Taiwan


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Samstag, 6.1.24 – Montag, 9.1.24 Anreise nach Taipeh

Eine neue, zwei Monate lange Reise begann. Sie brachte uns nach

Taiwan, genauer in die Hauptstadt Taipeh. Die Anreise war verdammt lang und das, obwohl wir in Frankfurt zwischenübernachtet hatten. Am Samstag ging die Reise gegen Mittag per Zug los nach Goslar, von dort per Flixbus nach Kassel und dann mit Flixtrain nach Frankfurt -Süd. Letzterer kam eine Stunde zu spät, somit hatten wir ca. 3,5Std. Aufenthalt auf dem zugigen Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe. Wir konnten echt froh sein, dass ein kleines Einkaufscenter nebenan war, wo wir warm sitzen konnten. Von Frankfurt -Süd fuhr ein Bus bis fast zu unserem Hotel, das nur ca. 15Min Fußweg bis zum Terminal 2 entfernt war. Wir hatten das Glück, dass nebenan ein Rewe bis 22Uhr geöffnet hatte und wir uns so für das Frühstück eindecken konnten. Am Sonntag ging es dann nach einer recht angenehmen Nacht um 10:00 zum Flughafen, wo um 13:45 unsere China-Southern Airline Maschine starten sollte. Alles klappte problemlos, bis wir in der Maschine saßen. Dort verkündete man uns einen um 1 Stunde verspäteten Abflug, weil aus irgendeinem Grund der Tower den Start noch nicht freigegeben hatte. Die Maschine war ganz angenehm mit einer vernünftigen Beinfreiheit und 3×3 Sitzen nebeneinander. Stefan und ich hatten beide Gangplätze, was wir wegen der Beinfreiheit und der Freiheit, ohne Andere zu stören, problemlos aufstehen zu können, gewählt hatten. Das erwies sich auch als ganz gut, bis darauf, dass mein Sitznachbar nachts zig Mal zur Toilette wollte und dann immer noch eine Weile spazieren ging, sodass für mich an Schlafen nicht zu denken war. Gegen 9:00 Ortszeit erreichten wir Guangzhou in China, was für uns gefühlt noch mitten in der Nacht war, weil unser Körper es für 2:00 nachts hielt. Ca 2 Std später ging es weiter nach Taipeh, nachdem wir in Guangzhou einmal ganz durch die Immigration mussten. Nur unser Gepäck war glücklicherweise ganz durchgecheckt bis Taiwan. Nun standen uns zwei weitere Flugstunden bevor, bis wir gegen 13:30 Ortszeit im Flughafen in Taipei nochmals durch die Passkontrolle mussten und dann endlich in Taiwan waren. Nun stand noch Gepäck abholen, Geld ziehen, eine SIM-Karte und eine aufladbare Geldkarte für den Stadtverkehr kaufen an, bis wir uns auf den Weg zu unserer Unterkunft machen konnten. Die Metro nach Taipeh zu finden war nicht schwierig, komplizierter dann allerdings, den richtigen Bus zu unserem Wohngebiet herauszufinden. Mit Hilfe von Google Maps ging aber auch das. Gegen ungefähr 17:00 waren wir dann endlich am Ziel. Unsere Airbnb Unterkunft bestand aus einem Wohn-Schlafraum mit Küchenecke, einem zweiten Schlafraum, einem Duschbad mit Waschbecken, einer separaten Toilette und einem kleinen Hinterhofgarten mit Waschmaschine. Es war erst etwas verwirrend, denn die Eingangstür war eine Glasschiebetür, wie wir sie eigentlich zur Terrasse kennen mit Jalousie davor. Der „Schlüssel“, den wir im Schlüsselkasten fanden, war dementsprechend kein Schlüssel, sondern ein Chip, mit dem wir die elektrische Jalousie öffnen und dann das Apartment betreten konnten. Erfreulicherweise gab es auch überall Moskitogitter vor den Türen. Wir kauften bei 7/11 noch ein paar Kleinigkeiten zum Abendessen und fühlten uns bei dem Angebot an Tütensuppen und Fertigfutter, zumeist mit Fleisch oder Fisch, sehr an Japan erinnert. Wir fanden fertige, wabbelige Käsetoasts, Nudeln mit irgendeinem Gemüseinhalt und für jeden ein Onigiri, d.h. eine Reis- Ecke in Algenblatt, einmal mit Thunfisch für mich und einmal mit Tofu für Stefan. Dann fielen wir gegen kurz vor 20:00 tot ins Bett und zumindest ich schlief mit ein paar Toilettengängen fast 12 Std durch. Stefan sah ich gegen 5 Uhr am Handy, aber dafür schlief er um 8:00 wieder. Ich war gespannt, was uns der erste Tag bringen würde. Wir wollten es sehr ruhig angehen lassen. Wir wohnten die nächsten 14 Tage in dieser Wohnung und würden die Umgebung ausgiebig erkunden. Nach ausgiebigem Ausschlafen machten wir uns gegen Mittag auf den Weg zum nächsten Carrefour Supermarkt. Leider war die Auswahl in diesem auch nicht überwältigend. Es gab die typischen Fertigsuppen, sowohl in der Tüte als auch TK, leider ausschließlich mit irgendwelchen tierischen Inhalten, zumindest, soweit wir es erkennen konnten. Auch würde uns unsere Kaffeemaschine in der FeWo nichts bringen, denn es gab nur ganze Kaffeebohnen, Nescafé und Kaffee in Beutelchen, genannt „Drip Coffee“ ähnlich wie Teebeutel, die man in die Tasse hängt und dann aufgießt. Außerdem die Portionsbeutel mit 2in1 oder 3in1, d.h. Nescafé mit Zucker und Milch, wie wir sie zuhause auch kennen. Wir wählten ein Glas Nescafé und einmal die Aufgussbeutel, weil wir mit letzteren schon anderswo gute Erfahrungen gemacht hatten. Wir fanden eine Art Nuss-Hefe-Zopf und ein Knoblauchbaguette, Marmelade, grünen Tee, Tomaten, Erdnussbutter, Haferflocken, Mandarinen, Nudeln, frische, kleine Pilze, die sich „schneeweiße Biopilze“ nannten, sowie „Komatsuna“ und „Schwarzkopf“,“ zwei Blattgemüse, die Stefan zum Abendessen mit breiten Nudeln in der Pfanne zubereitete. Da er Pesto als Würze nahm, hatte das Ganze ehr einen italienischen Touch, war aber lecker.

Unsere Aktivitäten am ersten Tag waren ein langer Spaziergang zum Luzhou Breeze Park, der aber wohl auch New Taipei Metropolitan Park hieß, zumindest war das in riesigen Lettern dort angebracht, die man sicher vom Flugzeug aus sehen konnte. Der Park war rund um einen See und bot zahlreiche sportliche Betätigungen. Um ihn herum führte ein Radweg, den auch Jogger aktiv nutzten, auf dem See trainierten Ruderer, es gab Sportgeräte, ein Basketball-Feld und ähnliches. Der Park lag inmitten von Hochhäusern und großen Straßen, im Hintergrund ragte der Guanyin Mountain in die Höhe. Wir wanderten um den See herum und dann über eine andere Strecke zurück zum Luzou District, in dem wir wohnten. Unterwegs tranken wir einen Kaffee in einem Café und zwischen 17:30 -18:00 wurde es schlagartig dunkel. Auf dem Heimweg kamen wir durch einen sehr belebten Teil Taipeis, in dem es eine für Autos gesperrte Straße mit dem Luzhou Miaokou Streetfootmarkt gab. Dafür waren wir natürlich genau zur rechten Zeit dort. Es pulsierte das Leben und eine Vielzahl von Farben und Gerüchen begleiteten uns. Nicht immer roch es gut,. Die leckeren Gerüche mischten sich mit Abgasen von Rollern, Gestank von Abwässern und teils auch unangenehmen Essensgerüchen, die wahrscheinlich vom Stinky-Tofu kamen. Zumindest haben wir von diesem zuvor im Internet gehört. Mitten im Gewusel der Straße beeindruckte uns der hübsche Yonglian Tempel, der uns nicht nur durch prächtige Farben und Figuren ins Auge stach, sondern der auch mehrere Etagen hatte, sodass wir einen tollen Blick von oben auf den Streetfootmarkt erheischten. Gemütlich bummelten wir Richtung FeWo, stellten fest, dass es in Taiwan wohl ebenso schwer werden wird, sich vegetarisch in Restaurants zu ernähren wie in Japan, was dazu führte, dass Stefan das bereits beschriebene Abendessen selbst zauberte, während ich unsere in der Waschmaschine gewaschene Wäsche abnahm und meinen Bericht begann. Den Rest des Abends verbrachten wir gemütlich in unserem Zuhause auf Zeit. Leider wagten wir es nicht, uns abends in unseren netten, kleinen Hinterhof zu setzen, weil es trotz Winter auch jetzt noch Mücken gab und wir keine Lust auf Dengue Fieber oder Japanische Enzephalitis hatten. Das Klima war hier in Taipeh gerade sehr angenehm, zwischen 17-20? mit leichter Brise. Nachts zuvor hatte es gegossen, aber der Tag war trocken und zeitweilig sonnig.

Mittwoch, 10.1.24 Taipeh

Ziemlich übermüdet wachte ich am Morgen erst kurz vor 10:00 auf. Zu spät am Tag Kaffee zu trinken, Zeitumstellung und Nachbarn, die bis 4:00 morgens noch laut nebenan gelacht und geredet hatten, waren keine gute Voraussetzung für eine erholsame Nacht. Ich versuchte mich fit zu machen mit Gymnastik und Dusche und bereitete Frühstück vor. Erst gegen Mittag machten wir uns dann auf den Weg in die Innenstadt Richtung Northgate, einem der alten Stadttore Taipeis. Wir nahmen den Bus, stiegen aber vor der Zhongxiao Bridge aus, weil es laut Google von dort aus einen schönen Ausblick geben sollte. Wir hätten es lieber sein lassen sollen. Zum einen war es ziemlich diesig und der Blick über den Fluss nicht berauschend, zum anderen mussten wir so über die vielbefahrene, mehrspurige Brücke laufen, wo die Luft dermaßen Abgasgeschwängert war, dass ich freiwillig seit langem Mal wieder eine Maske aufgesetzt habe. Da diese natürlich auch das Atmen erschwerte, war ich sehr froh, die 1038 m Gesamtlänge möglichst schnell überquert zu haben. Das Nordtor kam kurz darauf in den Blick. Das historische, rote Tor war ein Überbleibsel der Guangxu-Zeit der Qing-Dynastie, fertiggestellt 1884 und Hauptzugang zur Stadt. Nur wenige alte Gebäude fanden sich noch in Taipei. Sie wirkten schon fast verloren zwischen Wolkenkratzern, grauen Geschäftsblöcken mit bunter Schrift und mehrspurigen, belebten Straßen. Wir bogen ab in kleinere Straßen, in ein Gebiet, das sich der Fotografie verschrieben hatte. Zahlreiche Fotogeschäfte, eine kleine Grünanlage mit „Camera“-Schriftzug und Symbol, was auf das Gebiet hinwies und ein paar junge Leute, die sich gerade auf dem Bürgersteig liegend von einer weiteren Person filmen oder fotografieren ließen. Wir kamen zu einem gemütlichen Café mit eigener Röstung und spülten den Straßenstaub mit einem guten Kaffee die Kehle runter. Auf dem Weg zur Rainbow-Road kamen wir durch die Metro-Unterführung der Station Ximen, die sich unterschiedlichen Tanzformen verschrieben hatte. An einer Stelle übten junge Mädchen Tanzformationen, es ging eine Tür ab zu einem „Pin dance Studio“, an den Wänden wurde Hip Hop und Break Dance malerisch dargestellt und vieles mehr. Beim Verlassen der Station waren wir direkt bei der Rainbow Road, wo bunte Streifen in Regenbogenfarben den Straßenbelag zierten. Er symbolisierte die erste Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen in Asien, hier in Taiwan 2019. Hier begann der Ximending Walkingdistrict, eine Fußgängerzone mit schrillen Läden. Es gab Fotoläden mit diversen, meist kitschigen Accessoires, wo man sich selbst fotografieren, Automatenläden wie auf einem Rummel, wo man mit Glück mit Greifern kleine Kuscheltiere oder ähnliches ziehen konnte, Essstände etc. und wen das noch nicht genug an Japan erinnerte der fand dort einen 5-stöckigen Laden von Don Don Donki, der überlief von japanischen Waren von Süßigkeiten, Lebensmitteln, Schminkprodukten und vielem mehr, alles in schrillen Farben und mit Musik durch Lautsprecher. Das Angebot war sehr authentisch nach unseren Erfahrungen, bis hin zu den völlig überteuerten, als Souvenir einzeln eingepackten, makellosen Früchten, wie wir sie bereits in Tokio bestaunt hatten. Um den Laden wieder zu verlassen, musste man einmal durch alle Gänge laufen, die nicht nur aufgrund ihrer meist super kitschigen und schrillen Verpackungen, sondern auch durch viele Einkaufende eng und entnervend waren. Wir waren froh, als wir wieder raus waren. Last but not least erreichten wir den Huaxi Street Night Market, der die hereingebrochene Dunkelheit mit bunten Lichtern vertrieb. Die Düfte und Speisen ließen uns schon das Wasser im Mund zusammenlaufen, aber überall schien auch hier Fleisch oder Fisch im Spiel zu sein. Heute hatten wir aber Glück und fanden ein kleines Restaurant, das uns zwei Gerichte anbieten konnte. Das eine waren Reisnudeln mit Tofu, die in eine süß-saure Suppe mit Gewürzgurken- und Möhrenscheiben getunkt gegessen wurden, das andere ein Salat aus Kraut, mit frischem Koriander und Erdnüssen verfeinert. Dazu gab es kostenlosen Tee. Es schmeckte hervorragend und kostete zusammen nur 7€. Gesättigt traten wir die lange Busfahrt zu unserer FeWo an, kauften nebenan noch etwas zum Frühstück und beschlossen dann den Abend mit Fotos bearbeiten und Bericht schreiben.

Donnerstag, 11.1.24 Taipeh

Dieser Tag war ein Wandertag. Wir fuhren mit Bus und Metro in den Osten der Stadt und machten dort eine herrliche Wanderung auf den Elefant Mountain. Es war ein hervorragend gepflegtes Wandergebiet zu diversen Aussichtspunkten, wo man einen genialen Blick auf die Stadt hatte. Im Vordergrund stand der Taipei 101, das bis 2007 höchste Gebäude der Welt. Der Wanderweg war zumeist als Treppe aus Natursteinen angelegt, daher einfach begehbar, aber schon auch sehr anstrengend, da der Rundweg, den wir dort gemacht haben, auf 8 km Länge 410 Höhenmeter erreichte. Da er aber durch schattige und herrlich grüne Dschungellandschaft mit bunten Blüten des indischen Stechapfels, der Beerenmalve und der hängenden Hummerschere (keine Angst, ich bin nicht plötzlich Botanikerin, habe aber mal bei Google Lens nachgesehen) führte und immer wieder Rastmöglichkeiten mit Ausblick, kleinen Tempeln oder ähnlichem bot, war die Strecke auch für mich zu schaffen. Nach dem Abstieg über die hunderte von Stufen zitterten meine Beine so, dass wir erst einmal einen Schoko- Frappé und ein Stück Kuchen in einem Café genossen. Danach traten wir den Rückweg an. Bei uns um die Ecke fanden wir ein Restaurant, bei dem die Speisen in Büfettform angeboten wurden und man sich selbst bedienen konnte. Wir zeigten unsere Notiz, dass wir Vegetarier wären, und die Bedienung zeigte uns, was wir essen konnten. So genossen wir jeder einen bunten Teller mit Mais, Blattspinat, irgendwas lauchartigem und einer gefüllten Schote (Okra?). Stefan nahm sich noch Algen, ich dafür ein Stückchen gebratenen Lachs. Dazu konnten wir uns ein Schüsselchen mit Reis füllen, alles zusammen für 7€. Der Preis ergab sich je nach Gewicht. Es war lecker, also setzten wir uns das Restaurant auf unsere Merkliste. An einem Straßenstand erwarben wir uns noch ein Sahneteilchen zum Nachtisch, dann ging’s zurück nach Hause in unsere Ferienwohnung, die uns sehr gefiel. Wir genossen es, zwei Zimmer zum Schlafen nutzen zu können, sodass jeder ein bisschen Privatraum für sich hatte, außerdem die Waschmaschine, die uns das Leben sehr erleichterte, da Stefan seine Joggingsachen regelmäßig waschen konnte. Absoluter Luxus also. Wir hatten auch versucht, in Taipeh Servasgastgeber zu finden, aber waren gescheitert. Die Koordinatorin hatte aber unsere Anfrage und unsere Reisepläne in ihre Servas WhatsApp-Gruppe gestellt und so standen wir inzwischen in Verbindung mit einer Servasgastgeberin, die uns auf unserer Reise die Stadt Taichung zeigen wollte und einer weiteren, bei der wir übernachten konnten, die aber kaum Zeit hatte, weil sie in einem Hotel arbeitete und die Vorbereitungen für das chinesische Neujahr auf Hochtouren liefen.

Freitag, 12.1.24 Taipeh

Während Deutschland bei Kälte zitterte, waren bei uns die Temperaturen bis auf 23? geklettert. Wir kamen mal wieder erst gegen Mittag los, weil wir beide verschlafen hatten. Unsere Probleme, ein- bzw. durchzuschlafen, verfolgten uns weiterhin. Ich war am Abend zuvor total aufgekratzt, weil wir zu lange nach einer Unterkunft für die Neujahrszeit bei Booking und Airbnb gegoogelt hatten. Wir brauchten unbedingt etwas, wo wir uns selbst verpflegen und auch die gesamte Zeit wohnen konnten. Das chinesische Neujahrsfest war eigentlich am 10. Februar in diesem Jahr, aber vom 8.-14. Februar waren Feiertage und die wurden hier, soweit uns bekannt, mindestens ebenso strenggenommen wie wir es bei unserer Reise nach Vietnam erlebt hatten. Wir stellten uns also darauf ein, dass keine Geschäfte und wahrscheinlich auch keine oder kaum Restaurants geöffnet haben würden, der öffentliche Verkehr nur eingeschränkt funktionierte und alle Unterkünfte ausgebucht sein würden. Chinesisch Neujahr ist das wichtigste Fest in Taiwan und wird in den Familien gefeiert, daher reisen auch im Ausland lebende Taiwanesen häufig extra an. Es war also wirklich nicht einfach, eine Unterkunft im Süden Taiwans zu finden, in der wir uns selbst etwas zu essen machen könnten. Wir entschieden uns letztendlich für ein Apartment in Kaohsiung. Es klang nicht so super wie unser jetziges, aber so einen Luxus, eine Art Reihenhaushälfte mit zwei Zimmern, Du/WC und Garten zu haben, da würden wir wohl lange drauf warten müssen, oder es würde unbezahlbar. Kaohsiung war eine Millionenstadt mit Hafen, dem Liebesfluss, vielen Parks und scheinbar auch interessanten Gebäuden. War das Neujahrsfest vergleichbar mit Vietnam, versprach das, dass wir die Stadt ruhiger, ohne den täglichen Berufsverkehr, dafür aber geschmückt erleben könnten. Dann hätte die Schließung aller Geschäfte und öffentlichen Einrichtungen für uns wenigstens auch einen Vorteil. Wir ließen uns überraschen.

Heute besuchten wir in Taipei als erstes das historische Anwesen der Familie Luzhou Lee. Das 1857 erbaute Haus wurde 1985 zur Nationalen Stätte und 2006, mit der Eröffnung der Gedenkhalle der alliierten Generäle, zur historischen Stätte erklärt. In dem von einem Park mit Teich und beeindruckenden Bäumen umgebenen Gebäude konnten wir historische landwirtschaftliche Geräte, Einrichtungsgegenstände, Spielzeug und Möbel ansehen. Ausstellungsstücke erinnerten an berühmte Familienmitglieder wie Lee Shuhua, der sich als Prüfer der konfuzianischen Lehre einen Namen machte und zwei Generationen später General Lee You-Pang, der als erster in Taiwan geborener General in der Armee der Republik China gegen Japan kämpfte. Es war sehr entspannend in dieser friedlichen Oase inmitten der Stadt einen ruhigen Ort zu finden, und das Haus beeindruckte durch seine architektonische Struktur. Die Lee Family Residence bestand eigentlich aus einer Ansammlung von Gebäuden in Form eines Hauses mit viereckigem Innenhof und verfügte über insgesamt neun Säle, 60 Zimmer, drei Innenhöfe und 120 Türen und war größtenteils aus Steinen und Ziegeln gebaut.

Unser nächstes Ziel war eine Andachtsstätte, bei der sich ein Straßenmarkt mit zahlreichen Fisch-, Obst- und Gemüseständen befand. Vor der Andachtstätte fand ein Puppentheater statt. Es schien sich thematisch an Erwachsene zu wenden, zumindest schauten diese hauptsächlich zu. Später las ich, dass Tempel häufig Puppentheater, die über Land reisten, zu Tempelfesten einluden. Wir erwarben ein paar Bananen und bei einem Tee-Laden einen Pudding-Milchtee. Er schmeckte nicht schlecht, aber auch nicht aufregend, halt süßer Schwarztee mit Milch und Geleestückchen. Es gab auch einen Grüntee- Macchiato und andere Versionen. Danach wollten wir in den Erchong Floodway Riverside Park, ein als Park angelegtes Überflutungsgebiet. Eigentlich war so ein Naherholungsgebiet zum Radfahren, Spazierengehen und Sport treiben eine gute Sache, aber nicht ganz so verlockend, wenn es direkt unter einer Schnellstraße und neben vielbefahrenen Straßen lag, die auch locker mal 6-8 Spuren haben konnten. In diesem Gebiet wurde auch Gemüse angebaut, was ich im Anbetracht der Abgase sehr bedenklich fand. Wir hatten schon von dem Fußweg hierhin genug von all den Abgasen, sodass wir den nächstbesten Bus zurück nahmen und noch einen ausgiebigen Einkauf in einem PX- Supermarkt erledigten, den wir im Internet herausgefunden hatten. Mit zwei gefüllten Tagesrücksäcken marschierten wir zurück zu unserer Wohnung und Stefan kochte Nudeln mit agebratenem Gemüse und Pilzen. Zum Nachtisch gab es je ein halbes Creme Teilchen und Kumquats. Wir wollten mal früh ins Bett, damit wir vom kommenden Tag etwas mehr haben würden.

Samstag, 13.1.24 Taipeh – Ausflug Yehiliu Geopark 

Dieser Tag war ein wirkliches Highlight! Bei schönstem Sonnenwetter machten wir uns mit diversen Bussen auf den Weg zum Yehiliu Geopark an der Ostküste Taiwans auf. Die Fahrt dorthin dauerte über 2 Stunden, aber sie hat sich auf jeden Fall gelohnt. Das Meer hatte dort Sand und Felsen zu den bizarrsten Formationen geformt. Es gab „Mushroom Rocks“, also pilzartige Gebilde, wie wir sie zuvor nur in Kappadokien gesehen hatten, da aber nur im Inland, nicht am Meer. Das salzige Wasser und die Kraft der Wellen hatten aber auch noch ganz andere Gebilde geschaffen, die Gesichtern, Tieren oder Drachen ähnelten, aber auch Höhlen und wellenförmige Plattformen. Auf hervorragend angelegten Wegen, die an vielen Stellen sogar für Rollis zugänglich waren, konnten wir durch diese märchengleiche Welt schlendern. Darüber hinaus ging es über zahlreiche Treppenstufen auf einen Hügel mit Aussichtsterrasse. Der Weg führte, wie bei unserer letzten Wanderung, durch dichtes Grün, was gelegentlich einen Blick aufs Meer freigab. Er war daher größtenteils schattig und mehrfach hatten wir das Glück, von unterschiedlichen Schmetterlingen begleitet zu werden. Nach einer ausgiebigen Erkundung der Gegend genossen wir Kaffee und Kuchen im gleichnamigen Fischerdorf Yehiliu. Wir waren in dem Park an diesem Tag natürlich nicht alleine, was man an einem Wochenende, bei super Wetter, an einem touristischen Highlight natürlich auch nicht erwarten konnte, aber wie meistens an solchen Orten, begnügten sich die Mehrzahl der Besucher mit den Fotopunkten zu Beginn und scheuten die körperliche Herausforderung, einige Stufen auf einen Hügel zu laufen, auch wenn 180 Höhenmeter nun nicht so furchtbar viel sind. Manchmal konnte es auch ganz witzig sein, Leute zu beobachten, die sich in eine lange Schlange einreihten, um ein und dasselbe Foto von sich machen zu lassen, wie all die Anderen. Man hatte sogar extra mit Fußabdrücken markiert, wo der beste Spot war. Die Aufnahmen reihen sich dann später in die Millionen gleicher Fotos auf Instagram ein. Das brauchten wir nicht, haben wir entschieden.

Am späteren Nachmittag fuhren wir per Bus und Metro wieder zurück in unser Wohngebiet und aßen noch einmal bei dem Restaurant, bei dem wir am Donnerstag so gut beraten wurden.

Von der Präsidentschaftswahl an diesem Tage nahmen wir eigentlich nur in den Tagen zuvor gelegentlich Fahrzeuge mit Werbeplakaten und Lautsprecher wahr. Da wird bei uns ein größeres Brimborium um die Bundestagswahl gemacht. Sowie es gegen 20:30 aussah, hatte die Demokratische Fortschrittspartei DPP, die für eine dauerhafte Unabhängigkeit von China stand, gewonnen. Der neue Präsident sollte am 20. Mai seinen Dienst antreten. Wir waren gespannt, ob wir in den nächsten Tagen irgendwelche Reaktionen bemerken würden.

Sonntag, 14.1.24 Taipei

Unsere Pläne, an diesem Tag in den Norden zu fahren und heiße Quellen zu genießen, schmissen wir am Morgen direkt über den Haufen. Stefan war ziemlich erkältet und da wäre draußen baden und das in richtig heißen Wassertemperaturen, wohl kontraproduktiv gewesen. Wir ließen es langsam angehen und sind gegen Mittag zum Luzou forbidden City Museum gegangen, das sich dann aber, entgegen der Informationen aus dem Internet, als geschlossen erwies. Wir entschieden uns daher, das National Palace Museum zu besuchen. Es beinhaltete die weltweit größte Sammlung an chinesischer Kunst und Artefakten. Eine temporäre Ausstellung zeigte, wie im 15./16. Jahrhundert die Seefahrt die Weltmeere beherrschte und die unterschiedlichen Kulturen aufeinandertrafen und sich gegenseitig beeinflussten. Fundstücke aus versenkten Schiffen, die den Kämpfen der Eroberer, z.B. der Spanier und Holländer, zum Opfer fielen, wurden im letzten Jahrhundert geborgen und dem Museum zur Verfügung gestellt. Wir sahen die Entwicklung der Buchkunst mit handschriftlichen Seiten, die durch kunstvolle Zeichnungen daneben untermalt bzw der Inhalt näher erklärt wurde. Zur damaligen Zeit war jedes Buch so bunt und künstlerisch gestaltet, wie man es heute fast ausschließlich in Bilderbüchern findet. Wir konnten Meisterstücke chinesischen Geschirrs bewundern mit zierlichsten Formen und Farben, dass die Herrscher der verschiedenen Dynastien ihr Eigen nannten, sowie auch ihre Möbelstücke aus Sandelholz. Wir lernten, welchen Wert die Gelehrten der Ausstattung ihrer Schreibstuben beimaßen: Pinselhalter, Pinsel, Tuschsteine etc. aus wertvollsten Materialien wie Elfenbein, dem Horn von Nashörnern, Jade und Bronze, mit den feinsten Verzierungen, die teils nur mit der Lupe zu sehen waren. Die Entwicklung der Kunst wurde mit einer Symphonie verglichen. Farben, Tiere, Landschaften wurden nacheinander bis zur Perfektion entwickelt, bis sie schließlich heute, wie eine Zusammenführung von Tönen, eine meisterliche Symphonie ergaben. Zum Abschluss des Besuches dieses von innen sehr modernen, von außen historischem Museum, besuchten wir noch den Garten, der mit Wasserlauf, Pavillons, kleinen Brücken und schönen Pflanzen und Bäumen einen netten Abschluss bot. Per Bus ging es zurück in unseren Bezirk, wo wir uns mangels Gemüsebrühe eine Tüte fertige Minestrone kauften. Wir hatten Lust, unsere restlichen Pilze und Grüngemüse dieses Mal als Suppe zu genießen. Es gab also eine etwas untypisch Italienisch-asiatische Mischung, aber wir waren wenigstens sicher, dass keinerlei Fischpaste oder Rinderbrühe drin war. Außerdem kauften wir uns ein Eis am Stiel aus Mungbohnen. Es schmeckte interessant, nicht so süß wie Eis bei uns, von der Textur ein bisschen so, als wären Haferflocken drin, ungewohnt, aber nicht schlecht.

Montag, 15.1.24 Taipeh

Unser Tagesausflug führte uns heute in den Nordwesten von New Taipeh, zuerst zum Xingtian Tempel, hinter dem man sich plötzlich wie auf dem Lande fühlte. Reisfelder und kleine Gärten, hinter denen die Hochhäuser der Stadt zu sehen waren. Von dort gingen wir zum Guandu Tempel, von dem aus wir zu Fuß bergauf in den Guandu Park wanderten. Es bot sich ein Ausblick über den Tamsui Fluss, der aber leider sehr diesig war, da wir Nieselwetter hatten. Wir wanderten auf einem gut ausgebauten Rad- und Fußweg entlang des Flusses und kamen dabei auf dem „Mangrove Ecology Trail“ durch ein beeindruckendes Mangrovengebiet. Weiter am Fluss entlang führte uns der Weg bis zur Tamsui Old Street, wo wir in einer lebhaften Straße viele Geschäfte mit traditionellen Speisen, Süßwaren und Souvenirs vorfanden. Wir kauften uns eine Tüte mit Gebäckröllchen, die wahlweise mit Melone, Ananas oder süßen, roten Bohnen gefüllt waren-sehr lecker! Als wir zu einem Food Court kamen, konnten wir auch hier nicht vorbeigehen. Wir sahen am Eingang, dass es einen Stand mit vegetarischen Gerichten geben sollte, also gingen wir hinein. Leider war der Stand nicht besetzt, aber die Betreiberin eines anderen Standes hatte uns bemerkt und winkte uns zu sich. Sie hatte ebenfalls eine vegetarische Nudelsuppe mit Ei, Gemüse und Gojibeeren anzubieten. Das klang spannend, das mussten wir testen und teilten uns eine Schüssel, die auch für uns beide reichte. Die Suppe war sehr lecker und wir für die lange Rückfahrt gestärkt. Wir liefen zur passenden Bushaltestelle und fuhren zum nächsten PX-Supermarkt in unserem Distrikt, wo wir wieder unsere Bestände an Gemüse, Obst, Haferflocken, Brot etc. auffüllten, bevor wir zu unserer Wohnung zurückkehrten. Wir spielten eine Runde Watten, wobei ich Stefan gegen Null besiegte, ha??! Für morgen war nochmals regnerisches Wetter angekündigt, danach soll die Sonne wieder herauskommen. Wir würden sehen, ob es stimmte.

Dienstag, 16.1.24 Taipeh

Wir sind immer noch in Taipei und nun bin ich erkältet. War ja klar, wenn man mit einer Schniefnase reist und im öffentlichen Verkehr gefriergekühlt wird, obwohl es gar nicht heiß ist! Wir schafften es heute endlich früh genug zum „Obst- und Gemüsemarkt im Großraum Taipeh“, (so die Übersetzung des Namens). Es handelte sich um eine gigantische Halle, die aber offenließ, ob sie eigentlich für Normalsterbliche wie uns gedacht, oder ehr ein Großhandel war. An den Auslagen waren keine Preise, wir wurden nicht angesprochen, es herrschte auch ziemlich viel Unordnung, d.h. irgendwelche Kartons stapelten sich überall, Gemüseabfälle häuften sich, längst nicht an allen Ständen wurde etwas angeboten und die nirgendwo wegzudenkenden Roller fuhren bis vor die Stände, wurden mit Beuteln voller Gemüse vollgeladen und brausten wieder ab. Ich denke mal, hier kauften die Betreiber der unzähligen Essensstände und Straßenrestaurants ein. Wir verschwanden schnell wieder, denn mit einem gemütlichen Markt, wo man vielleicht auch mal was essen kann, hatte das nichts zu tun.

Als nächstes Ziel hatten wir das „Window of Freedom“, ein altes, hervorragend restauriertes Haus, das dafür einen Preis der Stadt Taipei erhalten hatte. Drinnen befand sich ein Design Studio, dessen Werke im Schaufenster ausgestellt waren. Nicht unbedingt eine Sehenswürdigkeit, aber ganz nett. Auf dem Weg zur Taipei Glaspyramide besuchten wir ein Café, in dem mir wieder deutlich wurde, dass es hier ganz schön viele Reglementierungen gab. Auf dem Tisch wurde darauf hingewiesen, dass man mindestens ein Getränk zu konsumieren und spätestens nach 2 Std das Café zu verlassen hatte, keine Tasche auf einen Stuhl stellen durfte und das letzte deutete ich mal als Verbot, Essen oder Trinken mitzubringen. An sich waren die Verbote nicht so ungewöhnlich, aber die Verbotsschilder wirkten nicht gerade einladend.

Nach einem Päuschen suchten wir die bei Maps verzeichnete Glaspyramide. Wir fanden zwar das Expogelände mit seinem architektonisch interessanten Gebäude, das Restaurants aus verschiedenen Ecken der Welt bot, aber die Pyramide fanden wir an der von Google angegebenen Stelle nicht. Es gab einen Bauzaun, hinter dem die Reste eines abgerissenen Gebäudes zu sehen waren. Die Reste der Pyramide? Ein paar Meter weiter stießen wir stattdessen auf das Städtische Kunstmuseum Taipeis, dessen Erkundung wir die nächsten Stunden widmeten. Die Ausstellung „Small World Taipei Biennale“ war eine riesige Ansammlung unterschiedlicher Kunstwerke von über 50 Künstlern, von Fotografie über Malerei, Grafik, Installationen, Videos, Musik etc. Trotz häufiger englischer Übersetzungen haben wir nicht alles verstanden, wie es bei Kunst häufig vorkommt. Ein Thema war die Frage, was den Menschen ausmacht im Unterschied zum Cyborg, an anderer Stelle waren riesige chinesische Vasen mit Kriegsszenen zu sehen, andere Exponate handelten von Sri Lankas komplexer und häufig gewalttätiger Geschichte, ein Film handelte vom Transport von (Trink?)- Wasser in Tankwagen zu einem Fluss, der anscheinend von der Computerchipindustrie genutzt wurde. Ich vermute, es ging um das Senken des Wasserspiegels. Wir brachten viele interessante und manchmal auch unverständliche Eindrücke mit in unser Apartment.

Mittwoch, 17.1.24 Taipeh

Über den heutigen Tag kann ich kaum etwas schreiben, weil ich mir eine Auszeit genommen habe, nachdem ich die Nacht zuvor durch meine Erkältung kaum schlafen konnte. Ich hielt es für sinnvoll, lieber mal einen Tag im Apartment zu bleiben und es ruhig angehen zu lassen, also las ich, lernte mit Duolingo und schniefte ca. eine Klopapierrolle voll. Stefan habe ich allein auf Tour geschickt, weil es ja keinen Sinn gebracht hätte, wenn er auch einen Reisetag verloren hätte. Er machte lange Wanderungen in den Nordwesten von New Taipei im District Bali. Sie führten ihn durch Feuchtgebiete, am Strand entlang ins Gebiet der Flussmündung des Tamsui Rivers in das Ostchinesische Meer. Er konnte dabei ein paar schöne Fotos von Vögeln und bunten Booten machen. An mehreren Stellen stand er dabei vor Absperrungen wegen Bautätigkeiten, die weder Google Maps noch Komoot verzeichnet hatten. Gegen Abend kaufte er noch bei einem Gemüsehändler ein und kochte uns ein Abendessen. Ich hoffte, am nächsten Tag wieder fit genug für Unternehmungen zu sein.

Donnerstag, 18.1.24 Taipeh

Ich begab mich trotz laufender Nase wieder mit Stefan auf Entdeckungstour. Unser erstes Ziel war der Botanische Garten. Geprägt durch vornehmlich Bäume und Grünpflanzen, bot er guten Schutz gegen die Sonne, die es an diesem Tag auf über 25?Grad brachte. Teiche mit Fischen, Vögeln und Seerosen, die leider nicht blühten, einzelne Asiaten, die in sportliche Übungen oder dem Lauschen von Bäumen vertieft waren oder fotografierten wie wir, eine Klasse Grundschüler in ihren Schuluniformen, die vergnügt umherliefen und Eichhörnchen, die munter die Bäume hochflitzten, teilten sich den Park mit uns. Es gab auch Treibhäuser, die aber leider nicht für die Öffentlichkeit zugänglich waren. Im Botanischen Garten befand sich auch das Gebäude Nanmen Town. Es war ursprünglich ein Holzhaus aus der Zeit der japanischen Besatzung um 1930, wovon es zur damaligen Zeit wohl mehrere gegeben hat. Danach wurde es von der damaligen nationalistischen Regierung als Schlafsaal für die Versuchsstation der Land- und Forstwirtschaft genutzt, verfiel aber nach und nach, als es nicht mehr genutzt wurde, bis man japanische Designer zu Rate zog, um es wieder im alten Stil aufzubauen. Heute kann man es besichtigen. Es erinnerte uns mit dem Raum mit Tatamimatten an unsere schöne Zeit in Japan.

Vom Botanischen Garten aus marschierten wir zur Nationalen Chiang-Kai-Schek-Gedächtnishalle. Er war im Chinesischen Bürgerkrieg von 1927-49 der Gegenspieler von Mao Tsedong und bis zur Niederlage gegen die Kommunisten politischer und militärischer Führer Chinas. 1949 erklärte er auf Taiwan (ehemals Formosa) die provisorische „Republik China“ (im Gegensatz zur Volksrepublik China auf dem Festland) und regierte laut Wikipedia bis zu seinem Tod 1975 diktatorisch und hielt bis zum Schluss mit US -Unterstützung am Anspruch auf ganz China fest. Ihm wurde mit der Gedächtnishalle ein 4-stöckiges Gebäude gewidmet, wo er in Stein gehauen auf dem Thron sitzt und mit stündlicher Wachablösung militärisch geehrt (bewacht) wird. Das Gebäude hatte auf den anderen Etagen Ausstellungsräume zu seinem Leben, aber auch für Wechselausstellungen. Bei unserem Besuch fand hier eine Ausstellung gegen sexuelle Gewalt statt und es wurde über ein Projekt berichtet, das den während des Zweiten Weltkrieges zur Prostitution gezwungenen Überlebenden half, ihr Trauma zu überwinden.

Rund um die Gedächtnishalle waren Parkanlagen, die National Concerthall und beeindruckende, verzierte Tore. Sogar die Metrostation hatte einen beeindruckenden Eingang.

Von hier begaben wir uns zu den Resten der alten Gefängnismauer. Während der japanischen Kolonisation von 1895-1945 gab es immer wieder Aufstände gegen die Besatzung, also musste ein Gefängnis für politische Gefangene her. Man baute Zellen aus Steinen der Stadtmauer rund um den Bewachungstrakt und Werkstätten, in denen die Gefangenen durch Arbeit „zur Besserung erzogen“ werden sollten. Auch alliierte Flieger, denen man habhaft werden konnte, wurden hier eingesperrt. Kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges wurden 14 von ihnen noch zum Tode verurteilt und hingerichtet. Bei unserem Besuch erinnerten die Mauerreste noch an das Gefängnis und es gab Hinweise auf die hingerichteten Alliierten.

Von hier aus begaben wir uns zur Metro und fuhren zurück zu unserer Wohnung.

Freitag, 19.1.24 Ausflug Beitou

Ein erfüllter Tag lag hinter uns. Trotz noch immerwährender Erkältung machten wir es endlich wahr, ins Thermal Valley nach Beitou, im Norden Taipeis zu fahren. 40 Haltestellen in zwei Bussen und schon waren wir nach ca. 75Min. am Ziel. Zu Beginn besuchten wir das Hot Spring Museum und gleich fühlten wir uns in einen Onzen in Japan versetzt, nur dass er hier nicht mehr zum Baden, sondern zur Besichtigung war. Japanische Thermalhotels und Geishas hatten während der Kolonisation die Nutzung der heißen Quellen in öffentlichen Badehäusern hier in eingeführt und fanden am Fluss Beitou hervorragende Bedingungen, um die Gegend zu einem gehobenen Erholungsgebiet zu entwickeln. Nach Ende des zweiten Weltkriegs und der japanischen Herrschaft beließ es die nationalistische Regierung dabei, setzte aber Regeln für ein neues Management. In den 60gern und 70gern war es sowohl Vergnügungsgebiet als auch ein „must see“ für japanische Touristen. US-Militärs machten ihren Fronturlaub während des Vietnamkriegs hier und Beitou galt als das Vergnügungsgebiet Taiwans. 1979 wurde Prostitution abgeschafft. Das Badehaus wandelte sich im Laufe der verschiedenen Epochen und wurde letztendlich wegen Missmanagement geschlossen. 1994 wurde es von Lehrern und Schülern bei einem Projekt zum Heimatort Beitou wiederentdeckt und im Laufe der Zeit dann zum Museum über die wechselvolle Geschichte, sowie über die besondere Natur rundherum entwickelt. Nur hier gab es das rare Mineral Hokutolite. Für einen einzigen Zentimeter dieses Kristalles benötigt die Natur 120 Jahre. Er entsteht, wenn das grüne, schwefelhaltige Thermalwasser aus dem Höllental über das Gebiet des Beitou-Stroms fließt. Die Umgebung und die Bedingungen, die zur Herstellung von Hokutlite erforderlich sind, waren daher, laut der Broschüre des Museums, einzigartig. Das ist der Grund, dass es das einzige Mineral ist, das einen Namen nach einem taiwanesischen Ort hat. Laut Wikipedia benötigt Hokutolite saure und heiße Quellen und es werden noch andere Fundorte z B. In Japan genannt. Hokutolith enthält in der Regel geringe Mengen Strontium und winzige Spuren Radium, was das vor kurzem abgelagerte Hokutolith leicht radioaktiv macht. Die Strahlung verschwindet nach wenigen Jahrzehnten.

Wir schlenderten über gut angelegte Wege entlang des dampfenden und schwefelhaltigen Flusses und genossen das Eintauchen unserer Hände im Armbecken. Einen Besuch im öffentlichen Bad unterließen wir, da ich noch nicht fit genug war und wir auch Zeit und Energie für eine Wanderung auf den Berg Junjian behalten wollten. Nach etlichen Fotos und Videos des dampfenden Wassers und der Umgebung machten wir uns auf den Weg. Steil und über zum Teil nur noch rudimentär bestehende Stufen aus alten Steinen ging es zunächst zum Taiwan -Glückstein, einem großen Felsbrocken mit kleinem Altar, dann zum Zhaomingjing Tempel, von dem man bereits einen schönen Ausblick auf die Umgebung hatte, und dann auf den Gipfel des Junjian. Von diesem, aufgrund seiner welligen und faltigen Oberfläche beeindruckenden Felsen hatten wir einen grandiosen Ausblick auf Taipei und die Berge im Nordwesten. Das Wetter spielte hervorragend mit, so hatten wir den ganzen Tag Sonne und blauen Himmel und dennoch war es unterwegs nicht zu heiß, weil gefühlt mindestens 90% des Weges durch schattiges Grün ging. Die Stecke war jedoch nicht so simpel, da sie nicht nur steil und teilweise so unwegsam war, dass Seile gespannt waren, sie war auch rutschig aufgrund von lockerem Sand auf steinigem Untergrund. Ich war froh, meine Stöcke mitgenommen und gute Wanderschuhe an den Füßen zu haben. Die Wanderung endete nach 6,5km und 230 Höhenmetern bei Kliniken und Universitätsgebäuden, von wo aus wir wieder einen Bus Richtung Zentrum nahmen und in einem vegetarischen Restaurant zu Abend aßen. Wir teilten uns je eine Kokosmilch-Suppe mit Sojabohnen, kleinen Pilzen und noch anderen, vermutlich Bohnenarten und eine Platte mit einem Salat aus Sprossen, gerösteten Cashewnüssen und roten Scheiben, die aussahen wie Minisalamischeiben, es aber natürlich nicht waren. Es war wahrscheinlich eine Paste aus Lotussamen und Taro Wurzeln, die gepresst und geschnitten war. Dazu gab es Reis und grünen Tee. Alles war sehr schmackhaft. Danach ging es nach Hause.

Samstag, 20.1.24 Taipeh

Unsere schöne Zeit in Taipei ging dem Ende zu und wir wussten schon jetzt, dass wir unsere geniale Wohnung vermissen würden. Wir fuhren am Morgen zum Hauptbahnhof, um uns zu informieren und Tickets für den Zug nach Sanyi am Montag zu kaufen. Wir würden einmal umsteigen müssen, aber für den Expresszug bis Hsinchu konnten wir bereits Tickets lösen. Das letzte Stück planten wir mit einem Regionalzug zu fahren, den wir direkt mit unserer Easycard bezahlen konnten, wie hier in Taipei die Busse und Metro. Für die ca. 140km Fahrt von unserem derzeitigen Stadtteil bis Sanyi, was etwa 2 Std dauern würde, zahlten wir rund 8,30€ pro Person. Da konnte man wirklich nicht meckern. Der Hauptbahnhof von Taipeh war ein riesiger, moderner und sauberer Bahnhof mit vielen Geschäften und Restaurants, wirklich schön. Da allerdings viele Wartende auf dem Boden in der Haupthalle Platz genommen hatten, fragte ich mich, ob es ggf. an Warteräumen bzw. Sitzgelegenheiten fehlte. Wir würden es am Montag sehen. Vor dem Bahnhof bekamen wir allerdings einen Schrecken. Bisher hatten wir zwar immer mal wieder ärmere Hinterhöfe und Behausungen gesehen, aber noch keine Obdachlosen. Hier vor dem Bahnhof lagerten jedoch etliche unter zwei überdachten Wegen vor dem Bahnhofseingang. Mal zum Vergleich: Taiwan lag auf Platz 34 beim Weltvergleich bezogen auf das Bruttosozialprodukt, nur knapp unter Japan auf Platz 32. Deutschland belegte Platz 20.

Nachdem wir unsere Tickets in der Tasche hatten, machten wir uns auf den Weg zum Huashan 1914 Creative Park. Auf dem Gelände und in den Gebäuden der alten Sake Brauerei befanden sich in kleinen Zelten Verkaufsstände, ähnlich wie bei uns beim Kunsthandwerkermarkt, darüber hinaus gab es eine ganze Reihe Geschäftchen, Restaurants, Veranstaltungsräume wie z.B. Kinos, Ausstellungen, sowie eine kleine, offene Bühne, wo ein Akrobat wahrhaft unglaubliche Verbiegungen mit seinem Körper vorführte. In den Läden war von hochwertigem Kunsthandwerk bis zu allen möglichen Collectible Toys wie Hello Kitty, Peanuts und anderen, in Asien und teils weltweit berühmte Figuren, alles Mögliche zu finden. Manches war ganz süß, vieles, was hier beliebt war, grenzte für unsere Augen jedoch an Kitsch, aber über die Attraktivität von Gartenzwergen ließ sich sicher auch streiten:)

Nach einem Kaffee liefen wir zu Fuß zum 228 Peace Park, wo in einem Teich erstaunlich bewegungsarme Vögel in den Tag hineinguckten und sich weder von den Menschen ringsum noch von Fischen oder Schildkröten im Wasser beeindrucken ließen. Im Park befand sich seit 1930 eine Rundfunkstation, die je nach gerade herrschender Regierung besetzt war. Nach brutalen Polizeieinsätzen gegen Zivilisten übernahmen 1947 wütende Demonstranten den Sender, um ihre Vorwürfe gegen die Kuomintang- Regierung zu senden. Eine noch härtere Gangart der nationalistischen Regierung war die Folge. Diese Vorfälle wurden jetzt nach dem 28.Februar benannt, daher 228 Peacepark. Erst 1990 begann die Demokratisierung und es kam zu einer Entschuldigung durch den derzeitigen Präsidenten, der zu einer offenen Aufarbeitung der taiwanesischen Geschichte einlud. 1998 wurde der Park mit dem Memorial zum 228 Peacepark ernannt. Auf dem Memorial ist eine Mahnung zu Frieden und Einheit eingraviert.

Von hier aus nahmen wir die Metro zurück in unseren Bezirk und gingen nach Hause. Der angesagte Regen kam an diesem Tag nicht, wohl aber war es schwül und diesig, daher unternahmen wir nicht die geplante Gondelfahrt mit der Maokong Gondola beim Zoo im Süden Taipeis.

Sonntag, 21.1.24 Taipeh

Unser vorerst letzter Tag in Taipei begrüßte uns mit Regen. Die ganze Nacht über hatte es geschüttet, sodass Stefan am Morgen erst einmal im Bett blieb, statt zu laufen. Wir ließen es ruhig angehen und stellten uns auf einen faulen Tag ein, aber als es am späten Vormittag doch noch trocken wurde, holte Stefan seinen Lauf nach, um seinen wöchentlichen Ruhetag am folgenden Reisetag nehmen zu können. Gegen Mittag machten wir uns auf zum Flower Festival im Guting River Park. Auf dem Weg kamen wir an einem kleinen Kunstzentrum mit dem Namen Kishu An Forest of Literature vorbei, ein kleines Haus im japanischen Stil, in dem gerade eine Lesung mit Musikbegleitung stattfand. Man saß dabei gemütlich auf Tatamimatten. Von den Texten verstanden wir leider nur Bruchstücke per Google Übersetzer, aber eine Weile der Musik zu lauschen in netter Atmosphäre, war dennoch sehr schön. Nach einer Weile gingen wir weiter zum Guting Riverside Park, wo seit Mitte Januar bis April große Blumenfelder angelegt wurden, die zu besuchen sich lohnte. Unter Flower Festival hatte ich mir zwar mehr vorgestellt, aber es war dennoch nett, dem Straßenlärm und -gestank zu entkommen und durch die Blumenpracht zu schlendern. Danach suchten wir ein Café und stießen auf Möwenpick. Da mussten wir aus nostalgischen Gründen, in Erinnerung an Stefans Lehre, natürlich unseren Kaffee trinken. Im Anschluss kauften wir uns auf einem Straßenmarkt noch eine Art ausgebackene, heiße Teigtasche mit Sesam, obwohl es eigentlich eher nach Mohn aussah. Auf jeden Fall war sie sehr lecker. Dann fuhren wir nach Hause, wo Stefan zum letzten Mal kochte. Am nächsten Morgen sollte es dann weiter per Zug Richtung Süden nach Sanyi in eine Unterkunft mit Frühstück gehen.

Montag, 22.1.24 Sanyi

Wir kamen gut in unserem „13qm Traum in Rosa“ mit Futonbett an. Draußen war es kalt und windig. Wir hatten gerade noch 9? hier in Sanyi, aber auch in Taipei waren die Temperaturen runtergegangen. Zumindest waren wir aber glücklicherweise den ganzen Tag trockenen Fußes unterwegs. Das Zugfahren war nicht kompliziert und wir lernten sowohl einen Expresszug, für den wir Tickets mit Sitzplatzreservierung gekauft hatten, als auch einen Local Train, also Regionalzug kennen. Der Express war gut, modern und mit IC zu vergleichen, der Regionalzug ehr wie eine S-Bahn, aber mit ungemütlicheren Sitzen. Irgendwann wollten wir wohl auch mal den Highspeed Train ausprobieren, der bis zu 300km/h schnell fuhr, aber dafür bis zu 3x so teuer wie der Local, aber natürlich auch ca.3x so schnell sein sollte. Sanyi war auf den ersten Blick nicht gerade eine ländliche Idylle, sondern ehr ein nichtssagender Ort, auf den die von mir zuvor so gelobten Bürgersteige nicht zutrafen. Als Fußgänger musste man sich hier an der Durchfahrtsstraße seinen Weg zwischen parkenden Autos, Rollern und anderen, vor den Geschäften stehenden Dingen bahnen. Immerhin schafften wir es bereits am ersten Tag, Geld aus einem Automaten zu ziehen, was allerdings erst beim zweiten Anlauf bei 7/11 klappte. Der Geldautomat der Post wollte unsere Karten nicht akzeptieren. Er schien nur für asiatische zu sein. Danach aßen wir in einem Nudelrestaurant, was laut Google immer überlaufen sein sollte. Wir fanden sofort Platz und nachdem wir unseren Vers bzgl. Vegetarier gezeigt hatten, zeigte man uns auf der Karte, was wir essen konnten. Wir schlugen blind zu. Ich hatte irgendwelche ca. 1cm breite Nudeln, die ich ziemlich zäh und mit Stäbchen kaum essbar fand. Dazu Sprossen, ich glaube von Soja, Sojasoße und ein gekochtes Ei, das hier immer braun aussah. Man nannte diese braunen Eier Eiseneier. Sie wurden stundenlang gekocht und danach in einer Mischung aus Tee, Sojasoße, Kandiszucker und diversen Gewürzen wie Kardamom eingelegt und danach tagelang getrocknet. Das machte die Eier etwas zäh, aber sehr würzig und lange haltbar. Stefan hatte tendenziell dasselbe, aber mit einer dünneren Nudel Art, ebenfalls mit Sojasoße, Ei und Sprossen. Zum Nachtisch waren wir zum ersten Mal in einem Eisladen und aßen jeder eine Kugel. Anders als bei uns gab es hier sehr viel Sorten mit Tee und auch salziger Geschmacksrichtung, z.B. mit Käsegeschmack. Wir blieben dann doch lieber bei süß. Auf dem Heimweg ließen wir uns noch von einem Bäckerladen verführen, ein paar unterschiedliche Gebäckstücke zu kaufen, falls wir am Abend nochmal Hunger bekämen. Es gab in der Unterkunft zwar eine Küche, aber wir vermuteten, dass wir dort nur etwas in den Kühlschrank stellen durften. Natürlich hatten wir einen Wasserkocher im Zimmer und ein Wasserspender für heißes und kaltes Wasser, der in Taiwan wohl überall dazu gehörte, war auch vor unserem Zimmer. Am kommenden Morgen erwartete uns in unserem Gästehaus zum ersten Mal Frühstück. Ich war gespannt, was sie sich für uns ausdenken würden. Wir hatten ihnen mitgeteilt, dass wir Vegetarier wären, und es schien kein Problem zu sein.

Dienstag, 23.1.24 Sanyi

Es war bitterkalt geworden. Am Morgen hatten wir 6? und Regen, doch Stefan joggte dennoch. Der Weg hat ihm jedoch ein Schnippchen geschlagen und war nicht überall begehbar, sodass er erst in letzter Minute zurückkam, um gerade noch pünktlich zum Frühstück um 9:30 zu erscheinen. Das Frühstück bestand aus 2 Doppelstock-Toastscheiben, die mit Ei, Käse, Tomate und schätzungsweise Kürbispaste bestrichen waren, dazu ein paar Stück Obst und zwei Cherrytomaten. Zum Trinken wurde grüner Tee mit einer Milch, deren Geschmack ich nicht deuten konnte, serviert. Es war nicht viel, aber schmeckte alles gut. Nachdem Stefan seine Laufkleidung gewaschen und aufgehängt hatte, machten wir uns auf den Weg. Es tröpfelte nur noch und gegen die Kälte zog ich Hemd, T-Shirt, Bluse, Sweatjacke, Fleecejacke und Regenjacke übereinander und meinen Beinen gönnte ich eine lange Unterhose, die ich eigentlich zum Schlafen mitgenommen hatte. Da das Wetter für Museum sprach, besuchten wir als erstes die Galerie Art Lynn. Bereits vor der Tür erwartete uns eine riesige, brachial aussehende Metallfigur. In der Galerie gab es dann die unterschiedlichsten, meist wie Roboter aussehende Figuren aus Ketten, Schrauben, Zahnrädern, Blechen etc., aber auch Motorräder und Tiere, die in der Art zusammengebaut waren. An den Wänden hingen darüber hinaus ein paar Gemälde und es gab auch Holzschnitzereien. Für letzteres war der Ort bekannt, deshalb führte uns unser weiterer Weg auch zum Holzskulpturen -Museum. Auf 5 Etagen befanden sich die faszinierendsten Schnitzereien, von wuchtigen Tischen und Figuren, bis zu ganz filigranen Landschaften, Tieren, Altarschnitzereien und vielem mehr. Neben Holzkunst gab es auch Werke aus Stein, Metall und ähnlichem. Sowohl die Gestaltung des Museums als auch seine Kunstwerke haben uns begeistert. Gegenüber dem Museum begann ein Wanderweg. An sich fand ich den Tag wettermäßig nicht so berauschend zum Wandern, aber der Weg hat mich dann doch überzeugt. Durch dichten Dschungel führte ein hervorragender Treppenweg aus Holzbohlen bergauf. Nach ca. 1,5 km bog der Weg ab und führte eben entlang einer Teeplantage, bevor ein schmaler Fahrweg steil bergab Richtung Ortsmitte von Sanyi führte. Er endete auf der Old Street, die sich durch bunte und schöne Bilder an Häuserwänden hervorhob. Inzwischen hatte uns der Hunger gepackt und da gegen 16:00 noch nicht viele Restaurants geöffnet hatten, besuchten wir noch einmal dasselbe wie am Vorabend. Weil wir als Vegetarier oder als Nicht-Asiaten so auffällig waren, erkannte man uns gleich wieder und man zeigte auf der Karte, was wir essen könnten. Es waren leider dieselben Nudelgerichte wie gestern. Dazu bestellten wir noch kleine gefüllte Röllchen aus Auberginen. Zum Dessert kauften wir wieder in unserer Lieblingsbäckerei ein und verzehrten ein Teilchen zu einem viel zu süßen Ingwer Tee zum Aufgießen, den uns unser Vermieter in die Hand gedrückt hatte, weil er fand, dass der gegen Kälte gut wäre. Danach machten wir es uns in unserem Zimmer gemütlich, in dem wir die Heizung angelassen hatten.

Mittwoch, 24.1.24 Sanyi

Heute erkundeten wir die Umgebung von Sanyi und diese gefiel uns sehr gut. Da unser Ziel, die Reste der Longteng Brücke, über 9km entfernt war, entschieden wir uns, für den Hinweg ein Taxi zu nehmen. Einen Bus konnten wir nicht ausfindig machen. Es fuhr laut Plan nur gegen 6:00 morgens ein lokaler Bus in die Richtung, danach nur immer bis zur Ortsmitte, was höchstens 10Min Fußweg von unserer Unterkunft entfernt gewesen wäre. Das Taxi kostete 330TWD, also ca. 9,70€. Das konnten wir uns mal leisten. Wir hatten bisher noch für keine Sehenswürdigkeit Eintritt zahlen müssen, weil wir beide mit meinem Behindertenausweis kostenfreien Zutritt hatten, dann kann man ja auch mal etwas ausgeben, was den Körper entlastet. Über 18 km Fußweg hin und zurück wären schon ziemlich hart für meine Knie geworden. Wir kamen gegen 11:00 an und sahen uns die Reste der Longteng Brücke an, die 1906 während der japanischen Kolonialzeit gebaut wurde. Sie wurde erstmals 1935 durch ein Erdbeben und seine Nachbeben irreparabel zerstört. Als 1999 ein weiteres Erdbeben noch einen der noch bestehenden Pfeiler zerstörte, entschied die Regierung, die Reste als Kulturerbe zu erklären. Sie sind seitdem einer der bekanntesten Tourismusorte Taiwans. Von hier startet auch die Bike-Rail Strecke auf der Old Mountain Rail Line, der ehemaligen Bergstrecke von Taipei aus, die durch eine neue ersetzt wurde. Mit einer Art Draisine, einem Wagen für 4 Personen mit Pedalen und Elektroantrieb, kann man hier auf der Schiene vom alten Bahnhof Shengzing auf drei Routen die alte Bergstrecke genießen. Wie viel man dabei wirklich trampeln muss, weiß ich nicht, aber es sah so aus, als ginge es auch ganz ohne. Da einige dieser Bikes hintereinander losfahren, muss es auch ohne gehen, sonst würde ein Schlappmachen der ersten Bikes alles durcheinanderbringen. Wir erkundeten die Strecke zum historischen Bahnhof Shengzing per Pedes und kamen dabei durch wunderbares, fruchtbares Gebiet. Unterschiedliche Farmen für Erdbeeren, Gemüse etc., und auch Agrotourismus säumten den Weg. Rund um den historischen Bahnhof, der der höchste in Taiwan war und von den Erdbeben verschont geblieben, nun als Startpunkt der Bike Rail fungierte, war recht viel los. Die Bahnen bzw. Bikes waren für den Tag bereits ausverkauft. Rund um den Bahnhof befanden sich zahlreiche Restaurants, Essensstände und Souvenirshops. Selbst hier sahen wir aber keine anderen als Nicht-Asiaten zu erkennenden Touristen wie uns. Vom Bahnhof aus liefen wir weiter durch von Bergen umgebenes Farmland mit üppigem Grün, bis wir unter der Freeway hindurch wieder in unseren Ort Sanyi kamen. Wir besorgten noch ein paar Pralinen für unsere Gastgeberinnen am kommenden Tag und machten es uns danach bei einem Kakao gemütlich in unserem Zimmer. Nach über 20000 Schritten und 13,3 km auf meiner Uhr, war eine Genusspause erlaubt. Später wollten wir uns beim Bahnhof noch versichern, dass der geplante Zug am kommenden Tag auch fuhr und uns etwas zum Abendessen suchen. Am nächsten Tag stand uns das Erlebnis Servas in Taiwan bevor, was ja immer auch ein bisschen spannend ist. Wie würden die GastgeberInnen sein? Wie die Unterbringung? Wie machten wir das mit der Wäsche? Dieses Mal sorgte ich mich am meisten darüber, dass unsere Gastgeberin einen Hund haben würde und ich doch so ein Schisshase war. Meist lösten sich aber alle Bedenken bereits beim ersten Hallo.

Donnerstag, 25.1.24 Taichung (Servas)

Der Tag war so abwechslungsreich, dass ich nachts beim Schreiben des Berichts gar nicht wusste, wo ich anfangen sollte. Nach dem Frühstück in Sanyi fuhren wir mit dem Regionalzug nach Taichung, der zweit bevölkerungsreichsten Stadt Taiwans mit rund 2,8 Millionen Einwohnern. Tsun-Lan, auch Anna genannt, holte uns vom Bahnhof ab. Jeder Taiwanese bekam in der Schule beim Englischunterricht einen englischen Namen und den nutzten sie anscheinend auch ihr Leben lang im Kontakt mit Besuchern, die Englisch sprachen. Als erstes zeigte sie uns ein wunderschönes Geschäft in der Altstadt das ehemals ein Arzthaus gewesen sein soll. So groß wie der Komplex war, war es mindestens eine Klinik. Heute wurden hier wunderbar verpackte Geschenke, wie wir sie auch aus Japan kannten, zumeist Süßwaren, Tee oder ähnliches, zu ziemlich hohen Preisen verkauft. Gerade war natürlich Hochkonjunktur, denn zu Neujahr wurden alle möglichen Leute beschenkt. Es kam wohl sogar vor, dass Schüler vor der Prüfung ihren Lehrern in der Hoffnung etwas zukommen ließen, dass sie besser abschnitten. Um die Ecke herum war ein Eisladen, der viele Eissorten teuer, aber auch wirklich gut verkaufte. Wir durften jeder von einer Sorte ein klein wenig kosten und mein Mango Eis war gut. Vor dem Laden war eine Schlange Schüler, die anscheinend Eis statt Mittagessen verzehrten. Dann fuhren wir mit Anna in ein Restaurant, wo bereits zwei Koreanerinnen, die zuvor bei Sunny als Servasgäste waren und von Anna herumgeführt wurden, mit ihrem neuen Servasgastgeber Michael warteten. Wir hatten gemeinsam diverse Schüsselchen mit z.T. vegetarischen Gerichten und zum Teil welchen mit Shrimps. Es war ein wirklich gutes Restaurant, eine ganz andere Klasse als unsere Straßenrestaurants zuvor. Michael und Anna bestanden darauf, uns als Gastgeber einzuladen. Danach trennten wir uns und fuhren mit Anna per Taxi in ein schönes Café, wo wir uns mit Kaffee und Kuchen revanchierten. Sie durfte mit ihrer Seniorenkarte (ab 65) für bis zu 1000TWD monatlich kostenlos Taxi fahren und die Stadt bezahlte das! Sie konnte uns also kostenlos mitnehmen. Im Café gab es hervorragende, hausgemachte Cookies, Brownies und Zimtschnecken und der Kaffee war super, aber auch ziemlich stark, wohl ein Grund, warum ich nachts nicht schlafen konnte. Als kostenlose Beigabe spendierte das Café uns jeweils einen kleinen Becher (ca. 100ml) Geisha Kaffee. Er wuchs in Panama auf vulkanischem Boden auf 1550-1750m Höhe und gehörte laut der Bedienung zu den teuersten Sorten der Welt. Er hatte ein ganz eigenes Aroma, fast so, als wäre Alkohol drin. Diese Cafékette hatte ihn als Besonderheit. Danach holten wir Annas Auto und sie fuhr mit uns ins National Taiwan Museum of Fine Arts. Die letzten 25 Minuten vor Schließung durfte man kostenlos hinein, daher hetzten wir durch das Gebäude, wobei Annas Hauptaugenmerk wiederum auf einem Restaurant lag. Wir bedauerten es etwas, dass wir keine Zeit hatten, uns ausgiebig umzusehen, denn es erschien uns sehr interessant, aber unsere Gastgeberin hatte sich so viel mit uns vorgenommen, dass wir voraussichtlich auch die kommenden Tage nur wenig Muße zum Besichtigen, dagegen viel Zeit für unseren Gaumen zum Kennenlernen taiwanesischer Genüsse haben würden. Essen hatte in Taiwan einen extrem hohen Stellenwert. Wir gingen noch ein wenig rund ums Gebäude, weil Anna uns noch eine Wand mit Kalligraphie zeigen wollte. Chinesisch wäre für mich wohl selbst dann noch ein Buch mit 7 Siegeln, wenn ich schon als Kind damit begonnen hätte, es zu lernen. Nicht nur, dass es über 100000 Schriftzeichen gibt, von denen aber „nur“ noch 5000-7000 im Alltag benutzt werden, gibt es auch noch zahlreiche Arten, sie zu schreiben, wie wir an Beispielen unterschiedlicher Schriftstücke von Schriftstellern an dieser Wand sehen konnten. Dann ging es wieder: richtig, in ein Restaurant! Da ich zum Platzen satt war, teilte ich mir mit Stefan ein Nudelgericht mit super dünnen, extrem langen Nudeln mit sehr leckerer Soße. Diese Nudeln gab es in Taiwan typischer Weise zum Geburtstag, da die Länge der Nudeln ein langes Leben symbolisieren sollten, was damit dem Geburtstagskind gewünscht wurde. Gegen 18:30 fuhr Anna mit uns in die Neustadt zum Taichung National Theater. Das Gebäude hatte eine absolut faszinierende Architektur aus einer Vielzahl von Bögen, aber ohne Säulen. Es hatte 5 Stockwerke, natürlich auch mit Restaurant und Café, diverse Theatersäle und einen wunderbaren Dachgarten, von dem aus wir auf die beleuchtete Stadt sehen konnten. Raffinierteste Hochhäuser strahlten uns entgegen, in denen es fast nur noch schier unbezahlbare Apartments (rund 3 Mio. €) gab, aber kaum noch Geschäfte. Laut Anna gab es wohl zahlreiche betuchte Besitzer, die aber selten wirklich hier lebten, sondern ihr Eigentum nur noch vom Personal pflegen ließen, was allein schon ein Vermögen kostete. Sie meinte, man hätte hier in der Gegend Probleme, sich mal selbst etwas zu Essen zu kochen, weil es gar keine Läden mehr gäbe. Entweder man ginge essen, oder müsse erst fahren, um Lebensmittel zu kaufen. Der Anblick dieser Skyline war für uns aber dennoch absolut umwerfend. Vor dem Theater gab es darüber hinaus farbige Springbrunnen. Mit einigen Umwegen, weil sich Anna häufig verfuhr, aber erst nach einer ganzen Weile ihr Navi zu Rate zog, kamen wir bei Sunny, unserer richtigen Gastgeberin an. Da sie den ganzen Tag im Hotel arbeitete und noch dazu ein Kind und einen Hund hatte, hatte sie keine Zeit, sich um uns zu kümmern, wir durften aber bei ihr übernachten. Wir unterhielten uns noch eine Weile, wobei ihr Englisch längst nicht so gut wie Annas war und gingen dann ins Bett. Der Hund war so ein kleiner Terrier, der wohl recht harmlos war, aber gerne am Hosenbein knabberte. Zum Glück schien er nachts bei unserer Gastgeberin und ihrem Sohn zu schlafen, auf jeden Fall konnte ich unbehelligt aufs Klo gehen. Morgens würden wir alleine mit Hund in der Wohnung sein und Sunny hatte uns eine elektrische Fliegenklatsche gegeben, um den Hund abzuwehren, wenn er uns nervte. Um 12:00 sollte uns Anna zum weiteren Sightseeing abholen.

Freitag, 26.1.24 Taichung (Servas)

Wir trafen uns gegen Mittag wieder mit unserer Servas-Bekannten Anna, da unsere Gastgeberin Sunny arbeiten musste. Anna führte uns wiederum in das sehr gute, dieses Mal rein vegetarische Restaurant Hi-Lai im Sogu Einkaufszentrum, was ich ungefähr auf eine Stufe mit Selfridge’s in London einsortieren würde, wo wir uns mit ihrem Mann Pim trafen. Wir hatten ein wunderbares Mittagessen. Jeder bestellte etwas und wir teilten alles, sodass wir diverse Komponenten testen konnten. Eine Art sehr dünn gerollte, gefüllte, knusprig frittierte Frühlingsrolle mit Soße zum Dippen, eine Suppe mit Tofu, Koriander und anderen Zutaten, wovon wir gar nicht genug bekommen konnten, Dumplings, die eigentlich nichts mit Knödeln zu tun hatten, sondern gefüllte Taschen waren, sowie sehr leckerer Tofu, ich glaube mit Sesamöl und zum Nachtisch Wooden Bucket Tofu Pudding mit Ingwersoße mit braunem Zucker. Wir haben keine Ahnung, welche köstlichen Zutaten sich noch in den Speisen befanden, aber alles schmeckte hervorragend. Dazu gab es Oolong-Tee. Gestärkt führte uns unsere Begleitung zum Botanischen Garten, wo wir im Treibhaus Pflanzen, Wasserfall und Fische und Frösche in Aquarien betrachten konnten. Danach besuchten wir einen traditionellen Markt, der aber in einem Einkaufszentrum untergebracht und viel edler, als normalerweise Märkte auf offener Straße war. Bei einem Kaffeestand gab es diverse Kaffeesorten und man konnte nach Land und Röstung wählen. Der Barista mahlte die Bohnen vor uns per Hand und goss den Kaffee kunstvoll auf, allerdings in einen Plastikbecher zum Mitnehmen. Gegen 15:00 machten wir uns mit dem Auto auf zu den Gaomei Wetlands am Meer nordwestlich von Taichung. Nachdem wir einige Windräder hinter uns gebracht hatten, kamen wir an eine Art Wattenmeer mit teils noch niedrigem Wasser, auf dem Vögel herumspazierten. Man konnte auf Holzwegen weit ins Wattgebiet hineingehen und die meisten Menschen kamen hierher, um den Sonnenuntergang zu sehen. Wir hatten Glück und waren gerade noch pünktlich, trotz Stau und Verfahren und es war noch nicht mal zu voll, um auch gute Fotos machen zu können. Normalerweise an wärmeren Tagen bzw. Wochenenden muss hier wohl der Teufel los sein laut Internet. Wir konnten uns also wirklich dankbar schätzen, dass wir durch Servas so liebe Menschen gefunden hatten, die uns zu diesem Ort brachten. Nachdem wir wieder zurück in Taichung waren, gingen wir gemeinsam in ein kleines, einfacheres vegetarisches Restaurant bei Anna und Pim um die Ecke, wo sie regelmäßig einkehrten. Auch hier war das Essen vorzüglich. Zurück in Sunnys Apartment unterhielten wir uns noch ein wenig mit ihr und ihrem 11-jährigen Sohn Irvin, der ziemlich fit erschien, über Camping in Taiwan, bevor er mit seiner Mutter für einen Englischtest üben musste.

Samstag, 27.1.24 Taichung (Servas)

Der Tag begann mit einem Taiwanesischen Frühstück, das Sunny uns hingestellt hatte. Sie hatte es in der Bäckerei gekauft. Es war eine Art Pfannkuchen, der mit Yóutiáo (frittiertem Teig) und ein anderer mit Rührei gefüllt war. Wir hatten jeder von jedem die Hälfte zum Probieren. Beides schmeckte, wenn ich auch den frittierten Teig etwas trocken fand. Dazu gab es heiße Sojamilch, nicht so mein Ding, und einer kleinen Menge eines dickflüssigen Getränks, das auf jeden Fall aus Erdnuss und wahrscheinlich schwarzem Sesampulver bestand.  Wir fanden es lecker. Viele Taiwanesen mischten das laut Sunny mit der Sojamilch, aber dafür war es mir zu schade. Gegen 9:30 holten uns Anna und ihr Mann wieder ab und wir tranken bei MC Donalds Kaffee. Sie frühstückten dort und hatten uns einen getrockneten Ananassnack und Guavenstückchen mitgebracht, was wir zum Kaffee verzehren konnten. In Fastfoodläden schien man wohl nicht so streng zu sein, was mitgebrachte Speisen betraf. Gestärkt fuhren wir zum Rainbow-Village. Es handelte sich um eine ehemalige Militärsiedlung der Kuomintang, die sich nach der Niederlage im chinesischen Bürgerkrieg nach Taiwan zurückziehen musste. Huang Yong-Fu, ein Veteran, bemalte die ganzen Häuser mit bunten Motiven und schaffte somit ein Kunstwerk. Da das Areal jedoch allmählich hinfällig wurde, wollte die städtische Regierung es abreißen und bot den Bewohnern Geld an, wenn sie auszogen. Es kam daraufhin zu Boykott -Aktionen von Studenten, und der Künstler, der liebevoll von vielen „Grandpa Rainbow“ genannt wurde, verweigerte den Auszug, sodass sich die Stadt eines anderen besann und die Häuser als Kunstpark gerettet werden konnten. Nun war es ein Touristenmagnet und ganze Busgruppen ließen sich davor ablichten, wie wir selbst sehen konnten. Nach dem Besuch wurde es Zeit, einen Parkplatz beim Lunchrestaurant zu ergattern, wo wir dann schon vor 12 Uhr eintrafen. Dieses Mal war es ein italienisch-taiwanesisch geprägtes vegetarisches Restaurant und wir hatten sehr leckeren Salat mit Weintrauben und Nüssen, und ich aß Ei mit einer leckeren Blauschimmelsoße und Gemüse überbacken. Danach brachte uns Anna zurück zu Sunnys Apartment und ihren Mann zum Bahnhof. Da wir am Vorabend festgestellt hatten, dass der 11-jährige Sohn Irvin Interesse am Jonglieren hatte, besorgten Stefan und ich schnell Luftballons und Reis und bastelten mit ihm Jonglierbälle, als er mit seiner Mutter wiederkam, mit denen er nach Stefans Anweisungen erste Jongliererfolge erzielen konnte. Auch Sunny probierte es und stellte sich sehr geschickt an. Sie war 52 und hatte 2 Söhne und 2 Stiefsöhne. Bis auf Irvin waren aber alle irgendwo auf Schulen mit Internat, was anscheinend normal hier war. Das Schulsystem hörte sich für uns absolut krass an. Selbst Irvin hatte dreimal die Woche 12 Std. Schule. Alle Schüler gingen laut Sunny täglich nach dem regulären Unterricht noch zum privaten Extraunterricht und er hatte darüber hinaus dreimal wöchentlich Schwimmtraining. Außer Tests konnten herausragende Leistungen, z B. im Sport, nachher helfen, an einen guten Studienplatz zu kommen. Man kann wirklich sagen, dass die Kindheit mit Eintritt in die Schule in Taiwan zu Ende zu sein schien. Sowie die Eltern keine Zeit zum Kochen hatten, hatten die Kinder keine zum Spielen. Viele junge Leute machten daher die Nacht zum Tag, was bei ständig geöffneten Geschäften, Nachtmärkten und Restaurants auch kein Problem war. Sie gingen dann erst gegen 4:00 ins Bett und die ersten Unterrichtsstunden waren wohl häufig dünn besucht.

Um 15:30 holte Anna uns wieder ab und wir liefen dieses Mal ein ganzes Stück über den Calligraphy Greenway. Es ist ein Grünstreifen- Park, der sich durch die Stadt bis zum Kunstmuseum zog. Auf einem ehemaligen Baseballfeld war heute ein buntes Treiben. An einer Ecke gab es Live-Musik, überall waren Leute mit Hunden, die angekleidet waren wie Menschen und von ihren BesitzerInnen vorgeführt und fotografiert wurden, Leute picknickten auf Decken oder spielten. Ich musste Anna mehrmals bremsen, weil sie ständig in einer Geschwindigkeit lief, als hätte man sie aufgezogen und dann laufen gelassen. Wir hatten es ja eigentlich nicht eilig, dennoch war sie kaum zu bremsen. Später trafen wir uns mit Sunny und fuhren gemeinsam zu einem Ramen Restaurant. Es gab Nudelgerichte nach taiwanesischer, koreanischer, westlicher und japanischer Art. Ich hatte eine Nudelsuppe mit Milch, Chili, Seetang und Gemüse, also etwas scharf, aber lecker. Stefans Nudeln waren ohne Suppe und mit Pfeffer und diversem Grünzeug und Gewürzen, ebenfalls scharf und gut. Sunny brachte Anna und ihren Sohn nach Hause und fuhr mit uns noch zu einem Aussichtspunkt, von wo aus wir auf die Lichter der Stadt sehen konnten, was sehr schön war. Auch wenn ihr Englisch nicht so gut war wie Annas, die 3 Jahre in ihrer Jugend in den USA gelebt hatte, war es dennoch interessant, uns mit ihr zu unterhalten. Sie war eigentlich Journalistin und hatte fürs Fernsehen gearbeitet, war aber derzeit bei einer Hotelkette für das Marketing zuständig mit sehr langen Arbeitszeiten, was ihr nicht besonders gefiel. Sie überlegte daher zur Presse zu wechseln, weil sie das Schreiben und Berichten liebte und sie dort auch im Homeoffice arbeiten könnte.

Am Mittag des kommenden Tages wollten wir uns von unseren neuen Servas Freundinnen verabschieden und weiterfahren nach Chiayi, wo wir wieder stärker in die Natur eintauchen wollten. Wir buchten wieder eine Unterkunft mit Frühstück, aber größer als zuvor in Sanyi und dieses Mal mit Kochmöglichkeit.

Sonntag, 28.1.24 Taichung – Chiayi

Am Morgen erwachte ich, weil plötzlich mehrere männliche Stimmen nebenan in der Küche zu hören waren. Stefan war unterwegs zum Joggen und ich vermutete, dass die Stimmen von Sunnys älteren Söhnen sein müssten. Davon hatte sie am Vorabend nichts gesagt. Eigentlich wollte ich duschen, aber so beschloss ich, mich schnell ganz anzuziehen und schon mal meine Sachen zur Abreise zu packen. Vielleicht musste bzw. wollte ja jemand von ihnen in das Zimmer, welches wir gerade belegten. Es stellte sich heraus, dass es ein älterer Sohn war, der in Koahsiung eine Fachschule für Lebensmittel oder Gastronomie besuchte. Die andere Stimme gehörte einem seiner Mitschüler. Eigentlich hatten die zwei in die Berge zum Bergsteigen fahren wollen, aber ihr Sohn hatte gerade einen Autounfall mit zwei Motorradfahrern gehabt, und als Sunny mit dem Hund raus ging, stand sie plötzlich vor ihrem Sohn und der Polizei. Zum Glück waren die zwei Motorradfahrer nicht stark verletzt und wurden gleich wieder aus dem Krankenhaus entlassen, aber der Schreck saß allen in den Knochen. Wie der Unfall abgelaufen war, habe ich nicht richtig rausbekommen, aber der Sohn meinte, er hätte wahrscheinlich zu 70%, die Motorradfahrer zu 30% Schuld. Die Lust aufs Bergsteigen war ihnen vergangenen, sie verdauten ihren Schreck dann gemeinsam im Fitnesscenter. Stefan kam vom Joggen und wir frühstückten, was Sunny uns vorbereitet hatte: Kuchen, Obst, Joghurt und Kaffee. Wir unterhielten uns noch sehr interessiert bis kurz nach 12:00 über Taiwans politische Situation, Sunnys Reise als Reporterin in die Karibik, wo sie taiwanesische Ärzte begleitet hatte, die Ärzte auf zwei Karibikinseln schulten und unsere Erfahrungen auf Kuba. Sie und Irvin, der Sohn, mit dem wir gestern Jonglierbälle gebastelt hatten, schenkten uns noch typische, rote Briefumschläge, die wir uns gegenseitig zum neuen Jahr mit Geld unters Kopfkissen legen sollten, was Glück und Reichtum im neuen Jahr bringen sollte. Das Glückschweinchen Taiwans und vieler anderer buddhistischer Länder also. Wir versicherten uns beim Abschied, dass wir uns gerne wiedersehen würden und Irvin bat, dass wir doch vor unserer Abreise noch einmal nach Taichung kommen sollten, was allerdings recht unwahrscheinlich war, da wir über die Ostküste zurückfahren wollten.

Um Viertel nach 12:00 holte Anna uns ab und brachte uns zum Bahnhof. Eine super liebe Geste, auch wenn ihr Kümmern schon etwas von Überbehütung hatte und begann etwas zu nerven. Wir waren ihr aber sehr dankbar für alles, was sie uns gezeigt und probieren hatte lassen. Wir wussten jetzt eindeutig, dass Taiwan wahrscheinlich die meisten Restaurants pro Kopf hatte und davon viele hervorragende, vegetarische und vegane Köstlichkeiten zu bieten hatte. Alle, die wir gemeinsam besuchten, waren so sauber und ordentlich, dass wir nie auch nur im Ansatz Angst gehabt hätten, dass wir uns dort irgendwas einfangen könnten. Wir erlangten darüber hinaus mehr den Blick dafür, wo wir fündig werden konnten auf der Suche nach vegetarischem Essen und waren an diesem Abend in Chiayi auch gleich erfolgreich. Nach Chiayi, südöstlich von Taichung, brachte uns wieder ein Expresszug, da Anna meinte, es wäre keine gute Idee, an Wochenenden einen Regionalzug zu nehmen, da man dort keine Plätze reservieren könne und ggf. die ganze Zeit stünde. Das hätte uns zwar auch nicht umgebracht, aber da der Express nur geringfügig teurer war und sie sich so für uns einsetzte, gaben wir nach.

Wir mieteten für drei Nächte ein Hotelzimmer und planten am kommenden Tag mit dem Bus eine Fahrt in eine berühmte Bergregion, nach Alishan, wo wir wandern wollten, zu fahren. Plätze für den historischen Zug konnten wir leider weder für den nächsten, noch für den übernächsten Tag mehr bekommen. Wir hätten die ggf. online zuvor buchen sollen, hatten das aber nicht geahnt. Da es uns jedoch hauptsächlich darauf ankam, in das Gebiet zu kommen und dort zu wandern, war das auch nicht so tragisch. Wir hofften, dass der Bus vielleicht sogar etwas schneller dort ankam und uns dann mehr Zeit vor Ort bleiben würde. Das Wetter schien auf jeden Fall laut Internet mitzuspielen.

Montag, 29.1.24 Chiayi – Ausflug Alishan

Der heutige Tag war genial. Unser Frühstück im Hotel war als Buffet und hatte sowohl taiwanesische Anteile wie Gemüse, Reis, Sojapudding, Dampfnudeln mit wahrscheinlich Fleischfüllung und vieles mehr, als auch westliches in Form von Toast, Marmelade und einer taiwanesischen Schokocreme. Um 8:40 fuhr bereits unser Bus nach Alishan ins Gebirge. Drei Stunden und über endlose Kurven schraubte er sich auf schmaler Straße den Berg hoch, von 69 auf 2220 Meter überm Meeresspiegel, bis wir im Alishan Forestpark ankamen. Schon unterwegs versprach der Tag grandios zu werden bei schönster Sonne und tollen Ausblicken sowohl auf Plantagen, Reisfelder und Palmen, als auch auf die Bergwelt. An der Alishan Station ging es dann in den Naturpark, den wir aufgrund meines Behindertenausweises wieder kostenlos betreten durften. Der historische Zug fuhr weiter in den Park hinein und es gab auch elektrische Shuttlebusse, aber wir wollten die Natur ja auf unseren zwei Füßen erobern. Zu Beginn fiel mir das gar nicht so leicht, denn ich merkte deutlich die dünnere Luft und es ging auch noch bergauf, aber langsam und stetig liefen wir die unglaublich gut ausgebauten Wege und Steintreppen immer weiter hinauf, zwischen Mammutbäumen, mit Moos bewachsenen, uralten Baumstümpfen, gelegentlich auch mal blühenden, taiwanesischen Kirschbäumen, die im Gegensatz zu den weißen Blüten japanischer Zierkirsche rot blühten. Immer wieder gab es auch hochgelegte Brückenwege wie bei Baumwipfelpfaden, nur, dass man hier nicht extra zahlte, sondern sie Teil des Wanderweges waren. Alle paarhundert Meter hatte man von Aussichtspunkten umwerfenden Ausblicke auf die Bergwelt. Wir liefen bis auf die Aussichtsplattform des Mont Ogasawara mit 2448m und hatten einen umwerfenden Rundblick auf die Zentral-, Jade- und Alishan Gebirge. Dort oben gab es sogar Affen und ich habe einen kurzen Blick erwischen können, als einer den Weg rund 50m vor uns kreuzte, aber danach war er nicht mehr zu sehen. Wir hatten uns eine Kaffee- und Kuchenpause im Infocenter verdient und wanderten dann wieder bergab zu unserer Bushaltestelle. Inzwischen zog zwischen den Bergen Nebel auf und somit war die Rückfahrt nicht mehr ganz so aussichtsreich, dafür ging es zurück etwas schneller. Wir genossen es, dass unser Hotel nur fünf Minuten zu Fuß vom Bahnhof und Busbahnhof entfernt war. Wir hätten diese weite Anreise, zumal recht früh, sonst nicht machen können und konnten nun schnell ins Zimmer, um uns wärmer anzuziehen und die Tagesrucksäcke loszuwerden, um uns dann noch einmal ins abendliche Getümmel zu schmeißen. Eine Essengrundlage schafften wir uns bei unserem vegetarischen Restaurant vom Vortag. Für einen normal gefüllten Teller und einen wenig gefüllten haben wir beide zusammen für 3,25€ zu Abend gegessen. Das Restaurant war zwar nicht so fancy wie die, in denen wir mit unseren Gastgebern in Taichung gegessen hatten, aber es war sauber und durch das Buffet konnten wir uns so viel nehmen wie wir wirklich essen wollten und die Bestandteile, auf die wir Hunger hatten, aussuchen und das zum unschlagbaren Preis, der sich nach Gewicht berechnete. Danach begaben wir uns auf den Nachtmarkt und waren mal mutig beim Eisladen. Ich hatte ein Maracuja-Slush mit einer Eiskugel obendrauf, Stefan ein Pflaumenslush mit ganzen Pflaumen, die sehr lecker waren. Die zwei Sandwich-Eiscremes, jeweils zwischen salzigen Keksen in Butterkeksform, meins mit Eis aus schwarzem Sesam, Stefans aus Erdnüssen, fanden wir nicht so super. Zum einen musste man ewig warten, bis sie etwas angetaut waren, bevor man sie überhaupt essen konnte, zum anderen schmeckten sie etwas fade, besonders meins. Es war aber auch viel zu viel Eis mit dem Slush zusammen, aber man lernt ja dazu.

Wir hatten nun noch einen Tag, um uns hier in Chiayi umzuschauen. Am Mittwoch wollten wir dann weiter nach Tainan fahren, wiederum südlich, aber an der Westküste.

Dienstag, 30.1.24 Chiayi

Wir verbrachten diesen Tag in Chiayi damit, uns zu Fuß die Stadt anzusehen. Da es ziemlich warm war, war es teilweise nicht sehr angenehm, durch die befahrenen Straßen zu laufen, weil man das Gefühl hatte, die erhöhte Schadstoffbelastung zu merken. Wir machten uns erst gegen 11:00 auf den Weg, weil Stefan am Morgen verschlafen hatte und daher erst nach dem Frühstück lief, das es nur bis 9:00 im Hotel gab. Unser erstes Ziel war das alte Gefängnis von Chiayi, das noch aus der japanischen Besatzungszeit stammte und seit 2011 zum Museum umfunktioniert wurde. Leider war die Beschriftung komplett nur auf Chinesisch und die Übersetzung der vielen Texte per Google zu kompliziert. Interessant waren die ausgestellten Modelle aller Gefängnisse Taiwans. Sie waren ziemlich unterschiedlich, zum Teil Holzbauten, zum Teil Stein, mal sternförmige Anordnung, mal Reihen oder sonstige geometrische Formen, aber immer mit mehreren Innenhöfen, z.T. mit buddhistischen Figuren und häufig mit Basketballfeldern und begrünt. Wir erfuhren, dass in Taiwan die Todesstrafe noch immer in Kraft war.

Nach diesem geschichtlichen Einblick gingen wir zum Kano Park, der an die großen Erfolge im Baseballsport erinnerte. Ein großes Stadion, das aus der japanischen Kolonialzeit stammte und immer wieder renoviert wurde. Einen Aluminiumball mit 5 m Durchmesser, Baseballschläger und Baseballhandschuhe gab es in Form von Skulpturen. Nebenan befand sich der Chiayi Park mit dem Sun Shooting Tower, in den man eigentlich hineingehen konnte. Die Architektur war an das Aussehen eines Mammutbaumes aus Alishan angelehnt und im Inneren sollte sich eine 24m hohe Bronzeskulptur befinden, die von der Sun Shooting Legende der Ureinwohner inspiriert wurde. Da der Turm an dem Tag geschlossen hatte, konnten wir weder die Skulptur sehen noch den Hintergrund erfahren. Der Park rundherum war jedoch sehr schön und abwechslungsreich und ging in den Botanischen Garten über. Es war sehr angenehm, dem Verkehr und der Sonne etwas entfliehen zu können, denn hier konnten wir richtig in eine grüne Dschungelwelt abtauchen. Als uns die Beine schwer wurden und wir der Hitze entfliehen wollten, gingen wir in ein Café, wo wir sicherlich eine Stunde lang zwei junge Taiwanesinnen im Garten beobachten konnten, wie sie sich immer wieder in anderen Posen fotografierten. Nach unserer Pause war es draußen kühler und viel angenehmer geworden und die Farben waren auch viel besser, da die Sonne schon tiefer stand. Wir wanderten in Richtung Lantan Scenic Area. Auf dem Weg kamen wir an den Lantan Lake, den wir von einem Aussichtsturm gut überblicken konnten. Wir liefen an dem See entlang und konnten gerade noch sehen, wie die Sonne rot hinter der Skyline aus Hochhäusern verschwand. Dann kamen wir in die Parkanlage Lantan, wo wir als erstes ein Kunstwerk, das wie ein Tunnel aus verschlungenen Aluminiumteilen aussah und bei Dunkelheit mit unterschiedlichen Lichtern beleuchtet wurde, sahen. Um 18:30 begann dann ein super schönes Lichtorgelkonzert über dem See, nach dessen Ende wir den Bus zurück zum Bahnhof in der Nähe unseres Hotel nahmen. Wir zogen uns wärmer an und suchten ein neues vegetarisches Restaurant auf. Das von den vorherigen Tagen schloss gerade und ich hatte auch Lust auf Abwechslung. Das Restaurant, das wir heute entdeckten, hatte auch wieder ganz besondere, einfallsreiche Speisen. Ich hatte eine hervorragende Pizza mit Äpfeln, Karamell und ich glaube, es waren Kirschen. Sehr besonders und sehr lecker. Stefans Gericht hieß japanischer Curryteller und war Reis, Currysoße, ein Stück Maiskolben und anderes Gemüse auf einem Teller, ein Schälchen mit grünem Blattgemüse und Sprossen, was ich für Salat gehalten hätte, ein Schälchen unterschiedlicher Pilze und ein Glas mit Dessert, das schmeckte, als hätte man aus Tee ein Gelee hergestellt. Letzteres war etwas langweilig, weil kaum gesüßt und hierbei aber wirklich Süße fehlte. Der Rest war jedoch auch sehr lecker. Auf dem Heimweg kauften wir uns noch ein Getränk in einem Milchladen, der besondere Yoghurtgetränke anbot. Unser Shake bestand aus grünem Tee, Zitrone und Joghurt und schmeckte sehr blumig, weil es sich um Jasmintee handelte. Zu Beginn war es ein etwas überraschendes Geschmackserlebnis, aber nach einigen Schlucken fand ich es wirklich lecker. Es ist sicher sehr erfrischend zur heißen Jahreszeit.

Mittwoch, 31.1.24 Chiayi – Tainan

Heute war wieder ein Reisetag, aber da wir in Tainan erst ab 16:00 einchecken konnten, ließen wir um 11:00, als wir unser Hotelzimmer in Chiayi verlassen mussten, unser Gepäck noch bei der Rezeption und besuchten das nur 4 Minuten entfernte Chiayi Art Museum. Das Gebäude war eine gelungene Kombination aus alt und modern und die aktuelle Ausstellung befasste sich mit Grenzen jeglicher Art, sowohl natürlicher, künstlicher, körperlicher als auch psychologischer. Es wurde in Form von Fotos, Gemälden, Gegenständen als auch Videoanimationen behandelt und besonders letztere fand ich ganz interessant. Bis zur Zugabfahrt tranken wir noch einen Kaffee, wobei Stefan ganz mutig einen kalten Espresso mit Orangensaft bestellte. Entgegen unserer Erwartung schmeckte der richtig lecker. Nicht ganz so gut waren die Getränke, die wir uns für die Fahrt kauften. Ich hatte ein Milchgetränk mit roten Bohnen, die an sich gut schmecken, wie ein nicht zu süßes Mus, aber es war zu viel Milch und die Bohnen waren nicht gemixt, sondern noch ganz, wie bei einem Bubble Tee, sodass es nicht wirklich nach den Bohnen schmeckte. Stefan probierte ein Getränk mit Tomatensaft, aber es war süß und ich fand es eklig. Er fand es ok, aber nicht überwältigend. Probieren geht halt über studieren.

Wir fuhren mit dem Local Train, also der langsamsten Zugklasse nach Tainan, was eine gute Stunde dauerte. Da wir hier schon im südlichen Taiwan waren, stiegen nun auch die Temperaturen. Laut Internet waren an dem Tag 25? und da wurde das Reisen dann schon schweißtreibender. Wir hatten dieses Mal ein Airbnb-Apartment, weil wir hier eine ganze Woche bleiben und gerne die Möglichkeit zum Kochen und Wäschewaschen haben wollten. Das Apartment befand sich in der 7.Etage und auf zwei Ebenen, d.h. unser Schlafzimmer war freitragend oberhalb der Küche mit Blick nach unten auf den Wohnraum. Wir hatten einen guten Ausblick über die Dächer ringsum und die ganze Unterkunft war echt toll. Für ~42€ pro Tag echt ein Schnäppchen. Wir wuschen gleich Wäsche und machten uns danach auf, etwas zum Abendessen zu finden. Gleich um die Ecke gab es wieder ein vegetarisches Restaurant. Wie in Chiayi füllte man sich seinen Teller am Buffet und bezahlt wurde nach Gewicht. Für ca. 8€ wurden wir beide satt. Die Auswahl war noch größer als bei dem Restaurant in Chiayi und es war auch hier sehr lecker. Danach deckten wir uns beim Discounter PX noch mit Toastbrot, Marmelade, Joghurt, Obst usw. zum Frühstück ein und kehrten in unser Apartment zurück. Tainan versprach sehr interessant zu werden. Es war die älteste Stadt Taiwans, belegte mit 1,9 Millionen Einwohnern Platz sechs unter den Großstädten und hatte anscheinend eine große Anzahl an bemerkenswerten Tempeln. An der Küste bot sich darüber hinaus noch der Taijiang Nationalpark für einen Besuch an. Wir waren gespannt, welch tolle Eindrücke wir von hier wieder mitnehmen könnten.

Donnerstag, 1.2.24 Tainan

Die Vermutung, dass Tainan viele sehenswerte Gebäude und Straßenzüge aufgrund seiner Geschichte bot, hatte sich heute bereits für uns bewiesen. Wir fuhren mit dem Bus in den West Central District, ca. 6 km von uns entfernt und haben als erstes den Tiantan Tiangong Tempel besucht. Schon auf dem Weg dorthin war klar, dass hier gleich ein Tempel kommen musste, denn überall wurden die Bündel mit falschen Geldscheinen, dem sogenannten Höllengeld und Räucherstäbchen verkauft. Das Geld wird in der Regel bei jedem Besuch im Tempel rituell in einer Schale verbrannt, um Götter zu besänftigen. Dabei wird gebetet. Es handelt sich um einen Ahnenkult aus dem Daoismus und ist in ganz Südostasien gebräuchlich. Zu Vollmond im August, dem Geisterfest, steht laut daoistischem Glauben das Tor zur Hölle offen, daher werden zu diesem Anlass große Mengen dieses Höllengeldes verbrannt.

Auch Räucherstäbchen wurden verbrannt. Bei den Taoisten sind es in der Regel immer drei, die den Respekt für Menschen, Erde und Himmel bezeugen sollen. Zur Zeit war in den Tempeln und auch sonst bei den buddhistischen Gläubigen viel los, da das chinesische Neujahrsfest am 10. Februar bevorstand, das bereits ab dem 8.2 über mehrere Tage gefeiert werden würde. Es handelte sich um den höchsten Feiertag in Taiwan und ähnlich dem Weihnachtsfest in Deutschland ist es ein Familienfest mit Geschenken. Wir sahen aber auch Vorbereitungen zu Zeremonien, z.B. Drachen und ähnliches wurden gebaut, die dann voraussichtlich durch die Straßen getragen werden sollten. Heute konnten wir eine Zeremonie beobachten, wo Gläubigen ein Band um die Schultern gelegt wurde und ihnen dann mit Räucherstäbchen über den Rücken gewedelt wurde, während eine andere Person eine Art Gong schlug. Die Gläubigen standen dabei in einem Kreis aus diesem Höllengeld (oder vielleicht Wunschzetteln?). Die Bedeutung kannten wir nicht, aber der Glaube an die Geister der Ahnen ist schon sehr ausgeprägt im Buddhismus und es handelte sich sicher um eine derartige Besänftigung oder Gefügigmachung der Ahnen.

Auf dem Weg zum nächsten Tempel kamen wir am historischen Kaufhaus Hayashi vorbei. Es wurde 1932 als 5-stöckiges, modernes Kaufhaus gebaut und war mit einem anderen Geschäft in Taipei Taiwans einziges Modehaus der damaligen Zeit mit Aufzug. 1998 wurde es als städtisches Denkmal anerkannt und seine erneute Nutzung beschlossen. Es war wunderschön gestaltet, mit viel Holz und hochwertigen Produkten wie Taschen, Bekleidung, Schreibwaren, Büchern etc. Im 5. Stock war ein Café mit Ausblick. Wir kauften uns dort einen superleichten Tagesrucksack, der absolut gut durchdacht war. Trotz seines Gewichts von nur 400gr. war er wasserdicht, hatte sehr bequeme, gepolsterte Träger und eine raffinierte Innentasche in der Rückenstütze, die ein wasserdichtes Geheimfach für die wichtigsten Papiere wie Pass und Kreditkarten bot. Zu dem Rucksack gehörte eine zu einer Handtasche faltbare Tasche, die auseinandergeklappt eine Umhängetasche war und bei Bedarf als Innentasche im Rucksack mit stabilen Druckknöpfen festgemacht werden konnte. Noch dazu sah der Rucksack schick und hochwertig aus, in dezentem blau-grau mit einer Stoffoptik. Ich trug ihn den ganzen Tag und fand ihn trotz der Hitze noch angenehm zu tragen.

Nach diesem Konsumtempel kam wieder ein richtiger, nämlich der Konfuzius-Tempel. Weil wir danach Abwechslung brauchten und der Mittagshitze entfliehen wollten, besuchten wir das imposante und moderne Tainan Art Museum, Gebäude 2 . Es gab 2 Gebäude, wir waren in dem hochmodernen Neubau, der auf einer ehemaligen Tiefgarage errichtet wurde. Gebäude 1 war eine historische Polizeistation aus der japanischen Zeit. Dieses planten wir ein anderes Mal zu besuchen. Im Erdgeschoss des Neubaus waren wiederum Kunstschätze des Taiwan National Palace Museums, das wir in Taipei besucht hatten. Über ein paar Stücke durfte sich das hiesige Museum also auch freuen. Was uns begeisterte, war ein mehrere Meter langes Bild auf einer Art Stoffstreifen, das jedoch auch digital an die Wände projektiert wurde. Es handelte sich um eine wunderbare Zeichnung des historischen Tainan. Das besondere war, dass man per Knopfdruck verschiedene Stellen herauszoomen konnte und auch Informationen über z.B. das jeweilige Gebäude oder die dargestellte Situation bekam. Neben einer Ausstellung, in der afrikanische und taiwanesische Künstler zum Thema Freiheit Fotos ausgestellt hatten, konnten wir Gemälde verschiedener taiwanesischer Künstler bewundern.

Im Anschluss gingen wir Pizza essen. Ich hatte mal wieder Lust, auf etwas westliche Kost, bevor wir danach noch den Tainan Grand Mazu Tempel besuchten. Hier beobachteten wir die Aufbauarbeiten für einen Drachen wie zuvor beschrieben und es gab darüber hinaus den Nachbau eines großen Schiffes. Der Tempel war früher der Palast des letzten Königs der Ming Dynastie und wurde kurz vor seinem Tod seinem Wunsch entsprechend zum Tempel umgewandelt. Von hier schlenderten wir zur Shennong Street. Es war eine wunderschöne historische Straße in dem ehemals 5-Kanäle-Viertel von Tainan, wo früher zahlreiche Menschen ihre Waren verschifften. Unter der fortschreitenden Verstädterung verschwanden in japanischer Zeit die Kanäle, aber die 300 Jahre alte Shennong Street ist erhalten geblieben und heute ein wunderschönes Künstlerviertel mit kleinen Geschäften, Werkstätten und Gastronomie. Bunte Laternen, Pflanzen und nett gestaltete Fassaden machten sie zu einem Schmuckstück, wo man sich sogar, und das war wirklich sehr selten und erholsam, ohne stinkende Motorroller umgucken konnte. Als es dämmerte, gingen wir zu einem weiteren Hingucker, dem Blueprint Culture und Creative Park. Laut Internet befand sich hier ehemals der Schlafsaal der Mitarbeiter des Gefängnisses und Internierungslagers. Um das Gebäude zu erhalten hatte die Stadt Künstler und kreative Menschen angeheuert, die dem Viertel neues Leben eingehauchten. Mit Farben, Lichtspielen, bemalten Fassaden und kleinen Läden wurde hier ein weiteres Gebiet geschaffen, wo man sich gerne treiben und faszinieren ließ. Es erschien uns so, als würde in den kommenden Jahren hier noch einiges in der Stadt abgerissen, restauriert und mit neuem Leben versehen, wobei sich die Frage stellte, ob das Menschen ihrer Wohnung beraubte und ob es auch weiterhin noch bezahlbaren Wohnraum geben würde. Wir sahen an vielen Stellen, dass Gebäude abgerissen worden waren, wo man noch die Spuren an den Nachbarhäusern sah, oder nur noch eine alte Fassade vor einem neuen Haus stand. Vielleicht waren diese Häuser auch gar nicht mehr bewohnt bzw. bewohnbar und zu retten.

Freitag, 2.2.24 Tainan

Der Tag war sehr erlebnisreich. Wir nahmen einen Bus zur Ewigen Goldenen Burg, einer alten Festung aus der Qing Dynastie. Es war ein Burgtor, mehrere Kanonen auf Hügeln, die die Gräben rings um die Burg bewachten und ein Exerzierplatz für die Soldaten zu sehen, keine aufregende Sehenswürdigkeit, aber schön, dem Verkehr entronnen zu sein. Von hier wanderten wir auf die Yuguang Insel, die an der Westküste vor Tainan im Südchinesischen Meer lag und mit einer Brücke mit dem Festland verbunden war. Über wunderbare Holzwege führte ein Wanderweg durch ein Wäldchen mit knochigen Bäumen entlang eines Sandstrandes, der aber wegen Unterwasserstrudeln nicht zum Schwimmen erlaubt war. Es war sehr wohltuend, den Geruch vom Meer und die frische Luft tief einzuatmen. Nach einer guten Stunde nahmen wir den Bus, dieses Mal einen Minibus für 9 Personen, und fuhren in den Distrikt Anping. Wir besuchten die Anping Old Street, eine bunte, historische Straße mit vielen Essensständen und Geschäften. Typisch für die Region war eine Art Jerki Beef, dass man aus Amerika als getrocknetes Rindfleisch kennt. Hier war es aber eine feucht aussehende Masse, die ähnlich einer Wurst geformt wurde und dann Stücke zum Verkauf abgeschnitten wurden. Das probierten wir als Vegetarier natürlich nicht, ebenso wenig wie die ziemlich großen Krupuk – Krabbenchips. Wir fanden etwas Süßes interessanter. Es gab kleine, in Fett ausgebackene Teigröllchen, die man mit unterschiedlichsten Pulvern bestreute, auf einen Stab gesteckt essen konnte. Wir probierten die Geschmackssorten Pflaume, Zitrone, Matcha und von der letzten hatte Stefan den Namen schon wieder vergessen, als er es gekauft hatte. Die Teigröllchen waren von innen recht weich, so wie nicht durchgebacken und schmeckten mit den unterschiedlichen Bestäubungen nicht schlecht, aber man musste sie auch nicht unbedingt probiert haben. Weiter ging es zum Fort Zeelandia, bei dem der Name schon verriet, dass da wohl die Holländer ihre Finger im Spiel hatten. Sie waren während der Jahre der Entdeckungsreisen mit der Niederländischen Ostindien- Kompanie hier und bauten überall an ihren Handelsplätzen Forts zur Überwachung ihrer Handelsrouten.  Danach besuchten wir den Lin Mo-niang Park und den Historic Harbourside Park. Da am folgenden Tag das Taiwan Lantern Festival beginnen sollte, also das Lichterfest, waren überall im Park entlang des Kanalsystems Lichtinstallationen angebracht, die schon unbeleuchtet toll aussahen. Wir entschlossen uns, ab 18:00 eine Bootsfahrt durch die Kanäle mitzumachen, was wirklich toll war. Nicht nur, dass die Lichter der Stadt überall leuchteten und wir unter 13 Brücken durchfuhren, wobei wir bei zweien sogar ohne Übertreibung die Köpfe einziehen mussten, weil die Brücke so niedrig war, dass sie fast an die Reling stieß, wurden bei Dunkelheit auch an diesem Abend bereits die Lichtinstallationen beleuchtet, was absolut magisch aussah. Auch wenn wir von den Erklärungen nichts verstanden, außer, dass wir an einer Austernfarm vorbeigefahren sind, war es ein beeindruckendes Erlebnis.

Schwierig wurde es erst bei der Rückfahrt. Wir waren dort ziemlich abgelegen und es gab nur eine Linie, die von dort abends in die Innenstadt zurückfuhr. Den ersten Bus verpassten wir gegen 19:00, weil wir zu spät erkannten, dass wohl wegen des Festes die Bushaltestelle verlegt worden war. Als wir an der richtigen ankamen, sollte der nächste Bus in 32 Minuten fahren. Wir liefen noch etwas rum, weil es Stefan kalt wurde, und als wir zurückkamen, wurde nur noch angezeigt, dass der Bus Verspätung hätte, aber nicht wie viel. Wir und noch ein paar Andere standen dort, immer mit Blick auf den digitalen Fahrplan im Handy, ob nicht doch noch was anderes ging, als nach ca. weiteren 20 Minuten angezeigt wurde, dass der Bus in 70 Minuten! ankäme. Wir hatten herausgefunden, dass es noch einen anderen geben müsste, der aber auch von der derzeit nicht genutzten Haltestelle abfahren sollte. Stefan versuchte herauszufinden, wo der Bus als nächstes halten würde, und dann liefen wir mit Karacho einige hundert Meter zu der Haltestelle und siehe da, wir hatten Glück und erwischten den Bus noch. Dieser hatte dann aber so viel Verspätung, dass wir den Anschluss zu uns verpassten, aber das war dann auch egal, weil wir uns auch noch irgendwas zu Essen besorgen mussten. Die Restaurants machten zwischen 20 und 22 Uhr zu, da hatten wir keine Chance mehr, aber zum Glück gab es ja die Convinient Stores 7/11 und Family Mart, die 24 Std. eine nicht besonders reichhaltige, aber immerhin überhaupt Versorgung von Fertigsalaten, -gerichten, Süßkram und ähnlichem anboten, und damit waren wir dann gerettet und konnten spät, aber wenigstens überhaupt noch etwas zuhause essen.

Samstag, 3.2.24 Tainan

Im Anbetracht unserer Bus Odyssee am Vorabend, wegen der wir nach dem Bericht schreiben und Abendessen erst gegen Mitternacht ins Bett kamen, hatten wir für heute einen ruhigeren Tag geplant. Noch dazu waren 30? angesagt und wir erwarteten aufgrund des Samstags wieder eine verringerte Busfrequenz. Wir nahmen uns vor, ins National Museum of Taiwan History zu fahren. Eigentlich sah es mit den Bussen gar nicht so schlecht aus, wenn nicht am 1.2. Fahrplanwechsel gewesen und unsere Nummer betroffen gewesen wäre. Google Maps wusste davon nichts, aber zum Glück konnten wir dank Google Übersetzer die Info einem Zettel an der Bushaltestelle entnehmen. Clevererweise hatte man leider nicht gleich die veränderten Zeiten dazu gehängt. Da unsere Haltestelle keine dieser praktischen, digitalen Informationstafeln bot, die immer Busnummer und in wie viel Minuten er kommen sollte anzeigten, machten wir uns auf zur nächsten Haltestelle. Der Weg war ätzend, denn Hitze und Verkehr machten das Atmen fast unerträglich. Da wir entlang einer 6-spurigen Durchfahrtsstraße laufen mussten, war das Aufkommen an Autos und vor allem Rollern extrem und die Bürgersteige meistens auch von letzteren zugeparkt. Manchmal wunderte es einen schon, dass die Rollerfahrer nicht noch bis vor die Kasse in den Geschäften fuhren wie bei den Straßenständen. Wir kamen also an der nächsten Haltestelle an und versuchten uns gerade per Handy und Aushang zu orientieren, als unser Bus an uns vorbeirauschte. So ein Mist! Die hielten nämlich nur, wenn man ihnen winkte, oder jemand aussteigen wollte. Nun durften wir nochmals ca. 40 Minuten warten, bis der nächste mit Verspätung eintraf. Das Busfahren lief in Taipei bedeutend besser, da fuhren ständig irgendwelche Busse, oder man hatte die Metro als Alternative. Die vermissten wir hier schmerzlich in so einer großen Stadt. Irgendwann, ca. 2 Stunden nachdem wir das Haus verlassen hatten, kamen wir beim Museum an. Wir stellten fest, dass sich die Mühe gelohnt hatte. Es war meiner Meinung nach eines der besten geschichtlichen Museen, die ich je besucht hatte. Sehr anschaulich wurde in einem riesigen Gebäude die Entwicklung Taiwans gezeigt, von der ersten Besiedelung an der Ostküste vor ca. 10000 Jahren durch die Pinpu (Plais indigenous people- also Ureinwohner, die hauptsächlich auf dem Flachland lebten) über die große Zeit der Entdecker, die Taiwan als Knotenpunkt für ihren Handel besiedelten, wie die Portugiesen, die die Insel Formosa nannten, die Spanier und die Holländer. Letztere hatten Einfluss auf das zuvor herrschaftsfreie Zusammenleben der Ureinwohner, indem sie Stammeshäuptlinge einsetzten und Missionare, die, wie im Museum zu lesen war, in der einen Hand die Bibel und in der anderen die Waffe trugen. Hierdurch wurden die mythologischen Vorstellungen verändert und neue Denkstrukturen gebildet. Nach einer Einwanderungswelle durch Han-Chinesen, kam, als in China die Ming Dynastie 1661 dem Ende zu ging, der Ming Loyalist Zheng Chenggong mit Soldaten nach Taiwan, schlug ein Jahr drauf die Niederländer und vertrieb sie von der Insel. Er gründete das feudale Königreich Tungning. 20 Jahre später wurde auch dieses von der durch die Mandschu gegründete Qing Dynastie unterworfen und erstmals unter die Kontrolle des chinesischen Festlands gestellt. Die Einflussnahme auf die Lebensweise der Ureinwohner wurde jetzt noch beträchtlicher. Die Ureinwohner Taiwans wurden in rohe Wilde und angepasste Wilde unterschieden. Die sogenannten rohen Wilden lebten zumeist in den Bergen. Sie wurden im Großen und Ganzen von den Herrschern in Ruhe gelassen, weil es ihnen zu teuer und aufwendig war, dort in das Leben einzugreifen. Anders jedoch in den Städten. Die Ureinwohner, die den chinesischen Haarschnitt – Vorderhaar abrasiert, hinten einen Zopf – und die chinesische Kleidung trugen, wurden bevorzugt. Es wurden chinesische Schulen gebaut und Buddhismus und Konfuzianismus eingeführt, was das von den Holländern gebrachte Christentum verdrängte. 1894/95 verloren die Chinesen im ersten chinesisch-japanischen Krieg und mussten die Insel nach dem Vertrag von Shimonoseki an Japan abtreten. Es gründete sich eine Protestbewegung im Land, die aber bald zerschlagen wurde und der Beginn einer 50-jährigen Kolonialzeit durch Japan einleitete. Japan begann die Insel wirtschaftlich zu erschließen, brachte die Bergbewohner unter ihre Kontrolle, indem Kopfgeldjagden und Schamanismus verboten wurden. Japan hat entgegen dem, was wir über die Kolonialisierung durch Europäer wissen, die zumeist die Arbeitskraft und die Ressourcen der Kolonien ausgebeutet und die Einwohner als minderwertig eingestuft haben, versucht, die Taiwanesen zu Japanern zu machen. Nach der Niederschlagung erster Revolten, hat man durch Bildung, Sprache, Vorbilder etc. die Menschen indoktriniert und wollte, dass sich die Taiwanesen als stolze Mitglieder des japanischen Imperiums verstanden. Adelige durften ihre Kinder auch auf höhere Schulen nach Japan schicken. Hieraus entwickelte sich in den 20iger Jahren eine neue intellektuelle Schicht mit einem Verständnis von Demokratie, politischen Konzepten und Rechten und Pflichten. Den Japanern war darüber hinaus daran gelegen, hierdurch neue Soldaten zu rekrutieren, so sah man die Taiwanesen als fähige Kämpfer in Bergregionen an und schickte sie 1942 auf die Philippinen und nach Neuguinea, um für Japan zu kämpfen.

Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg musste Japan Taiwan den Chinesen zurückgeben. 1949, nachdem Chiang Kei Schek und die Kuomintang vor Mao Zedong nach Taiwan flohen, wurde es zur Republik China. Truppen der Kuomintang besetzten die Insel, es kam zu Korruption, japanische Besitzgüter wurden beschlagnahmt, der Schwarzhandel blühte und es kam zum Bürgeraufstand, der mit eiserner Hand niedergeschlagen wurde. Einer Gewaltwelle, die der Weiße Terror genannt wurde, fielen rund 30000 Taiwanesen zum Opfer. Erst 1987 ersetzte die zivile Regierung die Militärregierung. Außer Soldaten waren auch viele Intellektuelle, Wissenschaftler und Ingenieure nach Taiwan geflohen und im Land begann eine rasante Entwicklung vom Agrarland zum hochtechnisierten Industrieland, wie wir es heute kennen.

Diese ganze Entwicklung wurde im Museum sehr informativ in Chinesisch und Englisch beschrieben und durch nachgestellte Szenen in Form von Figuren, Räumlichkeiten, Videos, Interviews, Landkarten, historischen Booten und vieles mehr zu einem Erlebnis vieler Sinne. Es war genau die richtige Beschäftigung für einen erdrückend heißen Tag draußen, vor dem wir in die gekühlten Museumsräumlichkeiten fliehen konnten. Unsere Rückfahrt war dieses Mal ohne Probleme und wir konnten pünktlich zur Abendessenszeit in unser vegetarisches Restaurant vom ersten Abend gehen und uns die Bäuche vollschlagen. Das schöne war, dass die vegetarische Kost hier leicht war und nicht auf den Magen drückte, da sie nichts in Fett Gebratenes oder Frittiertes enthielt. Zum Dessert wechselten wir in das Bäckerei Café gegenüber, wo wir ein leckeres Teilchen mit Walnüssen und einen Oolong Tee verzehrten, bevor wir uns in unser Apartment zurückbegaben.

Sonntag, 4.2.24 Tainan

Wir besuchten den Taijiang Nationalpark. Im Besucherzentrum begrüßte uns erfreut dieselbe Dame, die tags zuvor im National History Museum für uns übersetzt hatte. Sie hatte sich wahrscheinlich gemerkt, dass ich einen Behindertenausweis vorgelegt hatte und sie deshalb zum Dolmetschen von den Kollegen gerufen wurde. Heute arbeitete sie nun im Nationalpark und war wieder sehr nett und erklärte uns, wo wir auf den Radwegen wandern könnten, wo die Boote abführen, und teilte uns mit, dass wir Glück mit dem Bus gehabt hätten, weil der nur am Wochenende bis zum Nationalpark führe. Wie gut, dass wir ausgerechnet den heutigen Tag gewählt hatten! Wir liefen entlang zahlreicher Wasserbecken, die zur Austernzucht verwendet wurden. Meist hatten sie ein kleines Wasserrad, das für Sauerstoff sorgte. In diesem Gebiet gab es auch einige Vögel zu sehen. Nach gut 2,5km kamen wir zum Sikao Dazhong Temple, neben dem Bootsfahrten durch den Green Tunnel, ein Mangrovengebiet, angeboten wurden. Die Bootsfahrt war zwar nur 30 Minuten lang, aber dennoch schön. Wir fuhren auf einem flachen Boot mit kleinen Höckerchen, mussten aber dennoch häufig den Kopf einziehen, dieses Mal nicht wegen Brücken, sondern, um nicht gegen die Äste zu stoßen. Im Dickicht der Mangroven konnten wir Vögel sehen. Leider konnten wir die vielen Erklärungen der Reiseleitung nicht verstehen. In den Museen fand man häufig schriftliche Übersetzungen in Englisch, aber alles was mündlich war, war nur auf Chinesisch. Nach der Tour gingen wir durch die kleine Ansiedlung und entlang der Küste wieder zum Besucherzentrum zurück, von wo wir den Bus in unsere Richtung nahmen und wieder im Stammrestaurant zu Abend aßen. Der Vorteil bei diesen vegetarischen Buffets war einfach, dass man von allem probieren konnte. Man nahm halt nur ein bisschen, und sollte man etwas gar nicht mögen, war es auch kein Drama, weil man ja noch genug anderes zu essen hatte und den Versuchshappen notfalls am Ende entsorgte, anstatt ein ganzes Essen stehen lassen zu müssen. Man räumte seinen Tisch selbst ab und sortierte Teller und Müll wie in der Jugendherberge. Auch in unser Café nebenan gingen wir wieder und hatten zu unserem Teilchen einen Espresso mit Eis und Zitrone. Er war nicht ganz so gut wie der mit Orange, den Stefan kürzlich hatte, aber auch ganz lecker.

Das Wetter war heute bedeckt und gelegentlich tröpfelte es etwas, dafür war es nicht so heiß und stickig. Wir waren sehr froh, dass auch für die kommenden Tage kühleres Wetter angesagt war.

Montag, 5.2.24 Tainan

Dieser Tag war nicht besonders erwähnenswert, er war ehr enttäuschend. Das Frühstück in unserem Café nebenan war noch ok, aber unser Versuch, in Richtung Xinhua Forest im Osten von Tainan zu gelangen und wieder etwas Natur zu genießen, scheiterte. Der erste Bus vor unserer Haustür kam nicht, also versuchten wir die zweite Buskombination von einer anderen Haltestelle aus. Das hieß mal wieder schnellen Schrittes entlang der vielbefahrenen Durchgangsstraße, immer zwischen Bürgersteig und Gosse wechselnd, weil Roller den Weg versperrten, zur nächsten Haltestelle zu hetzen. Währenddessen kam der Bus, den wir zuerst versucht hatten zu nehmen, an uns vorbeigefahren. Er hätte uns aber auch nichts mehr gebracht, weil wir die Verbindung verpasst hätten. An der zweiten Bushaltestelle war inzwischen der Bus, den wir haben wollten, durchgefahren und mit dem nächsten in über 30Minuten machte die Verbindung einfach keinen Sinn mehr. Wir wären ca. 2Std. gefahren, um nach weiteren zwei Stunden wieder zurückzumüssen, da die letzte Verbindung gegen 17:00 gewesen wäre. Wir versuchten immer, bereits die vorletzte zu bekommen, weil die Gefahr, über Nacht auf der Strecke zu bleiben, einfach zu groß war. Wir entschieden uns, nochmal ins Zentrum zu fahren und den Wind Tempel anzusehen. Mit einmal umsteigen erreichten wir ihn auch. Wir liefen danach noch zu einem künstlichen Wasserpark, genannt The Spring, der einem Wasserlauf nachempfunden war, der bis zum Kanal, auf dem wir letzten Freitag unsere abendliche Bootstour unternommen hatten, führte. Am Tag wirkte er ehr langweilig, umgeben von Beton, aber nachts war er beleuchtet und sah nett aus. Außerdem fanden ein paar Kinder es toll, mit den Füßen im Wasser zu planschen und alles, was es uns ermöglichte, von den befahrenen Straßen wegzukommen, war allein schon deshalb gut. Man kann unschwer aus meinen Worten erraten, dass ich etwas genervt war von der Stadt. Tainan hatte wirklich viel zu bieten und sehr hübsche Stellen, wie die beleuchteten Installationen am Wasser, den Nationalpark und die Museen, aber es war furchtbar anstrengend, diese Ziele zu erreichen. Der Verkehr war grässlich stinkend, staubig, laut und die Roller gefährlich. Die Gerüche aus den Gullys, die ca. alle zwei Meter zwischen Fußweg und Straße waren, stanken häufig wirklich eklig, sodass die Lauferei und auch die Warterei an den Bushaltestellen richtig anstrengend waren. Da man fast immer mindestens eine Stunde unterwegs war, egal wohin man wollte, war man oft schon kaputt, wenn man ankam. Heute hatte uns das alles besonders genervt und mir war schummrig, weil ich auch nicht gut geschlafen hatte, sodass wir bereits am Nachmittag wieder ins Apartment zurückkehrten und uns erholten. Wir gingen nur noch einmal zum Abendessen um die Ecke, das wars dann für den Tag. Der kommende war unser letzter Tag in Tainan und wir planten noch einen letzten Versuch, ein wirklich interessantes Ziel mit Bus und Zug anzusteuern. Wir mussten dafür aber mal wirklich früh los. Da Stefan morgens erst immer joggte, kamen wir in der Regel nie vor 10:00 weg, das musste am kommenden Morgen mal anders gehen, denn sonst lohnte sich die recht lange Fahrt nicht. Wir würden sehen. Am Mittwoch sollte es dann weitergehen nach Kaohsiung.

Dienstag, 6.2.24 Tainan – Ausflug Moon World

Unser Ausflug hat funktioniert! Bei schönstem Sonnenwetter fuhren wir ca. 2 Stunden mit zwei Bussen zu unserem Ziel, der Moon World, südöstlich von Tainan. Es handelte sich um einen Streifen geologisch charakteristischen Ödlandes, das durch die Verjüngung der Erdkruste in einem langen Prozess entstanden war. Heftige Regenfälle und reißende Flüsse hatten den Sand weggespült und ihn dann auf Schlammsteinen abgelagert. Tecktonische Veränderungen der Erdkruste und Verwitterungs- und Sedimentationsmechanismen verwandelten die Sand-Schlammstein-Mischung in das, was dort jetzt zu sehen war. Ein Landstrich, auf dem außer flachwurzelnden, dürre- und salztoleranten oder maritimen Arten (Yushan-Zuckerrohr usw.) kein Pflanzenleben existierte. Es hatten sich gefaltete Gebilde entwickelt, die dem Betrachtenden das Bild einer Mondlandschaft vermittelten. Durch diese Landschaft wurde ein Wanderweg angelegt, der zwar kurz, aber dennoch sehr schön war. Sicher wäre der Anblick bei Abendsonne noch malerischer gewesen, aber wir wollen nicht meckern. Es gefiel uns auch so sehr gut. Danach mussten wir auch nicht lange auf den Bus zurück zum Schnellzugbahnhof von Tainan warten, der sehr weit außerhalb der Stadt lag. Die Zeit, die die Zugreisenden durch den Hochgeschwindigkeitszug einsparten, brauchten sie dann später, um mit dem Bus oder Regionalzug in die Stadt zu fahren. Zu unserer Freude fuhr von dem Bahnhof auch direkt ein Regionalzug zu einem unserer Unterkunft näheren Bahnhof, von dem aus wir dann nach Hause laufen konnten. Unterwegs kamen wir an einem Restaurant vorbei, welches wir an diesem Abend testen wollten. Viermal dasselbe Restaurant reichte dann doch, um sich mal Abwechslung zu wünschen. Am nächsten Tag hieß es dann wieder: neuer Ort, neues Glück und wahrscheinlich einige (Aha)- Erlebnisse mit dem Chinesischen Neujahr.

Mittwoch, 7.2.24 Tainan-Kaohsiung

Neues Ziel erreicht: Kaohsiung. Ca. 2,7Mio Einwohner, Hafenstadt mit vorgelagerter Insel, dem Liebesfluss und vielen wirklich imposanten Hochhäusern, z.B. dem 248 m hohen Tuntex Skytower. Einen ersten Eindruck bekamen wir bereits bei der Anreise. Vom Bahnhof Gangshan konnten wir mit einer modernen Straßenbahn bis direkt vor unsere Tür fahren. Das war schon mal ein riesiger Pluspunkt für die Stadt, denn es fuhren drei Linien und uns würde es damit zu vielen Zielen erspart bleiben, uns im Gewusel von Bussen zurechtfinden zu müssen. Außerdem war es weitaus angenehmer an Straßenbahn – bzw. Metrohaltestellen zu warten als im Abgasgestank einer Bushaltestelle. Ein zweiter Pluspunkt für die Lage unseres Zimmers war, dass wir direkt am Glory Pier des Liebesflusses wohnten und noch dazu derzeit das Wintervergnügen „Kaohsiung Wonderland“ hier stattfand. Eine gelbe Ente war das Maskottchen, das wie eine überdimensionale Badeente im Fluss vor unserer Unterkunft schwamm. Die „heilende gelbe Farbe“ sollte „Winterhitze in die Hafenstädte bringen“ – na dann??, warm war es heute auf jeden Fall. Unser Zimmer im 10. Stock war hingegen enttäuschend. Nach dem netten Apartment in Tainan erschien uns unser Zimmer hier wie ein Loch. Die Bettwäsche war fleckig, sodass wir sie gleich in die Waschmaschine steckten und danach mit einem Ventilator trockneten. Zum Glück waren diese Geräte vorhanden. Zur Ehrrettung unserer Vermieterin müssen wir allerdings zugeben, dass auch nach unserer Wäsche die Flecken nicht raus waren. Vielleicht war das Bettzeug also doch gewaschen. Unser Fenster ging in den Luftschacht, Blick in den Himmel – Fehlanzeige. Es hätte so schön sein können, von dieser Höhe aus über den nächtlich beleuchteten Pier zu gucken, aber das mussten wir uns wohl abschminken. Nachdem wir uns etwas eingerichtet hatten, machten wir uns auf zur ersten Besichtigungstour. Wir gingen zum Kaohsiung Cultural Center. Es waren fast 3 km zu laufen, aber es fiel schon auf, dass das hier nicht ganz so anstrengend war. Die Bürgersteige waren breiter und es wirkte insgesamt moderner und reicher und immer wieder bot sich unterwegs ein Blick auf ein Gebäude, das interessant aussah. Das Kulturcenter lag in einem größeren Park, in dem etliche Leute Qigong machten. Man sah das hier häufiger, dass, besonders ältere Menschen, ganz versunken in Übungen in Parks waren. Wir hatten das bei einem Zwischenstopp in China bereits einmal beobachten können. Heute kam sogar eine Anleitung durch Lautsprecher. Etwas merkwürdig sah das schon aus, wenn überall Leute mit den Armen kreisen, sich auf die Arme schlugen, oder rhythmisch mit dem Rücken gegen Bäume hauten und dabei stöhnten. Auf einer Plattform vor den Eingängen ins Kulturzentrum übten Jugendliche vor Spiegelwänden Breakdance oder andere Tanzschritte. Wir sahen uns das kommende Programm im Kulturzentrum an, aber da war nichts dabei, was für uns infrage kam. Lesungen in Chinesisch oder Workshops für Familien mit Kindern gingen wohl ehr an unserem Interesse bzw. unseren Chinesisch Kenntnissen vorbei. Wir liefen weiter zum Liouhe Nightmarket und man sollte es nicht glauben, da wurde hier sogar von abends bis morgens die Straße für Roller gesperrt! Wie angenehm war das denn? Wir sahen sogar in der Nähe ein Stück Fußgängerzone. Überall dort, wo in Taiwan neue Viertel entstanden oder alte saniert wurden, versuchten die Stadtoberen schon, etwas mehr für Fußgänger zu tun, aber in den Altstädten hatte eindeutig der motorisierte Verkehr das Sagen. Nach dem Nightmarket nahmen wir die Metro ins Viertel Yancheng, weil wir bei Google dort ein vegetarisches Büfett Restaurant ausfindig gemacht hatten. Wir fanden es auch und es schmeckte auch ganz gut, aber das Restaurant war unserer Meinung nach schäbiger als die, in denen wir in Tainan und Chiayi waren. Wir markierten es nicht als unser Stammrestaurant. Nun mussten wir noch einkaufen, damit wir über die Feiertage nicht am Hungertuch nagten. Wir fanden einen PX- Discounter, wo wir ein paar Lebensmittel einkauften und gleichzeitig feststellten, dass dieser mit kürzeren Öffnungszeiten auch über die Feiertage geöffnet haben würde. Das war gut zu wissen, denn im Gegensatz zu unseren vorherigen Unterkünften, die entweder Wasserfilter eingebaut, Wasserspender auf dem Flur oder, wie beim letzten, etliche Liter in Wasserflaschen bereitgestellt hatten, hatte unsere derzeitige Vermieterin nur 2×0,5 Liter hingestellt. Wir deckten uns also schon mal etwas ein und fuhren dann mit der Straßenbahn nach Hause. Am Pier war Live-Musik und es sah wieder alles malerisch beleuchtet aus. Wir machten ein paar Fotos, entschieden dann aber heimzugehen, denn die Feierlichkeiten würden auch an den nächsten Tagen noch weitergehen, da mussten wir nicht alle Highlights am ersten Abend schon auskosten.

Donnerstag, 8.2.24 Kaohsiung

Wir begannen den Tag mit einem Frühstück im Café nebenan. Es gab Bagel mit Ei und Pilzen für mich, mit Ei und Tomaten für Stefan, dazu Kaffee und Oolong Tee. Wir wollten die Chance nochmal nutzen, bevor in den nächsten Tagen alles dicht sein würde. Daher auch der Plan, an diesem Tag ins National Museum of Science and Technology zu gehen. Das Museum befand sich, wie eigentlich alle Museen bisher, in einem riesigen, imposanten Gebäude. Die Ausstellung umfasste Raumfahrt, die Technologieentwicklung in Taiwan vom Fahrrad bis zum Hightech- Chip, vom Kochen und der Ernährung im Steinzeitalter bis in die Neuzeit, von chinesischer Medizin bis zur elektronischen Patientendatei und elektronischen Wearables aller Art, von gesunder Lebensweise bis zur Telekommunikation und umweltfreundlicher und funktioneller Bekleidung. Einen Sonderbereich nahm eine Ausstellung über den schlimmsten Taifun, der Taiwan je getroffen hatte, den Taifun Morakot im Jahre 2009 ein. Er kostete 673 Menschenleben, 26 Vermisste und hinterließ 3,3 Milliarden USD Schäden. Er führte zu diversen Erdrutschen, die ganze Dörfer begruben und auf Dauer unbewohnbar machten. Es wurde anschaulich berichtet, wie Hilfskräfte Menschen retteten und in 88 Tagen 756 neue Häuser errichteten, wofür aus 52 Ländern gespendet wurde. 60000 Bäume wurden zeitweilig umgepflanzt und später zurück in ihre alte Umgebung gepflanzt. Viele der Dörfer waren Stämme der Ureinwohner Taiwans, mit althergebrachten Lebensweisen, Bräuchen und Berufen. Bei der Umsiedlung in sicherere Gebiete und Aufbau der Siedlungen achtete man auch auf diese Bedürfnisse, um ihnen ihre Wurzeln nicht zu nehmen. Es war schon ergreifend, diese Berichte zu lesen. Wir verbrachten einige Stunden im Museum, bis uns der Magen knurrte. Wir fanden ein interessant klingendes, vegetarisches Restaurant ein Stück entfernt. Dieses Mal war es kein Büfett, in dem nach Gewicht abgerechnet wurde, sondern „all you can eat“, dafür aber auch eine Klasse besser, mit schönerem Ambiente, einer sehr großen Auswahl von warmen und kalten Speisen, Desserts inklusive Eis und Getränken von Tee/Kaffee über Fruchtsaftgetränke bis zu Wasser. Natürlich kostete das mehr, aber wir aßen natürlich auch mehr und die Qualität war es wirklich wert. Für ca. 13€ pro Person würden wir das nie Zuhause bekommen. Da uns Sunny aus Taichung am kommenden Montag hier in Kaohsiung besuchen wollte, planten wir, sie vielleicht dorthin einzuladen. Den Abend verbrachten wir staunend am Pier vor unserer Haustür, wo noch immer das Winter Wonderland stattfand, Stände aufgebaut waren und die Gebäude Abend für Abend mit Lasershows zu schöner Musik in einer Lichtershow angestrahlt wurden. Die Lichter spiegelten sich wunderschön im Wasser und es war eine ganz angenehme – für uns sommerliche – Atmosphäre. Wir konnten auch in die Eingangshalle der architektonisch unglaublich faszinierenden Musik Hall hinein, die von außen das meiner Meinung nach tollste beleuchtete Gebäude war und auch von innen beleuchtet wurde.

Freitag, 9.2.24 Kaohsiung – Ausflug zum Berg Banpinshan

Der heutige Tag war sehr schön, aber nach 25527 Schritten war ich abends auch wirklich geschafft. Wir waren wandern, zuerst ein Stück entlang des Lotus Sees, der im Nordwesten von Kaohsiung, etwa 50 Min Busfahrt von uns entfernt, lag. Von dort wanderten wir zur Aussichtsplattform des Berges Banpinshan und zum Schluss den Rest der Seerunde wieder zur Bushaltestelle zurück. Am und auf dem See gab es mehrere Pagoden, Tempelchen, Aussichtsplattformen und eine Drachenfigur, alles hübsch bunt und fotogen. Besondere Aufmerksamkeit zog die 72 Meter hohe Statue des arktischen Xuantian-Gottes auf sich, die als höchste Wasserstatue Südostasiens galt. Allein sein Schwert sollte 38,5 m lang sein. Unter ihm befand sich der Tempel zum Gebet. Davor waren zwei Münzgeräte, ähnlich wie Geldspielgeräte. In einem war ein künstliches Huhn. Warf man Geld rein, begann es zu wackeln und gackern und legte ein goldenes Ei. Was das mit Glauben zu tun hat, erschloss sich uns beim besten Willen nicht. Zur Aussichtsplattform des Banpinshan ging es durch ein richtiges Wandergebiet mit mehreren Aussichtspunkten, einem Feuchtgebiet, einer Messstation für Erdkrustenverformung, die Aufschluss über Erdbebengefahren gab, Felsen und dichtem Wald. Ursprünglich war der Berg ein Korallenriff, das aus dem Wasser ragte. Über Jahrzehnte wurde erst durch die Japaner und bis in die 90iger auch von den Taiwanesen selbst, hier Kalk abgebaut, was nicht nur das Ökosystem fast völlig zerstörte, sondern auch zu Erdrutschen führte, die Arbeitern das Leben kostete. Erst in den letzten Jahren wurde wieder aufgeforstet und durch den Kalkabbau entstandene Gruben zu Feuchtgebieten umgestaltet. Inzwischen hatte sich das Ökosystem wieder erholt und man konnte wunderbar wandern und im Dickicht oder den Baumkronen mit etwas Glück Vögel beobachten. Von der Aussichtsplattform hatte man einen Blick über Kaohsiung. Mit dem Wetter hatten wir wirklich viel Glück. Auch heute schien wieder die Sonne, aber es war nicht zu heiß zum Wandern. Als wir am frühen Abend zurück in unser Wohngebiet, also ziemlich ins Zentrum kamen, bekamen wir einen ersten Vorgeschmack von den kommenden Feiertagen. Es hatten keine Restaurants oder Läden mehr geöffnet, außer die überall Glück versprechenden Lottoläden. Nur noch unser 7/11 nebenan hatte seine Türen geöffnet und versprach das auch über die Feiertage 24 Std täglich beizubehalten. Unser Überleben war also gesichert. Wir hatten zum Glück auch vor der Rückfahrt noch ein paar leckere Teilchen bei einem Bäcker gegessen, so reichten uns unsere Vorräte im Zimmer, um diesen Abend satt zu werden. Der kommende Tag war dann das chinesische Pendant zu unserem Silvester, also der Abend vor Neujahr.

Samstag, 10.2.24 Kaohsiung – Chinesisches Neujahrsfest

Die Frage, wie die letzte Nacht war, war schwierig zu beantworten. Wir hatten schlecht geschlafen, aber das lag definitiv nicht am Jahreswechsel, sondern an Besuch von Mücken und Gestank aus dem Bad. Wir waren bis 24:00 aufgeblieben, weil wir sehen wollten, wie die Taiwanesen denn nun wirklich ins neue Mondjahr starten. Bereits am Nachmittag schlossen die Geschäfte und Restaurants, außer 7/11. Wir aßen daher in unserem Zimmer Suppe und Brot und warteten, was da so kommen würde. Wir fragten per WhatsApp bei Anna und Sunny, was und ob wir etwas zu erwarten hätten, Feuerwerk oder ähnliches.

Anna antwortete, dass um Mitternacht viele Leute Kracher zünden würden, um das alte Jahr wegzuschicken und das neue zu begrüßen. Ansonsten wäre es ein anstrengender Tag, weil man das Haus reinigte, die Vorfahren verehrte, rote Frühlings-Couplets (zwei nebeneinanderliegende Gedichtzeilen, insbesondere solche , die sich reimen und die gleiche Länge und den gleichen Rhythmus haben) an der Haustür anzubringen hatte, gemeinsam mit der ganzen Familie zu Abend aß und Glücksgeld in roten Umschlägen Kindern und jungen Leuten schenkte, die noch kein eigenes Einkommen hatten. Danach bliebe die Familie lange auf, um alten Leuten ein langes Leben zu wünschen. Außer Laternen wäre in den Straßen nicht viel zu sehen.

Als wir es gegen 23:30 draußen ballern hörten, machten wir uns dennoch auf den Weg vor unser Haus. Von unserem Zimmer konnte man ja nichts außer dem Lichtschacht sehen. Es war genau wie Anna gesagt hatte, es war gar nichts zu sehen. Die wunderschöne Beleuchtung der Tage zuvor, strahlend gelbe Entchen, bunte Häuser: alles war dunkel! Zweimal sahen wir kurz 2-3 Raketen und ein paar rote Leuchtkugeln, die wahrscheinlich Seefahrtszubehör waren, ansonsten tote Hose. Ein paar Leute liefen, wie wir, am Wasser entlang, wo in den letzten Tagen immer das Winterfest gefeiert wurde, aber auf den Straßen war es bis auf einen waghalsigen Raser, der wohl die leere Straße auskosten wollte, absolut ruhig. Man hörte nur ein paar Kracher, aber zu sehen war nichts. Wir kauften uns noch etwas Süßen bei 7/11, um wenigstens selbst etwas feiern zu können und gingen etwas enttäuscht wieder heim. Zuhause gehöre ich eigentlich immer zu denen, die für eine Abschaffung der Silvesterböller steht, aus Umweltschutzgründen und zur Gefahrenreduzierung, aber hier war es jetzt doch recht langweilig. Gegen 1:00 lagen wir im Bett und ich stellte fest, dass ekliger Ausgussgeruch aus dem Bad kam. Stinkende Gullys waren in Taiwan gang und gäbe, aber in der Wohnung wollte man das nun wirklich nicht. Ich versuchte daher alles möglichst zu verstopfen, während Stefan jammerte, dass wir eine Mücke im Zimmer hätten und er gestochen wurde. Also machten wir nochmals volle Beleuchtung an und suchten die Übeltäterin, wurden aber nicht fündig. Man muss dazu wissen, dass es in Taiwan Denguefieber gab, auch wenn die Gefahr in Tainan viel größer war. Außerdem waren die Aedes Mücken im Gegensatz zur Malaria übertragenden Anophelesmücke, die es hier nicht gab, tagaktiv und stachen daher selten nachts. Wir hatten auch Mückengitter vor dem Fenster, aber wenn schon mal eine drin war, schlief man halt doch unruhig. Als Stefan längst wieder schlummerte, kämpfte ich gegen Hitze, weil ich mich gegen Stiche im Schlafsack versteckt hatte und den Gestank, der einfach nicht aus dem Bad und auch nicht aus meiner Nase verschwinden wollte, an. Etwas gerädert stand ich heute Morgen auf, als Stefan joggte, lüftete wie verrückt und killte zwei Mücken. Nach der Erfahrung der letzten Nacht erwarteten wir heute überall geschlossene Türen und einträchtig zu Hause feiernde Familien und wählten als Tagesziel die vorgelagerte Insel Quijin. Natur würde ja nicht geschlossen sein. Eines vorweg, wir kamen an diesem Tag nicht an unserem Ziel an! Als wir das Haus verließen, um entlang des Wassers von Pier zu Pier bis zur Fähre zu gehen, waren reine Menschenmassen unterwegs auf diesem netten Stück verkehrsberuhigter Zone. Überall öffneten Stände mit Essen, Getränken, den kleinen Entchen, die die Leute kauften und sich ins Haar oder an die Kleidung steckten und die wahrscheinlich einen Teil dieses riesigen Winterfests finanzierten. Stände mit Kunsthandwerk, Ballons bis hin zu Kitsch, alles war vorhanden. Unterwegs waren hauptsächlich Familien mit kleinen Kindern, aber auch viele Rollstuhlfahrende genossen die barrierefreien Wege. Wenn man entlang des Wassers ging, kam man von einem Pier zum Nächsten und überall wurde etwas geboten. Da waren Kunstwerke des Containerfestivals vom letzten Jahr, bemalte Häuser und ehemalige Hafengebäude, interessant geschwungene Brücken, die faszinierendsten architektonischen Gebäude, die wir an den letzten Abenden ja bereits zu Genüge in bunter Lichterpracht fotografiert hatten bis hin zu Restaurants, gemütlichen Cafés, hippen Läden und Galerien in umgebauten, alten Hafenspeichern, das Eisenbahnmuseum und eine große Fläche ehemaliger Abstellgleise, wo jetzt zwischen Metallskulpturen Kinder ihre Drachen steigen ließen. Es waren so viele Eindrücke, dass ich zum ersten Mal das Gefühl hatte, davon so überreizt zu sein, dass mir fast der Kopf platzte. Wir suchten uns einen ruhigen Platz in einem Restaurant, tranken Kaffee und aßen Pommes und schalteten erstmal ab. Als die Fähre nach Cijin erst eine ganze Weile später fuhr, entschieden wir uns um und wanderten etliche Treppen hoch auf einen Hügel zum Shoushan Love-Lookout und besahen uns die Stadt von oben. Love-Lookout deshalb, weil es in großen Lettern dort stand und sich Liebespärchen, oder auch andere, davor fotografierten. Ich hatte zuvor gelesen, dass es hier oben auch Makaken geben sollte, also liefen wir noch ein Stück weiter in Richtung eines Wandergebietes, für das es aber bereits zu spät war. Die putzigen Äffchen sahen wir aber dennoch. Sie tobten in den Bäumen am Straßenrand herum, kreuzten zwischendrin geschickt die Straße und ließen sich zum Glück von uns nicht stören. Da die Zeit inzwischen fortgeschritten war, machten wir uns wieder auf den Weg bergab, denn wir mussten noch einmal einkaufen. Auch wenn die Befürchtung, zu verhungern über die Feiertage, sich als unbegründet erwiesen hatte, war es dennoch nicht einfach, noch ein Restaurant zu finden, das geöffnet und auch noch einen Tisch frei hatte. Zuhause wären wir nie auf den Gedanken gekommen, an hohen Feiertagen ohne Vorbestellung in ein Restaurant zu gehen, aber hier hatten wir damit irgendwie nicht gerechnet. Ein anderes Restaurant machte uns gleich klar, dass ein Mindestverzehr von umgerechnet 20€ pro Person vorausgesetzt würde. Da wollten wir uns dann doch lieber ein Fertigfutter aus dem Supermarkt holen und in unserem Zimmer auf der einen Herdplatte im einzigen Topf erhitzen. Zum Glück nahmen wir immer Campinggeschirr, d h. Göffel, Tassen und Teller und ein vernünftiges Messer mit, sodass Süppchen und Nudeln kein Problem waren, auch wenn vor Ort kein Geschirr vorhanden war. So verbrachten wir den ersten Tag des Jahres des Drachen mir vielen tollen Eindrücken.

Sonntag, 11.2.24 Kaohsiung – Ausflug zur Insel Quijin

Wir fuhren per Bus durch einen kurzen Tunnel zur Insel Quijin hinüber. Wie entlang des Flussufers vor unserer Tür war auch hier mächtig etwas los. Der Straßenmarkt, der am Fähranleger begann, war voller Menschen. Man konnte sich bunte Rikschas oder ähnliche Gefährte mit noch zwei Sitzen mehr ausleihen und damit zum Leuchtturm fahren, sich an den Leckereien beim Streetfood laben, am Strand herumtollen, oder wie wir, Strand und Wanderweg an der Steilküste entlang, durch einen Tunnel mit Lichtspielen bis zum Leuchtturm zu Fuß erkunden. Wir hatten herrliches Wetter mit ca. 23? und genossen den Ausflug in vollen Zügen. Ich probierte beim Straßenmarkt gegrillte, marinierte Scheiben Schwertfisch auf einem Spieß. Stefan war so lieb, mir den Appetit zu verderben, indem er mir erzählte, dass vom Schwertfisch nur der Penis verzehrt würde, was natürlich völliger Blödsinn war, ich aber erst drauf reinfiel. Einen netten Mann habe ich!

Auf dem Rückweg wollten wir eigentlich die Fähre nehmen, aber als wir die mindestens 50 m lange Schlange vorm Ticketschalter sahen, sprangen wir kurzerhand wieder in den Bus, der zufälligerweise gerade vor unserer Nase wartete. Wir fuhren zur Metrostation Boulevard Formosa, die ein wunderschönes, lichtdurchflutetes Kuppeldach aus bemaltem Glas hatte, was Dome of Lights genannt wurde. Von hier liefen wir zum Sanfong Tempel, wo ein großer Andrang an Besuchern und Betenden war. Eine Schlange stand an für eine religiöse Zeremonie, überall gingen Gläubige mit Räucherstäbchen zu Altären und vor dem Tempel war eine Buddhafigur in einer Art Brunnen, wo die Leute Geld hineinwarfen, was Glück versprach. Die Stimmung bei diesen Tempeln war immer locker und lebhaft und fotografiert wurde auch von den Asiaten selber. Das Vegane Restaurant, was wir danach besuchen wollten, hatte leider heute noch geschlossen, wie die meisten. Wir versuchten unser Glück bei einem Streetfoodmarkt und wurden fündig. Als erstes ließen wir uns eine Bubblewaffel mit Cranberrys backen. Da diese 5 Minuten im Waffeleisen ausharren musste, unterhielten wir uns mit der Standbesitzerin in gebrochenem Englisch. Da wir zum ersten Mal in Taiwan wären (und ihr anscheinend sympathisch waren), schenkte sie jedem von uns noch einen roten Umschlag mit einer Münze zum Neuen Jahr, was wir super lieb fanden. Die Waffel schmeckte hervorragend, ebenso das Orangensaft- Bubble Getränk mit Litschi Stückchen vom Stand nebenan. Da wir von einer Waffel nicht satt waren, kauften wir uns ein paar Stände weiter noch Pommes Frites und frittierte Tofu Stückchen mit knusprigem Äußeren. Die Verkäuferin fragte uns, ob wir es scharf mögen und wir sagten ja, da Tofu ja leicht zu fade schmeckt. Dafür bekamen wir aber nun die schärfesten gewürzten Pommes mit Tofu und frischen Zwiebelringen obendrauf, die wir je gegessen hatten. Dazu brauchten wir dann direkt noch ein Getränk, dieses Mal Grüntee mit Zuckerrohr. An diesen Tee- und Fruchtsaftständen könnten wir uns einen ganzen Tag aufhalten und die unterschiedlichsten Variationen von Tee, Kaffee, Obstsaft und unterschiedlichen Jellies als Bubbles durchprobieren. Wer kam schon darauf, dass z.B. kalter Kaffee mit Yakult lecker sein könnte? Man konnte immer entscheiden, wie viel Zucker bzw. Eis man im Drink haben wollte und ob kalt oder warm. Bisher hatte uns bis auf das süße Tomatengetränk alles geschmeckt. Zum Abschluss des Tages fuhren wir noch zu einer besonders beleuchten Stelle am Love River, denn Lichtinstallationen waren hier einfach immer toll. Die Taiwaner schafften es fast immer, dass es eine romantische Atmosphäre hervorrief, ohne kitschig zu wirken, besonders hier in Kaoshiung.

Ab morgen wollten wir die letzten zwei Tage in Kaohsiung nochmal mit unserer Servas Gastgeberin Sunny und ihrem Sohn aus Taichung verbringen. Sie kamen uns in Koahsiung besuchen und wollten uns am Dienstag einen besonderen Ort etwas außerhalb zeigen. Da jetzt Ferien waren, hatten sie sich kurzfristig zu diesem Ausflug zu uns entschlossen. Wir waren gespannt. Wir mussten ja einen guten Eindruck hinterlassen haben, wenn man uns schon hinterherfuhr.

Montag, 12.2.24 Kaohsiung – Ausflug Gangshan mit Servas

Wir erlebten wieder einen wundervollen Tag. Wir waren am Morgen beim Nationalen Zentrum für Kunst und Kultur. Das Gebäude war wieder ein gigantisches und architektonisches Meisterwerk wie eigentlich alle Museen zuvor. Innen befand sich aber keine Kunsthalle wie erwartet, sondern Theater- und Konzertsäle, Cafés, Buch- und Souvenirläden und Räumlichkeiten für Workshops. Rund um das Gebäude war ein großer Park und integriert in das Gebäude eine Freilichtbühne. Nach vielen Ahs und Ohs, einem Kaffee und einer Art überdimensionierten Sternbrötchen, aber aus weichem Teig mit viel Knoblauchbutter und einer Art leicht süßer, cremiger Käsefüllung, augenscheinlich einer Besonderheit dieses Cafés oder zu dieser Zeit, verließen wir diesen Ort und fuhren mit dem Bus zum Niaosong Wetlandpark, einem angelegten Feuchtgebiet, wo man Vögel beobachten und besondere Pflanzen sehen konnte. Man hatte sehr schön mit Holzwegen und Infotafeln einen kleinen Park angelegt und wir sahen auch eine Lurch Art am Wegesrand. Danach besuchten wir den Chengcing Lake, ein Naherholungsgebiet und Ressort mit einem großen See, einer Pagode, viel Grünflächen, auf denen Leute picknickten, spielten und ihre Zeit genossen und netten Wegen mit Brücken, wobei es sich bei einer um eine Zickzackbrücke mit 9 Ecken handelte. Gegen 16:00 verließen wir den Park, weil wir uns mit Sunny und ihrem Sohn Irvin, unserer Servaz Gastgeberin aus Taichung, verabredet hatten. Ihr zweiter Sohn wohnte in Kaohsiung und so hatte sie sich entschlossen, seine Unterkunft für eine Nacht zu nutzen, um uns noch einmal zu treffen. Sie fuhr mit uns in die Berge bei Gangshan nördlich von Kaohsiung zu einem Restaurant mit einem herrlichen Ausblick auf die Stadt bei Sonnenuntergang. Wir aßen gemeinsam zu Abend und hatten „Hot Pot“. Eine Suppe, für Stefan und mich mit Kürbis, wurde auf einem Gasöfchen auf den Tisch gestellt mit einer ganzen Schüssel mit diversen Blattgemüsen, unterschiedlichen Pilzen, Tofu und Kürbisstückchen. Die wurden dann in der Suppe kurz gekocht und mit Reis und einer Soße aus einem seperaten Schüsselchen gegessen. Sunny hatte eine Suppe, die speziell mit Sesamöl und Pilzen gemacht wurde und von der wir auch probieren durften. Dazu hatten wir Oolong Tee, der auf bestimmte Weise auch bei uns am Tisch aufgegossen wurde. Hierbei wurden erst Teeblätter in ein kleines Glaskännchen gefüllt und mit heißem Wasser übergossen, wo sie drin zogen. Dann schüttete man den Tee in ein anderes Gefäß und damit wiederum in Puppentassen große Tässchen, aus denen er getrunken wurde. Das konnte man mehrfach wiederholen. Wir unterhielten uns mit Sunny darüber, wie sie ins neue Jahr gekommen war. Sie feierte mit ihrer Familie in Taichung und es gab einen für das Fest typischen, salzigen Möhrenkuchen, der anscheinend noch am Tisch frittiert wurde und eine ganz spezielle Suppe, die übersetzt so viel hieß wie „Buddhas Lieblingsspeise“, bzw. man sagte laut ihr, dass selbst Buddha dafür über die Wand springen würde, weil sie so gut wäre. Wir saßen lange zusammen, unterhielten uns, wenn auch manchmal etwas schwierig, aber dank Google doch gut möglich und genossen den Ausblick auf das Lichtermeer der Stadt und den Mond. Der hatte hier in den Gefilden keine seitliche Sichel, sondern eine liegende, wie eine Wiege oder eine flache Schale. Es war ein sehr schönes Bild. Gegen 21:00 brachte sie uns wieder mit dem Auto zu unserer Unterkunft und verabredete sich mit uns für den kommenden Morgen zu einem weiteren Ausflug. Servas war einfach eine tolle Erfindung, man lernte so nette und interessante Leute kennen!

Dienstag, 13.2.24 Kaohsiung – Ausflug nach Meinong mit Servas

Wir trafen uns mit Sunny und Irvin um 9:30 bei uns um die Ecke. Sie hatten uns ein kaltes, vegetarisch gefülltes Reisbällchen und einen Sojadrink zum Frühstück mitgebracht. Wir hatten bereits in unserem Zimmer Porridge mit Obst und Toast gefrühstückt, sodass ich nur aus Höflichkeit von beidem etwas probierte und großzügig den Rest Stefan überließ, der im Gegensatz zu mir die asiatische Küche zum Frühstück liebte, gerne auch warm. Sojadrink ist so gar nicht mein Fall und Reis mit Gemüse aßen wir schon so täglich genug. Beim Frühstück war mir die westliche Variante doch lieber. Wir machten uns auf den Weg nach Meinong, was mal locker 50 km entfernt war und über 1,5 Std Fahrt bedeutete. Meinong war eine Stadt, die nordwestlich von Kaohsiung lag, trotz der rund 40000 Einwohner eher wie ein Dorf wirkte und sehr durch die Landwirtschaft geprägt war. Es lebte hier hauptsächlich die Volksgruppe der Hakka, auf die wir in Sanyi bereits getroffen waren. Es gab in Taiwan zahlreiche Volksgruppen und laut Sunny konnten in den Bergen manche alten Leute nicht mal Mandarin sprechen, also die Alltagssprache hier in Taiwan, sondern nur ihre Stammessprache. Die Hakka haben viele eigene Gerichte. Wenn wir es richtig verstanden haben, wurde hier viel fermentiertes Essen gegessen. Rund um die Stadt waren Reisfelder, Fischfarmen, Palmen und die Gegend war berühmt für seinen Rettich. Er wurde immer im Wechsel mit Blumen gepflanzt. Rettich brauchte laut Sunny 3 Monate bis zur Ernte, dann ließ man 3 Monate Blumen, die dem Boden als Dünger dienten, wachsen und danach wieder Rettich. Meinong hatte eine gute Wasserquelle in Form des Linongflusses und von daher in Verbindung mit dem Klima hervorragende Bedingungen für die Landwirtschaft. Um das auch nach außen hin darzustellen, die Hakka- Ess- Kultur bekannter zu machen und die Menschen in diese schöne, von Bergen umgebene Gegend zu locken, veranstaltete die Stadt jährlich den „Meinong Noodles Ultra Marathon“ auf ländlichen Routen und lockte damit zahlreiche Menschen an. Wir konnten heute die wunderschönen Blumenfelder, die die Besucher zu Fotos verlockten, bewundern. Danach schlenderten wir etwas am Meinong See entlang und Sunny ließ uns ein Getränk mit Aiyu-Gelee, Zitrone und etwas Zucker probieren. Ich fand bei Wikipedia, dass das Gelee aus „dem Samen der kriechenden Feige Awkeotsang“ hergestellt und in mehreren asiatischen Ländern dieses Breitengrades unter verschiedenen Namen konsumiert wird. Durch den Zucker und den Zitronensaft schmeckt es etwas wie Birnensaft, aber wenn die Flüssigkeit weg ist, hat das Gelee eigentlich kaum noch Eigengeschmack. Es war aber gekühlt recht erfrischend, besonders weil an diesem Tag die Sonne stark schien. Der See lag wunderschön vor den Bergen und bot eine malerische Fotokulisse. Der eigentliche Grund, warum wir aber so weit nach Meinong gefahren waren, war eigentlich, dass es berühmt war für seine Herstellung von Ölpapierschirmen, die bereits während der japanischen Kolonialzeit exportiert wurden. Leider hatte die Werkstatt aber aufgrund der Neujahrsfeiertage geschlossen. Ebenso erging es uns mit einem Restaurant, das Sunny zum Lunch geplant hatte. Wir fanden jedoch ein anderes mit typischen Hakka-Speisen. Es war zuerst so überlaufen, dass wir auf Plätze warten mussten, dabei war es definitiv kein äußerlich attraktives Restaurant, ganz im Gegenteil. Stefan und ich hätten uns wahrscheinlich alleine nicht hineingetraut, weil uns die Hygiene fragwürdig erschienen wäre. Wir vertrugen aber alles gut und es war auch geschmacklich ok. Wir hatten Tofu mit Sojasoße und geriebenen Erdnüssen. Mit viel Erdnuss war es ganz lecker, aber ansonsten war der Tofu meiner Meinung nach zu geschmacklos. Außerdem teilten wir uns Nudeln mit Sojasprossen und Lauch, einmal mit und einmal ohne Suppe. Stefan hatte außerdem noch Lotusblütenalgen und wir bekamen von Sunny ein gekochtes Entenei, das mit Lauge und Säure behandelt war und sich dann 14Tage halten sollte. Sie glaubte nicht, dass wir es essen würden, aber so schlimm war das nicht. Es schmeckte erst wie gekochtes Ei, hatte aber einen etwas fremden Nachgeschmack. Das Essen war meiner Meinung nach zu wenig gesalzen, aber es standen scharfe Soßen auf dem Tisch, die es dann jedoch bei winziger Menge bereits höllisch scharf werden ließen. Nach dem Essen machten wir uns auf den Rückweg, ließen uns aber unterwegs an einem Bahnhof rausschmeißen, damit sich Sunny nicht nochmal durch den Verkehr nach Kaohsiung reinkämpfen musste. Die Beiden mussten wieder zurück nach Taichung, weil sie am nächsten Tag wieder arbeiten musste. Es war wirklich schön, dass wir uns noch einmal gesehen hatten. Auch wenn die Hauptattraktion geschlossen hatte, war es ein toller Tag. Wir fuhren mit Regionalzug und der Straßenbahn wieder zu unserer Unterkunft. Nun hatten wir noch einen Tag übrig in Kaohsiung, den wir wahrscheinlich mit wandern verbringen wollten, wenn es nicht zu heiß werden würde.

Mittwoch, 14.2.24 Kaohsiung- Wanderung Berg Shoushan

Wir wussten, dass wir Kaohsiung vermissen würden, wenn wir am nächsten Tag weiterfuhren. Es war unglaublich, man stieg aus der Straßenbahn, lief ein paar Treppen hoch und stand mitten im Dschungel auf dem Wanderweg und wurde von Affen, den kleinen taiwanesischen Makaken, begrüßt! Man kann unschwer feststellen: wir sind an unserem letzten Tag gewandert! Trotz Temperaturen bis 29?, machten wir uns auf den Weg und wanderten den Shoushan Wanderweg vom Longshantempel bis zum Nordausgang. Es war traumhaft schön. Zu Beginn hatten wir ein paar Befürchtungen, weil ein Makake einer Wanderin vor uns einfach so auf die Schulter geklopft hatte und wir auch gelesen hatten, dass es zunehmend schwieriger wurde, weil immer wieder irgendwelche Dummköpfe die Affen fütterten und diese deshalb aufdringlicher wurden. Als ein kleiner Kerl mich eine ganze Weile verfolgte und das auch noch eine endlose Treppe bergauf und Stefan noch hinter ihm war, war mir schon etwas bange. Nach einer Weile überholte Stefan ihn aber einfach und das ging problemlos. Danach begegneten wir noch Dutzenden von ihnen. Sie beobachteten einträchtig die Wanderer bei den Ruheplätzen, sowie wir sie. Man durfte nur nichts zu essen rausholen, dann kamen sie schneller als man gucken konnte. So wurde einem fast ein Riegel aus der Hand gestohlen. Er konnte es gerade noch verhindern. Bei einem anderen Stopp waren die Äffchen aber wohl schneller, oder sie wurden gefüttert, denn da leerten zwei gerade eine Plastikverpackung. Der Weg war zum großen Teil wieder Mal ein wunderbarer Holzweg, der die daruntergelegene Natur vor den Trampelfüßen und damit beginnender Erosion schützte. Bergauf und bergab waren es zahlreiche Stufen, immer durch dichten, sich verändernden Wald. Mal gab es die für hier so typischen Banyanbäume, eine Feigenart, deren Wurzeln außen am Stamm verliefen, dann Bambus, die häufig so laut knackten, als wollten sie gleich umfallen, dann Bäume mit Lianen, bei denen man erwartete, dass Tarzan gleich um die Ecke schaute und vieles, vieles mehr, immer mit dichtem Unterholz. Der Shoushan war ein Berg, der sich aus einem ehemaligen Korallenriff entwickelt hatte. Lange Zeit war das Gebiet Militärgebiet. Seit 2011 war es Nationaler Naturpark und als grüne Lunge bei den Einheimischen und Besuchern sehr beliebt. Dementsprechend war auch an diesem Tag einiges los auf den Wanderwegen, vielleicht auch, weil noch der letzte offizielle Feiertag war. Die Taiwanesen schienen darüber hinaus sehr sportliebend. Nicht nur, dass wir hier eine Großzahl an Fitnesscentern sahen und es keinen Park gab, wo nicht Einheimische Yoga, Qigong oder sonstige gymnastische Übungen machten und das besonders im hohen Alter, nein, selbst auf den Bergen fand man hier Fitnessgeräte im Freien! Während wir uns gemütlich bei den Aussichtspunkten ausruhten und den Ausblick genossen, machten sie ihre Übungen! Unglaublich, immerhin waren wir laut Komoot 440 Höhenmeter und ca. 13km gewandert bei fast 30?, und dann noch Gymnastik? Zurück zu der Infrastruktur der Wanderwege. So komfortabel wie an diesem Tag hatten wir es noch nie auf einer Wanderung. Gleich an zwei Aussichtspunkten, beide mit der Möglichkeit einer Überdachung, gab es kostenlos Wasser und bei der einen sogar Ingwer- und Gerstentee und das jeweils heiß und kalt! Es standen große Metallbehälter zum Zapfen dort. In einer Hütte sorgten ein Mann und eine Frau für frisch gekochten Nachschub. Mal davon abgesehen, dass es bei uns bei den meisten Wanderwegen keine Getränkemöglichkeiten gibt, ist der Preis, wenn z.B. ein Stand oder eine Hütte etwas anbietet, eher doppelt so hoch wie unten und bestimmt nicht kostenlos. Es gab oben auch ein Schränkchen, in dem nicht nur ein Defibrillator war, sondern auch Dinge wie Insektenspray und Erste Hilfe Materialien. Davon konnte sich die westliche Welt wirklich noch etwas abgucken. Nach unserer dreistündigen Wanderung mit viel Zeit für Naturgenuss, Affenbeobachtung und einem netten Gespräch mit einem deutschen Pärchen, im Übrigen den ersten deutschen Touristen, denen wir in Taiwan in über einem Monat begegnet waren, besuchten wir das Kaohsiung Museum of Fine Arts. Das Gebäude war von außen dieses Mal nicht so imposant, von innen hatte es aber auch wieder auf mehreren Eben mit offenen Galerien wirklich viel Stil. Die Ausstellung war ganz anders, als ich sie erwartet hatte. Nachdem wir bereits einiges an moderner Kunst drinnen und draußen gesehen hatten, dachte ich nun, dass dort ehr die alten Maler wären, aber dem war ganz und gar nicht so. Eine Ausstellung befasste sich ausschließlich mit Computeranimationen. Man konnte per VR- Brille eine Phantasiereise machen, und es wurde darüber nachgedacht, wie sich Kunst, z.B. Puppenspiel, durch Computer und Roboter veränderte. Man stand diesen Veränderungen hier viel aufgeschlossener als bei uns gegenüber und sah darin offensichtlich neue Dimensionen, die über das herkömmliche Schaffen und Denken hinausgingen und neue Freiheit bedeuteten. Eine andere Ausstellung handelte von der Entwicklung der Kunst in Kaohsiung zwischen 1970 und 1990. Grob gesagt ging es darum, wie sich in dieser Zeit die Freiheit der Kunst und die Stadt entwickelt hatte. Man muss dazu wissen, dass es 1979 eine große Protestkundgebung der Dangwei Bewegung gab, die sich gegen die diktatorische Kuomintang Regierung wendete und zu einer großen Verhaftungswelle führte. Daraufhin kam es in der Bevölkerung und auch vom Ausland zu mehr Druck auf die Regierung und wird heute als entscheidender Wendepunkt in der Demokratisierung Taiwans gesehen. Weitere Kunstwerke waren die Gewinner eines Kunstpreises der Stadt. Unser Versuch, an unserem letzten Abend in dieser Stadt noch einmal zu dem vegetarischen Restaurant mit „All you can eat“ von letzter Woche zu gehen, ging leider in die Hose. Es hatte noch immer geschlossen. Wir suchten uns in der Ecke etwas anderes und fanden ein kleines Restaurant, das uns Bagels mit Pilzen und Ei machte. Auf dem Heimweg besorgten wir uns noch etwas beim Bäcker und Stefan kaufte bei den Festständen vom Winterfest Tee mit Mandelcreme, was wir dann bei uns im Zimmer zur endgültigen Sättigung genossen.

Donnerstag, 15.2.24 Kaohsiung – Hengshun

Es war Reisetag und alles funktionierte problemlos. Mit der Straßenbahn, hier Light Rail genannt, fuhren wir von unserer Tür zur Metrostation und mit der Metro zur Highspeed Train Station. Dort bekamen wir eine Reservierung für den Bus Richtung Kenting. Der erste fuhr uns vor der Nase weg, aber das war kein Problem, denn sie fuhren alle 30 Minuten. Nach ca. 2 Stunden Fahrt, erst durch städtisches Gebiet und dann fast eine Stunde lang durch wunderschöne grüne Landschaft und entlang der Westküste gen Süden, kamen wir in Hengshun an. Das Land hier war unheimlich fruchtbar, Bananenstauden, Palmen und irgendwelche große Plantagen mit Bäumen, die wir nicht (er)kannten, säumten unseren Weg. Zwischendrin waren immer wieder Fischfarmen, d.h. Betonbecken ca. so groß wie ein Schwimmbecken mit Wasserrädern zur Sauerstoffzufuhr, wie wir es bei den Austernfarmen bei Tainan bereits gesehen hatten. Das Wetter war super, der Bus ein vernünftiger Reisebus mit nur 5 weiteren Fahrgästen, und er fuhr gesittet und kam gut durch. Wir bekamen sogar je eine Flasche Wasser und Papiertücher. Als wir in Hengshun ausstiegen, traf uns fast der Schlag. Es war 29? und das Klima nahm uns die Luft. Glücklicherweise durften wir ehr bei unserem Guesthouse einchecken und waren sehr positiv überrascht. Endlich mal ein Zimmer, dessen Fenster – hier sogar zwei – Ausblick hatten, und zwar auf die ruhige Straße und die Berge, und das Beste: wir hatten einen Balkon! Wir hofften, ihn auch nutzen zu können, denn tagsüber war es zu heiß, wenn das Wetter so blieb und abends bestand Mückengefahr. Wir würden sehen. Allein die Möglichkeit vom Zimmer nach draußen gucken und gehen zu können, war einfach toll nach unseren Lüftungsschachtausblicken. Wir machten uns etwas frisch und gingen Kaffeetrinken und Kuchen essen. Die Reste, die wir zum Frühstück gegessen hatten, waren längst verbraucht. Wir entdeckten für uns kalten Espresso mit Caramel Creme. Der machte sicher schlank, oder? Wir bestellten ihn auch immer mit nur ganz wenig Zucker. Danach kauften wir ein paar Lebensmittel für die nächsten Tage. Frühstück war zwar inklusive, aber es bestand nur aus Bons über 60TWD, die wir in einem Frühstücksrestaurant um die Ecke einlösen konnten. Dafür gab es nicht mal den Kaffee, denn es waren weniger als 2€. Positiv für mich: das Restaurant hatte sich auf Westler eingestellt, d.h. ich musste nicht jeden Morgen Reis oder Suppe essen. Geben tat es das auch, also war für Stefan auch gesorgt. Beim Frühstück ging bei mir nichts über eines mit knusprigen Brötchen, Käse, Marmelade, die auch den Namen wert war. Zu den anderen Mahlzeiten ließ ich mich gerne auf einheimische Küche ein. Mit dem Einkauf gingen wir zurück zur Unterkunft und ruhten uns aus. Mich hatte schon wieder eine Erkältung erwischt und bei der Hitze wurde mir ganz schummrig im Kopf. Erst gegen Abend suchten wir ein vegetarisches Restaurant auf. Es gab wirklich viele davon, wobei ich mir nicht so sicher war, dass viele Taiwanesen wirklich mit Überzeugung Vegetarier waren. In den Restaurants gab es eine unendliche Fülle an Fleisch und Hähnchen, die aus irgendwelchen anderen, pflanzlichen Fasern, Tofu, Taro etc. hergestellt und dann so zubereitet und gewürzt wurden, als wäre es Fleisch. Bei den Rezensionen der Restaurants fand man Sätze wie: „das Restaurant war echt gut, es roch gar nicht vegetarisch“, oder „das Hühnchen war vorzüglich obwohl vegetarisch“.

Wir hatten heute auch gebratene „Hähnchen“stücke, Reis und Gemüse. Was einen zur Verzweiflung bringen konnte, war die Produktion von Müll. Wenn die Leute das Essen mitnahmen, was wahrscheinlich mindestens 50% taten, war es vielleicht noch nachvollziehbar, aber nicht nur bei den Millionen von Streefoodständen war alles in Pappe und Plastik, sondern auch bei den ganzen Straßenrestaurants, Cafés, Getränkeständen und Convinient Stores. In den Restaurants, in denen wir bisher waren, war es in den meisten Fällen so, dass die Plastik -Reisschüsseln evtl. noch wiederverwertet wurden, aber alles andere entsorgte man gleich in die Müllstation. Da gab es eine Trennung, aber es war uns bis zuletzt nicht klar, was davon recycelt wurde. Pappsuppenschüsseln und Pappbecher von Kaffee und Tee? Getrennt wurden offensichtlich Plastikflaschen, aber andere Plastik wie Tüten und Verpackungen? In Taipeh sollten wir unseren Müll in der Tüte einfach vors Haus stellen. In der Regel ging das so, dass der Müllwagen durch die Straßen fuhr und laut eine sehr eingängliche Melodie spielte. Dann brachten die Leute ihren Müll und schmissen ihn in den Schlund des Wagens. In großen Apartmenthäusern wurde der Müll in getrennten Tonnen im Keller gesammelt und der Doorman kümmerte sich darum. Eigentlich hatten alle großen Häuser so einen Wächter im Eingang, denn in diesen Hochhäusern gab es ja zig Bewohner. Jederzeit konnte jemand im Aufzug stecken bleiben oder irgendwer trieb Unfug, was gleich per Kamera gesehen werden konnte. Nachts hatte er frei und das Haus ließ sich meistens nur noch per Chip oder Nummerncode öffnen.

So viel aus dem Alltagsleben der Taiwanesen, an dem wir in gewissen Rahmen während der Reise teilnahmen, 

Freitag, 16.2.24 Hengshun

Von diesem Tag gab es wieder keinen Bericht, weil ich mir einen Tag Auszeit nahm, um meine Erkältung wieder loszuwerden. Zweimal auf einer Reise krank zu werden hatten wir bisher auch nur auf unserer einjährigen Weltreise 90/91. Ich hoffte, am nächsten Tag wieder fit für einen Ausflug zu sein. Stefan wusch derweil unsere Wäsche und fuhr dann zum Long Luan Lake Natur Center, wo er wanderte und am See Vögel beobachtete. Am Abend besuchten wir zusammen ein vietnamesisch- veganes Restaurant. Stefan hatte einen Hot Pot mit Tofu und ich Reisnudeln mit gerösteten Pilzen und Zitronengras. Ich muss sagen, dass mir die vietnamesische Würzung noch besser schmeckt als die taiwanesische, die manchmal etwas fad ist. Heute hatten beide Gerichte genau den richtigen Grad an Schärfe. Dort würden wir sicher nochmals hingehen.

Samstag, 17.2.24 Hengshun – Ausflug Maobituo Park

Ich war wieder mit von der Partie, zwar schnaufend und hustend, aber letztendlich machte ich knapp 21000 Schritte und das in schönster Umgebung! Von Vorn: Stefan war etwas verunsichert und daher nicht gut drauf, da ihm beim Joggen am Morgen eine Spinne über den Nacken gekrochen war und man hier nicht wusste, ob die vielleicht gefährlich war. Nachdem aber auch nach dem Frühstück keinerlei körperliche Reaktion kam und das Frühstück gut schmeckte, ging es mit seiner Stimmung wieder bergauf. Wir suchten den Bus zum Maobituo Park an der Südküste von Taiwan und fanden ihn auch nach kurzer Zeit. Da er alle 30 Minuten fuhr, brauchten wir auch nicht lange warten und konnten für 1,20€ pro Person 30 Minuten schön entlang der Küste zuckeln. Von der Haltestelle waren es nur wenige Meter zum Aussichtspunkt. Wir hatten einen herrlichen Blick auf das Meer und die bizarr geformten, erodierten Korallenriffe. Maobituo hieß wohl übersetzt so viel wie Katzennasenkopf und in einem Felsen sollte man eine liegende Katze erkennen können. Ich konnte es nicht, und weil es wohl anderen auch so erging, hatte ein Künstler eine überdachte Bank in Katzenform aufgestellt. Gute Idee bei der Sonne. Der Ausblick war wunderschön, aber da es keine weiteren Wandermöglichkeiten gab, machten wir uns mit dem nächsten Bus gleich wieder auf den Weg weiter in den Süden. Das Gebiet gehörte als Landschaftsschutzgebiet zum Kenting Nationalpark. Wir wollten unbedingt zum südlichsten Punkt Taiwans, also fuhren wir bis zum Eluanbi Park. In diesem boten sich uns zahlreiche Wanderwege durch dichten Dschungel, Felsspalten (wiederum Korallenriffe) zu mehreren Aussichtsplattformen mit Blick übers Meer. Auch den Leuchtturm konnten wir bewundern. Ans Meer heranzugehen war nicht möglich, weil die Wege extra zum Landschaftsschutz oberhalb angelegt worden waren. Nachdem wir eigentlich schon gedacht hatten, am südlichsten Punkt zu sein und überrascht waren, dass er nicht gekennzeichnet war, fanden wir heraus, dass er sich gar nicht auf dem Gelände dieses eingezäunten und kostenpflichtigen Parks befand. Wir mussten von der Bushaltestelle

ca. 1 km in die andere Richtung laufen und kamen dann zum richtigen Aussichtspunkt mit Skulptur und Plakette. Auch von hier hatten wir wieder eine tolle Aussicht. Im Anschluss machten wir uns per Bus auf den Rückweg. Die Strecke war sehr schön und man erkannte gleich, dass hier unten auch mehr Tourismus herrschte als an der Westküste. Wir kamen an einem Resort vorbei, einigen netten Häusern, die sicher ebenfalls vermietet wurden und einem Campingplatz. Auch hier, wie wir es zuvor schon in der Nähe von Taichung einmal gesehen hatten, wurden die Zelte in überdachten Betonkästen, ähnlich Garagen ohne Tore, aufgebaut. Dass ein Dach über dem Zelt gut bei Temperaturen um die 40? im Sommer war, leuchtete mir ein, aber warum so? Mir war nicht klar, wie man hier ein Zelt spannen konnte auf Betonboden! Gab es hier nur die Zelte, die von selbst standen? Es sah meiner Meinung nach auf jeden Fall furchtbar hässlich aus und hatte mit Natur nichts zu tun, und das in einer der natürlichsten und schönsten Ecken des Landes. Die Unterwasserwelt sollte für Schnorchler traumhaft sein und es gab herrliche Strände. Viele Touristen sah man zur Zeit aber auch hier nicht, und in unserem netten Gästehaus waren wir die einzigen Besucher, dennoch fiel mir gleich bei der Anreise auf, dass auch Hengshun, als südlichste Stadt, wohl ehr auf Gäste anderer Länder eingestellt war, als wir es bisher erlebt hatten. Es war mit seinen rund 31000 Einwohnern nur einen Bruchteil so groß wie die meisten Städte, die wir besucht hatten und hauptsächlich landwirtschaftlich geprägt, hatte aber Restaurants mit italienischer, mexikanischer, vietnamesischer und japanischer Küche und starke westliche Einflüsse bei Frühstücksrestaurants, sowie Mc Donald’s und Pizza Hut. Auch in den taiwanesischen Restaurants fand man häufiger Menüs in Englisch.

Wir waren abends wieder bei unserem vietnamesischen Restaurant, meiner Meinung nach das Beste Restaurant, das wir bisher in Taiwan hatten, obwohl die taiwanesische Küche wirklich sehr gut und abwechslungsreich war, selbst für Vegetarier.

Sonntag, 18.2.24 Hengshun – Ausflug Marine Museum und Aquarium

Aufgrund angesagter Temperaturen um 27?, die bei der hohen Luftfeuchtigkeit zu erschlagender Schwüle führten und weil ich mich die letzte Nacht mit Husten herumgeschlagen hatte, entschieden wir uns am Morgen gegen das Wandern und für ein Museum. Unsere Wahl fiel auf das National Museum of Marine Biology and Aquarium. Wir konnten mit dem Bus direkt bis vor die Tür fahren und es wurde gleich deutlich, dass Taiwan auch hier die Superlative geschaffen hatte. Zwei Gebäude, die architektonisch sowohl an Fisch als auch an Tempel erinnerten und im Inneren Aquarien aller Größen und Formen boten. Man ging in einem Glastunnel durch eine Korallenwelt hindurch mit all den Fischen, Pflanzen und sogar einem Schiffswrack, ohne die Gefahr, sie dabei zu zerstören wie häufig beim Schnorcheln oder Tauchen. Meereswelten von der Urzeit bis heute, von den entlegensten Ecken der Welt bis vor die direkte Küste, vom Plankton über Algenwelt, Fische, Robben, Pinguine, es gab bis auf Eisbären glaube ich nichts, was es nicht gab. Mit VR-Brille konnte man Wasserlebewesen während der Saurierzeit beobachten und hatte damit das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein. Wir standen vor einem mindestens 10 m hohen Aquarium mit einem Kelpwald, wo man erst Mal richtig sehen konnte, wie lang diese Algen seien können. Es war einfach unbeschreiblich gut. Ich durfte wieder kostenlos hinein, allerdings dieses Mal mit zusätzlicher Vorlage meines Reisepasses, Stefan musste zahlen, aber wir bereuten keinen Cent. Es war sicher eine gute Entscheidung, die heiße Zeit in gekühlten Räumen zu verbringen. Abends besuchten wir noch den Nachtmarkt in Hengshun. Er fand in unserem beschaulichen, derzeitigen Aufenthaltsort nur sonntags statt und war klein und überschaubar, aber gerade deshalb ganz nett. Es war also wieder ein richtig netter Tag.

Montag, 19.2.24 Hengshun – Ausflug Sisal Industry Historical Monument

Unser Aufenthalt in Hengshun ging schon wieder dem Ende zu. Hier hätten wir es auch noch länger ausgehalten, aber die wichtigsten Stellen hatten wir wohl auch gesehen. Es war wieder ein toller Tag, aber die Sonne kochte uns ganz schön. Der Schweiß lief uns nur so hinunter, als wir um die Mittagszeit im Sisal Industry Historical Monument waren. Leider konnte man der Hitze in den Tropen nicht gut ausweichen, da um 18 Uhr die Sonne nahezu in Minutenschnelle vom Himmel fiel. 1901 wurde die Sisalpflanze von US-Konsul James Davidson von Mexiko nach Taiwan gebracht, und das extreme Klima mit sengender Sonne und heftigen Stürmen gefiel dieser Pflanze außerordentlich gut. Sisal wurde für die kommenden 50 Jahre, bis Kunstfasern ihren Gebrauch ablöste, für das Gebiet um Hengshun die Haupteinnahmequelle. Die Reste der Industrieanlage mit ein paar Maschinen und die Ruinen der Unterkunft für die Arbeiter waren jetzt in einem nett angelegten Park als Freilichtmuseums zu besuchen. Sisalsetzlinge wurden zuerst auf einem Pflanzbeet bis zu 30 cm wachsen gelassen, dann wurden die Setzlinge auf die Felder gepflanzt und nach 3-4 Jahren Kultivierung waren die Blätter erntereif. Danach konnten sie alle 8-12 Monate geerntet werden. Die Verarbeitung erfolgte mit unterschiedlichen Maschinen. Der Prozess verlief vom Sammeln über das Kratzen, um Fasern zu erhalten, die dann in der Sonne getrocknet wurden. Danach wurden sie in der Ballenpresse gepresst, mit der Kaisermaschine gekämmt und mit der Zwirnmaschine zu Seilen gedreht, die wiederum mit der Seilwickelmaschine aufgerollt wurden. Der Massenanbau von Sisal hatte leider negative Folgen für die Natur. Von Hunderten Hektar tropischem Küstenwald fiel bis auf 28 Hektar alles der Rodung zum Opfer. Inzwischen war das Gebiet als Umweltschutzgebiet kartiert und unterlag der Nationalparkordnung.

Außerdem führten die bei der Faserschälung gewonnenen Sisalabfälle und -säfte zur Verunreinigung der Flüsse und des Ökosystems des Meeres. Im Jahr 1987 hatten die extrahierten Sisalabfälle und -säfte, die von den Faser-Entrindungsfabriken rund um Hengshu freigesetzt wurden, einst zur Korallenbleiche im Meerwasser in der Umgebung geführt. Wenn Sisalextrakte ins Meer gelangten, verunreinigten sie das Meerwasser. So konnte ein Naturprodukt also nicht nur ein Segen sein.

Auf eine andere Naturzerstörung wurde ebenfalls hingewiesen. In Taiwan gab es, bevor 1623 die Holländer das Land besetzten, große Populationen von Sika-Hirschbeständen. Da in Japan zu der Zeit ein großer Bedarf an Hirschfellen bestand, ermutigten die Holländer die eingewanderten Han-Chinesen, Hirschfallen aufzustellen und importierten sogar Jagdhunde aus Europa zur Jagd. 1630 begannen sie dafür Jagdlizenzen zu verkaufen und das Land entwickelte sich bis 1640 zum größten Hirschlederlieferanten für Japan, das mit seinem enormen Verbrauch nicht nur in Taiwan, sondern auch in Thailand und auf den Philippinen zu einer drastischen Verringerung von Sikahirschen führte. Die Rodungen für die Landwirtschaft taten ihr Übriges, sodass 1969 ein Aussterben auf taiwanesischem Gebiet vermutet wurde. Die ehemals üppige Anzahl der Sikahirsche, die den Ureinwohnern einst bei angemessenem Verbrauch Lebensmittel und Kleidung beschert hatte, war nun komplett ausgebeutet worden. Inzwischen wurde versucht, aus einzelnen Paaren in geschützter Umgebung wieder ein Bestand aufzubauen und auszuwildern, ähnlicher unserer Luchse im Harz.

Nach einem Rundgang durch diesen historischen Ort, nahmen wir den nächsten Bus und fuhren nach Kenting an die Küste in den Frog-Rock-Recreation-Park und wanderten den kurzen, aber wunderschönen Küstenwanderweg durch Meereserosionsfelsen und Korallenriffe. Wir waren mehr aufs Blaue an der Stelle aus dem Bus gestiegen und hatten gar nicht erwartet, an einer so schönen Stelle zu landen. Unterwegs zum Bus besuchten wir noch den Strand und ich lief ein paar Schritte durch das fast lauwarme Meereswasser. Schwimmen war durch Flagge verboten, wahrscheinlich wegen starker Strömung. Ich hatte es aber auch nicht vorgehabt. Dann brachte uns der Bus wieder nach Hengshun, wo wir feststellten, dass unser Restaurant Ruhetag hatte. Wir besuchten ein geöffnetes, das ehr westliche Speisen wie Baguettes, Quesadillas etc. im Angebot hatte und ein wirklich schönes Ambiente bot. Letzteres ließen sie sich aber auch bezahlen, dafür hätte das Essen sowohl größere Portionen, als auch mehr Würze verdient. Auf dem Heimweg fanden wir an diesem letzten Abend in Hengshun noch heraus, dass man auf der Stadtmauer herumlaufen konnte. Der Weg führte sogar relativ direkt zu uns nach Hause. Die Treppe war am Schluss mit Flatterband abgesperrt, aber da hatten wir eine kaputte Stelle bereits überwunden und von der anderen Seite war keine Absperrung gewesen, also kletterten wir darüber. Am kommenden Tag sollte unsere Reise uns für fünf Nächte per Bus und Zug an die Ostküste nach Taitung führen. Mit 106000 Einwohnern war sie rund 3,5-mal größer als Hengshun und die wichtigste Stadt an der sonst eher wenig bewohnten und wenig industrialisierten Ostseite der Insel Taiwan. Hengshun hatte uns gut gefallen. Es war sehr entspannend hier. Man konnte abends gemütlich durch die fast verkehrsleeren Straßen wandern, es gab eine große Auswahl toller Restaurants, eine wunderschöne Umgebung und unser Zimmer war klasse. Wir hatten es an zwei Tagen sogar den Taiwanesen nachgemacht und unser Frühstück im Restaurant abgeholt und bei uns auf dem Balkon gegessen. Nicht nur, dass mir der Ventilator im Restaurant zu stark war, wir konnten uns hier auch unseren eigenen Kaffee kochen und das Frühstück mit Porridge aus Haferflocken und Obst bzw. Saft erweitern.

Dienstag, 20.2.24 Hengshun – Taitung

Wir kamen gut an der Ostküste an. Die Fahrt ging zuerst per Bus entlang der Westküste bis zum Bahnhof in Fangliao und von dort per Zug nach Taitung an der Ostküste. Guckte man sich die Strecke auf der Karte an, wurde klar, dass es unterwegs einige schöne Ausblicke aufs Meer und natürlich das bergige Inland geben musste. So war es auch. Das Stück Westküste hatten wir ja bereits auf der Fahrt von Kaohsiung genossen, aber das Inland war eine Fahrt durch grünen Dschungel und Berge, wenn wir nicht gerade durch einen Tunnel fuhren und nach etwa 50 Minuten erreichten wir wieder das Meer, dieses Mal die Ostküste. Nun hatten wir es mit dem Pazifik zu tun. Vom Bahnhof Taitung ging es noch ein paar Stationen per Minibus, dann standen wir vor unserer neuen Unterkunft. Es handelte sich um ein 12stöckiges Hotelgebäude, wovon die oberen Etagen anscheinend als Eigentum verkauft wurden. Unserer Vermieterin gehörte ein Wohnschlafraum mit Bad, wo sie glaube ich sonst selbst wohnte, denn unter dem Schreibtisch stand ein großer Koffer, der vermutlich ihre persönlichen Dinge enthielt, die sie nicht immer woanders mit hinschleppen wollte. Sie hatte uns ihr Reich über Airbnb vermietet und empfing uns persönlich mit einer Kanne Tee. Nach den nötigen Infos über Geräte, WLan etc. verabschiedete sie sich und wir hatten nun das Reich für uns. Wir hatten Ausblick auf die Stadt und in der Ferne sah man etwas von den Bergen, die aber recht schnell im Dunst verschwanden. Der angesagte Regen mit Gewitter kam jedoch nicht. Wir kauften ein paar Sachen fürs Frühstück und zum Naschen und gingen gegen 17:30 zum Abendessen zu einem vegetarischen Restaurant. Dieses Mal waren wir nicht so zufrieden mit dem Geschmack. Ich fürchtete, nach unserem vietnamesischen Lieblingsrestaurant in Hengshun würden es andere nun schwer haben. Auf dem Rückweg drehten wir noch eine kleine Runde in unserer Ecke. Wir kamen an eine Außenfläche, wo unterschiedliche Musiker musizierten, aber das Besondere waren hunderte von Kindern gebastelte Laternen in Anlehnung an Heißluftballons, d.h. unten hingen Körbchen dran. Sie waren zwischen den Bäumen befestigt und leuchteten bunt in den dunklen Abend. Es sah sehr schön aus, viel schöner als die schon zum Kitsch neigende Weihnachtsbeleuchtung im angrenzenden Gebiet mit beleuchteten Rehen, Schneemann und Schriftzug „Happy New Year 2024“. Da hatten sie es unserer Meinung nach etwas übertrieben. Wir waren gespannt, was uns diese Stadt in den nächsten Tagen an interessanten Dingen bot.

Mittwoch, 21.2.24 Taitung

Das sonnige Wetter verließ uns nicht, aber die Hitze war tagsüber ziemlich erschlagend. Dementsprechend ruhig ging es dann auch in den Städten zu. Wir gingen an die Küste in den Taitung Seaside Park und kamen dabei an einem kleinen See, dem Pipa Lake vorbei. Entlang des Wassers ging es dann zum Taitung Forest Park. Wie der Name verrät, säumten hier Bäume und Pflanzen den Weg. Bei letzterem handelte es sich um den Mountain-Ocean-Bikeway, einem wunderbar angelegten Radweg, der das bergige Innere der Insel mit dem Meer verband. Man musste es den Taiwanesen lassen, sie hatten wirklich viele Radwege. In manchen Städten, wie z.B. Kaohsiung, waren sie auch an vielen Stellen getrennt von Autos und Rollern und führten durch Parks und am Wasser entlang. Es gab auch in allen größeren Städten U-bike, digitale Radmietstationen. Leider war es aber nicht überall so angenehm Rad zu fahren. An vielen Stellen teilten sich auch Räder und Roller eine Spur, was die Unfallgefahr enorm steigerte. Darüber hinaus konnte ich mir bei dieser tropischen Hitze beim besten Willen nicht vorstellen, Rad zu fahren. Wir wanderten also auf diesem Radweg durch den Taitung Forest Park und genossen den Schatten der Bäume. Die Vegetation war außerordentlich vielfältig und üppig, und wenn nicht gerade ein Kampfjet über unsere Köpfe bretterte, konnten wir dem Gesang unterschiedlicher Vögel lauschen. Im Gegensatz zu uns gab es etliche Taiwanesen, die der Anblick der tieffliegenden Kampfjets, die nur wenige Kilometer entfernt starteten und landeten, begeisterte. Auf Google Maps fanden wir sogar ein Zeichen für Sehenswürdigkeit und alle Rezensenten jubelten über die gute Fotografiermöglichkeit. Letzteres war leider wahr. Auf Stefans Bildern mit seinem Handy-Teleobjektiv konnte man deutlich die Helme der Piloten erkennen. Ob einen so etwas erfreuen sollte, ist fraglich. Für uns störte es eher die Idyllische Natur. Nach einer ausgiebigen Runde kehrten wir in unsere Unterkunft zurück, erledigten unsere Wäsche und erholten uns etwas im gekühlten Zimmer. Gegen frühen Abend besuchten wir noch einmal den Park mit den schönen Laternen vom Vorabend und das damit verbundene Railway Art Village. Es handelte sich dabei um einen stillgelegten Bahnhof mit altem Zug und schön gestaltetem Ambiente rundherum. Im Gebäude war eine sehr gut ausgestattete Tourist-Info inklusive kleinem Kunsthandwerksverkauf. Gegen 18:00 kamen wir bei einem bei Maps gefundenen vegetarischen Restaurant mit Büfett an und waren schon fast zu spät. Nur noch 2/3 des Angebotes war überhaupt noch da. Das Essen war nicht überwältigend, aber OK und für den Preis von 4,11€ für zwei Teller voll diverser Gemüse, Algen, Blattgemüse und Tofu inklusive Reis mehr als gut.

Donnerstag, 22.2.24 Taitung- Ausflug zum Liji Badlands Geopark

Wir nahmen am Morgen den Bus zum Liji Badlands Geopark im Nordwesten von Taitung. Ähnlich wie bei der Moon World bei Tainang handelte es sich auch hier um verwitterte und erodierte Berghänge, die wie eine Mondlandschaft aussahen. Leider hatte man hier keinen so netten Park mit Wanderwegen geschaffen, sondern nur eine Aussichtsplattform. Da wir aber keine Dreiviertelstunde gefahren waren, nur um ein Foto zu machen und der Bus zurück erst in ca. einer Stunde fuhr, gingen wir entlang der nicht allzu befahrenen Straße weiter. Wir hatten ärgerlicherweise erst nach dem Aussteigen realisiert, dass der Bus auch noch weitergefahren wäre, letztendlich sogar zu irgendwelchen heißen Quellen. Wir liefen ca. einen Kilometer und fanden eine Tourist-Information. Leider sprach die ansonsten nette Mitarbeiterin kein Englisch, vermittelte uns aber, dass wir ohne Auto hier wohl nicht viel machen konnten. Wanderwege gab es keine. Wir diskutierten mit Hilfe des Übersetzungsprogramms noch eine Weile mit ihr, ob wir, wie Maps vorschlug, am Fluss entlanglaufen könnten. Sie stimmte zu, allerdings ging ihrer Meinung nach der Weg nicht, den Google vorschlug. Da wir während der Beratung den Bus verpasst hatten, entschieden wir uns, unserem Navi zu vertrauen und liefen durch ein paar kleine Straßen des indigenen Townships, vorbei an diversen Anpflanzungen und den Häusern der Besitzer mit unzähligen bellenden Hunden. Zum Glück waren die meisten angekettet, die anderen entschieden sich gnädigerweise dafür, uns vorbeizulassen. Wir schafften es zum Flussbett des Flusses Beinan, der nicht stark gefüllt war und daher ein buntes Muster aus Wasser und Flussbett bot. Wir konnten gemütlich zwischen Fluss und Plantagen den Rückweg einschlagen. Der nächste und letzte Bus wäre erst in mehreren Stunden gefahren, also planten wir, so weit zurückzulaufen, dass wir an eine Haltestelle kamen, wo mehr Busse fuhren. Hierzu mussten wir auf der Liji Bridge den Fluss überqueren. Zum Glück war sie nicht sehr befahren, denn Fußweg oder Seitenstreifen gab es keine. Auf der anderen Seite erreichten wir den unserer Meinung nach nichtssagenden Peinandadzhen Riverside Park. Bei der nächsten Bushaltestelle stand der von uns herausgefundene Bus leider auch nicht angeschlagen. Wir warteten dennoch die Abfahrtszeit ab, aber er kam nicht, also liefen wir noch eine Haltestelle weiter und siehe da, mit uns gemeinsam kam ein Bus dort an. Ungesehen stiegen wir ein, sollte er irgendwo falsch abbiegen, konnten wir immer noch wieder aussteigen, aber er fuhr genau dorthin, wo wir wohnten. Wir kauften ein paar Lebensmittel ein und gönnten uns eine Pause in unserem Zimmer, bevor wir das nächste vegetarische Restaurant zum Abendessen testeten.

Freitag, 23.2.24 Taitung – Ausflug Fugang

Heute brachte uns der Bus noch ein bisschen weiter die Küste hoch bis Xiaoyeliu oder auch Fugang. Dort begrüßte uns ein Besucherzentrum des Geoparks mit angelegten Wegen, die uns die Botanik der Gegend näherbrachten, aber hauptsächlich ging es um die Geologie. Durch Ablagerung von Sand- und Tonschichten, der Verschiebung der tektonischen Platten und der jahrelangen Erosion durch Wind und Brandung konnte man hier an der Küste von Xiaoyeliu verschiedene spektakuläre und einzigartige Felsformationen bestaunen. Die Muster waren so unterschiedlich und viele auch durch Versteinerungen geprägt, dass man es kaum glauben konnte, dass das alles naturgemacht war. Manche Muster hätte man eher einem Bildhauer zugetraut als Wasser und Wind. Wir hatten Glück mit dem Wetter. Es war trocken, aber wolkig und etwas windig, sodass es genau richtig war, um ohne Sonnenschutz auf den Steinen und Felsen herumstreifen zu können und die Steine warm genug waren, um sich auch mal draufzusetzen. Nach dem Park gingen wir durch einen nicht ganz legalen Ausgang, aber er führte uns direkt zum bunten Hafen von Fugang. Die gesamte Hafenmauer, mindestens 100m lang, war hellblau gestrichen und mit Fischen bemalt. Der Hafen war kein romantisch-touristischer mit Cafés zum Verweilen, sondern ein Fischereihafen, von dem aber auch ein Shuttle Boot zur Green Island fuhr. Seine Authentizität und die Farben von Booten, Zubehör und der Hafenmauer machten ihn für uns zu einem interessanten Ort. Von dort fuhren wir mit dem Bus zum Lingxiao Tempel, oberhalb des Gebietes, in dem wir am Vortag gewandert waren. Der Tempel war im Vergleich zu denen, die wir zuvor gesehen hatten, groß und seine Lage auf einer Anhöhe erlaubte von oben einen schönen Blick auf Taitung und die Berge. Wir hatten Glück, als wir den Zufahrtsweg wieder hinunterkamen, kam gerade ein Bus, der uns bis zu unserer Haltestelle brachte. Der Bus war das, was ich einen Traum in Rosa und hellblau nennen würde. Es gab nur eine obere Etage, die Sitze waren hellblau und die Gardinen waren rosa Bögen mit Trotteln. Es sah herzallerliebst aus. In diesem himmelbettartigen Bus fuhren wir also wieder in die Stadt und gingen zur Abwechslung mal wieder in ein gutes Café. Wir fanden unsere Cafékette „Donutes“, in der wir in Tainan häufig gefrühstückt hatten und ließen es uns bei Teilchen und Haselnuss -Karamel- Kaffee gutgehen. Danach stand etwas Reiseorganisation an: Geld ziehen, unsere Easycards wieder aufladen und wir mussten eine Frucht namens Buddha’s head oder auch Sugar Apple genannt, finden, hatte Anna aus Taichung uns per WhatsApp aufgetragen. Diese Frucht wuchs hier, das hatten wir auch am Vortag gesehen, und sollte daher hier am besten schmecken. Sie war grün, hatte so ein bisschen die unebene Form einer Ananas und war innen weiß mit Kernen. Man schälte sie und aß nur das weiße Fruchtfleisch. Wir wurden auf dem Markt fündig und die Bäuerin wollte partout kein Geld dafür, weil sie wohl meinte, die Frucht wäre schon so überreif, dass sie kein Geld mehr nehmen konnte. Mir schmeckte sie köstlich. Danach wuschen wir Wäsche in einer Waschmaschine im 10.Stock unserer Unterkunft, echt praktisch und für 2x50TWD (Ca 3€) waschen und trocknen auch noch preiswert. Am Abend planten wir im Park den Beginn des Laternenfestes zu besuchen. Es gab hier eine etwas gruselige Art der Feierlichkeit. Junge Männer ließen sich mit Feuerwerkskrachern bewerfen als Tradition zur Erinnerung an Lord Handan. Ich war gespannt, ob ich diesem merkwürdigen und ehr angsteinflößendem religiösen Ritual etwas abgewinnen konnte. Am kommenden Tag zog dann anscheinend ein Zug begleitet durch Böller durch die Stadt. Bisher fand ich es schade, dass sich unsere Fenster im Zimmer auf der 6.Etage nicht öffnen ließen, weil sie extra verklebt waren. Wenn ich aber an all die Knallerei und den damit verbundenen Rauch die nächsten zwei Tage dachte, war ich glaube ich ganz froh darüber. Vielleicht bot sich ja für uns von hier oben ein tolles Bild, ohne mittendrin sein zu müssen.

Samstag, 24.2.24 Taitung – Lichterfest mit „Fried Lord Handan“

Seit dem vorigen Abend waren wir voll im Laternenfest angekommen. Es begann am Abend mit dem “ Fried Lord Handan“‚. Mutige (oder wohl eher verrückte Männer) stiegen auf einen Thron mit einer langen Stange, die von hinten über ihren Kopf gebogen war. Sie standen da oben mit kurzer Hose, Taucherbrille und Tuch um den Kopf, hielten sich mit einer Hand hinten fest und schwenkten in der anderen ein Büschel Zweige. So wurden sie von Trägern auf einer begrenzten Fläche herumgetragen und mit einem ganzen Stakkato von Böllern beschossen. Es war unglaublich laut, hörte sich ehr an, als würde eine Million Kugeln auf Wellblech rollen und überall war Rauch. Gelegentlich wurde auch mal ein schönes Feuerwerk gezündet. Das Ganze fand nacheinander mit mehreren „Lord Handans“ statt. Nach der Legende war Lord Handan ein Gott, der im Winter fror, daher wärmten die Gläubigen ihn mit Böllern auf. Während der japanischen Okkupation und in den Coronajahren war die Zeremonie verboten, jetzt wurde sie wieder ausgelebt. Sie war typisch für Taitung, deshalb sahen wir uns das auch an. Heute Mittag fand dasselbe noch einmal direkt neben unserem Hotel statt. Dieses Mal waren wir nicht nur mit Maske, sondern auch mit Ohropax ausgestattet. Als wir danach zu einer anderen Veranstaltung des Laternenfestes gingen, die uns unsere Vermieterin verraten hatte, sahen wir eines dieser Opfer vom Vorabend, oder sehen sie sich als Helden? Dieser „Lord Handan“ hatte den einen Arm dick mit weißer Salbe eingeschmiert und hatte auch erkennbar Brandwundenschmerzen, aber er war schon wieder voll in seinem Element. Dieses Mal war er wohl verantwortlich für eine verkleidete Tanzgruppe seiner Tempelgemeinde. Es gab eine ganze Reihe bunter und zum Teil wirklich künstlerisch echt guter Vorführungen mit Teilnehmern in farbenprächtigen Kostümen. Was ihre Choreographien bedeuteten, konnten wir leider nicht verstehen, wohl aber, dass es eine Kürung der Besten gab. Ein wenig hatte das Ganze von Karneval in seiner Farbenprächtigkeit und dem Einfallsreichtum. Das war auf jeden Fall eine bedeutend akzeptablere und angenehmere Art, nochmal wieder das Neue Jahr einzuläuten, denn das Laternenfest war der endgültige Abschluss dieser ganzen Feierlichkeiten. Auch an diesem Tag knallte es draußen wieder und teilweise waren es sogar bunte Leuchtkörper, nur leider war es noch gar nicht dunkel. Abends sollte es noch eine Parade geben. Bevor an diesem Morgen alles begann, ließen wir den Tag langsam und ruhig starten, indem wir auf den Hügel im Park beim Longfeng Tempel kletterten. Es waren wieder zahlreiche Stufen, aber von oben hatten wir einen wirklich schönen Blick auf die Stadt und die Berge im Hintergrund. Am Sonntag sollte die Fahrt weiter entlang der Küste ins nördlichere Hualien gehen. Vielleicht bekamen wir dort auch noch etwas von deren Traditionen zum Laternenfest mit.

Sonntag, 25.2.24 Taitung – Hualien

Unsere Reise ging allmählich dem Ende entgegen. Nach einem leckeren Frühstück bei Donutes verließen wir morgens Taitung und fuhren weiter gen Norden nach Hualien, was uns mit Regen begrüßte. Seit Sanyi hatten wir keinen Regen mehr erlebt und dort hatte es auch gleich aufgehört zu tröpfeln, als wir uns auf den Weg machten. Wir hofften, dass er sich hier auch wieder verzog, denn Hualien war unser Sprungbrett in den Taroko Nationalpark. Es wäre zu schade gewesen, hätten wir den nicht besuchen können, aber bei Regen und Nebel in die Berge zu gehen machte auch keinen Sinn. Wir würden sehen. Der erste Eindruck von Hualien war nicht sehr aufregend. Wir wohnten dieses Mal leider auch nicht mitten im Zentrum, sondern außerhalb in der Nähe des Bahnhofs. Außerdem war heute Sonntag und es hatte nicht viel geöffnet. Wir waren allerdings von unseren letzten Standorten auch ziemlich verwöhnt. Zweimal bei Festivitäten mittendrin zu wohnen, war schon wirklich toll. Ließen wir es also auf uns zukommen und guckten uns Stadt und Umgebung am kommenden Tag mal bei Hellem an. Ein tolles vegetarisches Restaurant mit „All you can eat Buffet“ hatten wir auf jeden Fall schon mal gefunden, getestet und für gut befunden. Unser Zimmer war OK, nicht so geräumig und gemütlich wie das letzte, aber zumindest sauber und ordentlich und in ruhiger Lage.

Montag, 26.2.24 Hualien – Ausflug in den Taroko Nationalpark

Der heutige Tag war der Natur gewidmet. Obwohl es nieselte, fuhren wir mit dem Bus in den Taroko Nationalpark. Dort war es trocken, wenn auch diesig und ca. 19?. Wir liefen einen wunderschönen Wanderweg, der etwas oberhalb entlang des Shakadang Rivers verlief. Zu Beginn war die Schlucht so eng, dass es fast wie in einer Klamm war. Über uns wölbte sich das Felsmassiv, es ging über eine Hängebrücke, wobei man neben die spannendere Seilbrücke noch eine breitere Hängebrücke gebaut hatte, was unserer Meinung nach nicht nötig gewesen wäre. Der Fluss bildete immer wieder Gumpen mit einem unglaublich türkis-blauem Wasser, was ich stundenlang hätte bewundern können. Drinnen lagen Felsblöcke mit herrlichen Maserungen und Formen. Je weiter wir kamen, je mehr öffnete sich das Tal und es wurde zu unendlich grünem Dschungel. Auf der dem Fluss abgewandten Seite ging es steil die bewachsenen Berge hoch, das war abgesperrtes Gebiet der Ureinwohner des Truku Stammes. Sie durften auch als einzige den Wanderweg mit Fahrzeugen nutzen. Zweimal kam ein Roller vorbei, was aber völlig okay war. Irgendwie mussten sie ja ihre Waren transportieren. An zwei Stellen gab es Verkaufsstände mit einheimischen Gerichten. Wir hatten morgens nicht viel gefrühstückt und kauften uns daher auch einen „Bamboo sticky rice“, also braunen, klebrigen Reis, wie er hier typisch war (zum Glück, sonst hätte ich mit Stäbchen nie was in den Mund bekommen) in einem Stück Bambusrohr gekocht, was vor unseren Augen aufgeschlagen wurde, sodass wir den Reis als Wurst mit etwas Frühlingszwiebeln und noch einem Grünzeug essen konnten. Es schmeckte nicht außergewöhnlich, war aber OK und füllte etwas die Energiereserven auf. Der Weg endete an einem Platz im Dschungel, der Sanjianwu genannt wurde, was bei den Truku so viel wie „3 Häuser“ hieß. Hier sollten ehemals 3 Häuser des Stammes gestanden haben. Ursprünglich hieß der Platz aber Brayaw, was in der Trukusprache Elefantenohren hieß und sich auf die großblättrigen Pflanzen bezog. Wir mussten denselben Weg wieder zurückgehen, was aber ob seiner Schönheit gar nichts ausmachte. Im Anschluss an die Wanderung erkundigten wir uns im Visitor Center über einen Weg für den nächsten Tag und fuhren zurück in die Stadt. Hualien selbst konnte bisher unser Herz noch nicht erwärmen, aber der Nationalpark war wunderschön und es allemal wert, hier ein paar Tage zu verbringen.

Dienstag, 27.2.24 Hualien – Ausflug in den Taroko Nationalpark

Auch heute wieder fuhren wir in den Taroko Nationalpark. Dieses Mal ging die Fahrt bis zur Endstation des Busses nach Tianxiang und von dort aus sind wir den Baiyang Trail gewandert. Die Busfahrt war bereits ein besonderes Erlebnis, wenn sie auch starke Magennerven verlangte. Es ging auf enger, aber top ausgebauter, kurviger Straße durch die Schlucht und immer wieder auch durch Tunnel. Wir hätten am liebsten den Bus alle paar Minuten angehalten, um den Ausblick zu genießen und zu fotografieren. Letztendlich funktionierte der Bus sogar fast so. Er hielt an den beeindruckendsten Stellen und dort, wo Wanderwege abgingen. Da aber zwischen den Bussen meistens 1-1 1/2 Std lagen, konnte man natürlich nicht überall aussteigen. Wir fuhren also bis zum Ende und wanderten los. Wie bereits am Vortag war der Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, denn er ging entlang der Straße und in einen Autotunnel. Im Tunnel gab es dann einen Abzweig, der gestern gleichzeitig die Belüftung des Tunnels war, und dieses kurze Tunnelstück führte zum Beginn des Wanderweges. Unser heutiger Weg war ein Stück höher über einer Schlucht und es ging auf dem nur 2 km langen Weg durch 8 Tunnel. Es erinnerte uns etwas an Madeira. Manche Tunnel waren eng und nur am Ende sah man ein kleines Licht, andere breiter, aber kurvig, sodass man zeitweilig nichts sah. Wir waren aber gut vorbereitet und hatten eine Stirnlampe dabei. Wenn man aus den Tunneln herauskam, boten sich einem die beeindruckendsten Aussichten auf den reißenden Fluss, Wasserfälle, Felsen aller Größen, Formen und Färbungen, Aushöhlungen, umspülte Felsen mit türkisblauem Wasser, einfach unbeschreiblich. Den wahnsinnigsten Ausblick hatte man, wenn man über eine Hängebrücke ging. Es wurde zwar Herz- und Bluthochdruckkranken abgeraten, aber das war albern. Höhenangst sollte man aber wohl nicht haben. Man erreichte ein Plateau, von dem man auf der einen Seite Wasserfälle von oben herunterstürzen sah, auf der anderen Seite rauschte das Wasser mit Getöse tief unter einem. Der Wanderweg endete in einem komplett dunklen Tunnel, der nicht nur auf dem Boden stehendes Wasser hatte, sondern in dem es richtig regnete. Er führte zu einem Wasservorhang eines Wasserfalls. Es muss von diesen noch mehr gegeben haben, aber ein ganzer Teil des Weges war nicht mehr zugänglich, weil das Grundgestein über dem Tunnel locker war und damit vom Einsturz bedroht. Wir mussten sowieso großes Glück gehabt haben, dass wir so viel von dem Trail genießen durften. Noch vor drei Monaten hatte ein Besucher geschrieben, dass der Weg nur über 900m begehbar gewesen wäre wegen eines Bergsturzes und er sich deshalb nicht lohne. Wir genossen den Weg auf seinen nun je zwei Kilometern Hin- und Rückweg jedenfalls auf jedem Zentimeter. Im Park gab es immer wieder Wegsperrungen, weil es in jedem Jahr durch Taifune und manchmal auch durch Erdbeben zu Steinschlag und Bergrutschen kam. Es war schon absolut erstaunlich, welche Leistungen Taiwan mit dem Bau dieser Straßen und Wanderwege erbracht hatte und mit ihrer Erhaltung weiter ständig erbrachte. Ein wahres Wunder, dass der Eintritt in den Park noch nicht mal etwas kostete und die Busfahrten hier immer nur Centbeträge waren. Die ganze Fahrt vom Busbahnhof in Hualien bis nach Tianxiang, ca 40km/1h40Min kostet nur 140TWD, d.h. gerade mal 4,09€ pro Person.

Nach dem Baiyang Trail aßen wir beim 7/11 am Ausgangsort etwas zu Mittag und entschieden uns, mit dem Bus bis zum „Tunnel of 9 Turns“ zu fahren. Der Weg führte durch einen Tunnel mit vielen Biegungen, der zur Schlucht hin ständig die unterschiedlichsten Ausblicke durch seine offene Bauweise erlaubte. Nicht allein die Ausblicke waren es wert, den Weg zu gehen, sondern auch die einzigartige Bauweise dieses Tunnels in solcher Umgebung. Das verlangte schon höchste architektonische und handwerkliche Fähigkeiten. Wir hatten Glück, gerade noch, ohne lange warten zu müssen, einen Bus Richtung Hualien zu erreichen. Er stand zwar nicht auf dem Plan, aber was soll’s, wenigstens der Bus war da und wir bekamen noch gute Plätze, nicht zu weit hinten. In der Stadt besuchten wir ein weiteres vegetarisches Restaurant, hier inzwischen unser drittes, und aßen Abendbrot, bevor wir zu Fuß nach Hause gingen.

Mittwoch, 28.2.24 Hualien – Ausflug in den Taroko Nationalpark

Auch unseren letzten Tag in Hualien verbrachten wir im Nationalpark. Wir fuhren bis zur Buluowan Terrasse. Die Buluowan-Terrasse war einer der wenigen für menschliche Besiedlung geeigneten Orte in der Taroko-Schlucht und wurde seit der Antike von verschiedenen ethnischen Gruppen bewohnt, die jeweils Spuren ihrer Lebensweise hinterließen. Wir folgten der Ausschilderung zur Shanyue Hängebrücke, die die längste Spannweite und höchste Höhe aller Hängebrücken im Taroko Nationalpark aufwies. Sie war 196 lang, 2,5m breit und 152 Meter über dem Fluss Liwu. Man hatte einen tollen Blick von oben und konnte beobachten, wie sich der Fluss unter einem schlängelte, und oben begeisterte der Blick auf die Berge. Im Osten lag das Xipan-Gebiet, während im Westen das imposante, steile Schlucht-Gelände der Schwalbengrotte (Yanzikou) zu sehen war. Letztere besuchten wir danach. Wir mussten zuerst einen ca. 600m langen Trail über zahlreiche Treppen durch Dschungel bergab nehmen, dann ging es durch einen neuen Highwaytunnel zum alten Highway. Einen der aufregendsten Trails, den Zhuilu Old Road Trail über 20km, der hier begann, aber zurzeit an manchen Stellen gesperrt war, konnte man nur mit vorheriger Genehmigung, die ca. einen Monat zuvor beantragt werden musste, wandern. Er gehörte neben den Gipfelbesteigungen wohl zu den anspruchsvollsten und es gab eine Begrenzung der Personenzahl pro Tag. Was wir aber machen konnten, war das Stück auf der Old Road bis zum Parkplatz hinter der Schwalbengrotte zu laufen. Der Weg ging durchgehend durch Tunnel, man hatte aber wiederum schöne Ausblicke. Dennoch war er nicht wirklich das, was wir uns vorgestellt hatten. Im Tunnel fuhren nämlich Autos und besonders Reisebusse Zentimeter nah an uns vorbei. Überall standen Schilder, man sollte nicht stehenbleiben und Helme tragen wegen möglichem Steinschlag. Die Helme bekam man aber anscheinend nur bei geführten Touren, oder vorher an einer Stelle, an der wir mit dem Bus vorbeikamen, aber nicht aussteigen konnten, und außerdem erschien uns die Gefahr durch die Busse erheblich größer. Einen Bürgersteig gab es nicht, nur einen Strich und manchmal Einbuchtungen, wo man etwas größeren Abstand zum Fahrstreifen bekam. Auch wenn in den alten Tunnelhöhlen Schwalben nisteten, hatte es nicht den Charme von Natur.

Wir hatten wieder Glück und bekamen noch Plätze im nächsten Bus zurück nach Hualien. Leider fuhr er jedoch eine andere Strecke als die, die wir zuvor gefahren waren, daher war unsere Fahrt zur Qixingtan Scenic Area, einem Stranderholungsgebiet im Norden von Hualien, wieder etwas holprig. Nach mehrmaligem Umsteigen kamen wir endlich dort an und ich hatte es nun endlich auch geschafft, in Hualien mal das Meer zu sehen. Die Küste hatte eine schöne Form und der Park war nett angelegt, aber genau auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich ein riesiges Militärgebiet mit Militärflughafen. Wie bei Taitung flogen auch hier die Kampfjets direkt über die Köpfe der Parkbesucher hinweg, was aber wohl nur uns störte. Einheimische Rezensenten schwärmten davon, das Glück gehabt zu haben, bei ihrem Besuch 6-8 Jets starten zu sehen, statt sonst 4-6! Für mich war diese Faszination nicht verständlich. Nach diesem Strandhighlight wollten wir zum Abschluss noch den Dongdamen Night Market besuchen. Wieder mussten wir erst zur Busstation fahren, um dann einen Bus dorthin nehmen zu können. Leider lag in Hualien der Bahnhof und Busbahnhof nicht in der Innenstadt, sondern ein paar Kilometer entfernt. Wir wohnten sehr zentral zu den Bahnhöfen, was für An- und Abreise und für die Fahrten in den Nationalpark super war, aber um abends noch in die Stadt zu kommen, war es sehr umständlich. Wir nahmen die Fahrerei aber auf uns und besuchten den wirklich guten Nachtmarkt. Er war oberhalb der Küste, ohne Auto- oder Rollerverkehr und gut gestaltet, denn dort wiesen sogar Schilder aus, wo z.B. Essensstände der Ureinwohner waren, wo es andere taiwanesische Kost gab, wo eine Bühne war etc. Außerdem gab es Zelte, in denen man sich zum Essen auch hinsetzen konnte. Die Anlage war nett gestaltet. Nun bekamen wir auch Hunger, wollten aber richtig im Restaurant essen. Zum einen fing es an zu regnen und außerdem war es immer etwas schwierig, auf den Nachtmärkten vegetarisches Essen zu bekommen. Es gab wohl Pommes oder Maiskolben, aber keine richtige Mahlzeit. Wir fanden nach einigem Herumlaufen eine vegetarische Pizzeria, ließen es uns schmecken und fuhren dann zurück in unsere Unterkunft. Am nächsten Tag stand uns unsere Weiterfahrt nach Yilan bevor, wo sich unser Kreis schon fast wieder schloss. Von dort war es nicht mehr weit bis Taipei und unsere verbliebene Zeit nicht mehr lang bis zum Rückflug.

Donnerstag, 29.2.24 Hualien – Yilan

Nun hatten wir also unser letztes Ziel erreicht und genossen die nächsten 6 Tage in Yilan an der nördlichen Ostküste Taiwans. Die Stadt hatte nicht ganz 100.000 Einwohner und war damit für taiwanesische Verhältnisse überschaubar. Die Lage war, wie Karen, unsere Airbnb Gastgeberin sie beschrieb, genial. Im Westen direkt die Berge, im Osten die Küste und das ganze Land sehr fruchtbar. Wir hatten mit Karen wieder eine äußerst engagierte Gastgeberin erwischt. Sie hatte sich schon vorab informiert, was uns interessierte und uns mit Links zu vegetarischen Restaurants ausgestattet. Als wir ankamen, hatte sie eine ganze Anzahl an Tipps für Sehenswürdigkeiten und Ausflüge und informierte uns, welche Busse wir nehmen müssten. Darüber hinaus schenkte sie uns Bananen, Äpfel und eine Tomate, deren Art es nur hier gab, sowie einen Kuchen. Sie war nun schon die zweite Gastgeberin, die sich so viel Mühe gab, auch etwas kulturellen Austausch mit der Vermietung ihrer Unterkunft zu verbinden, sehr lobenswert! Wir hatten ein Zimmer in ihrem Gästehaus, wo wir in der ersten Nacht die einzigen Gäste waren. Am nächsten Tag kam für drei Nächte eine australische Familie mit Kind. Wir mussten uns dann das Wohn-/Esszimmer und die Küche teilen. Unser Bad war privat. Vielleicht bot sich damit ja auch noch eine ganz nette Reisebegegnung. Wir verbrachten unseren ersten Nachmittag mit einem Mittagessen im nahegelegensten vegetarischen Büfett-Restaurant, einem Rundgang in unserer näheren Umgebung und einem Besuch im Kunstmuseum der Stadt, dem Yilan Arts Center. Aus einer kurzen Stippvisite wurde eine zweistündige, englische Führung durch die nette Mitarbeiterin des Museums. Sie erklärte uns an vielen Beispielen die Art und Weise, wie der Künstler Lin Chang Hu in seiner Ausstellung „The hidden essence of Tao“ mit chinesischen Charakteren spielte und die Bedeutung der Worte und Kalligraphie miteinander verband. Sie berichtete vom Leben des Künstlers, der nach seinem Studium in Taipei von seinem Professor als Anerkennung seiner Leistungen ein Bild mit dem Titel „100 herumtollende Enten“ (laut Übersetzung, es waren aber Küken). Sie erklärte uns dazu, dass die Zahl 100 für Glück und Hoffnung stünde und damit große Anerkennung und Wertschätzung und auch die Betonung eines besonderen Verhältnisses zwischen Professor und dem Absolventen ausdrückte. Lin Chang Hu war so glücklich darüber, dass er als Dank ebenfalls ein Bild für den Professor malte und darauf zwei Weingläser auftauchten, was wiederum nach alter chinesischer Tradition Freundschaft bedeutete. Es war sehr interessant, ihren Erklärungen zu folgen, und wer bekam schon eine private Führung einfach mal so ohne Bezahlung? Man merkte direkt, dass die Frau ebenfalls Interesse an einem Austausch hatte, und Stefans Begeisterung für japanische und chinesische Schriftzeichen waren jedes Mal ein Türöffner für Gespräche. Hier an der Ostküste sah man zwar aufgrund der tollen Natur vermehrt internationale Touristen, auch aus der westlichen Hemisphäre, aber selten nahmen sie sich so viel Zeit, Taiwan zu bereisen, wie wir. Das schien gut anzukommen.

Freitag, 1.3.24 Yilan- Ausflug nach Loudong

Nach dem Frühstück in der Lobby unseres Gästehauses, wo wir am Morgen noch ganz allein waren, machten wir uns auf den Weg zum Yilan Cultural and Creative Park. Es handelte sich um ein nettes kleines Sträßchen mit kleinen Häusern mit Kunsthandwerkslädchen. Es gab Kleidung und diverse gewobene Bändchen, Armbänder etc. Besonders gefallen hat uns die Galerie mit einer sehr guten Fotoausstellung über Yilan in den 70iger und 80iger Jahren. Da hatte sich inzwischen so einiges in der Stadt getan. Die Menschen wirkten auf den historischen Bildern alle arm und resigniert, Straßen ungeteert und Gebäude heruntergekommen. Heute machte Yilan einen munteren Eindruck.  An vielen Stellen fand man lustige Figuren und kleine Parks, alles im Zentrum war beschaulich und lebendig. Lustig war z.B. der Diu Diu Dang Forest Park gegenüber dem Bahnhof, der hübsch von außen anzusehen war. In dem Park hing ein Zug mit lustigen Tieren und Personen in den Bäumen und unten saß eine wartende Frauenfigur mit Koffer, Schirm und einem tollenden Hund. Alles war sehr bunt und verspielt und so fotogen, wie es die Asiaten liebten, um sich damit auf einem Selfie abzulichten. Nach einem Kaffee fuhren wir mit dem Zug nach Ludong, einer Stadt im Landkreis Yilans, ca 10 Min Zugfahrt Richtung Süden. Hier besuchten wir den Luodong Forestry Culture Park. Die Japaner hatten während ihrer Okkupation fast alle Bäume im Gebiet um Taipei für ihre Häuser und Möbel abgeholzt. Das Holz wurde mit Zügen zur Küste transportiert. Nach dem Abzug der Japaner wurde dieser Ausbeutung der Natur ein Riegel vorgeschoben. Die Züge, die alten Schienen und die Infrastruktur war jetzt ein ökologischer Park mit einem See, kleinen Läden mit Holzprodukten, Restaurant etc., in dem man schön spazieren gehen und die Geschichte in einem Video ansehen konnte, wenn auch leider nur auf Chinesisch. Nebenan war der Night Market von Ludong, der uns aber nicht gefiel. Es waren fast nur Stände mit Kleidung. Da es darüber hinaus wieder anfing zu nieseln, machten wir uns auf den Rückweg nach Yilan. Dort gingen wir vietnamesisch- vegetarisch essen in einem sehr kleinen Straßenrestaurant. Es war gut, aber nicht überragend. Der Night Market von Yilan, 3 Minuten von unserer Unterkunft entfernt, gefiel uns besser, auch wenn leider Roller dort fahren durften. Wir kauften uns als Dessert je ein Crêpe. Die taiwanesische Variante von französischem Gebäck war immer etwas eigenwillig, so hatten wir zuvor Macarons, die ehr Biskuit-Keksen ähnelten und die Crêpes an diesem Tag wurden so lange gebacken, dass sie knusprig, wie Chips waren. Lecker waren sie dennoch. In unserem Gästehaus war mittlerweile die australisch/taiwanesische Familie mit Kind angereist. Vielleicht ergab sich später noch ein Gespräch mit ihnen. Das Wetter hier an der Ostküste war im Übrigen viel wechselhafter als wir es bisher hatten. Es nieselte oft, am Vorabend hatte es richtig geregnet und einen Temperatursturz um ca. 7? gegeben. Jetzt waren es draußen nur noch 13?, bibber! Das fühlte sich ja schon nach Einstimmung auf Deutschland an!

Samstag, 2.3.24 Yilan- Ausflug nach Toucheng

Wir erlebten unseren zweiten der durchschnittlich 200 jährlichen Regentage in Yilan. Diese Zahl lernten wir kennen, weil wir uns dennoch nicht abschrecken ließen und mit dem Zug nach Toucheng nördlich der Kreisstadt Yilan fuhren, um dort ins Lanyang Museum für lokale Geschichte zu fahren. Das klang zwar gar nicht spannend, aber Taiwan konnte einen bei Museen eines anderem belehren. Wie immer handelte es sich um ein außergewöhnliches architektonisches Gebäude und es war mit Hilfe von Filmen, Animationen, Kinderprogramm und Nachbauten von Behausungen, Booten, menschengroßen Figuren, die Szenen des Lebens einheimischer Stämme darstellten, für alle Altersgruppen anschaulich gestaltet. Leider waren nicht alle Videos mit englischen Untertiteln, somit konnten wir die Entstehung Taiwans, das Zusammenschieben der tektonischen Platten, leider nur sehen, aber bekamen keine Erklärungen. Ein Taiwanese, der seit Jahrzehnten in den USA lebte, fragte extra für uns nach, ob es möglich wäre, den Film mit englischen Untertiteln abzuspielen, und es war ihm sichtlich peinlich für sein Land, dass das nicht angeboten wurde. Es war wirklich bemerkenswert, wie oft wir von Einheimischen angesprochen wurden, weil man uns etwas erklären, uns bei etwas behilflich sein oder einfach wissen wollte, woher wir kamen. Im Museum wurde auf mehreren Etagen ein Ausstellungsraum geschaffen, der, so die Idee der Erschaffer „die einzigartige Topographie von Yilan, einschließlich der Lanyang-Berge, der Ebenen und des Ozeans, präsentieren sollte. Es diente als Metapher für die Bewohner von Yilan, das ihre Werte und Erfahrungen widerspiegeln sollte, bei denen insbesondere die interaktive Begegnung mit der natürlichen Umwelt im Mittelpunkt stand“. Wir erfuhren etwas über die Ureinwohner, die Migration von Han Chinesen, die auf ihre Anpassungsprobleme in den ersten Jahren mit besonderen religiösen Riten reagierten, über die Zerstörungen der Lebensgrundlagen, Behausungen und Opfer durch Taifune alle paar Jahre, aber auch die extreme Fruchtbarkeit des Landstrichs und vieles mehr. Als wir nach ca. 2 Std das Museum verließen, nieselte es noch eine Weile, hörte dann aber auf zu regnen und wir wanderten entlang des Hafens Wushi Harbour, der erstaunlich groß war, und des Yachthafens bis zum schwarzen Strand von Waiao Beach, von wo aus wir den Felsen Guishan Island oder auch Turtle Island genannt sehen konnten. Zuvor hatten wir im Museum erfahren, dass es rund um die Insel zahlreiche Vulkane unter Wasser gäbe. Das Meer hatte starke Brandung und ein paar Surfer versuchten erfolglos auf ihre Bretter zu klettern. An Schwimmen war gar nicht zu denken. Es war verboten und bei 13? Lufttemperatur und Nieselregen wäre es wohl auch sonst nicht sehr reizvoll gewesen, daher hatten wir den Strand fast für uns. Auf dem letzten Stück zum nächsten Bahnhof Wai’ao gab es eine Promenade und man konnte sehen, wie die Leute ihr Gemüse direkt zwischen Haus, Promenadenweg und Strand anbauten. Wir fuhren mit dem Zug zurück nach Yilan und besuchten, als es dunkel wurde, den Riversidepark. Hier fanden an diesem Tag beim Tempel Feierlichkeiten zum 240. Geburtstag eines Gottes statt. Das Wetter hatte aber anscheinend die meisten Menschen vergrault, auf jeden Fall gab es nur ein paar Essstände, einen Altar und wenige Besucher. Ganz schön war die Beleuchtung der Yilan Brücke anzusehen. Wir entschieden uns, ein neues vegetarisches Restaurant in der Nähe auszuprobieren und waren begeistert. Es gehörte scheinbar zu einer buddhistischen Gemeinde, wie wir später von unserem taiwanesisch- australischen Mitbewohner erfuhren. Er erklärte uns auch, dass für strenggläubige Buddhisten die vegetarische Ernährung auch keine scharfen Zutaten wie Knoblauch und Frühlingszwiebeln erlaubte, weil man glaubte, dass sie die innere Ruhe störten. In diesem Restaurant war das Essen jedoch, verglichen zu vielen anderen, gut gewürzt und äußerst schmackhaft. Auch hier half uns ein Taiwanese, als wir eine längere Zeit über der chinesischen Speisekarte brüteten. Er zeigte mir ein Essen vom Nebentisch und das sah so lecker aus, dass ich dasselbe wählte, ohne wirklich zu wissen, was es war. Ich bekam eine sehr schmackhafte, cremige Pilz-Maissuppe, Reis mit einem mir unbekannten, aber leckerem Gewürz, ein Stück vegetarisches Hähnchenschnitzel, grünes Blattgemüse, einen Salat mit Obst und Gurken, der hervorragend schmeckte, und einen typisch taiwanesischen Gelee aus einem blumig schmeckenden Tee, etwa so wie Wackelpudding, aber aus Naturprodukt und ohne Farbstoff. Stefan hatte eine Nudelsuppe mit Kimchi, denselben Salat und das Dessert, dazu eine selbstgemachte Orangenlimonade, die ihresgleichen suchte, so lecker war sie. Das alles kostete uns zusammen um die 15€, und das Ambiente des Restaurants sah aus, als könnten wir uns hier kein Essen leisten. Hier wollten wir am letzten Tag noch einmal hingehen und unser Abschlussessen genießen.

Sonntag, 3.3.24 Yilan – Ausflug nach Jiaoxi, Wanderung Jiaosu Paoma Historic trail

Es war immer noch kühl, aber zumindest trocken, daher fuhren wir mit dem Zug nach Jiaoxi. Wir unternahmen eine ausgiebige Wanderung von 15 km und 530 Höhenmetern auf dem Jiaosu Paoma Historic trail. Direkt hinter bzw. über den Häusern der Stadt begann der Dschungel. Wir kamen an einem kleinen Altar vorbei, hatten einige schöne Ausblicke bis zur Küste und wurden wieder mal von Makaken begleitet. Wir genossen die Tour beide sehr, auch wenn meine Knie gerne auf das Stück mit sicher mehreren hundert Stufen verzichtet hätten. Im Anschluss suchten wir die öffentlichen, heißen Quellen Tangweidou im Ort auf. Am Eingang gab es zuerst lauwarmes Wasser mit kleinen Fischen, die einem die Hornhaut abknabberten. Stefan genoss es ausgiebig, zumindest das Ergebnis. Das prickelnde Gefühl des Knabberns wohl nicht ganz so. Ich fand es unangenehm und ging gleich zum heißen Becken und badete meine Füße bei ca. 40?. Sie waren danach gut gegart:) Im Anschluss fuhren wir zurück nach Yilan und gingen Pizza essen. Ich hatte mal wieder Appetit auf etwas nicht Asiatisches.

Montag, 4.3.24 Yilan – Ausflug Meihuahushizi Park

Morgens begrüßte uns die Sonne und es wurde gleich um einige Grade wärmer. Gegen 17:00 waren es noch 23? und am kommenden Tag sollte es richtig heiß bis 29? werden. Das war eine ganz schöne Umstellung nach den letzten Tagen, wo wir bereits probiert hatten, der Aircondition in unserem Gästehaus Wärme, statt Kälte zu entlocken. Weder die Australier noch wir waren erfolgreich. Hier war man normalerweise solch niedrige Temperaturen nicht gewohnt und deshalb hatten viele Unterkünfte auch keine Heizung.

Wir nutzten das großartige Wetter zu einem Ausflug in den Meihuahushizi Park. Mit Zug und Bus fuhren wir ca. 1,5Std zu diesem Ausflugsgebiet. Man konnte um einen See mit elektronischen, überdachten Wägelchen oder E-Bikes (nicht Pedelecs, treten war nicht nötig), die man vor Ort mieten konnte, oder ganz naturnah wie wir, wandern. Ungefähr nach der Hälfte führte ein Stufenweg steil durch Dschungellandschaft den Berg hoch zum Sanching Tempel. Wir waren froh, zu Fuß unterwegs zu sein, denn solche Abstecher waren mit elektrischen Gefährten nicht möglich und ich bezweifelte, dass die Nutzer auch nur ein Zehntel der Tier- und Pflanzenwelt wahrgenommen hatten, die uns ins Auge fiel. Wir sahen Affen, unterschiedliche Vögel, die regelrecht Model standen für uns, Spinnen, Schmetterlinge in weiß- orange, schwarz mit fluoreszierendem blau, weiß mit schwarzem Muster, gelb…Es gab Schildkröten und Fische im See und die Landschaft rundherum war einfach ein traumhaft grüner Dschungel. Blätter, so groß wie Stefan, Bäume, von denen so viele Lianen herabhingen, dass man den Stamm kaum noch sah, immer wieder Farbtupfer von Blüten in all dem Grün und das alles untermalt von Vogelgezwitscher und gelegentlich taiwanesischen Klängen. Da konnte selbst die Kreissäge eines Hauses und die gelegentliche Böllerei beim Tempel, in dem mal wieder irgendeine Zeremonie stattfand, begleitet vom Knallen von Feuerwerkskörpern, die schöne Atmosphäre nicht kaputtmachen. Unterwegs zu dem Erholungsgebiet kamen wir an Reisfeldern, Anpflanzungen von Gemüse und ein paar ziemlich edlen Häusern vorbei, deren Reichtum die Besitzer mit Stacheldraht und Metallzacken auf der Außenmauer zu schützen versuchten. Es war wieder ein rundherum gelungener Tag, den wir mit veganem Curry mit Waldpilzen in einem weiteren neuen Restaurant beendeten. Wir konnten es nicht schaffen, alle vegetarischen und veganen Restaurants in Yilan zu testen. Laut unserem taiwanesisch-australischen Mitbewohner lag die große Verbreitung an der Gläubigkeit im Land, denn strenggläubige Buddhisten aßen nur vegan. Der nächste Tag war nun schon unser letzter Tag in Yilan. Ab da stand uns so gut wie nur noch Heimreise mit kurzem Aufenthalt bei unserer Servasgastgeberin Terry in der Nähe des Flughafens bevor. Keine Ahnung, was wir eigentlich in Deutschland sollten, wenn dort überall gestreikt wurde und wir vielleicht gar nicht nach Hause kommen würden.

Dienstag, 5.3.24 Yilan – zweiter Ausflug nach Jiaoxi

Unseren wahrscheinlich letzten Wandertag verbrachten wir noch einmal in Jiaoxi, der Stadt mit den heißen Quellen und den nach Hornhaut lechzenden Fischlein. Wir wanderten zum Houdongkeng Wasserfall. Laut Google war es ein Fußweg von 2,1km. Leider führte er aber an einer großen Straße entlang und wir hatten kaum Schatten. Stefan fand zum Glück noch einen anderen Weg bei Komoot, der auf einer kleinen Straße durchs Wohngebiet und nachher in den Dschungel führte. Hier war es schattiger, aber bei der plötzlichen Hitze trotzdem sehr anstrengend. Ich war sehr froh, als wir beim Wasserfall ankamen und unsere Füße ins Wasser halten konnten. Wir blieben eine ganze Weile auf unserem Stein sitzen und kühlten uns ab. Stefan ersparte sich damit gleich noch den Gang zum Hot Spring Resort, um noch einmal seine Füße abknabbern zu lassen. Gefräßige Fische gab es auch hier und sie freuten sich sehr über seine Hornhautmahlzeit. Ich hätte nicht gedacht, dass sie noch fündig würden, nachdem er kurz zuvor gerade ca. eine halbe Stunde seine Füße zum Fraß angeboten hatte. Ich saß auf einem anderen Stein, und zu mir kamen sie nicht. Entweder war das Wasser dort nicht tief genug, oder ich hatte ihnen unbewusst signalisiert, dass ich keine Reinigung wollte. Wieder etwas erfrischt liefen wir auf einem anderen Weg zurück. Es ging dabei zwar nochmals auf einer kleinen Straße über einen Berg, aber im Schatten. Unterwegs kamen wir an einem kleinen Ausflugsrestaurant vorbei, wo wir deutsche Brezel, Brot und Kaffee kaufen konnten. Wir bestellten kalten Kaffee und bekamen heißen und das Brot war anscheinend eingefroren und wurde in der Mikrowelle aufgetaut, d.h. es war so schlabberig wie die Brote hier immer waren. Schade, aber der Ausblick war ok. Der Weg war zum Schluss fast 9 km lang mit 240 Höhenmetern. Mein linkes Knie jammerte heftig rum, trotz Stöcken. Wieder zurück in der Stadt tranken wir noch einmal einen leckeren Zitronen-Kumquatsaft und fuhren dann mit dem Zug zurück nach Yilan. Leider mussten wir feststellen, dass unser superleckeres Restaurant von letztem Samstag erst wieder am Donnerstag aufmachte. Da mussten wir uns für unser letztes Reise- Abschiedsmenü zu zweit – die zwei nächsten Tage würden wir ja wahrscheinlich mit unserer Servasgastgeberin essen- wohl etwas anderes, nettes aussuchen.

Mittwoch, 6.3.24 Yilan – Taipeh

Wir kamen gut in Taipeh an und Terry, unsere Servasgastgeberin, holte uns von der Metrostation ab. Sie und ihr Mann hatten ein Haus in etwa in der Mitte zwischen Taipei und Taoyuan, wo der Flughafen lag. Mit der Expressmetro mussten wir am Abreisetag nur noch eine Station fahren. Wir waren die ersten Servasgäste, dementsprechend war Terry noch sehr unsicher. Sie war zwar bereits in Kalifornien und Deutschland bei Servas zu Gast gewesen, aber der Ansatz von ihr und ich glaube überhaupt von Servas Taiwan, war etwas anders, als wir es bisher weltweit erlebt hatten. Viele Taiwanesen reisten nicht auf eigene Faust, sondern in der Regel sehr durchorganisiert als Gruppe. Terry meinte, bei ihr und ihrem Mann läge es an der Sprachunsicherheit, dabei sprach sie ganz gut Englisch. Für sie war Servas deshalb eine Möglichkeit, sicher zu reisen. Sie besuchte gleich mehrere Gastgeber nacheinander, um sich helfen zu lassen und mit ihnen die Umgebung zu erkunden. Für mich wurde damit auch klar, warum Anna uns so rundherum betreut hatte. Es war für beide kaum vorstellbar, dass wir ziemlich problemlos ihr Land auch ohne Hilfe erkunden konnten, uns aber dennoch der Kontakt zu Servas Mitgliedern wichtig war, um Hintergründe zu verstehen und Freundschaften zu schließen, jedoch nicht rund um die Uhr betreut zu werden. Terry war sehr erstaunt, dass wir in der langen Zeit nur zwei Servas Kontakte hatten. Sie hatte allein in Frankfurt bei einem Aufenthalt 6 Gastgeber nacheinander. In Taiwan kontrollierte der Vorstand von Servas auch die Wohnungen der Gastgeber zuvor, ob sie Gäste adäquat unterbringen konnten. Terry stellte sich allerdings selbst die Frage, ob das auch später erneut überprüft wurde. Menschen zogen ja auch mal um und lebten in unterschiedlichen Lebensumständen.

Wir wurden von ihr zu einem sehr leckeren Essen eingeladen. Terry fühlte sich zwar unsicher, weil wir Vegetarier waren, aber sie hatte so leckeres Gemüse und Ei mit Bambus und Reis zubereitet, dass wir super lecker satt wurden. Ihr Mann kam zum Essen von der Arbeit und wir hatten interessante Gespräche über Religion und Politik etc. Stefan und Terrys Mann Chopin verabredeten sich zum Joggen um 5:30Uhr, danach war ein gemeinsames Frühstück mit Terry geplant – Chopin musste arbeiten – und sie wollte etwas mit uns unternehmen.

Donnerstag, 7.3.24 Taipeh – Ausflug Tamsui

Wir hatten noch einen wunderschönen letzten Tag in Taiwan. Nachdem Stefan mit Chopin gejoggt war, genossen wir mit Terry gemeinsam ein leckeres Frühstück. Sie hatte Pfannkuchen mit einer Gemüsefüllung gemacht, die wir sehr genossen. Danach waren wir per Metro und Bus unterwegs in Tamsui, wo wir ganz zu Beginn unserer Reise von Taipei aus schon einmal waren. Sie führte uns aber an Orte, die wir noch nicht kannten. Besonders eindrucksvoll war die Ausstellung der Stiftung von Chi Po- Lin, die die Arbeit des großartigen Naturfotografen mit demselben Namen weiterführte. Er wurde berühmt durch seine Luftaufnahmen und Filme von Taiwan vom Hubschrauber aus. Sein erster Film, „Beyond Beauty“(Jenseits der Schönheit) machte Furore in Taiwan. Er öffnete den Taiwanesen nicht nur die Augen für die unglaubliche Schönheit ihres eigenen Landes, das auf so kleiner Fläche so viel Wälder, Flüsse, Seen und vor allem Berge, wovon mehr als 100 über 3000m hoch waren, sondern auch für die Verletzlichkeit der Natur durch Erdbeben, die bereits heute starken Auswirkungen der Klimakrise durch verstärkte Taifune mit Erdrutschen und Zerstörung ganzer Dörfer, verlängerter Trockenphasen, die zur Erosion und Wassermangel führen und der Zerstörung durch Verkehr und Müll. Er führte zu einem gesteigerten Umweltbewusstsein in der Regierung und in Teilen der Bevölkerung. Bei der Erstellung seines zweiten Filmes kam der Fotograf leider durch einen Hubschrauberunfall ums Leben. Nun setzte eine Stiftung seine Arbeit fort, unterstützte weitere Fotografen, die wie er die Entwicklung der Natur im Land verfolgten und dokumentierten und forderte und förderte Umweltbildung vom Kindesalter an in Kindergärten, Schulen und privat. Den kompletten Film wollten wir uns unbedingt, wenn verfügbar, zuhause auf YouTube ansehen. Er sollte eigentlich von jedem Menschen auf der Welt gesehen werden, denn am Beispiel Taiwans zeigte er, welch ungeheure Schätze unsere Natur weltweit zu bieten hat und wie wir mit ihr umgehen bzw. umgehen sollten.

Danach besuchten wir das Fort Santo Domingo und die damit verbundenen historischen Gebäude, die die wechselhafte Geschichte des Landes, in dem diverse Länder für eine Weile regierten, aufzeigten.

Wir gingen gemeinsam vegetarisch essen und unterhielten uns bis spät in die Nacht noch mit Terry über ihr Leben. Es war häufig von außen bestimmt, weil sie immer versuchte folgsam zu sein. Sie studierte Ökonomie, was ihr gar keinen Spaß machte, nur weil ihre Noten ihr den Zugang zu dieser Universität ermöglichten und sie daher dort einen Studienplatz angeboten bekam. Sie suchte sich mit 30 einen Mann zum Heiraten, weil ihr (ihrem Mann übrigens auch) die Gesellschaft klarmachte, dass es Zeit dafür würde, um nicht als „übriggeblieben“ und „makelhaft“ verrufen zu werden. Zumindest empfand sie es damals so und bereute es inzwischen sehr, sowohl schulisch als auch privat nicht auf ihr Inneres gehört zu haben. Sie blieb nach der Geburt ihres zweiten Kindes, eines Jungen, für fast 25 Jahre zuhause und kümmerte sich nur um die Kinder, weil ihre Schwiegereltern das erwarteten. Erst in den letzten Jahren, wo beide Kinder in den USA arbeiteten bzw. studierten, versuchte sie ihre eigenen Interessen zu finden und auszuleben. Sie begann zu reisen und fühlte sich dabei noch sehr unsicher und war nun froh, durch Servas den Kontakt und die Unterstützung zum Reisen in der Ferne zu erhalten. Wir waren ihre ersten Servasgäste, da kurz nach ihrem Beitritt COVID die Welt dicht machte. Ich glaube, sie hat unseren Aufenthalt genossen, wenn sie sich auch immer um ihre mangelnden Englischkenntnisse, die sie eigentlich gar nicht hatte, sorgte. Wir schätzten ihr Vertrauen sehr und planten natürlich diese persönlichen Dinge nicht im Blog zu veröffentlichen.

Freitag, 8.3.24/ 9.3.24 Rückflug über Guangzhou nach Frankfurt

Ohne Probleme erreichten wir am Abreisetag den Flughafen in Taoyuan und flogen mit Zwischenstopp in Guangzhou zurück nach Deutschland. Leider war der Stopp-Over nicht lang genug, um in den Genuss eines Hotelaufenthaltes und einer kleinen Stippvisite in der Umgebung zu kommen, also verbrachten wir lange und ermüdende Stunden im Wartebereich des Flughafens, bis wir endlich weiterfliegen konnten. Wir flogen ziemlich ins Ungewisse, denn sowohl das Bodenpersonal am Flughafen Frankfurt als auch die Bahn hatten bis zu unserem Ankunftstag gestreikt und meist wirkte sich so ein Streik ja noch etwas länger aus. Am Flughafen war davon zum Glück nichts zu bemerken und wir bekamen ohne Probleme unser Gepäck und machten uns auf den Weg zum S-Bahnhof, um per Regionalzügen nach Bad Harzburg zu fahren. Wir wollten hierzu das Deutschlandticket nutzen, was wir aber erst noch erwerben mussten. An dieser Stelle begann es stressig zu werden. Es war nur noch online zu bekommen, aber obwohl wir zuvor bereits ein Ticket gehabt hatten, wollte die Bahn-App eine Verifizierung haben, die bei uns beiden nicht klappte. Der Mitarbeiter der Bahn war dabei absolut keine Hilfe, sondern verwies uns einfach zum Frankfurter Verkehrsverbund, bei dem wir das Deutschlandticket ebenfalls erwerben könnten – ebenfalls online, mit neuer APP und ebensolchen Schwierigkeiten. Wir waren übermüdet, da wir nachts im Flughafen und Flugzeug kaum geschlafen hatten und gestresst, weil wir so schnell wie möglich eine Verbindung nach Harzburg haben wollten, um nicht abends möglicherweise noch auf der Strecke zu bleiben. Man kannte ja die Unpünktlichkeit und Probleme beim Bahnfahren in Deutschland. Letztendlich gaben wir auf und kauften uns am Automaten das Wochenendticket und verfluchten die DB, dass sie es ihren Kunden nicht mehr ermöglichten, auch das Deutschlandticket am Automaten oder Schalter zu erwerben. Wir hatten zum Glück keinerlei Probleme mit Verspätungen unterwegs und kamen gegen Abend gut wieder zuhause an.