Reisen bildet bekanntlich und so haben unsere vielen Reisen kreuz und quer durch Europa wohl auch dazu beigetragen, dass ich im November 23 auf dem Berlin Travelfestival, einer Messe für Reisen, Boot, Caravan, beim Stand von Eurail den ersten Platz bei einem Online-Quiz zu Europa gewonnen habe. Der Gewinn waren zwei Interrail- Global -Tickets, die uns beiden je 7 Fahrten innerhalb eines Monats erlaubten. Da wir England zuvor als mit dem Zug gut zu bereisendes Land erlebt hatten und uns der Süd-Westen noch weithin unbekannt war, stand schnell fest, dass die Reise noch einmal dorthin gehen sollte. Was wir dort erlebten, habe ich natürlich auch wieder festgehalten:
Donnerstag, 22.8.- Freitag, 23.8.24 Bad Harzburg -Bonn- London- Hampton Wick
Am Mittwoch, den 22.8.24, ging es um 10:00 los zum Bahnhof. Ausgestattet mit 49€ Tickets starteten wir zu unserem ersten Ziel: Bonn. Wir wollten unseren Sohn Janus und seiner Freundin Katarina einen Besuch abstatten und am nächsten Tag dann unsere Reise nach England von dort starten. Zum einen wollten wir sie unbedingt wiedersehen, zum anderen war uns eine durchgehende Fahrt von Bad Harzburg bis London doch etwas zu gewagt. Dafür sind die ständigen Ausfälle und Verspätungen unserer Deutschen Bahn allzu bekannt. Die Strecke nach Bonn meisterten wir zufriedenstellend mit nur einem Zugausfall, sodass wir am späten Nachmittag bereits Katarinas leckeres Tiramisu mit Janus genießen konnten. Wir schlenderten danach zusammen durch die Rheinauen und trafen uns mit Katarina, die vorher noch arbeiten musste. Die Rheinauen und der sich anschließende Park erlaubte uns einen schönen, langen Spaziergang und einen regen Austausch über all das, was seit dem letzten Treffen so passiert war. Natürlich stand die kommende Weltreise der Beiden dabei im Vordergrund. Im Anschluss bewirteten sie uns bei sich mit einer hervorragenden vegetarischen Shepherd’s Pie. Viel zu schnell verging die Zeit, bis wir alle ins Bett mussten, denn für uns stand frühes Aufstehen auf dem Plan, damit wir unsere Züge erreichten und die Beiden mussten natürlich am folgenden Tag arbeiten. Nach einer kurzen, recht warmen Nacht auf ihrem gemütlichen Matratzentopper ging unsere Reise gegen 7Uhr los. Wir fuhren mit der Straßenbahn zum Bonner Hbf und ab da dann per Interrail mit ICEs nach Köln, von dort nach Brüssel und dann mit dem Eurostar nach London. In Brüssel blieb uns genügend Zeit, um in die Altstadt zum „Grote Markt“ zu gehen und ein paar typische, belgische Pommes zu schlemmen, bevor wir das Check-in für den Eurostar hinter uns brachten. Das kostete Stefan leider sein mitgebrachtes Messer, weil es sich feststellen ließ. Die Regeln sind – außer für Flüssigkeiten – dieselben wie beim Flug, nur kann man leider keine Sachen als Hauptgepäck einchecken. Wir hätten es die 4Wochen für 8€ täglich in ein Schließfach einschließen können, aber der Preis übertraf natürlich bei Weitem den Wert des Messers. Pech gehabt, hätte man sich denken können.
Die Reise durch den Tunnel war angenehm und wir erreichten pünktlich London und hatten es fortan eine Stunde früher als die Mitteleuropäer, was leider wieder Mal alle meine über 13000 geleisteten Schritte an dem Tag auf meiner Smartwatch auf null heruntersetzte. Warum bloß kann meine Uhr nicht eine genauso gute Reisende sein wie wir?
Mit U-Bahn und weiterem Zug, in dem unser Ticket galt, erreichten wir Hampton Wick, einen Ort an der Themse neben Kingston (bekannt durch Kingston Market) und Hampton Court, dessen Park und Palace berühmt ist. Ich erinnerte mich daran, dass ich mit 14 Jahren eine Bootstagesfahrt mit meinem Vater von London über Greenwich bis hierher gemacht hatte. Hier wohnte nun unsere Servas Gastgeberin Bjanca Kalic, eine weitgereiste Fotografin, die gebürtig aus Kroatien stammte und deren Fotos in Zeitschriften, Zeitungen und Reiseführern veröffentlicht wurden. Wir beschlossen den Abend bei einem leckeren Pastagericht und mit interessanten Gesprächen, bevor wir in unser Bett krochen.
Samstag, 24.8.24 Hampton Wick – Besuch Kingston
Wie angesagt, regnete es bereits morgens, als Stefan joggte. Da es den ganzen Tag nicht viel besser werden sollte, packten wir uns nach einem gemeinsamen Frühstück mit unserer Servasgastgeberin in Regenhose und Regenjacke ein und versuchten etwas entlang der Themse zu spazieren, die fast hinter unserer Unterkunft floss. Leider wurde der Regen stärker und wir hielten es dann doch für sinnvoller, durch die Stadt zu laufen, um uns schnell mal in Geschäften unterstellen zu können. Wir gingen daher über die Brücke nach Kingston und waren direkt in der netten Altstadt. Beim ersten heftigeren Guss flüchteten wir uns in ein Café und ließen es uns bei Kaffee und Kuchen, bei zugegebenermaßen heftigen Preisen (zusammen ca. 16€), gutgehen. Danach erkundeten wir Kingston Market, der bereits durch ein Lied von Harry Belafonte berühmt wurde, sowie den Rest der Innenstadt und frönten dabei unserer Leidenschaft für Charity Shops. Wir kennen kaum ein Land, in dem es so viele Sozialkaufhäuser gibt, wie in UK. Zum Nachmittag hin besserte das Wetter auf, sodass wir wenigstens noch bei einem Spaziergang in Canbury Gardens, einem Park an der Themse, die Villen der High Society bestaunen konnten. Zum Abendessen waren wir von Bjanca zu einer leckeren Lasagne eingeladen und unterhielten uns bis spät abends über alle möglichen Themen. Da sie durch ihre Fotoreportagen weit in der Welt herumgekommen war, bot ihr Repertoire von Hunger, Flucht, Frauenrechten, Gesundheitswesen, britischer Politik etc. viele Ansatzpunkte zu Diskussionen, und ihr Interesse an unseren Meinungen war sehr ausgeprägt. Es wurde daher ein sehr interessanter Abend.
Sonntag, 25.8.24 Hampton Wick – Southampton
Am Morgen erwachten wir bei herrlichem Wetter, aber für uns stand die Weiterreise an. Beim Frühstück zeigte uns Bjanca noch ihre Fotoreportage über einen Ashram in Vrindavan in Indien, in dem Witwen unterkommen können. Als Witwe hat man in dem Land keinerlei Rechte und ist größter Stigmatisierung ausgesetzt. Auch wenn die Verbrennung heute vom Gesetz verboten ist, bleiben den Frauen nur Almosen, wobei sie noch nicht einmal betteln dürfen. Der Ashram finanziert sich ausschließlich aus Spenden, der Staat zahlt nichts. Bjancas härtestes Erlebnis dabei war ein Mädchen, das mit 8 Jahren an einen Greis verheiratet wurde, der starb, als sie gerade mal 10Jahre alt war. Welch eine grauenhafte Zukunft! Da ist das Leben vorbei, wenn es gerade erst angefangen hat.
Gegen 11 Uhr verabschiedeten wir uns und fuhren per Zug zum Gatwick Airport. Wir bezahlten die Fahrt mit Kreditkarte, weil uns unser Interrailticket zu schade dafür war, für eine Stunde Fahrt einen ganzen Fahrtag zu verschwenden. Laut Internet dürfte uns die Fahrt ca. 25€ pro Person gekostet haben. Ein Fahrtag unseres Interrailtickets war aber fast 50€ wert. Bei der Abholung des Autos gab es dann noch ein kleines Problem. Das Kartenlesegerät von Europcar wollte Stefans Kreditkarte nicht akzeptieren. Wir mussten aber mit dieser zahlen, weil bei der Buchung durch Check 24 auf dieser Karte die Sicherheit für die Versicherung hinterlegt war. Uns fiel ein, dass der ADAC die Bank gewechselt hatte und es damit zusammenhängen konnte. Zum Glück erreichten wir trotz Sonntag dort telefonisch jemanden und man stellte fest, dass unser Kreditrahmen zu niedrig war für die Mietwagenkosten. Die neue Bank hatte anscheinend den Betrag verändert. Der Mitarbeiter setzte ihn wieder hoch und somit konnten wir problemlos mit der Karte zahlen. Hätte das nicht geklappt und wir mit einer anderen Karte zahlen müssen, hätten wir pro Tag 28£ für Versicherung extra zahlen müssen! Das Auto war ein quietschneuer VW Golf, der allen Schnickschnack hatte, an den Stefan sich erst noch zusätzlich zum Linksverkehr gewöhnen musste. Wir kamen aber heile nach Southampton und gleich stand das nächste Problem an: man hatte uns den Code für die Schlüsselbox unseres Zimmers nicht geschickt. Nach viel hin und her mit Anrufen bei Agoda, deren Mitarbeiterin wir fast nicht verstehen konnten, weil sie dermaßen schnell und mit asiatischem Einschlag Stakkato- Englisch sprach, sowie Kontaktversuchen mit dem Vermieter, bekamen wir endlich unseren Code und konnten unser Zimmer mit Miniküche und Bad beziehen. Vor Ort fiel uns noch ein weiteres Problem auf, wir hatten eine Unterkunft ohne Parkplatz gebucht, weil wir zu der Zeit, als wir gebucht hatten, noch nicht mit Mietwagen geplant hatten. Es kostete uns einige Zeit, einen Parkplatz zu finden, der kostenfrei und nicht auf Anlieger beschränkt, aber dafür ca. 1 km entfernt war. Am Sonntag war das Parken kein Problem, weil es kostenlos war, aber in der Woche waren die Preise bei ca. 2,50£ pro Stunde und dann auch noch mit Höchstparkdauer von 4 oder 8 Stunden. Zum Glück hatten wir bei unseren weiteren Unterkünften immer einen Parkplatz dabei. Am kommenden Tag wollten wir erstmal die Stadt zu Fuß unsicher machen.
Montag, 26.8.24 Southampton
Wir erkundeten bei schönem Wetter, Sonne und um die 20⁰, Southampton. Zu meiner Freude stellte es sich als viel schöner und interessanter heraus, als es in der näheren Umgebung unserer Unterkunft erschien. Rund um uns war es ziemlich abgewrackt. Der Anblick der Menschen und Häuser sprach von Armut. Die Läden und Restaurants zeugten von einer hauptsächlich afrikanischen, arabischen und asiatischen Bewohnerstruktur und Beratungs- und Fortbildungseinrichtungen für Flüchtlinge ebenfalls.
Als uns am Morgen bewusstwurde, dass an diesem Tag Bank Holiday und damit Feiertag war, befürchteten wir schon, dass alles geschlossen haben würde, aber dem war nicht so. Wir konnten die Southampton City Art Gallery besuchen, erstaunlicherweise ohne Eintritt, und wirklich ganz sehenswert. Es waren hauptsächlich Werke zeitgenössischer britischer Künstler und aus dem letzten Jahrhundert zu sehen. Ein Teil der Ausstellungsräume konnte von aufstrebenden Künstlern vor Ort genutzt werden und von der Kunsthalle selbst wurden Kurse und Angebote für Kinder gemacht. In der Umgebung befanden sich die Guildhall, ein sehenswertes klassisches Gebäude, das als Veranstaltungshalle für unterschiedlichste Konzerte, Comedy Shows und ähnliches genutzt wurde und laut Internet eine hervorragende Akustik haben sollte. Außerdem gab es in dem Bereich ein Schifffahrtsmuseum zum Untergang der Titanic mit einer wohl recht abwechslungsreichen Ausstellung. Southampton hatte dieses Unglück hautnah miterlebt, da die Titanic von hier in See stach und es hatte die Stadt geprägt. Artefakte, Lebensgeschichten und Geräusche der Titanic und ihres Untergangs wurden in dieser Ausstellung den Besuchern nahegebracht. Leider war der Eintritt von 11£ ganz schön happig, daher haben wir das erstmal hintenangestellt und die Stadt weiter besichtigt. Wir besuchten die Altstadt mit Resten der alten Stadtmauer und historischen Gebäuden, den die Stadt prägenden Hafen und die hochmodernen Malls mit ins Auge stechender Architektur. Da sich zur Mittagszeit Ikea in unser Blickfeld warf, lunchten wir dort Veggi -Hotdogs, Eis und Kaffee. Nach knapp 7 km beendeten wir den Stadtrundgang bei unserer Unterkunft, relaxten ein wenig und dann bereitete Stefan vegetarische Rote-Beete- Burger zum Abendessen für uns zu. Im Gegensatz zum Vortag war das ein rundherum gelungener und interessanter Tag.
Dienstag, 27.8.24 Southampton, Ausflug New Forest Nationalpark
Das Wetter spielte weiterhin mit, sodass wir heute wandern konnten. Wir fuhren in das Örtchen Brockenhurst, ca. 14 Meilen südwestlich von Southampton und waren damit mitten im New Forest Nationalparkgebiet. Die von mir zuvor ausgesuchte Wanderung bei Komoot ging ab Bahnhof, wo es auch einen Parkplatz gab. Zum Glück waren wir erst nach 12 Uhr dort, sodass eine Tagesparkkarte „nur“ noch 4,30£ kostete. Vor 12:00 hätten wir das doppelte bezahlt. Von hier ging es zuerst durch das hübsche und gut besuchte Örtchen mit gemütlichen Cafés und Garten-Restaurants im typisch englischen Stil. Bereits hier liefen Esel, Ponys und auch Kühe mit einer Selbstverständlichkeit frei herum, als wären hier die Menschen nur zu Gast. Dann kamen wir zum Wanderweg durch ein Heidegebiet. Immer wieder begegneten wir Ponys, die sich meist unter den vereinzelten Bäumen im Schatten aufhielten. Es handelte sich hierbei um New Forest Ponys, die eine eigene eingetragene Rasse darstellen. Sie gehören den Dorfbewohnern, sind aber halb ruhig, halb wild, was nicht mit zahm zu verwechseln ist. Uns gegenüber zeigten sie sich allerdings völlig unbeeindruckt, selbst Stuten mit kleinen Fohlen. Sie leben ständig draußen und prägten die Wald- und Graslandschaft, indem sie im Sommer das Gras fressen, und sich im Winter von den stacheligen Ginster-, Brombeer- und Stechpalmen ernähren. Einmal im Jahr werden sie zusammengetrieben, um bei ihnen Gesundheitsuntersuchungen durchzuführen und mehrmals jährlich finden Ponyverkäufe statt. Die Dorfbevölkerung lebt und arbeitet gemeinsam und auf gemeinschaftlichen Flächen, sodass auch das Zusammentreiben der Ponys eine Gemeinschaftsaufgabe ist.
Nach einem längeren Stück Heide-Graslandschaft mit zahlreichen Brombeersträuchern kamen wir in den Wald, der dem Nationalpark den Namen gegeben hatte. Beeindruckende, teils uralte Bäume, fließende Gewässer und moorige Stellen, immer wieder unterbrochen von Wiesen- und Heideflächen prägten unseren Weg. Der Nationalpark umfasst auch Weideland und Wattflächen an der Küste, wo wir aber heute noch nicht waren. Der Nationalpark ist eine durch Menschen und Tiere im Laufe von Jahrhunderten geprägte Landschaft, der auch deren Kultur der gemeinschaftlichen Flächen und Zusammenarbeit einbezieht.
Am späten Nachmittag kehrten wir zum Auto zurück, kauften auf dem Heimweg fürs Abendessen ein und gerieten dann in die abendliche Rushhour, sodass wir uns im Stopp and Go zurück zur Unterkunft quälen mussten und unser ruhiges, kleines Bad Harzburg mal wieder schätzen gelernt haben.
Mittwoch, 28.8.24 Southampton – Ausflug New Forest Nationalpark – Wanderung bei Keyhaven
Auch heute lockte uns der Nationalpark wieder zu einer Wanderung, dieses Mal jedoch an der Küste. Wir machten eine herrliche Rundwanderung vom Yachthafen Keyhaven entlang der Küste mit unzähligen Vögeln, New Forest Ponys und Rindern, die sich im Wasser abkühlten und übervollen Brombeerhecken, die unseren Weg versüßten. Wir pflückten uns immer ein paar Hände voll für das Frühstück am folgenden Tag. Die Rinder waren wirklich lustig zu beobachten. Im Wasser stehend riefen sie ihre Kälbchen, die sich aber noch scheuten, den ersten Schritt ins Nasse zu setzen. Nach unserer Wanderung fuhren wir bis ins Nachbardorf Milford on Sea. Wir kauften uns Eis, Teilchen und Getränke und genossen es auf einer Bank auf einer Wiese in der Dorfmitte. Außerdem besuchten wir den winzigen Charityshop und ich wurde um ein Sonnencappy reicher. Meines hatte ich anscheinend zu guter Letzt doch zuhause vergessen. Nun habe ich eines mit breitem Schirm und sehe damit sicher wie eine typische Britin aus. Dieses Mal versuchten wir etwas eher als am Vortag nach Southampton zurückzufahren, um nicht wieder in die Rushhour zu geraten. Das gelang, aber die Enge der Straßen ließ mir teilweise das Blut in den Adern erfrieren. Es war sowieso schon ein unsicheres Gefühl, auf der anderen Seite zu fahren, aber wenn Stefan dann noch extra weit nach links fahren musste, sah ich mich schon im nächsten Graben oder der nächsten Hecke.
Zurück in Southampton wollten wir eigentlich Fish& Chips essen gehen (Fisch natürlich nur ich), aber bei einem Mindestpreis von 9£ für eine kleine Portion Pommes und ein Stück Bratfisch entschieden wir, doch lieber im Supermarkt einzukaufen und zuhause zu essen. Ich bekam so trotzdem meinen Bratfisch und zusätzlich einen Salat mit Krabben und Stefan vegetarische Sushi und wir kamen dabei günstiger weg.
Donnerstag, 29.8.24 Southampton – Ausflug in den South Downs Nationalpark
Nachdem wir nun zwei Tage lang dem New Forest Nationalpark im Westen von Southampton einen Besuch abgestattet hatten, war nun der Osten dran. Dort lag der South Down Nationalpark. Im Gegensatz zum flachen New Forest, war die Gegend hier hügelig, bot uralte Baumbestände, Heideflächen und Moore, Orte und Straßen wirkten auf uns wie aus der Zeit gefallen, Internetverbindung hatten wir nur sporadisch. Wir waren in den Black Downs bei Haslemere, ca. 42 Meilen/68km von Southampton entfernt und hatten dafür gut eine Stunde gebraucht. Die Straßen waren häufig nur einspurig, sodass nur an wenigen Stellen überhaupt zwei Fahrzeuge aneinander vorbeikamen. Sie wirkten noch schmaler, weil sie zumeist beidseitig von hohen, unüberschaubaren Hecken gesäumt wurden. So schlängelte man sich meilenweit durch eine geheimnisvolle und verkehrsmäßig zeitweise auch beängstigende Landschaft. Ich war immer wieder dankbar dafür, dass wir hier nicht mit Womi unterwegs waren. Unsere Wanderung hat uns aber für die langwierige An- und Abfahrt entschädigt. Wir wanderten durch eine hügelige Heidelandschaft mit wunderbaren Ausblicken auf die weite Landschaft ringsum. Die Heide war buschig und von beeindruckendem lila, entgegen der etwas blassen im New Forest. Die Brombeersträucher waren zwar nicht ganz so üppig mit Beeren bestückt, dafür war jede Beere ein intensives Geschmackserlebnis. Wir nahmen uns wieder eine Portion für unser Frühstück am nächsten Tag mit. Die Heidelandschaft wechselte sich mit dichten Wäldern ab.
Da die Fahrt bereits bis hier schon so lange dauerte, haben wir uns einen Besuch von Brighton und den Kreidefelsen Beachy Head und Seven Sisters abgeschminkt. Zum einen war ich als Jugendliche mit meinem Vater bereits dort, zum anderen war die Fahrt einfach zu lang für hin- und zurück und die Suche nach einem bezahlbaren Parkplatz in der Touristenmetropole Brighton hätte uns wahrscheinlich zur Verzweiflung gebracht. Uns gefielen ja sowieso überfüllte Strände mit Glücksspiel und Fahrgeschäften nicht besonders. Der kommende Tag war der letzte Tag in Southampton und wir würden sehen, was sich uns dafür noch für ein schönes Ziel anbot. Unsere erste gemietete Unterkunft hatte sich so weit als gut herausgestellt. Sie war zufriedenstellend ausgestattet, um uns selbst verpflegen zu können, für die kleine Wäsche reichte das Waschbecken und wir hängten sie dann im Bad auf und dafür, dass das Studio zentral in der Stadtmittel lag, war es nachts erstaunlich ruhig. Dass der einzige kostenlose Parkplatz im Industriegebiet ca. 1 km entfernt war, störte letztlich auch nicht sehr, denn es war bisher immer einer frei und Stefan setzte mich abends vor unserer Tür ab, sodass wir keine Einkäufe schleppen mussten. Ihm machte es nichts aus, das Stück zurückzulaufen. Einziges Manko war das Bett. Wir bekamen auf Wunsch zwei Einzelbetten, aber die waren dermaßen schmal und die Matratze so hoch und federnd und die Bettdecke dermaßen dick, dass ständig die Gefahr bestand, herauszufallen oder zumindest die Zudecke auf den Boden zu werfen, weil sie an sich für die Temperaturen zu warm war und man sie weg strampelte. Nun ja, alles konnte man nicht haben.
Freitag, 30.8.24 Southampton, Ausflug nach Salisbury
Zur Abwechslung unternahmen wir am letzten Tag von Southampton aus, einen Ausflug in eine Stadt, und zwar nach Salisbury im Nordwesten. Die Stadt hat rund 40000 Einwohner, eine Kathedrale und eine mittelalterliche Altstadt. Wieder einmal war ich der App Park4night dankbar, die uns einen kostenlosen Parkplatz in einer ruhigen Straße bescherte. Zu Fuß waren wir in ca. 20 Minuten in der Innenstadt und noch dazu war der Weg sehr schön. Ein altes Kanalsystem aus dem 17. Jahrhundert, das im Winter warmes Wasser aus Kreidebächen der Downlands über die kalten Felder verteilt und damit früh frisches Gras für die Schafsweiden wachsen lässt, bildet Feuchtwiesen, die von den Flüssen Nadder und Avon umkreist werden. Sie bieten hervorragende Bedingungen für Flora und Fauna. In den niedrigen Flüssen planschten an diesem Tag Kinder und ältere Leute kühlten dort ihre Füße. Es herrschte ein lebhaftes und fröhliches Treiben und die Eltern genossen den entspannten Tag bei Picknicks auf der Wiese. Die Innenstadt bot uns nicht nur nette alte Häuser im Tudorstil und die von weitem sichtbare Kathedrale, sondern auch haufenweise Charity Shops. Ich hatte sogar das Glück, eine Bluse von Craghoppers Nosilife, also der Marke für stichfeste Outdoor-Kleidung, für gerade mal 6,60€ zu bekommen. Wir schlenderten mehre Stunden durch die Stadt und genossen die nette Umgebung bei herrlichem Wetter. Auf dem Rückweg kamen wir wieder durch den New Forest Nationalpark und drehten noch eine kleine Runde zu Fuß. Auf den Straßen muss man dort höllisch aufpassen, weil jederzeit ein Pony auf der Straße stehen kann, was heute mehrmals passierte. Mit den angegebenen 30mph (fast 50km/h) dort um die Kurve zu brausen, ist keine gute Idee, besonders weil die riesigen Hecken häufig die Sicht behindern.
Samstag, 31.8.24 Southampton – Seacombe Cliff- Wanderung – Bridport
Heute beendeten wir unseren Aufenthalt in Southampton und fuhren weiter Richtung Bridport, wo wir am Abend von June, unserer nächsten Servasgastgeberin erwartet wurden. Da wir einen ganzen Tag Zeit hatten, fuhren wir zuerst an die Küste nach Worth Matravers und machten eine Rundwanderung zum Seacombe Cliff. Das Wetter hatte sich verschlechtert. Es war merklich kühler, was auf der Wanderung nicht schlecht war, weil 200 Höhenmeter zu bewältigen waren. Zum Schluss fing es leicht an zu nieseln, dennoch war es ein netter Ausflug und die Steilküste sehenswert. Einen weiteren Stopp machten wir in Dorchester, welches ein römisches Amphitheater zu bieten hatte. Dieses erwies sich aber eigentlich nur als ein grasbewachsener, hügeliger Ring. Wir schlenderten durch die Fußgängerzone und beobachteten das lebhafte Treiben rund um die Brauerei, wo auf einem Platz ein weiblicher Diskjockey Musik der 80iger abspielte und in den Kneipen ringsum die Wochenendgäste ihren Alkoholspiegel in die Höhe fuhren. Gegen 18Uhr trafen wir bei June in ihrem netten Cottage ein. Wir genossen eine leckere Pie und drehten danach noch eine kleine Runde um den Block. Danach beschlossen wir den Abend gemütlich bei einem selbstgebackenen Früchtekuchen und interessanten Gesprächen über Reisen. Sie hatte ebenfalls einige Reisen hinter sich und dabei so spannende wie eine Charity Radtour in Indien und ähnliches. Mir war gleich klar, dass wir wieder einen guten Griff bei der Auswahl unserer Gastgeberin getan hatten.
Sonntag, 1.8.24 Bridport – Ausflug Lyme Regis
Trotz regnerischem Wetter wanderten wir am Morgen gemeinsam mit June an die Küste zum Hafen und den West Bay Cliffs, die zu Bridport gehören. Der geplante Flohmarkt fand anscheinend aufgrund des Wetters nicht statt, aber dennoch waren viele Besucher am Hafen, auf dem Fußweg zu den Klippen und bei dem, zu kleinen Shops, Cafés etc umgebauten „Customs House“, dem ehemaligen Zollhaus. Ähnlich wie bei den Loppies in Dänemark können hier Einheimische Flächen mieten, auf denen sie ihre Flohmarktartikel oder Handwerksarbeiten anbieten. Eine nette Art, alte Gebäude mit neuem Leben zu füllen. Nach einem Tee und einem Stück des Früchtekuchens vom Vortag bei June zuhause, fuhren wir gemeinsam mit ihrem Auto nach Lyme Regis, einem sehr hübschen und beliebten Küstenort etwas weiter westlich. Wir parkten auf einem saisonalen Park&Ride Parkplatz, einer Weide, die der Bauer im Sommer an die Gemeinde vermietete, und fuhren von dort per Doppeldeckerbus in den Ort. Die Fahrt war bereits ein Abenteuer, denn die Sträßchen durch den Ort waren teils einspurig und eng wie bei uns in mittelalterlichen Altstädten. Ich habe mich ja schon bei uns oft gefragt, wie die Busfahrer diese engen Gassen managen, aber hier war das noch einmal eine Steigerung. Ich dachte jeden Moment, gleich crashen wir gegen eine Straßenlaterne oder ein schmuckes Schild an einem Pub oder ähnliches, aber nichts davon passierte – zum Glück. Unser erstes Ziel war ein antiquarischer Buchladen, der aber auch alte Gitarren, Postkarten z.B. aus den 30iger Jahren und sonstige Kuriositäten verkaufte und ein absolut faszinierendes Chaos in einem alten, engen, vollgestopften Laden bot. Wie Stefan so schön erkannte: wenn du was suchst, findest du es sicher nicht, aber du findest sicher immer was, was du nicht gesucht hast. Wirklich ein liebenswertes Sammelsurium.
Wir wanderten entlang des Strandes mit seinen kleinen, bunten Strandhüttchen, die wie bei uns die Strandkörbe vermietet werden, aber sehr viel rarer sind und richtig tollen Schutz vor Sonne und Regen, auch mal für eine ganze Familie bieten. Leute mieten sie zum Teil wohl auch für die ganze Saison, haben ihre Bücher, Sitzgelegenheit und zum Teil sogar einen Kocher drin und laut June gibt es an lauen Sommerabenden gemeinsame Barbecues mit den anderen Hüttenbewohnern. Wir besuchten das Denkmal Mary Annings, die Anfang des 18. Jahrhunderts als Zwölfjährige ihren ersten fossilen Fund einer Dinosaurierart und ein paar Jahre später ein komplettes Skelett eines Dinosauriers fand. Seitdem betrieb sie intensiv die Suche und Erforschung der Küste nach Fossilien entgegen allen Vorurteilen und Behinderungen, weil sie eine Frau war. Erst mit dem Denkmal erkannte man ein Jahrhundert später ihre Leistungen an.
Als es wieder begann zu regnen ließen wir uns „Cream tea“ in einem gemütlichen Café schmecken. Es handelt sich bei diesem, besonders hier an der Westküste typischen Mahl um englischen, schwarzen Tee, in der Regel getrunken mit Milch und dazu Scones, also Gebäckstücke ähnlich Muffins, die aufgeschnitten und bestrichen werden mit fast zu Buttercreme geschlagener Sahne und Marmelade. Ganz sicher nichts, um abzunehmen, aber ebenso sicher eine leckere Verführung. Der Bus brachte uns so sicher wieder zum Parkplatz wie er uns in den Ort gebracht hatte und wir fuhren heim zu June. Bereits unterwegs kamen die erschreckenden Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen und gaben viel Anlass zu ausgiebigen Gesprächen. Nach einem hervorragenden Dinner mit Dal und Custard Pudding unterhielten wir uns noch bis spät über meine Herzkrankheit und Hepatitis und Junes Krebs, der ihr vor ein paar Jahren nahezu eine Gesichtshälfte gekostet hatte, die mit Haut und Blutgefäßen aus einem Bein wieder so gut wie möglich rekonstruiert wurde. Wir erfuhren in unseren Gesprächen auch viel von ihren zahlreichen Charity Radtouren in Indien, Vietnam, Kuba und einer Dschungeltour in Sumatra. Wirklich faszinierend diese Frau! Leider ging unsere Reise am nächsten Tag schon wieder weiter, aber wir waren uns einig, dass wir auch dieses Mal wieder ein riesiges Glück mit unserer Gastgeberin hatten.
Montag, 2.9.24 Bridport – Exeter -Dartmouth
Der Tag war nicht sehr ergiebig. Wir legten zwar auf dem Weg von Bridport nach Dartmouth noch einen Stopp in Exeter ein, aber fast durchgängiger Regen machte das Stadterlebnis nicht besonders schön. Die Kathedrale, 10£ Eintritt für Erwachsene, sahen wir uns nur von außen an und die Innenstadt war nicht so umwerfend, also begaben wir uns recht bald wieder zu unserem Auto, das wir etwas außerhalb am Straßenrand abgestellt hatten. Ohne Park4night hätten wir diese Stelle niemals gefunden. Entweder waren alle sonstigen Plätze nur für Anwohner, Behinderte oder teure Bezahlparkplätze, die meist darüber hinaus noch eine Zeitbegrenzung hatten. Unser Platz erlaubte uns, zwei Stunden kostenlos zu parken und war ca. 20 Gehminuten vom Stadtkern. Die Weiterfahrt wurde über lange Zeit sehr britisch: einspurige, enge Straßen mit mindestens 4-5Meter hohen Hecken beidseitig und das über viele Meilen hinweg. Mehrmals mussten wir wieder ein paar Meter zurückfahren, damit ein entgegenkommendes Auto vorbeikam. Besonders nett waren solche Situationen, wenn in beiden Richtungen gleich mehrere Fahrzeuge fahren wollten. Am Nachmittag kamen wir in Dartmouth, besser gesagt vor Dartmouth bei unserer Unterkunft an. Es handelte sich um einen Ferienpark mit mehreren Reihen hüttenartiger Ferienwohnungen. Wir hatten zwei Schlafzimmer, eine gut ausgestattete Küche, Bad und ein Wohnzimmer. Hier konnten wir es gut die nächsten 5 Nächte aushalten. Wir wünschten uns nur, dass das Wetter wieder besser würde, um in den nächsten Tagen im Dartmoor Nationalpark wandern und auch die Schönheit genießen zu können.
Dienstag, 3.9.24 Dartmouth – Ausflug Dartmoor Nationalpark
Dieser Tag war ziemlich perfekt. Morgens nieselte es zwar noch etwas, aber als wir im Dartmoor Nationalpark ankamen, war es trocken und mehr und mehr kam sogar die Sonne heraus. Die Fahrt dorthin war allerdings wieder sehr abenteuerlich, denn sie fand fast ausschließlich auf einspurigen Sträßchen statt und verlangte von daher äußerster Konzentration und oftmals auch ein Stück Rückwärtsfahrt bis zur nächsten kleinen Ausbeutung, um Gegenverkehr durchzulassen. Die Strecke heute hätten wir definitiv nicht mit unserem Womi machen können, sie war einfach zu eng und durch die häufig nicht ordentlich beschnittenen Hecken, wären wir selbst ohne Gegenverkehr nicht durchgekommen. Das absolute Aus wäre eine Steinbrücke kurz vor unserem Wanderparkplatz gewesen, über die wir nicht gepasst hätten. Sie war selbst für unseren Golf schon sehr eng. Wir wanderten eine sehr schöne Schleife, die uns erst bergauf zu gewaltigen Felsformationen führte, die sich Bellever Tor nannten. Von hier oben hatte man einen fantastischen Blick auf die hügelige Landschaft aus Wald, Heide, Ginster, Felsbrocken und Weiden. Immer wieder begegnen Ponys, in diesem Fall Dartmoorponys, Ziegen, Schafe und Rinder mit Halsbändern zur GPS-Überwachung, um sie frei grasen lassen zu können. Auch hier, wie im New Forest Nationalpark, haben die Tiere und die Lebensweise die Landschaft über Jahrtausende geprägt. Im Dartmoor finden sich zahlreiche Gräber und Steinkreise, die bis in die Bronzezeit zurückgehen. Gegen Ende der Wanderung kamen wir zu einem Fluss, in dem Hunde und Kleinkinder munter planschten, während die Mütter es sich im Gras gemütlich gemacht hatten. Man sah hier viel häufiger Familien mit Kindern in Flüssen baden, als bei uns und die Kleinen waren, dabei sehr sicher auf ihren kurzen Beinen. Sicher ein gutes Training. Nach der Wanderung stand uns erneut eine rund 1 1/4-stündige Rückfahrt bevor. Nicht, dass der Weg so weit gewesen wäre, nur 30 Meilen, aber auf den Straßen kam man einfach nicht voran.
Nach dem Abendessen in unserem Ferienhäuschen fuhren wir noch nach Dartmouth in den Ort hinein und parkten am Hafen. Der Vorteil des abendlichen Besuchs war, dass man ab 18:00 frei parken konnte. Außerdem wollten wir die Blaue Stunde für Fotos nutzen und das abendliche Flair genießen.
Mittwoch, 4.9.24 Dartmouth – Ausflug Dartmoor Nationalpark bei Haytor Quarry und Parke Estate von Bovey Tracey
Da uns das Wetter auch heute noch einmal hold war, nutzten wir das für eine weitere Wanderung im Dartmoor Nationalpark. Dieses Mal wanderten wir entlang der aus dem 17 /18. Jahrhundert stammenden Transportwege für das im nahegelegenen, ehemaligen Steinbuch abgebaute Granit. Der Steinbuch ist heute ein wunderschöner kleiner Badeteich mit Seerosen, umwachsen von lila Heide, gelbem Ginster, Bäumen mit roten Vogelbeeren und vielen anderen Pflanzen. Nebenan befanden sich wie am Vortag riesige Granitfelsen inmitten von Flechten und Moosen. Die leicht hügelige Landschaft aus Heide und Ginster bildete einen gelb- lila Teppich, auf dem gelegentlich Ponys in der Ferne auftauchten. Wir konnten den Blick weit in die Ferne schweifen lassen. Die ehemaligen Transportwege hatten wir schon bis in die Römerzeit zurückdatiert, konnten uns aber von einem englischen Wanderer eines Besseren belehren lassen. Nach der geplanten Wanderung sammelten wir noch ein paar Brombeeren für unser Frühstücksmüsli und entschieden dann, dass wir noch ein anderes Ziel besuchen könnten. Da meine Uhr mich mal wieder geärgert hatte, weil sie statt ca. 13000 Schritten nur rund 5000 aufgezeichnet hatte, weil ich mit Stöcken unterwegs war und sie dann anscheinend die Bewegung nicht erkennt, wollte ich wenigstens meine 10000 Schritte noch gespeichert bekommen. Wir fuhren einige Meilen durch noch engere Straßen und kamen zum Parke Estate von Bovey Tracey, einem vom National Trust betriebenen Naturpark mit Fluss, Wald und einem gemütlichen Café. Leider stand auf dem Parkplatz gleich wieder ein geldgieriges Gerät. Während wir noch entschieden, ob uns 3£ nun zu teuer wären, bzw. woher wir Münzgeld bekämen, oder ob wir nun die Park-App downloaden sollten, drückte mir ein älterer Herr wortlos ein kostenloses Parkticket für den heutigen Tag in die Hand! Er war Mitglied beim National Trust und durfte somit kostenlos parken, aber auch wenn er kein Geld für das Ticket ausgeben musste, war es dennoch supernett, uns eins zu schenken. Da das Café am Anfang des Rundwegs zu einladend war, um dran vorbeizugehen, tranken wir dort einen Kaffee und unterstützten somit wenigstens auf diese Weise den National Trust. Der Weg war zwar nur 3,5 km lang, aber er wurde mir zum Schluss diesmal doch ziemlich lang. Ich hatte zuvor schon 180 Höhenmeter gemacht und nun meckerte mein Knie bei weiterem hoch und runter über Treppen und Schotterwege heftig. Auf dem Heimweg fuhren wir noch einkaufen und dann zurück in unser Ferienhäuschen. Wir waren hier übrigens im County Devon und haben somit seit London die Counties Dorset (Bridport), Hampshire (Southampton) und jetzt Devon besucht.
Am nächsten Tag sollte das Wetter schlechter werden, daher planten wir eine Wanderung an der Küste von Brixton und hofften uns dann im Notfall bei Häusern unterstellen zu können.
Donnerstag, 5.9.24 Dartmouth – Ausflug nach Brixham
100% Regen angesagt – 100% Regen gab es auch. Anstelle einer Wanderung um die Landspitze Berry Head bei Brixham, flüchteten wir von einem Charity Shop zum nächsten. Meine dünne Regenhose zerfiel am Morgen beim Anziehen. bzw. die verschweißten Nähte gingen auf, als wären sie aus Tesafilm. Für unsere Schirme war der Wind im Küstenstädchen häufig zu stark, sodass sie umschlugen, so war es an diesem Tag ehr ein feuchtes Vergnügen. Zumindest meine Regenjacke hielt dicht. Obwohl wir in sicherlich acht Charity Shops waren, konnte ich keine passende Regenhose finden. Gut, dass ich meine gute Hose zuhause hatte, sie hatte mir ein zu großes Packmaß für eine Zugreise. Es war echt schade, dass es so ein mieses Wetter war, denn Brixham erwies sich als eine wirklich nette, kleine Hafenstadt mit bunten Häuschen, einem alten Marktgebäude und bunten Fischerbooten und einem Museumssegelschiff, das ein Nachbau der Golden Hind von Sir Francis Drake ist und Angebote für Kinder anbot. Außerdem wäre die Küstenwanderung sicher nett gewesen. Wir genossen zumindest einen Kaffee in einem gemütlichen Café und liefen eine Runde durch die Innenstadt, bevor wir wieder zu unserer Unterkunft fuhren und dort einen ruhigen Nachmittag verbrachten. Es war auch um einige Grade kälter geworden, so hatten wir morgens nur noch 14⁰. Da unsere Wohnung einen Elektrozähler hatte, der mit £ – Münzen bestückt werden musste, hielten wir uns mit Elektroheizung zurück. Das war außer dem Preis von ca. 97€ pro Nacht, sowie einer fehlenden Waschmaschine aber der einzige Nachteil der Wohnung. Ansonsten war sie sehr gut ausgestattet und alles super mit Erklärungen versehen. Wir hofften, am nächsten und damit unserem letzten Tag an diesem Ort, noch einmal Ausflugswetter zu haben.
Freitag, 6.9.24 Dartmouth – Ausflug Soar National Trust – Kingsbridge
Wir hatten wieder einen perfekten Wandertag. Trockenes, aber bewölktes Wetter wäre ja schon toll gewesen, aber es schien sogar die Sonne und versüßte uns unsere Wanderung im East Sogar National Trust. Ich hatte einen wunderschönen Küstenrundweg bei Komoot ausfindig gemacht und wir hatten super Ausblicke auf bizarre Felsen, versteckte, kleine Buchten mit Sandständen und den Ärmelkanal. Unterwegs standen kuschelige Hochlandrinder, ein Schaf, das aussah, als hätte es sich extra für uns gewaschen und ein Rotkehlchen für uns Modell und die Brombeersträucher versorgten uns mit schmackhaften Früchten. Es erstaunte mich immer wieder, dass wir noch immer reife Brombeeren hier fanden. Zuhause war die Zeit längst vorbei. Da wir uns nun schon seit fast 2 Monaten an den süßen Früchten labten und das in nie dagewesener Fülle, erkoren wir dieses Jahr zum Jahr der Brombeere. Nach der wunderschönen Wanderung besuchten wir noch das Örtchen Kingsbridge. Leider mussten wir feststellen, dass um 17:00 bereits alle kleinen Geschäfte geschlossen hatten, aber der Ort war auch so sehenswert. Nett gestaltete Geschäftchen, viel Blumenschmuck, da man anscheinend an einem Wettbewerb um die schönste Blumendeko teilnahm und einen schönen Blick auf die Kingsbridge Mündung mit einem gemütlichen Platz mit Gastronomie, machten diesen, über Jahrhunderte wichtigen Marktort, der heute aber verkehrsmäßig ziemlich abgehängt ist, zu einem sehenswerten Ziel.
Samstag, 7.9.24 Dartmouth – Dartmoor Nationalpark – Plymouth
Der Tag war durchwachsen. Um 10:00 mussten wir unser Ferienhäuschen verlassen. Da am kommenden Tag das Wetter katastrophal werden sollte, nutzten wir die Chance, auf dem Weg zu unserem neuen Standort Plymouth, noch einmal eine Wanderung im Dartmoor Nationalpark zu machen. Wir konnten eh erst ab 15:00 einchecken. Die Wanderung verlief bereits in der Umgebung von Plymouth und wir hatten gelegentlich einen Blick auf die Stadt und die Bucht. Die Landschaft in diesem Teil des Nationalparks bestand vornehmlich aus uralten Eichenwäldern. Die Bäume waren krumm und schief und von Moos bewachsen, aber in voller Blätterpracht. Der Waldboden und alles, was sich an Steinen und Wurzeln darauf befand, war voll von weichem, kräftig grünem Moos. Außerdem säumten meterhohe Farne unseren Weg. Wie schon bei unserer ersten Wanderung, kamen wir wieder zu einem großen Felsen, der in der Mitte durchquerbar war und auf den man klettern konnte. Von diesem Dewerstone Rock hatte man einen guten Blick auf Plymouth, der heute aber leider nicht sehr klar war, sondern ehr grau in grau. Wir kamen wieder über Weiden mit grasenden Rindern, die uns zwar immer genau im Blick behielten, aber uns ansonsten in Ruhe ließen. Mit Hund hätte ich hier ehrlich gesagt nicht wandern wollen, da hätte es bei diesen Wegen zwischen Rindern, Ponys und Schafen schon mal zu Revierkämpfen kommen können. Nach ca. 2/3 des Weges erreichten wir den Fluss Ply, der Plymouth, also „Mündung des Ply“, den Namen gab. Er fließt in den Meavy, der dann in der Stadt ins Meer fließt. In dieser Gegend wird schon von Meer, nicht mehr Ärmelkanal gesprochen. Es handelt sich laut Karte demnach um die Keltische See, einen Teil des Atlantiks zwischen der Südküste Irlands, der Südwestküste von Wales und den Nordküsten von Devon und Cornwall. Wir wanderten mehrere Meilen am Fluss entlang, in dem, wen wunderts, heute keiner badete, was sonst in England zum Pflichtprogramm einer Wanderung zu gehören schien. Bei Temperaturen um die 15⁰ und dann dummerweise auch noch einsetzendem Regen, hatten wohl auch die Einheimischen dazu keine Lust. Der Wanderweg war aber gut besucht. Für mich hätte der Weg zum Schluss gerne etwas kürzer sein können, denn die feuchten Wege aus Gras/Moos/Findlingen und Pfützen fanden meine Gelenke eine ziemliche Zumutung. Gegen 14:00 kamen wir wieder auf dem Parkplatz an und mussten erstmal blind Richtung Plymouth fahren, weil wir keinen Navi Empfang hatten. Nach einer kurzen Ehrenrunde, weil wir uns verfuhren, fanden wir unseren Weg. Dieses Mal kamen wir bei den Straßen aber wirklich an unsere Grenzen, oder besser: das Auto an beiden Seiten an die Böschung. Ein Stück des Weges hatte nur 2m Breite, was unser Golf mit ausgefahrenen Spiegeln locker überbot. Zum Glück war die schmale Stelle eine Brücke und die Brüstung niedriger als die Spiegel. Bei einem entgegenkommenden Fahrzeug kam der Fahrer leicht beim Vorbeifahren an unseren Außenspiegel, der aber zum Glück keinen Schaden nahm. Es war an einer Ausweichstelle, aber das andere Fahrzeug war ein fetter SUV und unser Auto leider auch nicht das schmalste. Nicht, dass das irgendwelche kleinen Seitenwege gewesen wären, es handelte sich um ganz normale Straßen, die auch in Städte wie Plymouth führten. Inzwischen hatten wir auch die automatische Handbremse schätzen gelernt, denn häufig hatten die Straßen auch noch Steigungen und Gefälle, die schon mal bis 25% betragen konnten. So etwas hatten wir zuvor noch nicht erlebt. Klar gab es irgendwo in südlichen Ländern enge, nicht ausgebaute Wege, wo einem auch schon mal jemand entgegengekommen war, aber hier handelte es sich um vielbefahrene Durchgangsstraßen.
Zum Glück meisterte Stefan die Fahrt wieder bravourös und wir kamen fast punktgenau im Hotel Future Inn an. Hier hatten wir für zwei Nächte ein Zimmer mit zwei breiten Betten, dafür keine Kochmöglichkeit außer einem Wasserkocher.
Sonntag, 8.9.24 Plymouth
Dieser Tag war der Erkundung von Plymouth gewidmet. Erfreulicherweise war das Wetter nicht so schlecht, wie vorhergesagt. Stefan musste zwar morgens noch im Regen joggen, aber da wir uns mit Frühstück und Relaxen viel Zeit ließen und erst gegen Mittag in die Innenstadt fuhren, war es nur grau, aber es regnete nicht mehr. Wir fanden sogar einen kostenlosen Parkplatz am Straßenrand in der Nähe der Einkaufszone. Das positive hier in England war, dass häufig die Parkverbote inkl. Bezahlpflicht am Sonntag nicht galten, was wir vom europäischen Festland ja auch kennen, dass aber fast alle Geschäfte sonntags geöffnet hatten, auch die Charity Shops, von denen hier zahlreiche vertreten waren. Man konnte fast sagen, dass sich entlang der Haupteinkaufsstraßen mehr dieser Sozialkaufhäuser als reguläre Geschäfte befanden. Es gab allerdings auch noch eine große Mall, mit all ihren üblichen Shops. Wir fanden zwei Shirts und besuchten danach das Kunst- und Historische Museum „The Box“. Der Name dürfte sich auf die Architektur beziehen: ein gläserner Kasten. In der Eingangshalle schwebten über uns diverse Bugs historischer Entdeckerschiffe. Ein Video zeigte die erste Besiedelung, die Entwicklung zum großen Handelshafen und Start großer Seefahrer wie Francis Drake und James Cook. Von hier startete 1620 die Mayflower mit den sogenannten Pilgervätern in die „Neue Welt“ und brachte die ersten Auswanderer nach Amerika. Hier schlug auch die englische Flotte die spanische Armada. Noch immer ist der nahe Militärhafen Devonport des größten Westeuropas. Die Stadt konnten wir nicht als besonders schön bezeichnen, wobei wir Deutschen im Zweiten Weltkrieg durch massive Zerrstörung tatkräftig daran beteiligt waren, dass es kaum noch historische Gebäude gibt. 1362 hochexplosive Bomben zerstörten die Stadt und kosteten an die 1200 Zivilisten zwischen 1940-44 das Leben. Die Bombardierung übertraf sogar die von London.
Im Museum wurden die großen Expeditionen und die Kolonialisierung Amerikas und Australiens gezeigt und auf die katastrophalen Folgen für die indigenen Völker hingewiesen. Man bat die Besucher um Anregungen, wie eine zeitgemäße Darstellung aussehen könnte. Im naturhistorischen Teil des Museums war ein Mammut und andere prähistorische Tiere und, in einem Steinbruch gefundene, Skelette unserer Vorfahren zu sehen.
Um die Sichtbarmachung von Kunst schwarzer Künstler ging es in der aktuellen Ausstellung des Kunstmuseums.
Wir fanden den Besuch der Ausstellungen sehr interessant und leisteten uns im Café Kaffee und Cookie, da für den Museumsbesuch kein Eintritt verlangt wurde. Bevor wir zurück zum Hotel fuhren, machten wir noch eine kleine Rundfahrt am Hafen entlang. Am kommenden Tag sollte die Fahrt weiter nach Cornwall gehen.
Montag, 9.9.24 Plymouth – Polkerris Beach – Truro- Saint Erth- Hayle
Die Weiterreise von Plymouth in Devon nach Saint Erth in Cornwall unterbrachen wir für mehrere Zwischenstopps. Wir nutzten das gute Wetter für eine Wanderung auf dem Küstenpfad an der Polkerris Beach. Der Wanderweg oberhalb einer felsigen Steilküste bot uns immer wieder nette Ausblicke auf das Meer. Wir kamen an einen Strand und zurück ging es über eine ausgedehnte Weide mit Schafen, die uns nur kurz einen Blick zuwarfen und dann weiterfraßen. Den nächsten Stopp machten wir in Truro, der Verwaltungshauptstadt von Cornwall, einer sehr hübschen Stadt mit einigen historischen Gebäuden, einer lebhaften Fußgängerzone mit hübschen Häusern und viel Blumenschmuck und einer von weitem sichtbaren Kathedrale. Eine halbe Stunde Fahrt trennte uns noch von unserer neuen Unterkunft in Saint Erth. Mich überraschte sehr, dass wir die ganze Strecke fast ausschließlich über Schnellstraßen zum Ziel kamen. Ich hatte hier, am äußersten Zipfel Englands, mindestens so enge, heckengesäumte Sträßchen erwartet wie in Devon, aber dem war nicht so. Bisher hatten wir an dem Tag fast ausschließlich breite und keine einspurigen Straßen und konnten somit stressfrei ans Ziel gelangen. Wir wohnten im Anbau eines Cottage, in dem unser Vermieter wohnte. Unser Reich bestand aus Küche, Wohnzimmer mit Sofa und durch Vorhang abtrennbarem Nebenraum mit Sofa Bett, wo ich schlief, und einem kleinen Schlafzimmer für Stefan. Das war unsere Behausung für die nächsten drei Nächte. Es war alles etwas in die Jahre gekommen, außer der Technik. Licht, TV und Musikanlage ließen sich nur durch einen Befahl an Alexa an- und ausschalten und das Fernsehen hatte Netflix. Wir konnten sogar eine Playstation benutzen, was aber nicht unserem Geschmack für Freizeitgestaltung entsprach. Der Vermieter, ein älterer Herr, erklärte uns alles ganz genau im Haus und darüber hinaus gab es eine mehrsprachige Mappe mit Infos über Recycling, Anweisungen für Alexa etc. Wir wurden nicht nur mit haufenweise Infomaterial über die Umgebung versorgt, sondern auch unsere kulinarischen Gelüste wurden befriedigt mit einer Geschenkpackung von typischen Naschereien der Region wie Fudge und Shortbread. Sehr nett! Die Engländer hier im Süden erwiesen sich auch sonst als recht nett, grüßten immer auf Wanderwegen und bei unserem Einkauf vor Ort gab uns an der Kasse vom Lidl ein junger Mann einen Wandertipp, weil er unsere Wanderschuhe bemerkt hatte. Am späten Nachmittag machten wir eine erste Erkundungstour in die nächste Kleinstadt im Norden, Haley, mit Hafen direkt am Atlantik. Wir konnten dort noch einen netten Abendspaziergang inklusive Sonnenuntergang am Strand machen, bevor wir uns zum Abendessen nach Hause begaben
Dienstag, 10.9.24 Saint Erth – Ausflug Penzance/Newlyn/Mousehole
Dieser Tag brachte uns südlich an die Küste nach Newlyn , wo wir eine Rundwanderung zum süßen, aber ziemlich touristischen Hafenstädtchen Mousehole unternahmen. Lands End ließen wir uns als Höhepunkt von Cornwall für den nächsten Tag, weil das Wetter besser werden sollte. Ja, in England drehte sich fast alles ums Wetter, das hatten wir ja bereits in der Schule gelernt. Heute war 60%Regen angesagt und den hatten wir auch, aber zumindest auf dem Hinweg nach Mousehole war es trocken und wir konnten auch noch eine Weile auf einer Bank den Blick auf den kleinen Fischereihafen genießen, der einst für riesige Sardinenfänge bekannt war. Der Ort hatte viel historischen Charme und wurde vom Dichter Dylan Thomas das schönste Dorf Englands genannt. Trotz Regen waren noch viele Touristen unterwegs. In den Schulferien und bei gutem Wetter war hier sicher die Hölle los. Viele Geschäftchen und die Gastronomie nahmen in ihrem Angebot oder Namen Bezug auf den Ortsnamen Mousehole, was laut Internet hier Mowzel ausgesprochen wurde und verkauften oder nannten sich irgendwas mit Maus. Im Winter ist der Ort für seine besondere Weihnachtsbeleuchtung bekannt.
Nachdem wir uns bei einem Kaffee in einem Restaurant etwas von unserer Rückwanderung im Regen getrocknet hatten, fuhren wir in den nächsten Ort Penzance. Es handelte sich um eine Kleinstadt an der Mountsbay mit ca 21000 Einwohnern. Wir besuchten die Fußgängerzone und stöberten etwas in den Geschäften, bevor wir endgültig vor dem Regen in unsere Unterkunft 6 Meilen im Landesinneren zurückfuhren.
Mittwoch, 11.9.24 Saint Erth – Wanderung LandscEnd- Küstenfahrt nach St. Ives
Es hatte sich gelohnt, mit der Wanderung an der Küste bei Lands End, dem westlichsten Punkt der britischen Hauptinsel, noch zu warten. Obwohl es zu Beginn auch an diesem Tag einmal leicht genieselt hatte, konnten wir uns danach an Sonnenschein erfreuen. Je nachdem, wo wir uns bei der Wanderung befanden, konnte es teils ganz schön windig werden, wir konnten aber später im Ort sogar im Sweatshirt draußen in der Sonne sitzen. Die Wanderung war ein Highlight für uns. Sie führte oberhalb einer bizarren Steilküste entlang mehrerer Buchten. Wir konnten das Wrack des deutschen Frachtschiffs RMS Mühlheim, das aufgrund der Bewusstlosigkeit des wachhabenden ersten Offiziers 2003 hier in die Felsen krachte, sehen. Danach kamen wir zur Spitze Lands End, die natürlich gut besucht war. Gegen Geld konnte man sich dort vor einem Masten mit Entfernungsschildern fotografieren lassen, was wir uns gut verkneifen konnten. Man hatte auch eine kleine Ansammlung von Restaurants, Cafes und ein Hotel dorthin gebaut, aber die Architektur war der Umgebung angepasst und nicht störend. Sehr schön war Enys Dodnan Arch, ein Felsentorbogen, der vor der Küste aus dem Wasser ragte. Der Rückweg führte etwas im Landesinneren durch eine Heide-Ginster- und Weidelandschaft. Da es soviele schöne Ausblicke gab, die zum Fotografieren einluden, wurde uns zum Schluss die Zeit für die Parkuhr knapp. Bei Komoot war die Wanderung mit 2:21Std angegeben, wir sind effektiv 2:16Std gelaufen, aber mit all den Stopps hatten wir letztlich gerade noch 6 Minuten Zeit, um unsere Parkzeit von 3 Std nicht zu überziehen. Wie ich diese Zeitbegrenzungen hasste! Da viele Parkplätze mit Kameras, die die Nummernschilder aufnehmen, funktionieren, zahlte man beim Überziehen unweigerlich Strafe. Es war ganz schön nervig, immer im Vorraus wissen zu müssen, wie lange man brauchen wird, besonders wenn nur 1,2,3 Std oder ein ganzer Tag zur Auswahl standen. Immerhin zahlte man in der Regel umgerechnet ca 1,50€ pro Stunde. Für den ganzen Tag in etwa 8,30€. Wir waren aber pünktlich und entschlossen uns, noch eine kleine Rundfahrt an der Küste entlangzumachen, tranken unterwegs einen Kaffee und parkten dann in St. Ives. Hier durften in den Stadtkern nur Autos mit Genehmigung, was in Anbetracht der Enge der Straßen und besonders auch wegen des Gefälles bzw der Steigung von 25% auch sehr ratsam erschien. Dennoch waren viel zuviele Autos unten am Hafen und in den kleinen, engen Einkaufsstraßen, in denen sich haufenweise Touristen tummelten. Wir durften ja nichts dagegen sagen, wir waren ja auch da, aber es grenzte schon an Over-Tourism. Es waren ja noch nicht mal Ferien oder Wochenende und so super war das Wetter auch nicht vorausgesagt. Warum soviele Menschen die kleine Stadt mit ihren 11000Einwohnern besuchten, verstanden wir aber gut. Der Hafen mit dem Strand war wunderschön, ebenso die zahlreichen, hübsch gestalteten Geschäfte, Gaststätten und Galerien. Es gab hier eine rege Kunstszene und mit der Galery Tate St. Ives, die regelmäßige Ausstellungen bot, wurde Publikum angezogen. Besonders junge Leute wurden aber wohl durch die Surfstrände angelockt, außerdem gab es Bootstouren, die Wal-, Robben- und Delfinsichtungen anpriesen. Wir schlenderten durch die Innenstadt und am Hafen entlang und genossen es, dass die Szenerie in wunderbares Licht getaucht war. Als wir dann wieder die 25%Steigung zum Auto bewältigen mussten, hatten meine Gelenke mit 23300 Schritten wirklich genug vom Laufen. Am nächsten Tag würden sie sich ausruhen können bei einer endlos langen Fahrt bis Fleet in Hampshire, ca. 60 km südwestlich von London. Wir mussten am Freitag das Auto wieder am Flughafen Gatwick abgeben und hatten daher eine Unterkunft in nicht zu großer Entfernung gesucht. Für den kommenden Tag hieß das allerdings 246 Meilen, also ca. 400km Autofahrt bis zu unserem Motel an der M3 bei Fleet. Ab Gatwick war dann wieder Zug fahren angesagt, ob wir das wohl noch beherrschten.
Donnerstag, 12.9.24 Sait Erth- Days Inn Service Area Fleet an der M3
Was schreibt man über einen Fahrtag? Wir standen am Morgen etwas früher auf und während Stefan joggte, versucht ich, unsere Essensvorräte entweder zum Frühstück zu verarbeiten oder sie so sicher umzupacken, dass wir sie nach Autorückgabe im Rucksack transportieren konnten. Um 10:00 ging es dann los Richtung Fleet, wo wir diese Nacht in einem Motel an der Autobahn M3 ca. 1,5 Std von London/Gatwick übernachteten. Da 240 Meilen ein ganz schönes Stück des Weges waren, versuchten wir unterwegs zwei Stopps einzulegen, so hielten wir bei einem Restaurant an der Strecke, um einen Kaffee zu trinken und danach unsere mitgebrachten Brote beim Auto zu essen. Wir hatten uns dieses Mal vorgenommen, nichts im Auto zu essen, um den quietschneuen Golf sauber wieder abgeben zu können und hatten uns auch die ganze Zeit darangehalten, also gab es während der Fahrt keine Leckereien. Einen zweiten Stopp machten wir in Amesbury, weil es direkt an der Autobahn lag. Der Ort war aber totlangweilig. Hier schien man nur hinzukommen, wenn Mann zum Friseur wollte, denn es gab in einer Straße mindestens 4 Barbershops im türkischen Stil. Nach einem kurzen Rundgang fuhren wir weiter bis an unser Ziel. Das Wetter war unterwegs ein Mischmasch aus Sonnenschein und Wolkenbrüchen und es war ganz schön kalt geworden. Wir hatten gerade noch 11⁰C. Die Strecke war nicht so schlimm wie erwartet, da sie fast ausschließlich aus Schnellstraßen und Autobahnen bestand.
Zum Abendessen wollten wir versuchen, mit 20% Gutscheinen des Motels in der Pizzeria gegenüber Pizzen zu einem bezahlbaren Preis zu erhalten. Sie hatten nämlich darüber hinaus noch das Angebot, dass wenn man eine Pizza bestellte, die zweite für 1£ bekam. Wenn das klappte, würde eine mit 12£ überteuerte Pizza Margherita glatt noch bezahlbar. Angeblich waren beide Angebote auch kombinierbar, wir würden sehen. Und, wer hätte es gedacht, es hat geklappt! Sie genossen wir unsere Pizzen und legten uns dann zu einer, zumindest für mich, grauenhaften Nacht ins Bett. Mein Bett hatte so grässliche Federn, die sich in meinen Rücken bohrten, dass ich mir aus dem Schrank noch ein Zusatzbettdeck unten drunter legte. Viel geholfen hat es nicht.
Freitag, 13.9.24 Fleet- Sheffield
Wir gaben unser Auto rechtzeitig und problemlos in London/Gatwick ab und fuhren von dort mit zwei Zügen nach Sheffield. Alles klappte prima. Während es am Morgen noch eiskalt war, hatten wir am Abend an unserem neuen Zielort noch 14⁰ und es hatte den ganzen Tag nicht geregnet, was jetzt umso wichtiger war, wo wir ohne den Schutz eines Autos unterwegs waren. Wir wohnten in Sheffield in einem 1-Zimmer-Apartment mit Miniküche und Bad. Leider hatten wir nur ein Bett und das war in einer Nische, was total blöd war, weil Stefan seine Beine unten nicht rausstrecken konnte und ich nachtsüber ihn drübersteigen musste, wenn ich zur Toilette musste. Wir wollten das eine Nacht testen, im Notfall musste einer auf der Bettdecke auf dem Teppich nächtigen. Zum Zudecken hatten wir vorausschauend Schlafsäcke mit.
Nach unserer Ankunft und dem Einzug in unsere Unterkunft, die 15 Fußminuten vom Bahnhof entfernt war, erkundeten wir noch ein wenig die Stadt Sheffield. Nach der vielen Natur und den kleineren Städten war Sheffield erst mal wieder gewöhnungsbedürftig mit seinen 584000 Einwohnern. Insgesamt kam es uns in England überall so vor, als gäb es zuviele Autos. Staus waren hier die Regel. In Sheffield versuchte man gerade den Stadtkern, das sogenannte „Heart of the City“, umzugestalten mit verkehrsberuhigten Wegen und Radwegen. Der erste Teil der Einkaufszone war 08/15 mit modernen Geschäften. Das „Herz der Stadt“ dagegen eine Mischung aus alt und neu. Das Rathaus mit seinem herausragenden Glockenturm war ein Renaissance Bau, nebenan moderne Theatergebäude und der Winter Garden, ein Gewächshaus fast so groß wie eine Mall mit Palmen, Tierfiguren und Pflanzen, nebendran Cafés und ein Museum. Das Gebäude hat uns sehr gut gefallen. Wir stockten bei Lidl noch unsere Lebensmittel für Abendessen und Frühstück auf und begaben uns danach zurück zum Appartement. Zwischendrin warfen wir immer mal wieder einen Blick auf die Preise der Gastronomie und es schien hier etwas preisgünstiger zu sein als im Süden. Besonders ein Laden hatte unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen, das war ein Backwarenladen, ähnlich dem Backwerk in Deutschland und sie hatten Kuchen und Teilchen z.B. Karottenkuchen Stück für 1£, Kaffee für 1£ etc. Normalerweise zahlte man in England mindestens 3£ je Teilchen, Kuchen, Kaffee o.ä.
So wie es aussah, würden wir am kommenden Tag per Zug zum Nationalpark Peak District hier in der Nähe fahren. Das Wetter versprach gut zu werden.
Samstag, 14.9.24 Sheffield – Ausflug Peak District NP/Wanderung und Manchester
Am Morgen brachte uns die Northern Rail nach Edale im Peak District Nationalpark. Die Wanderung startete direkt am Bahnhof des kleinen Dorfes und führte uns bei herrlichem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen durch die hügelige, teils moorige Landschaft des Nationalparks. Zu Beginn bereute ich etwas die Wahl des Weges, denn wahre Menschenmassen stiegen mit uns aus dem Zug und hatten anscheinend genau dasselbe Ziel wie wir. Um uns gleich an die Spitze vorzukämpfen war ich nicht fit genug. Wir wollten ja auch nicht im Joggingschritt durch die Natur hetzen, abwarten, bis die Horde weg war, erwies sich aber auch als schwierig. Etliche junge Leute machten anscheinend den Weg als Spendenwanderung für Menschen mit zu hohem Cholesterinspiegel (hier gab es Charity Läufe/Geschäfte etc für alle möglichen Zwecke). Die meisten schienen nicht gerade versierte und trainierte Wanderer zu sein, so machten sie alle paar hundert Meter Pausen, wenn wir gerade froh waren, dass sie an uns vorbei waren. Nach etwa 15 Minuten löste sich das Problem von selbst, weil sich unsere Wege trennten. Ich genoss es sehr, kein ständiges Geplapper mehr, um mich zu haben und nicht in einer Schlange auf dem Weg laufen zu müssen. Wir wanderten durch eine wunderbar hügelige Weiden- und Buschlandschaft, entlang eines Flusses und durch gelegentliche Waldstücke. Immer wieder teilten wir uns die Landschaft mit Schafen und Rindern und kamen an einer gut besuchten Camping-Farm mit Zelten und Campern und netten alten Stein Cottages vorbei. Es wurde eine schöne Rundwanderung, bei der ich allerdings froh war, meine Stöcke mitgenommen zu haben, denn der Peak District machte seinem Namen Ehre und war hügelig und die Wege holprig. Da wir bereits gegen 14:00 wieder beim Bahnhof waren, entschieden wir uns spontan, unser Ticket heute noch richtig auszunutzen und nach Manchester zu fahren. Gesagt, getan, in 50 Minuten waren wir in Manchester. Eine unglaublich lebhafte und bunte Stadt begrüßte uns. Man hatte das Gefühl, in einen Ameisenhaufen geraten zu sein. Drei Viertel um den Bahnhof herum bilden die Vielfältigkeit der Stadt ab. Das Northern Quarter war das bunteste und am ehesten shabby chiq zu nennen. Alte Backsteingebäude, bunte Häuser, Second Hand Läden, manches baufällig und viel Graffiti, allerdings auch ein paar richtig gute Wandgemälde. Die Gastronomie war hier ehr rustikal und vielfach Bänke, Tische und Stühle auf der Straße, die immer gut belegt waren. Unterschiedlichste Gerüche diverser Dinge, die sich rauchen ließen, ein paar Bettler und Menschen mit diversen Wurzeln nahmen wir wahr. Zwischendrin zum Teil Verkehr, teilweise beruhigt, Busse und Straßenbahnen in jeder Richtung. Daneben der Central Retail District, das moderne Einkaufsviertel mit einer riesigen Einkaufspassage, dem soundsovielten Starbucks, aber auch historischen Gebäuden wie der Kathedrale, dem Rathaus, das gerade eingerüstet und kaum erkennbar war, alten Steinbrücken über den Fluss Irwell, der aber vor supermodernen Hochhäusern kaum zu sehen war. Es gab ein modernes Fußballmuseum und, wie in Manchester nicht anders zu erwarten, konnte man hier sogar Fußball-Business studieren. Das dritte Viertel war das Gay-Village mit verkehrsberuhigter Straße und vielen Szenecafés. Laut Internet zog hier das Pride Festival mit Musik und Paraden jährlich ein großes Publikum an. Nachdem wir die unterschiedlichen Viertel, die vielen Menschen und die krassen Gegensätze zwischen supermoderner und historischer Architektur auf uns wirken gelassen hatten, stärkten wir uns mit einem Snack aus dem Supermarkt auf dem Rasen von Piccadilly Gardens, einem Platz mit Rasen, Stufen, auf denen die Menschen saßen und Springbrunnen, bevor wir vom gleichnamigen Bahnhof Manchester Piccadilly wieder in knapp einer Stunde nach Sheffield zurückfuhren. Wir hatten somit einen sehr abwechslungsreichen Tag bei sommerlichen Temperaturen um die 20⁰.
Sonntag, 15.9.24 Sheffield – Ausflug Liverpool
Trotz Regens machten wir uns auf den Weg nach Liverpool. In ca 1 3/4 Stunden brachte uns ein gemütlicher Express-Zug von Transpennine zur Liverpool Lime Street Station, einem von vier großen Bahnhöfen der Stadt. Sie hat eine halbe Million Einwohner und gefiel uns von den drei großen Städten Sheffield, Manchester und Liverpool am besten. Zur Stärkung für unseren Regenspaziergang genossen wir im Pound Café, derselben Bäckereikette, bei der wir in Sheffield Kuchen und Kaffee für je 1£ bekommen hatten, wieder den leckeren Karottenkuchen und weitere Leckereien und stürzten uns dann mit Schirmen und Regenjacken in das typisch englische Wetter. Eigentlich war das Klischee ja nicht ganz richtig, wir hatten in unserem Urlaub auch wunderbar sonnige Tage. An diesem Tag war es aber richtig nass, sodass wir zu Beginn von einem (Charity) Shop in den nächsten flüchteten. Gekauft haben wir nichts. Viele verkauften vornehmlich Vintage Klamotten, die wir weder mochten noch deren überteuerte Preise zahlen wollten. Wir kamen zur St.Luke’s Church, die hier in der Regel „die ausgebombte Kirche“ genannt wurde. Ihre ausgebombten Mauern sind ein Zeugnis des Blitzkrieges der deutschen Luftwaffe im Mai 1941. Nachdem die Ruinen 60 Jahre vor sich hinrotteten, wurde die Initiative ergriffen und die Mauerreste zu einem Veranstaltungsort umgewidmet. Gerade fand hier ein Kunsthandwerkermarkt statt.
Kurz drauf kamen wir nach Chinatown, was aber nicht besonders spannend war. Das aufwendige Eingangstor ließ mehr erwarten. Es befanden sich ein paar asiatische Restaurants dahinter.
Der Regen ließ nicht nach, aber wir wollten unbedingt noch ans Wasser. Etwas über Umwege gelangten wir zum Exhibition Center und sahen von dort unser Ziel: die Waterfront. Beim Royal Alberts Dock fanden wir das nette Ambiente, das wir erwartet hatten. Alte Docks, die Gastronomie, Geschäfte und Museen beheimateten. Wir besuchten das Marine- und Sklaverei Museum, wo wir uns über den Untergang der Titanic und über Kolonialismus und Sklaverei informierten. Auch in diesem Museum fanden wir den Hinweis, dass man versuchte, Geschichte neu zu schreiben und den unterdrückten und geknechteten Kulturen eine Stimme zu geben und gegen Rassismus einzutreten. Entlang der Wasserfront konnten wir weitere interessante Gebäude wie das Museum of Liverpool, das Royal Liver Building etc sehen, wieder ein Mix aus alten und supermodernen Gebäuden, aber es wurde Zeit für uns, allmählich zurück zum Bahnhof zu gehen, denn wir hatten ja noch fast 2 Std Fahrt zurück nach Sheffield vor uns. Liverpool hat uns aufgrund seiner interessanten Gebäude und der nett gestalteten Waterfront gut gefallen. Wir hätten hier sicher gut noch einen Tag auf Entdeckungstour durch Straßen und Museen gehen können.
Montag, 16.9.24 Sheffield – Birmingham
Wir erreichten an diesem Tag unser letztes Ziel in England: Birmingham. Bereits am Bahnhof Birmingham New Street gab es die ersten Fotomotive. Der Weg zu unserer Unterkunft war nicht besonders toll, aber mit 1 Meile noch erträglich. Er führte entlang vielbefahrener Straßen und über diverse Fußgängerampeln. Wir lieferten unser Gepäck ab und machten uns auf den Weg in die Innenstadt. Durch mehrere verkehrsberuhigten Straßen und entlang von Geschäften kamen wir zur Kathedrale, die wir ziemlich unspektakulär fanden, sodass wir sie zwischen all den Interessanten Hochhäusern fast übersehen hatten. Wir kauften uns etwas Obst und genossen es im kleinen Park um die Kathedrale. Von hier gelangten wir zum Victoria Square und konnten überall wo wir hinguckten interessante Gebäude aller Stile und Epochen bewundern: Townhall, Public Library, etwas weiter die Symphony Hall und dann kamen wir zu den Kanälen. Wir fühlten uns fast nach Amsterdam versetzt. Mehrere Kanäle mit langen, schmalen Booten, die vor Anker lagen, viele kleine Brücken über die Kanäle und Gehwege mit netter Gastronomie und am Ende das SEA Life Center, Legoland und die Utilita Arena, eine der größten Sport- und Veranstaltungshallen der Welt laut Google. Der Heavy Metal und Hard Rock Band Black Sabbath, die aus Birmingham stammt, wurde eine Bank mit ihren Konterfeis gewidmet. Auf weitere Stars wie Joan Armatrading, Ozzy Osbourne und auch Fußballern, Schauspielern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wiesen Sterne auf dem Gehweg des „Walk of Stars Birmingham“ hin. Auf dem Nachhauseweg kamen wir an einer weiteren Veranstaltungshalle vorbei, der O² Arena, wo am Abend ein Konzert des amerikanischen Rappers Ken Carson stattfand. Bereits nachmittags warteten schon einige Besucher vor den Eingängen, am Abend war die Schlange sicher 100 m lang. Auf den ersten Blick gefiel uns Birmingham sehr. Es hatte absolut beeindruckende Gebäude und die Wege entlang der Kanäle waren wunderbar, besonders, wenn man sie in schönem Sonnenschein wie wir ihn hatten, genießen konnte. Wir waren schon gespannt, was wir am kommenden Tag noch alles entdecken würden.
Dienstag, 17.9.24 Birmingham
Es war ein richtig schöner letzter Tag in England. Bei wunderbarem Wetter mit fast 20⁰ besuchten wir zuerst den Birmingham Botanical Gardens. Der seit 1829 bestehende Botanische Garten hat mit seinen viktorianischen Gewächshäusern, Moorgarten, Alpengarten, Farmgarten und japanischen Garten eine ganz besondere Atmosphäre. In den viktorianischen Gebäuden konnten auch Räumlichkeiten für Feiern und Tagungen gemietet werden inklusive Catering. Für die Allgemeinheit stand ein Teehaus zur Verfügung, das außer Kuchen auch kleinere Gerichte anbot. Es war sehr schön, bei Sonnenschein diese herrliche Anlage zu durchstreifen.
Nach der Natur kam die Kultur. Nachdem wir Vortags die Birmingham Library bereits von außen bestaunt hatten, begaben wir uns heute ins Innere. Mit einer gewöhnlichen Bücherei hatte dieses Gebäude wahrlich nichts zu tun. Nicht nur, dass es weltweit die einzige Stelle war, die über sämtliche Bände Shakespeares verfügte und das in einem holzgetäfelten Gedenkraum von 1882, der aus der alten Bücherei abgebaut und in der neuen, die 2013 eröffnet wurde, wieder eingebaut wurde, sie galt auch als größte öffentliche Bibliothek des Landes, als größter Kulturraum und größte regionale Bibliothek Europas. Ihre Architektur war sehr beeindruckend. Farblich beleuchtete Rolltreppen führten in einem offenen Innenraum in die unterschiedlichen Etagen. Es gab zwei Dachgärten in unterschiedlicher Höhe mit Pflanzen und Sitzgelegenheiten und einem hervorragenden Blick über die Stadt. Ein Bereich für Kinder und ein Musikbereich befand sich unter dem Gebäude und dem Platz davor, wobei ein Innenhof unbedacht gelassen wurde, wo man Tischtennis spielen konnte. Die Bibliothek teilte sich den Empfangsbereich, sowie ein Theater und Studios mit dem Repertory Theater. Es war wirklich ein beeindruckendes Erlebnis.
Da uns die Architektur rund um den Bahnhof New Street bereits bei unserer Ankunft fasziniert hatte, setzten wir unsere Tour in diese Richtung fort. Bull Ring und Grand Central waren zwei riesige Einkaufszentren, die direkt am Bahnhof bzw mit ihm verbunden waren. Beide hatten geschwungene Formen, wobei das Grand Central durch seine metallene Außenhaut die Umgebung in bizarren Bildern spiegelte und das Äußere des Bull Rings eher an die Schuppen eines Fisches erinnerte. Durch Stege und offene Flächen zum Sitzen bot der Komplex Verkehrswege ohne Kraftfahrzeuge und damit einen hohen Erholungswert und entspanntes Einkaufen. Für unser Portemonnaie war das allerdings nicht gedacht und das hatten wir auch gar nicht vor. Geschäfte wie Selfridge’s, Mark&Spencers, Pandora etc. waren nicht unsere Welt. Durch das Gay Village mit seinem bunten Regenbogen auf dem Pflaster und vielen Bars und Geschäften, sowie Chinatown liefen wir zu unserer Unterkunft zurück.
Mittwoch,18.9.24 Birmingham -Lille Europe (Frankreich)
Wir erreichten per Eurostar wieder das Festland. Die EU nahm uns auch wieder auf. Unsere Reise verlief problemlos von Birmingham über London, dort in den Eurostar und schwupps waren wir in Lille. Auf dem Weg zu unserer Unterkunft waren wir schnell noch bei einem Falafel -Restaurant etwas essen und suchten dann unser Apartment. Es war ziemlich zentral in der Innenstadt, aber erstmal gewöhnungsbedürftig. Es lag versteckt ganz oben im Dachgeschoss und ja, es gab wie angekündigt zwei Betten. Das, was vorbereitet wurde, war eigentlich das Sofabett im Wohnbereich. Das richtige Bett war nur über eine steile Leiter zu erreichen und wurde nicht vorbereitet. Ich hätte ja gesagt, unter den Umständen schlafen wir halt doch gemeinsam auf dem schmalen Sofabett, aber Stefan erklärte sich bereit, oben zu schlafen, also musste wieder die große, bezogene Bettdecke als Laken für ihn herhalten und wir schliefen beide in unseren Schlafsäcken wie schon in Birmingham. In dieser Hinsicht freuten wir uns schon ein wenig, bald wieder in unserem schönen, großen Bett zuhause zu schlafen.
Donnerstag, 19.9.24 Lille
Unser letzter Tag vor der Rückreise ging dem Ende zu. Noch einmal meinte die Sonne es gut mit uns. Bei T-Shirt – Wetter und 24⁰ konnten wir den ganzen Tag recht sommerlich durch das wunderschöne Lille streifen. Nahezu überall in der Innenstadt säumten Stuckfassaden die Straßen, gab es verkehrsberuhigte Zonen, die auch ihren Namen wert waren und nicht durch zig Ausnahmen aufgeweicht waren, wie wir es in England häufiger hatten. Rund um die alte Zitadelle, die im Innern noch Militärgebiet war, bot ein Park Freizeitmöglichkeiten wie baumbestandene Rundwege für Spaziergänger, Jogger und Radfahrer, einen Zoo, einen großen Spielbereich für Kinder und derzeit für einen Monat lang einen Jahrmarkt mit Riesenrad und allem, was dazu gehört. Drumherum, von unterschiedlichen Brücken überspannt, floss der Canal de la Dêule.
In den Fußgängerzonen und auf Plätzen genossen die Menschen ihr Leben in Cafés und Restaurants, es gab Galerien, Mode- und Vintage Läden und Geschäfte mit künstlerischen und gastronomischen Besonderheiten wie Waffeln und Törtchen etc. Die Preise dafür waren gesalzen, aber ansehen kostete ja nichts. Wir leisteten uns trotzdem eine kleine süße Sünde in einem Café und mein mit Mandeln gefülltetes Croissant und Stefans Custard Törtchen waren wirklich ein Hochgenuss.
Im kosmopolitischen Stadtteil Wazemmes fand in einer schönen Backsteinmarkthalle an diesem Tag Markt statt. Draußen herum gab es ein paar Flohmarkt- und etliche arabische Bekleidungsstände. Restaurants mit nordafrikanischen, indischen und peruanischen Angeboten waren in den Gassen ringsum zu finden.
Wir genossen den Tag sehr und waren froh, dass wir diesen Zwischenstopp in Lille auf der Rückreise unserer Interrail-Englandtour noch eingelegt hatten. Unseren letzten der 7 Fahrtage unseres Interrailtickets würden wir am kommenden Tag dafür nutzen, hoffentlich ohne Probleme bis nach Bad Harzburg zurückzukommen. Der Gewinn dieses Tickets für zwei Personen im letzten Jahr auf der Reisemesse, war schon das Beste, was mir jemals so zugeflogen war.
Freitag, 20.9.24 Lille- Bad Harzburg
Nach einer katastrophalen Nacht, in der uns mindestens 10 Mücken quälten und die uns nach mehrmaligem Licht an Licht aus über Stunden endlich zu Opfern fielen, waren wir alles andere als wach und fit für die lange Fahrt nach Hause. Wir begaben uns zum Bahnhof Lille Flandres, von dem die „normalen“ Züge, also nicht der Eurostar fuhren, um 10:08 den ersten Zug unserer Tour zu nehmen. Schnell fanden wir anhand der digitalen Anzeige heraus, dass gerade dieser Zug ausfiel. Was nun? Nach etwas Warterei kamen wir beim Infoschalter an die Reihe und es wurde klar, dass uns nur die Möglichkeit blieb, dieselbe Zug Kombination zwei Stunden später zu nehmen. Den schnelleren Zug mit Reservierungsgebühr hätten wir noch nicht malnehmen können, weil es nur noch erste Klasse Plätze gab, wir aber nur ein zweite Klasse Interrailticket hatten. Ansich sprach ja gar nichts gegen die zweite Variante, bis darauf, dass wir in Brüssel nur 12 Minuten Umsteigezeit hatten und wussten, wie groß der Bahnhof war. Wie auch immer, es blieb uns nichts anderes übrig und wir hatten Glück. Obwohl alle Züge auch noch Verspätung hatten, erreichten wir die Anschlüsse, wenn auch teils in der letzten Minute. Der ICE von Brüssel nach Köln war sehr voll und wir hatten keine Reservierung, da die freiwillig war. Wir setzten uns auf einen Vorzugsplatz für Behinderte und Senioren und hofften, dass niemand kam. Es waren auch noch Plätze für Bonusfahrer frei, aber ich hatte zum Glück gelesen, dass man Strafe zahlt, wenn man sich dorthin setzt und kein Premium Bonusbahnkunde ist. Bei dem Behindertenplatz konnte ich ja zur Not noch meinen Behindertenausweis vorzeigen, auch wenn keine Gehbehinderung beinhaltete. Wir hatten Glück und konnten die ganze Fahrt sitzen bleiben. Auch von Köln nach Hannover hatten wir Glück, nur im Erix von Hannover nach Bad Harzburg standen wir bis Hildesheim wie in der Sadinenbüchse, dann wurde es leerer und wir konnten sitzen. Gegen 21:10 fuhren wir in unserem Städtchen ein und liefen nach Hause in Vorfreude auf unser bequemes Bett.