücke nach Öland. Es gab einen netten, kleinen Strand und man hatte einen guten Blick auf die beeindruckende Brückenkonstruktion. Die Wanderung durch das Waldgebiet brachen wir jedoch ab, weil ein ekliger Geruch, vermutlich von einer Fabrik, über dem Gebiet hing und wir außerdem von irgendwelchen Insekten umflogen wurden. Wir entschlossen uns, unseren Nachtplatz mal früher anzusteuern, um die Annehmlichkeiten ausnutzen zu können. Wir nutzten seit längerem mal wieder einen Privatgrund. Er gehörte einem Verein und der evangelischen Kirche, bestand aus einer Rasenfläche mit Gewächshäusern, wobei das eine mit alten Sitzmöbeln als Aufenthaltsraum mit Toilette/Dusche kleinem Kinder Second Hand Laden und Miniküche ausgestattet war, das andere über zwei Duschen verfügte. Strom und WLAN hatten wir auch, aber wo wir Wasser auffüllen und entsorgen konnten, war uns noch ein Rätsel. Das Gebäude, in dem die Rezeption sein sollte, hatte geschlossen, also legten wir die Stellplatzgebühr wie beschrieben in dem Lädchen in eine Box. Wir hatten keine Ahnung, ob noch jemand auftauchte bis zu unserer Abreise, erstmal waren wir hier ganz alleine und genossen eine Weile die Wärme in dem Aufenthaltsraum. Alles war sehr einfach und mit Sperrmüllmöbeln ausgestattet, aber es war dennoch mehr Komfort, als im engen Womi. Es schien hier auch als Treffpunkt der Gemeinde genutzt zu werden.

Samstag, 12.8.23 Rockneby- Pãskallavik – Oscarshamn- Vånevik
Unser Vormittag war mit Duschen, Frühstück zubereiten und Ver- und Entsorgung gefüllt. So nett es war, das Aufenthalts-Gewächshaus mit Miniküche zu haben, machte es die Abläufe nicht einfacher. Mein Versuch, die Kaffeemaschine zu nutzen, schlug fehl, da unsere Filtertüten zu klein waren und es zu einer großen Sauerei kam. Ich putzte und nahm stattdessen den Wasserkocher, was aber hieß, ich musste unseren Filter, neue Tüte und unsere Becher in die Küche holen. Jeder Weg zum Womi war mindestens 30m und es war eine Auf- und Abschließerei sondergleichen. Stefan war noch joggen und ich hatte vom Gebäude aus das Wohnmobil nicht im Blick. Um nicht noch mehr hin- und herschleppen zu müssen, bereitete ich das Frühstück in unseren eigenen 4 Wänden zu. Es kam zum größeren Aufwand hinzu, dass sich das Treibhaus sehr schnell aufheizte, als die Sonne drauf schien. Am Abend zuvor wurde es sehr schnell ungemütlich kühl, als die Sonne untergegangen war, also doch nicht so ideal zur Nutzung als Aufenthaltsraum, aber natürlich eine große Hilfe, wenn es draußen regnet. Als Stefan wieder da war und wir gefrühstückt hatten, stellte sich die Frage der Ver- und Entsorgung. Obwohl bei Park4Night angekündigt, gab es beides nicht und bei der Telefonnummer des Platzbesitzers meldetet sich nur ein Anrufbeantworter. Wir erledigten also die mühevolle Aufgabe des Grauwasser Entleerens mit 5l Eimer, den wir mehrmals im Ausguss der Sanitäranlagen entsorgten. Da wir immer unser Geschirr mit Papiertüchern vorreinigten, war es fast klar und stank auch nicht. Unser Frischwasser war ebenfalls Laufarbeit mit mehreren 10 Liter Kannen aus der Dusche. Gegen 12:00 hatten wir es endlich geschafft und konnten losfahren. Wir besuchten das wunderschöne Lövö Naturschutzgebiet. Über zwei mit Brücken verbundene Inseln erreichten wir die Insel Lövö. Dort gab es einen Rund- und ein paar Seitenwege zu erwandern. Die Vegetation war sehr abwechslungsreich. Vom Blätterwald mit Steinen, Moosen und Blaubeersträuchern wechselte sie zur Küste hin zu Heidelandschaft, bis die Bäume uns den Blick auf die wunderschöne Inselwelt freigaben. Ein paar Boote ließen sich zwischen den Inselchen, die manchmal nur ein paar Meter Durchmesser hatten, treiben. Wir mussten teils über Steine und Zweige hüpfen, um unseren Weg übers Wasser fortzusetzen und kamen durch Feuchtgrasgebiete, wo auch gelegentlich Graureiher aufflogen. Plötzlich änderte sich die Vegetation und der Untergrund wieder vollständig und wir kamen auf Sandboden und liefen durch ein Kiefernwäldchen zurück zum Wohnmobil. Das Wetter spielte an diesem Tag glänzend mit: Sonne, blauer Himmel und so um die 23⁰. Das war ein gelungener Ausflug in die Natur. Der nächste Halt war der kleine Hafen Påskallavik. Leider kamen wir zu spät zum Markt, die Stände wurden gerade abgebaut, aber der wunderschöne Hafen und das Hafencafé, auf dessen Außenterrasse wir Sverige Kaka, also schwedischen Kuchen, eine Art gefüllter Sandkuchen, aßen, reichte vollkommen, um uns glücklich zu machen. Danach ging es nach Oscarshamn. Wir hatten schon am Morgen nach Internetrecherche entschieden, dass wir nicht, oder auf jeden Fall nicht von Oscarshamn nach Gotland fahren. Wenn überhaupt, dann ab Nynäshamn, obwohl auch dort die Preise horrende und die Nachfrage hoch war. Derzeit fuhr in etwa jede dritte Fähre aus technischen Gründen nicht – sehr Vertauen erweckend! Wir fuhren auch nicht zur Insel Blaue Jungfrau, da wir auf dem Schiff bereits eine Horde angetrunkener Typen sehen konnten. Oscarshamn hat uns als Stadt eher nicht so begeistert. Der Hafen war nett und es gab ein paar vereinzelte, schöne alte Häuser in der Innenstadt, aber ansonsten war die Fußgängerzone nichtssagend und wie leergefegt. Da es keine Cafés oder Restaurants dort gab, sondern nur Geschäfte, die am Samstag um 17:00 als wir dort waren, geschlossen hatten, war alles wie ausgestorben. Was uns gut gefiel, war eine Sportanlage direkt am Hafen mit allem, was man sich wünschen konnte. Basketball, Tischtennis, Rampen, Hockeyfeld, was im Winter zum Eishockey umfunktioniert werden konnte, eine Halle für Softball o.ä., Trampolin etc. Die Angebote wurden gut genutzt. Gegen 19:00 verließen wir die Stadt und fuhren ein Stück zurück zu einem Parkplatz am Wasser bei Vånevik. Es war eine traumhafte Landschaft. Leider sahen das die meisten Womifahrer auch so, sodass hier eigentlich zu viele standen. Es lag aber auch an den Schweden selbst. Es wurden anscheinend immer mehr, zuvor freie Parkplätze, für Wohnmobile ganz oder über Nacht gesperrt, daher drängten sich woanders dann zu viele und es dauert sicher nicht lange, bis den Einheimischen auch hier die nächtlichen Gäste auf den Nerv gehen. Wir hatten aber noch nirgendwo Exzesse oder Verschmutzungen von unserer Spezies beobachtet. Manche konnten es nicht lassen, ihre Campingstühle rauszustellen, was blöd war, weil auf Parkplätzen nicht erlaubt, aber ansonsten hielten sich eigentlich alle dezent zurück. Wir machten am Abend noch eine kleine Wanderung in der Umgebung und trafen mehr durch Zufall auf ein Museumsgebiet, was zuvor Steinbruch war und wo sich heute die Natur ihr Gebiet wiedereroberte. Große Steinbrocken, die von Moosen und Flechten überzogen waren und die nachwachsende Bäume ebenso vereinnahmten, darüber hinaus Reste der Steinhauerwerkstätten, Schienen etc. und Infotafeln. Ein ganz interessantes Gebiet, was auch mit den Deutschen in Zusammenhang stand, denn ein deutsches Unternehmen eröffnete 1870 hier den ersten Steinbruch und förderte das Vånevik Granit, das als Baustoff in Deutschland zu der Zeit sehr gefragt war.

Sonntag, 13.8.23 Vånevik – Västervik – Linköping
Wir erwachten in unserer wunderschönen Umgebung am See und ich machte mich auf, ein paar Blaubeeren für unser Müsli zu pflücken. Nach dem Frühstück entschieden wir uns, heute ein längeres Stück zu fahren, denn uns wurde schon die Zeit knapp, wenn wir über Finnland und Estland zurück fahren wollten. Natürlich hatten wir nicht vor, nur auf der Schnellstraße E22 möglichst schnell Richtung Norden zu rauschen, sondern noch einmal so richtig in die Schärenwelt einzutauchen. Wir fuhren daher bis Västervik nur kleine Straßen durch die Schären mit unzähligen Gewässern. Manchmal waren die Straßen nicht einmal geteert. Es war eine sehr schöne Strecke durch Waldgebiete und immer wieder Wasser. An einer Stelle ging eine extrem schmale und wackelige, ca. eine Fußlänge breite Hängebrücke von rund 50m Länge zu einer kleinen Insel. Stefan konnte es natürlich nicht lassen und musste da rüberlaufen. Mir wurde schon schwindelig, wenn ich nur zuguckte, aber so hatte er sein Abenteuer. In Västervik machten wir einen kleinen Spaziergang am Hafen und in der Innenstadt, die uns viel besser gefiel, als Oskarhamn. Bunte Häuschen mit Blumen vor der Tür wie in Dänemark, nette historische Gebäude wie z.B. das Badehus und die St. Petri Kyrka und eine belebte Innenstadt, auch wenn wegen Sonntag die Geschäfte geschlossen hatten. Die Gastronomie belebte die Innenstadt und die Menschen genossen die Sonne bei einem Eis, spanischen Churros, die hier erstaunlich oft angeboten wurden, einer Mahlzeit oder nur einen Kaffee wie wir. Gerade war das Wetter wirklich toll, sonnig, nicht zu heiß und herrliche Farben. Nach Västervik verließen wir die Küste und fuhren Richtung Linköping. Wir wollten am nächsten Tag in das Freilichtmuseum Gamla Linköping, dass sehr lebendig das Leben vor 100 Jahren in Werkstätten, Häusern, Geschäften etc. darstellen sollte. Wir übernachteten dafür kurz vor der Stadt im Landschaftsschutzgebiet Tinnerö eklandskap, einem Gebiet aus Wald und Seen mit mehreren Vogelbeobachtungstürmen und Wanderwegen, wo wir nach der Ankunft gleich einen kleinen Rundgang machten. Der Waldboden war nicht ganz so abwechslungsreich wie im Küstengebiet, aber dennoch wie ein grüner Teppich aus Moos.

Montag, 14.8.23 Linköping – Uppsala
Heute Morgen besuchten wir das Freilichtmuseum Gamla in Linköping und es war wunderbar. Alte Häuser, Geschäfte, Bank, historischer Volkspark, Post, Cafés uvm. verbunden durch Kopfsteinpflastergassen und Gärten versetzten uns in das Leben vor ca 100 Jahren. In kleinen Geschäften im alten Stil wurden Kunsthandwerksprodukte angeboten, und in einem größeren Holzhaus war ein Bereich, wo Kinder Rätsel entziffern konnten. Es war wunderbar, durch diese kleine Altstadt zu schlendern und in das Leben von früher einzutauchen. Danach wurde unser Tag für ein paar Stunden recht stressig. Wir versuchten online die Fähre nach Åland zu buchen. Es war schon schwierig genug, überhaupt herauszufinden, ob sie nun von Stockholm oder Kapeliskär abfuhr bzw. wo Fähren fuhren, mit denen wir mit Wohnmobil noch Platz fanden in den nächsten Tagen, und die noch dazu bezahlbar waren. Als wir uns dann endlich eingebucht hatten, klappte die Bezahlung mit keiner unserer Kreditkarten. Stefan war kurz vorm Ausrasten. Selbst wenn wir direkt nach Stockholm zum Terminal gefahren wären, wären wir für diesen Tag zu spät gewesen und am kommenden Morgen gegen 7:00 sollte die Fähre fahren. Ich kam auf die Idee, zu einem Reisebüro zu gehen. Das hätte wahrscheinlich eine Gebühr gekostet, aber das waren uns unsere Nerven wert, also setzten wir diesen Vorschlag um. Dummerweise machte die Dame uns klar, dass man nur online buchen konnte. Wir könnten ggf versuchen, telefonisch zu buchen und mit dem Mitarbeiter auszumachen, dass wir bei Abfahrt am Hafen bezahlen. Ok, nebenan war Ikea, wo wir freies WLAN bekamen, und wir buchten telefonisch. Die Fähre sollte am Mittwoch ab Stockholm fahren. Wir guckten uns auf der Karte an, wo sich das Fährterminal von „Viking“ befand und uns wurde schlagartig bewusst, dass wir dort wohl mit unserem alten Womi gar nicht hinfahren durften. Dieselfahrzeuge älter als von 2008 waren verboten, soweit wir die schwedischen Verkehrsregeln verstanden. Wir fanden zwar vom ADAC auch gegenteiliges, dass Fahrzeuge zum Personentransport nicht betroffen wären, aber wer wusste, ob diese Sonderregel noch bestand. Dann fand ich durch Zufall heraus, dass man auch weiter nördlich von Grisselhamm nach Eckerö auf Åland fahren konnte. Es war uns ja egal, wo wir auf der Insel ankamen. Wir riefen die Reederei an und siehe da, wir konnten am Abend des Folgetages für rund den halben Preis und in der halben Zeit von diesem kleineren Hafen, wo wir keine Probleme hatten hinzukommen, fahren. Wir stornierten die erste Buchung, machten uns auf den Weg Richtung Grisselhamn und fuhren bis Uppsala. Nun hatten wir einen ganzen Tag für die 130km und hier in Uppsala standen wir auf einem zwar gut besuchten, aber tollen Parkplatz, wiederum bei einem Freilichtmuseum und Naturschutzgebiet, wo wir noch einen kleinen Spaziergang machten. Es gab sogar Toiletten, Bänke und Trinkwasser. Was wollten wir mehr?

Dienstag, 15.8.23 Uppsala – Åland (Eckerö)
Dieser Tag begann sehr stressreich. Als ich am Morgen die Rollos hochzog, stellte ich fest, dass mein Alkovendachfenster fehlte! Ich hatte es nachts nicht gemerkt. Die Temperaturen waren mild und es war kein Wind. Am Vortag auf der Fahrt nach Uppsala hatte es einmal begonnen zu klappern, als ein LKW an uns vorbeigerauscht war, aber das war die Dachluke. Das muss aber der Moment gewesen sein, als mein Dachfenster sich selbständig gemacht hatte. Es hatte sich sicher beim Sturm in den Nächten zuvor bereits gelöst, als es auch etwas reingeregnet hatte, und hatte nun durch die Druckwelle den Rest bekommen. Hoffentlich hatte es keinen getroffen! Zum Glück hatte es in der letzten Nacht nicht geregnet, sonst hätte ich Schwimmflügel im Bett gebraucht. Wir fanden im Internet einen Wohnwagenspezialisten, der 10 Min von unserem Übernachtungsplatz seine Werkstatt hatte und fuhren gleich, noch vor dem Frühstück, hin. Ein passendes Fenster hatten sie leider nicht, aber man schraubte und leimte mir eine Metallplatte vor das Loch. Das sollte halten und dicht sein. Ich hoffte es sehr! Nun war es vorbei mit Sternenblick, aber ich hatte ja noch das Seitenfenster und nachts machte ich es sowieso mit Rollo dunkel. Wir konnten ja von Glück sagen, dass wir gerade in einer Stadt mit passender Werkstatt waren. Nachdem wir den größten Schrecken hinter uns hatten, wanderten wir in Uppsala vom Dom zum Schloss, der Universität und in die Fußgängerzone. Uppsala hatte viele prächtige Gebäude, unter anderem das würdige, alte Universitätsgebäude. Hier entstand 1477 die erste Universität Skandinaviens und hat die Stadt damit bekannt gemacht. Gegen Nachmittag fuhren wir nach Grisselhamn, wo um 20:00 unsere Fähre nach Eckerö auf der Hauptinsel der Ålandinseln mit dem Namen Fasta fuhr. Hier wollten wir Inselhopping nach Finnland machen, wobei die Inseln eigentlich schon zu Finnland gehörten, aber weitgehend politische Autonomie genossen.

Autonome Åland Inseln/ Finnland

Mittwoch, 16.8.23 Åland Inseln
Wir verbrachten eine ruhige Nacht auf dem Parkplatz nicht weit von der Fähre in Eckerö. Der Platz, von dem wir bei Ankunft abends nur noch Schotter und Pfützen im Regen und Dunkel gesehen hatten, erwies sich als super. Er befand sich an einer Badestelle mit Umkleidekabinen und Toilette und gegenüber war die alte Post- und Zollstation. Als Schweden im Krieg gegen das russische Zarenreich 1808-1809 die Herrschaft über Finnland abgeben musste, fielen auch die Åland Inseln an die Russen. Eckerö, wo wir gestern mit der Fähre ankamen, war damals die westlichste Stelle des russischen Reiches und der Zar wollte mit einem imposanten Gebäude, das schon vom Meer aus sichtbar war, glänzen. Das vom Deutschen Architekten Carl Ludwig Engel entworfene Gebäude gehört noch immer zu den besterhaltenen im Empire Style. Nun war eine Kunsthandwerksausstellung und ein Café in dem Gebäude für Besucher wie uns ein Anziehungspunkt.
Danach fuhren wir zum kleinen Leuchtturm von Käringsund. Er war wirklich niedlich und lag in einer traumhaften Landschaft. Am Morgen kam wieder die Sonne raus, nachdem es fast die ganze Nacht gegossen hatte. Mein Fensterersatz hatte dicht gehalten, aber meine Nacht war diesbezüglich etwas unruhig, da ich immer wieder gefühlt hatte, statt zu schlafen. Danach fuhren wir nach Mariehamn, der Hauptstadt und auch der einzigen Stadt auf den Inseln, endledigten uns bei einer Tankstelle mal wieder von Grauwasser und Toiletteninhalt und tankten Frischwasser. Hier auf den Inseln wurde das etwas schwieriger, wenn man nicht auf richtigen Campingplätzen übernachten wollte, und selbst die waren nicht alle voll ausgestattet. Danach besuchten wir das Tourist Office. Eine Dame half uns super freundlich bei der Wahl und Buchung der Fähren für ein Inselhopping nach Finnland. Die Fähren wurden hier wie Busse benutzt, und wenn man angemeldet war bei Ålands Traffiken, konnte man zu Fuß sogar kostenlos von Insel zu Insel fahren. Mit Fahrzeug ging das natürlich nicht, und wir waren am Abend zuvor kurz vorm Verzweifeln, weil wir keine Route online buchen konnten, aber es der einzige Buchungswege war. Nun konnten wir bei der Tourist Info den Computer benutzen und als wir nicht weiterkamen, half die Dame uns. Es war z.B. gar nicht ersichtlich, dass, wenn man die erste Fähre gebucht hatte, die restlichen mit im Preis inkludiert waren, wenn man jeweils eine Nacht auf der jeweiligen Insel blieb. Das war ja ganz in unserem Sinne, denn wir hatten ja überhaupt nicht vor, alles an einem Tag zu machen. Dann hätten wir ja die große Fähre nach Turku nehmen können. Interessant fanden wir ja die kleinen Inseln. Nun konnten wir am Samstag mit einer Fähre von Hummelvik auf Vardö nach Torsholma fahren. Von dort mit dem Womi über Brücken bis zur Insel Åva und von dort per Fähre bis Osnäs in Finnland. Das alles kostete gerade mal 26€, da unsere erste Fähre schon um 5:30 morgens fuhr und deshalb einen reduzierten Preis hatte. Wir unterhielten uns nach der Buchung noch nett mit der Mitarbeiterin der Touristinfo und informierten uns über das Leben auf Åland. Die Inseln gehörten zu Finnland, waren aber politisch autonom, hatten also eine eigene Polizei, eigenes Schulsystem, eigene Gesetze, eigene Flagge etc., gehörten aber wie Finnland zur EU, weil sie sich selber dafür per Referendum ausgesprochen hatten. Die Bevölkerung lag bei gerade mal ca. 30000 Einwohnern. Die Sprache war Schwedisch. Laut ihr gab es gelegentlich Auseinandersetzungen zwischen den Politikern, wenn Finnland die Inseln zu viel bestimmen wollte.
Nachdem unsere Weiterfahrt geklärt war, guckten wir uns in Mariehamn um. Es hatte eine nette kleine Einkaufszone, mehrere Museen, eine schöne Harbour Front mit roten Häuschen und Kunsthandwerksverkauf etc. Danach fuhren wir bis Norrboda, bis die Straße an der Fähre nach Ängö endete. Es wäre eine kostenlose Kabelfähre gewesen, aber die hatte gerade Pause, daher fuhren wir zu unserem Nachtplatz, einem Parkplatz bei den Fähren ab Langnäs. Er war nicht sonderlich schön, aber groß, ruhig und praktisch, da es Toiletten gab und vorne beim Terminal auch WLAN. Die Terminals waren hier auf den Inseln ja auch nicht zu vergleichen mit z.B. Puttgarden oder ähnlichem. Alles war sehr überschaubar.

Donnerstag, 17.8.23 Åland
Wir sind heute über mehrere Inseln, teils unbemerkt, weil es aussah, als führe man nur über einen schmalen Fluss, bis zu unserem Übernachtungsplatz „Hamnsundet“ gefahren. Es ist ein kleiner Segelyacht Hafen auf einer der 60 bewohnten Inseln von den insgesamt 6500 Inseln des Archipels. Unterwegs machten wir bei der hübschen Kirche St. Maria in Saltvik und beim Aussichtsturm bei Visby (nicht zu verwechseln mit Visby in Schweden) halt. Dort wanderten wir außerdem durchs Arboretum und fanden außer Bäumen noch Blaubeeren und letzte Himbeeren. Man merkte, dass die Hauptsaison zu Ende war. Seit zwei Tagen hatte die Schule wieder begonnen, wie uns die nette Mitarbeiterin der Tourist Information mitgeteilt hatte. Das Café beim Aussichtsturm und auch der Kiosk bei unserem Gasthafen, wo wir die Nacht verbrachten, hatten geschlossen. Wir konnten zum Glück telefonisch klären, wie der Code für das Servicegebäude war und dass wir bar in den Postkasten zahlen konnten. Nun drehte sich unsere Wäsche munter in der Waschmaschine und wir genossen die Sonne auf der Terrasse des geschlossenen Kiosks mit eigenem Kaffee.

Freitag, 18.8.23 Àland
Unsere Reise ging weiter über Inselchen bis zum Fährhafen Hummelvik, von dem wir am Samstagmorgen um 5:30 mit der Fähre durch die Schären bis nach Torsholma fahren wollten, um dann ein paar Inseln mit dem Womi weiter Richtung Finnland fahren zu können. Auf unserer Strecke besuchten wir an diesem Tag als erstes das Schloss Kastelholm und danach das Freilichtmuseum nebenan. Im Schloss, das gleichzeitig als Burganlage diente, wurde die obere Etage als königliche Residenz genutzt, die Etage darunter ermöglichte den Wachposten Rundgänge zu machen und von der untersten Etage aus wurde es mit Waffengewalt verteidigt. Es galt im 16.Jahrhundert als wichtiger Vorposten Stockholms. Im Schloss gab es auch ein Gefängnis, wo unter anderem der abgesetzte Erik XIV. von seinem Bruder dem König Johann III. eingesperrt wurde. Es gab aber im Mittelalter auch noch andere Gefangene, so herrschte auch hier der Glaube an Hexen, die verurteilt wurden.
Im Freilichtmuseum Jan Jarlsgården konnte man unterschiedliche bäuerliche Gebäude besuchen, die hier zusammengetragen worden sind.
Auf dem Weg zur Fähre kamen wir auch noch an den Resten der alten Festung Bomarsund aus Zeiten der russischen Herrschaft auf Åland vorbei.

Samstag, 19.8.23 Åland Hauptinsel – Insel Åva
Um 4:30 schellte der Wecker, viel zu früh, womit mein lieber Mann mich mehrfach aufzog. Um 5:30 ging unsere Fähre und wir sollten spätestens 30 Min vorher dort sein. 30 weitere Minuten zum wachwerden, waschen, anziehen und Bett abbauen, erschienen mir nicht zu viel, aber dummerweise war eine halbe Stunde vor Abfahrt noch keinerlei Action bei der Fähre. Wir kamen dennoch pünktlich weg, konnten vorher noch nette Fotos im Licht der aufgehenden Sonne machen und dann eine schöne, 2,5stündige Fahrt durch die bezaubernde Inselwelt, bis wir am Ziel Torsholma auf der Insel Kyrkholm ankamen. Wir fuhren bis zum ersten Picknickplatz und frühstückten dort entspannt. Dann fuhren wir alle Straßen, die sich auf wiederum zahlreichen Inseln befanden und erkundeten diese. Leider fanden wir keine Wanderwege und außer einer kurzen, beleuchteten Langlaufstrecke, die man zu dieser Zeit gut wandern konnte, fanden wir keine passenden Wege. Wir besuchten die Kirche im winzigen, aber Hauptort dieser Inselgruppe in Brandö, kauften ein paar Kekse im einzigen Laden und mussten feststellen, dass die zwei Cafés, die es hier auf den Inseln gab, geschlossen hatten. Die Saison war halt vorbei. Gegen frühen Nachmittag fuhren wir zum Fähranleger der Insel Åva, von wo wir am kommenden Tag zum Fähranleger Osnäs auf der finnischen Insel Kustavi und von dort per Womi aufs finnische Festland fahren wollten. Die heutige Nachmittagsfähre war gerade zur Beladung fertig und wir versuchten, ob wir vielleicht schon an diesem Tag mitfahren konnten, aber wir durften uns nicht einbuchen. Das war auch verständlich, denn wir hatten den super Preis von 26€ für die zwei Fährfahrten nur deshalb bekommen, weil wir so früh fuhren und weil eine obligatorische Nacht auf der Insel damit verbunden war. Es war zwar wirklich schön, die Wasserlandschaft zu sehen, aber das Innere der Inseln war nicht sehr aufregend, besonders, weil es eben keine Wanderwege gab, nur Straßen oder Wege, die bei Häusern endeten und noch dazu häufig das Schild „privat“ zur Abschreckung hatten. Die Hauptinsel mit dem lebhaften Städtchen Mariehamn war da schon spannender. Noch dazu bekamen wir es jetzt mit den Mücken zu tun. Bisher waren wir auf der ganzen Reise davon verschont geblieben. Wir fuhren auf einen Picknickplatz kurz vor dem Fährhafen und Stefan holte das Joggen nach, was er morgens wegen der Fährfahrt nicht hatte machen können. Ich machte einen kleinen Spaziergang und las dann im Womi mein Buch weiter. Wir verbrachten auf diesem Platz die Nacht vor der Fährfahrt am kommenden Tag.

Sonntag, 20.8.23 Åva – Rymättylä
Unsere Überfahrt von der åländischen Insel Åva nach Osnäs in Finnland war noch schöner als unsere letzte Fährfahrt. Blauer Himmel, noch blaueres Wasser und überall winzige bis größere Inselchen, die wie Tupfen im Wasser lagen. Es war wunderschön. Noch dazu lernten wir ein Ehepaar aus Kassel kennen, die mit Rädern unterwegs waren, so hatten wir eine interessante Unterhaltung und dazu gab es kostenlosen Kaffee auf der Fähre. Wenn das kein Luxus war! Kurz nach der Ankunft im Fährhafen Osnäs, fuhren wir auf die nächste, kostenlose Fähre. Diese kleinen Fähren verkehrten hier immer bei kurzen Distanzen und kamen, falls sie gerade auf der anderen Seite waren, auf Knopfdruck. Die kurze Fahrt endete in Kustavi, einer mit Straße verbundenen Gemeinde auf einer der Schäreninsel Finnlands. Hier hatten wir von einer Höhle gelesen, die wir besuchen wollten. Eine Höhle war es eigentlich nicht wirklich, sondern riesige Felsblöcke mit breiteren Spalten, zwischen die und über die man klettern konnte. Außerdem gab es einen netten Wanderweg durch Wald mit Moos und Flechten, Pilzen und Blaubeeren zur schönen Kirche von Kustavi und durch den Ort. Wir fanden einen freistehenden Apfelbaum und pflückten uns ein paar Äpfel für unser morgendliches Frühstück oder zum so essen und besuchten den örtlichen Supermarkt, wo wir preisreduzierten Salat und Dill kauften, sowie zwei Eistüten á 60 cent, die es geschmacklich sicher mit dem vorm Geschäft angebotenen Softeis für 3€ aufnehmen konnten. Da wir keine Taschen mithatten, fuhren wir später noch einmal zu diesem Laden, weil wir schwarze Johannisbeeren im Tiefkühlfach gesehen hatten, die Stefan so gerne isst und die es bei uns normalerweise nicht zu kaufen gibt. Sie waren sogar preislich günstiger als z.B. Blaubeeren, die hier überall wuchsen. Nach der schönen Wanderung fuhren wir über mehrere Inselchen und an der Festlandküste entlang zu unserem Nachtplatz im Örtchen Rymättylä auf der Insel Otava. Der Ort wurde 2009 zur Stadt Naantali eingemeindet, die auf dem Festland vor Turku liegt und sehr schön sein soll. Das sollte am kommenden Tag unser erstes Ziel sein. Rymättylä bestand aus einem kleinen Yachthafen, auf dessen Parkplatz wir dieses Mal übernachteten, Pizzeria, Apotheke, Bank, Post, Supermarkt, Kirche, Schule und ein paar Häuschen. Unser Platz lag wunderschön mit Blick auf ein paar Boote, die am Steg herumdümpelten und gerade hatte noch ein junges Paar sein Zelt auf einem Stückchen Wiese ein paar Meter von uns entfernt aufgebaut. Es schien hier relativ locker gesehen zu werden. Ein paar Meter weiter gab es eine Komposttoilette und Frischwasser gab es durch Schlauch am Steg. Was wollten wir mehr? Stromprobleme hatten wir bisher auf der Reise keine, toi, toi, weil wir täglich immer genug fuhren, dass die Batterien sich generieren konnten, manchmal Plätze mit Strom hatten und es außerdem bis ca. 21:00 hell genug ohne Lampe war. Handy hat ja den Vorteil, dass man damit auch lesen kann ohne Extralicht und wir es während der Fahrt gut aufladen konnten.

Montag, 21.8.23 Rymättylä – Naantali – Turku – Savojärven Rantapiha
Letzte Nacht begann es mal wieder zu regnen und der hielt sich auch bis zum späten Vormittag. Wir entschieden uns daher, nicht die Straße weiter bis zur Spitze der letzten Insel zu fahren, sondern über eine andere kleine Insel aufs Festland nach Naantali, einem ca. 20000 Einwohner Städtchen, was zu den ältesten Städten Finnlands gehört. Sollte der Regen uns also zu viel nerven, beabsichtigten wir, hier mal wieder Second Hand und andere Geschäfte aufzusuchen. Einen Second Hand Laden fanden wir, und er schien so zu funktionieren wie in Dänemark, wo Privatleute ein Regal oder einen Kleiderständer haben und ihre Sachen dort auf Kommission verkaufen. Danach suchten wir uns ein Café mit WLAN und luden uns erstmal wieder ein paar Podcasts und Google Maps von Finnland/Estland runter und tranken dazu Kaffee. An Gebäck war hier nicht zu denken, die Preise waren in der Gastronomie ähnlich hoch wie in Dänemark. Ein einfaches Teilchen unter 4€ war kaum zu finden. Ähnlich sah es mit Pizza aus, keine unter 16€. Da blieben wir doch lieber bei Stefans Kochkünsten, wenn es auch schon schön wäre, die örtliche Küche mal ausprobieren zu können. An seinen Gurkensalat reicht aber eh niemand heran. Wir aßen derzeit fast täglich zwei Gurken.
Allmählich klärte sich das Wetter auf, aber wir hatten noch nicht so richtig Gefallen am Ort gefunden. Wo waren denn die bunten Häuschen, die bei Google und ADAC angepriesen wurden? Wir wurden zum Glück am Ende doch noch fündig! Es gab einen netten, baumbestandenen Fußweg Richtung Hafen, der uns in das Gebiet der wunderschönen, alten, bunten Holzhäuser führte. Es gab hier nicht nur die roten mit den weißen Fensterrahmen, sondern auch gelbe, graue, weiße und hellblaue, die mir besonders gefielen. Sie standen rund um den kleinen Hafen und waren bildschön. Inzwischen war auch das Wetter wieder besser, sodass wir den Rundgang genießen konnten. Von Naantali fuhren wir weiter nach Turku, das uns mit ca. 190000 Einwohnern zu groß und umtriebig war. Vielleicht waren wir an den falschen Stellen, aber es hat uns nicht begeistert. Ganz nett war allerdings die Markthalle, die innen aussah, als wäre man zwischen alten Holzzugabteilen, in denen sich die Verkaufsstände befanden. Das hatte Stil. Die Luft draußen war inzwischen richtig schwül durch die Sonne auf den nassen Böden. Wir guckten uns auf der Karte an, was es so an Sehenswertem zwischen Turku und Helsinki gab und wählten für die nächste Nacht den Savojärven Rantapiha, eine Art Naturcampingplatz ohne Bezahlung, wo es eine Toilette, Wasserhahn, Grillstelle und Picknicktischen mitten im Wald gab. Außerdem stand hier eine öffentliche Sauna zur Verfügung, die aber leider nur bis zum 8.8. betrieben wurde, weil der kleine Kiosk dann die Saison beendet hatte. Schade! Abkühlung wäre dann direkt im See, dem Savojärven, gewesen. Von diesem Platz gingen Wanderwege in den Kurjenrahka Nationalpark und wir hofften auf gutes Wetter, damit wir dort am nächsten Tag wandern konnten.

Dienstag, 22.8.23 Rantapiha – Matildanjärvi im Teijo Nationalpark
Heute war Wandertag. Nach dem Frühstück machten wir eine sehr schöne Wanderung im Kurjenrahka Nationalpark. Es ging durch intakten Kiefern- und Mischwald mit Büschen, Felsgestein mit Flechten und besonders Blaubeer- und Preiselbeersträuchern und Heide. Wir sahen so viele Pilzsorten, wie nie zuvor. Eigentlich schade, dass wir uns mit denen nicht auskannten, aber im Nationalpark darf man ja eh nicht ernten. Es war trocken und zwischendrin kam sogar die Sonne heraus. Wir waren fast 10 km unterwegs. Danach machten wir uns auf den Weg Richtung Südwesten in den Teijo Nationalpark. Er bestand aus historischen Orten, Wäldern und Seen. Wir besuchten erst den Ort Teijo und besuchten die Kirche, die leider wieder mal nicht offen war und fuhren dann nach Marttila an den Hafen in den finnischen Schären und genossen einen Kaffee. Der Stellplatz beim Café/Hotel war uns zu teuer für 29€ und nur Strom und Dusche. Ich nutzte die Dusche am Hafen, wobei ich mir nicht ganz sicher war, ob das erlaubt war, aber sie war in den öffentlichen Toiletten, war offen und es stand auch nichts von Kosten dran. Danach suchten wir uns wieder einen netten Wanderparkplatz beim Nationalpark bei Park4Night am Matildajärvi, wo Stefan gleich noch eine Runde im See schwamm. Eigentlich wollten wir noch eine kurze Wanderung machen, aber da stoppte uns der Regen. Als wir die 500m zurück zum Womi gelaufen waren, hörte er kurz drauf wieder auf, aber da wollten wir auch nicht nochmal raus.

Mittwoch, 23.8.23 Matildanjärvi/Teijo – Porkkalinniemi Naturschutzgebiet
Nachdem wir eine wunderschöne Wanderung um den Matildanjärvi im Teijo Nationalpark gemacht und im Naturparkhaus einen Kaffee getrunken hatten, ging unsere Reise weiter nach Ekenäs an der Küste, wo wir im kleinen Yachthafen herumschlenderten. Danach statteten wir dem Mustio Manor Park, einer Art Schloss mit Garten, das ein Hotel beherbergte, einen Besuch ab und fuhren dann zu unserem Übernachtungsplatz an die Spitze einer Landzunge kurz vor Helsinki, in das Porkkalinniemi Naturschutzgebiet, wo wir am kommenden Tag noch einmal in Küstennähe wandern wollten.

Donnerstag, 24.8.23 Porkkalinniemi – Nuuksio Nationalpark
Der Tag begann mit einer Wanderung im sehr schönen Porkkalinniemi Naturschutzgebiet, wo wir auch die Nacht verbracht hatten. Wir liefen durch Küstenwald mit wunderbar weichem Waldboden zur Spitze der Landzunge mit Felsenboden und hatten einen herrlichen Blick auf kleine Inselchen und der gegenüberliegenden Landzunge. An mehreren Stellen waren Picknicktische aufgestellt, und man konnte es sich auch auf den Felsen gemütlich machen. Lief man etwas umher, konnte man auch runter bis ans Wasser kommen. Über uns, bzw. über den Inseln, war aktives Treiben in der Luft. Hubschrauber und eine Drohne flogen die ganze Zeit dort herum und auf dem Wasser schoss aus Richtung Helsinki ein Boot in Affengeschwindigkeit hinaus aufs Meer. Ganz weit in der Ferne sah man auch ein Kriegsschiff. Ob es ein Suchmanöver, ein normales Manöver des finnischen Militärs, das auf einer der Inseln laut Karte stationiert ist, war, oder ggf etwas mit dem Absturz des Flugzeuges zwischen St. Petersburg und Moskau zu tun hatte, war uns nicht bekannt. St. Petersburg war ja nicht weit weg von dort. Nach der Wanderung packten wir unsere 7 Sachen und machten uns auf den Weg ins Inland zum Nuuksio Nationalpark, also vom Meer ins Skigebiet. Leider regnete es die ganze Zeit, sodass wir, außer einen Blick ins Nationalparkzentrum zu werfen, nichts sahen. Ich nutzte die Chance, etwas Schlaf nachzuholen, den ich in der letzten Nacht eingebüßt hatte, weil mir Stefans Bruder und dessen bevorstehende OP nicht aus dem Kopf ging. Wir hofften, am Abend noch eine kleine Runde drehen zu können. Wir übernachteten auf dem Parkplatz des Nationalparkhauses neben anderen Wohnmobilen.

Freitag, 25.8.23 Nuuksio Nationalpark – Tallinn/Estland
Bevor wir uns auf den Weg nach Helsinki zur Fähre begaben, hatten wir die Chance, doch noch im Trockenen im Nuuksio Nationalpark zu wandern. Wir wanderten 5 km um einen See. Es ging auf und ab durch den Wald und wir hatten immer wieder nette Ausblicke auf den See, mal von Felsen aus und mal direkt vom Ufer auf Badestegen. Fürs Baden hatten wir aber weder Zeit, noch Badekleidung dabei und mit ca. 16⁰ Lufttemperatur war es mir auch zu kalt. Der Park hatte, wie auch die vorherigen, eine hervorragende Infrastruktur, beginnend mit dem hochmodernen Nationalparkzentrum, über Grillhütten, bei denen immer auch gezeltet werden konnte, Unterstände mit Holz und Säge oder Beil, um sich Grillholz passend zu schlagen, Trockentoiletten, die immer recht sauber und ohne den miesen Gestank von Chemieklos waren, einem Rolli- Wanderweg, Wege für Radfahrer, wobei in diesem Park ein spezieller Bikepark war, der wohl dieselbe Infrastruktur, also Wege und Lift von Skifahrern nutzte, wie auch Wege, die für Reiter nutzbar waren. Dieser Nationalpark war das Hauptskigebiet (Langlauf, Berge gibt’s keine) der Finnen und Naherholungsgebiet der Bewohner Helsinkis. Die Finnen nutzten ihre Parks auch intensiv. Stets sah man Wanderer, Leute, die grillten und auch Zelter.
Gegen 13:00 machten wir uns auf den Weg zum Fährterminal und ich fragte mich, wie um alles in der Welt Menschen ohne Navi den Weg dorthin fanden. Wir fanden keinerlei Beschilderung zum Fährhafen, zumindest nicht in Englisch und Finnisch sagte uns überhaupt nichts, bis wir in ein paar hundert Metern das riesige Terminalgebäude sahen. Dort gab es dann zum Glück auch eine Ausschilderung je nach Fährlinie, denn es gab mehrere Linien, die nach Tallinn rüber fuhren. Auf unserem Warteplatz waren wir unter den letzten drei Fahrzeugen, die aufs LKW Deck fahren konnten. Wir beobachteten fast 45 Minuten lang, wie endlos viele Lastwagen vom Schlund der Fähre verschluckt wurden und begannen schon zu fürchten, dass für uns kein Platz mehr sein würde, aber wir passten gerade noch drauf. Die Fähre der Eckerö Linie war gigantisch. Ich glaube, es war die Größte, die wir je benutzt haben. Nach 2 1/2 Std liefen wir in Tallinn ein und die Fahrt durch die Stadt war ziemlich nervig. Es war starker Freitagabendverkehr, die Esten fuhren ziemlich ruppig und wir mussten noch dazu immer auf Straßenbahn, die immer Vorfahrt hatte, und Bus-Taxis- Spuren achten. Wir entsorgten unser Grauwasser an einer Tankstelle, die ich bei Park4Night herausgefunden hatte und fuhren dann zu einem Parkplatz an der Uferpromenade, etwas außerhalb vom Zentrum, neben einer Gedenkstätte an die estnischen Opfer durch die Kommunisten. Wir hatten erst Schwierigkeiten zu zahlen, da alles nur noch über Handy-APP lief und unsere Telefongesellschaft die APP nicht unterstützte, letztendlich ging es dann zum Glück mit Kreditkarte. Wir statteten dem Mahnmal einen Besuch ab, bevor wir in unserem Wohnmobil zu Abend aßen und uns bettfertig machten. Wir nahmen uns vor, wenn wir uns entschieden, am kommenden Tag Tallinn anzusehen, dann mit dem Bus. Fahren und Parkplatzsuche mit Womi war zu nervenaufreibend und wahrscheinlich auch zu teuer bei den Parkgebühren im Zentrum.

Estland

Samstag, 26.8.23 Tallinn – Türisalu Klippen
Mein erster Eindruck von Tallinn am Morgen war der Jachthafen, der sich ein paar hundert Meter die Küste hinauf hinter unserem Übernachtungsparkplatz befand. Das erste was ich sah, war das Marina Pirata Spa Hotel, ein furchtbarer Betonklotz, das aber glaube ich nicht mehr geöffnet hatte, darin ein wohl noch aktives Casino, dahinter der Jachthafen und ein Gebäude mit der Überschrift „Olympiacenter“ und der offizielle Wohnmobilstellplatz. Alles sah sehr nach Beton, Zäunen und irgendwie ungemütlich aus. Ich war froh, dass wir vorne auf dem Parkplatz übernachtet hatten, wo wir die Nacht alleine standen. Nach dem Frühstück machten wir uns gemeinsam mit dem Bus auf den Weg in die Stadt. Wie beim Parken zahlte man online, entweder per aufgeladener Karte wie in der Türkei, die wir natürlich nicht hatten, oder per Kreditkarte. Eigentlich stand im Internet, man könnte auch beim Fahrer zahlen, aber der wollte kein Geld und verwies auf das Gerät. Das piepte auch, als Stefan sein Handy mit eingespeicherter Visakarte dran hielt. Wir fuhren bis zur Altstadt, die wirklich sehr schön und auch relativ groß war und mich wieder mit der Stadt versöhnte. Kopfsteinpflaster, Stadtmauer, mehrere Kirchen, eine davon ein prächtiger Dom und viele Gassen mit Souvenirgeschäften, manche kitschig, einige aber auch mit hochwertigem Kunsthandwerk. Besonders gefiel uns, dass man den Hauptplatz mit Kommunikationsinseln aus Holz versehen hatte, wo Menschen sich ausruhen, treffen und Kontakte knüpfen konnten. Es handelte sich nicht um die immer gleichen Bänke, wo nur immer Pärchen draufpassten, dies waren Quader in unterschiedlichen Größen und Höhen, teilweise sogar überdacht. Danach besuchten wir die Markthalle am Baltischen Bahnhof, die architektonisch und vom Angebot wirklich etwas Besonderes war. Auf drei Stockwerken befanden sich Lebensmittelstände, ein riesiger Antikmarkt mit ungelogen Millionen Stücken von Kameras über Leninbüste und vom Spielzeug-Totenwagen bis zur alten, leeren Zigarettenschachtel. Es war unglaublich, dieses Sammelsurium auf sich wirken zu lassen. Außerdem gab es eine ganze Reihe hippe Restaurants und Cafés, auch vegan, sodass wir uns ein wenig ärgerten, zuvor voreilig bei einer Bäckerei Kaffee und Teilchen gegessen zu haben. Als letztes strebten wir zur Straße und dem Kulturzentrum Teliskivi. Hier wurde ein hässliches Bahnhofsviertel mit leerstehenden, alten Firmengebäuden, zu einem kulturellen Viertel und wirklichem Hingucker gemacht. Wandgroße, wirklich gute Graffitis zierten die Gebäude, in denen Fotomuseum, Galerien, Kunstwerkstätten und Gastronomie Einzug gehalten hatten. Zwischen den Gebäuden befand sich ein bunter Spielplatz, eine Bühne, Terrassen der Restaurants, bunte Tischtennis-Platten und teilweiße noch bemalte Food Trucks. Auch ein Eisenbahnwaggon wurde mit einbezogen und zwischendrin bepflanzte Kübel. So kann man aus alten, sinnlos gewordenen Gebäuden ein Viertel machen, das junge Menschen und Touristen anzieht und Künstlern kreative Schaffensorte bietet. Mit all diesen Eindrücken im Kopf fuhren wir zurück zum Wohnmobil und wendeten uns dem Ernst des Lebens zu: wir fuhren zum Waschsalon. Dieses Mal war es ein voller Erfolg. In nur 60 Minuten insgesamt, hatten wir unsere ganze Wäsche dieses Mal duftig sauber und vor allem richtig schranktrocken. Das alles kostete uns 11€, da konnten wir wirklich nicht meckern. Nun waren wir bereit, wieder in die Natur rauszufahren. Wir wollten eigentlich bei einem Strandparkplatz ca. 30 km westlich von Tallinn übernachten, aber wir hatten keine Chance, zu bezahlen. Die Europaparking App vom ersten Parkplatz passte nicht und über SMS zu zahlen, wie auf dem Schild beschrieben, funktionierte nicht. Wir fuhren ein paar Kilometer weiter zum ersten Parkplatz der Turisalu Klippen. Schon am Parkplatz stank es ekelerregend nach vermodertem Wasser. Wir liefen den Weg hinunter zum Meer, und es waren überall stinkende Algen, die die ganze Landschaft nach Kloake riechen ließen. Zu den Klippen konnte man weder oberhalb als auch am Wasser entlang laufen. Die Wege verliefen immer ein Stück, aber dann war Schluss. Überragend sahen die Klippen aber auch nicht aus, nicht, wenn man die Kreidefelsen auf Møn gesehen hatte. Der Parkplatz stank uns wortwörtlich, also fuhren wir noch ein Stückchen weiter und standen nun oberhalb der Klippen, wo wir auf einem Wanderweg noch etwas wanderten und wo es nicht mehr stank. Hier war am Abend richtig was los. Es schien eine Samstagsabend Beschäftigung zu sein, von einem Parkplatz aus die Sonne überm Meer untergehen zu sehen, was ganz nett, aber auch nicht so überragend, weil wolkig war, und zu fotografieren. Auch später, nachdem die Sonne längst weg war, war hier ein ständiges Kommen und Gehen von Autos, Wohnmobilen und Motorrädern. Einheimische wohlgemerkt. Ein Jongleur jonglierte auf der Grünfläche oberhalb der Klippe, direkt vor dem Parkplatz, für ca. 10 Minuten mit Feuer, dann verließ er den Platz wieder. Unsere Nachbarn, zwei Wohnmobile, die sich im 45Grad Winkel platzierten, schmissen den Grill an. Ich war gespannt, ob wir irgendwann eine ruhige Nacht bekommen würden. Zumindest machte noch niemand Party hier.

Sonntag, 27.8.23 Türisalu Klippen – Keila Wasserfälle- Holocaust Gedenkstätte -Paldiski/ Pakri Klippen – Nōva Rand – Haapsalu
Nach einer scheußlichen Nacht, weil ich wohl was falsches gegessen hatte ( überreife Kirschen? Zuviel Lakritz-oder Zimtkekse?) und daher mit Übelkeit und Bauchschmerzen zu tun hatte und außerdem die ganze Nacht über immer wieder Einheimische auf den Parkplatz fuhren und mit eingeschalteten Scheinwerfern aufs Meer leuchteten, was immer sie da suchten, war ich am Morgen wie erschlagen und nicht für große Wanderungen zu begeistern. Wir fuhren als erstes zu den Keila Wasserfällen, die gemeinsam mit dem dazugehörigen Wasserkraftwerk und einem Gutshaus in einem schönen Park lagen und über Hängebrücken erreichbar waren. Als nächstes holte uns wieder mal die deutsche Geschichte ein. Wir kamen an der Holocaust Gedenkstätte des KZ – Außenlagers Klooga vorbei und statteten ihm einen Besuch ab. Als Deutschland den Krieg gegen Russland begann, zwangsdeportierten die Russen ca. 400 Juden nach Sibirien und weitere flüchteten selbst nach Russland. Die restlichen Juden wurden von den deutschen Besatzern in KZs gebracht und 1944, als die deutsche Armee sich zurückziehen musste, im Wald erschossen und verbrannt. Die Lagerleitung floh Richtung Deutschem Reich. Da nicht alle Leichen komplett verbrannt waren, konnten die Russen unschwer erkennen, was hier vorsichgegangen war und veröffentlichten Fotos von ihrem Fund. Sie gehörten mit zu den ersten Beweismitteln, die die Welt vom Holocaust zu sehen bekam, wobei von russischer Seite das Thema politisch ausgenutzt wurde, indem man unterschlug, dass es sich bei den Opfern um Juden handelte. Sie wurden als russischstämmige Esten ausgegeben.
Nach diesem Rückblick auf die Vergangenheit fuhren wir weiter nach Padilski, einem russisch geprägten Ort. Unter Zar Peter dem Großen wurde es 1718 russischer Flottenstützpunkt, in den 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts ein Trainingszentrum für nukleargetriebene U-Boote mit Trainingsreaktor, sodass die Stadt eine sogenannte geschlossene Stadt wurde, die nur mit Sondergenehmigung betreten werden konnte. Auch seit der Unabhängigkeit Estlands ist die Mehrzahl der Einwohner noch russisch. Die Stadt wirkte auf uns sehr unfreundlich. Hauptsächlich gab es Wohnblöcke und meistens sehr heruntergekommen, aber nicht so, wie man sie in anderen ehemaligen Sowjetstaaten noch fand, außen scheußlich, innen schick. Hier sah es nicht danach aus. Häufig waren Scheiben kaputt bzw. verklebt, es schienen einige Wohnungen leer und überall blätterte die Farbe. Im Kontrast dazu befanden sich moderne Spiel- und Sportplätze im Stadtzentrum. Schön war es dagegen an der Spitze der Landzunge, an den Pakri Klippen. Hier unternahmen wir eine kleine Wanderung. Ein weiteres Naturhighlight war der Naturstrand Nōva Rand, den uns die älteste Tochter einer Freundin empfohlen hatte, die vor Jahren in Estland ein Austauschjahr gemacht hatte. Der Strand lag in oder bei einem Naturschutzgebiet mit Wald und einem Sandboden, der, wie in Skandinavien, voll von Blaubeer- und Preiselbeersträuchern und Heide war. Wir wanderten durch das Waldgebiet zum Strand und an diesem ein Stück entlang. Als wir zurück beim Auto waren, holten wir uns Schüsselchen und sammelten Blaubeeren für unser Frühstück an den nächsten Tagen. Die Blaubeeren waren viel dicker als in Finnland und auch als bei uns, fast wie Kulturblaubeeren, sodass wir bald genug zusammen hatten und zum Campingplatz nach Haapsalu fuhren, wo wir die nächste Nacht verbrachten. Wir fanden einfach keine öffentlichen Entsorgungsmöglichkeiten mehr für Grauwasser und Toilette, sodass wir auf einen Campingplatz gehen mussten. Naja, war auch mal gut wieder zu duschen und WLAN zu haben.

Montag, 28.8.23 Haapsalu – Hiiumaa
Dieser Tag war wunderbar und das, obwohl es am Morgen wie aus Kübeln regnete. Wir schafften es gerade in einer kurzen Regenpause, unser Abwasser und Klo zu entsorgen und Frischwasser aufzufüllen, denn deshalb hatten wir schließlich extra eine Nacht auf einem Campingplatz für 20€ verbracht, weil wir ernsthafte Probleme hatten, andere Entsorgungsmöglichkeiten zu finden. Trotz miserablem Wetter machten wir uns auf den Weg zum Hafen Rohukula, um Preise und Zeiten für die Fähre auf die Insel Hiiumaa herauszufinden. Als wir dort ankamen, kam gerade eine Fähre und, da Stefan die Ausfahrt zum Parkplatz verpasst hatte, standen wir plötzlich in der Spur für die Fähre. Da wir sahen, dass es auch eine Spur mit Kasse gab, versuchten wir es einfach dort und ruckzuck hatten wir unsere Tickets für 24€ und konnten direkt auf die Fähre fahren. Wenn das doch bloß immer so unkompliziert gewesen wäre! Wir hatten eine angenehme Überfahrt bei weiterhin strömendem Regen und beschlossen, auf der Insel als erstes shoppen zu gehen, um im Trocknen zu sein. Wir fuhren zu einem Humana Store und ich habe richtig Glück gehabt und eine Daunenjacke, ein Paar Wandersandalen und eine kurze Hose, alles neu oder neuwertig und Stefan eine lange Unterhose gefunden, alles zusammen für 34€. Danach besuchten wir den Windtower, ein Erlebnismuseum in einem architektonisch interessanten Turm. Auf mehreren Etagen wurde sehr anschaulich und zum Teil spielerisch die Geschichte der Insel, das Leben der Insulaner und die Fauna und Flora dargestellt. In einem Raum konnte man sich unterschiedliche Windstärken um die Ohren blasen lassen, in einer historisch gestalteten Küche von einem Mann per Video Geschichten seiner Mutter erzählen lassen (Untertitel auf Englisch), in Vogelnestschaukeln liegend, auf einer riesigen Wand eine Beamershow mit Situationen am Strand und in der Natur verfolgen und das Gefühl haben, man schaukelte mittendrin und vieles mehr. Das Museum war mit einem Sportstudio gekoppelt und es gab über die ganzen Stockwerke eine Kletterwand, die sich sehen lassen konnte. Sie wurde auch gut genutzt. Während wir uns dort im Museum gut beschäftigten, kam draußen die Sonne heraus. Wir ergriffen die Chance und fuhren nach Sääre Tirp, einer Landzunge, die sehr weit und extrem schmal in die Ostsee hineinragte. Wir hatten zum Schluss vielleicht noch einen ein Meter breiten Streifen zum laufen, dann trafen die Wellen aufeinander. Sicher war dieses letzte Stück auch häufig überspült. Diese Landschaft aus Gras, Büschen, grasenden Pferden und dann diesem schmalen Streifen aus Kiesel in der Abendsonne mit grandiosem Wolkenspiel, war einfach atemberaubend zu erleben. Nach dieser schönen Wanderung suchten wir uns einen gemütlichen Nachtplatz und fanden einen abgelegenen, kleinen Fischerhafen mit Aussichtsturm und Parkplatz, auf dem wir die untergehende Sonne überm Meer beobachten und gut schlafen konnten.

Dienstag, 29.8.23 Hiiumaa
Wir hatten eine wunderbar ruhige Nacht, ganz alleine an dem kleinen Hafen Tärkma sadam. Zum Frühstück gab es noch einmal Blaubeermüsli mit den selbst gepflückten Beeren von vorgestern, danach begaben wir uns auf die Erkundung der Insel. Heraus kamen der kleine Jachthafen von Haldi, drei Leuchttürme, eine alte, fast komplett kaputte Kunstseidefabrik, von der aber seit einem Jahr ein Gebäudeteil zu einem Kulturzentrum umgewandelt wurde. Maler stellten Bilder im rustikalen Café aus, es fanden wohl häufiger Musik- und Theaterveranstaltungen statt und wahrscheinlich war noch einiges mehr geplant. Im ersten Jahr hatte das Kulturzentrum 10000 Besucher, davon 90% Esten. Für eine Insel mit nur ca. 11000 Einwohnern schon eine nennenswerte Anzahl. Wir tranken dort einen Kaffee und unterhielten uns mit dem anwesenden Mitarbeiter. Leider wurde er von einem Telefongespräch weggerufen. Ich hätte ihn gerne noch gefragt, wer dieses Kulturzentrum geschaffen hat und jetzt betrieb. Beim letzten Leuchtturm, dem Tahkuna Leuchtturm war am Strand ein Memorial für die toten Kinder des Estoniaunglücks. Es wurde von einem Lehrer initiiert.
Außerdem machten wir eine 7 km Wanderung entlang der Küste von der Kalana Feriensiedlung zum Ristna Leuchtturm. Das Wetter war uns dieses Mal hold. Es schien den ganzen Tag die Sonne. Zur Übernachtung suchten wir uns wieder ein RMK -Plätzchen. RMK waren die offiziellen Rast- bzw. Zeltplätze der Forst- oder Umweltbehörde, wo gezeltet werden durfte, und auf dem Parkplatz konnte man auch im Wohnmobil übernachten. Sie hatten in der Regel ein Plumpsklo, eine Feuerstelle, Picknicktische und manchmal auch eine Hütte oder Unterstand. An diesem Tag waren wir am Törvanina Campingplatz, und dort war sogar eine Badestelle an einem schönen Sandstrand. Es ging hier lange flach ins Wasser und es war reiner Sandboden, keine Steine oder Algenschlick, wie sonst häufig hier an der Küste und ich sah auch keine Quallen, daher nutzte ich dieses Mal auch die Chance für ein Bad in der Ostsee. Wir waren wieder ganz alleine auf dem Platz. Man merkte deutlich, das die Saison vorbei war. Wir hatten morgens auch problemlos ein Ticket für die Fähre am nächsten Tag nach Saaremaa bekommen, was im Sommer schwierig sein soll. Saaremaa war die größte estnische Insel, und von ihr aus konnte man mit dem Auto noch die kleine Insel Muhu besuchen.

Mittwoch, 30.8.23 Hiiumaa – Saaremaa
Heute war mal wieder ein Regentag. Unsere Wanderung am Morgen im Wald um Kärdla war daher ehr suboptimal, denn außer Regen gab es auch noch Mücken, sodass unsere Geschwindigkeit ziemlich gesteigert wurde. Danach flüchteten wir uns im Ort Kärdla in einen Second Hand Laden und waren danach Pizzaessen im Restaurant. Am frühen Nachmittag begaben wir uns auf den Weg zum Hafen auf der anderen Seite der Insel zum Hafen von Sōru. Unterwegs guckten wir uns noch kurz das alte Gutshaus Suuremōisa an, das jetzt unterschiedliche Schulen beherbergte. Um 17:30 ging’s dann auf die Fähre nach Saaremaa, wo wir wieder auf einem RMC Campingplatz im Wald, an einem traumhaften Sandstrand übernachteten. Schade, dass das Wetter kein Badevergnügen ermöglichte.

Donnerstag, 31.8.23 Saaremaa
Mal wieder wachte ich bei Regen auf und Stefan wurde beim Joggen nass überrascht. Wir erkundeten nach dem Frühstück die westliche Hälfte der Insel, und die Autos, die uns bis zum vorletzten Ziel, dem Leuchtturm Klipsaare Tuletorn begegneten, konnten wir an einer Hand abzählen. Der nordwestliche Teil von Saaremaa war fast ausschließlich Wald und Küste. Wir besuchten die Panga Klippe, die man allerdings nur von oben sehen konnte. Wollte man runter ans Wasser, muss man sich an einem matschigen, verschlissenen Seil abseilen, das nicht einmal bis nach unten reichte. Das bei dem nassen Wetter hätte sicher eine Sauerei gegeben. Am Wanderweg konnte man außerdem noch Relikte der alten Überwachungsanlagen der Sowjets sehen. 1,9% des estnischen Territoriums waren militärische Anlagen während der Sowjetzeit.
Ninase Pank, unser nächstes Ziel, war ebenfalls eine Klippe, bei der wir eine Weile rumwanderten. Undva Pank wiederum war Teil eines Geologieparks und wir konnten nach Versteinerungen suchen. Das letzte Ziel, der Leuchtturm Klipsaare Tuletorn, war nur mit einer ca 9 km langenen Wanderung erreichbar. Ich hatte gelesen, dass der Weg lange durch hohen Sand gehen sollte, und war alles andere als begeistert davon. Die Wanderung war auch letztendlich wirklich nicht so toll, wie sie im Internet beschrieben wurde. Erstmal musste man etliche Kilometer auf Schotterpiste zum Parkplatz fahren. Von dort ging es schnurgerade auf einem straßenbreiten Schotterweg durch langweiligen, in Reihen angepflanzten Fichten-Stängelwald mit total leerem Boden. Keinerlei Moos oder Pflanzen, wie sonst überall. Warum man die ca. 1,5km Weg nicht auch noch bis zum RMC Campingplatz mit dem Auto fahren konnte, erschloss sich mir beim besten Willen nicht. Danach wurde es etwas besser. Linkerhand tauchte ein See auf, den man durch Schilf sehen konnte, rechts verdeckten Dünen das Meer, aber immerhin wuchsen ein paar Büsche, Gräser und Moose hier. Erst als der Weg schmal wurde, begann der sandige Abschnitt. Da er nicht sehr lang war, wurde es nicht zu anstrengend, bis wir am Strand ankamen und den Turm im Wasser stehen sahen. Er war super dünn und schief, was vielleicht das Besondere an ihm war, sonst war er nicht gerade malerisch schön. Nach der Wanderung hatte ich die Nase voll von einsamen Landzungen und wir entschieden uns, im größten Ort der Insel, Küresaare oder auch Ahrensburg genannt, einen Schlafplatz zu suchen. Wir kauften noch ein und Stefan backte Pfannkuchen, die wir mit Kohupiin, einem lecker angemachten Quark mit Rosinen oder Vanille aßen. Diese Quarkspeisen gab es in Butterform oder als Würste verpackt und in verschiedenen Geschmackssorten. Sehr lecker!

Freitag, 1.9.23 Saaremaa- Muhu
Heute Morgen wachte ich mit Sonnenstrahlen und dem Lärm der Straßenreinigung auf. Letzteres hatte man davon, wenn man nicht im Nirgendwo, sondern in der Zivilisation übernachten wollte. Stefan bekam beim Joggen noch etwas Regen mit, aber danach war es trocken und wurde ein schöner Tag. Wir schlenderten nach dem Frühstück durch Küresaare, das auch Ahrensburg genannt wurde und echt süß war. Nette Häuser, viele im Jugendstil, ein richtig gemütlicher Stadtkern mit kleinen Geschäftchen und Gassen, aber auch einem Einkaufszentrum, was aber sehr gut ins Ambiente passte und nicht protzig modern den Rest erstickte. Außerdem gab es eine von Wasser umgebene Burganlage, einen Park und Sportanlagen. Wir besuchten einen Humana Second Hand Store, wo wir für Stefan Daunenschuhe und für mich eine dünne Fleecejacke fanden. Die Souvenirläden hatten viele Handarbeiten, gestrickte Socken, Mützen, Filzgegenstände, Keramik und Seifen etc., die wir aber nur anschauten. Zum Schluss guckten wir uns noch die Burganlage an, allerdings nur von außen. Ins Museum gingen wir nicht. Den Abschluss machte ein Kaffee im Jugendstil Kurhaus, bevor wir uns wieder den regelmäßigen Aufgaben von Wohnmobilreisenden widmeten, der Ent- und Versorgung. Wir fuhren zu einer Tankstelle, die beides bieten sollte, bekamen aber nur Wasser, wurden jedoch unser Grauwasser und den Toiletteninhalt nicht los. In der Tankstelle diskutierte die Mitarbeiterin mit drei Männern meine Frage, wo eine Grauwasser- Entsorgung denn möglich wäre und alle drei kamen auf die Lösung: im Wald. Ich sah sie entsetzt an und sagte, ob das denn erlaubt und möglich wäre und einer meinte: hier ist alles möglich. Na dann…Wir fuhren erst einmal zum Museum KEK. Wie wir es in Sofia bereits einmal erlebt hatten, wurde hier sehr anschaulich das Leben der Esten während der Sowjetherrschaft gezeigt. Wir lernten, dass ein Telefonanschluss ungefähr ein ebenso seltenes Gut wie ein Auto war. Viele besaßen zwar ein Telefon, aber bekamen den Anschluss erst 20, 30 Jahre nach Antragsstellung oder nie. Wir erfuhren, welche Tauschobjekte Türen zu Dingen öffnete, die sonst unerreichbar waren. Eine Tafel „Anneke“ Schokolade und Marzipanfigur reichte, um eine Psychiatrieakte verschwinden zu lassen und in Urlaub nach Bulgarien reisen zu können, und in Russland öffnete eine Packung „Kalev Kaugummi“ für eine ganze Gruppe Eintritt in ein Restaurant, das eigentlich geschlossen hatte. Wir erfuhren, dass das finnische Fernsehen zwei Jahre später an den Start ging und es daraufhin einen ständigen Wettkampf gab. Jede Seite idealisierte im Programm ihre Lebensweise, aber natürlich schlug Finnland nach kurzer Zeit die Esten mit seinen Produktionen, und als es die ersten Aufnahmemöglichkeiten gab, guckten in allen Sowjetrepubliken Menschen Westfilme mit finnischen Untertiteln, die zur damaligen Zeit viele einigermaßen verstanden, besonders in Estland. Die Menschen wurden unglaublich kreativ ob des Mangels an Produkten. Nachdem ein technisch sehr intelligenter Este in ein russisches Arbeitslager verschleppt wurde zur Entwicklung eines Motors, wurde das Ergebnis überall in die waghalsigsten Maschinen von Rasenmähern über Räder mit Motorantrieb bis zu Pflügen etc eingesetzt. Es muss unglaublich viele Verletzungen gegeben haben, so unsicher wie die Geräte waren. Interessant war auch, dass überall Kantinen eröffnet wurden, weil die kommunistische Doktrin wollte, dass Frauen nicht mehr Zuhause am Herd stehen, sondern alle an der Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen sollten. Obwohl die Preise in den Kantinen sehr preisgünstig waren, zogen es viele dennoch vor, selbst zu kochen und in den eigenen vier Wänden zu essen.
Um von der Mangelwirtschaft und Unfreiheit abzulenken, schürte die kommunistische Regierung die Angst vor einem Atomkrieg und das besonders bei den Kindern. Es wurden Übungen veranstaltet für den nuklearen Notfall, Filme gezeigt und in der Schule Baumwollmasken genäht! Für uns heute war es eine wirklich interessante Ausstellung, wie es den Menschen damals damit erging, kann man sich in etwa vorstellen.
Danach begaben wir uns zum Kogi Bog Wanderweg. Unterwegs las ich in den Rezensionen von Park4Night, dass hinter den öffentlichen Toiletten bei (Wander-) Parkplätzen häufig ein zu öffnender Kanaldeckel sei, wo man Campingklos entleeren könnte. Dort konnte man natürlich auch Grauwasser eimerweise reinschütten. Nun hofften wir, dass unser Wanderparkplatz eine solche Einrichtung haben würde und wir hatten Glück und wurden unsere Probleme los. Danach machten wir eine schöne Wanderung auf Bohlenwegen durch das Moorgebiet und Hackschnitzelwegen durch den Wald. Zwischendrin kam immer mal die Sonne heraus, was die Landschaft im schönen Abendlicht leuchten ließ. Im Anschluss verließen wir die Insel Saaremaa über einen Damm und fuhren auf die letzte Insel unserer Tour, nach Muhu. Hier übernachteten wir auf dem Parkplatz eines Freilichtmuseums, das wir uns am kommenden Morgen noch vor der Fährfahrt aufs Festland ansehen wollten.

Samstag, 2.9.23 Insel Muhu – Jōulumäe(Festland Estland)
Die letzte Nacht war furchtbar. Es goss aus allen Löchern und das nicht gleichmäßig, sondern so, als würden immer Kübel ausgeschüttet, dann war Ruhe und man dachte, jetzt ist es vorbei, dann kam der nächste Kübel. Ich konnte nicht einschlafen und fasste immer wieder an mein „Nichtmehr Fenster“, ob es wieder reinregnete. Zum Glück sah ich die Bescherung erst am Morgen. Ein nasser Fleck von ca. 30cm Durchmesser auf meinem Laken und der Matratze, und an derselben Ecke wie in Dänemark hingen Tropfen. Ich hatte echt die Nase voll und wollte nur noch weg. Da aber nach dem Frühstück kurz die Sonne rauskam, nutzten wir doch die Chance, uns noch das Freilichtmuseum auf Muhu anzusehen, auf dessen Parkplatz wir übernachtet hatten. Ein Hof, eine Dorfschule und eine Ausstellung von landestypischer Kleidung und Gemälden boten sich uns. Vieles war ähnlich, wie man es auch aus anderen Gegenden Europas kannte, witzig fanden wir jedoch die Kombination aus Ziegenstall und Sauna! Erschreckend war der enge Holzverließ für Mägde und Knechte. Da waren die Ställe der Tiere größer! Es passte gerade so ein Bett rein, kein Ofen, nix!
Da das Wetter mehr als wechselhaft war und im Anbetracht meines Problems im Bett, entschieden wir, direkt zum Fährhafen zu fahren. Wir hatten das Glück und konnten bereits gegen 12:00 eine Fähre nach Virtsu auf dem Festland nehmen, statt die gebuchte um 14:30. Wenn das doch überall so unkompliziert ginge! Von Virtsu machten wir uns auf den Weg nach Jõulumäe, wo wir bei einem Sportzentrum unseren Übernachtungsplatz fanden. Wir hatten Strom und ließen unseren kleinen Heizer mein Bett trocknen. Er konnte das jetzt um die Wette mit dem Regen erledigen. Hoffentlich hörte das endlich auf! Ich wollte nicht auf mein Bett verzichten! Zum Glück hatten wir Plastikschalen mit, die ich unter die Stelle stellen konnte, jetzt, wo ich die Gefahr kannte.
Das Sportzentrum, wo wir übernachteten, war das größte und vielseitigste, was wir je gesehen hatten. Über die normalen Sport- und Tennisplätze hinaus gab es außen Bahnen für Kurzstreckenläufe, Sprungbahn, Fitness- und Sportgeräte wie Ringe und Reck etc., diverse Mountainbikestrecken mit Hindernissen, die Möglichkeit, Sommerski zu fahren oder im Winter Ski, denn es gab auch einen Platz für Kunstschnee, Disc Golf, was hier sehr in war, Tischtennisplatte, ein überdimensioniertes Billard auf dem Boden, das man anscheinend mit den Füßen spielte, einen Spielplatz und eine Sporthalle. Geräte wie Fatbikes etc waren im Verleih. Man konnte Zimmer im Haus und kleine Hütten draußen mieten, oder wie wir, auf dem Gelände mit dem Wohnmobil stehen. Da es auch einen Grillplatz mit Sitzgarnituren gab, denke ich, dass dort auch gezeltet werden konnte. Im Haupthaus waren Duschen, Toiletten und eine Sauna untergebracht. Anscheinend war Sauna hier immer privat, d.h. man musste sie vorbuchen. Leider war an diesem Tag nichts mehr frei. Das war schon Sportförderung vom Feinsten!

Lettland

Sonntag, 3.9.23 Jōulumäe – Weiße Düne bei Saulkrasti (Lettland )- Naturpark bei Gauja – Kemeri Nationalpark
Nun waren wir also in Lettland, dem 5. Reiseland unserer Tour „Rund um die Ostsee“, ließ man Deutschland mal außen vor, denn da waren wir dieses Mal nicht an der Küste.
Unseren ersten Stopp in Lettland machten wir an der weißen Düne bei Saulkrasti, einem wunderschönen Dünen-Sandstrand mit hervorragender Infrastruktur. Man hatte, um die empfindliche Dünenlandschaft zu schützen, lange Holzwege in ca. 1 m Höhe mit mehreren Aussichtspunkten angelegt, wo man wunderbar drauf laufen und die Natur genießen konnte. Nach einer kurzen Wanderung von ca. 3 km fuhren wir weiter bis zu dem Nationalpark Gauja, wo wir nochmal die typische Wald-Sand-Heidelandschaft bei der Umrundung eines Sees vorfanden. Dann ging die Fahrt Richtung Riga, wo wir uns Stop&Go durch die Stadt quälten, um zu dem Badeort Jürmela zu gelangen. Als wir in den Ort reinfuhren, erinnerten wir uns daran, warum wir 2019 nicht dort waren: man zahlte Eintrittsgebühr. Wir waren natürlich auf der falschen Spur und kamen daher nicht an den Zahlboxen vorbei, sondern waren auf der Spur für elektronische Bezahlung. Da man natürlich gleich per Kamera aufgenommen wurde, mussten wir es nun schaffen, noch irgendwie zu bezahlen. Zum Glück wurde bei der Online Anmeldung unsere Karte akzeptiert und wir konnten unseren Obulus von 2€ zahlen. Jürmela war bekannt für seine Jugendstilvillen und wir sahen auch ein paar davon. Außerdem hatte es einen kilometerlangen, atemberaubenden Sandstrand, noch einige mehr oder weniger gut erhaltene bunte Holzhäuser und ein paar hochmoderne Gebäude, wie ein Hotel in Schiffsform und ähnliches. Auch hier drehten wir eine Runde über den Strand und durch die Fußgängerzone, bis wir zu unserem Übernachtungsplatz im Kemeri Nationalpark fuhren. Hier planten wir am kommenden Tag noch eine Wanderung durchs Moor zu machen, auf der wir hoffentlich nicht von Mücken malträtiert würden.

Montag, 4.9.23 Kemeri Nationalpark Lettland- Kurtuveny Regionalpark Litauen

Dies war ein ausgesprochen schöner Tag. Er begann mit einer Wanderung durchs Moor bei Sonne im Kemeri Nationalpark, die traumhaft schöne Ausblicke bot. Danach fuhren wir weiter nach Jelgava, einer Stadt mit mehreren schönen Kirchen und einem Palast und einem Humana Store, wo wir wieder ein paar nette Klamotten fanden und uns danach im Café an Kuchen und Kaffee labten. In Lettland waren die Preise endlich wieder etwas niedriger. Für zwei Stück Torte, einen Cappuccino und einen Kaffee 8€ war ok. In den Ländern zuvor hätten wir bei den meisten das Doppelte bezahlt, mal war der Kaffee sehr teuer, mal Gebäck. Dann ging es über die Grenze nach Litauen. Wir machten Stopp in Joniskis, aber die Stadt hatte noch sehr viel Ost und wenig Charme und der Friseur, zu dem Stefan wollte, hatte weder Zeit, noch erschien uns der Laden vertrauenswürdig, also fuhren wir weiter nach Šiauliai. Eigentlich wollten wir noch einmal zum Hügel der Kreuze, wo wir 2008 mit unseren Kindern schon einmal waren, um zu sehen, wie sich das weiterentwickelt hatte, aber da für den Parkplatz 3€ mit Womi zu zahlen war, schenkten wir uns das und besuchten gleich den Ort Šiauliai. Erst fanden wir auch diesen nicht sehr ansprechend, aber als wir die Fußgängerzone hinunter schlenderten, wandelte sich der Eindruck etwas. Hier war es an lauen Sommerabenden sicher ganz nett und lebendig in der Außengastronomie. Es gab ein paar nette Skulpturen, die Fußgängerzone war mit Bäumen bepflanzt und auch so sahen wir einige Blumen. Außerdem gab es ein Fotomuseum, aber das hatte schon geschlossen. Wir entschieden uns, unser Reise-Abschlussessen an diesem Abend zu uns zu nehmen und fanden ein nettes, kleines, vietnamesisches Restaurant. Es war sehr authentisch, denn beide Frauen, die dort arbeiteten, kamen aus Ho Chi Minh bzw. Saigon und so hieß auch das Restaurant. Es gab eine große Auswahl an veganen Speisen und wir suchten uns zwei verschiedene Suppen aus, die wir jeweils teilten, eine selbstgemachte Limonade und Stefan trank wahrhaftig noch am Abend einen vietnamesischen Kaffee. Der ist ja auch sehr sehr lecker, aber er hat ein Vielfaches des Koffeins eines normalen Kaffees. Ein Schluck bewies mir, dass er definitiv echt vietnamesisch war. Alles war sehr lecker und die Bedienung freundlich und aufgeschlossen. Ihr war es wichtig, dass wir das Essen auch genauso einnahmen, wie es Vietnamesen tun, also erklärte sie uns, in welcher Reihenfolge wir die Suppen essen sollten, damit die eine nicht durch Schärfe die andere lasch schmecken ließe, und wir sollten zuerst Zitrone über der einen Suppe auspressen und umrühren für das richtige Geschmackserlebnis. Wirklich klasse!
Für unsere letzte Übernachtung im Baltikum wählten wir einen Parkplatz im Kurtuveny Regionalpark in der Nähe eines Sees. Hier blieben wir ganz alleine und genossen noch einmal die Freiheit des frei Stehens.

Litauen

Dienstag, 5.9.23 Kurtuveny Regionalpark – Klaipeda
Dieser Tag war so ziemlich ausschließlich unserer Abreise gewidmet. Wir machten noch einen Zwischenstopp in Rietavas, das mit seiner Kirche weithin sichtbar war. Sie sah für den Ort ziemlich überdimensioniert aus. Viele Häuser zeigten noch deutlichen Verfall und Reste der sowjetischen Zeit. In Klaipeda kauften wir Lebensmittel für die Fährfahrt und ein Dankeschön Geschenk für unsere Nachbarin ein, die unsere Post hütete. Wir genossen noch einmal Kaffee und Kuchen und dann ging es zur Fähre. Wir hatten das unverschämte Glück, dass wir eine Kabine mit Du/WC bekamen, obwohl wir nur Ruhesessel gebucht und bezahlt hatten. Die Reederei hatte das Schiff ausgetauscht und dieses verfügte gar nicht über Ruhesessel, also bekamen wir ein kostenloses Upgrade.

Mittwoch, 6.9.23 Ostsee – Kiel -Bispingen
Unsere Fährfahrt nach Kiel war sehr angenehm und entspannt. Ich hatte zwar erst Probleme mit der Vibration der Motoren, das im Bett wie leichtes Erdbeben ankam und meinen Magen mehr irritierte, als hätte das Schiff geschaukelt, aber nach ein paar Stunden legte sich das Grummeln und ich schlief bis 9:00 durch. Selbst Stefan wurde erst um 8:00 wach, 1-2 Stunden nach seiner Zeit. Das muss wohl an der Dunkelheit gelegen haben, denn wir hatten ja eine Innenkabine. Wir machten gemütlich Frühstück im Bett mit mitgenommenen Lebensmitteln und verbrachten danach den Tag abwechselnd an Deck in der Sonne, im Bistrobereich, wo man aber nichts verzehren musste und der gemütliche Sessel hatte und dann mal wieder in unserer Kabine. Wir hatten genug zu essen und trinken mit, dass wir auch zum Mittag und zum Kaffee ausreichend verpflegt waren. Das Schiff war nicht sehr groß und gerade mal zwei Jahre alt. Es musste für ein altes einspringen, das einen technischen Fehler hatte. Gut, dass man den vor der Fahrt gemerkt hatte! Gegen 18:00 kamen wir in Kiel an, nachdem wir eine lange Zeit schon die Aussicht auf die Landschaft um die Kieler Förde hatten genießen können. Es dauerte dann eine ganze Weile, bis wir von der Fähre und aus dem Hafen waren, aber danach kamen wir gut durch, sogar durch Hamburg. Da wir extra einen Tag früher zurückgefahren waren, konnten wir uns nun eine Zwischenübernachtung in unserer alten Heimat Bispingen erlauben. Wir standen wie schon einmal auf dem Parkplatz des Luhebades, der inzwischen offiziell für 24 Std Aufenthalt erlaubt ist und wir waren bei weitem nicht die einzigen Camper. Es standen noch 6 andere hier. Am kommenden Tag fand dann unsere schöne Tour unweigerlich ein Ende. Dann hieß es wieder: Massen von Wäsche waschen, Womi reinigen, Post abarbeiten…bis es dann irgendwann wieder losgeht;)

Interrail III 2+1

1.Teil

Österreich,

Warum um Himmels Willen 2+1? Es ist doch kein Baby unterwegs oder bereits geboren worden! Nein, aber mein lieber Mann hat die Reise „Interrailtour III“ genannt, weil er bereits vor langen Jahren, als er noch unter 20 und Single war, zweimal per Interrail unterwegs war. Ich dagegen bin noch ein Neuling, obwohl ich mit meinen gerade erlangten 60 Jahren nun schon zu den Senioren auf der Schiene gehöre und im Gegensatz zu ihm sogar ermäßigt reise. Damit dieser Bericht nun also auf uns beide passt, habe ich aus Stefans Interrail III, 2+1 gemacht, ich war ja schließlich auch dabei.

Wie kommen denn so Oldies wie wir eigentlich auf die Idee, per Interrail durch Europa zu fahren? Das sind doch eigentlich immer diese jungen Leute, die mit ihren Rucksäcken in den Sommermonaten auf den Bahnhöfen hängen oder nachts irgendwo auf den Sitzen schlafen, oder? Geht das denn überhaupt für Senioren und können die das überhaupt?

Ein klares „Ja“, die können das auch! Seit ein paar Jahren wird das Interrailticket auch für alle über 27-Jährigen angeboten, allerdings für einen höheren Preis. Man hat inzwischen auch viel mehr Auswahlmöglichkeiten, so kann man zwischen 1-3 Monatstickets wählen, mit dem Global Ticket nahezu alle Länder Europas bereisen, oder nur bestimmte Ländertickets erstehen, oder statt täglich zu fahren auswählen, dass man nur an einer bestimmten Anzahl von Tagen pro Monat fährt. Seit einiger Zeit spielten wir schon mit dem Gedanken, mal umweltfreundlicher zu reisen, aber ich muss zugeben, auch ich war in dem Gedanken gefangen, dass das eventuell nicht mehr die richtige Art zu reisen ist in unserem Alter. Außerdem lag uns der doch recht hohe Preis von 902€ pro Person für drei Monate in der zweiten Klasse auf dem Magen. Dann kam Corona und an eine derart intensive Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nur zum Vergnügen war überhaupt nicht mehr zu denken.

Im Frühjahr diesen Jahres aber, als wir beide geimpft und geboostert waren und überall Lockerungen bei der Einreise beschlossen wurden, feierte gerade zur rechten Zeit das Interrailticket seinen 50. Geburtstag. Aus diesem Anlass brachte die Bahn für nur wenige Tage das super Angebot heraus, einen dreimonatigen Global Pass für den halben Preis anzubieten und durch Zufall stieß ich gerade noch rechtzeitig auf das Angebot. Wir brauchten nicht lange zu überlegen, wir griffen umgehend zu, und das nicht nur einmal, sondern wir bestellten für jeden von uns gleich zwei Dreimonatstickets. Da Corona aber immer noch nicht vorbei ist und wir uns wenigstens etwas sicherer sein wollten, nicht unbedingt in überfüllten Zugabteilen eng an eng sitzen zu müssen, wählten wir 1. Klasse Tickets. Wir waren zuvor erst einmal in der 1. Klasse gefahren und das war bei einer betrieblich bezahlten Reise. Niemals hatten wir uns diesen Luxus bisher gegönnt. Im Anbetracht der Coronasituation erschien uns das aber eine sinnvolle Lösung.

Nun begannen wir das Internet zu durchforsten nach interessanten Strecken, Möglichkeiten, auch in den teuren Ländern bezahlbare Übernachtungen zu finden, denn wir konnten uns nicht wirklich vorstellen, ganze Nächte mit Maske im gefüllten Abteil zu übernachten. Wir überlegten hin und her, wann wir den ersten Trip beginnen wollten und in welche Richtung. Ein paar Eckpunkte waren klar, und zwar hatten wir zwei Termine in Deutschland, zu denen wir noch einmal zwischenzeitlich nach Hause mussten, sowie eine Verabredung mit unseren amerikanischen Freunden in Frankreich, die eingebaut werden musste. Wir entschieden uns, mit Osteuropa anzufangen. Unser Plan war eigentlich, entweder über Ungarn, Serbien runter nach Griechenland zu fahren, oder in die Türkei. Wir lernten aber schnell, dass bei einer solchen Reise Flexibilität gefordert ist und nicht alles ganz so einfach ist, wie die Werbung der Bahn es verspricht. Aber dazu später. Jetzt geht es erst einmal los:

Donnerstag, 19.5.2022 Abfahrt nach Österreich

Heute war unser erster Tag Interrailreise. Am Morgen ging es los ab Zorneding mit der S-Bahn nach Grafing, von dort mit Zug nach Rosenheim und mit einem weiteren Zug nach Salzburg. Bis dort fuhren wir per Bayern-Ticket, um uns die zwei erlaubten Fahrten innerhalb Deutschlands noch aufzuheben. In Salzburg haben wir dann das Interrailticket zum ersten Mal eingesetzt bis Linz. Wir fuhren 1.Klasse in einem Railjet der Österreichischen Bahn, was aber nicht besonders komfortabel war. In Linz haben wir einen kleinen Stadtbummel gemacht und uns erinnert, dass wir dort schon mal waren. Ich hatte es mit Graz verwechselt, weil mir meine Freundin damals eine Eisdiele empfohlen hatte und sie häufiger mit ihrem Mann in Graz ist. Der letzte Zug nach Wien war von der Westbahn und hier war die 1. Klasse ganz nett. Sie war über der 2.Klasse, nicht so überfüllt und es gab kostenlos Kekse und Mineralwasser zur Begrüßung. So konnte es weitergehen ;). Bemerkenswert war, dass alle Züge Verspätung hatten. Bei der Westbahn sagten sie durch, dass es an einer Verspätung der Verbindung der Deutschen Bahn läge.

Zu unserer Unterkunft war es ca. 30 Minuten Fußweg. An die Rucksackschlepperei musste ich mich erst gewöhnen. Ich hatte denselben Kofferrucksack mit, den ich immer für Ryanair nehme und er hatte auch nur 5,4 kg, aber trug sich nicht so super. Wir hatten wirklich sehr sparsam gepackt. Stefan hatte auch nur um die 6 kg mit. Die Unterkunft war ein 2-Bettzimmer in einer 3- Zimmer Wohnung. Alle drei Zimmer wurden touristisch vermietet, wie es schien. Ein Bad und eine Küchenzeile konnten gemeinschaftlich genutzt werden. Sie erwies sich als ganz ok, obwohl die Bewertungen bei Airbnb ziemlich mies waren. Vorab bekamen wir noch harsche Regeln mit Strafandrohungen zugeschickt, z.B. dass die Handtücher auch nur als solche zu nutzen und wie hoch die Strafe für Lärm etc. wären. Wir mussten Passkopien online schicken, so verlangten es die Behörden. Am folgenden Tag wollten wir die Stadt erobern. Wir waren beide zwar schon mehrfach in Wien, aber das war lange her.

Freitag, 20.5.22 Wien

Ein Tag Wien, das waren 26460 Schritte und diverse Fahrten mit U-Bahn, Straßenbahn und Bus. Wir kauften uns morgens ein 24 Std-Ticket für 8€ p.P. für die öffentlichen Verkehrsmittel, da bei Interrail leider nur S-Bahnen inkludiert sind und die innerhalb von Wien uns nicht weiterbrachten. Unser erstes Ziel waren zwei Straßen, die laut Google sehr abwechslungsreich sein sollten, die Reindorf-Gasse und die Mariahilfer Straße. Letztere liefen wir zuerst westlich vom Westbahnhof hoch und fragten uns, wo hier die Fußgängerzone sein sollte und was besonders an der Straße war, später erwies sie sich in Richtung Donau aber doch als ganz abwechslungsreich. Danach fuhren wir raus auf den Zentralfriedhof und bestaunten die Grabsteine von Beethoven, Schubert und anderen Musikern, Schauspielern und Persönlichkeiten. Die werden wohl noch einige Generationen die Nachwelt an sie erinnern. Es gab hier aber auch bereits etliche alte Grabsteine, die markiert waren, weil sie den Sicherheitsbestimmungen nicht mehr genügten und demnächst abgebaut werden. Der Friedhof ist gigantisch, der größte Europas, und hat sogar einen Bezahlparkplatz auf dem Friedhofsgelände und man kann sich mit Pferdekutsche oder Führung die wichtigsten Gräber zeigen lassen. Wir sind auf eigene Faust herumgelaufen und Stefan konnte es sich nicht verkneifen, als wir auf der Bank saßen, Wolfgang Ambros‘ bissig- böses Lied über den Zentralfriedhof abzuspielen. Ich konnte ihn aber schnell daran hindern.

Wieder in der Einkaufsstraße besorgte er sich second hand ein neues Laufshirt und wir kühlten uns bei einem Café mit einem Eiskaffee etwas ab. Die Sonne schien den ganzen Tag und wir hatten ca. 25-27Grad. Abends entdeckten wir nahe dem Museumsquartier Zelte mit wissenschaftlichen Mitmachaktionen. Wir hatten das Glück, die Nacht der Wissenschaften zu erleben und außer den Ständen hatten auch etliche Museen ab 18 Uhr ihre Tore kostenlos geöffnet. Ins Mumox, dem Museum für moderne Kunst, konnten wir ebenfalls kostenfrei, weil gerade Ausstellungseröffnung von Wolfgang Tillmanns Ausstellung „Schall ist flüssig“ war. Hungrig begaben wir uns danach zum Naschmarkt in der Hoffnung, ein paar Kostproben naschen zu können, aber das war nichts. Es hatten zwar zahlreiche Restaurants geöffnet, aber die meisten Stände hatten schon geschlossen und es sah auch nicht so aus, als könnte man da sonst etwas testen. Wir holten uns bei der Kebabbude gegenüber zwei gefüllte Teigtaschen und stärkten uns für den letzten Programmpunkt, den Prater. Wie zu erwarten, war überall war viel los, denn es war ein lauer Freitagabend, ideal, um auszugehen. Wir fotografierten die bunt erleuchteten Fahrgeschäfte, beobachteten Leute und machten uns gegen 21:00 auf den Rückweg zu unserer Unterkunft.

Ungarn I

Samstag, 21.5.22 Ungarn

Heute war wieder ein Fahrtag, d.h., wir verließen  kurz vor 10 Uhr das Zimmer in unserem Appartement, fuhren mit unserem 24 Std Ticket vom Vortag zum Hauptbahnhof und schlossen für 2€ unsere beiden Rucksäcke dort im Schließfach ein. Davon können sich deutsche Bahnhöfe eine Scheibe abschneiden. Nicht nur, dass wir zuhause deutlich teurere Schließfächer haben, sie sind auch gerade mal halb so groß. 2€ pro Tag in Wien fand ich doch überaus fair. Es bot uns die Möglichkeit, unser 24-Std Ticket voll auszunutzen und am Morgen noch zum Stephansdom zu fahren. Auf der Rückfahrt schafften wir eine Punktlandung. Wir kamen genau in der Sekunde aus dem U-Bahn Bereich, als es auslief. Ich weiß nicht, ob wir das Risiko bei elektronischer Schranke gewagt hätten, aber so etwas hat Wien nicht. Da wir etwas zu früh wieder am Hauptbahnhof ankamen für unsere Fahrt nach Budapest, nutzten wir das tolle Angebot der Lounge für 1. Klasse Fahrgäste. Das hat sich gelohnt. Dort konnten wir uns kostenlos Kaffee/Tee/Kakao, Saft und Mineralwasser, sowie Obst und Käsebrötchen nehmen und fanden eine kostenlose, saubere Toilette und gemütliche Sitzecken. Pünktlich um 12:42 verließ der EC 145 mit uns den Wiener Hauptbahnhof. Wir hatten ein 6-er 1. Klasse Abteil für uns, aber weder Strom, um die Handys zu laden, noch WLAN funktionierte. Die meiste Zeit hatten wir unterwegs gar keinen Empfang, aber das Leiden kennt man ja aus Deutschland auch. Wir leben halt nicht in Asien, wo Digitalisierung selbstverständlich ist. Um 15:19 fuhren wir in Budapest-Keleti, dem wohl größten der drei Bahnhöfe der Hauptstadt ein. Als wir in die Eingangshalle kamen, war ich zuerst begeistert, weil das Kuppeldach eine recht majestätische Wirkung ausstrahlte, beim näheren Hinsehen konnten wir aber erkennen, wie fertig das Gebäude war. In den Nebenflügeln kam überall der Mörtel von der Decke, die Infoschalter, immerhin 4 oder 5, waren in einem kleinen Räumchen untergebracht, vor dem man Wartetickets am Automaten ziehen musste, je nach Auskunftsbereich. Da wir Nr. 225 hatten und wir gerade mal Nr. 124 aufgerufen sahen, erwarteten wir eine horrende Wartezeit. Es standen auch etliche Leute vor der Tür. Wir entschieden uns, uns erstmal um einen Tagespass o.ä. für öffentliche Verkehrsmittel in Budapest zu kümmern. Nachdem wir den Automaten dafür gefunden hatten und auch wussten, dass wir ein 72 Std Ticket wollten, weigerte der sich aber unsere Forint anzunehmen, die wir von einer früheren Reise mitgenommen hatten. Wir zahlten mit Karte die 4150 Forint (rd. 10,80€), um die nächsten Tage frei in der Stadt herumfahren zu können. Wieder zurück beim Infoschalter der Bahn begriffen wir, dass die Nummern wild durcheinander aufgerufen wurden, je nach Auskunftswunsch, und wir waren ruckzuck dran. Sehr schnell wurde uns klar, dass eine Verbindung nach Serbien nicht möglich war, wir also nicht über Belgrad nach Griechenland würden fahren können. Im Angebot war Bukarest. Von dort sollte es eine Verbindung über Sofia nach Thessaloniki geben. Wir entschieden uns für den Nachtzug nach Bukarest am 24.5. um 19:10, der uns am 25.5. ausgeschlafen ans Ziel bringen sollte. Für alle Züge nach Bukarest waren zuschlagspflichtige Reservierungen nötig. Da wir sowieso noch etwas draufzahlen mussten, entschieden wir uns für den ganz angenehmen Weg und buchten eine Zweibettkabine im Schlafwagen, allerdings 2. Klasse. Das war zwar echt teuer mit über 40€ pro Person, aber wir ersparten uns eine Nacht eine Unterkunft in Bukarest und würden hoffentlich frisch und ausgeschlafen und voller Tatendrang dort ankommen. Nachdem wir endlich die Formalitäten erledigt hatten, fuhren wir per Bus direkt bis vor unsere Unterkunft. Google sei Dank, dass diese Dinge mit Hilfe von Maps so einfach herauszufinden sind. Wir hatten ein Zimmer mit Küchenzeile, Bad und Balkon in eindeutigem Ost-Charme. Unser erster Eindruck von Budapest war, dass es baufälliger wirkte als Sofia, aber wir waren ja auch noch nicht in irgendwelchen touristischen Prachtstraßen. Genial fanden wir, dass ein Lidl 50 m entfernt war und wir uns so gleich eindecken und am Abend kochen und auf dem Balkon essen konnten.

Sonntag, 22.5.22 Budapest

Wir waren wandern im Pilisi Parkerd, einem National- oder Naturpark in der Umgebung Budapests. Wir konnten unser 72 Stunden-Budapest Ticket nutzen, um dorthin zu kommen, was wir absolut erstaunlich fanden, denn wir waren über eine Stunde mit Bussen unterwegs. Mit Hilfe von Komoot und Google Maps hat die An- und Rückfahrt super geklappt. Wir sind durch sehr schöne Natur mit vielen blühenden Blumen, Hagebuttenbüschen auf zumeist bewaldeten, schattenspendenden Waldwegen bergauf und bergab gewandert, vorbei an Resten einer Burganlage, die ein Nachbau der Burg von Eger darstellt und als Filmkulisse für eine Serie diente. Wir kamen an Felsen vorbei und erreichten auf 570 Metern einen schönen Ausblick auf die Landschaft rund um Budapest. 350 Höhenmeter mussten dafür überwunden werden. Es war sonnig, aber ein leichter Wind machte das Wetter ideal zum Wandern. Wieder zurück im Apartment ließen wir es uns bei einem Teilchen und Kaffee gutgehen. Wir hatten tags zuvor Teilchen beim Lidl gekauft, die nicht nur echt billig waren mit ca. 60 ct, sondern auch sehr lecker. Sie schienen landestypisch zu sein, denn wir haben sie zuvor noch nie beim Lidl gesehen.

Am Abend planten wir Langos essen zu gehen.

Montag, 23.5.22 Budapest

Ich lief fast 23000 Schritte kreuz und quer durch Budapest, obwohl wir gefühlt die meiste Zeit in öffentlichen Verkehrsmitteln verbracht haben. Unser Plan war, gleich am Morgen nach Szentendre im Norden von Budapest zu fahren, um Ort und Marzipanmuseum zu besuchen. Als wir bereits im Zug saßen, stellten wir fest, dass weder unser 72 Std Budapest Ticket noch unser Interrailpass für diesen Zug gültig war, zumindest nicht so weit draußen vor der Stadt. Wir stiegen also gleich wieder aus und fuhren zurück. Wir planten, uns am kommenden Tag uns ein Erweiterungsticket für den Außenbereich Budapests zu kaufen und die Tour nachzuholen. Wieder in der Stadt machten wir uns auf den Weg zum Burgviertel in Buda, wir selbst wohnten in Pest, auf der anderen Donauseite. Das Burgviertel ist die Altstadt und liegt auf einem Hügel. Wir brachten die Stufen zu Fuß hinter uns, statt die Standseilbahn zu nutzen. Von oben hat man einen schönen Blick über die Donau auf das Parlamentsgebäude und die Stadt. Es war allerdings sehr voll und touristisch dort oben. Dann machten wir uns auf die Odyssee, unsere alten Forint in neue zu tauschen. Man hatte uns gesagt, das ginge bei Post und Banken, die erste Post machte uns aber gleich klar, dass nur die Nationalbank den Umtausch durchführe. Sie gaben uns eine Adresse, aber ohne Hausnummer, weswegen wir auf Google zurückgriffen. Das hätten wir lieber gelassen, denn Maps führte uns zwar zur Bank, aber die war komplett eingerüstet und hatte geschlossen. Eine andere Bank gab uns dann die komplette Adresse und wir fuhren nochmals ein ganzes Stück mit öffentlichem Verkehr, bis wir endlich am Ziel waren und unsere neuen Scheinchen in Empfang nehmen konnten. Unterwegs wurden wir am Eingang der Metro zum ersten Mal kontrolliert. Stefans 72 Std Ticket war ein Fehldruck, aber man konnte die 72 Std und das Datum gut erkennen, sodass uns bei unserer ersten Fahrt vorgestern der Busfahrer sagte, das wäre so ok. Die Kontrolle an der Metro fand das heute nicht und schickte uns zwei Stationen weiter, um dort bei der Zentrale zu fragen. Dort war aber niemand und kein Bus- oder Straßenbahnfahrer schickte uns weg. Nun würde das Ticket wohl auch noch am kommenden Tag bis zur Abreise so ok sein. Wir erholten uns bei Palatschinken mit Hüttenkäse und Kirschen, bevor wir wiederum ein ganzes Stück mit dem Bus zum Memento Park fuhren. Hier hatte man alte Denkmäler aus der kommunistischen Zeit zusammengetragen und in einem Park aufgestellt. Interessanter als die Heldenstatuen war aber die Ausstellung mit einer Dokumentation von Beginn bis Ende des Kommunismus in Ungarn. Besonders beeindruckend, wenn auch bedrückend waren die Aufstände 1956/57, die letztendlich mit Moskaus Hilfe niedergeschlagen wurden und die viele Tote, Verletzte und Repressalien für die zumeist jungen Freiheitskämpfer brachte. Weiterhin wurde ein Lehrfilm gezeigt, der damals nur jungen Polizisten in der Ausbildung gezeigt wurde. Es war ein Lehrfilm darüber, wie Geheimagenten der Staatssicherheit und ihre IMs arbeiteten, also wie man richtig spioniert.

Vom Memento Park fuhren wir wieder in die Innenstadt, guckten uns von außen die Synagoge, die größte Europas, an und schlenderten durch ein nettes Viertel mit Ruin Bar und vielen veganen, koscheren und internationalen Bars und Restaurants. Ruin Bars sind in Budapest Trend. Es handelt sich um alte, heruntergekommene Häuser, die zu Bars umgebaut werden und mit alten Möbeln, Graffitis etc. ihren unkonventionellen Style erhalten. Damit endete unser zweiter und vorletzter Tag in Budapest. Am kommenden Abend würde unser Nachtzug nach Rumänien fahren und ich war schon sehr gespannt.

https://youtu.be/tIsIKSueJHU

Rumänien I,

Dienstag, 24.5.22 Nachtzugfahrt nach Bukarest

Gegen 10:20 Uhr verließen wir unser Zimmer in Budapest und begaben uns zum Bahnhof. Die kommende Nacht würden wir auf der Schiene in einem hoffentlich bequemen Bett verbringen. Viel schlechter als das Hotelbett konnte es nicht werden, da ich hier alle Federn im Rücken spürte. An sich war das Zimmer ok, aber es wurde abends unglaublich schnell stickig heiß darin, wenn wir nicht die Balkontür aufließen. Das bedeutete aber leider auch gelegentlich Rauch im Zimmer, weil unsere Zimmernachbarn auf ihrem Balkon qualmten. Die Lage des Hotels war hingegen spitze. Der Bus hielt genau vor unserer Tür und Lidl war 50m entfernt. Wir fuhren zum Bahnhof und schlossen unser Gepäck für ca. 2,50€ im Schließfach ein. Nun konnten wir nochmal auf Entdeckungsreise gehen.

Unser 72 Std Ticket hat sich vollkommen gelohnt. Wir sind in den drei Tagen kreuz und quer durch Budapest damit gefahren. Manchmal war es nicht ganz einfach herauszufinden, bis wohin wir mit dem Ticket fahren durften, da nirgends Pläne mit der Tarifgrenze ausgehängt waren. Ebenso erging es uns mit unserem Interrailticket nach Szentendre. Dass wir den Zug H5 der Vorortzuggesellschaft nicht nutzen durften, war klar, aber eine S-Bahn bis Rakos, auf der halben Strecke? Die Zugbegleiterin wusste es selber nicht. Für den Rest kauften wir uns noch Einzeltickets. Die Preise waren mit 1,80€ erträglich. Wir schlenderten durch den netten kleinen Ort Szentendre an der Donau. Nette kleine Häuschen und Geschäfte und vor allem Gastronomie. Es war ziemlich touristisch, aber zum Glück waren keine großen Touristenströme unterwegs. Zum Abschluss besuchten wir das Marzipanmuseum mit Konditorei. Man konnte beobachten, wie ein Marzipankunstwerk kunstvoll verziert wurde, besonders konnten wir aber super Kunstwerke bestaunen wie die Houses of Parliament, Märchenszenen, einen lebensgroßen Michael Jackson aus Marzipan und ein Tisch mit Stühlen mit feinster Spitze mit einer Etagentorte und Bildern von Chopin, Strauss und einer Dame (Sissi?), alles aus Marzipan! Das waren echte Kunstwerke.

Auf dem Rückweg beabsichtigten wir eigentlich noch das 3D- Museum zu besuchen, aber das hatte wegen einer privaten Veranstaltung geschlossen. Wir aßen ein letztes Mal Langos, kauften etwas Verpflegung für die Nachtfahrt und kehrten zum Bahnhof zurück. Unser Gepäck wartete brav im Schließfach. Mit Sack und Pack begaben wir uns in die Business Lounge mit unseren 1. Klasse Interrailtickets. Diese Möglichkeit erwies sich wirklich als ein toller Vorteil. Die Zugplätze waren bisher nicht so besonders, aber sich in einer gemütlichen Lounge verwöhnen zu lassen mit Snack und Getränken, das war schon toll. Kurz vor Abfahrt begaben wir uns zu unserem Zug. An jeder Tür stand ein Schaffner und wies einem den Weg zum richtigen Wagen. Dort gab man beim Einstieg sein Reservierungticket ab und das Interrailticket wurde erfasst, dann konnten wir in unsere Kabine. Stefan war enttäuscht. Er hatte etwas anderes erwartet für 40€ pro Person, aber ich war dennoch froh, ein Bett und eine Kabine für uns allein zu haben, besonders zu Zeiten von Corona. Drin ist auch noch ein Waschbecken, das zugeklappt ein Tisch ist und ein Spiegelschrank mit Stromanschluss, Licht und zwei Flaschen Wasser. Ich war gespannt, wie ich schlafe würde, wenn ich die ganze Zeit sanft geschüttelt würde. Ob wohl an der Grenze bei Loekoeshaza und Curtici die Pässe kontrolliert würden zwischen 22:45Uhr und 23:55Uhr? So lange sollten wir laut Fahrplan dort halten. Wir ließen uns überraschen.

Mittwoch, 25.5.22 Bukarest

Es dauerte in der Nacht etwas, bis ich einschlafen konnte, aber das lag zum einen daran, dass tatsächlich Passkontrollen durchgeführt wurden und das von Grenzern beider Länder. Außerdem wurden nochmals die Tickets kontrolliert und mit Spiegel und Licht in unserer kleinen Kabine rumgeguckt, ob wir auch niemanden versteckt hatten. Danach dauerte es noch eine ganze Weile, bis das Umkoppeln und sonstiges Gerumpel vorbei war. In Rumänien wurde die Zeit um eine Stunde vorgestellt, sodass ich erst gegen 1:30, als der Zug wieder gleichmäßig durch die Landschaft ruckelte, in den Schlaf fiel. Der war dann aber recht gut bis gegen 8:30Uhr. Am Morgen machten wir uns ein bescheidenes Frühstück mit unserer mitgenommenen Marmelade, Zopfbrot und Butter. Das erhoffte Frühstück, oder wenigstens Kaffee durch das Zugpersonal, das es wohl bei anderen Night Trains laut Internet gibt, blieb leider aus. Schade! Mit ca. 1 Std Verspätung zur angekündigten Ankunftszeit – ggf hing das mit der Zeitumstellung zusammen – erreichten wir Bukarest. Berichte im Internet darüber, dass man unterschiedliche Tickets für U- Bahnen und Busse/Straßenbahnen braucht, Stationen nicht angezeigt würden etc., erwiesen sich als Humbug. Der Nordbahnhof Bukarests war moderner als in Budapest. Wir fanden schnell einen Geldautomaten und konnten auch wieder ein 72 Std Ticket (7.09€) für alle Verkehrsmittel innerhalb der Stadt kaufen. Inzwischen gingen WhatsApps zwischen unserer Vermieterin und mir hin und her, wann wir beim Appartement ankämen und wie wir hereinkämen. Sie hinterließ uns einfach den Schlüssel im nicht verschlossenen Briefkasten. Mit Bussen erreichten wir ohne Probleme das Ziel, was fast am anderen Ende der Stadt lag. Wir fanden ein nettes Appartement in einem typischen Ost-Wohnblock vor mit kleiner Küche, Bad und Schlafzimmer. Wir hatten sogar wieder eine Waschmaschine und zahlten für zwei Nächte knapp 44€. Nach einem Kaffee machten wir uns auf den Weg zum Naturschutzgebiet Parcul Natural Väcäresti. Erst bekamen wir einen Schock. Vor uns tauchte ein riesiges, rundherum mit Betonwänden versehenes Auffangbecken auf, indem eine Grünfläche von Wegen durchzogen wurde. Im Hintergrund ein Industriegebiet mit rauchenden Schornsteinen und Hochhäuser. Was war das denn?! Als wir jedoch ins Grüne hinabgestiegen waren, erwies sich das Gebiet als außerordentlich abwechslungsreich mit unterschiedlichen Habitaten für Vögel und andere Tiere wie Schildkröten, Insekten und ich wäre sogar fast auf eine Ringelnatter getreten. Gerade in dem Augenblick, als ich darüber nachsann, dass hier zwar das Klima für Schlangen stimmte, aber sicher nicht innerhalb dieser städtischen Umgebung, da bewegte sich plötzlich die vermeintliche Schnur zwischen meinen Füßen! Nach dem Ausflug in die grüne Oase fuhren wir in die Innenstadt, um irgendwo etwas zu trinken. Dort am Stadtrand war die Umgebung zu hässlich und die Getränke hatten Preise wie bei uns an touristischen Stellen. Damit hätten wir nicht gerechnet. Wir landeten in der Altstadt, die uns mit historischen Bauten und vielen hippen Bars und Restaurants etwas an Plovdiv in Bulgarien erinnerte. Überhaupt erschien es uns, dass die Länder mehr Gemeinsamkeiten haben als mit Ungarn. Budapest hatte dort, wo wir waren, zumeist ein recht einheitliches Bild alter, häufig herrschaftlicher Gebäude, die wohl so aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts stammten. Reste der ehemaligen Monarchie, manchmal sehr prächtig, häufig aber auch mit hohem Renovierungsbedarf. Die typischen Plattenbauten sozialistischer Art fanden wir kaum. Hier in Bukarest mischten sich hypermoderne Gebäude mit klassischen Prachtbauten und Ost-Wohnblocks zu einem bunten Bild. Typisch waren hier auch wieder die vielen Parks innerhalb der Stadt, zumeist mit Wasserspielen. Die gab es hier sogar entlang einer scheußlich stark befahrenen, mehrspurigen Straße. Vielleicht sollten sie die Gemüter derjenigen abkühlen, die hier im Stau standen? Zumindest halfen sie etwas gegen den Feinstaub. Wir gingen Pizzaessen, kauften bei Lidl etwas ein und verbrachten den Abend im Appartement mit rauchenden Köpfen über Fahrplänen. Die Organisation der Fahrten von A nach B war alles andere als easy. Da ließen sich Züge, die es laut Google gab, nicht in der Interrail APP finden, weil anscheinend einige Länder ihre Züge nicht oder zu kurzfristig einstellten. Fast alle Züge waren kostenpflichtig zu reservieren und man musste immer wieder über irgendwelche Knotenpunkte fahren und häufig gab es nur Nachtzüge oder sie fuhren nur an bestimmten Tagen. Dummerweise hatte ich am 15.6. einen Termin in Göttingen und wir mussten Ende Juni pünktlich in Frankreich in Boulogne Sur Mer sein, um unsere amerikanischen Freunde zu treffen. Das vorzuplanen war wirklich knifflig. Wir wollten ja eigentlich runter bis Griechenland, aber fanden keine vernünftige Verbindung, da serbische Züge nicht angezeigt wurden. (erst später fanden wir heraus, dass das serbische Schienennetz anscheinend derartig marode ist, dass derzeit keinerlei internationale Verbindungen per Zug möglich sind) Nunja, wir würden sehen. Erst nahmen wir uns vor, einen Abstecher nach Moldawien zu machen.

Donnerstag, 26.5.22 Bukarest

26060 Schritte durch Bukarest! Der Tag begann mit einem Besuch in Ceaucescous Villa. Wir nahmen an der englischen Führung teil und konnten nur staunen, wie es der Diktator Nicolae Ceaucescou und seine Frau Elena während seiner 24-jährigen Herrschaft geschafft haben, ihre feudale Lebensweise vor ihrem bitterarmen Volk zu verstecken. Das Paar und ihre drei Kinder hatten nicht nur jeder ein Büro, ein Schlafzimmer, Ankleidezimmer, und ein äußerst exquisites Bad – Elena’s war sogar mit goldbelegen Wänden und Armaturen -, sondern es gab dasselbe auch für private Gäste. Es gab prächtige Aufenthaltsräume, in den 70-gern bereits einen überall begehrten Farbfernseher und einen Kinoraum im Keller, wo alle westlichen Filme zu sehen waren, während das Volk pro Tag nur ganze 2 Std Staatsfernsehen zu sehen bekam und meist nur Propaganda, oder eventuell mal einen Comicfilm. Abends wurde der Bevölkerung auch über Nacht der Strom abgestellt, und zu essen hatten die meisten nur einen Teil einer normalen Portion. Ceaucescous durften sich hingegen an allem Luxus erfreuen, schmückten ihre Villa mit hocherlesenen Geschenken anderer Staaten, die als Gastgeschenke mitgebracht wurden. Vasen, Orientteppiche, Leuchter und vieles mehr wanderte in ihren Besitz. In Deutschland kommen diese Gastgeschenke in ein Museum und es wird genau darüber Buch geführt, was private und was Staatsgeschenke sind. Im Keller der Villa war ein Wellnessbereich inklusive medizinischer Massagen. Das beeindruckendste fand ich aber das Schwimmbad, dessen Wände rundherum mit Bildern aus Millionen kleiner Mosaiksteine gestaltet waren. Von hier ging es direkt in einen sehr schönen Garten im Innenhof. Die Villa war während der kommunistischen Ära rundherum von der Staatssicherheit abgeschirmt. Als 1989 das Volk bei der Revolution die Villa stürmte, konnten die Menschen ihren Augen kaum trauen. Während Ceaucescous nur in erlesenen Möbeln und Kleidung von weltberühmten Designern lebten, gingen Bilder von den grauenhaften Zuständen in Rumäniens Kinderheimen um die Welt. Beim Umsturz kamen über 1000 Menschen uns Leben, über 3000 wurden verletzt. In einem Scheinprozess wurde das Ehepaar zum Tode verurteilt und erschossen. Von den drei Kindern lebt heute nur noch ein Sohn in normalen Verhältnissen in Bukarest. Ihm konnte keinerlei Mitschuld nachgewiesen werden. Bruder und Schwester starben an Krebs.

Nach unserem Weg in die kommunistische Zeit Rumäniens, besuchten wir den Bordei Park. Eigentlich ist es ein ganzes Gebiet aus verschiedenen Parks mit einem Wasserlauf und einem großen See. Um den See sind wir fast komplett herumgewandert. Es ist ein sehr schönes Naherholungsgebiet zum Wandern, Radfahren, mit Badestelle und Fähre, Yachtclub, Restaurants und Buden und dem Freilichtmuseum „Muzeul National Al Satului „Dimitrie Gusti“ mit vielen typischen Gebäuden aus den 19. Und 20. Jahrhundert, aus verschiedenen Gegenden Rumäniens. Ganz in der Nähe kamen wir zum rumänischen Arc de Triumph, der dem französischen nachempfunden ist. Bukarest galt ehemals als Paris des Ostens. Von hier fuhren wir zum Gara de Nord, dem Hauptbahnhof und reservierten unseren Zug nach Iasi für den kommenden Tag. Dafür mussten wir in einer von vier Schlangen lange warten. Die Frau am Ticketschalter kam mit unseren Online-Tickets nicht klar und holte erstmal Hilfe. Für diese idiotische Reserviererei bezahlten wir zusammen 1,42€! und angeblich hätte der Zug keine 1. Klasse, obwohl es im Internet stand. Da fast für jeden Zug eine Reservierung in Rumänien benötigt wurde, war das die reinste Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und für die Fahrgäste nur nervig. Auf der Suche nach einer 1. Klasse Lounge mussten wir feststellen, dass sämtliche Warteräume im Bahnhof für ukrainische Flüchtlinge reserviert waren. Die brauchten das zugegebenermaßen auch mehr als wir, schade war es dennoch.

Mit der Metro fuhren wir zum Athenaeum, dem Opernhaus der Stadt und landeten nach dem Durchqueren der Macca- Villacross Passage wieder an einer Ecke der Altstadt, die wir vom Vortag wiedererkannten. Damit schloss sich der Kreis, und wir machten uns auf den Heimweg.

Freitag, 27.5.22 Fahrt nach Iași

Pünktlich um 9:45 Uhr kam unsere Vermieterin zur Wohnungsübergabe. Wir fuhren zwar erst um 12.07 Uhr ab Gara de Nord, aber um dahin zu kommen, mussten wir schon eine gute Stunde einrechnen, und wir wollten nochmals versuchen, doch noch Sitze in der 1. Klasse zu reservieren. Da wir uns zum ersten Mal in Bukarest auch noch verfuhren, war unsere Zeitplanung ganz passend. Erste Klasse durften wir dann aber doch nicht reisen, sie war laut Aussage der Bahnbeamtin ausgebucht. Der Zug Richtung Iasi war insgesamt sehr gut gebucht, zu Beginn standen sogar Leute in der zweiten Klasse. Vielleicht hatten wir also sogar Glück, überhaupt noch Plätze bekommen zu haben. Wir ließen fast durchgängig unsere Masken auf, weil immer wieder jemand hustete. Der Zug war der IR1663, vergleichbar mit unseren Interregios: Großraumwagen, Polstersitze nicht verstellbar, automatisch belüftet und er hielt relativ oft. Die Geschwindigkeit war bei uns zwischen 90-130, was auch angezeigt wurde. Er gehörte also schon zu den schnelleren Zügen und IR-Züge mussten meist reserviert werden. Die Strecke zwischen Bukarest und Iasi war nicht besonders aufregend. Zumeist führte sie an landwirtschaftlichen Flächen vorbei, kleine Dörfer am Wegesrand und das 6 ¼ Std lang. Die Stadt Iasi schien es jedoch in sich zu haben. Sie galt laut Internet als Brutstätte der organisierten Kriminalität. Es sollte sogar regelrecht eine Schule für Taschendiebe dort geben, die dann in Berlin und anderen Großstädten ihr Handwerk ausüben.

Inzwischen waren wir angekommen, hatten für zwei nächste Züge in drei Tagen Reservierungen für die erste Klasse! Das war aber auch wichtig, weil der eine ein Nachtzug zurück nach Bukarest war und wir danach noch weiter nach Brasov fahren wollten und alles in Sitzabteilen. Daher sollten die Sitze wenigstens bequem sein. Hoffentlich würden die Züge nicht wieder so voll sein, damit wir uns im Nachtzug wenigstens etwas ausbreiten könnten. Wir hatten fürs erste Türkei und Griechenland gestrichen. Die Zeit war einfach zu kurz für so eine lange und umständliche Fahrt, wenn wir spätestens am 12.6. wieder In Zorneding ankommen und nach Bad Harzburg fahren mussten. Wir beabsichtigten, uns im Anschluss an Moldawien, nach Brasov zu begeben und dort zu entspannen und zu versuchen, Abstecher in die Berge der Umgebung zu machen. Nach all der Stadt musste dann mal etwas Natur sein.

https://youtu.be/I5WoJp2vZEI

Moldawien

Samstag. 28.5.22 Fahrt per Bus nach Chisinau in Moldawien

Bevor wir unsere Pension in Iasi heute Morgen verließen, lud uns unsere Vermieterin Kristina zu einem Kaffee ein, und wir hatten ein sehr interessantes Gespräch. Da sie selber ähnlich reisebegeistert war wie wir, unterhielten wir uns über unsere Reise und was Corona für ein Einschnitt war, aber noch interessanter war, mit ihr über den Krieg zu reden. Sie hatte im Februar/März einige Flüchtlinge aus der Ukraine. Als die erste Frau mit Kind kam, bot sie ihr an, ihnen eine Pizza auszugeben und war zuerst recht konsterniert, als die Frau antwortete, dass sie lieber ein Bier und eine Maniküre hätte. Später realisierte Kristina, dass die Frau voll unter dem Fluchtschock stand und das Bier zur Beruhigung brauchte. Die Frau erklärte ihr später auch, dass sie sich eine Maniküre gewünscht hätte, um sich wieder sauber und als Mensch zu fühlen nach all dem Horror. Sie hatte mit Kind tagelang vor der Flucht im U-Bahn Tunnel ausgeharrt, bevor sie aufbrach. Sie bestätigte darüber hinaus Berichte aus dem Fernsehen, wo Geschwister in Russland und Ukraine telefonieren und die Russen ihrer eigenen Familie nicht glauben, dass das, was in der Ukraine gerade geschieht, ein Krieg ist und Putins Sprüche von der Niederschlagung der Nazis nachbeten. Eine ukrainische Stewardess wurde irgendwo im Ausland von einer Russin im Toilettenraum angemacht, dass sie, bzw. ihre Leute, Schuld hätten, dass alle jetzt schlecht über Russen redeten. Welche eine Verdrehung von Tatsachen, und wie muss es für die Ukrainerin gewesen sein, diesen Vorwurf von einer Russin zu hören! Kristina erzählte auch, dass ihre Großeltern, die den 2. Weltkrieg miterlebt und den Einmarsch der Deutschen und dann der Russen erlebt hatten, das heutige Drama kommen gesehen hätten. Sie glaubten nie an dauerhaften Frieden in Freundschaft mit Russland, weil es nicht nur einen Putin gäbe, sondern Millionen Russen, die hinter ihm stünden. Als die Deutschen damals Rumänien besetzten, hätten die Soldaten sich trotz Krieg in den meisten Fällen zivilisiert verhalten, die Russen dagegen hätten sich wie die Barbaren verhalten, zerstört und Frauen vergewaltigt. Über das Verhalten der deutschen Soldaten gibt es sicher auch andere Meinungen und Erfahrungen.

Leider haben wir selber auch nicht nur positive Erfahrungen mit Russen gemacht, sondern haben, während der 10 Tage in Russland 1988/89, mehrfach brutale Schlägereien beobachtet und ich selber fing mir grundlos eine Ohrfeige in der Straßenbahn ein.

Wir merkten hier in den ehemaligen Ostblockländern schon verstärkt die Angst vor dem russischen Nachbarn und die Solidarität mit den Ukrainern.

Uns führte der Weg dennoch heute weiter Richtung Osten, nach Chisinau in Moldawien. Moldawien war nicht im Interrailticket enthalten, daher fuhren wir mit einem Kleinbus, der mehrmals täglich Iasi in Rumänien mit der moldawischen Hauptstadt verband. Wir wollten nur Chisinau besuchen und auch nur für zwei Nächte. Noch vor einem halben Jahr war uns Transnistrien, ein russischer Scheinstaat innerhalb der moldawischen Grenzen, der laut Internet das frühere kommunistische Russland wie im Bilderbuch nachahmt, eigenes Geld und Pässe, sowie Grenzkontrollen hat, der aber von keinem Land der Welt anerkannt, sondern ehr als verschroben belächelt wird, als kurioses Reiseziel erschienen. Heute besteht die Gefahr, dass Putin diesen Scheinstaat als Grund für einen Einmarsch in ein weiteres Land der ehemaligen Sowjetunion zum Anlass nimmt.

An der Grenze wurden von beiden Seiten die Pässe eingesammelt und wir bekamen einen moldawischen Einreisestempel. Es ist ja auch eine EU Außengrenze, vielleicht ist das der Grund, dass ein deutscher Zöllner die rumänischen Kollegen unterstützte. Während LKWs Schlange standen, ging es für Autos und uns zügig. Wir hatten niemanden vor uns, aber die Passkontrolle dauerte insgesamt dann doch ca. 30 Minuten. Unsere Fahrt ging fast ausschließlich durch eine Landschaft mit bewaldeten oder grasbewachsenen Hügeln, Ackerland und Weinanbau. Die Gegend schien sehr fruchtbar zu sein. Die Orte bestanden meist nur aus ein paar Häusern und es sah noch ärmer aus, als das Hinterland Rumäniens. Chisinau zeigte sich dann plötzlich als lebhafte Stadt mit einem Busbahnhof, der einem südostasiatischen in nix nachstand. Zig Busse, buntes Gewusel von Marktständen, Betrunkene, die rumkrakelten, Armut. Ein paar Straßen weiter Universitäten, schöne Parks mit Wasserspielen, hypermoderne Malls, dann wieder zerfallenen Bruchbuden und Wohnblocks mit hunderten von Wohnungen. In einem gerade mal zwei Jahre alten haben wir jetzt für zwei Tage unsere Unterkunft. Sie ist super ausgestattet, der Stil ist aber der krasseste, den wir je hatten. Die Farben von Tapeten, Möbeln, Gardinen bissen sich nicht nur, sie hatten auch alle verschiedene Muster. Beleuchtet wurde das Ganze von einem unglaublichen Kronleuchter mit rosa Glasrosen. Wäre es nachts nicht dunkel, ich könnte bei dem Anblick kein Auge zu tun. Dennoch war die Wohnung klasse, weil sie sauber, geräumig und komfortabel ausgestattet war. Zum Abschluss dieses interessanten Tages, der gleichzeitig unser 37. Beziehungstag war, gingen wir lecker essen. Stefan schlug sich den Bauch mit Salat, Pizza und Grillgemüseplatte und anschließendem Käsekuchen voll. Eigentlich alles, was vegetarisch auf der Karte zu haben war. Ich hatte eine sehr leckere Grillplatte mit Gemüse und Lachs und ebenfalls Käsekuchen. Für das alles, inklusive zwei Cola und Trinkgeld zahlten wir 30€. Da die Lebensmittel im Geschäft uns nicht besonders billig vorkamen, konnte man schon auf ziemlich niedrige Löhne schließen. Am kommenden Tag wollten wir sehen, was die Stadt so zu bieten hat.

Sonntag, 29.5.22 Chisinau

Dieser Tag war unser „Park-Tag“. Angefangen mit dem Stefan Park zu Ehren von Stefan III oder auch Stefan dem Großen, einem der großen Herrscher des Landes, in dem sich genussvoll herumschlendern, ein Kaffee trinken und/oder live einem Orchester zuhören ließ, ging es weiter zum Kathedralen Park. Er war nicht sehr groß, bot aber auf kleiner Fläche eine Kathedrale und andere Bauwerke, unter anderem wieder mal einem Triumphbogen in bescheidenem Ausmaß. Von hier liefen wir weiter zum Valea Morilor Park, der zahlreiche Freizeitvergnügen ermöglichte. Ein großer See bot sich zum Angeln, baden, Bootfahren oder drumherum joggen, schlendern oder Radfahren an. Viele Familien mit Kindern waren hier unterwegs mit Rollern oder ausgeliehenen Kinderautos, Kettcars etc. Auch hier konnte man leckeren Genüssen frönen wie Eis oder Kaffeegetränken. Wir liefen einmal um den See und kamen zu einem kleinen Vergnügungspark mit Live-Musik, wo die Caritas ein Programm für ukrainische Flüchtlinge anbot. Es war natürlich gut, zu versuchen, gerade die Kinder mal für ein paar Stunden das Erlebte vergessen zu lassen, aber ob den Frauen und Kindern nach lauter Musik mit Polonaise zumute war, erschien mir fraglich. Es schien mir ehr eine gequälte Fröhlichkeit hervorzurufen. Wir steuerten von hier unseren letzten und größten Park, den Dendrarium Park an. Hier musste man Eintritt zahlen, was aber mit 50 ct pro Person ein Witz war. Nach all den lebhaften, auf Freizeitvergnügen ausgelegten Parks mit hübschen Blumenrabatten, Springbrunnen etc. erschien dieser ehr langweilig. Das Besondere waren hier wohl die unterschiedlichen Bäume. Es war uns zuvor nicht bekannt, dass es sich bei dem Park um eine Art Arboretum handelte und er auch eine wissenschaftliche Funktion hatte. Zwischen all den Parks kamen wir am Parlamentsgebäude, dem Präsidentenpalast und anderen Regierungsgebäuden vorbei, u.a. auch der Deutschen Botschaft. Die Gegenden waren teils sehr unterschiedlich, vom Villenviertel über ein ärmeres Gebiet mit Straßenhändlern, eine Straße mit kleineren bunten Häusern mit Geschäften und Ärzten, zu hochmodernen, verglasten Fassaden von Unternehmen und historischem Bauten von Theatern und Universität. Nachdem wir mit über 20000 Schritten die Stadt erkundet hatten, begaben wir uns auf die Suche, zu welchem Busbahnhof wir am kommenden Tag mussten. Der Bus sollte nämlich nicht dort abfahren, wo wir angekommen waren. Wir wollten vorsichtshalber bereits jetzt Tickets für die Rückfahrt nach Iasi kaufen, nicht dass wir am kommenden Tag hier festsäßen und unser reservierter Nachtzug nach Bukarest und von dort nach Brasov ohne uns führe. Herauszufinden, wo wir abfahren und wie wir dorthin kommen, war gar nicht so einfach. Wir hatten uns zwar bei Google Maps die Karte und die Verbindung zum Busbahnhof Süd in unserem Appartement mit WLAN heruntergeladen, aber gleich der erste Bus fuhr uns vor der Nase weg. Nun hatten wir kein Internet und konnten keine neue Verbindung herausfinden. Letztlich schafften wir den Hin- und Rückweg mit Umsteigen und ca. 30 Haltestellen bei überfüllten Bussen, indem wir einmal zwischendrin einen Kaffee trinken gingen, um WLAN zu bekommen. Trolleybusse fuhren hier häufig, waren aber dennoch immer voll. Man zahlte im Bus, wo sich eine arme Schaffnerin zum Kassieren durch den Gang quälte. Eine Strecke in der Stadt, egal wie viele Haltestellen, kostete immer 2 Lei pro Person, das sind nicht mal ganz 10 ct. In den Bussen fuhren gelegentlich auch Ukrainerinnen mit, mit einer Mappe mit Bildern von ihren Babys oder Kleinkindern und bettelten um Geld. Es gab kaum jemanden, der nichts gab, auch wir nicht. Gegen Abend hatten wir endlich unsere Tickets und kamen wieder bei unserer Unterkunft an. Wir überprüften, wieviel moldawisches Geld wir noch übrig hatten, legten ausreichend Kleingeld für tags drauf für die Fahrt zum Busbahnhof zurück und ließen uns für den Rest noch einmal eine Grillgemüseplatte und Kartoffelvariationen im Restaurant schmecken. Nun mussten wir gut vorschlafen, denn uns stand ein langer Tag mit 4 Std Busfahrt und danach eine Nachtfahrt von 6,5 und 2,5 Std in normalen Zug- Sitzabteilen bevor. Hoffentlich würde der lange Zug nach Bukarest leer sein.

https://youtu.be/ZcULPOCQU-Y

Rumänien II

Montag. 30.5.22 Fahrt nach Brasov/Rumänien

Es klappte alles wie am Schnürchen. Wir verließen unser Appartement um 12:00 Uhr, fuhren endlos lang, sprich über eine Stunde mit zwei Trolleybussen zum Busbahnhof Süd von Chisinau und pünktlich um 15 Uhr starteten wir mit einem Kleinbus in Richtung Iasi. An der Grenze wieder das etwas grummelige Gefühl im Magen wie immer, wenn es um eine „echte“, d.h. kontrollierte Grenze geht, und dann waren wir wieder in Rumänien, in der EU. Nun hatten wir noch 4 Std Zeit bis zur Abfahrt unseres Zuges nach Bukarest. Wir liefen mit Rucksäcken in die Innenstadt von Iasi. zur Metropolitan Kathedrale und von dort, durch eine sehr schöne Fußgängerzone mit viel Blumenschmuck, zum prächtigen Kulturpalast. Er wirkte fast wie ein Schloss, besonders, als er abends beleuchtet wurde. Dahinter erstreckte sich ein Park mit Springbrunnen, künstlichem Wasserfall, leicht in Terrassen angelegtem Rasen, Trampolin und Karussell für Kinder. Daneben fanden wir Essensstände und eine hochmoderne und edel wirkende Einkaufsmall mit Kongresscenter. Wir kauften uns Brot, Käse und etwas Süßes und ließen es uns auf einer Bank bei lauer Abendstimmung und tollem Licht gutgehen. Gut 1 1/2Std vor Abfahrt gingen wir zum Bahnhof und saßen danach in der ersten Klasse Großraumabteil, das wahrscheinlich von Deutschland ausgemustert wurde. Es sah für erste Klasse echt fertig aus. Die Wagen der zweiten Klasse waren moderner. Nun hofften wir, dass wir wenigstens möglichst allein blieben, um Platz und Ruhe zum Schlafen zu finden. Lang würde die Nacht nicht, da wir um 5:13 Uhr in Bukarest umsteigen mussten nach Brasov. Dann mal gute Nacht.,

Dienstag, 1.6.22 Nachtfahrt Iasi – Bukarest

Die Nachtfahrt fand ich total doof. Unser Erste Klasse Abteil war ein Großraumabteil mit abwechselnd 3er und 2er Sitzen gegenüberliegend und dann wieder 2×2 gegenüber und auf der anderen Gangseite 2×1 gegenüberliegend. Wir hatten 2 Plätze am Fenster in einer 2×2 Nische. Erst war es fast leer in unserem Abteil, sodass sich Stefan eine Reihe weiter auf Dreiersitze legte zum Schlafen. Sein Rucksack, Schuhe etc lagen bei mir. Da ich kein direktes Gegenüber hatte und wir es geschafft hatten ein Fenster zu öffnen, wagte ich es, ohne Maske zu versuchen zu schlafen. Es gelang mir auch ca. 1Std mit Kopf auf dem Rucksack über zwei Sitzen liegend, Schlafmaske und Ohrenstöpsel. Als ich bei irgendeinem Halt wach wurde – der Zug hielt an jeder Milchkanne – saß mir plötzlich ein fremdes Paar gegenüber ohne Maske, auf dem Einzelsitz am Gang ein Mann mit OP-Maske unter der Nase, das Fenster war zu, das Licht blieb die ganze Zeit an, und es war ätzend warm. Ich versuchte, mit Maske weiterzuschlafen, aber es ging einfach nicht. Ich wechselte den Platz zu Stefans Nische, ließ aber seinen Rucksack und Schuhe unter meinem reservierten Sitz. Nun konnte ich wegen Luftnot nicht mit Maske, aber aus Angst mir etwas einzufangen auch nicht ohne Maske schlafen. Aus der Klimaanlage vorm Fenster blies mich heiße Luft an, die auch, nachdem ich darum gebeten hatte, nicht wirklich kühler gestellt wurde. Auf dem Klo gab es nicht mal Licht. Wie gut, dass das Handy eine Lampe hat! Ich wagte es ohne Maske wieder einzuschlafen und hoffte nun, mir nichts einzufangen. Tags zuvor gab es bereits im Bus eine kritische Situation. Mir setzte sich eine Mutter mit zwei kleinen Kindern gegenüber, natürlich ohne Masken. Der kleine Junge war total rot im Gesicht, was mir schon komisch vorkam, es hätte aber auch Sonnenbrand sein können. Dann fing er an zu husten, aber nicht in die Ellenbeuge, sondern voll in die Gegend. Stefan machte das Fenster auf und ich versuchte mir einen Stehplatz zu ergattern und drehte dem Jungen den Rücken zu. Viel Platz war nicht. Die Busse in Chisinau waren immer voll besetzt inkl. Stehplätzen. Nun konnten wir nur hoffen, dass unsere Masken uns gut geschützt hatten.

Gegen 5:13 Uhr erreichten wir Bukarest, und unser Anschlusszug war erfreulicherweise schon da. Wir teilten ein 1. Klasse 5-Personen Abteil mit einer Dame, die auch eine Maske trug, eine absolute Seltenheit. Stefan besorgte noch Kaffee und gegen 6:08 Uhr zuckelten wir ab nach Brasov, was auch Kronstadt genannt wird. Eine Erklärung dazu aus Wikipedia:

„Kronstadt wurde von den Ritterbrüdern des Deutschen Ordens im frühen 13. Jahrhundert als südöstlichste deutsche Stadt in Siebenbürgen unter dem Namen Corona gegründet (später auch Krunen genannt). 1225 mussten die Deutschordensritter ihre Komturei Kronstadt verlassen und ließen sich im Baltikum nieder. Kronstadt war über Jahrhunderte neben Hermannstadt das kulturelle, geistige, religiöse und wirtschaftliche Zentrum der Siebenbürger Sachsen, die seit dem 12. Jahrhundert auf Einladung des ungarischen Königs in der Region siedelten und bis ins 19. Jahrhundert hinein die Mehrheit der Stadtbevölkerung bildeten.“

Wir fanden den richtigen Bus zu unserer Unterkunft, die wir freundlicherweise schon am Morgen beziehen durften. Wir haben wieder ein kleines Apartment mit Küche, Bad und Balkon für 75€ für 3 Nächte. Während Stefan eine Runde schlief, bastelte ich erneut an unserer kommenden Strecke herum, weil er gerne noch nach Constanza am Schwarzen Meer wollte. Danach gingen wir einkaufen und machten uns etwas zu Mittag. Bevor wir uns auf Erkundungstour in die Stadt begaben, erwischte mich die Müdigkeit mit Wucht, sodass ich beschloss, doch erst einen Mittagsschlaf zu halten. Stefan nutzte die Zeit zum Joggen, Wäsche waschen und leckere Erdbeeren auf dem Markt vor unserem Haus zu kaufen, die wir dann gemeinsam auf dem Balkon genossen. Dann konnte es losgehen. Wir fuhren in die Altstadt und stellten fest, dass wir die letzte Bahn auf den Burghügel verpasst hatten. Um dort hochzuwandern, hatte ich aber nicht die richtigen Schuhe an und auch nicht genug Elan. Wir erkundeten also die Altstadt. Es war deutlich zu erkennen, dass an einigen Stellen schon Fassaden restauriert und Geld für touristische Infrastruktur in die Hand genommen worden war, es blieb aber noch einiges zu tun außerhalb der Fußgängerzone. Die Lage der Stadt am Rande der Karpaten ist sehr schön. Stefan durfte beim Joggen auch gleich um die 300 Höhenmeter hinter sich bringen. In dieser Gegend schienen die Menschen einen süßen Zahn zu haben. Die Anzahl an Bäckereien, Patisserien und Eisdielen war überwältigend, noch mehr der Geschmack der Strudel. Ich aß dort wohl den leckersten Quarkstrudel meines bisherigen Lebens. Sie wurden hier wie andere Gebäckstücke durch kleine Fenster von Bäckereien verkauft. Was uns sowohl in Ungarn, als auch Rumänien und Moldawien aber auch begeisterte, war der öffentliche Stadtverkehr. Niemand scherte sich hier groß um Abfahrtszeiten, wenn sie auch häufig durch digitale Anzeigen an den Haltestellen angezeigt wurden. Man wartete nie lange, um zu seinem Ziel zu kommen und es war fast immer mit ein bis zwei Bussen erreichbar, egal wo man war und wo innerhalb der Stadtgrenze man hin wollte. Die meisten Busse fuhren an Oberleitungen und fast alle hatten mindestens ein bis zwei Gelenke, waren also wirklich lang und dennoch gut gefüllt. Letzteres besonders in Moldawien. Da hatte man selten Glück, einen Sitzplatz zu erwischen, nicht wie bei uns, wo häufig Busse fast leer fahren. Mit Internet war es auch unkompliziert, sich Verbindungen zu suchen und im Bus die Strecke zu verfolgen. Wieviel einfacher ist das zu früheren Zeiten, wo man sich erst durchfragen, Busfahrpläne entziffern und dann im Bus jemanden finden, der einem Bescheid sagte wo man aussteigen musste

Mittwoch, 1.6.22 Wandertag Busteni

Auf unserem Weg von Bukarest nach Brasov kamen wir durch die Karpaten und sahen den kleinen Bahnhof von Busteni. Hier wollten wir hin zum Wandern. Wir begaben uns also an diesem Morgen zum Bahnhof und befürchteten, dass uns durch die dumme Reservierungspflicht der Zug vor der Nase wegfahren würde, er hatte aber 1 Std Verspätung und die Schalterbeamtin schickte uns zu einem anderen Zug auf Gleis 1. Erst kam keiner, dann sahen wir einen der Privatbahn ASTRA, den wir nicht nehmen durften. Wir fragten beim Busbahnhof, aber die schickten uns wieder zum Zug. Inzwischen war die Stunde Verspätung zusammengeschmolzen auf 20 Minuten, wir reservierten doch den ursprünglichen Zug und fuhren damit nach Busteni. Im Zug war eine ganze Reisegruppe Deutscher. Als wir in Busteni ankamen, war der Ort voll von wandernden Schulklassen oder Kinder-, Jugend- und Familiengruppen. Alle waren auf dem Weg in den Nationalpark. Stefan hatte eine Wanderung zum Wasserfall Urlatoarea bei Komoot ausgeguckt. Entgegen vorheriger Wetteraussichten hielt sich auch an diesem Morgen das Wetter. Es war sonnig und mit 27Grad fast zu warm. Der Weg war steil und teils rutschig, weil es wohl in den letzten Tagen geregnet hatte, aber er war noch gut zu bewältigen. Einen Bären haben wir leider (oder zum Glück) nirgendwo erblickt, was aber bei dem Aufkommen kreischender Kinder auch nicht zu erwarten war. Der Wasserfall war nett, wenn auch nicht überragend, es tat aber gut, mal wieder in der Natur zu sein. Der Ort lag sehr schön eingebettet in den Bergen, war aber auch sehr touristisch. Gerade als wir auf den letzten Metern zum Bahnhof waren, begann es zu regnen. Da wir nicht bis zum nicht reservierungspflichtigen Zug warten wollten, fragten wir bei dem gerade einfahrenden Privatzug nach dem Preis. Für 10 Lei (2,02€) konnten wir beide direkt nach Brasov fahren. 8 Lei hätten wir sonst schon für die Reservierung bezahlt und noch dazu fast 2 Std warten müssen. Wieder in Brasov kauften wir nochmals Gemüse auf dem Markt für unser Abendessen. Der Markt war wirklich groß und duftete verführerisch nach Kräutern. Es gab sogar ein ganzes Areal für Schnitt- und Topfblumen. Blumensträuße schienen hier sehr beliebt zu sein. Am letzten Sonntag gab es kaum eine Frau, die nicht mit einem Strauß unterwegs war, und auch sonst sah man häufig Leute mit Blumen im Bus oder auf der Straße. Was ebenfalls auffiel war, dass Rumänien sehr sauber ist. Da lag selten irgendwo Müll auf der Straße oder in Parks herum und man sah häufig die Müllabfuhr und auch Leute, die z.B. im Park Müll mit Saugern wegsaugten. Wie in Bulgarien und natürlich Asien zog man auch bei Unterkünften sofort die Schuhe aus. Meist standen bereits Badelatschen bereit.

Donnerstag, 2.6.22 Brasov

Wir ließen uns Zeit, bevor wir uns mit dem Bus wieder Richtung Zentrum aufmachten. Wir hatten noch zwei Punkte auf unserer To Do-Liste, das Landschaftsschutzgebiet Tampa auf dem Hügel in der Stadt und die Schnurgasse. Da Stefan beim Joggen am Morgen bereits mit dem steilen Aufstieg Erfahrung gemacht hatte, wählten wir die Gondelbahn zur Auffahrt auf den Tampa. Wir hatten 27Grad und von der Bergstation waren es noch ein paar Höhenmeter bis zur Spitze, sodass mir trotz bequemer Auffahrt der Schweiß lief. Ich war sehr froh, dass wir es nicht versucht hatten, zu laufen. Meine Knie waren noch von der Wanderung am Vortag wackelig. Von oben hatte man einen guten Blick auf die Stadt. Noch schöner wäre er vielleicht bei Sonnenauf– oder -untergang, aber da fuhr die Bahn nicht. Als wir wieder unten waren, besuchten wir die Schnurgasse, so genannt, weil sie sehr schmal war. Laut Schild war sie die drittengste Gasse in Europa. Die, für Notfälle wie Feuerbekämpfung im 17. Jahrhundert gebaute Gasse in der Kronstädter (Brasov) Festung, wurde in den letzten Jahren als Kunstobjekt initiiert und von jungen einheimischen Künstlern gestaltet. Wir liefen noch etwas durch die Stadt auf der Suche nach Crêpes oder ähnlich leckerer Süßspeise, aber für 180 gr. 6€ und mehr zu zahlen, fanden wir übertrieben und fuhren zu unserem Apartment zurück. Ich fühlte mich kaputt und sprang erstmal unter die Dusche, während Stefan Teilchen und leckere Erdbeeren besorgte. Es war echt fein, einen fest installierten Markt, der jeden Tag geöffnet hatte, vor der Haustüre zu haben. Wir schlemmten die Leckereien und machten uns einen faulen Nachmittag. Am kommenden Tag wollten wir weiterfahren ans Schwarze Meer nach Constanta.

Freitag, 3.6.22- Fahrt nach Constanta

Ca. 12:30 Uhr ging es von Brasov nach Constanta, also vom Gebirge ans Meer. Wir freuten uns, denn die zwei Züge konnten ohne Reservierung genutzt werden. Lange dauerte die Freude nicht an, denn „kann“ heißt nicht, dass auch niemand sonst reserviert! Es dauerte nicht lange, da mussten wir unsere Plätze zum ersten Mal verlassen, weil jemand sie reserviert hatte. Leider wurde das in rumänischen Zügen nicht angezeigt, also tappte man immer im Dunklen. Beim nächsten Stopp dasselbe Spiel, bis wir irgendwann getrennt voneinander irgendwo im 1. Klasse Wagen saßen. Immerhin fanden wir aber bis zum Zugwechsel in Bukarest immer einen Sitzplatz, und es gab auch ein 1 Klasse Großraumabteil, was mehr Beinfreiheit und bessere Federung bedeutete. In Bukarest überlegten wir erst, ob wir für den Anschlusszug noch schnell reservieren sollten, aber im Bahnhof war die Hölle los. Ob Pfingstverkehr oder bereits Ferien, keine Ahnung. Wir stiegen also wieder ohne Reservierung ein, mussten diesmal aber nur einmal weichen. Dafür fuhr der Zug erst mit 50 Minuten Verspätung ab. Leute stiegen ein und aus, es sammelten sich immer mehr auf dem Bahnsteig, im Zug wurde es heiß und die Luft zum Durchschneiden, weil keine Aircondition funktionierte wenn der Motor nicht lief. Draußen waren es um die 30Grad. Es muss wohl ein technisches Problem gegeben haben, denn irgendwann gab es einen kräftigen Ruck und kurz drauf ging es endlich los. Ich schätze, wir haben eine andere Lok bekommen. Als die Belüftung lief, ging es dann auch mit dem Klima und es war kein Schweißbad mehr hinter der Maske. In Constanta war im und vor dem Bahnhof ein Betrieb wie in Asien. Selbst die Taxifahrer versuchten, uns zu sich zu locken. Wir wussten aber von unseren Vermietern, welche Busnummer wir nehmen konnten. Zum ersten Mal auf der Reise fuhren wir erst in die falsche Richtung, merkten es aber gleich und stiegen an der nächsten Haltestelle wieder aus. Mit über einer Stunde Verspätung zur vereinbarten Check- in Zeit erreichten wir unsere Unterkunft. Gut, dass es möglich ist, die Vermieter per Handy einfach zu kontaktieren. Wir hatten wieder ein nettes Studio, also Schlafraum, Küche und Bad und auch wieder eine Waschmaschine. Wir nutzen sie bisher immer ohne Waschpulver, denn meist waren immer noch kleinere Reste in der Maschine und außerdem waren unsere drei/vier Teile eh in der Regel nur verschwitzt. Draußen auf dem Balkon in der Sonne getrocknet waren sie danach immer frisch. Wir gingen noch Pizzaessen und einkaufen und damit war der Tag dann auch zu Ende. Erfreulicherweise hatten wir es morgens in Brasov sogar noch geschafft, alle drei Züge für Montag zu reservieren, wobei wieder ein Zug ein Nachtzug mit Schlafabteil ist, voraussichtlich derselbe Zug wie beim letzten Mal, nur in die Gegenrichtung von Bukarest nach Budapest. Dieses Mal sollte es dann aber noch weiter nach Bratislava in der Slowakei gehen.

https://youtu.be/WXrJWlUR33o

Samstag, 4.6.22 Constanta

11,5 km zu Fuß erwanderten wir an diesem Tag Constanta. Zuerst ging es am Schwarzen Meer entlang bis in die Innenstadt zum Ovidiu Platz, auf dem ein sportliches Fest für Kinder und Jugendliche stattfand. Ein Kletterturm mit Sicherung, diverse Ballspielangebote und Geschicklichkeitsspiele wurden angeboten. Das Ganze wurde von Kaufland gesponsert. Ich hatte bisher gefühlt nirgendwo so viele Spielplätze und auch kleine Vergnügungsparks innerhalb von Parks gesehen wie hier in Rumänien und sie waren immer gut besucht. Auch viele Eltern schienen sich dort zu treffen. Ebenso fielen uns die vielen Kindergruppen auf, entweder wandernd in der Natur bei Busteni oder auch in den Städten.

Wir gingen weiter bis zur Carol-I.- Moschee, auf deren Minarett man gegen Eintritt steigen konnte. Von dort bot sich einem ein guter Ausblick über die Stadt und den Hafen. Constanta hat Rumäniens größten Hafen und war nun auf Grund des Krieges im Gespräch, die Abwicklung der Getreidelieferungen nach Afrika zu übernehmen. In einem Internetbericht darüber las ich über die große Anforderung, weil weder der Hafen, noch der Schienenverkehr auf diese Kapazitäten vorbereitet waren.

Unser Weg führte uns weiter zum Casino, einem an sich sehr prächtigem Bau, an dem aber der Zahn der Zeit erheblich genagt hatte und das vorübergehend geschlossen war. Es schienen Bautätigkeiten begonnen aber noch lange nicht fertiggestellt zu sein. Vor dem Casino oberhalb der Küste fand das internationale FIBA 3×3 Europacup Basketballspiel Ungarn gegen UK statt. (https://www.fiba.basketball/3x3europecup/2022/romania/about) statt. Etwas ganz Besonderes kann das aber nicht gewesen sein, denn es guckten kaum Leute zu.

Durch die Stadt ging unser Weg dann zurück zur Unterkunft. Unterwegs stärkten wir uns mit einer lecker gefüllten Bubble Waffel, die wir uns teilten. Über unsere Unterkunft, die eigentlich ganz nett war, ärgerten wir uns an diesem Tag. Die im Angebot aufgeführte und auch vorhandene Waschmaschine konnten wir nicht nutzen. Sie durfte nur von Langzeitgästen über Winter genutzt werden. Wir wuschen unsere Wäsche also auf herkömmliche Art im Waschbecken.

Constanta hatte ein paar schöne Stellen, zeigte aber insgesamt viel Verfall. Die Strände waren enorm breit und noch sehr leer, aber irgendwie auch ohne Charakter. Dafür fehlte der Stadt aber auch der typische Tourismustrubel mit zig Geschäften an der Promenade, was eher positiv anzumerken ist. Aber auch hier reihte sich ein Privatstrand mit seinen Liegen an den anderen, nette schattige Stellen, die frei nutzbar waren, suchte man vergebens. Ich glaube, den einzigen wirklich schönen Strand am Schwarzen Meer haben wir im Jahr zuvor in Bulgarien gefunden und der war Naturschutzgebiet.

Sonntag, 5.6.22 Fahrt Richtung Bratislava

Wir verließen Constanta um 12:30 Uhr mit einem angenehmen Interregio in der ersten Klasse. Im Großraumabteil waren immer Vierersitzgruppen mit Tisch und auf der anderen Seite des Ganges Zweiersitze gegenüber mit Tisch. Man hatte viel Beinfreiheit, die Sitze waren gemütlich, wenn auch nicht verstellbar und die Klimaanlage funktionierte hervorragend, was man besonders merkte, als wir in Bukarest den Zug verließen. Wir hatten 2,5 Std Wartezeit und verdrückten uns schnell im schattigen Park gegenüber des Bahnhofs. Es waren draußen 33Grad und es war eklig schwül. Bevor wir uns ca. 45 Min vor Abfahrt wieder in den Bahnhof begaben, deckten wir uns noch mit leckerem Gebäck zum Abendessen und fürs nächste Frühstück ein. Wir hatten erneut eine Nachtfahrt vor uns, dieses Mal aber wieder im Schlafabteil. 16 Std Fahrt und Schlafen mit Maske ging einfach nicht. Ich fand so ein Zweibettabteil auch ganz gemütlich, wenn es mit 40€ pro Person Zuschlag im Gegensatz zu ca. 3€ im Sitzabteil auch total überteuert ist. Unsere Unterkünfte waren bisher immer erheblich preiswerter.

Unterwegs bekamen wir plötzlich eine furchtbar laute Unwetterwarnung auf Rumänisch auf unser Handy. Verstanden haben wir erst nichts, konnten dann aber die schriftliche Meldung übersetzen. Zwischen 18-19 Uhr waren schwere Gewitter mit starken elektrischen Entladungen zu erwarten, man sollte Reisen unterlassen. Wir saßen aber im Zug und es war bereits nach 19:00 Uhr und draußen nur leicht bewölkter Himmel. Erst jagte uns das aber schon einen Schreck ein. Nun zuckelten wir bis zum nächsten Morgen durch die Landschaft. Es war dieselbe Strecke, die wir schon einmal im Nachtzug verbracht hatten. Dass immer alle großen Züge über die Hauptstädte fahren und nicht direkt, war schon manchmal nervig.

https://youtu.be/tPVlbrNrYDM

Slowakei

Montag, 6.6.22 Bratislava

Nach 20,5 Std reiner Fahrzeit und knapp 3 Std Aufenthalten bei zwei Stopps rollten wir zur Mittagszeit gut in Bratislava ein. Die Nacht im Schlafwagen des Nachtzuges „Ister“ war recht kurz, denn ich war erst gegen Mitternacht in einen etwas unruhigen Schlaf gefallen, weil ich das Gefühl hatte, dass meine Liege etwas nach vorne abschüssig war, und dann kamen gegen 5 Uhr die Grenzer zur Passkontrolle. Ich war todmüde, aber anstatt beide Länder ihre Zollbeamten gleichzeitig reinschickten, dauerte es mindestens nochmal eine Dreiviertelstunde, bis der Zug die paar hundert Meter weiterfuhr und die Ungarn zur Passkontrolle anrückten. Dann waren wir uns immer noch nicht sicher, ob, wie beim letzten Mal, nochmal unsere Tickets geprüft würden, sodass ich es erst nach sechs Uhr nochmal wagte, einzuschlafen. Immerhin bescherte mir das Ganze einen schönen Sonnenaufgang. Zum Frühstück haben wir unsere leckeren, gefüllten Strudelteilchen gegessen und kamen fast pünktlich um 9:00 Uhr in Budapest an. Hier mussten wir mit dem Bus zu einem anderen Bahnhof fahren. Dort gab es leider nicht so eine feine Erste Klasse-Lounge wie in dem anderen, also begaben wir uns zu Starbucks und tranken einen riesigen Kaffee zusammen und aßen einen Muffin. Damit hielten wir uns die 1,5 Std Wartezeit bis zum nächsten Zug auf. Um 11:40 Uhr ging es weiter per EC, der wirklich bequem war, die meiste Zeit WIFI hatte und wo wir sogar jeder eine Flasche Wasser bekamen. Gegen 14:00 Uhr waren wir endlich am Ziel. Wie schön, dass unsere Airbnb Unterkunft nur ein paar hundert Meter vom Bahnhof entfernt lag. Das war aber auch das einzig Gute an ihr. Unser Vermieter P., ein Schwarzer, der meiner Meinung nach autistische Züge hatte, begrüßte uns mit einer ganzen Litanei an Erklärungen, wobei er zwar gut, aber sehr schnell Englisch redete und uns dabei überhaupt nicht anguckte. Wenn er erklärte, welches Kühlschrankfach oder welche Räume nicht für uns seien, redete er immer in der dritten Person, also das ist P‘s Reich oder „P. mag seine Lebensmittel gerne selber essen“. Unser Zimmer hatte höchstens 9 qm. Darin stand ein Doppelbett, dass es zur Hälfte füllte, ein Plastikcampingschrank, den man mit Reißverschluss verschloss, zwei Plastikklappstühle mit kaputten Sitzen, ein Minischreibtisch und ein Ventilator. Die Wände waren zig Mal ausgebessert und die Kopfkissen so dick und unförmig wie von meiner Oma. Die Luft war trotz offenem Fenster und Ventilator heiß und stickig. Gut, dass es vergittert war, so konnten wir es nachts wenigstens geöffnet lassen, sonst hätte man leicht von draußen einsteigen können. Dafür zahlten wir 61€ für zwei Nächte, wobei unser Gastgeber nur 52€ bekam, der Rest war Steuer und Airbnb-Gebühr. Wir konnten die Küche und natürlich Bad und Toilette mitbenutzen. Für zwei Nächte war es ok, es war zumindest sauber, aber Airbnb war doch immer wieder gut für Überraschungen.

Wir brachen gleich auf in die Altstadt Bratislavas, die wirklich sehr schöne Häuserfassaden zu bieten hatte. Man hatte an Verzierungen nicht gespart. Wir liefen bis zur Donau und dem UFO Tower, einem Brückenturm mit Panoramarestaurant, mit der Form eines UFOs. Von dort oben hatte man sicher einen tollen Blick über die Stadt, aber 9,50€ pro Person war uns das nicht wert. In der Stadt merkte man die Nähe zu Wien. Cafehäuser, Palatschinken und andere süße Leckereien waren überall zu finden Man hörte auch erstaunlich häufig deutsche Stimmen. Nach 10 km kreuz und quer durch die Stadt packte mich Müdigkeit und Erschöpfung mit Macht. Die Hitze und die lange Fahrt machten sich bemerkbar. Stefan brachte mich nach Hause und ging dann nochmal alleine los zum Einkaufen für unser Abendessen.

Dienstag, 7.6.22 Ausflug Trencin/ Slowakei

Trotz der stickigen Luft in unserem Zimmer schliefen wir ganz gut. Bei offenem Fenster und laufendem Ventilator war es auszuhalten. Morgens hat Stefan beim Joggen einen Braunbären gesichtet, der aber zum Glück Reißaus genommen hatte, sodass ich nicht als Witwe weiterreisen musste. Beim Frühstück haben wir dann weitere Gäste unserer Unterkunft kennengelernt. Ein Pärchen oder Geschwister von den Philippinen. Sie arbeitete seit letztem Herbst in Bremerhaven als Krankenschwester und er in einem Altenheim auf Malta.

Da wir am Vortag bereits über 10 km zu Fuß Bratislava erkundet hatten, nutzten wir unser Interrailticket für einen Ausflug nach Trencin, 130 km nord-östlich von Bratislava. Unser Zug und die Fahrt durch die Landschaft mit Gebirgen am Horizont waren sehr schön. In der 1. Klasse hatte das Großraumabteil zwischen den Sitzgruppen Glasabtrennungen, die sowohl mehr Privatsphäre, als auch Schutz gegen Viren boten, sodass wir hier auch mal ohne Maske fuhren. Der Komfort wurde noch gesteigert durch eine Flasche Wasser, die es pro Person kostenlos gab. In Trencin war besonders die Burg sehenswert, die oberhalb der Stadt lag. Umso näher wir kamen, umso mehr erkannten wir ihre Ausmaße. Man hatte vom Turm einen sehr schönen Ausblick auf die Umgebung und es gab innen drin sogar noch Räume mit Einrichtung, allerdings war vieles neu und nur dem Ursprünglichen nachempfunden. Durch einen schönen Waldpark kamen wir zur Altstadt. Der Schatten der Bäume war sehr angenehm, denn die Sonne knallte teils unerbittlich auf uns nieder. Die Stadt war im Gegensatz zu dem, was man von oben erwartet hatte, nicht besonders schön. Zwischen die paar netten historischen Gebäude hatte man ein super hässliches Betonrathaus gebaut, und auch sonst waren ein paar hässliche Überreste des Sozialismus präsent. An Pizzerien und Restaurants mangelte es nicht, aber die Preise kamen hier locker an die bei uns zuhause heran. Gegen späten Nachmittag fuhren wir mit dem gleichen Zug wieder zurück nach Bratislava, wo es sich merklich abgekühlt hatte und windete. Es begann sogar zu regnen. Solange es am kommenden Morgen wieder trocken wäre, sollte es uns recht sein. Vielleicht wäre es danach nicht mehr ganz so schwül.

https://youtu.be/9wecUtUayAI

Ungarn II

Mittwoch 8.6.22 Weiterreise nach Györ/Ungarn

Von diesem Tag gibt es nicht viel zu schreiben. Wir brachen morgens um 10:00 Uhr unsere Zelte in Bratislava ab und fuhren zurück nach Ungarn. Hier im Dreiländereck Slowakei, Österreich, Ungarn war alles nur ein Katzensprung entfernt. Nach kurzer Fahrt hatten wir einen Zwischenstopp in Wien. So riesig war mir bei unserem ersten Aufenthalt der Wiener Hauptbahnhof gar nicht vorgekommen. In der First Class Lounge wurden nun auch hier Flüchtlinge betreut, aber sie war trotzdem auch geöffnet für Reisende. Das Spielzimmer war voll mit Kindern und Müttern und auch im Sitzbereich waren etliche Familien, Alleinerziehende und auch behinderte Flüchtlinge. Neben uns saß eine blinde Familie, die von einer Frau mit Getränken und Essen versorgt wurde. Allen merkte man Stress und Erschöpfung deutlich an. Was hatten sie bereits hinter sich? Wo führte ihr Weg hin?

Eine Stunde später fuhr unser Zug nach Györ, einer 130000 Einwohnerstadt nordwestlich von Budapest. Wir hatten gelesen, dass sie schön sein sollte und am Zusammenfluss der Raab in einen Arm der Donau läge. Wir wohnten ziemlich weit draußen in einem gemütlichen Stadtteil mit kleinen Häusern, vollen, verlockenden Kirschbäumen, in einem 1- Zimmerapartment mit Küchenzeile, Schlafsofa und Bad und direktem Eingang zum Garten. Wir kochten und lauschten ansonsten stundenlang einem Hörspiel und relaxten in unserer Unterkunft. Das musste auch mal sein.

Donnerstag, 9.6.22 Györ

Wir erkundeten Györ. Die sehr schöne Altstadt mit zahlreichen barocken Gebäuden, gemütlichen Cafés, zweistöckigen, pastellfarbenen Häusern mit farblich abgesetzten Fenstern, kleinen Pavillons, die Imbisse oder Souvenirläden beherbergen, Springbrunnen und dem angenehm entspannten Flair einer Kleinstadt, obwohl sie das mit 130000 Einwohnern nicht war, gefiel uns sehr gut. Es gab sogar eine Universität. Der Zusammenfluss der Raab und des Donauarms ist von einer Brücke gut zu beobachten. Vielleicht lag es am Wind oder dem Regen am Morgen, auf jeden Fall war das Wasser des Donauarms sehr aufgewühlt, hingegen das Wasser der Raab klar. Wo sie zusammenflossen, entstanden interessante Muster der aufgewühlten Sedimente. Wir hatten Glück, es begann erst ein wenig zu regnen, hörte dann aber schnell auf, sodass wir bei angenehmen Temperaturen und bedecktem Himmel entspannt die Stadt genießen konnten. Gegen Mittag ließen wir es uns bei Kaffee und Kuchen auf einer Cafeterrasse gut gehen und entschieden dann, dass wir die Flexibilität unseres Interrailtickets ausnutzen und noch einen Ausflug per Zug ins 100 km entfernte Sopron machen wollten. Sopron ist an der Grenze zu Österreich, laut Internet zweisprachig, auch wenn nach unserer Beobachtung das Ungarische stark überwog. Auf Deutsch heißt die Stadt Ödenburg. 1921 fand eine Volksabstimmung statt, die ergab, dass die Bevölkerung mehrheitlich zu Ungarn und nicht Österreich gehören wollte. Wegen des Ergebnisses der Volksabstimmung wurde der Stadt vom ungarischen Staat der Titel Civitas Fidelissima („die treueste Stadt“) verliehen.

Soprons Geschichte reicht bis in die Eisenzeit. In den Trümmern des Zweiten Weltkrieges fand man Reste einer alten römischen Stadtmauer, auf die im Mittelalter und wohl auch später noch gebaut wurde. Heute kann man Teile der archäologischen Reste in der Stadt ansehen.

Bei Sopron fand am 19. August 1989 das Paneuropäische Picknick statt, bei dem 661 DDR-Bürger über die Grenze nach Österreich flohen. Am Ort dieses Ereignisses werden jährlich Gedenkfeiern veranstaltet. (https://www.budapest.com/ungarn/stadte/sopron/geschichte.de.html).

Die Stadt hat heute rund 60000 Einwohner und die Nähe zu Wien beeinflusst ihre Wirtschaft positiv, wenn sie auch auf uns etwas baufälliger wirkte als Györ.

Freitag, 10.6.22 Keszthely am Plattensee

Die letzten 2 Tage unseres ersten Teils dieser Interrailreise verbrachten wir entspannt am Plattensee oder Balaton, wie er auf Ungarisch heißt. Vor ein paar Jahren waren wir auf der südöstlichen Seite des Sees, bei Siófok. Hier hatten unsere Kinder ihre erste Jugendgruppenreise ins Ausland hin gemacht, deshalb wollten wir dort vorbeifahren auf dem Rückweg von Rumänien. Es hatte uns dort damals gar nicht gefallen, aber wir wollten der Gegend dennoch eine erneute Chance geben. Wie gut! Wir kamen am Mittag mit dem Zug von Györ. Dieses Mal waren wir im Nordwesten des Sees im Ort Keszthely (wie immer das auch ausgesprochen werden mag) und die gemütliche Atmosphäre konnten wir schon vom Zug aus wahrnehmen, der ein paar Stationen am See entlang fuhr. Wir sahen viele Radfahrer, Campingplätze ohne viel Halligalli, nur mit Spiel- oder Minigolfplätzen und kleine Pensionen mit vielen Blumen. In einer dieser netten Pensionen hatten auch wir ein großzügiges Zimmer mit Balkon und Bad. Im Eingangsbereich gab es Mikrowelle, Kühlschrank und Wasserköcher und mehrere Tische, an denen man sein selbstzubereitetes Essen gemütlich genießen konnte. Sofort meldete sich unser Magen und wir besorgten uns Brot, Marmelade etc. für das Frühstück am kommenden Morgen und Teilchen für eine nachmittägliche Stärkung, bevor wir auf Entdeckungstour gingen. Letztere führte uns durch eine großzügige Fußgängerzone mit zahlreichen Restaurants und Eisdielen, die aber nicht touristisch aufdringlich wirkten, sondern einfach sommerlich entspannt. Die kleine Stadt hatte sage und schreibe 7 Museen, von Marzipanmuseum (schien in zu sein) bis Spielzeugmuseum und von Nostalgiemuseum bis zu einem historisch erotischen Wachsfigurenkabinett. Uns war aber das Wetter viel zu schön, um uns in Museen zu verkriechen, wir zogen es vor, zum beeindruckenden barocken Palast zu schlendern, der von einem schönen Park umgeben war. Dort gab es auch einen Palmengarten mit Vogelpark, aber der schloss gerade seine Tore als wir ankamen. Nachdem wir die Innenstadt, die schön verkehrsberuhigt war, durchwandert hatten, liefen wir zur Uferpromenade. Es blies ein heftiger Wind und ein Kiter hatte merklich Probleme, sich auf dem Wasser zu halten. Wir teilten uns zum Abendessen eine Portion Langos, die uns völlig ausreichte und beendeten damit unseren Spaziergang. Der Ort gefiel uns beiden gut und wir freuen uns darauf, am nächsten Tag einen kleinen Ausflug mit dem Zug weiter östlich an den Balaton zu machen nach Becehegy. Es sah so aus, als gäbe es dort ein Gebiet, das sich zum Wandern anböte.

Samstag,11.6.22 Keszthely

Wie geplant, wanderten wir an diesem Tag. Von uns aus ging es erst lange Zeit durch Wohngebiete mit hübschen Häusern und blühenden, sehr gepflegten Gärten. An einer Straße befand sich eine Art breiter Graben und ich hielt ihn erst für einen Abwassergraben, er stellte sich aber als sehr belebtes Biotop dar. Als erstes sah ich eine Schildkröte, die aber schneller untertauchte als wir unsere Handykameras zücken konnten. Dann begann ein Froschkonzert, und wir konnten auch welche sehen. Nach ein paar Kilometern ging die Strecke in einen Waldweg über, der anstieg, und nach einer Weile lag die Vadlany Höhle unter uns. Von hier liefen wir weiter Richtung des nächsten Ortes, Vonjarcvashegy. Mir taten die armen Kinder leid, die solche Namen schreiben lernen müssen. Auch hier gab es wunderbare Gärten mit noch wunderbareren Kirschen, die uns rot anstrahlten. Als vor einem Haus gerade welche aussortiert wurden, fragte ich, ob wir ein paar kaufen könnten und so kamen wir zu einem Pfund Kirschen, die wir unterwegs genossen. Nun kamen wir zu einem Kreuzweg, der zur St.Michaelskapelle auf gleichnamigen Hügel führte. Darüber findet man im Internet folgende Informationen:

„Die 136 Meter hohe Dolomitformation war einst eine Insel. Im 13. Jahrhundert wurde auf der Bergkuppe eine kleine Burg errichtet, die bis auf die kleine Kapelle im Sturm der Geschichte fast vollständig zerstört wurde. Der Folklore zufolge wurde die Kapelle 1729 von 40 Fischern erbaut, die glücklicherweise einem verheerenden Sturm auf dem Plattensee entkommen waren. Die Legende der Kapelle ist eine Mischung aus Märchen und Realität.

Neben dem Gebäude befindet sich ein alter Friedhof. Die Umgebung des denkmalgeschützten Gebäudes bietet eine schöne Aussicht auf das Keszthelyer Gebirge und den Plattensee, von der Bucht von Keszthely bis zum Ufer von Berényi, aber die Aussicht auf die „Zeugenberge“ von Szigliget bis Badacsony ist wunderbar.

Die erstaunliche Schönheit dieser Landschaft, der Kapelle und ihrer Legende haben viele Schriftsteller und Dichter inspiriert“(https://vonyarcvashegy.hu/szent-mihaly-domb-es-szent-mihaly-kapolna)

Da die Sonne inzwischen ganz schön wärmte und wir auch schon über 8 km hinter uns gebracht hatten, entschied ich, dass wir es damit gut sein lassen und zum nächsten Bahnhof gehen sollten, der auch noch einmal 3 km entfernt war. Wir fuhren mit dem Zug zurück nach Keszthely, wobei Stefan eine Haltestelle eher ausstieg, um noch für den nächsten Tag Reiseverpflegung einzukaufen. Wir würden zwar mehrere Umstiege haben, aber alle nur recht knapp bemessen und würden unsere erste Erfahrung mit dem 9€ Ticket ab deutscher Grenze machen. Nach dem, was wir bisher darüber gehört hatten, graute es mir vor der Fahrt nach Zorneding. Hoffentlich schafften wir es überhaupt bis dort und blieben nicht unterwegs auf der Strecke, weil uns ein Zug nicht mehr reinließ. Gut, dass unsere Rucksäcke nicht allzu groß waren, aber beliebt machten wir uns damit sicher nicht.

Zum Abschluss unseres ersten Reiseabschnitts und von Ungarn genossen wir an der Mole noch einmal leckere Langos von einem Imbissstand, an dem bereits eine lange Schlange auf diese Köstlichkeit wartete.

Sonntag,12.6.22 Rückfahrt nach Deutschland

Nun ging also unser erster Teil der ersten gemeinsamen Interrailreise zu Ende. Da wir früh am Bahnhof Keszthely waren, versuchten wir noch einmal für den Zug von Györ bis Salzburg eine Reservierung für die erste Klasse zu bekommen, aber auch diese zwei Bahnmitarbeiterinnen schienen sowohl überfordert als auch zu unmotiviert, wenigstens nachzusehen. Sie teilten uns einfach mit, dass wir keine Reservierung benötigten, obwohl es in unserer APP anders angezeigt wurde. Wir fuhren also wie bei der Hinreise mit dem Regionalzug FT9690 zurück nach Györ. Ab dort ging es weiter im Railjet 62, einem international verkehrenden Schnellzug, wohl vergleichbar mit unserem ICE, nach Salzburg. Auf dem Bahnsteig und im Zug stand gleich fest, dass wir froh sein konnten, überhaupt Plätze in der 2.Klasse zu haben. Es wurde richtig voll und viele standen mit großen Koffern in den Gängen. Eine Frau mit Kind, einem gigantischen Rollkoffer und einem Hamsterkäfig in der Hand zeigte sich begründet besorgt, ob sie es bis zum nächsten Bahnhof schaffen würde, bis zur Tür vorzudringen, um aussteigen zu können. In Wien, dem einzigen Bezirk Österreichs, der die Maskenpflicht nicht für die kommenden drei Monate ausgesetzt hatte, zog kaum jemand den ungeliebten Mundschutz an, obwohl es dichtes Gedränge war. Wir trugen durchgehend Maske, was bei der Enge und Dauer schon sehr anstrengend war, uns aber hoffentlich, trotz wieder steigender Inzidenzen, schützte. Irgendwann sagte Stefan voller Schreck, dass er gerade einen Stromschlag bekommen hätte. In der 230 Volt Steckdose am Sitz steckte ein spitzer Metallgegenstand, an den er mit seiner Hand gestoßen war. Anscheinend war einem Fahrgast ein Stecker dort kaputt gegangen und ein Stück drin geblieben. Ich bekam einen Schreck und hatte Angst, dass das gesundheitliche Folgen haben könnte. Ich beobachtete ihn genau, aber er wurde nicht bleich und sein Puls schien auch nicht auffällig zu sein, als er ihn mit seiner Uhr kontrollierte. Wir machten Fotos zur Dokumentation. Als der leitende Zugbegleiter im Wagen erschien, rief ich ihn gleich zu uns. Er klebte die Steckdose notdürftig ab und bot uns mehrmals an, einen Arzt zu kontaktieren. Später schaffte er es, die Stromzufuhr für die Steckdose auszustellen. In Salzburg stiegen wir um in einen Regionalzug nach München Ost, den wir glücklicherweise ohne Gedränge erreichen konnten und der auch nicht überfüllt war trotz 9€ Ticket und Sonntag. Wir hatten zuvor online für das Stück bis zur Grenze gezahlt und für jeden ein 9€-Ticket in Deutschland. An der Grenze, also vielleicht 5 Minuten nach Abfahrt, kam es zum ersten längeren Halt und einer Verspätung von 15 Min. weil die deutschen Grenzer so lange kontrollierten. Darüber hinaus, dass man sich über den Sinn der Kontrolle im vereinten Europa streiten konnte, stellte sich die Frage, ob sie immer stattfand und wenn ja, warum sie nicht in die Zeitplanung des Zuges eingeplant wurde. Auf der weiteren Strecke kam es zu mehreren weiteren ungeplanten Halts über mehrere Minuten. Die Durchsagen liefen völlig durcheinander, sodass auf die Zugangaben außen am Zug während der Fahrt hingewiesen und noch nach Rosenheim als nächster Halt Rosenheim angesagt wurde. Zeitweise konnte man den Gesprächen im Führerhaus zuhören, weil das Mikrofon wohl unbeabsichtigt angeschaltet wurde. Getoppt wurde diese, mit heftiger Verspätung in München Ost ankommende Fahrt dann mit der Durchsage, dass der Zug heute wegen Bauarbeiten nicht bis zum Hauptbahnhof weiterführe, am Bahnsteig aber noch der Hauptbahnhof angezeigt wurde. Wie planlos war das denn, und wie sollten fremdsprachige Fahrgäste das durchblicken, wenn diese wichtige Mitteilung nicht auch auf Englisch durchgesagt wurde? Was für ein peinliches Bild gab da bloß die Deutsche Bahn ab? Wir waren froh, nur noch die S-Bahn erreichen zu müssen, während zahlreiche Fahrgäste den ICE nach Stuttgart abschreiben mussten. Wir zuckelten also gemächlich mit der S6 nach Zorneding und wurden in unserer letzten Unterkunft dieses Reiseabschnitts mit einer herzlichen Umarmung und einem leckeren Essen von Stefans Mutter begrüßt.

https://youtu.be/qEF72Ihki9A

Schweiz I

Sonntag, 19.6.22 Luzern

Es ging weiter mit unserer Interrailreise. Wir schafften es, trotz 40 Minuten Verspätung beim ICE aufgrund von Leuten auf den Schienen bei Darmstadt, dennoch einen IC Richtung Luzern und einen Regionalzug nach Horw zum Campingplatz bekommen. Als wir in Basel ankamen, kam es uns vor, als wären wir in den Tropen gelandet. Auch in Horw bei Luzern waren es laut Internet 32Grad und wir hatten großes Glück, dass die Dame an der Rezeption uns noch einen anderen, schattigeren Platz gesucht hat. Eigentlich hätten wir wohl in der vollen Sonne unser Zelt aufbauen müssen. Neben dem Campingplatz war gleich der Vierwaldstättersee mit einem Seebad, für das wir Eintrittskarten bekamen. Nach dem Zeltaufbau konnten wir uns in dem 21Grad kühlen Wasser gut abkühlen. Danach haben wir uns auf die Suche nach was essbarem gemacht und sind dabei beinahe gescheitert. Dass Geschäfte sonntags um 19:00 Uhr geschlossen haben, ist ja noch verständlich, aber hier hatten auch alle Restaurants und Cafés dicht! Ein einziger Dönerladen hatte geöffnet und uns dennoch nahezu zum Verhungern verdammt. Ich sag nur: Pommes für 7 Schweizer Franken (=€)! Wir haben uns für 14€ eine Pizza Margherita geteilt und Stefan kochte sich beim Zelt noch ein Süppchen. Gut, dass ich Tütensuppen mitgenommen hatte. Unser Frühstück am kommenden Morgen würde dann wohl aus Keksen von meiner Freundin Heike, ein paar Stücke Schokolade und Nüsse, sowie ein Käsebrötchen, das ich mir von der Fahrt aufgespart hatte, bestehen. Ich war gespannt, wie die Preise in den Supermärkten seien würden.

Die Fahrt an diesem Tag war trotz Verspätung sehr angenehm. Der Campingplatz war OK und sehr international. Der See und die Berge gefielen uns sehr, der Ort Horw erschien ehr hässlich. Viele nicht zueinanderpassende Häuser, alles recht nichtssagend. Wir waren gespannt, ob wir am kommenden Tag unsere Panoramazugfahrt machen würden, oder ehr am Tag drauf. Es sah nach Gewitter aus.

Wir hatten bei dieser Tour in der Schweiz immer nur auf dem Campingplatz WLan, woran wir uns sehr gewöhnen mussten. Leider inkludierten unsere Telefonverträge in der Schweiz kein kostenloses Roaming und wir hatten schon immer im Zug Panik, dass wir unser Ticket nicht aufrufen konnten und Orientierung war auch nicht so einfach, bis Stefan die Region bei Google gedownloadet hatte.

Montag, 20.6.22 Panoramafahrt, Schifffahrt und Luzern

Die erste Nacht in der Schweiz war, wie beim ersten Mal zelten seit Jahren und dann auch noch im Minizelt zu erwarten, nicht super, aber auch nicht so schlecht wie erwartet. Es hatte sich abends etwas abgekühlt, sodass wir in unserem Zelt nicht sauniert wurden. Am Morgen haben wir uns wie geplant auf den Weg gemacht, um die Golden Pass Route zu fahren. Ein örtlicher Nahverkehrszug brachte uns nach Luzern, und von dort genossen wir die Fahrt im Panoramazug, in einer nicht zu vollen ersten Klasse, während in der zweiten Klasse eine Schulklasse und viele andere Leute zum Teil stehend fahren mussten. Stefan hatte vor der Fahrt noch schnell Teilchen und kalten Latte Macchiato gekauft, sodass auf der fast zweistündigen Fahrt für unser leibliches Wohl gesorgt war. Wir fuhren durch eine wunderschöne Berglandschaft bis hoch auf den Haslibergpass auf 1013m Höhe. Um dort hochzukommen, wurde Zahnradtechnik eingesetzt. Die Strecke führte entlang des Vierwaldstättersees, des Wichelsees, des Samersees und Lungernsees bis zum Brienzer See in Interlaken Ost, wo wir in den Zug nach Zweisimmen umsteigen wollten. Da wir noch etwas Zeit hatten, verließen wir den Bahnhof und gingen zum See hinüber. Mehr durch Zufall sah ich dort ein Schild, dass mitteilte, dass Inhaber von Schweizer-, Euro- oder Interrailpässen kostenlos an Bord gehen könnten für eine Schifffahrt auf dem Brienzersee! Wahrscheinlich war das möglich, weil das Schiff auch ein reguläres Transportmittel war, um an andere Orte des Sees zu gelangen. Da konnten wir natürlich nicht nein sagen und schmissen erstmal unsere weitere Route über den Haufen. Wir fanden letztlich zwar doch noch eine Möglichkeit, die Tour inkl. Zweisimmen und Montreux laut Fahrplan am selben Tag durchzuführen, aber dann kam es doch anders. Wir fuhren nach der Schifffahrt über den wunderschönen Brienzer See nach Spiez, um von dort dann nach Montreux und über Zweisimmen zurück nach Luzern zu fahren. In Spiez wurde durchgesagt, dass es bei Zweisimmen derzeit eine Störung aufgrund eines defekten Gleises gäbe und nicht klar wäre, wie lange die Strecke gesperrt wäre. Na, da hatten wir ja wahrscheinlich ein riesiges Glück, dass wir uns so spontan für die Schifffahrt entschieden hatten! Andernfalls hätten wir ggf. auf der Strecke festgesessen. So machte es dann auch keinen Sinn, nach Montreux weiterzufahren, weil wir von dort ja nicht auf der Panoramastrecke zurückgekommen wären. Wir fuhren also zurück nach Interlaken Ost und wiederum die schöne Strecke nach Luzern. Dort bummelten wir durch die Stadt, besuchten eine Brücke, an die Stefan sich meinte noch erinnern zu können von einem Ausflug mit seinen Eltern als er ca. 5 Jahre alt war. Später stellten wir fest, dass es eine ganz ähnliche Holzbrücke mit Dach ca. 200m entfernt noch einmal gab. Nun ist er sich nicht mehr sicher, welche er denn nun als Kind gesehen hatte. Wir besuchten die Jesuitenkirche von innen, die beeindruckend viel Marmor hatte und reich verziert war, wie im Barock üblich. Luzern hatte eine sehr schöne und lebendige Altstadt mit mehreren Brücken über die Reuss. Zwei davon waren wie erwähnt aus Holz und überdacht und mit Malereien und Sprüchen aus der Bibel und Landesgeschichte verziert. Es gab bis zum 19.Jahrhundert sogar noch eine dritte Brücke der Art, die aber den Seeaufschüttungen weichen musste. Gebaut wurden die Brücken im 13./14.Jahrhundert.

Inmitten der Stadt hatte Luzern ein uraltes Wasserkraftwerk. Bereits seit 1178 wurden Mühlen durch die Wasserkraft des Flusses Reuss betrieben. 1878 baute man ein Turbinenkraftwerk und seit 1926 erzeugte hier ein Generator aus Wasserkraft Strom. Das Wasserkraftwerk war jetzt ein Vorzeigeobjekt für Natur- und Umweltschutz, denn es wurde strengstens auf seine Verträglichkeit für Umwelt und Tiere geachtet, so hatte man z.B. extra eine Bibertreppe eingebaut, damit sein gewohnter Lebensraum nicht zerstört wurde.

Zum Abschluss unseres Rundgangs kauften wir noch Nudeln und eine Melone ein, die wir zum Abendessen aßen.

Dienstag, 21.6.22 Wanderungen Aareschlucht und Brünig-Häsliberg- Lungern

Heute forderten wir uns mal wieder selber ein wenig und ließen uns nicht nur durchschaukeln. Wir fuhren nach dem Frühstück zuerst bis Innertkirchen-Grimseltor und wollten dann mit dem Postbus hoch zum Grimselpass. Der Spaß an dem Vorhaben verging uns aber schlagartig als wir hörten, dass die Fahrt uns per Strecke/Person 31€ gekostet hätte. Schnell entschieden wir uns um und wanderten zum Osteingang der Aareschlucht. Diese Entscheidung haben wir auf keinen Fall bereut. Die Schlucht war absolut sagenhaft und die Aare schoss mit gewaltiger Kraft durch die Felsen. Teils wurden wir durch Tunnel geführt, wobei wir immer wieder Ausblick auf den Fluss und die gewaltigen Felsmassive hatten. Als wir am Westausgang ankamen, hätten wir von dort weiterfahren können, aber wir entschlossen uns, auch den Rückweg zu wandern und dieses tolle Erlebnis ganz auszukosten. Am Bahnhof Aareschlucht mussten wir dann eine ganze Zeit warten, bis unser Zug kam. Der Bahnhof war dort wie eine U-Bahn in den Felsen gebaut und kurz bevor er kam, öffnete sich eine automatische Tür im Gestein zum Bahnsteig. Wir fuhren nur eine Station bis Brünig-Häsliberg und wanderten durch eine bezaubernde, hügelige Landschaft mit Blick auf die hohen Berge von der Passhöhe zum nächsten Bahnhof in Lungern. Der Weg führte parallel zu der Zugstrecke, wo Zahnradtechnik den Zug bei dem starken Gefälle bremste. Einmal kam auch einer an uns vorbei. Die Wanderung war sehr schön, wurde jedoch von einem drohenden Gewitter in unserem Nacken etwas überschattet. Gewitter in den Bergen können bekanntlich schnell, unerwartet und heftig und besonders gefährlich sein. Wir schafften es aber trockenen Fußes in Lungern anzukommen und hatten dort dann fast eine Stunde Zeit, um dem Namen des Ortes alle Ehre zu machen, nämlich herumzulungern. Wir gingen einmal in den Ort und zurück, bis unser Zug einrollte. Über Sarnen ging es zurück nach Horw und in Sarnen gab es dann den ersten richtigen Schauer unserer Reise, während wir trocken am Bahnhof standen und hofften, dass es in Horw nicht regnete. Es wäre wirklich blöd, wenn wir kommenden Tag ein nasses Zelt einpacken und mit nassen Klamotten zu unserer Servasgastgeberin müssten. Es hatte während unserer Abwesenheit in Horw geregnet, aber anscheinend nicht sehr stark. Wenn wir Glück hätten und es nachts nicht regnete, könnten wir evtl. tags drauf mit trockenem Zeit abreisen.

Mittwoch, 22.6.22 Horw- Aubonne

Ein langer, schöner aber auch etwas anstrengender Tag lag hinter uns als ich an diesem Tag im Bett lag und zu aufgekratzt war, um schlafen zu können. Morgens hatte es, gerade als wir das Zelt abbauten, angefangen zu regnen, aber wir konnten es noch einigermaßen trocken zusammenpacken. Dann begann eine fast 10-stündige Zugreise von Horw nach Aubonne über Luzern, Olten, Spiez bis Zweisimmen, wo wir unseren zweiten Teil der Golden Pass Route begannen. Wir hatten wieder einen Panoramazug und es bot sich uns gleich ein Blick auf beeindruckende Felsspitzen. Im Gegensatz zum ersten Teil, der ja vornehmlich entlang wunderschöner Seen führte, ging es dieses Mal durch Almenlandschaften. Rechts und links gingen die grünen Hänge steil neben unserer Zugstrecke hoch, Almen verteilten sich mit einigem Abstand in allen Höhen und obwohl man eigentlich nicht von Dörfern reden konnte, gab es alle paar Kilometer kleine Bahnhöfe. Oberhalb der grünen Weiden guckten bizarr die Felsen der hohen Berge hervor. Die Strecke war sehr beeindruckend. Zum Schluss führte sie runter fast bis zum Genfer See und endete in Montreux. Hier hatten wir eine Stunde Zeit, um ein wenig herumzulaufen. Die Stadt hatte eine herrliche Lage am See, wirkte aber sehr mondän auf mich. Während unterwegs der Baustil vorwiegend aus netten Holzhäusern bestand, war nun wieder eine Mischung aus unterschiedlichsten Bauten von Hochhaus, dem von vorne sehr reich aussehenden, schlossartigen Palasthotel direkt am See, was im Übrigen von hinten ziemlich bruchreif wirkte, und Häusern ohne besonderem Charakter. Ich muss natürlich dazusagen, dass wir auch nur einen winzigen Ausschnitt von der Stadt gesehen haben, aber der wirkte mir zu sehr auf reich aufgetakelt und der See zu groß. Da haben mir die kleineren Seen auf der ersten Fahrt, wie der Briegersee, besser gefallen. Für uns ging die Fahrt dann noch weiter mit dem Zug nach Aleman und von dort per Bus nach Aubonne. Wir hatten riesiges Glück, dass wir trotz all der Umstiege die Anschlüsse alle bekamen, denn unsere Servasgastgeberin erwartete uns an der Bushaltestelle. Leider begann es pünktlich bei Ankunft zu regnen. Zum Glück wohnten unsere Gastgeber nicht weit von der Haltestelle, denn aus dem Regen wurde heftiger Hagel. Wir wohnten bei einem schweizerisch- schottischen Paar. Er war 72 und aus Schottland, sie 65 und Schweizerin. Wir unterhielten uns auf Englisch, obwohl wir in der französischen Schweiz waren, aber mit Englisch alle einen gemeinsamen Nenner hatten. Unsere Gastgeberin schien bei ihren Reisen mit anderen Hospitility Organisationen und mit Reisenden schon mehrfach schlechte Erfahrungen gemacht zu haben und stand unserem Besuch kritisch und mit Vorsicht gegenüber. Wir kamen aber gut klar und bemühten uns sehr, ganz angenehme Gäste zu sein, um beiden auch positive Erfahrungen mit Servas zu verschaffen. Bisher hatten sie nur Gäste von anderen Organisationen gehabt, die wohl sehr fordernd waren und auch versuchten zu stehlen. Wir wurden zu leckerem Raclette eingeladen und unterhielten uns über Reisen und Politik in GB und der Schweiz. Beide zeigten ziemlich konservative Ansichten was Sozialsystem, Gewerkschaften und Zuwanderung anging. Am kommenden Tag wollten sie uns die Stadt Aubonne, die nur gut 3000 Einwohner, aber aufgrund ihres historischen Wertes Stadtrechte hatte, zeigen. Hoffentlich würde das Wetter mitspielen.

Donnerstag, 23.6.22 Servas Aubonne/ Ausflug Rolle

Am heutigen Tag zeigten uns unsere Gastgeber Silvianne und Edward mit ihrem absolut süßen und lieben Hund Chester ihre Umgebung. Nach dem Frühstück machten wir einen Spaziergang durch Aubonne. Gerade mal 230 m von ihrem Haus entfernt war ein Schloss, das heute eine Schule beherbergte. Bis vor ein paar Jahren befand sich ebenso ein Gefängnis in dem Gebäude und man konnte den Gefangenen von oberhalb bei der Gartenarbeit zusehen. Jetzt war es der Musiksaal der Schule . Es gab auch noch einen Waschplatz, wo die Leute in der Dorfmitte ihre Wäsche bis in die 60iger gewaschen haben, bevor es Waschmaschinen gab. Der Ort, der aufgrund seiner historischen Bedeutung und weil es eine Stadtmauer und ein Schloss gab Stadtrecht hatte, war wirklich sehr reizvoll und absolut gemütlich. Auch unsere Gastgeber wohnten in einem denkmalgeschützten Haus, das sich über vier Etagen ausdehnte. Nach Aubonne fuhren sie mit uns nach Rolle VD, einem Nachbarort am Genfer See mit einer sehr schönen Promenade mit Blumen und Spielplatz. Auch hier gab es ein mittelalterliches Schloss und einen Yachthafen, wo die Reichen ihre Boote stehen hatten, laut unseren Gastgebern meist nur zum Angeben, statt sie zu nutzen. Rolle hatte auch nette bunte Häuser mit farblich abgesetzten Fensterläden. Die Gegend hier war wirklich sehr schön und man konnte fast nach Frankreich hinüberspucken.

Zum Mittagessen gab es leckere Toasts mit Frischkäse und einer Mischung aus Gruyerkäse, Mehl, Tomaten und Gewürzen überbacken. Eigentlich wird statt Tomaten Wein genommen, aber Silvianne hatte es geändert weil sie dachte, wir nähmen auch zum Kochen keinen Alkohol. Es war sehr lecker. Nachmittags fuhren sie mit uns noch zu einem Park, den Migros, der größte Markt in der Schweiz, der Bevölkerung spendiert hatte. Er hatte einen Kletterpark, Tiere, Sportanlagen, große Rasengebiete, Spielplatz und ähnliches. Dort erwischte uns ein Regenguss. Wir fuhren zu einem Einkaufscenter, wo wir unsere Gastgeber im Restaurant zu Kaffee und Kuchen einluden. Wieder zuhause zeigte uns Silviane Bilder, die sie gemalt hatte. Sie waren wirklich beeindruckend. Sie hatte einen dreiwöchigen Kurs zu einer bestimmten Technik gemacht und ihre Bilder waren wirklich gut. Sie hatte darüber hinaus ein Händchen für Handarbeiten und überall hingen gestickte Bilder. Zum Abendessen gab es vegetarische Paella und wir waren wirklich begeistert von ihren Kochkünsten. Am kommenden Morgen würden wir weiterfahren nach Dijon in Frankreich und zurückkehren in unser kleines Zelt. Ich hoffte, dass es dort nicht solche Regengüsse gab, wie wir sie in den letzten zwei Tagen erlebt hatten. Immerhin hatten wir aber den Großteil des Tages in herrlicher Sonne verbracht.

Frankreich I

Freitag, 24.6.22 Fahrt nach Dijon

Am Morgen mussten wir uns von unseren Gastgebern verabschieden. Entgegen unseres ersten Eindrucks, stellten sie sich als sehr nett heraus. Wir frühstückten gemütlich gemeinsam und Silviane rief für uns beim Campingplatz an und bestätigte noch einmal unsere Ankunft. Diese dämliche Erfindung von Rückbestätigungen waren wirklich nervig, besonders wenn man keine Telefonkarte hatte und die Sprache nicht sprach. Beide plus Hund brachten uns mit dem Auto nach Allaman, damit wir für den Postbus nicht noch zahlen mussten. Das war wirklich total nett, sowie auch die ganzen Unternehmungen am Vortag, die sie mit uns gemacht hatten. Vielleicht konnten wir auch Edward davon überzeugen, dass es nett sein kann, Servasgäste aufzunehmen und zu Gastgebern zu reisen. Durch miese Erfahrungen mit Gästen anderer Gastgeberorganisationen wie Hospitility.com, wo Gäste statt alleine gleich zu viert auftauchten, sich haushalten ließen und auch noch um Geld baten und Gäste sich an ihrer Geldbörse vergriffen und im Haus herumschnüffelten, war Edward ganz gegen Gastgeberorganisationen eingestellt und auch nicht Servasmitglied. Er hatte aber am Vorabend ebenfalls sichtlich Spaß und Interesse am Austausch und an gemeinsamen Unternehmungen gehabt.

Wir fuhren als erstes nach Lyon und lernten gleich, dass in bzw. nach Frankreich mit einem größeren Aufkommen von Reisenden zu rechnen war und das auch in der ersten Klasse. Wir waren rechtzeitig vor Abfahrt am Bahnsteig, aber der Zug stand schon dort und wir bekamen nur deshalb Plätze nebeneinander, weil ich eine Familie gebeten habe, den Platz zu tauschen. In Lyon auf dem Bahnhof war es wuselig wie im Wespennest. Auch hier wurden anscheinend Flüchtlinge aus der Ukraine erwartet, denn Leute vom Roten Kreuz standen schon mit Schildern mit ukrainischer Flagge bereit. Wir hatten eine Stunde Aufenthalt und suchten erstmal einen Weg raus aus dem Bahnhof und dem Gedränge. Draußen bekamen wir einen Anruf aus Deutschland und damit war unsere Zeit für die Erkundung der Umgebung dahin. Wir gingen bereits 30 Min vor Abfahrt zum Bahnsteig, mussten auch durch eine Zollkontrolle, wurden aber nicht kontrolliert. Auch dieser Zug war gut belegt. Beide Züge, weder der RE noch der TER waren besonders gut. Beim RE hatten wir wenigstens noch eine Steckdose, um unsere Handys zu laden, aber das hatte der TER noch nicht mal. Er sah ehr aus wie ein in die Jahre gekommener Intercity mit Gardinen. Zwei weitere Stunden Zugfahrt standen uns bevor, aber nach kurzer Zeit waren wir über die französische Grenze und konnten endlich wieder online gehen und uns die Zeit mit Spanischlernen verkürzen, solange wir nicht durch die Pampa fuhren und kein Netz hatten. Als wir in Dijon aus dem Zug stiegen, fing es an zu regnen, erst etwas, dann wurde es immer stärker, sodass wir uns unter ein Bushäuschen flüchteten. Als der Regen nachließ, stellten wir fest, dass wir nur noch ein paar Schritte vom Campingplatz entfernt waren. Er war hübscher, mit von Hecken umgebenen Parzellen, wo unser Zeltchen fast verloren wirkte. Hier wäre ich gerne mit Womi gewesen! Wir nutzten ein Regenloch zum Zeltaufbau und gönnten uns bei der Rezeption einen Kaffee, da der Platz noch ca.10€ billiger war als gedacht. Wir hatten mit Strom gebucht, aber wir konnten mit den großen Steckdosen für Wohnmobile ja gar nichts anfangen. Handys würden wir wohl beim Spülen im Waschraum laden müssen. Was wirklich dämlich war, war, dass man eigenes Klopapier mitbringen musste. Wir kauften stattdessen Tempos, denn wir brauchten weder 4 Rollen noch wollten wir dafür 3-6€ zahlen. Wo sollten wir denn damit hin? Wir eilten zum Supermarkt und schlüpften in den letzten Minuten hinein. Mit unserem Einkauf wartete ich in einem netten Park auf dem Weg zum Campingplatz, während Stefan Kochgeschirr und Kocher besorgte. Hier konnten wir uns gemütlich auf Bänke an Tischen setzen, statt vorm Zelt auf dem nassen Rasen hocken zu müssen. Wir machten noch einen kleinen Spaziergang, bevor es ins Bett ging.

Samstag, 25.6.22 Dijon

Nachts hatte es geregnet, dementsprechend war unser Zelt am Morgen nass. Von außen vom Regen, von innen von hoher Luftfeuchtigkeit. Mein einziges Verlangen war nur noch ein Waschsalon mit Trockner, denn Handwäsche zu trocknen erschien nahezu unmöglich. Nach dem Frühstück, das wir auf Stefans Regencape vor dem Zelt einnahmen, wanderten wir los. Wir gingen entlang der L’Ouche, einem Fluss mit Staustufe, der in den Lac neben unserem Campingplatz floss. Dort wurde ein netter Strand angelegt. Wir gingen aber heute in die andere Richtung, auf der Promenade zur Stadt. Es war ein netter Weg, bewaldet, mit Sportgeräten, Spielplätzen und Bänken. Mit einem Torbogen, wieder einer Miniversion des Arc der Triumph, empfing uns die Stadt. Von Anfang an waren wir begeistert. Schöne alte Gebäude, viele kleine und besondere Lädchen, häufig mit Spezialitäten der Region wie Senf und Wein. Die leckersten Sachen in den Patisserien wie Törtchen und Maccarons. Durch Zufall standen wir auch plötzlich vor der schönen alten Markthalle, in der an zahlreichen Ständen alles was Landwirtschaft und Fischerei zu bieten hatte, angeboten wurde und auch die Möglichkeit zum Weintrinken und Essen geboten wurde. Draußen vor der Halle wurden an ein paar Ständen ebenfalls Obst und Gemüse verkauft, was wohl nicht mehr den höchsten Ansprüchen gerecht wurde. Unser Pfund Kirschen war aber hervorragend und kostete nur einen Bruchteil von dem Preis in der Halle. Nicht weit von der Markthalle entfernt, fanden wir unsere Levanderie. Wir steckten unsere Wäsche in die Maschine und nutzten die Zeit dazu, uns die Kathedrale Notre Dame von innen anzusehen. Leider wussten wir zu der Zeit noch nicht, dass die Eule von Dijon (Chouette der Dijon) an der Außenfassade angeblich beim Streicheln Wünsche erfüllt. Ich hätte mir gutes Wetter gewünscht. Den ganzen Tag war es super, aber abends, als ich diese Erlebnisse niederschrieb, regnete es in Strömen und gewitterte. Wir saßen unter einem Pavillondach bei der Rezeption des Campingplatzes und hofften, dass es bald aufhörte und wir ins – hoffentlich von innen noch trockene – Zelt könnten.

Zurück zur Stadterkundung: Wir kauften uns Eis und Cappuccino während unsere Wäsche im Trockner herumwirbelte und genossen beides im Park beim Palais des Dukes, dem Herzogenpalast, Stefan das Eis, ich den Kaffee. Ich kaufte mir im 2€ Shop eine Alutrinkflasche, damit wir nicht immer mit 2l Plastikflasche rumlaufen mussten. Durch den Botanischen Garten wanderten wir zurück zum Campingplatz. Ich fragte an der Rezeption, ob ich dort mein Handy an der Steckdose im Wartebereich laden dürfte, aber das wurde mir versagt. Also stellte ich mich mit unseren beiden Smartphones in den Wasch- und Spülraum und verbrachte dort mindesten 20 Minuten wartend bei den Geräten neben einer Steckdose. Was für eine blöde Situation! Die hätten doch z.B. so ein Laderegal mit Schließfächern aufstellen können, wie man es manchmal in Städten oder bei Geschäften findet. Es wäre ja ok dafür zu zahlen, aber diese Warterei im Waschhaus war total blöd. Man konnte noch nicht mal duschen oder auf Toilette gehen, weil man dann die Geräte nicht im Blick hatte. Stefan kochte derweil und wir setzten uns vorne unter das Pavillondach zum Essen. Der Imbiss hatte sowieso an dem Tag geschlossen, also konnte keiner meckern. Während des Essens deutete sich schon ein Wetterwechsel an und es begann heftig zu regnen. Ich verzog mich wieder in den Waschraum , weil es dort wärmer war und ich weiter Strom nutzen konnte. Stefan harrte unter dem Pavillondach aus. Wir hofften und warteten auf ein Regenende oder wenigstens eine Pause, sonst hätten wir uns auswringen können wenn wir beim Zelt ankamen. Hoffentlich würde es morgen früh nicht beim Abbau regnen. Das wäre ein Supergau, denn noch war keine feste Unterkunft in Sicht. Erst hatten wir noch zwei weitere Nächte in Amiens im Zelt vor uns. Dort sollte es aber laut Webseite einen Aufenthaltsraum geben. Wir würden sehen.

Sonntag, 26.6.22 Fahrt nach Amiens

Die Nacht war Horror pur. Zum Glück hatte es nicht die Nacht hindurch gewittert, sonst wäre ich wohl im Waschhäuschen angewachsen. Ich hätte mich nicht ins Zelt getraut, denn es krachte ordentlich und wir konnten in unserem Zelt keine der Regeln befolgen, die wir für Gewitter im Zelt im Internet fanden. Wir konnten definitiv nicht nebeneinander hocken mit geschlossenen Füßen ohne uns zu berühren! Wir stießen ja schon ans Dach, wenn wir mit angezogenen Beinen auf der Luftmatratze und die Daunenschlafsäcke auf uns lagen! Es wäre also von all den Ratschlägen nur der vernünftigste übriggeblieben, nämlich in einem festen Gebäude Schutz zu suchen. Das wäre das Wasch-/Toilettenhaus gewesen. Dann hätte uns auch von oben kein Ast treffen und auch keine reißende, plötzlich sich bildende Überschwemmung wegspülen können. Da es aber aufhörte zu gewittern und „nur“ noch goss, rannte ich bei einer schwächer werdenden Phase zurück zum Zelt. Nun lagen wir möglichst platt auf unseren Matten und versuchten zu schlafen. Mitten in der Nacht musste ich so dringend auf Toilette, dass ich mit mir kämpfte, ob ich in eine unserer Plastikdosen pinkeln oder es wagen sollte, klitschnass und dreckig zurück ins Zelt zu kommen. Letztendlich meisterte ich es ganz gut mit Schirm, konnte dann aber stundenlang nicht einschlafen. Völlig übermüdet begannen wir am Morgen schon vor 7 Uhr zusammenzupacken. Da das im engen und nassen Zelt unmöglich zu zweit ging, packte ich alles Mögliche in meinen Rucksack und lief mit Schirm zum Waschhaus. Stefan packte den Rest und brachte mir etappenweise Sachen. Er hatte seinen Regenponcho an und baute dann zuletzt auch noch das Zelt ab. Alles was klatschnass war, mussten wir außen an den Rucksäcken befestigen. Ich hatte außer meiner Regenjacke, die ich um meinen Schlafsack wickelte, damit er noch geschützter war, noch einen 1€ Poncho mit, und der passte auch über meinen Rucksack. Wir gingen eigentlich viel zu früh los zum Bahnhof, aber es war mal einigermaßen trocken und wir brauchten nicht zu hetzen. Unser TER 17756 war wieder eine heruntergekommene Plüschschaukel mit Abteilen und Gardinen, dafür keinen Strom. Wir waren zu fünft im Abteil, also war 3 Stunden Maskentragen nötig bis Paris Bercy. Es war nicht verpflichtend, aber wir wollten nicht riskieren, unseren Interrailtrip wegen Corona abbrechen zu müssen. Dann fand der blödsinnige Bahnhofswechsel statt. Wir hatten gut eine Stunde Zeit für den Umstieg und mussten mit zwei Metros zum Gare du Nord am anderen Ende der Stadt. Dieses Procedere wäre uns auch nicht erspart geblieben, hätten wir den teureren und schnelleren TGV genommen. Wir standen erstmal in langen Schlangen vor Ticketautomaten bzw. einem Schalter, um Fahrscheine für die Metro zu kaufen, die nicht vom Interrailticket abgedeckt wurde. Wir fanden recht schnell die richtigen zwei Züge, die immer schon einfuhren als wir kamen. In Gare du Nord angekommen folgten wir den Piktogrammen für Züge, gingen durch die Metroschranke, und…saßen fest! Wir sahen hinter den automatischen Ticketschranken Züge auf den Gleisen stehen, kamen aber nicht dorthin, weil wir anscheinend einen falschen Ausgang mit unseren Metrotickets genommen hatten und sie nun nicht mehr funktionierten. Die Zeit wurde knapp, wir fuhren Rolltreppe auf und ab, aber wir waren gefangen. Wir suchten Personal, aber der Infoschalter war nicht besetzt. Nach einiger Suche sahen wir vier SNCF Mitarbeiter zusammenstehen und quatschen. Wir fragten, schon merklich genervt, wie wir nun zu unserem Zug kämen. Man wies uns auf eine Aufzug hin. Im zweiten Untergeschoss wäre ein Schalter besetzt, und man könne uns durchlassen. Wir liefen zum Aufzug, aber er war außer Betrieb. Jetzt waren wir echt sauer und bestanden bei den 4 Mitarbeiter*innen mit der super Servicehaltung darauf, uns zu begleiten, damit wir schnellstens zu unserm Zug kämen. Genervt brachte uns eine zu einem anderen Aufzug, und wir wurden aus dem Gewirr der Schranken entlassen. Nun mussten wir unseren Zug finden. Wir orientierten uns auf der elektronischen Anzeige an der Abfahrtszeit, da wir den Endbahnhof unseres Zuges nicht wussten. Der Zug, den wir fanden, war aber ein Vorortzug und wir mussten zu den Gleisen für Fernzüge. Endlich erklärte uns mal ein Schaffner, wie wir dorthin kämen und dass der Endbahnhof unseres Zuges Calais wäre. Wir schafften es gerade noch pünktlich und fanden gute Plätze mit Tisch in einem modernen Großraumabteil des TER 16368 in der zweiten Klasse, da er keine erste Klasse führte. Wir fuhren angenehm bis Amiens. Laut Internet sollte die Stadt nett sein, ein weiterer Grund, sie zu wählen, war für mich jedoch, dass sie ohne TGV in erträglicher Zeit erreichbar und es von hier nur noch eine kurze Fahrt nach Boulogne Sur Mer war, wo wir uns am übernächsten Tag mit unseren amerikanischen Freunden Luis und Janine treffen und sie mit fertigem Abendessen begrüßen wollten und natürlich, dass es einen bezahlbaren und mit dem Bus vom Bahnhof erreichbaren Campingplatz gab. Letzteres erwies sich dann als nur zum Teil richtig: die Busse fuhren, aber nicht am Sonntag! Da es keinen Sinn machte, bei der Unterkunft zu sparen und dann mit dem Taxi hinzufahren, mussten wir also die gut 5 km mit unserem Gepäck zu Fuß hinter uns bringen. Stefan nahm mir noch etwas Gewicht ab, aber ich war danach dennoch kaputt. Meine Knie mochten es gar nicht, wenn sie außer mich auch noch Gepäck zu schleppen hatten, besonders nicht, wenn sie tags zuvor viele Kilometer gelaufen waren und ich außerdem auch ziemlich übermüdet war. Zum Glück war das Wetter hier bisher gut und wir hatten einen schönen Wiesenplatz nahe der Rezeption. Hier gab es auch Tische und Bänke draußen und einen tollen Aufenthaltsraum mit Heizung, Fernseher und Mikrowelle, der Tag und Nacht geöffnet war. So etwas hätten wir die Nacht zuvor gebraucht! Amiens hatte uns auf den ersten Blick nicht so sehr gefallen, aber der Weg zum Campingplatz ging immer an einem Fluss entlang, an Gemeinschaftsgärten und einem Grüngebiet vorbei, also einer guten Joggingstrecke für Stefan.

Montag, 27.6.22 Amiens

Ich musste meine Meinung über Amiens revidieren. Die Stadt hatte eine sehr beeindruckende Kathedrale, die natürlich auch wieder Notre Dame hieß und Straßenzüge in der Innenstadt, die an Amsterdam erinnerten. Es floss die Somme durch die Stadt und bildete Verästelungen, an denen nette fotogene Häuschen standen und Bars und Restaurants, die zum Verweilen einluden. Stefan hatte diese Ecke bereits am Morgen beim Joggen entdeckt. Nach einem ausgiebigen Frühstück und noch etwas Relaxen mit Spanisch lernen in unserem tollen Aufenthaltsraum mit Wasserkocher, Herd etc. und richtigem Tisch, machten wir uns gemeinsam mit dem Bus auf den Weg ins Zentrum. Es war zwar bequemer zu fahren, aber für die ca. 5km in die Innenstadt benötigte der Bus 50 Minuten. Das hätten wir zu Fuß fast gleichschnell geschafft. Kurz nachdem wir ausgestiegen, aber noch nicht bei der Kathedrale waren, verwandelte sich die Sonne in einen heftigen Regenguss. Eigentlich waren wir extra spät losgefahren, weil ab Mittag kein Regen mehr angesagt war, aber das wusste der Himmel wohl nicht. Wir quetschten uns zwar in einen Hauseingang, aber unsere komplette Vorderseite wurde bis auf die Haut nass. Als der Regen nachließ, rannten wir zur Kathedrale. Da war es trocken, aber uns war kalt in den nassen Klamotten. Wir begaben uns in der Hoffnung auf Händetrockner in die Toiletten der Touristinfo. Leider gab es dort nur Papierhandtücher, aber die taten auch ihren Dienst. Nach einigem Abreiben und noch etwas Sonne draußen war unsere Outdoor-Kleidung wieder trocken, das war schon wirklich super gut. Wir schlenderten durch die hübschen Gassen und begaben uns auf die Suche nach etwas zu essen. Nach dem Essen suchten wir die Bushaltestelle für den Bus zurück, fanden aber dann heraus, dass wir auch zwei Stationen mit einem Zug fahren konnten und dann 2 km zurücklaufen zum Campingplatz. Das dauerte auch nicht länger als mit dem Bus, und mit dem Zug konnten wir kostenlos fahren. Inzwischen hatten wir schönsten Sonnenschein und so genossen wir den Abend auf der Terrasse des Campingplatzes. Wir freuten uns darauf, am kommenden Tag nach Boulogne Sur Mer zu fahren und endlich unsere Freunde wiederzusehen. Für eine Woche im Apartment zu wohnen, war ebenfalls eine schöne Aussicht, obwohl wir die letzte Nacht in unserem Zelt geschlafen hatten wie die Murmeltiere. Nach der durchwachten Nacht davor war das aber auch kein Wunder.

https://youtu.be/f4tIPrveFK4

England

England

https://youtu.be/t3m-sh_wdPg

London

London

Schweiz I

Sch

Baltikum

Aller guten Dinge sind drei

Den Plan, mit unserem guten alten Wohnmobil, liebevoll Womi genannt, das Baltikum zu bereisen, hegten wir schon lange. Bereits 2015 und 2016 hatten wir uns auf den Weg gemacht, sind aber beide Male nur bis nach Polen gekommen. Wir fanden dort einfach zu viele schöne Stellen, die es Wert waren, sie länger zu genießen und die Pläne auf später zu verschieben. In diesem Sommer machten wir sie aber endlich wahr. Wir brachen am 17. Juli 2019 auf und fuhren mit Zwischenstopp in Fürstenwalde am 18. Juli bis Lomza in Polen. Es waren insgesamt ab Braunschweig über 1000 km auf der A2 durch Deutschland und Polen, bis wir ein Stück nach Warschau auf die S8 abbogen. Die A2 in Polen ist über lange Strecken auf beiden Seiten von hohen Schallschutzwänden eingeschlossen. Wenn man mal einen Blick auf die Umgebung werfen konnte, war die auch meist öde, das heißt, Gewerbegebiete, Industrie oder Ödland, also wirklich nicht die schöne Seite von Polen. Wir fanden einen Übernachtungsplatz auf einem netten Parkplatz mit Toilette direkt beim Zentrum und teilten uns eine große Pizza zum Abendessen. Tagsüber war es ganz schön warm, um die 28 Grad, aber am Abend hatten wir angenehme 19 Grad. Am kommenden Tag wollten wir es bis Kaunas in Litauen schaffen, ab dann würde das Genussreisen anfangen😍

Mi 19.6. Marijampole / Litauen

Wir schafften es tatsächlich nach Litauen und sind nicht wieder in Polen hängengeblieben 😂 In Augustow/Polen aßen wir nachmittags noch eine Waffel mit Eis und machten einen kleinen Spaziergang, dann ging es über die Grenze. Ich liebe😍 Europas offene Grenzen, das allein ist es schon wert, für den europäischen Zusammenhalt zu kämpfen! Nun waren wir auch wieder im Euroland, ebenfalls etwas, was das Reisen angenehmer macht. Wir fuhren an dem Tag nicht mehr bis Kaunas, sondern schlugen unser Nachtlager schon vorher bei Marijampole am Fluss Sešupe im Park auf. Der Park bietet Wasserski, Badestellen, Wege zum Laufen entlang des Wassers, ein richtiges Naherholungsgebiet am Fluss, der sich hier in verschiedene Arme teilt. Er wird von den einheimischen jungen Leuten und Familien gut angenommen. Als wir ankamen gegen 23 Uhr, war der Parkplatz noch nicht ganz leer. Wir schienen jedoch die einzigen Übernachtungsgäste zu sein. Obwohl wir die Uhr eine Stunde vorstellen mussten im Vergleich zur deutschen Zeit, war es ist immer noch nur dämmrig und nicht wirklich dunkel. Das gefiel mir. Das bedeutete, wir hatten mehr vom Tag. Allmählich kühlte es sich zum Glück auch etwas ab. Es war an diesem Tag richtig heiß gewesen, um die 32 Grad, was bedeutete, dass wir im Womi bis über 31 Grad hatten.

Do. 20.6. Kaunas / Litauen

Am kommenden Morgen fuhren wir nach Kaunas, der zweitgrößten Stadt Litauens. Erst war es brütend heiß. Da ich noch dazu die letzte Nacht miserabel geschlafen hatte, weil es zu stickig war, bis um 2 Uhr nachts noch ständig junge Leute in Autos an- und abfuhren, Musik machten und ihren Spaß hatten, war es nun für mich echt anstrengend durch die Stadt zu laufen. Wir ruhten uns in einem Bistro aus, und als wir wieder herauskamen, fing es an zu regnen, also drehten wir gleich wieder um. Als der Schauer vorbei war, glaubten wir, dass wir uns nun die Stadt näher angucken könnten, aber denkste! Wir waren vielleicht 5 Minuten gegangen, gab es einen Wolkenbruch, der sich sehen lassen konnte und noch dazu Gewittergrummeln. Wir hatten natürlich Schirm und Regenjacke im Wohnmobil gelassen, sie könnten ja sonst nass werden! So wurden eben wir nass 🙄. Wir versuchten, so gut es ging, durch die Altstadt wieder zum Womi zu gelangen, indem wir von einer Markise zur nächsten liefen und zwischendrin mal in Lädchen gingen. Leider gab es fast nur Restaurants und Cafés. Die wenigen Geschäfte verkauften Bernsteinschmuck, Heiligenfiguren und sonstige Souvenirs, sowie Bastelmaterial. Alles nicht wirklich etwas, was uns interessierte. So richtig begeistert hat uns Kaunas nicht, schon gar nicht bei dem Wetter, sodass wir uns zur Weiterfahrt Richtung Norden entlang der Memel entschieden. Wir folgten damit einer beschriebenen Route unseres Reiseführers und waren mit unserem ersten Übernachtungsstopp schon sehr zufrieden. Wir standen in einem kleinen Park an der Autofähre in Vilkija, direkt an der Memel. Hier im Ort hatte der Starkregen an diesem Tag einen beachtlichen Schaden angerichtet. Ein Stück eines Hanges, an dem man über eine Treppe direkt zur Memel gelangt, wurde unterspült und weggebrochen. Der Ort ist recht hügelig, da hatte das Wasser wohl ordentlich an Fahrt gewonnen. Am Abend war alles wieder ruhig und der Regen vorbei, also hofften wir auf eine ruhige Nacht.

Fr. 21.6.19 Vilkija bis Biténai

Unser Weg führte an diesem Tag weiter entlang der Memel oder Nemunas, wie der Fluss hier heißt. Schloss Raudoné und Schloss Panemuné können sich mit netten Parkanlagen und Teichen durchaus sehen lassen. Das aus rotem Backstein gebaute Raudoné beherbergt heute eine Schule, im Panemuné ist ein Hotel mit Restaurant, in dem wir zu Mittag aßen. Für Kartoffelpuffer mit einer Scheibe Räucherlachs und Kaviar, Teigtaschen mit Spinat und einem großen Salat, dazu zwei Tassen Kaffee zahlten wir ca 21€, also durchaus angemessen, besonders in einem touristisch interessanten Hotel. Am Nachmittag ging es weiter nach Smalininkai zu einer alten Wassermessstation, von wo aus man nach Russland hinüber bis zu deren Sicherungsanlagen sehen konnte. An dieser Stelle war ehemals auch der alte Hafen des Ortes. Leider erkannte auch eines unser Handys das russische Netz und lockte sich ein, sodass wir bei der nächsten Abrechnung ein paar Euro Roaminggebühren bezahlen durften.

In Viešvilé schlenderten wir durch einen kleinen und feinen Park entlang einer Fischtreppe, wo sich auch Kinder munter wie kleine Fische im Wasser vergnügten. Eine wirklich schöne Anlage. Danach suchten wir einen im touristischen Prospekt angekündigten Buchenhain, wobei wir allerdings irgendwann aufgaben. Vielfach sind die Sehenswürdigkeiten gut an der Hauptstraße ausgeschildert, doch danach geht die Beschilderung leider nicht weiter, auch nicht, wenn sich die Wege gabeln, so suchten wir am Morgen bereits vergeblich die Holocaustgedenkstätte bei Vilkija, die laut Ausschilderung an Massengräber erinnern sollte.
Einen schönen Abschluss des Tages bildete am Abend das Dorf Biténai. Hier hatte, völlig untypisch für Störche, eine Storchenkolonie in Bäumen ihre Nester gebaut. Die Nacht verbrachten wir wieder auf einem Wanderparkplatz kurz hinter dem Ort. Es war ein wirklich schöner Tag, besonders weil es nicht zu heiß war und es auch trocken blieb.

Sa. 22.6. Rambynas bis Minija

Den Morgen des 22.6. begann ich mit etwas Gymnastik auf der Wiese vor unserem Womi, während Stefan joggte. Nach dem Frühstück machten wir uns auf die Suche nach dem Berg “Rambynas“, einem Hügel mit gutem Blick über die Memel nach Russland. Zugleich führt eine lange Treppe runter zum Fluss. Da der Weg in ein Waldstück führte, tauschten wir unser Gefährt und fuhren mit Fahrrädern weiter. Nach ein paar hundert Metern waren wir am Ziel und drehten eine kleine Runde zu Fuß, die Treppe runter den Fluss entlang.
Wieder zurück am Womi, war unser nächstes Ziel der Leuchtturm von Uostadvaris. Hätten wir geahnt, was auf uns zukam, hätten wir ihn ggf ausfallen lassen! Es gibt nur eine Straße, die rüber nach Rusne führt, die 206. Dummerweise war diese zur Zeit über mehrere Kilometer hinweg eine riesige Baustelle. Wir versuchten der Umleitung zu folgen, fanden aber mal wieder keine Anschlussbeschilderung. Wir irrten somit mindestens 30 km im Kreis herum auf Wellblech-Schotterstraßen, bis wir letztendlich mitten in die Baustelle gerieten und auf der Gegenspur in Richtung unseres Zieles fuhren. Das schien gar nicht so ganz verkehrt zu sein, denn es fuhr dort auch noch ein Einheimischer. Wir zitterten die ganze Zeit aus Angst vor Gegenverkehr, denn links ging es den Hang runter und rechts war die Fahrbahn komplett weggerissen und ein Absatz von mindestens 30 cm! Auf beiden Seiten wären wir mit Sicherheit umgekippt! Wir hatten Glück, als die Baustelle zu ende war, stand da eine Baustellenampel, vor der Autos warteten. Wo das Gegenstück dazu war, bzw. woher man wissen sollte, ob man fahren konnte, wenn man von unserer Nebenstrecke auf die Straße kam, weiß der Himmel! Der Gegenverkehr muss einen 7.Sinn gehabt haben, denn er wartete bei Grün!
Wir fanden den Leuchtturm und die kleine Anlegestelle, von der aus Schiffe über das Haff nach Nidda hinüberfahren.
Weiter ging die Fahrt nach Minija, einem kleinen Dorf mit wenigen Häuschen und Gehöften und zahlreichen schmucken Booten am Anleger.
Um wieder zurück auf das Festland zur 141 Richtung Kleipeda zu gelangen, stand uns nochmals die Baustelle bevor. Von dieser Seite war die Umleitung zum Glück besser beschildert und wir kamen über einen langen Umweg auf Schotterstrecken wieder zur Hauptstraße zurück. Unsere Suche nach einem Campingplatz, einem Zimmer oder zumindest einem Parkplatz zur Übernachtung, erwies sich auf dem Weg Richtung Klaipeda als sehr schwierig. Wir hatten uns eigentlich auf Dusche und Wasser zum Nachfüllen für das Womi gefreut, aber den bei der Park4night-App angegebenen Platz fanden wir unter den Koordinaten nicht. Letztendlich übernachteten wir auf einem Friedhofsparkplatz vor Klaipeda.

So. 23.6.19 Klaipeda und Wanderung

Nachdem wir uns am Vortag über die horrenden Preise für eine Fährfahrt zur und Straßennutzung auf der Kurischen Nehrung geärgert hatten, kam Stefan an diesem Tag eine Alternatividee:
Wir könnten ja auch per Fähre mit Fahrrad von Dreverna nach Juodkranté in der Mitte der Insel übersetzen. Wir fuhren also zum Anleger in Dreverna und kauften für den kommenden Morgen um 10 Uhr zwei Tickets für uns und die Räder für 24€. Das war immer noch teuer genug, aber besser als 30€ Fähre plus 20€ Straßenmaut mit Womi. Eigentlich wollten wir schon an diesem Tag hinüberfahren, aber es waren nur noch Tickets für die 16 Uhr -Fähre zu bekommen. Vielleicht würde es ja auch schöner sein, nicht mit den ganzen Wochenendausflüglern die Insel teilen zu müssen. Wir planten, am kommenden Morgen schon früh nach Dreverna zu fahren und unser Womi hoffentlich schon auf den Campingplatz am Anleger parken zu können. Leider nahm der Platz keine Reservierung an, aber wir waren guter Hoffnung, einen Stellplatz zu bekommen, da Wochenbeginn war. Ich sehnte mich nach einer Dusche!
Den Sonntag verbrachten wir in Klaipeda, was sich auch als super Idee herausstellte. Zum Einen hatte man sonntags keine Parkprobleme, da das Parken kostenfrei war. Viele Geschäfte hatten trotz Sonntag geöffnet und wir hatten darüber hinaus das Glück, dass in Litauen das Johannisfest gefeiert wurde. Im Park am Fluss Dané waren Bühnen aufgebaut und an Ständen wurden Handwerkskünste vorgeführt wie Drechseln, Blumenbinden etc. Außerdem wurden Honig, Käse, Bernsteinschmuck, Handarbeiten und vieles mehr angeboten. Bei herrlichem Sonnenschein, aber angenehmen Temperaturen, war es wunderschön über das Fest, an den Hafen und durch die Altstadt zu schlendern. Zum Abendessen genossen wir jeder eine zur Tüte geformte Waffel mit Füllung. Meine bestand aus Avocado, Krabben, Käse und Oliven, Stefan hatte eine süße Variante. Gegen 18 Uhr verließen wir Klaipeda und fuhren auf einen Wanderparkplatz beim Kaiser-Wilhelm-Kanal. Dort wanderten wir einen 6 km langen Weg zu einem Vogelaussichtsturm. Stefan musste leidend feststellen, dass man derartige Unternehmungen in Litauen niemals ohne Mücken- und Zeckenschutz mit nackten Beinen machen sollte. Er kam total zerstochen zum Womi zurück. Wir beschlossen den schönen Tag mit frischen Erdbeeren. Mm, lecker!

Mo 24.6. Kurische Nehrung mit Fahrrad

Am Montag ging die Fahrt wie geplant auf die Kurische Nehrung, die seit 1991 auf dem gesamten litauischen Gebiet Nationalpark ist und auch von der UNESCO als Welterbe ausgezeichnet wurde. Mit dem Fahrrad fuhren wir per Fähre nach Juodkanté, nachdem wir auf dem Campingplatz eingecheckt, Handwäsche erledigt und gefrühstückt hatten. Richtig, heute mussten wir mal früher aus den Betten, denn die Fähre ging um 10 Uhr und wir wollten uns gleich um 8 Uhr auf dem Campingplatz einen Platz sichern. Wir radelten auf der Nehrung bis zum Ort Pervalka und traten nach einem leckeren Mittagessen die Rückfahrt an. Bis Nidda wären es hin und zurück 50 km gewesen. Das wäre zeitlich zu knapp geworden, denn wir wollten ja auch etwas sehen und nicht nur strampeln. Mit meinem Pedelec kam ich ganz gut klar. Auf den knapp 19 km habe ich nur bei Steigungen und Gegenwind auf Stufe 2 geschaltet, sonst war der Motor aus oder nur auf 1, was grade das Gewicht des Akkus und des grässlich schweren Gestells ausglich. Mein Herz spielte trotz strahlender Sonne und Temperaturen geschätzt um die 28Grad, gut mit. Weniger erfreut hat mich mein linkes Knie, das dick wurde, dabei soll bei Arthrose Radfahren genau richtig sein🤷‍♀️
Was haben wir gesehen? Also, zuerst einmal sind Juodokanté und Perwalka nette Orte mit schönen bunten Holzhäuschen und kleinen Anlegestellen mit schmucken Booten. Eine richtige Sommerfrische der gehobenen Klasse. Kurz nach dem Ort kamen wir an eine Stelle, wo Kormorane und Reiher in Kolonien auf den Bäumen leben. Besonders die Kormorane haben sich in den letzten Jahren stark vermehrt und ihre Kolonie hat über 1000 Vögel. Von dort ging die Tour auf asphaltierten Radwegen, wobei an vielen Stellen mal ein neuer Belag nötig wäre. Unsere Hinterteile und Handgelenke hatten einen harten Job. Dennoch genossen wir es sehr, uns den Weg nicht mit Autos oder Fußgängern teilen zu müssen. Es fuhr sich viel entspannter. Wir stoppten beim Naturreservat Nagliai, Stefan zahlte seinen Umweltobulus von 2€, ich kam mit Behindertenausweis umsonst rein. Für irgendwas muss es ja gut sein, als „Mängelware“ durch die Welt zu laufen. Auf Bohlen ging es durch die Sanddünen und ich war schon froh, nicht durch den Sand laufen zu müssen in der knackigen Hitze, aber denkste! Gerade, als es hoch über die Düne ging, hörte der Bohlenweg auf und es hieß Schuhe: „aus und bergauf laufen“! Der Sand war von der Temperatur her gerade noch so auszuhalten an den Füßen. Belohnt wurden wir mit dem beeindruckenden Blick auf die Dünenlandschaft und das Kurische Haff. Weiter ging es per Rad recht lange zwischen Wald und Dünen, die leider keinen Blick auf die Ostsee oder das Haff erlaubten. Es gab jedoch Stellen, wo man über die Dünen zu Fuß zum Wasser gelangte und auch Badestellen, die wir aber nicht genutzt haben. Zur Mittagszeit erreichten wir Pervalka und ließen es uns im Restaurant schmecken. Ich wählte mal etwas typisch litauisches: in Knobibutter geröstete Brotstreifen und kalte Rote Beete Suppe. Beides war sehr lecker und die kalte Suppe genau das Richtige bei der Hitze. Von dort ging es auf einem anderen Weg wieder zurück nach Juodkanté zur Fähre. Wir hatten Glück und konnten eine frühere nehmen als gebucht, sodass wir nun noch unseren Luxus, auf einem Campingplatz zu stehen, ausnutzen konnten.

Di. 25.6. Zemaitia Nationalpark Litauen

Mein Morgen begann mit einer erfrischenden Dusche. Danach bereitete ich Frühstück vor und entsorgte unser Brauchwasser per Eimerchen in das dafür vorgesehene Abwasserrohr. Leider gab es auf dem Campingplatz keine Entsorgungsstelle zum drüberfahren, so musste ich halt 10x in den 5l- Eimer ablassen und umschütten. Als Stefan vom Joggen und Duschen kam, wurde gefrühstückt und dann machten wir alles zur Abreise fertig. Heute besuchten wir den Zémaitija Nationalpark und machten eine Wanderung am Plateliai See. Der Nationalpark bietet Wälder, Seen und Moore, wobei der bis zu 50 Meter tiefe Plateliai See als der klarste und sauberste in Litauen gilt. Er ist bei Tauchern sehr beliebt. In den Wäldern und am Wasser gibt es noch Wölfe, Luchse, Marder, Biber und zahlreiche Vögel und Insekten.

Mi. 26.6. Kein schöner Tag in Lettland

Das war nicht so unser Tag😳 Begonnen hatte der Tag noch ganz nett mit einem Bad im Plateliai See, wo wir die Nacht zuvor kostenlos campen konnten. Ab dann wurde der Tag dann eher nervig.
Stefan hatte einen Zeckenbiss seit kurz nach Abfahrt, also noch in Deutschland. Er hatte die Zecke weggeschlagen, weil er nicht gesehen hatte, was ihn gebissen hatte und der Kopf blieb drin. Er „verarztete“ sich selbst, kratzte den Kopf der Zecke raus und desinfizierte die Stelle unterwegs mit Handdesinfektionsmittel! Inzwischen sah die Stelle aber rot entzündet aus, auch wenn sie nicht weh tat oder heiß war. Da Borreliosegefahr bestand, fuhren wir in eine Ambulanz, die uns wiederum ins Krankenhaus in dessen Ambulanz schickte. Nach einigen Verständigungsproblemen bekam er Antibiotika verschrieben. Es waren deutsche Tabletten mit deutscher Erklärung 👍. Gegen Mittag fuhren wir nach einer Pause zu einem schönen Waldparkplatz nach Lettland.
Wir waren grade 30 Minuten in Lettland, als uns auf der Schotterpiste so ein Trottel, der es wohl super eilig hatte, rechts überholen wollte. Die fuhren hier wie Bekloppte. Wenn das so blieb und die meisten Straßen so aussahen 🙄, nahmen wir uns vor, bald weiter nach Estland zu fahren. Zum Glück hatte noch ein weiteres Auto mit einem netten lettischen Fahrer den Crash beobachtet. Er machte dem Unfallfahrer ziemlich eindeutig klar, dass er ja wohl ziemlichen Mist gemacht hätte und rief für uns die Polizei. Er erklärte sich auch bereit, im Notfall als Zeuge auszusagen. Wir warteten über eine Stunde auf die Polizei, die dann alles aufnahm und uns unsere Unschuld sofort bestätigte. Falls wir noch Schäden feststellen sollten, könnten wir uns mit dem Protokoll in Deutschland an die Versicherung wenden, die sich dass Geld dann vom Verursacher wiederholte. Zu sehen waren zwei eingedrückte Stellen an der Außenhaut, nichts Tragisches aber ärgerlich und niemand konnte sagen, ob sich darunter ein weiterer Schaden verbarg.
Bevor es gekracht hatte, waren wir nach 7 km Fahrt auf dieser Schotterpiste im Pape Nationalpark, wo wir etwas Kanufahren wollten. Leider muss man dafür aber erst jemanden anrufen, was uns zu umständlich und teuer war, also entschieden wir uns für den Besuch eines Vogelaussichtturmes. Wir fuhren also 4 km weiter auf der Piste, von dort sollte der Fußweg noch 700 Meter betragen. Wir kamen aber nie an, weil ich nach spätestens 400 Metern nur noch fluchend davonlief. In Nullkommanix hatte ich ganze Scharen von Mücken auf mir sitzen und ich fand weder deren Stiche, noch Stefans Abwehrschläge angenehm genug, als dass es mir die Vögel Wert gewesen wären! Abends begaben wir uns auf einem netten, privaten Campingplatz und bekamen sogar noch ein Informationsheft in Deutsch und Tipps in Englisch für einen Besuch in der Stadt Liepāja für den kommenden Tag.

Do 27.6. Lipaja/Lettland

Dieser Tag entschädigte uns für den miesen Anfang der Reise durch Lettland. Wir ließen uns Zeit beim Aufbruch am Morgen, denn der kleine Campingplatz war echt gemütlich und außer uns war nur noch ein weiteres deutsches Paar dort. Wir duschten, wuschen Wäsche und frühstückten gemütlich und brachen erst gegen 11:30 Uhr auf. Das Wetter war sonnig, aber angenehm abgekühlt, man konnte sogar eine Jacke vertragen. Unser Ziel war an diesem Tag Liepaja, was von den Deutschen Liebau genannt wurde. Die Stadt mit rund 80000 Einwohnern hat eine ganz eigene Ausstrahlung. Jugendstilbauten, bunte Holzhäuser, Wohnblöcke in Ostmanier, moderne Einkaufcenter und eine kuppelförmige, moderne Konzerthalle, dazwischen Parks und Straßenbahnen und alles mit einem Hauch von Shabby Chic. Manchen Häusern sieht man die Armut der Bewohner deutlich an, bei anderen hat Farbe schon einiges bewirkt. Gefallen hat mir aber besonders die entspannte Atmosphäre. Es war für eine Stadt der Größe kaum Verkehr unterwegs und wir hatten überhaupt kein Problem damit, an unterschiedlichen Stellen kostenlose Parkplätze zu finden. Unser erster Stopp galt dem Markt. Die 1910 im Jugendstil erbaute Markthalle ist wirklich ein Hingucker und im Inneren genossen wir die für osteuropäische Länder typischen gefüllten Teigtaschen bei einem kleinen Imbiss. Gestärkt machten wir uns auf die Suche nach neuen Laufschuhen für Stefan. Seine, am Boxing Day in Christchurch gekauften, hatten eigentlich schon längst ihre Laufleistung mit ca 1600 km ausgehaucht, aber es ist, gerade im Ausland, gar nicht so einfach, Laufschuhe in Größe 49 und dann noch zu bezahlbaren Preisen zu finden. Heute hatte er aber Glück und konnte nun endlich seine alten Treter entsorgen. In einem Einkaufszentrum in der Innenstadt gab es ein Sportoutlet. Danach parkten wir um und schlenderten durch die kleine Fußgängerzone. In einem Bäckereicafé aßen wir jeder ein Törtchen, was die eigenartige Kombination von süßem Belag, ähnlich eines sehr festen Puddings, verziert mit Kümmel aufwies! Ich hatte es für Schokostreusel gehalten, was meinen Geschmack nach auch besser gepasst hätte. Anscheinend ist Kümmel hier im Baltikum das Lieblingsgewürz der Bäcker, denn jedes dunkle Brot, das wir auf dieser Reise fanden, hatte zumindest einen Hauch von Kümmel. Auch lieben sie es, herzhaftes Brot etwas zu süßen, was wir auch in Skandinavien schon einmal kennengelernt hatten. Ein solches Brot in Verbindung mit z.B. Thunfisch ist für meinen Geschmack wirklich widerlich🤑, aber andere Länder, andere Geschmäcker.
Wir kamen an der Universität vorbei, die ein breites Spektrum an Fakultäten von Ingenieurwesen bis Sozialpädagogik aufwies. Danach fuhren wir in das Viertel Karosta. 1890 vom Russischen Reich begonnen zu bauen, entwickelte sich hier die größte historische Militärzone des Baltikums. Obwohl nur durch eine drehbare Metallbrücke von Liepaja getrennt, wurde hier eine völlig autonome Militärstadt gebaut mit allem was dazugehört. Von der Wasserversorgung durch einen eigenen Wasserturm, bis zur wunderschönen russisch-orthodoxen Militärkathedrale. Auch ein Militärgefängnis für kurzzeitige Strafen bis ca 5 Tagen für jedwede Undiszipliniertheit wurde gebaut. Hier waren Soldaten gefangen, die häufig nicht mehr verbrochen hatten, als einen fehlenden Knopf an der Uniform oder eine Widerrede gegen Vorgesetzte. Heute dient dieses Gebäude als Museum und Hostel, in dem man in Zellen übernachten kann. Während der wechselhaften Geschichte des letzten Jahrhunderts wechselten sich die Besatzer im Baltikum ab. So wurde diese Militäranlage im 2.Weltkrieg zeitweise von den Deutschen übernommen, bevor danach die Sovjetarmee bis zum endgültigen Abzug 1994 Karosta als Militärstützpunkt nutzte. Egal welches Militär dort auch herrschte, für die Einwohner Liepajas war das das ganze Gebiet absolutes Sperrgebiet. Sie durften es nie betreten, es sei denn, sie hatten eine offizielle Genehmigung.
Wir nahmen an einer Führung im Militärgefängnis teil und fuhren am Abend noch an die Küste. Dort besahen wir uns die Reste der durch das Meer zerstörten Festungsanlage, wo wir auch unsere Nacht auf dem Parkplatz verbrachten. Außer dem Wind vom Meer, hatten wir hier auch noch das Rauschen eines Windrades, unterhalb dessen wir standen, sodass ich mir überlegte, ob ich mir Ohropax in die Ohren stopfen sollte.

Fr. 28.6. Pavilosta und Kuldiga/ Lettland

Während ganz Europa über Hitze klagte, waren bei uns die Temperaturen richtig für eine dünne Fleecejacke. Am Morgen hatten wir 16 Grad und auch im Laufe des Tages stieg das Thermometer kaum über 20 Grad, dabei schien aber herrliche Sonne. Wenn man nicht unbedingt baden gehen wollte, war das Wetter also goldrichtig für Unternehmungen.
Die letzte Nacht war für mich wieder nicht so berauschend und ein Grund war das Windrad, unter dem wir standen. Das Rauschen war in etwa wie eine Klimaanlage und die nerven mich auch in den meisten Fällen.
Nach dem Frühstück fuhren wir nur ein paar Kilometer von unserem Schlafplatz bei den Resten der Verteidigungsanlagen von Liepaja/Karosta zu einer Erinnerungsstätte des Holocausts in Šķēde. Hier werden auch die Menschen geehrt, die Juden das Leben gerettet haben. Informationen findet man bei Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_in_Liepāja


Von dort ging die Fahrt weiter zu einem kleinen Strandbesuch bei Pavilosta. Der Strand ist wunderschön mit feinem weißen Sand und es versuchten sich vereinzelte Kitesurfer mit mäßigem Erfolg. Nach einem kleinen Spaziergang fuhren wir sehr gemächlich weiter Richtung Kuldiga im Landesinneren. Wir hofften, dem ständigen Stopp&Go Fahren von Baustellenampel zu Baustellenampel auf der Straße entlang der Küste entfliehen zu können, aber auch hier waren zahlreiche Baustellen, sodass wir erst gegen frühen Abend in Kuldiga ankamen. Das machte aber gar nichts, da das Licht zum Fotografieren zu der Zeit viel wärmer war und die Farben viel schöner herauskamen. Kuldiga ist laut Internet eine Stadt mit 12000 Einwohnern und liegt am Fluss Venta, der mit der breitesten Stromschnelle Europas, der Ventas Rumbla aufwarten kann. Der historische Altstadtkern geht ins 13 Jahrhundert zurück und verfügt über schmale Gässchen mit Kopfsteinpflaster, mehrere Kirchen und zahlreiche Holzhäuser. Die Stadt hatte 2017 die alte Backsteinbrücke über den Fluss Venta restauriert und bemüht sich um Aufnahme in die Liste der UNESCO Weltkulturerbe. Die Häuschen und Gässchen sind wirklich sehr schön und bilden ein einheitliches Ensemble, sie müssten nur ganz dringend restauriert werden. Etliche Fenster sind sicher jetzt schon nicht mehr zu retten, Fassaden sind abgeblättert und aus Sockeln Steine herausgebrochen. Man kann nur hoffen, dass die Stadt mit Hilfe von Land und EU es schafft, die schöne Bausubstanz zu erhalten. Ein zweites Flüsschen, die Alekšupîte, fließt durch die Altstadt und deshalb wird die Stadt auch gerne das Venedig des Ostens genannt. Wir unternahmen am Abend nur einen kleinen Rundgang und planten, uns am kommenden Morgen genauer umzuschauen.

Sa. 29.6. Ventspils/ Lettland

Am kommenden Morgen schauten wir uns nochmals ausgiebig Kuldiga an und konnten uns in dem ein oder anderen Lädchen umschauen und Postkarten kaufen, die wir später in einem sehr urigen Restaurant mit dicken Holzbalken und -möbeln bei leckeren Pfannkuchen schrieben. Kuldiga erschien uns viel größer, als wir von einem 12000 Seelenort erwartet hatten.
Gegen Mittag fuhren wir weiter nach Ventspils an der Küste. Große Fähren der Stena Line verbinden den Ort mit Schweden. Zu einer wohlhabenden Stadt macht Ventspils aber eher der Containerhafen. Es ist der Ölexport, der das Geld bringt. Auch große Kohlefrachter konnten wir sehen.
Wundert man sich, wenn man überall verteilt in der Stadt bunte Kühe in unterschiedlichen Darstellungsweisen sieht, erfährt man im Internet, dass 2012 eine internationale Kunstaktion stattgefunden hat, bei der 24 lustige Kühe entstanden und später für soziale Zwecke versteigert wurden. Viele Auktionäre ließen „ihre“ Kuh jedoch an Ort und Stelle, sodass sich heute Einheimische und Touristen daran erfreuen können.
Das Olimpiskais Centrs Ventspils ist zwar nicht für eine Olympiade gebaut, aber mit Recht der Stolz der Stadt. Um den Breiten-und Leistungssport zu fördern wurde hier ein Sportzentrum gebaut, dass es an nichts fehlen lässt. Von Leichtathletikstadion bis Fußballstadion, von Eishalle bis Wasserpark, von diversen Hallen für unterschiedlichste Sportarten bis zur künstlichen Skipiste scheint es nichts zu geben, was es nicht gibt. Laut Homepage der Stadt trainieren hier täglich über 30 Vereine der Stadt!
Am kommenden Tag wollten wir die gutausgebauten Radwege Ventspils einmal ausprobieren und das Freilichtmuseum, den Strand und den Wasserpark besuchen. Wir verbrachten mit mehreren anderen Womis die Nacht auf dem Parkplatz am Fährhafen. Es war sooo entspannend, keine Probleme beim Finden eines Parkplatzes zu haben und noch dazu fast überall auf diesen auch übernachten zu dürfen😍

So. 30.6.19 Ventspils

Dieser Tag brachte wieder viel Aufregung, aber auch schöne Erlebnisse. Am Morgen schnappten wir uns die Räder und fuhren zum Freilichtmuseum in Ventspils. Die Radewege erwiesen sich als hervorragend und die Beschilderung führte uns überall dorthin, wohin wir wollten. Das ist nicht immer so, wie in meinen vergangenen Berichten bereits beschrieben. Auch ohne die Radwege wären wir wohl sehr entspannt durch die Stadt geradelt, da fast keine Autos fuhren. Wenn wir Autos im Baltikum fahren sahen, fuhren sie meist skrupellos, aber insgesamt hielt sich bisher der Verkehr sehr in Grenzen. Das Freilichtmuseum besteht aus einigen Häusern, einer Sauna, einer Mühle und Booten, zumeist aus dem 19.Jahrhundert. Besonders gefallen hat uns dabei die Außenanlage. Die Gebäude sind schön unter Bäumen gelegen mit gepflegten Blumenbeeten und Wegen. Schön nostalgisch wirkt auch der kleine Bahnhof, von dem eine alte Schmalspurbahn mit Dampflok die Besucher auf eine kleine Rundfahrt mitnimmt.
Nach dem Freilichtmuseum fuhren wir zu einem Springbrunnen, der der Fregatte „Walfisch“ nachempfunden war. Wir bedauerten etwas, nicht am Abend zuvor die beleuchtete Version besucht zu haben, aber da es hier zur Zeit bis spät in die Nacht hell war, konnte es sein, dass die Beleuchtung im Sommer gar nicht richtig zur Wirkung kam. Wer ging schon nachts um zwei hier spazieren, wenn es wirklich dunkel ist? 
Auf dem Weg zum Womi fiel uns in der Nähe des Fähranlegers hinter Bäumen versteckt wieder ein wunderschönes Exemplar einer russisch-orthodoxen Kirche auf, deren goldenes Dach in der Sonne glitzerte. Mag die Bebauung in Ventspils auch nicht so nett sein wie in Kuldiga, glänzt es mit seinen Blumenarragements, die in Form von Marienkäfern, Biene Maya, einem nachempfundenen Basketball, der gerade in den Korb fällt und ähnlichen künstlerischen Bepflanzungen. Es gibt zahlreiche Parks mit Wasserspielen und Spielplätzen und einen natürlichen, kilometerlangen Sandstrand. Die Stadt bietet wirklich Lebenswert für seine Bürger und die Besucher aus aller Welt.
Als wir zur Weiterfahrt bereit waren, stellten wir mit Schrecken fest, dass es aus unserem Womi tropfte. Wir waren uns nicht ganz sicher, woher das Wasser kam, aber wir befürchten, dass es mit unserem problematischen Küchenwasserhahn zusammenhing, der zuvor schon immer oberhalb der Spüle leckte und sich das Wasser nun ggf. unter der Spüle in den Schrank seinen Weg suchte. Es sah so aus, als wären wir vorerst auf den einzigen weiteren Wasserhahn im Bad angewiesen🙄
Danach checkte Stefan unsere neue Kreditkartenabrechnung und stellte zwei Abbuchungen der DB von insgesamt über 600€ fest, die wir definitiv nicht getätigt hatten! Zum Glück hatten wir noch Ausweichmöglichkeiten und konnten die Kreditkarte telefonisch sperren. Wir hoffen noch bis heute, dass die Bank uns den Schaden erstattet. Im Internet fand ich Anfragen an die DB von anderen Kunden, denen in den letzten Jahren von demselben merkwürdigen DB- Konto unrechtmäßig Geld abgebucht wurde. Wir waren wohl das nächste Opfer dieser Betrüger😭.
Abends erreichten wir einen Campingplatz auf dem Weg in den Slitere Nationalpark, auf dem man mehr Deutsch als Lettisch hörte und die Besitzerin sich schon ein ganz gutes Vokabular angeeignet hatte. Die Entsorgung von WC und Brauchwasser war kein Problem, aber das Leitungswasser war derart eisenhaltig und roch auch so grässlich, dass wir es nicht für unseren Trinkwassertank nutzen wollten, auch wenn wir es immer abkochten.

Mo 1.7. Slitere Nationalpark/ Lettland

Diesmal hatten wir einen sehr schönen Tag. Wir kamen erst gegen 11:30 Uhr vom Campingplatz Mickelbaka weg, da ich alle Servasgastgeber, die uns für unsere kommende Japanreise im Herbst eine positive Rückmeldung geschickt hatten, bis zu unserer Rückkehr nach Bad Harzburg, vertröstet habe. Wir können erst Zuhause einen genaueren Reiseplan mit Daten aufstellen.
Wir machten uns gegen Mittag auf den Weg in den Slitere Nationalpark. Die Fahrt verlief durch ein gigantisches Waldgebiet, zumeist Nadelwälder, hinter dem sich linkerhand die Ostseeküste befand. Die Wälder sind auf Hügeln, die aus ehemaligen Dünen entstanden sind, da sich in den letzten 6000 Jahren die Ostsee immer mehr zurückgezogen hat. Der erste Wanderweg ging abwechselnd durch Wald mit Moosen und Farnen und dann wieder über Bohlenwege durch feuchteres Gebiet mit grasartigem Bewuchs.
Unser nächster Stopp war beim Leuchtturm, dessen Legende besagt, dass hier einmal eine riesige Eiche stand, die bei einem Blitzschlag ihr Leben ließ. Ein Seeräuber namens Davids nutzte die Eiche, die 76 Meter über dem Meeresspiegel hatte, um falsche Leuchtfeuer auszusenden und Schiffe in Gefahr zu bringen. Historische Informationen besagen, dass der Leuchtturm 1849 vom russischen Zar finanziert wurde und zuerst mit einer Gaslampe betrieben wurde, ab 1961 wurde er mit Strom betrieben und verlor 1999 seine Aufgabe als Navigationspunkt und wurde 2000 dem Nationalpark übereignet.
Im Nationalpark befinden sich ein paar winzige Ortschaften, in denen noch Liven leben, ein Volksstamm, der im 12.-16. Jahrhundert hier und in Estland siedelte und eine finnisch- ugurische Sprache spricht. Als zur Zeit der UDSSR den Liven das Fischen verboten und ihre Boote von den Russen zerstört wurden, damit sie keine Fluchtversuche unternehmen konnten, verließen viele Bewohner die Dörfer. Seit der Unabhängigkeit kehren sie vereinzelt zurück.
Den Abschluss unseres Nationalparkbesuches machte das Kap Kolka. Hier trifft die Ostsee auf die Rigaer Bucht und die Wellen schlagen gegeneinander. Das sieht wirklich interessant aus, ist aber für Schwimmer lebensgefährlich und somit ist das Schwimmen hier verboten. An den Stränden der Bucht liegen überall umgekippte Bäume am Strand. Sie wurden sozusagen vom Meer gefällt. Das Wasser unterspülte sie und die Wurzeln fanden keinen Halt mehr. Die nächste Reihe Bäume neigt sich schon vor ihrem baldigen Schicksal.
Abends parkten wir ein paar Kilometer hinter dem Nationalpark auf einem Parkplatz an der Bucht. Am kommenden Tag war Riga unser Ziel.

Di. 2.7. auf dem Weg nach Riga/Lettland

Wenn man mit dem Wohnmobil unterwegs ist, braucht man natürlich auch gelegentlich eine neue Füllung für den Wassertank. Nachdem wir das ekelige, eisenhaltige Wasser auf dem Campingplatz Mikelbalka nicht reingefüllt hatten, wurde es nun wirklich knapp mit unseren Vorräten. Im Baltikum findet man keine Tankstellen, bei denen man mal Wasser einfüllen kann und selbst auf Campingplätzen ist es nicht immer einfach, wie wir nun erfahren hatten. In unserem Reiseführer war jedoch auf dem Weg nach Riga eine Quelle angegeben mit frischem Wasser, das sich auch die Einheimischen dort holen. Wir machten uns also auf die Suche nach dieser Quelle. Wir fanden sie auch etwas abgelegen in einem Waldstück. Man konnte bis zu einer Treppe fahren. Diese führte hinunter zur Quelle, die mehr tröpfelte als sprudelte, aber super leckeres Wasser hatte. Ins Womi passen 80 Liter und das Wasser musste nun in einer 5 Liter- und einer 1,5 Literflasche von der Quelle die Treppe hinauf getragen werden zum Womi! Noch dazu musste immer einer von uns bei der Quelle bleiben, da sich allmählich eine Schlange anderer Wasserholer mit mehren Behältnissen hinter uns sammelte. Wir waren ein gutes Team, bis darauf, dass die Wasseranzeige nicht richtig funktionierte und wir zuviel eingefüllten, sodass unser Wassertank im Womi bereits überlief🤔
Wir sind schon so richtig fähige Camper😂. Nachdem wir unser Womi wieder trockengelegt hatten, ließen wir es uns bei einer Mittagspause mit einem gemeinsamen Käsesalat und Omelett gutgehen. Zum Nachtisch wählte ich Meringue, eine Art Kuchen mit Erdbeersoße und Stefan Blaubeereis. Es war regnerisch, deshalb ließen wir uns Zeit

Mi 3.7. Riga/ Lettland

Wir schafften es an diesem Tag dann wirklich bis Riga, aber bevor die Stadterkundung beginnen konnte, fuhren wir zuerst zu einer Wohnmobilwerkstatt. Das klingt etwas hochtrabend für das, was es war, denn es handelte sich eher um einen Einmannbetrieb im eigenen Haus und im Hof standen noch zwei Womis. Nichtsdestotrotz war unser Besuch dort sehr erfolgreich.Wir hatten schon eine Weile Probleme mit dem Wasserhahn und unsere Werkstatt zuhause hatte nie einen passenden Ersatzhahn und konnte oder wollte uns nicht helfen. Dann hatte Stefan versucht, Kaltwasser an den Warmwasserhahn anzuschließen, weil wir den aufgrund eines kaputten Boilers eh nicht nutzen können und abgetrennt hatten, was aber unterwegs nun dazu geführt hatte, dass sich Wasser in unseren Schrank ergoss. Außerdem hatte Wind und Schotterpiste mal wieder unseren Kühlschrank außer Betrieb gesetzt. Eigentlich sollte man den während der Fahrt deshalb ausschalten, aber bei den Temperaturen in der ersten Woche hatten wir das nicht gemacht.
Der Mechaniker hatte auch nicht den richtigen Wasserhahn und konnte ihn ebenfalls nicht im Baumarkt auftreiben, aber er schaffte es erfolgreich, einen anderen Hahn zu montieren, sodass das Problem nach ca 1 3/4 Std gelöst war. Dann guckte er sich den Kühlschrank genau an und siehe da, wir brauchten kein Ersatzteil für rund 100€, wie wir zuhause immer angedreht bekommen, sondern löste das Problem mit einem Kompressor! Durch die staubigen und sandigen Pisten, die hier in Lettland häufig nicht zu vermeiden sind, wenn man etwas Natur und Kultur abseits der Hauptstraße mitbekommen will, hatten den Gasbrenner des Kühlschranks total verdreckt und außer Betrieb gesetzt. Durch die Lüftungsschlitze konnte der Dreck ja ungehindert hinein. Nach dem Auspusten hatten wir wieder einen feinen, kühlen Kühlschrank 😃
Gegen 14 Uhr waren wir dann endlich bereit für die Großstadterkundung in Riga. Wir parkten bei Wohnblocks in der Nähe der Nationalbibliothek und machten uns von dort aus zu Fuß auf den Weg. Zuerst überquerten wir die Daugava, zu deutsch Düna, die in Russland entspringt und nach 1020 km in der Rigaer Bucht endet. Unser erstes Ziel war der Zentralmarkt, der in riesigen alten Hallen und auf einem Hof alles bietet, was Augen und Magen begehren. Die Preise waren teils deutlich niedriger als in Supermärkten, so kauften wir super leckere Kirschen für 2€ das Kilo! Als wir zur Altstadt weiterlaufen wollten, begann es kurz zu regnen, aber der Regen endete dann zum Glück so schnell, wie er begonnen hatte. Wir fanden ein paar nette Häuserzeilen, aber wirklich nett fanden wir dann das Jugendstilviertel, das ein Stück außerhalb der Altstadt liegt.
Insgesamt schlenderten wir ca 12 km durch die Stadt, bis wir wieder beim Womi waren und uns einen Parkplatz außerhalb der Stadt, vor einem Friedhof, zum Übernachten aussuchten. Er war nicht wirklich toll und wir würden hoffentlich keinen Ärger bekommen, aber es war wirklich schwierig hier im Umkreis von Riga frei zu stehen.

Do 4.7. Über Salispils und Straupe nach Valka/Estland

Unser Tag begann mit dem Besuch der Gedenkstätte des Arbeits- und Umerziehungslagers Salaspils, nur wenige Kilometer von Riga entfernt. Das Lager, ursprünglich als erweitertes Gefängnis gedacht und von jüdischen Gefangenen gebaut, entwickelte sich zum Arbeits- und Umerziehungslager und nahm beim Voranschreiten der russischen Truppen auch Zivilisten aus den befreiten Gebieten, sowie Juden auf, darunter auch viele Kinder. Man missbrauchte sie als Blutspender für deutsche Soldaten. Eine Frau berichtete in einem Video, dass die Eltern abtransportiert wurden und Kinder und Babies zuschauen mussten und alleine in einer Lagerbaracke blieben. Man hatte ihnen die Augen verbunden und ihnen ständig Blut abgenommen. Zu essen gab es fast nix, sodass die Kleinen apathisch da lagen bis sie starben. Ältere wurden auch als Arbeiter in Pflegefamilien, zum Beispiel auf Bauernhöfe vermittelt. Die Sowjets fanden später ein Massengrab mit über 500 Kinderleichen zwischen 5-9 Jahren.
Insgesamt schätzt man, dass ca. 3000 Menschen von den Nazis dort ermordet wurden bzw. durch die Arbeits- und Lebensbedingungen umkamen.
Das Lager wurde nach Verlassen der Nazis von den Sowjets für deutsche Kriegsgefangene genutzt, von denen ebenfalls zahlreiche dort ihr Leben ließen.
Was die baltischen Staaten und auch Polen durch den ständigen Besatzerwechsel an Grauen im letzten Jahrhundert mitgemacht haben, lässt sich kaum in Worte fassen. Sie hatten ständig den Wechsel zwischen Pest und Cholera😱
Nach dem bedrückenden Besuch des Lagers entschieden wir, statt in den Gauja Nationalpark direkt nach Estland durchzufahren, da dicke Wolken über uns waren und auch das Internet uns für die kommenden Tage Regen versprach. Den Park wollten wir aber auf der Rückfahrt noch ansehen.
Wir stoppten in Sigulda, weil Stefan noch ein neues Rezept für Antibiotika brauchte. Er hatte in Litauen nur 10 Tabletten bekommen, aber im Beipackzettel stand, dass sie bei Borrelioseverdacht 20 Tage lang genommen werden sollten. Wir gerieten im Krankenhaus an einen sehr netten Arzt mit guten Englischkenntnissen und so war es gar kein Problem, an ein weiteres Rezept zu kommen. Für 2,87€ Antibiotika für 10 Tage konnte sich auch sehen lassen.
Dann hielten wir in Straupe, das nach eigener Aussage die kleinste Hansestadt der Welt ist. Es gibt dort ein gemütliches Bäckereicafé mit einer großen Auswahl an guten Torten, Gebäck und Broten aus eigener Herstellung.
Kurz vor der Grenze zu Estland machten wir noch einen kleinen Spaziergang durch den Wald entlang des Flusses Gauja, bevor wir bei Valka/Valga über die Grenze nach Estland fuhren. Die Grenze geht mitten durch den Ort, aber nicht, weil das so erkämpft wurde, sondern weil der Ort sich nicht entscheiden konnte, zu welchem Land er gehören wollte. Er fühlt sich jetzt als ein Ort in zwei Ländern und wirbt damit, Fotos zu machen, auf denen man mit einem Fuß in Lettland, dem anderen in Estland steht. Sie scheinen das sehr gelassen zu nehmen, dennoch irritierten mich die vielen Kameras im Ort. Wir übernachteten direkt unter einer auf einem Parkplatz an einem Park direkt neben der Grenze.

Fr. 5.7. Tartu/ Estland

An diesem Tag fuhren wir durch den Wintersportort Otepää, das eingebettet in einer schönen Hügellandschft liegt, nach Tartu, der zweitgrößten Stadt Estlands. Sie ist seit 1632 Unistadt. An letzterer sind laut ADAC Tourset ein Viertel der Stadtbevölkerung als Studierende oder beruflich beschäftigt. Wir besuchten die Markthalle, die obwohl sie laut Datumsangabe über der Eingangstür aus dem 19 Jahrhundert stammt, uns zu modern gehalten war. Sie hatte längst nicht den Charme der aus Riga und das Kilo Kirschen kostete hier anstatt 2€/kg über 6€! Überhaupt übertrafen die Preise hier nicht nur die der anderen baltischen Staaten, sondern auch die bei uns zuhause. Vor dem Markt steht eine große Schweineskulptur, bei der die unterschiedlichen Fleischteile gekennzeichnet sind, damit man auch weiß, was man auf dem Markt kauft. Na, dann „guten Appetit“, aber nicht für uns Vegetarier!
In der Innenstadt fanden wir den Rathausplatz sehenswert, wo ein junges, sich küssendes Bronzepaar mit Regenschirm in einem Springbrunnen von unten nassgespritzt wird. Die Fußgängerzone ist breit aber kurz und nett, aber nicht überwältigend meiner Meinung nach. Eine Brücke mit dem Namen Engelsbrücke führt über den Fluss Emajögi. Begleitet wird man beim Gang über die Brücke von Musik, so als würde man mit den Schritten Klavier spielen. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Klangspiel, was mit Plakaten als „Glasperlenspiel“ angekündigt wurde, nur für eine bestimmte Zeit installiert ist, oder für immer. Wir kamen danach in einen Park mit mehreren Skulpturen, von wo aus wir wieder Richtung Womi zurückkehrten. Unterwegs gab es wieder einen Schauer, den wir in einer Creperie bei einem Kaffee abwarteten und das superschnelle WLAN ausnutzten.
Gegen frühen Abend verließen wir die Stadt Richtung Narva im Nordosten, direkt an der russischen Grenze. Wir fuhren aber nur ein paar Kilometer aus der Innenstadt raus, da wir über die App Park4night eine Raststätte fanden, in der wir duschen, tanken und Frischwasser nachfüllen konnten. Hier übernachteten wir, damit Stefan am kommenden Morgen nach dem Joggen auch noch in den Genuss einer warmen Dusche kam.

Sa. 6.7. Viljandi und Saamaa Nationalpark/ Estland

Es wurde Zeit, sich zusammenzusetzen, um unseren weiteren Reiseverlauf zu planen und wir entschieden, nicht mehr bis Narva hoch zu fahren. Uns blieb keine Zeit für den großen Schlenker, da ich am 18.7. einen Arzttermin hatte. Außerdem waren wir uns sicher, dass wir vor ein paar Jahren, als wir mit den Kindern in Estland waren, Tallin, den Nationalpark Lahemaa im Norden und auch Narva bereits gesehen hatten, denn an die Stadt erinnerten wir uns noch als typische graue Grenzstadt mit langer Autoschlange vor der russischen Grenze. Da mussten wir nicht nochmal hin. 
Den Tag verbrachten wir in Viljandi und aßen nepalesisch und nutzten kurze Regenpausen, um uns ein wenig umzusehen. Das Wetter war kalt (am Morgen nur 11 Grad!) und es regnete immer mal wieder. Leider war das auch für die kommenden Tage so angesagt. Mit dem Sommer schien es mit der Hitzewoche alles gewesen zu sein, jetzt war Winter angesagt🤷‍♀️
Nach dem Essen und einem Rundgang durch Viljandi, das ein paar kleine Geschäftchen bietet, sowie einen Wasserturm und eine Statue des Lehrers Karl Robert Jakobsons, der am 11.3.1878 die erste estnische Zeitung herausgegeben hatte, verließen wir den Ort und fuhren zum Saamaa Nationalpark. In diesem Park waren wir vor Jahren mit unseren Kindern und hatten bei einer Wanderung durchs Moor etwas die Orientierung verloren. Gelinde gesagt war die Stimmung damals auf dem Gefrierpunkt bei Janus, Tiggy und mir, als es immer dämmriger wurde und wir noch nicht das Ende des Weges gefunden hatten. Sie konnten sich auch heute noch gut daran erinnern, als ich ihnen Bilder per WhatsApp sendete 😳. Die diesmaligen zwei Wanderungen waren im Abendlicht dagegen wunderschön und machten überhaupt keine Probleme bei der Orientierung. Zu unserer Freude kam sogar noch die Sonne raus! Wir übernachteten kostenfrei auf dem Parkplatz des Nationalparkhauses in wunderschöner Landschaft und es ist hier ausdrücklich erlaubt! Es gibt sogar eine Wasserstelle und Zelte dürfen hier auch stehen.

So. 7.7. Saamaa Nationalpark und Pärnu/Estland


Am Morgen erkundigten wir uns im Nationalparkhaus nach weiteren Wanderwegen und fuhren dann im Saamaa Nationalpark per Rad zu einem Wanderweg, wanderten gut 4 km durchs Moor und fuhren zum Schluss wieder zurück zum Womi mit dem Rad. Unterwegs begegnete uns eine Mutter mit Kindern und Führer. Sie hatten Moorschuhe dabei. Sie ähnelten den Schneeschuhen bei uns und man kann anscheinend damit übers Moor laufen.
Nach dem Mittagessen machten wir uns auf nach Pärnu, dem beliebtesten Badeort Estlands. 1838 machte hier die erste Badeanstalt auf und ebnete den Ort den Weg als Kur-und Heilstadt. Die Ostsee soll hier aufgrund einer besonderen Strömung am wärmsten sein und der Sandstrand lockt nicht nur estnische Badegäste.
Bei uns war es heute allerdings zu kalt und nach einem kurzen Spaziergang durch die Stadt gingen wir eiligst zum Womi zurück, da dicke schwarze Wolken und Gewittergrummeln ein nahendes Unwetter ankündigten. Wir verließen den Ort und hatten eine längere Fahrt vor uns, denn wir fuhren zurück nach Lettland. Wir mussten allmählich die Kurve zurück bekommen, damit wir pünktlich wieder zuhause eintrafen. Wir fuhren bis Valmiera, aßen einen Burger mit Haloumi und Pommes und machten uns dann auf die Suche nach einem kostenlosen Übernachtungsplatz. Der erste sollte bei einer Raststätte sein, aber der kostete inzwischen Geld. Bei dem zweiten hatten wir nur die Koordinaten, aber wie schon häufiger, lag der Platz an einem Fluss unterhalb der Straße und wir fanden keine Zufahrt, bzw der Weg, der ggf dorthin führte, war mit Womi nicht befahrbar. Also wieder weiter, bis Stefan nach ein paar Kilometern einen Waldrastplatz fand, auf dem wir ganz gut standen. Wir reisten ja autark und kamen ohne Toilette oder ähnlichem aus. Am folgenden Tag wollten wir einen zweiten Anlauf unternehmen und den Gauja Nationalpark besuchen und hofften dafür auf trockenes Wetter.

Mo. 8.7. Cesis und Gauja Nationnalpark/Lettland

Wir fuhren am Morgen nach Cesis, was direkt am Gauja Nationalpark liegt, der nach dem gleichnamigen Fluss benannt ist. Als erstes begaben wir uns zum Wanderparkplatz Êrglu Klintis, dem Adlerfelsen und machten dort eine 3 km lange Wanderung. Der Weg war, wie auch zuletzt die Wege in Estland, sehr gut hergerichtet, man hatte jedoch das Gefühl, dass die Bauarbeiter zuviel Holz bestellt hatten. An Stellen, wo man einfach eine Brücke über eine Senke hätte bauen können, hat man eine Treppe runter und dann wieder hoch gebaut. An anderen Stellen war die Absperrung gleich doppelt gebaut, d.h. man hatte ein Geländer und einen Meter dahinter noch einmal eine Holzabsperrung, obwohl man da eigentlich gar nicht hin gelangte, ohne über erstere zu klettern😅
Wir konnten den Adlerfelsen einmal von oben und einmal von unten von der Gauja aus sehen. Letzteres war wirklich schön und ich konnte mir gut vorstellen, wie viel schöner solche Anblicke erst vom Kanu aus waren. Man konnte hier ein- bis mehrtägige Kanutouren buchen, aber dafür hatten wir weder Zeit noch die nötige Ausrüstung. Bei dem wechselhaften Wetter stellte ich mir das auch nicht ganz so romantisch vor, wenn man zwischendrin immer wieder klatschnass wurde.
Wir hatten an diesem Tag gleich dreimal Glück und waren immer gerade noch rechtzeitig beim Womi, wenn der nächste Guss kam, so auch nach dem Weg am Adlerfelsen. Danach statteten wir der Kleinstadt Cesis einen Besuch ab. Wir schlenderten durch den Burggarten und bewunderten die Burg von außen. Nachdem wir die Altstadt erkundet hatten, beschlossen wir, in einem gemütlichen kleinen Café einzukehren und prompt fing es an zu regnen. Wir nutzten die Zeit, um etwas Japanisch und Spanisch mit Duolingo zu lernen und verließen das Café erst, als die Sonne etwas herauskam. Auf dem Rückweg zum Womi sahen wir schon wieder dunkle Wolken nahen, beeilten uns und schafften es gerade noch rechtzeitig ins Trockene. Unser nächstes Ziel sollte der Naturpfad von Cirulisu sein, also fuhren wir auf einer Schotterpiste zum Kanucamping- und Picknickplatz Cėsis Atputas Vieta. Da es weiterhin regnete, spielten wir eine Runde Karten und freuten uns über den Komfort eines gemütlichen Womis, das uns so angenehm im Trockenen sitzen ließ. Gegen 19 Uhr kam die Sonne raus, also krochen auch wir wieder aus unserem Nest und wollten nun den Naturpfad Cirulisu wandern. Als erstes verwechselten wir den Weg mit dem hervorragend ausgebauten und Rolli gerechtem Weg zu den Zwanu Klippen. Der war aber nur 600 Meter lang, also musste der Naturpfad woanders beginnen. Wir kamen an einen offiziellen Campingplatz und fanden auch den Wegbeginn, aber im selben Augenblick begann es zu donnern. Wir liefen noch ein paar Schritte, aber das Gewitter kam näher, sodass wir uns wieder für eine Kehrtwende entschieden und bei den ersten Tropfen unser Heim auf Rädern erreichten. Wir übernachteten auf dem netten Picknickplatz und Stefan konnte dann am kommenden Morgen den Wanderweg als Joggingstrecke nutzen.

Di. 9.7. Vom Lubans See zum Raznas Nationalpark/ Lettland

Es war ein Tag mit viel Fahrerei, denn wir fuhren ein ganzes Stück südlich zum Lubāns See. Die Straßen führten endlos durch Wald, Feld und vereinzelte Orte mit vielleicht 3-4 Häusern. In einem gab es eine Kafenica, wo wir versuchten, etwas zu essen zu bekommen. Die Dame sprach aber nur Russisch. Mit Hilfe von Google versuchten wir etwas vegetarisches zu bestellen, worauf sie aber nur den Kopf schüttelte. Letztlich bekamen wir aber zweimal Pommes mit Salat und Cola für zusammen 6,80€. Weiter ging die Fahrt über Gaigalava auf den Damm über den Lubāns See. Seerosen und Schilfgras bildeten schöne Inseln im Wasser, an dem Möwen und Reiher zuhause sind. Wir folgten der Route unseres Reiseführers auf einer Schotterpiste zu einem Pfad zum Moorsee Teirumniki. Hier hätte man sogar schwimmen können, aber das Wetter und das Wasser waren einfach zu kalt. Nach der kleinen Wanderung fuhren wir weiter bis Rėzekne, einem recht unansehnlichem Ort, der unserer Meinung nach nichts sehenswertes zu bieten hat. Unterwegs kamen wir an großen Halden vorbei, wo Sand und Kies abgebaut wird. Eine erste große Grube, die nicht weiter ausgebaggert wird, hat man in ein Freizeitgelände verwandelt zum Baden und mit Spielplatz und Verpflegung. Leider soll man aber Eintritt dafür bezahlen, das war es uns nicht wert. Wir wären gerne dort ins Restaurant gegangen, aber so konnten sie an uns nichts verdienen. Also versuchten wir unser Glück in Rėzekne und fanden ein Kebab-Pizza-Restaurant. Die Pizza war typisch für die Gegend: statt Basilikum hatte sie Dill als Würze obendrauf. Dill ist wie Kümmel ein beliebtes Gewürz in der baltischen Küche stellten wir immer wieder fest.
Nach dem Essen fuhren wir noch 26 km bis zum Raznas Ezers(See) im Rāznas Nationalpark, wo wir auf einem Parkplatz mit Blick auf den See übernachteten.

Mi. 11.7. Über Kristus Kalns, Aglona und Daugavpils/Lettland nach Steimuze/Litauen

Dieser Tag war wiederum ziemlich verrechnet, wie fast immer, wenn wir eine Stadt ansteuerten. Bei dem Wetter gingen wir auch am Morgen nicht an dem See, an dem wir im Rāznas Nationalpark übernachtet hatten, spazieren wie geplant, sondern fuhren gleich Richtung Daugavpils weiter. Unser erster Stopp war Kristus Kalns, ein unserer Meinung nach recht verrückter Skulpturenpark mit haufenweise Engeln und Christusfiguren, wobei das Thema Liebe, auch körperliche, ziemlich im Vordergrund steht. Teilweise fanden wir die Ausstellung grenzwertig kitschig, aber auch recht lustig. Kurz danach kamen wir zur Pilgerstadt Aglona, wo jährlich bis zu 50000 Gläubige die wunderbringende Marienikone besuchen. Laut unserem Reiseführer brachten Mönche die Ikone zur heiligen Quelle und bauten 1780 die Basilika, um den Pilgerströmen gerecht zu werden. Die riesige Fläche des Klostergeländes ist auf jeden Fall beeindruckend bei einem kleinen Ort wie Aglona. Das Wasser aus der Quelle wurde im Reiseführer auch als Trinkwasserquelle für unterwegs angegeben. Es gilt inzwischen nicht mehr als heilig. Problem war nur, dass wir die Quelle nicht fanden. Sollte es etwa der rostige Wassertank im Innern der Kirche sein?
Von dort fuhren wir zu unserem letzten Ziel in Lettland, der zweitgrößten Stadt Daugavpils am Fluss Daugav. Sie war eindeutig die hässlichste und tristeste Stadt unserer Reise und das lag nicht nur am Wetter. Die Stadt liegt nahe der russischen Grenze und wird auch zum größten Teil von russischstämmigen Einwohnern bewohnt. Bis auf die Festungsanlage, die sozusagen einen eigenen Stadtteil bildet und zwar in großen Teilen recht baufällig ist, aber auch schon erste renovierte Gebäude, die Kunstausstellungen beherbergen, hat, fühlten wir uns in sowjetische Zeiten versetzt. Mächtige graue Gebäude wie die Uni, triste Blocks, dem Verfall nahe etc. Selbst zwei große Einkaufspassagen, die sicher aus der nachsowjetischen Zeit stammen, machten auf uns keinen einladenden Eindruck. Ich hatte mir vorgenommen, das schlechte Wetter für einen Friseurbesuch zu nutzen, aber denkste! Es gab entweder auffallend wenige Salons im Baltikum, oder sie mussten so anders aussehen, dass ich sie nicht erkannte. Immerhin fanden wir in Daugavpils sogar zwei Friseurläden, aber bei beiden wurde ich abgewiesen. Sie hätten heute keine Zeit mehr. Beim zweiten standen allerdings vier Mitarbeiterinnen untätig am Tresen! Sollte die Arbeitsbegeisterung noch sozialistische Züge haben?
Gegen 19 Uhr verließen wir Lettland und hielten auf unserem Übernachtungsplatz in Steimuze auf der litauischen Seite der Grenze vor einer der ältesten Holzkirchen des Baltikums. Davor steht eine uralte Eiche. Die Straße zu diesem idyllischen Ort war gerade mal so breit asphaltiert wie unser Womi breit ist ist und ging auf und ab in Kurven durch eine hügelige Wald- und Wiesenlandschaft. Zwischendrin kam auch mal etwas die Sonne heraus und schenkte der Umgebung ein liebliches Aussehen.

Do. 12.7.19 Vilnius/ Litauen


Am Morgen fuhren wir nach Vilnius und standen auch glatt im Stau. Der Parkplatz, der uns per Reiseführer und park4night empfohlen wurde, war zwar mit Kamera und lag zentral, aber wir hatten mit dem Womi keine Chance, einen passenden Platz zu finden. Es war zwar recht gut geregelt, dass immer nur ein Auto reinfahren konnte, wenn ein anderes den Platz verließ, aber die Buchten waren extrem eng, bzw es war zu eng für uns, um in sie hineinzufahren. Stefan fuhr zwar trotzdem auf den Platz, weil er es nicht glauben wollte, aber dann musste er mühevoll rückwärts fahren und wir kamen nur raus, nachdem wir für eine Viertelstunde gezahlt hatten. Dann hatten wir aber Glück und fanden ein paar Hundert Meter weiter einen netten kleinen Parkplatz für 60 Cent/Std bis 20 Uhr, nachts frei. Wir lösten gleich bis zum kommenden Morgen einen Parkschein und konnten so ohne Stress die Stadt zu Fuß erkunden. Wir hatten mit diesem Tag ein besonderes Datum erwischt, an diesem Tag wurde der neue Präsident Gitanas Nauseda feierlich vereidigt und wir gerieten mitten in die Feierlichkeiten und konnten sehen, wie er seinen Bürgern die Hand schüttelte. Für einen so hohen politischen Akt waren außer den Medien nicht besonders viele Menschen als Zuschauer dort. Wir schlenderten durch die Altstadt mit ihren zahlreichen Kirchen, kamen an diversen schönen Prachtbauten vorbei, die Ministerien, Hotels, Botschaften aber auch Restaurants oder ähnliches beherbergen. Wir besuchten das Museum der Opfer des Genozids. Es fasst gleich alle Gräultaten der russischen, der deutschen und wieder sowjetischen Besatzungzeit zusammen. Hier wurde von Nazis und KGB eingesperrt, verhört, gefoltert und erschossen. Ein Teil des Museums widmet sich auch dem Freiheitskampf der Litauer gegen die Besatzer. Die osteuropäischen Länder haben wirklich bittere Zeiten hinter sich mit Unterdrückung, Deportationen und Massenvernichtungen.
Nach dem bedrückenden Museumsbesuch war unser nächstes Ziel das Künstlerviertel Uzupis, früher mal Brennpunkt, heute hip. Das Viertel hat sich eine eigene Verfassung gegeben, die man hier nachlesen kann: https://www.newslichter.de/2013/01/uzupis-und-das-recht-auf-gluck/
Zum Abschluss des Tages und nach fast 13 km Fußmarsch gingen wir in ein polnisches Restaurant genau gegenüber unseres Autos und aßen super leckeren Salat mit verschiedenen Käsesorten, Birnen und Walnüssen.

Fr. 13.7. Dzūkijos Nationalparks/ Litauen

Nach dem Stadtvergnügen in Vilnius stand heute wieder Natur auf dem Programm. Wir fuhren nach Margionys zum Nationalparkhaus des Dzūkijos Nationalparks. Unterwegs kamen wir durch Dörfchen, die noch aus einer anderen Welt zu stammen schienen. Kleine Holzhäuschen, zum Teil schon halb zusammengefallen, Toiletten im Hof, alles sehr armselig, aber fast schon fotogen. Als wir nach Margionys hineinfuhren, dem größten Örtchen mit etwas Infrastruktur und an der gelben Kirche vorbeikamen, fiel Stefan spontan ein, dass wir 2006 dort mit den Kindern waren und Tiggy von einem Hund gebissen wurde. Ich weiß zwar, dass jeder in unserer Familie außer mir, dem größten Schisshasen, schon mal Bekanntschaft mit einer Hundeschnauze gemacht hat, aber ob das wirklich hier war?
Wir informierten uns im Nationalparkhaus über Wanderwege und fanden eine schöne 8 km Strecke, bei der wir zuerst zu einer Sanddüne mitten im Inland im Wald- und Moorgebiet kamen und uns fragten, wie die in diese Landschaft kommen konnte. Weiter ging es durch Nadelwald und Feuchtgebiete, die sehr verwunschen wirkten. Dann wurden unsere Hosen nass, da der Weg so schmal wurde, dass sich die Regentropfen der Büsche und Brennesseln an uns abstreiften. Es musste auch hier in den letzten Tagen viel geregnet haben, denn der Weg war wegen Überschwemmung an einer Stelle sogar umgeleitet worden. Trotz Nässe gefiel uns der Weg sehr gut. Nun wurde es Zeit, sich ein Plätzchen für die Nacht zu suchen. Da wir auch noch Lebensmittel einkaufen mussten, begaben wir uns in den quirligen Kurort Druskininkai, der hier in diesem ehr einsamen und vergessen wirkenden Ende der Welt, in der Nähe der weißrussischen und polnischen Grenze, irgendwie wie vom Himmel gefallen wirkte. Plötzlich standen wir vor Einkaufszentren, Kurhotels, Aguapark und Sommerskihalle und über uns fuhr eine Gondel, von der aus man die Umgebung sehen konnte. Wir fanden eine einfache, aber gute Übernachtungsmöglichkeit. Ein Hotel hat einen kleinen Waldcampingplatz mit Du/WC hinterm Haus, wo wir inklusive Kurtaxe – so etwas gibt es hier auch – 24 Stunden für 10€ stehen durften. Die Dusche tat wirklich gut und wir genossen unseren Abend. Am kommenden Morgen sollte es dann weiter nach Polen gehen.

Sa. 14.7.19 Druskininkai Litauen bis Makow Mazowieki in Polen

Während des Frühstücks auf unserem Campingplatz in Druskininkai hörten wir laute Lautsprecherdurchsagen. Das verwunderte uns in einem Kurort, noch dazu an einem Sonntagmorgen. Wir machten uns zu Fuß auf den Weg, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Als wir in die Fußgängerzone kamen, erkannten wir, dass heute der siebte Grodno-Druskininkai Internationale Friedensmarathon stattfand. Ein Marathon, der von Weißrussland nach Litauen führt! Wir konnten sogar noch die erste weibliche Teilnehmerin ins Ziel laufen sehen mit 2Std59Min.👏
Nach einem kleinen Rundgang durch den wirklich lebhaften Kurort, kehrten wir zum Zeltplatz zurück, tankten Wasser und fuhren noch zu einem Supermarkt, um ein paar Leckereien für die lange Rückfahrt einzukaufen. Im Baltikum und auch anderen osteuropäischen Staaten kann man Bonbon und Kekse offen kaufen und selber mischen. Eine große Gefahr für unseren Kalorienhaushalt! Alle Geschäfte hatten geöffnet und es war sogar Markt. Zu meiner Freude hatte nicht einmal der Humanastore, ein Second Hand Laden für wohltätige Zwecke, den es in vielen Ländern gibt, sonntags geschlossen, sodass ich für sage und schreibe 3€ eine Fjällraven Bluse und eine Outdoorhose erstanden habe😍
Unser Versuch, den Ort Richtung polnischer Grenze zu verlassen, ging beim ersten Anlauf dank Navi komplett schief. Es wollte uns über Weißrussland nach Bad Harzburg schicken! Plötzlich sahen wir in 50 Meter Entfernung den Grenzübergang mitten aus dem Nix vor uns auftauchen. Selbst als ich uns per Karte über die richtige Grenze navigiert hatte, wollte er uns zuerst über Bialystok schicken. Wir wollten nicht wieder die triste und teure Autobahn über Warschau nehmen, sondern weiter nördlich über Wloslawek fahren, daher gaben wir diesen Ort ein und den Filter „keine Mautstrecke“, aber dennoch wollte das Navi uns ständig nach Warschau führen. Letztendlich übernahm ich die Navigation per Karte, sodass wir am Abend kurz vor Makow Mazowieki an der Bundesstraße 80 auf dem Hof eines Restaurants gegen eine kleine Gebühr übernachten durften, nachdem wir dort eingekehrt waren.

So. 15.7.19 Rückfahrt bis Gniezno/Polen

Wir frühstückten im Restaurant unseres Stellplatzes, dann ging es wieder auf große Fahrt. Bis auf einen Zwischenstopp in Plock war dieser Fahrtag ziemlich durchwachsen. Plock liegt an der Wisła, auf deutsch Weichsel und hatte auf einen schnellen Blick eine nette Altstadt mit gut restaurierten Häusern zu bieten. Wir hatten jedoch das Problem, dass wir mindestens eine Stunde herumirrten, bis wir in Richtung Gniezno, unserem Tagesziel für diesen Tag, einen Weg herausgefunden hatten. Grund war eine Baustelle, die uns immer wieder in die Quere kam. Diese und andere Umleitungen verfolgten uns dann auch bis zum Ende. Wir bereuten es zwischenzeitlich schon, nicht die Autobahn Warschau – Frankfurt/Oder genommen zu haben, auch wenn die Strecke so sicher abwechslungsreicher war und wir Maut vermieden hatten. Aber wer weiß, vielleicht war auf der Autobahn ja ein großer Ferienstau?
Angekommen in Gniezno, aßen wir zu Abend und wussten noch nicht, ob wir es wagen sollten, in der Stadt in einer Parklücke zu übernachten, oder doch lieber auf einem Parkplatz außerhalb. Offiziell ist es erlaubt auf öffentlichen Straßen/Plätzen zu übernachten, wenn die örtlichen Behörden es erlauben. Wir hatten keine Ahnung, ob dem hier so war. Bei unseren Urlauben 2014/15 hatten wir nie Schwierigkeiten, aber wir wussten nicht, ob auch hier, wie in vielen europäischen Ländern, die Regelungen strenger geworden waren. 
Wir entschieden uns doch noch, einen Parkplatz etwas am Stadtrand, wo LKWs und ein paar PKWs herumstanden, aufzusuchen.

Mo. 16.7. Rückfahrt bis Storkow/ Deutschland (Brandenburg)

Wir fuhren auch das letzte Stück in Polen, bis auf ca. 20 Kilometer, auf Bundesstraßen und kamen gut durch. Gegen Abend erreichten wir unseren letzten Stopp vor unserem endgültigen Ende der Reise. Wir übernachteten die letzte Nacht an einer kleinen Schleuse in Storkow in Brandenburg, wo die Gemeinde drei Plätze für kleine Wohnmobile (bzw zwei für große) zur Verfügung stellt. Man zahlt nur, wenn man Wasser oder Strom benötigt, aber beides hatten wir noch ausreichend. Es ist ein echt netter Ort mit Schleuse, Burg, einem See, nettem historischen Ortskern und vielen Radfahrern, die hier eine gute Infrastruktur in Form von Radverleih, netten ruhigen Wegen, Cafés und Unterkunft vorfinden. Bei einem Spaziergang fiel mir gleich zweimal ein Schild auf, das E-Bikefahrer zum Laden ihrer Räder einlud und die Besitzer eines Hauses hatten „für den müden Wanderer“ eine schöne Bank vor ihr Haus gestellt. Wirklich eine Idylle, die anscheinend auch einige Touristen anzieht bei einem Ort, der gerade mal 9100 Einwohner hat. Ein schöner Fleck für einen letzten Abend unterwegs.

Di. 17.7. Rückkehr nach Bad Harzburg

Dieser Tag verlief völlig unspektakulär und brachte uns nach einigen Stunden Fahrt gegen 15 Uhr wieder nach Hause. Es war eine schöne, entspannte und entspannende Reise, auch wenn das Wetter dieses Mal nicht ganz so mitspielte. Sie hätte gerne noch zwei bis drei Wochen länger dauern können, um auch Estland besser kennenzulernen. Aber es muss ja nicht der letzte Besuch im Baltikum gewesen sein 😉.